■•^\ ^r\ i.'*-. •*."'' '*/- '4^.<„ T*jr' -1ästr%..--5 t^!Wji ^v riTV^^r r-"--e>^ BIBLIOTHEK GEOGRAPHISCHER HANDBÜCHER BEGRÜNDET VON FRIEDRICH RATZEL. NEUE FOLGE. HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. ALBRECHT PENCK. Unter Mitwirkung von Professor Haas C'rammer in Salzburg; Professor Dr. Oskar Drnde in Dresden; Professor Dr. F. A. Forel in Morges ; i Professor Dr. Karl t. Fritseh in Halle ; Professor Dr. Alfred Grund in Prag; Professor Dr. Sigmund Günther in München; Professor Dr. Erast Hammer in Stuttgart; Professor Dr. Jollns t. Haan in Wien: Professor Dr. Albert Helm in Zürich; Professor Dr. S. T. Koken in Tübingen; Professor Dr. Rudolf Kötzsehke in Leipzig; Professor Dr. Koarad Kretschmer in Berlin; Professor Dr. Otto Krümmel in Kiel; Privatdozent Dr. Alfred Hera in Berlin; Professor Dr. 0. Pfeffer in Hamburg; v Professor Dr. Friedrieh Batzel in Leipzig; Professor Dr. Karl Sapper in Straßburg; Professor Dr. Adolf Schmidt in Potsdam. STUTTGART. VERLAG VON J. ENQELHORNS NACHF. 1911. HANDBUCH DER OZEANOGRAPHIE VON Dr. OTTO KRÜMMEL, ordentlichem Professor der Geographie an der Universität in Kiel. BAND II. Die Bewegungsformen des Meeres (Wellen, Gezeiten, Strömungen), Mit 182 Abbildungen iin Text. 1 ^ j -^ ^i Q 70 Co Q.% Zweite, vollständig neu bearbeitete und wesentlich erweiterte Auflage. Germany STUTTGART. VERLAG VON J. ENGELHORNS NACHF. 1911. V' \'^ \ II 1^0"^ Druck von Omnitypie-Ges., Nachfl. L Zechnall, Stuttgart. Vorwort. W enn nach der langen Zeit von fast 24 Jahren nunmehr auch von dem zweiten Bande dieses Handbuchs eine neue Auflage erscheint, so ist nicht zu verwundern, daß sie bei dem gewaltigen Fortschritt der Meeres- kunde an Umfang so erheblich größer und an Inhalt reicher ausfallen mußte als die erste. Von dieser sind nur wenige Seiten unverändert über- nommen ; ganze größere Abschnitte mußten völlig neu ausgearbeitet werden: nach genauerer Aufmachung sind dies vier Fünftel des vor- liegenden Bandes, so daß auch dieser mehr bedeutet als eine gewöhnliche zweite Auflage. Schon die Einteilung des Stoffes ist verändert. Zwar kehren die ersten beiden Kapitel unter gleicher Überschrift wieder, aber in dem ersten, die Wellen betreffenden, sind erhebliche Zusätze nötig ge- worden, der VII. und VIII. Abschnitt sind größtenteils erneut, der IX. über die „internen" Wellen ganz neu eingefügt. Ebenso sind im zweiten Kapitel von den Gezeiten die Darstellung der harmonischen Analyse fast ganz, der Abschnitt VII über die geographische Anordnung der Gre- zeiten völlig neu bearbeitet, worin ich einen wesentlichen Gewinn für mein Werk erblicke. In der Theorie der Gezeiten kehren auch mehrere Seiten aus dem schon für die erste Auflage benutzten, von K. Z ö p p r i t z hinterlassenen Manuskript wieder (S. 199 — 216), wenn auch nicht ohne einige Umarbeitung und Ergänzung. Auf S. 209 ist dabei die elementare VI Vorwort» Einführung in das Gezeitenphänomen an der Hand der Sonnentiden stehen geblieben, zwar nicht ohne Bedenken, aber doch in der Meinung, daß ihre Nützlichkeit zuletzt noch überwiegen dürfte. — Die Lehre von den Meeresströmungen ist nicht wie in der ersten Auflage in zwei besonder-en Kapiteln behandelt, sondern die Vertikalzirkulation in die allgemeine Theorie der Meeresströmungen mit aufgenommen, was dem modernen Standpunkt der Wissenschaft allein entspricht. Auch hier kehren einige Ausführungen von Zöppritz (S. 489 — i96) mit den gebotenen Änderungen wieder. Über die allgemeinen Grundsätze, die mich bei der Bearbeitung geleitet haben, wird das Vorwort zum ersten Band hinreichend Aufschluß erteilen, ich darf mich darauf beziehen, wiederhole aber noch ausdrück- lich, daß für mich die Bedürfnisse und die Vorbildung geographischer Leser maßgebend geblieben sind: für Physiker oder Mathematiker von Fach ist das Buch nicht bestimmt. Entsprechend den mehrfach geäußerten Wünschen und dank dem sehr freundlichen Entgegenkommen des Verlegers ist eine etwas reich- lichere Ausstattung mit graphischen Darstellungen aller Art erfolgt, dafür die- der ersten Auflage beigegebene große Übersichtskarte der Meeres- strömungen in Merkatorprojektion weggefallen: in einer Zeit, wo jeder deutsche Schulatlas eine solche enthält, ist sie überflüssig geworden. Soweit eigene, von den sonstigen Darstellungen merklich abweichende Auffassungen vorlagen oder Lücken auszufüllen waren, sind Spezial- kärtchen in den Text aufgenommen. Ich glaube mit dieser Figurenaus- stattung allen berechtigten Wünschen genügt zu haben. Wenn ich freilich den von einzelnen Kritikern erhobenen Forderungen hätte nachgeben wollen, wäre es wohl zur Beigabe eines kostspieligen Atlas der Ozeano- graphie gekommen, was weder in meiner Absicht lag, noch mit den sonst für diese Bibliothek geographischer Handbücher geltenden Grundsätzen in Einklang geblieben wäre. — Unter den Abbildungen wird man auch hier, wie schon im ersten Bände, nicht bloß die moderner Instrumente finden, sondern auch solche von älteren, heute kaum mehr gebräuchlichen. Vorwort. VII Wer etwas historischen Sinn hat oder wahrnehmen konnte , welches Interesse gerade die Darstellung der in jenen „heroischen Zeiten" der Challenger- und Gazelle-Expedition üblichen Apparate im ozeanographi- schen Unterricht zu finden pflegt, wird mich nicht darum schelten. — Ebenso habe ich mir auch dieses Mal in der Darlegung der Beobachtungs- methoden Zügel angelegt, da die eigentliche Technik der Ozeanographie nur an Bord des Forschungsschiffes gelehrt wird und in einem für Geo- graphen bestimmten Handbuch ihr Vortrag einen ungebührlich großen Raum verbraucht hätte. Eine absolute Vollständigkeit der Tatsachen anzustreben, war bei deren Fülle unmöglich. Gerade um dem Buche eine gewisse Lesbarkeit neben streng wissenschaftlichem Charakter zu bewahren, habe ich den Stoff sorgfältig ausgewählt. Denn das Bestreben nach absoluter Voll- ständigkeit müßte zuletzt dazu führen, an Stelle der Wissenschaft den Registranten auf den Thron zu setzen. Wer an Tatsachen mehr braucht, als hier gegeben sind, wird sich an der Hand der Zitate gern weiter be- mühen. Bei alledem ist der Umfang des Buches so stark angewachsen, daß es im Vergleich zur ersten Auflage sogar etwas mehr als den doppelten Raum beansprucht. Zahlreichen Fachgenossen des In- und Auslands fühle ich mich zu Danke verpflichtet für Hinweise auf Druckfehler und andere Versehen im ersten Bande. Ich habe diese mit den von mir selbst nachträglich bemerkten zusammen in einem Verzeichnis vereinigt. Neben dem ausführlichen alphabetischen Namen- und Sachregister habe ich dem vorliegenden Bande noch drei nützliche Tabellen angefügt. Die erste wird denen, die mit Wellen und Gezeiten zu tun haben, angenehm sein, da sie die Lagrangesche Formel c = \/ gp gibt und zwar p in Metern, c in Knoten oder Seemeilen pro Stunde. Die zweite Tabelle betrifft die Verwandlung von Zentimetern pro Sekunde in Knoten oder Seemeilen pro Stunde, die dritte die der Seemeilen pro Etmal in Zentimetern pro Sekunde. Diese scheinen mir zweckmäßig für solche Leser, die mit der nautischen Literatur und den sogenannten Stromversetzungen nicht in VIll Vorwort. Berührung kommen und die sonst eine Anschauung über die Geschwin- digkeit der Meeresströmungen durch einen allgemeiner verbreiteten Maß- stab, wie es Zentimeter pro Sekunde sind, gewinnen wollen. Meinem hiesigen Kollegen, Herrn Privatdozenten Oberlehrer Dr. G. Wegemann, bin ich zu Danke verbunden für die große Mühe, der er sich durch Mitlesen der Korrekturen unterzogen hat. Kiel, Weihnachten 1910. Otto Krümmel. Inhalt. Seite Vorwort V Inhaltsangabe IX Erstes Kapitel. Die Wellen. I. Einleitung 1 Arten der Wellen 1. — Trochoidentheorie 3. II. Die Theorie der Wellen in tiefem Wasser 5 Wellenformeln für die Orbitalbewegung 6. — Für Periode, Geschwin- digkeit und Länge 9. — Für die Energie der Welle H. III. Tlieorie der Wellen in flachem Wasser 12 Theorie von A i r y 12. — Darstellung der Orbitalbahn 14. — Wellen- formeln 14. — Theorie von Boussinesq 18, von G. H a g e n 19. — Beobachtungen der Brüder Weber 22. — Die Übertragungs- weile 22. — Experimente von Hagen 24. — Beobachtungen von S h i e 1 d, G a i 1 1 a r d, M ö 1 1 e r 28; von A i m 6 30. IT. Die Dimensionen der Meeres^vellen 32 Windwellen und Dünung 33. — Messung der Periode 34, der Wellen- höhe 35. — Barometrisches Verfahren 37; photogrammetrische Methode 39. — Messungen von Paris 40, der Gazelle Expedition 41, von Abercromby 42, Schott 4?, Gassenmayr 43, Laas 46, der Planet-Expedition 47. — Größte Dimensionen 49, größte Höhen &1. — Wellengruppen 54. y. Die Entstehung der Wellen und ihre Abhängigkeit vom Winde . 56 Kleinste Wellen 57. — Wirkung des Windes nach M u n c k e 58, den Brüdern Weber, Scott Russell 59, Helmholtz 61. — Wachstum der kapillaren Wellen 65; Schwebungen, DifiEerenzwellen 66. — Wirkung des Winds auf fertige Wellen 67. — Abhängigkeit vom Seeraum 68, von der Zeitdauer der Windwirkung 69. — Unter- suchungen von Antoine, Paris, Borgen 72. — Verhalten der Wellenenergie 78. — Variables Verhältnis der Geschwindigkeit der Wellen zu der des Windes 79. — Verhältnis der Wellenhöhe zur Wellenlänge 82. — Entwicklung der Dünung 84. — Synoptische Wellenkarten 86. — Zunahme der Wellenlänge mit dem Alter der Wellen 89. — Extinktion der Wellen 91. — Verfolg einer Dünung X Inhalt. Seite durch den Atlantischen Ozean 92. — Verhalten der Wellenzüge als Ganzes 95. — Wellenstillung durch Eis und Tang 97, durch Regen- fall und öl 99; Erklärung der ölwirkung 101. — Wellenhemmung durch Wirbel 102. — Wirkung des Nebels 103. Tl. Umformung' der Wellen. Sturzseen. Brandung und Abrasion. Reflexion 103 überbrechen der Wellen 104. — Veränderung der Wehen beim Über- gang von tiefem in seichtes Wasser 105. — Klippenbrandung 108, Strandbrandung 110. — Analyse des Brandungsvorgangs 112. — Kalema und Roller 114. — Wellendynamometer 117. — Wirkung auf Sand- und Kiesstrand 118. — Der Küstenstrom oder die Strand- vertriftung 125. — Abrasion nach Richthofen 128. — Reflexion der Wellen 131. VII. Seebeben, Dislokatiöns- und Explosionsurogen . . . . . . . 132 Seismische Wellen 133. — Dislokationswogen 135. — Explosions- wogen nach Rudolph 136. — Submarine Bergstürze im Mittel- meer 138, im Atlantischen Ozean 140, im Pazifischen 141, im Indi- schen 145. — Form und Geschwindigkeit der Dislokationswogen 150; die Lagrangesche Formel verbessert von Davison 154. VIII. Stehende Wellen 157 Beschreibung nach den Brüdern Weber 157. — Wellenformeln 159. — Methode von Du Boys 160, Chrystal 161. — Schwingung offener Buchten 163. — Seiches und ihre Registrierung 165. — Stehende Wellen in der Ostsee 168, der Seebär 172. — Seiches stn den niederländischen, britischen und französischen Küsten 175, im Mittel- meer 177, d&a Marrubbio 178, der Euripus 180. — Seiches an den ozeanischen Küsten 182. IX. Interne Wellen 185 Entstehung an Grenzflächen im Innern des Wassers 185. — Wellen- formeln 186. — Experimentelle Nachahmung 188. — Das Totwasser 189. — Interne Seiches 190, Wellenformeln 191. — Nachweis interner Wogen im Gullmarfjord 192, im Großen Belt 194. — Wellenfurchen auf dem . Sandboden 196. Zweites Kapitel. Die Gezeiten. I. Überblick über die Erscheinungen . . . . 199 Name Gezeiten, Tiden 199. — Terminologie des Reichsmarineamts 200. — Hafenzeit 201, Springtiden 202, Flußgeschwelle 203. II. Wasserstandsmessnng. Pegel . . . • • • • • • • 204 Lsittenpegel 204, registrierende Pegel 205, Hochseepegel 207. III. Theorie der Gezeiten 208 Grundlegung durch Newton und Bernoulli 208. 1. Die Gleichgewichtstheorie . . 209 Entstehung der Sonnentiden 209, der Mondtiden 210, der Spring- und Nipptiden 216. — Größe der fluterzeugenden Kräfte 217. — Zenit« und Nadirflut 218. — Tägliche Ungleichheit 221. — Elliptische Inhalt. XI Seite Tiden 224. — Evektions- und Variationstiden 225. — Verbesserung der Gleichgewchtstheorie durch Lord Kelvin, G. H. Darwin, H. H. Turner 227, durch H o u g h 228. 2. Die dynamischen Theorieen von La place, Young u n d W h e w e 1 1 228 Klritik der Gleichgewichtstheorie 229; Theorie von La place 230, vonYoung 231, Poincare und Hough 232. — Darstellung der Gezeitenwellen in cotidal lines durch W h e w e 1 1 233. 3. Die Wellen- oder Kanalth_eorie vonAiry und ihre Ergänzung durch Borgen und. Kelvin 234 Die Kanaltheorie von A i r y 234. — Darlegung der Interferenzen durch Borgen 238; Wirkung derselben auf die Flutstunden- linien 243. — Typen der Flutstundenlinien 244. — Interferenz ein- tägiger und halbtägiger Wellen 246. — Kombinationstiden nach Kelvin 248, Obertiden nach Darwin 248. — Ungelöste Pro- bleme: Alter der Tiden 249. 4. DieAuffassung der Gezeiten als Stehende Wellen nachFerrelundHarris 250 F e r r e 1 über die nordatlantischcn Tiden 250, Kritik durch Borgen 25L —- Die selbständigen Schwingungsgebiete der Ozeane nach Harris 254. — Die Amphidromie 257. — Das Eingreifen der Erd- rotation 258. IV, Die harmonische Analyse der Gezeiten • .259 Begriff der harmonischen Schwingung 260. — Unterscheidung der Partialtiden nach Geschwindigkeit, Periode und Epoche (Kappazahl) 262. — Übersicht der Partialtiden mit ihren Symbolen 265. — Typen der Halbtags-, Eintags- und gemischten Tiden nach vander Stok 266. — Hilfsmittel der harmonischen Analyse 269. — Vorausberech- nung der Gezeiten 271. V. Die Gezeitenströmungen 272 Die Orbitalbewegung der Tidewellen 272. — Terminologie der Ge- zeitenströme 273. — Zeitpunkt des Stromwechsels 274. — Richtung der Gezeitenströme 277. — Drehströme an Küsten nach Airy 279; im freien Wasser durch Interferenz gebildet 280. — Bedeutung des Phasenunterschieds 282. — Tiefe der Gezeitenströme 285, — Ein- greifen der Erdrotation 286. Tl. Die Flnßgeschwelle 287 Untersuchungen von Comoy 288; Unterscheidung einer ersten, zweiten und dritten Periode 289. -^ Beispiele aus französischen und deutschen Flußmündungen 292. — Gezeitenströme in Flußmündungen 297. — Flutbrandung oder Bore 299; Erklärung nach Comoy 303. VIT. Die Anordnnngr der Gezeiten im einzelnen . 304 1. Die Gezeitendesatlantischen Gebiets . . . . 304 Die Hafenzeiten 305, — Hauptwellen der Ostseite 306; Gezeiten- ströme daselbst 307. — Hauptwellen der amerikanischen Seite und ihr Knotenpunkt bei Guadeloupe 310. — Verhältnisse an der argen- tinischen Küste 312. — Auffassung von H a r r i s 314. — Harmonische Konstanten für 24 Orte 316. — Hubhöhen 317, — Die hohen Gezeiten der Fundybai 318. — Qualität der Tiden: Halbtagstypus 320, Klein- heit der Sonnentiden 321, Alter der Partialtiden 322. XII Inhalt. Seite Gezeiten im Arktischen M i 1 1 e 1 m e e r 323, im Euro- päischen Nordmeer 324, im Weißen Meer 324; Auffassung von Harris 325; harmonische Konstanten für 8 Orte 326. — Ge- Sieiten der Hudsonbai 327; harmonische Konstanten 328. — Gezeiten im St. Lorenz- Golf 328; Amphidromie 329; harmo- nische Konstanten für 4 Orte 331. — Gezeiten im Amerika- nischenMittelmeer 332 ; harmonische Konstanten für 15 Orte 333; Eintagstiden 334. — Das Britisishe Randmeer: Hafen- zeiten im Irischen Kanal 335, Interferenzwirkung 337, harmonische Konstanten für 2 Orte 339; Hafenzeiten im Englischen Kanal 340, in der südwestlichen Nordsee 343; Hubhöhen der Bucht von St. Malo 343, der Seinebucht .344; Gezeitenströme im Kanal 346; harmonische Konstanten für 10 Orte 350. — Die Nordsee: Verlauf der Flut- weilen 350, der Gezeitenströmungen 354; harmonische Konstanten für 10 Orte 358. — Die Ostsee: Hafenzeiten in Kattegat und Belt- see 359, in der eigentlichen Ostsee 360; harmonische Konstanten für 13 Orte 361. — Das Mittelländische Meer: selbständige Schwingung 363; Tiden von Gibraltar 365, in der Kleinen Syrte 367, in der Straße von Messina 368, im Ägäischen Meer 370, in der Adria 371 ; harmonische konstanten für 5 Orte 372. Die Gezeitendesindischen Gebiets 373 Hafenzeiten und Interferenz an der afrikanischen Küste 373, im Arabischen und Bengalischen Golf 375, an der australischen Seite 376; harmonische Konstanten für 35 Orte 378. — Die Gezeiten des Roten Meers 382, des Persischen Golfs 383. — Das Australasia- tische Mittelmeer 384, Verlauf der Partialtiden il/j 385 und K^ 387 ; die Eintagstiden 388; harmonische Konstanten für 62 Orte 392. Die Gezeitendespazifischen Gebiets 394 Amplitude der Flutwellen 394, Hafenzeiten der amerikanischen Seite 395, der asiatisch-australischen Seite 396; Auffassung von Harris 397. — Harmonische Konstanten für 42 Orte 399. Das Ostchinesische Randmeer 404; harmonische Kon- stanten für 7 Orte 406. — Das Japanische Randmeer: har- monische Konstanten für 7 Orte 407. — Das Ochotskische Meer 408. — Das Beringmeer: harmonische Konstanten für 2 Orte 409. — Der Golf von Kalifornien 409. Rückblick: 410. Drittes Kapitel. Die Meeresströmungen. I. Einleitung und tiberslclit 413 Schema der ozeanischen Oberflächenströme 414. — Geschichtliches 415. II. Metlioden der Stronibeobaclitnn? • ■ 417 Stromversetzung der Schiffe 417. — Strombojen 422. — Stromzeiger von A i m e 424. — Störung durch Gieren und Schwaien verankerter Schiffe 425. — Propellerstrommesser von E k m a n 426, P e 1 1 e r s- 8 o n 428, W i 1 1 i n g 429. — Pendelstrommesser von Jacobsen 430, Nansen 431. — Indirekte Methoden: Beobachtung an treiben- dem Tang 433, an Eisbergen 434, an Wracks 435, an Flaschenposten Inhalt. XIII Seite 436, an Temperatur und Salzgehalt des Wassers 438. — Technik der Stromdarstellung 440. — BegriflF der Stabilität des Stroms 441. III. Die Theorie der Meeresstriimnngen 442 I.Geschichte undÜberblick . . . .- 442 Kosmische Ursachen 442; thermische Ursachen 444; Würdigung der Erddrehung 445, der Winde 447. — Stellung A. v. Humboldts 447. — Die Stromkonstituenten 448. 2. Die Wirkung derErdrotation 449 Ableitung der Formel 450, Trägheitskurve 451. — Beobachtungen auf dem Adlergrund 452, in den finnischen Gewässern nach Witting 454, im Mittelmeer nach F o r c h 455, im Indischen Ozean nach Galle 455. 3. Die Wirkung der Reibungs widerstände. Die Reibungstiefe. . . . . . 456 Reibung in einem Gefällestrom 457. — Virtuelle Reibung 459. — Die Reibungstiefe nach Walfrid Ekman 459, vertikale Anordnung der Stromrichtung in den verschiedenen Tiefenschichten bei großen Tiefen 461, bei kleinen Wassertiefen 463. — Die Reibung bei Dichtegefällen 465, in homogenem Wasser 466, in geschichtetem seichtem Wasser 468. 4. Die Wirkung der Küstenkonfiguration. Strom- teilung. Kompensationsströme 469 Die Kontinuitätsbedingung 469. — Stromteilung vor Hindernissen 471. — Freie und gezwungene Ströme 471. — Bedeutung des Einfall- winkels für freie Ströme 473; Strome:^perimeiite, Neer- und andere Kompensationsströme 474; Strömungen bei Madagaskar als Beispiel 476. — Reaktionsströme nach F. L. Ekman 476; vertikale Kom- pensation 478. 5. Die Wirkung derDichteunter schiede . . . . . 479 Druckgefälle am Boden der großen Ozeane 480. a)Die Druckgradienten und die vertikalen Stromsysteme 481 Konvektionsströme in geschlossenen Becken 481; die Grenzfläche 482. — Berechnung der Dichtigkeitsfläche nach Mohn 482; Berechnung von Druckgefällen für eine beliebige Tiefenschicht 484; Beispiel nach C. F o r c h 485. — Methode von T h o u 1 e t 485. b) Das Eingreifen der Erdrotation in die Kon- vektionsströme . . . '. 486 Methode von Mohn 486. — Zyklonale und antizyklonale Ober- flächenötröme 487. — Nansens Stromsystem für die großen Ozeane 488. c)Die polare Herkunft des Tiefen w assers . 489 Erklärung der niedrigen Bodentempr raturen im tropischen Ozean 489. — Geschichtliche Entwicklung des Problems 491. — Empirische Be- \veise für die Bewegung der ozeanischen Bodenschichten von hohen Breiten her 493; Versuche von C. F o r c h, die Stromgeschwindigkeit zu berechnen 496. d) Die Bjerknessche Zirkulation und die Me- thode der dynamischen Schnitte 499 XIV Inhalt. Seite Konstruktion von Isobaren, Isosteren, Berechnung der Solenoide und der Zirkulation nach B j e r k n e s 500, nach Sandström und HellaiLd-Hansen 502. e)Ekmans Typen derKonvektionsströme. . 504 Einführung der Reibungstiefe 504; Stromschichtung bei nach der , Tiefe wachsender Dichtigkeit 505, Ablenkungswinkel 505. f) Die Strömungen inMeeresstraßen . . . . 50& Typen der Straßenströme 506; Kombination mit Gezeitenströmen 507. g)DieKnudsen8chenRelationen 509 Verhältnis der in den Gliedern einer vertikalen Zirkulation bewegten Salzgehalte 510, Beispiele aus dem Ostseegebiet nach Knudsen511, aus dem Irischen Strom nach G e h r k e 511. h) Die Eisschmelzströime nach O. Pettersson. 512 Experimente von Pettersson u»d S a n d s t r ö m 512; Größen- ordnung der Stromwirkung 514. 6. Die Wirkung des Luftdrucks . 514 Xiveaustörung durch Luftdruckändwoing 515; Wirkung in der Ost- see, untersucht von K n u d s e n 517. 7. DieWirkungdesWindes. Stau-undTriftströme 519 Geschichtliches 520. a)DieTrifttheorie vonK. Zöppritz . . . . . 521 Übertragung der Triftimpulse nach der Tiefe 521; Zeitverbrauch dabei 523. — Einwände von P e r r e 1 526. — Die Stromkabbelungen 526. b) Die Trifttheorie vonW. Ekman 527 Der reine Triftstrom, der Boden- und der Tiefenstrom 528; Anord- nung derselben in homogenem tiefen Wasser in Küstennähe 529; des- gleichen in seichtem Wasser 530. c)Der vertikale- Ausgleich des Windstaus. . 532 Geschichtliches 532. — Die Coldingsche Formel 533; Beispiele aus der Ostsee 534, aus dem Asowschen Meer 535. — Thermische Wir- kungen: das kalte Auftriebwasser 538. d) Trift- und Stau ströme in geschichtetem Wasser. 538 Experimente von Sandström 539, ihre Bedeutung für ozeanische Verhältnisse 540. — Eingreifen der Erdrotation 540. e) Trift- und Stauströme der großen Wind- gebieteimOzean 541 Monsunströme 541, zyklonale und antizyklonale Stromkreise 542. — Bestimmung der Windrichtung und Windstärke aus den Luftdruck- karten 543. f)Die Berechnung der Reibungstiefe nach W. Ekman 545 Berechnung aus dem Tangentialdruck des Windes 545, aus gegebenen Dichtegradienten 546. — Unsicherheit der Ergebnisse 547. . IV. Die Striininngen In den einzelnen Oxeanen 54B 1. Die Strömungen des Atlantischen Ozeans und seincrNebenmeere . . . « . . ■ 548 Inhalt. XV Seite a) Das System der äquatorialen Strömungen . 548 1. Der nördliche Äquatorialstrom 548. — 2. Der südliche Äqua- torialstrom 549. — 3. Die karibische Strömung 654. ■■ — 4. Die Ströme im Golf von Mexiko 557. — 5. Die Antillenströmung 559.. — 6. Dex BrasiUenstrom 560. — r 7. Die Guineaströmung 560. — 8. Theorie dieser Strömungen 569. b)Das nordatlantische System des Florida- oderGolfstromes 574 1. Der Floridastrom 574; seine Entstehung 582. — 2. Die nord- atlantische Ostströmung oder Golfstromtrift 585. — Die Sargasso- see 588. — 3. Der nordafrikanische oder Kanarienstrom 590. — 4, Der Irische Strom 592. — 5. Der Irmingerstrom 597. — 6. Der Ostgrön- landstrom 598, der Labradorstrom 600. c) Das System der südatlantischen Strö- mungen 604 1. Der Brasilien- und der Falklandstrom 604. — 2. Der süd- atlantische Verbindungsstrom 610. — 3. Der südafrikanische oder Benguelastrom 611. d) Bemerkungen über Tiefen- und UntefBtröme im Atlantischen Ozean . . . . 613 e)Die Strömungen in den nordatlantischen Nebenmeeren 619 1. Die Strömungen im Mitteil an dischen Meer 619, in der Gibraltarenge 624, im Adriatischen u. Ägäischen Meer 626, in Dardanellen u. Bosporus 627, im Schwarzen Meer 630. — 2. Die Strömungen des Britischen Randmeers 632. — 3. Die Strö- mungen der Nordsee 633, des Skagerrak 638. — 4. Die Strö- mungen in der Ostsee 640, im Kattegat 641, in den Belten 642, in der eigentlichen Ostsee 644, im Finnischen Golf 645, im Bottnischen Golf 646. — 5. Die Strömungen des Arktischen Mittelmeers 648, im Europäischen Nordmeer 649, in der Barentssee 657, in der Kara- see 659, im zentralen Becken 660, im Amerikanischen Nordmeer 662, in der Baffinbai 663. — 6. Die Strömungen der Hudsonbai 664. — 7. Die Strömungen des St. Lorenz-Golfs 664. Die Strömungendes indischen Gebiets . . . . 665 Strömungen des nördlichen Indischen Ozeans im Nordostmonsun 666, im Südwestmonsun 667; der Südäquatorialstrom 671, der Mosam- biquestrom 672, der Agulhasstrom 673, die Westaustralische Strö- mung 675, die Westwindtrift der höheren Süd breiten 676; Tiefen- ströme 683. Die Strömungen des Roten Meers 685, des Persischen Golfs 688, des Australasiatischen Mittelmeers 689. Die Strömungen des pazifischen Gebiets . . . 692 Der nördliche Äquatorialstrom 6. »2; der Papagayostrom 694. — Der südliche Äquatorialstrom 695. — Der Äquatorialgegenstrom 698. — Der Japanische Strom oder Kuroschio 702, der Oyaschio 703. — Die nordpazifische Westwindtrift 704. — Der Kalifornische Strom 705. — Der Ost australische Strom 709. — Die südpazifische Westwind- trift 710. — Der Kap-Horn- Strom 719. — Der Peruanische Strom 714. — Die Ströme der hohen Südbreiten 716. — Die Tiefenströme 717. XVI Inhalt. Vorbemerkung. Die Strömungen des Ostchinesischen Randmeers 721 ; des Japanischen 72?, des Ochotskischen Meers 723; der Beringsee 723; des Golfs von Kalifornien 724. Rückblick: Stärke und Ursachen der Strömungen nach ihren geographischen Unterschieden 725. — Wirtschaftliche Wir- kungen 725. — Transport- und Räumungskraft der Strömungen 726.. Alphabetisches Namen- und Sachregiste-r Beriehtigungen zu Band I u. II Seite 729 766 Tabellenanhang. 1. Geschwindigkeit der langen Wellen in Seemeilen pro Stunde. 2. Verwandlung von cm pro Sekunde in Knoten oder Seemeilen pro Stunde. 3. Verwandlung von Seemeilen pro Etmal in cm pro Sekunde. Vorbemerkung. Die im nachfolgenden gegebenen geographischen Längen sind stets nach Green- wich, die Temperaturen nach der hundertteiligen Skala, die Längen-, Flächen-, Raum-, und Gewichtsmaße nach dem metrischen System gemeint. Abkürzungen. m = Meter km = Kilometer qkm = Quadratkilometer cbkm = Kubikkilometer cm = Zentimeter mm = Millimeter cc = Kubikzentimeter g = Gramm m p. S. = Meter pro Sekunde mg = Milligramm kg = Kilogramm 1 = Liter t = Tonne Sm = Seemeile X. B. = Nördliche Breite S. B. = Südliche Breite 0. L. = östliche Länge W. L. = Westliche Länge Erstes Kapitel. Die Wellen. I. Einleitung. Äußere Kräfte verschiedener Art versetzen das Meerwasser in rhyth- mische Schwingungen, die als Wellen auftreten. Die Physik unterscheidet zwei Arten von Wellenbewegungen, longitudinale und transversale; beide kommen im Meer vor. Bei longitudinalen Wellen schwingen die Flüssigkeitsteilchen in derselben Richtung hin und her, in welcher die Wellen fortschreiten, wobei die Teilchen vermöge ihrer Elastizität Zu- sammendrückungen und Ausdehnungen erfahren müssen. An der Ober- fläche sind diese Wellen, die durch submarine Erdbebenstöße oder als Schallwellen auftreten, nicht sichtbar, wie sie überhaupt von untergeord- neter Bedeutung sind. Bei den transversalen Wellen schwingen die Wasserteilchen nicht nur in derselben Richtung, in der die Welle fort- schreitet, sondern auch senkrecht zu ihr und zur Meeresoberfläche; da- durch entstehen örtlich Hebungen und Senkungen der Meeresoberfläche, die diese Wellen sichtbar machen. Die transversalen WeUen treten in vier Formen auf: 1. Als kleine kapillare Wellen, 2. als große fortschrei- tende Wellen, die wiederum in mehrere Arten zerfallen, a) die Wind- wellen oder „Seen", die den gewöhnlichen Seegang des Meeres hervorrufen, ferner b) die Disiokations- und Explosionswogen unterseeischer Bergschlipfe und Vulkanexplosionen und c) die gewaltigen Gezeiten- wellen kosmischen Ursprungs. Eine dritte Kategorie bilden die stehen- den Wellen, eine vierte die sogenannten Übertragungswellen. Die kapillaren Wellen können in fortschreitende Windwellen übergehen, wie diese fortschreitenden selbst sich unter gewissen örtlichen Umständen in stehende oder auch in Übertragungswellen umgestalten. Wir werden im folgenden die ozeanische Wellenlehre ausgehend von der vorherrschen- den Form der Windwellen darstellen, während den wichtigen Gezeiten- weUen eine eingehende Behandlung im folgenden Kapitel vorbehalten ist. Nur sehr selten, auch bei völliger Windstille, bietet sich auf hoher See der Anblick einer vollkommen ebenen, spiegelglatten Meeresoberfläche dar; nur in den kleineren und abgeschlosseneren Nebenmeeren dürfte diese Erscheinung häufiger gefunden werden. Der Regel nach aber zeigen diese, wie der offene Ozean eine von Wellen durchfurchte Oberfläche. Die Vorgänge, die den Wellenschlag ausmachen, zeigt uns schon eine flüchtige Beobachtung der Wellen, die sich bei kräftigerem Winde auf ErUmmel, Ozeanographie. II. 1 2 Die Wellen. einem kleinen See oder einem Kanal bilden. Man bemerkt, daß sieb beim Vorubergange einer Welle die Oberfläche erst hebt, dann wieder senkt. Die Wasserteilchen der Oberfläche erleiden also vertikale Verschiebungen, ■ sie pendeln rhythmisch auf- und abwärts. Ferner sieht man aber auch die darauf schwimmenden Körper keineswegs den Wellen folgen, sondern ziemlich unverändert an derselben Stelle bleiben, wenn sie nicht etwa so weit hervorragen, daß der Wind sie fassen kann. Genauere Beobachtung zeigt aber doch eine gewisse horizontale Verschiebung; kleine Holzstiick- chen oder Schaummassen werden nämlich, so oft der Kamm einer Welle sie erreicht, sehr nierklich, wenn auch nicht gerade sehr schnell, mit der Welle fortgetrieben, um alsbald, wenn sie sich in dem Tal zwischen zwei Wellen befinden, ebenso schnell wieder zurück zu schwimmen. Nament- lich dieses Zurückgehen, dem kommenden Wellenberg entgegen, beweist klar, daß sich die Wasserteilchen, die den schwimmenden Körper um- geben, nicht nur heben und senken, sondern daß sie auch in horizontaler Richtung hin und her pendeln. „Viel deuthcher überzeugt man sich hiervon, " sagt Hagen, „wenn man bei mäßigem Wellenschlage auf einem vor Anker liegenden größeren Schiffe sich befindet, welches selbst gar nicht oder nur wenig bewegt wird, und unverändert an derselben Stelle bleibt. Ein solches bietet die Gelegen- heit, das Verhalten der im AVasser schwebenden Körper in unmittelbarer Nähe imd zwar vpn oben zu verfolgen, wobei die horizontalen Bewegungen deutlich hervortreten. Man nehme einen Bogen Papier oder ein leinenes Tuch und bilde daraus durch Zusammendrücken und Rollen einen lockeren kugel- förmigen Ballen. Ehe man ihn über Bord wirft, tauche man ihn in Wasser, damit er beim Hinabfallen sogleich unter die Oberfläche tritt und dadurch sich der Einwirkung des Windes entzieht. Indem er wegen seines etwas größeren spezifischen Gewichts langsam versinkt, kann man ihn bei klarem Wasser etwa eine Minute hindurch verfolgen und deutlich wahrnehmen, wie er beim Vorübergange jeder Welle hin und her schwankt. Unter dem oberen Scheitel (dem Kamme) der Welle folgt er schnell der Richtung derselben, und unter dem unteren Scheitel oder dem Wellentale treibt er wieder zurück. Solange man ihn aber unterscheiden kann, bewegt er sich nur hin und her, ohne die Stelle zu verlassen, wo er zuerst ins Wasser fiel. Dieselbe Bewegung, Welche die Wasserteilchen der Oberfläche haben, erfolgt daher gleichzeitig auch in den darunter befindhchen Schichten." Hieraus ergibt sich, daß die Wasserteilchen unter der Welle sowohl senkrecht wie wagrecht hin und her pendeln und nach dem Vorübergange jeder Welle wieder an ihren früheren Ort zurückkehren. Sie durchlaufen also gewisse geschlossene Bahnen, und zwar jedesmal in einer Vertikalebene, die in der Richtung des Fortschreitens der Welle liegt. Dabei geht die vertikale in die horizontale Bewegung sehr sanft über. Dieses rhythmische Kreisen, welches wir als Orbitalbewegung bezeichnen, gibt den Wasserteilchen aber nicht die gleiche Geschwindig- keit, mit welcher die Welle über das Wasser hinschreitet, vielmehr ist diese letztere, wie wir sehen werden, viele Mal größer als die andere. „Der Saereisende, der an diese Erscheinung nicht gewöhnt ist und die anrollende Welle für einen Wcässerberg hält, dessen Masse die gleiche Ge- schwindigkeit wie die Welle hat, kann sich des beängstigenden Gefühls nicht erwehren, daß das Schiff beim Zusammenstoße zertrümmern müsse. Dieses Die Trochoidentheorie. 3 geschieht aber nicht, das Schifi schwankt und hebt sich, der eigenthche Stoß bleibt nur sehr mäßig und ist oft gar nicht zu fühlen." (Hagen.) Es sind also zwei Bewegungen zu unterscheiden : einmal die o s- zillierende oder Orbitalbewegung der Wasserteilchen und zweitens die fortschreitende der Wellenform. Selbstverständlich kann die oszillierende Bewegung nicht so erfolgen, daß größere Wassermassen (-zylinder) gleichzeitig um eine gemeinsame Achse rotieren. Dabei wären Zusammenstöße oder scharfe Übergänge un- vermeidlich, die eine starke Reibung und damit bald ein völliges Aufhören der Bewegung zur Folge hätten. Vielmehr ergibt die Erfahrung, daß auf einigermaßen tiefem Wasser auch nach dem Aufhören des Sturmes die Wellenbewegung noch einige Zeit, im offenen Meer über 24 Stunden hindurch, sich erhält und nur sehr langsam zur Ruhe gelangt; worauf noch zurückzukommen ist. Darin liegt ein Beweis für die Geringfügigkeit der (inneren) Reibung, welche diese Art der Bewegung begleitet, und wir erkennen, daß die Wasserteilchen, die in der Ruhelage sich nebeneinander befinden, auch im Bereiche einer Wellenbewegung stets in Berührung miteinander bleiben. Ein bekanntes Instrument, die Wellenmaschine, verdeutlicht die Kombination der beiden Vorgänge, die sich hier abspielen. An einer Platte sind in einer geraden Linie die gleichlangen Stäbe OP so befestigt, daß sie sich um die Punkte 0 gleichzeitig in Drehung versetzen lassen, was sich leicht durch eine um alle Achsen in gleichem Sinne geschlungene Schnur bewirken läßt. Stellt man die Stäbe so ein, daß jeder im Vergleich zu seinem rechten Nachbarn um Vs der vollen Umdrehung (diese links herum gerechnet, vgl. die kleinen Pfeile der -^^S- ^• Fig. 1) zurück ist, so wird die Linie P, P, P usw. das Wellen- pr 0 f i 1 sein. Wer- den nun die Stäbe oder Radien um Va der Schema der Wellenmaschine (Orbitalbewegung der Wasserteilchen TT T 1 f ii in einer nach links fortschreitenden Welle). Umdrehung fortbe- wegt, so sind die Punkte P nach p gelangt, hingegen ist der Wellenkamm um ein " ungleich größeres Stück nach links fortgerückt. So zeigt sich, wie durch langsame Drehung der einzelnen Wasserteilchen um ein Rotations- zentrum 0 die Wellenform sehr schnell fortschreiten kann, und zwar ver- anschaulicht das Instrument dasselbe, was die oben gegebene Beobachtung ergab: im Wellenkamm laufen die Teilchen in gleicher Richtung vie die Welle, im Wellental laufen sie ihr entgegen. Die Kurve PPP nennt man in der Geometrie eine gestreckte Zykloide oder kürzer eine Trochoide, daher diese Theorie der Wellenbewegung die Trochoidentheorie. Die Beziehungen zwischen Trochoide und Zykloide mögen durch folgendes erläutert werden. Es sei (in Fig. 2) QR eine gerade Linie, unter der entlang man einen großen Kreis von dem Radius OQ rollen läßt. Die Strecke QR sei gleich dem halben Umfang dieses Kreises, so daß nach einer halben Um- Die WeUen. drehung der Punkt Ri in R angekommen ist. Ließe man den Kjeis noch •weiter nach rechts rollen, so würde die Bahn des Punktes ß^ von der erreichten ^'pitze R wieder abwärts führen. Diese Bahn ist die Zykloide. Teilt man nun den Kreisumfang QRi in 16 gleiche Teile ein, so werden diese in fleicheji Strecken auch auf der Linie QR sich abdrücken, also bei der halben )rehung die Linie QR in 8 gleiche Stücke abteilen. Auf dem Eadius ORi befindet sich ein Punkt P; 'S' seine Bahn bei dem gleich- zeitigen Fortrollen des großen Kreises wird durch die Linie PÄ 2 gegeben sein. Diese letztgenannteKurve ist eine Trochoide. Die Trochoide kann also auch definiert werden als die Kurve, welche von einem Punkte einer Rad- speiche beschrieben wird, während das Rad entlang einer horizontalen Ebene in gerader Richtung fort- wie die Zeichnung Zykloide und Trochoide. rollt. Einen Punkt dieser Trochoide zu bestimmen ist zeigt, sehr einfach. Setzen wir z. B Q als Anfangspunkt des Koordinaten- systems und QR als Abszissenachse, ferner OQ ~ r, OP = q, Winkel Q03 = (J, so sind die Koordinaten des Punkts c^ der Trochoide: X — CiC2 = C1C3 + Cj C3 = r0 + 0 *in Ö> y = CiQ — OQ + Oci — r + () cos &. Denn wenn der Punkt 3 in QR von Punkt 3 des Rollkreises berührt wird, ist der Mittelpunkt des letzteren von 0 nach S gekommen, und Sc^ = OP = (). Graphisch sind die einzelnen Punkte der Trochoide Ph.^, also wieder z. B. Cg, so zu finden, daß man auf der Bahn des Rollkreiszentrums, also OS, die der entsprechenden Pliase der Drehung zukommenden Lagen dieses Zentrums (also S) aufsucht, und den Winkel POc ^= Q03=^ Q an die über S verlängerte Gerade S3 anlegt (oder was dasselbe ist, Sc 2 parallel Oc zieht) und Sc 2= Oc= (> macht. Oder anders und noch bequemer: man zielit die Horizontale c^^, sucht ihren Schnittpunkt C3 mit der Senkrechten S3 und macht Cg c^ =- rcj. (Vgl. W. H. White, A manual of Naval Architecture, London 1877, p. 143.) Eine eingehende Darstellung der sogenaimten Trochoidentheorie der Wellenbewegung kann an dieser Stelle schon darum nicht gegeben werden, weil sie Kenntnis der Infinitesimalrechnung voraussetzt. Man findet die Ableitung der im folgenden aufgezählten Formeln in zahlreichen Abhandlungen der französischen Schiffbauingenieure B e r t i n in den Memoires de la So- ciete Nationale des Sciences Naturelles de Cherbourg, tomes XV, XVI XVII, XVIII, XXII; und Duhil de Benaze in Revue maritime et coloniale, t. 42, 1874, p. 618 ff.; ferner bei H a g e n, „Wellen auf Gewässern von gleich- ' mäßiger Tiefe" in den mathem. Abhandl. d. Kgl. Akademie d. W. zu Berlin a. d. Jahre 1861, Berlin 1863; und in Hagen, Handbuch der Wasserbau- kunst, 3. Teil, Seeufer und Hafenbau, Bd. 1, Berlin 1863, S. 3—104. Die Abhandlung A i r y s, On tides and waves, in der Encyclopaedia metropolitana, vol. V (1842), p. 282 fi. ist schwer zugänglich. Einen vollkommen genügenden Auszug aus der Abhandlung Airys gab Guieysse in Liouvilles Journal des Mathematiques 3""e Serie, vol. 1, Paris 1875, p. 399—450. Vgl. auch Horacc Lamb, Einleitung in die Hydrodynamik, übersetzt von Reiff, Die Trochoidentheorie. 5 Tübingen 1884, S. 251 — 275 und desselben Lehrbuch der Hydrodynamik, deutsch von Friedel, Leipzig 1907, 9. Kapitel. — Die Wellenbewegung be- handeln streng mathematisch, Boussinesq, Sur les ondes liquides perio- diques in den Memoires pres. par divers Savants ä l'Acad. des Sciences vol. XX, Paris 1872, p. 509 — 615, und Willi W" i e n, Lehrbuch der Hydrodynamik, Leipzig 1900. Ältere Versuche rühren her von S t o k e s in Cambridge and Dublin Math. Journal IV, 1849; von Earnshaw in Philos. Transactions 1860; von F r o u d e in den Transactions of the Institution oi Naval Architects for 1862; Rank ine in den Philosophical Transactions 1862; Lord Ray- lei g h im Philos. Mag. 1872. — Wir schließen uns im folgenden vorzugsweise an Hagen und B e r t i n an^ welche ihrerseits an die grundlegenden Unter- suchungen von Gerstner aus dem Jahre 1804 (vgl. Weber, Wellenlehre, Leipzig 1825, § 219) anknüpfen. Zur Geschichte. — Eine der modernen sehr nahe kommende Auf- fassung vom Wesen der Wellenbewegung finden wir zuerst am Ende des 15. Jahr- hunderts bei dem so vielseitig tätigen Leonardo da Vinci ^). Er bemerkte, daß die Wellenkämme sich ebenso hoch über den ungestörten Wasserspiegel erheben, wie die Wellentäler darunter bleiben; daß die Wasser- teilchen in die Wellenkämme gehoben würden durch die Tätigkeit des Windes und wieder zum Wellental hinabgezogen würden durch ihr Gewicht; ihm entging nicht, daß die Bewegung der Wellenform zu unterscheiden ist von der Be- wegung der Wasserteilchen selbst, wobei er schon den Vergleich mit den über ein Kornfeld hinweglaufenden Wogen aufstellte; die heute als Orbita Ibewcgung gezeichneten Vorgänge verfolgte er an einem von den Wellen gehobenen und gesenkten Schwimmkörper. Er wollte bemerkt haben, daß die Wellen bis- weilen eine größere Geschwindigkeit hätten als der Wind, während auch das Umgekehrte vorkäme; ferner daß Wellen, die an Höhe verlieren, an Länge gewinnen. Er kannte die Interferenzen aller Art sehr gut und beschrieb auch die Reflexion und die Brandung der Wellen. (Nach W. H. W h e c 1 c r, A Practical Manual of Tides and Waves, London 1906, p. 21, der sich auf das Bulletin de l'Encouragement pour l'Industrie nationale, Paris, Dez. 1902 be- zieht.) Exakte mathematische Entwicklungen finden sich erst bei Newton. II. Die Theorie der Wellen in tiefem Wasser. Die Trochoidentheorie kommt für Wellen auf Wasser von unendlicherTiefezu den im folgenden der Reihe nach erläuterten Formeln. Es bedeutet in denselben: r den Radius des Rollkreises (siehe Fig. 2) ; . h den Radius der Kreisbahnen der Wasserteilchen an der Ober- fläche, also die halbeWellenhöhe; H die ganze Wellenhöhe; V die Geschwindigkeit (Meter pro Sekunde), mit welcher die Wasser- teilchen ihre Kreisbahn durchmessen (= Orbitalgeschwindig- keit) ; z die Wassertiefe (in Meter), vom mittleren Niveau der Oberfläche ab nach unten gerechnet; X die Wellenlänge, d. i. der Abstand von Wellenkamm zu Wellenkamm (in Meter) ^) ; 1) Vgl. A. C i a 1 d i in Rivista Marittima, Roma 1873, primo trimestre. p. 3- '2o. ^) Die Brüder Weber bezeichnen in ihrer klassischen Wellenlelire X als 6 Theorie der Wellen in tiefem Wasser. c die Geschwindigkeit (Meter pro Sekunde), mit der sich die Welle über die Wasseroberfläche fortbewegt (= Fort- pflanzungsgeschwindigkeit) ; T die P e r i o d e der Welle, d. h. die Zeit, welche ein Wasserteilchen der Oberfläche braucht, um seinen Umlauf zu vollenden, oder, was dasselbe, die Zeit, welche die Welle braucht, um eine Strecke gleich jder Wellenlänge X zu. durchlaufen (in Sekunden). Ferner bedeutet t: die bekannte Ludolfsche Zahl (3.141), e die Basis der natürlichen Logarithmen (die Zahl 2.718), M den Modulus der ge- meinen Logarithmen und g die Geschwindigkeit eines frei fallenden Körpers am Ende der ersten Sekunde (9.81 m, vgl. Bd. I, S. 286). Die von den einzelnen Wasserteilchen beim Vorübergang einer Welle beschriebenen Kreisbahnen haben an der Oberfläche den Eadius h, d. i. die halbe Wellenhöhe. Aber auch alle unter der Oberfläche liegenden Teilchen beschreiben solche Kreisbahnen, nur werden die Radien (p) dieser letzteren um so kleiner, je tiefer die Teilchen unter der Oberfläche liegen, und zwar gilt nach B e r t i n dafür die Formel: p^Äe-'^'f I oder in einer für die Rechnung bequemeren Form: ^ h l Nach Hagen kann man Formel I, da r = X : 2 ä, auch schreiben p — he~ ~r . Die Radien werden also in einer geometrischen Progression kleiner, und man kann dieses Verhältnis für alle praktischen Rechnungen genau genug wiedergeben durch die von Rankine aufgestellte Regel: „Drücken wir die Tiefe in Neunteln der Wellenlänge aus, so nehmen die Durchmesser (2 p) der Kreisbahnen für jedes zukommende Neuntel der Tiefe um die Hälfte ab"; ist also die Tiefe, in Bruchteilen von ">- = 0, V9. '/a '/». V9, V» usw. dann ist 2 p in Bruchteilen der ganzen WcUcnhöhe {2 h) 1, V2, V«, Vs, V32, Vase usw. Wellen von 90 m Länge und 3 m Höhe sind im offenen Ozean bei kräftigem Winde nicht selten ; hier ist also an der Oberfläche 2 p -^ 2 h = 3 m. Dagegen werden sich die Wasserteilchen in 10 m Tiefe nur noch um 1.5 m verschieben, in 20 m Tiefe um 0.75 m, in 50 m Tiefe nur noch Wellenbreite, während für sie die „Wellenlänge" die wagrechte Erstreckung des Wellenkammes oder die Kammlänge bedeutet. Es ist zu bedauern, daß diese Weber sehe Terminologie zugunsten der im Text beibehaltenen aufgegeben worden ist. Die Trochoidentheorie betrachtet die Wellen eben nur als zweidimensionale Gebilde, die Naturbeschreibung kann aber auf die dritte Dimension nicht verzichten und findet sich nicht selten in Verlegenheit um einen Ersatz für die Weber sehe Bezeichnung der Wellenlänge, wofür wir im folgenden gegebenenfalls Kammlänge gebrauchen. Die Orbitalbewegung. ' 7 Fig. 3. 9 cm, in 100 m Tiefe aber noch nicht ganz 3 mm^), also in dieser Tiefe kaum mehr merklich. Aus der Formel indes ergibt sich, daß diese Bewegung erst in unendlicher Tiefe völlig gleich Null wird. Am deutlichsten werden diese Vorgänge unter der Welle durch fol- gende Betrachtung werden. Man denke sich die ganze Wassermasse im Ruhezustande zerlegt in eine große Zahl von sehr dünnen Wasserfäden, deren Achsen alsdann als gerade Linien senkrecht zur Oberfläche in die Tiefe führen. Tritt nun Wellenbewegung ein, so werden sich diese Wasser- fäden zunächst unter dem Wellenkamm verlängern, unter dem Wellen- tal verkürzen, dabei haben sie aber nur im Augenblicke, wo sie die tiefste Stelle des Wellentals oder die höchste des WeÜenkamms einnehmen, ihre senkrechte Lage; sonst neigen sie sich mit ihren oberen Enden bald nach der einen, bald nach der anderen Seite. Fig. 3 zeigt links die verschiedenen Stellungen, welche ein und der- selbe Faden beim Vorübergang einer Welle nach und nach einnimmt; die rechts daneben stehende Figur gibt die kreisenden Bahnen der einzelnen Punkte, welche übereinander liegend den Faden bilden. Die Zeichnung ver- längert den Faden so weit nach oben, daß die Bahnseiner Spitze ein WeUenprofil in Gestalt der gemeinen Zykloide ergeben würde; die Profile, welche die nächst darunter liegenden Teilchen durch ihre Bah- nen ergeben und welche Trochoiden sind, ersieht man aus der nächsten Fig. 4. Endlich soll Fig. 5 dazu dienen, sämtliche Wasserfäden darzu- stellen, wie sie sich gleichzeitig in der ganzen Ausdehnung einer Welle Abnahme der Orbitalbewegung mit der Tiefe unter der Oberfläche. Fig. 4. Fig. 6. Abnahme der Trochoidenhöhen mit der Tiefe. Stellung der Wasserfäden in einer Welle. einstellen, und wenn man davon absieht, daß diese Fäden eine unend- lich kleine Dicke haben, so ist jeder Faden durch die Fläche zwischen je zwei Linien angedeutet. Man bemerkt hier, daß die Fäden im Wellen - ^ ) Die aus der Formel I sich ergebenden genauen Werte für 2 o sind der Reihe nach: 1.4928, 0.7428, 0.0915, 0.00279 m. Die Berechnung wird sehr erleichtert durch Paul Gruners Tabellen der Exponentialfunktion e--« (Leipzig 1906). Auch die von N e w m a n und Glaisher in den Transactions of the Cam- bridge Phil. Soc. 1883, Bd. 13, Nr. III oder von Harris in seinem Manual of Tides, part II ^U. S. Coast and G. S. Report 1897, App. Nr. 9, p, 614 f.) gegebenen Tabellen sind zweckentsprechend. Harris gibt auch die Werte der später zu erwähnenden hyperbolischen Funktionen. Für die letzteren vgl. besonders W. L i g o w s k i, Tafeln der Hyperbelfunktionen, Berlin 1890 (mit den Logarithmen). 8 ' Theorie der Wellen in tiefem Wasser. kämm schmäler sind als im Bereiche des Wellentals, und zwar ist dieser Unterschied um so größer, je näher der Oberfläche wir messen. Diese Oberfläche selbst mußte sogar darum als Trochoide gezeichnet werden, weil für eine Zykloide die Fäden sich im Wellenkamm völlig zugespitzt hätten und ihre Trennungslinien zusammengefallen wären. „Die hier dargestellten verschiedenen Fäden bezeichnen aber auch die verschiedenen Formen und Stellungen, welche derselbe Faden nach und nach einnimmt (Fig. 3 a). Man denke sich eine Wellenlänge X in so viele Teile geteilt, als die Periode der Welle r Zeitelemente A t enthält. Und vor dem Beginn der Wellenbewegung, also zur Zeit, wo alle Fäden senkrecht standen und gleich lang, folglich auch gleich breit waren, seien sie durch lotrechte Schei- dungslinien voneinander getrennt worden. Tritt alsdann die Wellenbewegung ein, so bleiben diese Fäden noch immer voneinander getrennt und jeder ein- zelne behält sein ursprüngliches Volum, während er an die beiden benach- barten sich überall anschließt. Wie er sich verlängert oder verkürzt, muß seine Breite in entsprechender Weise ab- oder zunehmen. Letzteres geschieht aber nicht gleichmäßig in der ganzen Höhe, vielmehr tritt diese Veränderung vorzugsweise in der Nähe der Oberfläche ein. Die Breite jedes Fadens vor dem Eintritt der Wellenbewegung war gleich c . At. Nimmt man nun an, daß diese in Fig. 5 dargestellte Ebene, der Richtung der "W'^ellenbewegung entgegen mit der Geschwindigkeit c fortgeschoben wird, so daß sie also in jedem Zeitelemento Jt um die ursprüngliche Breite eines Fadens, also um c . /Jt zurückgeht, so rückt derselbe Faden jedesmal an die Stelle, welche die Figur für den nächstfolgenden zeigt; und die verschiedenen Stellungen und Verbreitungen oder Verengungen, die derselbe Faden nach und nach annimmt, kann man dnher in dieser Figur erkennen. Diese umfaßt indes keineswegs alle Voränderungen vollständig, vielmehr setzen sie sich noch weiter abwärts fort, obwohl sie hier immer geringer werden. Wie gesagt befindet sich die Mittellinie des Fadens beim Vorübergange des obersten Wellenkamms oder imtersten Wellentals an ihrer ursprünghchen Stelle und steht senkrecht. An allen zwischenliegenden Punkten rückt indes der Fuß des Fadens, wie die Figur zeigt, nach der einen oder der anderen Seite und neigt sich zugleich vor- und rückwärts wie in Fig. 3. " (Hage n.) „Man hat die Bewegung dieser Wasserfäden häufig verghchen derjenigen der Halme eines Kornfeldes, wenn der Wind sie hin und her schwanken und über die Ähren hin eine Welle verlaufen läßt. Aber obschon gewisse Ähnhch- keiten vorhanden sind, so ist doch der Hauptunterschied nicht zu übersehen: daß nämlich die Halme von konstanter Länge bleiben, während die Wasser- fäden sich bald verlängern, bald verkürzen. " (W h i t e ; vgl. schon Ilias II, 145 ff.) Diese Betrachtungen werden besonders den Umstand ins Licht treten lassen, daß in einem Medium von so geringer Elastizität, wie das Wasser ist, und unter der Bedingung der Kontinuität, wie sie für jede Flüssigkeit gilt, doch durch kleine Verschiebungen der Wasserteilchen es möglich wird, daß die ganze Wassermasse in Schwingungen gerät, die an der Ober- fläche in Wellenform auftreten und, wenn einmal eingeleitet, bei der ge- ringen inneren Reibung des Wassers sich noch lange erhalten können, auch nachdem die erregende Ursache selbst nicht mehr wirksam ist. Ferner läßt sich aus dem obigen schon unmittelbar folgern, daß eine und dieselbe Wassermasse von mehreren Wellengystemen gleichzeitig durchlaufen werden kann. Da die einzelnen Wasserteilchen sich nicht Wellenformeln II bis VIII. 9 zwischen einander hindurch bewegen (was eine starke Reibung erzeugen würde), sondern immer von ihren alten Nachbarteilchen umgeben bleiben, können die Wasserfäden jedesmal die Gestalt annehmen, welche ihre Stellung zu den verschiedenen Wellensystemen verlangt. Wäre das Wasser eine vollkommene Flüssigkeit (d. h. ohne alle innere Reibung), so würden auch diese sich durchkreuzenden Wellenbewegungen oder Interferenzen bis in Ewigkeit fortdauern, solange die Voraussetzung der Theorie: „un- endlich große Tiefe" und „nach allen Seiten unbegrenzte Ausdehnung des Wassers" zutrifft, was in der Natur ja nicht der Fall sein kann. Die nachstehenden Formeln bedürfen nur kurzer Erläuterung. Die Periode der WeUe wird gegeben durch die Formel ^ II 9 die Periode ist also proportional der Quadratwurzel aus der Wellenlänge. . Lange Wellen haben also immer auch eine längere Periode als kürzere WeUen. Die Periode ist aber ferner direkt proportional der G e s c h w i n d i gr * k e i t, mit welcher die Welle fortschreitet: ^^ TTT T = C III 9 Diese Geschwindigkeit ist demnach auch wieder proportional der Wurzel aus der Wellenlänge: V- -1/ir X IV Da nun die Wellenlänge gleich dem Umfange des die Zykloide erzeugenden RoUkreises ist, also X = 2r7r, so ist auch c durch r ausgedrückt: c ^ l/^ . V d. h. die Geschwindigkeit ist dieselbe, welche ein frei fallender Körper besitzt, der die Strecke V2 *" hinabgefallen ist. Durch r kann man auch die Periode in Formel II ausdrücken, nämlich : T = 27cl/ ^^ .VI was bedeutet, daß ein Pendel von der Länge r in derselben Zeit t eine vollkommene Schwingung macht, d. h. seine Bahn erst nach der einen und dann nach der anderen Seite zurück durchmißt. Die Geschwindigkeit, ausgedrückt durch die Periode, ist c = -/- X VII Die Wellenlänge X läßt sich danach setzen : X = -^c= = ^t» VIII Nachstehende Tabelle zeigt die für verschiedene Werte von t nach Formel VTI, VIII und I berechneten Daten für die Wellenlänge, die Ge- 10 Theorie der Wellen in tiefem Wasser. schwindigkeit, und den Radius p der Orbitalbahnen in verschiedenen Tiefen, wenn die halbe Wellenhöhe h gegeben ist (nach B e r t i n). Für metrisches Maß und Sekunden kann man vereinfacht auch folgende Be- ziehungen aufstellen. Dagr/^TC angenähert = l'^U, ist die Geschwindigkeit c = 1 VaP^äl der Periode t, und die Wellenlänge X = 1 '^j^sX dem Quadrat der Periode; ähnlich auch die Geschwindigkeit c = IViinal der Wurzel aus X. X X (m) c (m p. S.) Verhältnis ^ in den verschiedenen Tiefen z = n (Sek.) 2 m 10 m 20 m 50 m 100 m 2 6.2 3.12 0.134 0.000 0.000 O.ÖOO 0.000 3 14.1 4.70 0.410 0.012 0.000 0.000 0.000 4 25 6.24 0.605 0.080 0.007 0.000 0.000 5 39 7.81 0.725 0.200 0.040 0.000 0.000 6 56 9.37 0.800 0.327 0.107 0.004 0.000 7 77 10.93 0.848 0.440 0.193 0.016 0.000 8 100 12.49 0.882 0.533 0.284 0;043 0.002 9 126 14.05 , 0.905 0.608 0.370 0.083 0.007 10 156 15.61 0.923 0.668 0.447 0.134 0.018 11 189 17.17 0.936 0.717 0.514 0.190 0.036 12 225 18.73 0.946 0.756 0.572 0.247 0.061 14 306 21.85 0.960 0.814 0.664 0.358 0.128 16 396 24.98 0.969 0.863 0.728 0.452 0.206 18 506 28.10 0.975 0.883 0.780 0.537 0.289 20 624 31.22 0.980 0.904 0.818 0.605 0.366 22 762 34.34 0.984 0.921 0.848 0.662 0.438 24 899 37.46 0.986 0.932 0.870 0.705 0.497 Von der Geschwindigkeit, mit der die Welle über das Wasser hinschrei- tet, ist verschieden diejenige, welche die Wasserteilchen in ihrem KJreis- lauf an der Oberfläche haben. Nennen wir diese Orbitalgeschwindigkeit v, so ist sie V = c — .EX r und ihr Verhältnis zu c, indem wir r durch X ausdrücken, c dieses ist also gegeben durch das Verhältnis der Wellenhöhe zur Wellen- länge. Diese Gleichung erhalten wir übrigens leicht aus der Definition X = c T ; multiplizieren wir beide Seiten dieser Gleichung mit v und be- denken, daß V T der Umfang der Orbitalbahn, also = 2 tc A ist, so wird X V = 2 t: hc. Der Quotient A : X ist immer ein echter Bruch, dessen Wert nach der Theorie abnehmen kann von seinem Maximum 1 : 7t (bei der Zykloide) bis zu unendlich kleinen Größen. Die Theorie gibt also kein festes Verhältnis zwischen Wellenhöhe und Wellenlänge, damit also dann auch kein solches der Orbitalgeschwindigkeit zur Fortpflanzungsgeschwindig- keit der Welle. Nach den später zu gebenden tatsächlichen Beobachtungen kann der Wert von 2h:X etwa zwischen Vio ^"i:;■■■ ' :v^-'-. V'*C' :;<;" ""-, ; o -4 -»^-;.-.. -.f-i,..^^ MC:\.::^ -Zl:v^ «Sb,,; ,,.;.-.*. 4 ----!- Tt--; - -r\a. i ~'-r7' r- ^ ^ ¥-^- f^—f tS 4 T^ \ /• ! ■ ;-< a'-'' .b -4-4 ...... ,-« rrr^ -y-\-i, ^' ; i\ -; ^ U-V-^i-. b) y ! n\ : J|T ■y c h l l m' m n p c Orbitalbewegung und Stellung der Wasserfäden in einer Welle in seichtem Wasser. ander liegenden Elementen desselben Wasserfadens sämtlich gleiche ab- solute Exzentrizität (s) haben, in denen also die beiden Brennpunkte jedesmal gleichweit voneinander entfernt sind, wobei die horizontale halbe Achse a am Boden des Wasserbeckens gleich e wird, während die vertikale halbe Achse ß hier verschwindet. Die WeUenoberfläche ist nun keine Kreistrochoide mehr, sondern wird eine sogenannte reduzierte oder El- lipsentrochoide. Die Kechnung zeigt, daß alsdann zwei untereinander liegende Bahnen nicht genau in derselben Zeit durchlaufen werden, was in der Tat gegen die Kontinuitätsbedingung streiten würde. Ebenso wie diese Orbitalgeschwindigkeit variabel ist, so ist auch die Fortpflanzungs- geschwindigkeit und die Periode der Welle in den verschiedenen unter- einander liegenden Schichten bei Airy von dem variablen Verhältnis von ß zu a abhängig, nämlich V^^r^X ß 2tz XIII 1 /^_2rt_ a^ *) Weber, Wellenlehre, S. 141, § 116. XIV 14 Theorie der Wellen in flachem Wasser. also in den verschiedenen Tiefen ungleich ! Das alles würde zur Folge haben, daß in Wasser von endlicher Tiefe die Wellenbewegung jedesmal sich selbst zerstörte, was den Beobachtungen im Experiment wie in der Natur widerstreitet, wo die Wellen auch in flachem Wasser sich ganz regelmäßig ausbilden. Aus Airys Rechnung ergibt sich für das Verhältnis der beiden Halb- achsen die Formel: 2n (p — s\ k e — e — SJt(p-s) k 4jt(p — z). ß k e —1 a 2ft(p—z) -—2n(t> — z) 4nip — z) + e -hl worin p die ganze Wassertiefe vom Zentrum der Ellipsen bis zum Boden hinab gerechnet bedeutet, z den Abstand der betreffenden Wasserschicht von der Oberfläche. An dieser letzteren selbst ist z = 0, alsdann wird obige FormeP) 371 p — 2}T n 4np «0 — 1 «0 in p 47t p . XV + e +.i Fig. 7. Die Orbitalgeschwindigkeit der Wasserteilchen auf ihrer elHptischen Bahn ist nicht konstant, sondern folgt einem Gesetze, das sich aus beistehender Fig. 7 ablesen läßt. Hier ist die elliptische Bahn umschrieben von einer Kreis- bahn vom Durchmesser der großen Achse der EHipse : die Wasserteilchen befinden sich dann immer in der Projektion senkrecht unter (oder im Wellental über) derjenigen Lage, welche sie einnehmen würden, wenn sie mit gleichmäßiger Geschwindigkeit auf der Kreisbahn zirkuherten: in derselben Zeit, wo ein Teilchen von A nach m' ge- langt wäre, kommt es auf der elliptischen Bahn nach in, wo die Senkrechte m'B die Elhpse schneidet. Es ergeben sich also für gleiche Winlcel die kleinsten Geschwin- digkeiten dann, wenn die Teilchen die große ~'-«,, i ,,''' horizontale Achse passieren, d. h. im mitt- leren Wasserniveau (also bei A und^l'); die Berechnung der elliptischen Orbitalbahn, größten Geschwindigkeiten, wenn der Radius- vektor mit der vertikalen Achse zusammen- fällt, also im höchsten Punkte des Wellenkammes und im tiefsten des Wellen- tales (bei H und N). Für diese größte Geschwindigkeit gilt dann die Gleichung^): ^) Durch Einführung hyperbolischer Funktionen lassen sich diese Formeln sehr viel einfacher schreiben; so wird Formel XV: ßo/"o = tangh2TCp/X. Doch stehen für direkte Berechnung Tafeln der c« und e-' zur Verfügung (vgl. oben S. 7 Anm. 1). *) B ö r g e n, in Ann. d. Hydr. 1880, S. 9. Über coth vgl. vorige Anm. Fonneln von Airy. 15 V, max — 2i:h e + e 2i:h ^, ^ V = cotn 2t: -f- X — e worin Ä die halbe Wellenhöhe , x die Periode bedeutet. Diese Unterschiede in der Orbitalgeschwindigkeit werden besonders wichtig bei den Grezeiten- wellen; denn bei diesen bewegen sich die Wasserteilchen in außerordentlich flachen Ellipsen. Airy hat die erwähnten Schwierigkeiten seiner Formeln zwar selbst auch erkannt, was bei einem so ausgezeichneten Analytiker selbstver- ständKch ist, doch erachtete er trotzdem seine Resultate in der doppelten Einschränkung noch für brauchbar, daß elr einmal die Wellen als unend- lich klein annahm und zweitens die Geschwindigkeit der Welle nur nach den Vorgängen in der Oberflächenschicht bestimmte, daher der Quotient a : ß in XIII und XIV den Wert hat, wie er aus XV sich ergibt i). Obige Exponentialformeln gewinnen unter diesen Voraussetzungen allerdings eine gewisse Brauchbarkeit, und praktisch sind sie meist nur in folgenden zwei Grenzfällen zu verwenden: 1. Bei den gewöhnlichen Wellen, wo der Quotient p : X im Exponenten eine ganze Zahl ergibt, sobald die Wassertiefe größer ist als die Wellenlänge, was im offenen Meer ja immer der Fall ist. Dann werden die Potenzen von e so große Zahlen, daß es nichts verschlägt, ob wir sie um 1 vergrößern oder verkleinern. Mit anderen Worten wird alsdann in XIII a fast genau gleich ß, und die Fortpflanzungsgeschwindigkeit folgt demselben Gesetz, wie für Wasser von unendlicher Tiefe (vgl. oben IV) : .2^ <3 27t X. Selbst wenn die Wassertiefe sich bis auf 72 ^ verringert, so wird der Quo- tient a : ß noch nicht kleiner als 0.996; setzt man ihn gleich 1, so wird der Fehler dadurch kaum ein halbes Prozent (vgl. die Tabelle S. 16), 2. Der zweite Grenzfall tritt bei den Gezeitenwellen und den durch Erdbeben erzeugten Stoß wellen ein: hier ist die Wassertiefe immer sehr klein gegenüber der Wellenlänge, der Quotient f : X also ein sehr kleiner Bruch, der jedenfalls aber kleiner sein muß als 0.001, d. h. die Wellen- länge muß mindestens tausendmal größer sein als die ganze Wassertiefe (Airy § 171), Um alsdann die Formel handlicher zu gestalten, entwickelt man die Exponentialgrößen im Zähler und Nenner in Reihen, welche nach ausgeführter Division und Vernachlässigung aUcr höherer Potenzen von f : X in erster, aber genügender Annäherung ergeben, daß -^- = 27: -f- , also a X c- c^ = qp und p = , , , . . . XVI g ^) Vgl darüber auch B e r t i n in den Mem. Soc. Cherbourg XVII, 1873, p, 292 f. 16 Theorie der Wellen in flachem Wasser. Dies bedeutet, daß die Grescliwindigkeit allein abhängig von der Wasser- tiefe und unabhängig von der Wellenlänge ist, und zwar der Geschwindig- keit gleicht, die ein freifallender Körper nach dem Durchfallen der halben Wassertiefe erlangt hat. Wir werden später auf die Verwendung und Prüfung dieser wichtigen Formel zurückkommen, welche übrigens be- reits 1781 von Lagrange ^) auf einem anderen Wege der Analysis ge- funden worden ist, und die, wie wir später iieigen werden, sich in der Tat auf eine ganz elementare Weise ableiten läßt. Formel XVI, welche in der Literatur meist die A i r y sehe, bisweilen auch die S c o 1 1 K u s- s e 1 1 sehe genannt wird , sollte daher eigentlich nur den Namen L a- gr anges tragen. In den Fällen aber, wo eine genauere Kechnung nötig wird und die eben erwähnten Grenzfälle nicht vorliegen, kann man nach S t o k e s die Exponentialformel durch Einführung eines Hilfswinkels sich für die logarithmische Rechnung bequemer machen. Setzt man nämlich e = cot ^, so erhält man nach einer elementaren Rechnung 2t: X • cos 2 4; und daraus: 2t:c'' g cos 2 ij> XVII XVII Für die meisten Fälle dürfte auch folgende direkt berechnete Tabelle ausreichend sein, welche für das Verhäitias von p : X zwischen 0.025 und 0.6 die entsprechenden Werte von ß : a an der Oberfläche gibf*). 0.025 0.050 0.075 0.100 0.125 0.150 0.175 0.200 0.225 0.250 0.275 0.300 0.156 0.304 0.439 0.557 0.656 0.736 0.800 0.85Ö 0.888 0.91710.939 0.966 p X 0.325 0.350 0.375 0.400 0.425 1 0.450 0.476 0.500 0.5Ö5 0.550 0.575 0.600 1 _ a 0.967 0.976 0.982 0.987 0.990 0.993 0.995 0.996 0.997 0.998 0.9985 0.9990 Um nun auch die Änderung des Verhältnisses der beiden Achsen der elliptischen Orbitalbahnen nach der Tiefe hin zu veranschaulichen, sei die nachstehende Tabelle nach D. D. Gaillard eingefügt. 1) M6m. Acad. Roy. des Sciences et Beiles Lettres de Berlin 1781: Memoire sur la th6orie du mouvement des fluides § 49; Oeuvres de Lagrange ed. I.-A. Serret, tome IV, Paris 1869, p. 747. '*) Vgl. auch die Tabelle bei ß e r t i n, Mdm. de la Soc. des Sciences Natur, de Cherböurg, XVn, 1873, p. 296. Formeln von Stokes. 17 «=5 An der Oberfläche i In der halben Tiefe Am Boden p:k ß=Ä a- ß a ß a 0.06 1.0000 3.2862 0.4939 3.1707 0 3.1319 0.10 1.0000 1.7957 0.4762 1.5657 0 1.4914 0.16 1.0000 1.3576 0.4491 1.0228 0 0.9193 0.20 1.0000 1.1765 0.4153 0.7458 0 0.6194 0.26 1.0000 1.0904 0.3774 0.5756 0 0.4346 0.30 1.0000 1.0472 0.3383 0.4594 0 0.3108 0.36 1.0000 1.0249 0.2998 0.3745 0 0.2246 0.40 1.0000 1.0133 0.2633 0.3097 0 0.1631 0.46 1.0000 1.0070 0.2296 0.2585 0 0.1187 0.60 1.0000 1.0037 0.1993 0.2173 0 0.0866 Die Energie dieser Wellen wird bei gleicher Wellenhöhe und -länge etwas kleiner, als sie in tiefem Wasser sein würde. Der Ausdruck lautet hier: 1 ^^.(,_,,.^) . ., . E 8 XIX Die horizontale Halbachse «q muß aus dem Verhältnis der Wasser- tiefe p zur Wellenlänge und aus der Wellenhöhe H = 2^q berechnet oder der obenstehenden Tabelle für die ß : a entnommen werden. Gaillard hat die ganze Rechnung aber durch eine Tabelle erleichtert, die den Aus- druck hinter dem Minuszeichen ^Tc^ao^/X^ = w x ZT^/X^ setzt und die hier folgen mag. p _ 0.10 0.11 0.12 0.13 0.14 0.15 0.16 0.17 0.18 0.19 0.2Ö 0.21 n = 16.31 13.90 12.26 10.97 9.77 9.14 8.44 8.02 7.53 7.15 6.83 6.60 P 0.22 0.23 0.24 0.25 0.26 0.27 0.28 0.29 0.30 0.31 0.32 0.33 n = 6.37 6.17 6.02 6.89 5.77 5.64 5.56 5.47 6.41 5.36 5.31 6.25 Man sieht, daß in dem ziemlich extrem gewählten Falle, wo die Wellen- länge das Zehnfache sowohl der Wassertiefe wie der WeUenhöhe beträgt, die Totalenergie der WeUe etwa um 11 Prozent kleiner wird, als bei einer Welle von gleicher Höhe imd Länge in tiefem Wasser nach Formel XII (S. 11). Betrachtet man einen gewöhnlichen Fall, wo y) : X = 0.14 und H :X = 0.067 ist, so wird in seichtem Wasser die Wellenenergie nur noch 2 Prozent kleiner; und wird das Verhältnis p : X größer als 0.25 und H : X kleiner als 0.1, dann sinkt der Unterschied unter 1 Prozent und man kann ohne merkhchen Fehler nach Formel XII rechnen. Um die Verteilung der Energie nach der Tiefe hin zu berechnen, benutzen die Wasserbautechniker die Formel: J&'=-^mX(ßo" Krttmmel, Ozeanographie. II. ß2). Tz^m («o«ßo« a«ß») . . XlXa 18 Theorie der Wellen in flachem Wasser. Die Energie nimmt hiernach sehr rasch von der Oberfläche nach der Tiefe hin ab und ist am Boden gleich Null (s. Fig. 8). Die gleiche Annahme der elliptischen Gestalt der Orbitalbahnen fmden wir auch in den umsichtigen Untersuchufigen von Boussinesq „über periodische WeUen in einer Flüssigkeit von gleicher, begrenzter Fig. 8. 2.0 Ls Im 0.5 0 0.5 Lo 1.5 0 1 IL 1 1 1 A c -\ R \ i:\G \\ \\ \ \ \ \ \ \ aosl - \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ 1 / OjqX ~ S / 1 / 1 - - P > 1 1 OjsX — \ 1 1 1 1 1 1 1 0.2X — O.zsX - r% .V Verhältnis der Orbitalbahnen und der senkrechten Energieverteilimg bei Tiefsec- und Seicht- wasserwellen. Erläuterung. Rechts von der Mittellinie AB bedeutet LM die Verteilung der Energie nach der Tiefe für Tiefseowollen, XD für Seichtwasserwellen. Links von der Mittellinie zeigt MF die Radien q der Orbitalbahnen der Tiefseewellen, HS die großen Halb- achsen, GD die kleinen Halbachsen der Seichtwasserwellen. — Für beide Arten von Wellen ist A =^ 15 Ä gesetzt und für die Seichtwusserwellen p = 0.1 A - - Al>. (Nach ü a i 1 1 a rd.) Tiefe". Diese mögen darum, obwohl der Zeit nach viel jünger als die Hagens, schon hier folgen. Für die Beziehungen zwischen der Geschwindig- keit und der Wassertiefe gibt er folgende grundlegende Gleichung: 2% .(.- 2np TC TC — e y K /— 2 0X2 :C- VC xc %o Hieraus wird angenähert abgeleitet: 9P XX XXI Hierdurch haben wir also eine Formel, welche die Geschwindigkeit außer von der Wassertiefe nur noch von der Periode t abhängen läßt, also den Formeln von Boussinesq und Hagen. 19 in den einzelnen übereinanderliegenden Schicliten variabeln Quotienten ß : a vermeidet. Führt man die Bedingung ein, daß p : tc ein sehr kleiner Bnichsei, was also sowohl bei großer Wellenlänge (tc = X), wie bei großer Wellenperiode t der Fall ist, so wird der in der Formel XXI eingeklam- merte Faktor nahezu gleich 1, und wir erhalten die Lagrangesche Formel XVI. Besteht hingegen die Bedingung, daß t eine kleine Größe (also etwa der Bruchteil einer Sekunde) ist, so daß also der Quotient f -.x^ — 1 oder < 1 wird, so ergibt sich aus XX für c die Formel VII : also ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen c und t wie bei unendlicher Wassertiefe. Nirgends erscheint bei Boussinesq die Annahme, daß die WeUen hierbei unendlich klein sein müssen, wie bei Airy, und so ergibt sich denn auch weiterhin, daß die Geschwindigkeit c in allen Wasser- schichten dieselbe ist: die Wellen schreiten vertikal stehend durch das Wasser. Die Orbitalgeschwindigkeiten hat Boussinesq nicht besonders untersucht; über die elhptisch'en Bahnen selbst sagt er, daß die vertikalen Halbachsen immer kleiner sind als die horizontalen, dabei alle Ellipsen (wie bei Airy) die gleiche absolute Exzentrizität haben. Am Boden ist die vertikale Halbachse ß = ö; sie wird größer, je mehr man vom Boden sich erhebt, und wird an der Oberfläche nahezu = a, sobald der Quotient ß : i: 2 klein bleibt, also kleiner als 1 (oder höchstens gleich T) wird. Die horizontale Halbachse ist ebenfalls wie bei Airy am Boden gleich dem Abstand der beiden Brennpunkte der Ellipsen, und wächst gleichfalls mit der Annäherung an die Oberfläche. Das Verhältnis ß : a in ver- schiedenen Tiefenschichten wird bei Boussinesq durch folgende einfache Tabelle charakterisiert, deren Argument das Verhältnis p : tc (= j? : X) ist. Für 2? : tc = 1 ß:« = 0.9999 0.9997 0.9970 0 0.9960 0.9860 0.9171 0 V. V5. axi der Oberfläche . . . in der Tiefö V4P • • • „ „ „ Va V ■ ■ ■ am Boden 0.9174 0.8268 0.6558 0 ß : a = 0.8502 0.7358 0.6109 0 "Hagen war der Überzeugung, daß, wenn die Annahme Airys zu- grunde gelegt wird, daß die Wasserteüchen an der Oberfläche in elliptischen Bahnen kreisen, man immer wieder zu der weiteren Annahme geführt würde, daß die Wellenhöhen unendlich klein seien. Er schlug nun nicht, wie Boussinesq, einen anderen Gang der Untersuchung ein, sondern ver- änderte die Gleichung- der Eihpse so, daß sowohl die obere als auch die untere Hälfte der Kurve sich etwas erhebt (die Kurve also unsymmetrisch gegen die horizontale Achse wird), indem er setzte: X = a sin ^ ?/ =-: ß cos

*). P Die geringste Geschwindigkeit tritt daher im oberen Scheitel oder Wellen- kamm ein, wo sie V min. = -~ c(l — 2 a), P die größte im Wellental, wo sie wird V max. = — c (i + 2 a), also ganz anders als bei Airy. Setzt man a, nach einer Beobachtung z. B. = 0.033, so verhalten sich die beiden Extreme wie 88 : 100. Der mittlere Wert von v aber ist: v = -^c XXVIII V Eine ganz elementare Ableitung dieses Ausdruckes wird bei einer späteren Gelegenheit gegeben werden. Der Wert von t; ist um so geringeren Schwan- kungen ausgesetzt, je größer die Wassertiefe vergleichsweise zur Wellen- höhe (2 ß) ist oder je kleiner o wird. Noch eine andere Beziehung zwischen Geschwindigkeit und Wasser- tiefe für diese Seichtwasserwellen hat der französische Akademiker S a i n t- V e n a n t ^) entwickelt. Nennt man h die halbe Wellenhöhe, so wird die Geschwindigkeit : c = 3\/'g{'p+h) -2]/^, .... XXIX doch gewinnt er auf anderem Wege, indem er die einzelnen Schichten der Wellenmasse über dem Mittelniveau betrachtet und ihre Gesamt- geschwindigkeit ermittelt, die kompliziertere Formel: V 1 + 1/(2 + */^) und auf einem dritten Wege wieder etwas vereinfacht: o = K4' + T-| + ^] • • xxixb einen Ausdruck, den bereits Bazin vor ihm gefunden hatte mit dem Unter- schiede, daß das quadratische Glied in der Klammer fehlte. Diese Formeln geben, solange die ganze Wellenhöhe nicht gleich der Wassertiefe wird, angenähert dieselben Resultate. Vergleichen wir nunmehr die Resultate der Experimente in der Wellenrinne und der Beobachtungen in der Natur mit den obigen Formeln, so ergibt sich folgendes. ») Corapte« Rendus Acad. Paris 1871. Bd. 73, p. 147—154; vgl auch Bd. 71, 1870, p. 147. 54.1 81.2 108.3 162.4 (622.6) 763 850 900 941 (1721) 728 893 1031 1262 (2471) 22 Theorie der Wellen in flachem Wasser. Die Messung der Geschwindigkeit, mit der die Welle iiber das Wasser fortschreitet, trifft auf große technische Schwierigkeiten und die Beobachtungsfehler werden dabei sehr beträchtlich, so daß sie sich nur in langen Reihen einigermaßen ausgleichen. Was die Beobachtungen von Ernst Heinrich und Wilhelm Weber betrifft, so sind dieselben zwar an sich mit großer Zuverlässigkeit aus- geführt, leider aber aus anderen Gründen unbenutzbar (vgl. Wellenlehre §§ 132 bis 137). Die Weber benutzten nämlich zwei Wellenrinnen, von denen die kleinere (im Lichten) maß: Länge 1.733 m, Höhe 0.22 m, Breite hur 15.1 mm. Die größere war doppelt so lang und breit, aber 0.63 m hoch. Folgende Tabelle bezieht sich in den ersten fünf Rubriken auf Messungen, in der kleineren _ Wellenrinne. Die an sechster Stelle auf- geführten Resultate, aus der größeren Wellenrinne gewonnen, sind streng genommen den vorigen nicht vergleichbar, weil der die Welle hier er- zeugende Impuls etwas anders bemessen war. Zum Vergleich sind auch die Werte von c aufgenommen, wie sie sich nach Lagranges Formel XVI ergeben würden. Die Zahlen bedeuten sämtlich Millimeter. Wassertiefe f — . . . . . 27.1 Beob. Geschwindigkeit . . 550 c= x/g'f' . ...... 516 Man sieht, daß die beobaichteten Geschwindigkeiten bei den größeren Tiefen sehr erheblich hinter den aus Formel XVI abgeleiteten zurück- bleiben. ,Die Ursache dieser Erscheinung ist zum Teil in den ungünstigen Dimensionen der Wellenrinne zu suchen. Bewegungen in einer Wasser- masse von nur 15 mm Breite unterliegen einer sehr wirksamen s e i t-- liehen Adhäsion, wodurch denn in jener Beobachtungsreihe nur das > Ugemeine Gesetz erkennbar bleibt: in tieferem Wasser ist die Geschwindig- keit der Wellen größer als in flacherem. Unter günstigeren Verhältnissen sind die Messungen von Scott RussclP) angestellt. Leider hat er sich vorzugsweise mit einer Art von Wellen beschäftigt, welche, anderer Entstehung sind als die Wind- wellen des Meeres, nämlieh mit sogenannten „Übertragungswellen" {waves of translation). Solche Welle bildet eine isolierte Erhebung ohne voran- gehendes oder nachfolgendes Wellental, welche einsam (nicht in Scharen wie die Windwellen) über die son^ ebene Wasserfläche dahineilt (daher auch „Einzelwelle", solilary wave, 'genannt),, und die er, mehrfach reflek- tiert, die über 6 m lange und 0.3 m breite Wellenrinne viele Male durch- messen ließ. Diese Welle zeigte sich stets in ihrer Geschwindigkeit ab- hängig von der Wassertiefe nach der Formel c = {/"^(p + AY" • XXX wo h die Erhebung der Welle über das mittlere Niveau bedeutet 2). Wie ^) Report of the 14"» meeting of the British Association for the advancement f soicnce etc. I^ndon 1845, p. 311—392. 2) Vgl. namentlich Tabelle IX bei R u s s e 1 1 a. a. 0. S. 339. Über die analy- sche Ableitung dieser FonncJ vgl. R o u s s i n e s q in Comptes rendus vol. 72, 1871, 775 und vol. 73, 1871, p. 257 ff. und 1211; Journal des mnthömatiques (de Liou- Russells Formel XXX. ÜbertragungsweHen. 23 man hieraus sieht, liegt der Wert von c immer zwischen den beiden aus Formel XVI und XXIV [/^gf und l/^^/^gp folgenden.-, Danach bewegen sich also seine Übertragungswellen mit derselben Geschwindigkeit, wie im allgemeinen die Wellen auf flachem Wasser. Die „Übertragungswellen" sind für die Vorgänge im offenen Meer nicht von Bedeutung, wohl aber in der Brandungszone am Strand und im Mün- dungsgebiete der Flüsse, wo die Gezeiten welle als solche aufzutreten scheint; wir werden bei späteren Gelegenheiten darauf zurückkommen. Der fran- zösische Ingenieur C a 1 i g n y hat übrigens nachgewiesen, daß es zwei Arten von .Übertragungswellen gibt, die er als onde 3olitaire und onde de translaiion im engeren Sinne bezeichnet. Die „Einz.elwelle " wird erzeugt, indem man eine Wassermasse plötzüch auf eine vorher ruhende Wasserfläche, etwa in einen schmalen und langen Kanal, verpflanzt; alsdann entsteht eine Auf- wulstung von breiter Basis und relativ geringer Erhebung über dem alten Niveau, welche sich durch die ganze Länge des Kanals hin fortbewegt, ohne daß ihr andere Wellen folgten oder vorangingen. Die „ÜbertragungsweUe" im engeren Sinne wird durch seithchen Stoß gegen das Wasser erzeugt, bei- spielsweise von jedem in Fahrt befindhchen Fahrzeug. So entdeckte sie Scott Russell, als er auf einem von Pferden gezogenen Kanalboote reiste: das Boot hielt plötzhch an, und trotzdem setzte die vor dem Bug aufgeworfene Welle ihren Weg noch mehrere .hundert Meter fort mit einer konstanten,, von der Wassertiefe abhängigen Geschwindigkeit. In beiden Wellen findet tat- sächhch ein Transport von Wasser über die Oberfläche des Kanals hin statt, es wird also ein Quantum Wasser von der einen Stelle nach der anderen „übettragen", während doch bei den Wind wellen ^ur die Form der Welle durch das Wasser hinschreitet. Calignys Untersuchungen ergaben, daß seine eigentliche onde de translation abhängig war von der Stärke des Impulses. Seine Wellenrinne hatte eine Länge von 24 m, eine Breite von 0.73, eine Tiefe von 0.42 m, die Impulse erregte er durch Einführen von schweren Zyhndern in regelmäßigen Intervallen; je größer der ZyHnder im Verhältnis zum Quer- schnitt des Kanals war und je tiefer er eingetaucht wurde, desto größer war die Geschwindigkeit der Übertragungswelle, bei übrigens gleicher und kon- stanter Wassertiefe. Seine ondes soUtaires zeigten dieses verschiedene Ver- halten nicht: diese hatten bei gleicher Wassertiefe und gleicher Wellenhöhe dieselbe Geschwindigkeit, wie die gewöhnhchen Wellen {ondes courantes). In den beiden Arten von Übertragungswellen beobachtete Cahgny, daß die Wasser- teilchen geschlossene Bahnen zurücklegten, welche am Böden in einem Hin- imd Herschieben bestanden, während sie je näher nach der Oberfläche desto mehr eine elliptische Gestalt annahmen; dabei war regelmäßig die vertikale Achse dieser Bahnen größer als die horizontale, was schon Emy 1831 behauptet hatte, während bei den gewöhnhchen Wellen nach den Beobachtungen der Brüder Weber und Hagens allemal die horizontalen Achsen die größeren sind, wie solches auch in den Theorieen von Airy und Boussinesq angenommen wird. Boussinesq ist der Ansicht, daß diese Verlängerung der Vertikalachsen auf die Reibung zurückzuführen sei. Über einen von C a 1 i g n y und B e r t i n gemeinsam angestellten Ver- such über die absoluten Werte von 2 a und 2/9 in verschiedenen Tiefen be- richtet der letztere (Mem. Soc. Cherbourg, XXII, 1879, p. 179). Die Wasser- tiefe in der Rinne betrug 0.36 m, die Wellenperiode 1 Sekunde, die Wellen- länge 1.30 m, die Wellenhöhe 0.06 m. Sie erhielten dabei: ville) 1872, XVII, p. 55; 1873, XMII, p. 47. Eine ganz elementare Ableitung wird später bei DarBtellung der Pielokationswogen gegeben werden. 24 Theorie der Wellen in flachem Wasser. Tiefenschicht Horizontale Achse 2 öc == (m) Vertikale Achse, 2 ß = (m) An der Oberfläche (z = 0) In 0.09 m Tiefe (z = V4P) .... In 0.18 m „ (z = V2 P) .... In 0.27 m „ (z = V4 p) .... Am Boden der Einne (2 = p) . . . . 0.055 0.040 0.032 0.027 0.020 0.060 0.029 0.018 0.009 0.000 Wenn ferner Caligny an dem Boden der Kiraie liegende Sandkörnchen sich unter der (echten) Übertragungswelle zwar erst vorwärts (im Sinne des Portgangs der Welle), dann aber um eine erhebhchere Strecke rückwärts verschieben sah, so beruhte das wohl auf der Art, wie er die Wellen erzeugte (Comptes rendus LH, 1861, p. 1309 [auch Cialdi, Sul moto ondoso del mare, p. 601—632]; XVI, 1843, p. 381; XIX, 1844, p. 978; Journal des mathem. [de LiüuviUe] XIII, 1844, p. 93; 2™e s6rie XI, 1866, p. 235). D. D. G a i 1 1 a r d, der sich sehr eingehend mit der theoretischen und praktischen Prüfung der Ansichten Airys beschäftigt hat, ist zu dem Ergebnis gekommen, daß in seinen Formeln zum mindesten eine sehr nützliche Arbeitshypothese gegeben sei, die den Zwecken der Techniker in den meisten Fällen genüge. Außer seinen später aufzuführenden Wellen- messungen sind besonders noch seine Untersuchungen über die Gestalt dieser SeichtwasserweUen hervorzuheben. Die schmale Zufahrt zum Hafen von Duluth am Westende des" Oberen Sees gab ihm 4mal eine günstige Gelegenheit, das Profil größerer Wellen an den senkrechten Molenwänden zu photographieren und die erhaltenen Bilder genauer aus- zumessen. Es zeigte sich jedesmal, daß die Wellenkämme spitzer, die 'Wellentäler flacher gestaltet waren, als das theoretische Profil ergab, daß jedoch diese Abweichung von Fall zu Fall verschieden stark war. Während nach den berechneten Kurven von der ganzen Wellenhöhe 55 bis 57 Pro- zent über dem Stillwasserniveau liegen sollten, ergaben die Ausmessungen der Photographieen in 3 Fällen einen höheren Anteil, der von 57 bis 66 Pro- zent anstieg, aber im vierten Falle viel weniger, nämlich nur 35 Prozent ausmachte. Diese Feststellungen sind wichtig, da man häufig sich damit begnügt hat, das Stillwasserniveau genau in der halben Wellenhöhe an- zusetzen, was übrigens schon der Theorie widerspricht. Gaillard ist ge- neigt, dem Stillwasserniveau, von dem aus die Wassertiefen f der Airy- schen Formeln zu messen sind, seinen Platz so anzuweisen, daß 60 bis 64 Prozent der Wellenhöhe darüber liegt. Ferner ergab sich bei diesen Profilen, daß die Vorderseite des Wellenkammes etwas steiler ausgebildet war, als der theoretischen Kurve entsprach, was wohl ohne Zweifel als eine Wirkung der verminderten Wassertiefe zu deuten ist, wie später bei der Darstellung der Brandung näher auszuführen sein wird. Hagen, dessen Apparat eine exakte Bestimmung der fortschreiten- den Geschwindigkeit der Wellen nicht begünstigte, stellt die Resultate seiner Experimente in folgender Tabelle zusammen; jede Zahl für c ist das Mittel aus je 10 Einzelmessungeii ^). ^) Die Zahlen sind aus dem rheinländischen Maß in Millimeter umgerechnet and ein Rechenfehler berichtigt (Hagen, Wasserbau III, 1, S. 67). Prüfung der Formeln durch Beobachtungen. 25 Wassertiefe c beobachtet c' = [/gp »" = 1/1-.. c"-c mm mm mm mm mm 26.2 505 507 622 117 39:2 651 620 760 109 52.3 727 716 877 150 65.4 868 800 981 • 113 78.5 986 878 1075 89 „Man bemerkt," sagt Hagen, „daß die beobachteten Geschwindig- keiten jedesmal zwischen die beiden berechneten fallen, daß sie aber namentlich bei den größeren Wassertiefen sich den letzteren Werten (c") nähern. Die Differenz c" — c wird also immer geringer, wie der Einfluß der Reibung sich vermindert, und sonach darf man wohl annehmen, daß dieser Ausdruck c" an sich richtig ist, jedoch die Resultate der Messung nicht scharf wiedergeben kann, weil er die Reibung nicht berücksichtigt." Die Tabelle bestätigt diese Folgerungen doch nicht ohne erhebliche Aus- nahmen. Wellenmessungen in See, aber auf flachem Wasser, wobei außer den Größen X, t, c, h auch jedesmal die Wassertiefe p genau angegeben wäre, sind in der Literatur sehr spärlich zu finden. Bertini) berichtet von zwei Messungen des Schiffsbauingenieurs D u h i 1 de B e n a z e, die sich auf Dünungen von erheblicher Länge beziehen, wo also die Bedingung bei Airy und Boussinesq, daß f :X ein kleiner Bruch sei, zutrifft. Er beobachtete nämlich: p m c m p. S. X m Sek. h m a. m [/9 p m ]/y9P m 9 9 11.4 11.0 160 190 14 14.5 0.4 0.7 1.00 1.65 } 9.4 } n.6 Man hat hier, besonders im zweiten Falle, Orbitalbahnen von großer Exzentrizität vor sich (a bedeutet die horizontale, h die vertikale Halb- achse der elliptischen Bahn); in diesem Falle ergibt sich abermals, was die Geschwindigkeit betrifft, eine entschieden größere Annäherung an Hagens Formel XXIV wie an die Lagrangesche oder die anderen; Saint Venants erste Formel gibt c = 10.0 und 10.5, also auch zu wenig. Übrigens handelt es sich hierbei nicht um Wellen, die auf flachem Wasser entstanden sind, sondern um Dünungen, die, aus dem tiefen Ozean auf den Küsten- scheK hinübergelangt, anderen Gesetzen folgen, mit denen wir ims später beschäftigen werden. Hagen war nun auf Grund dieser Beobachtungen zu der Überzeugung gekommen, daß bei mäßiger Wassertiefe ein doppeltes System der Wellen- bewegung sich ausbilde : ein unteres, unmittelbar über dem wagrechten Meeres- boden, wo die Wasserfäden in senkrechter Stellung sich hin und her schieben. 1) M6m. Soc. Cherbourg, XVII, 1873, p. 298. 26 Theorie der Wellen in flachem Wasser. was (nach einer hier nicht näher interessierenden Ableitung) bis zu einer Höhe vom Boden r = A: 2 tt = 0.1592 X oder rund Ve der Wellenlänge, der Fall wäre; zweitens ein oberes, wo die Wasserfäden und Orbitalbahnen sich ver- halten würden wie im Wasser von unendlicher Tiefe, während in der Über- gangsschicht sich die abgeflachten Orbitalbahnen des unteren Systems in Kreise vom Radius ß verwandeln. Nur wofern die Wassertiefe überhaupt nicht V« der Wellenlänge erreicht, würden ausschließlich die Regeln für das FlachwassöBsystem (XVI ff.) zur Anwendung gelangen. Dabei ergibt sich indes allerdings die Schwierigkeit, daß nach Hagens Formeln die Fortpflan- zungsgeschwindigkeit der Welle an der Oberfläche und in der Bodenschicht nicht gleich wird, sondern, wie Hagen selbst hervorhebt, gemäß XXV und5V sich verhält wie ^^/4 zu \/'^\'i, oder angenähert 9 zu 7. Ob ein solcher Unter- schied überhaupt nur ein scheinbarer, speziell Hagens Formeln anhaftender ist, oder in der Natur bei der starken Reibung am Boden sich erhalten kann, muß dahingestellt bleiben; in den Wellemsinnen war die Geschwindigkeit oben und unten gleich. Hagen hatte alsdann unter der Voraussetzung, daß die dem WasSer mitgeteilte Bewegung sich so gestaltet, daß die Reibung vergleichungsweise zur lebendigen Kraft ein Minimum wird, einige Formeln entwickelt, aus denen bei bekannter Wellenlänge (also Tiefe der Ü,bergangs8chicht über dem Boden) man den Ausschlag der Wasserfäden («') über dem letzteren bereclmen kann (Mathemat. Abh. Berl. Akademie a. d. Jahr 1861, S. 67 fE.), nämüch: _ 3r 1 /^ n worm -. — = e P wo Q die halbe Wellenhöhe, P die ganze Wassertiefe bedeutet. Die Formeln sind bei Hagen zur Berechnung von Tabellen verwendet; sobald P, (> und r (aus der Wellenlänge) bekannt-sind, ist «' unmittelbar zu;finden aus der zweiten der obigen Formeln. Bei den oben angeführten Beobachtungen des Kapitäns Khoop waren die mittleren Wellenhöhen im ersten Fall 0.53 m, im zweiten Fall 0.63 m. Aus Hagens Formeln berechnen sich die Wellenhöhen zu resp. 0.529 und 0.602 m, also sehr gut übereinstimmend. Und a' hatte danach die Werte resp. 3.73 und 2.73 mm, wobei die Zeit, in der im ersten Falle 2«' durchmessen ward, zu nur 1.036 Sekunden sich ergab. — Es mag indes dahingestellt bleiben, ob diesen Formeln wirkhch eine solche Brauchbarkeit zukommt, wie sie Hagen ihnen beilegt. Etwas besser zu Lagranges Formel passend könnte man vielleicht Wellenmessungen finden,, die im Auftrage Scott Rugsells der Hafenmeister W. Walker in Plymouth ausgeführt hat i). Leider wurde hierbei ver- säumt, die jeweilige Wassertiefe zwischen den beiden das Meßgebiet be- grenzenden Bojen genauer zu bestimmen, was in einem Hafen mit einem Gezeitenhub von 2.3 m bei Nipptide, 4.7 m bei Springtide doch eine sehr wesentliche Anforderung vorsteUt. Walker begnügt sich mit der Angabe, daß die Wassertiefe „40 bis 50 Fuß" (12.2 bis 15.2 m) betragen habe; er öiaß nur die Wellenlängen, die Geschwindigkeit und meist auch die Weilen- höheri insgesamt für 14 Fälle. Schon die sehr verschiedene Geschwindig- ^) Brit. Assoc. Kep. for 1844, p. 371. Prüfung der Formeln durch Beobachtungen. 27 keit, die zwischen 6.2 und 14.0 m p. S. schwankt, zeigt, daß diese Fälle eigentlich nicht hierher gehören. Wellen- Ge- Wellen^ Ge- Nr. länge schwindig- keit Höhe Nr. länge schwindig- keit Höhe m m p. S. m m m p. S. m 1 34 6.2 0.8 8 137 13.6 — 2 53 10.5 0.8 9 140 14.0 ^ 3 92 11.3 1.2 10 105 14.0 1.5 4 105 11.3 1.4 11 120 11.7 1.5 5 93 11.3 1.4 12 105 12.6 1.2 6 124 12.6 — 13 93 11.2 — 7 135 12.7 8.2 14 140 13.0 — Das rohe Mittel aller 14 Beobachtungen ergibt als durchschnittliche beobachtete Geschwindigkeit 11.8 m, die Lagrangesche Formel würde für p = 12 m c = 10.8 m, im p = 16 c = 12.1 m p. S. liefern. Aber es sind doch große Unterschiede im einzelnen vorhanden; der Beobachter selbst bezeichnet die unter Nr. 2, 3, 5 und 6 gemessenen Wellen als schlecht ausgeprägt. Bedenklich ist, daß alle Wellen, die erste Reihe ausgenommen, wiederum Dünungen angehörten, die aus dem Englischen Kanal ins Hafen- becken eindrangen, wobei die hohen Wogen der 7. Reihe in 9 m Wassertiefe überbrandeten. Die längsten, 135 bis 140 m messenden Wellen (7, 8, 9, 14) haben eine größere Geschwindigkeit (Mittel = 13.3 m), doch hat auch eine kürzere Dünung (Nr. 10 mit X = 105) die sehr große Geschwindig- keit von 14.0 m. Der für unendliche Wassertiefen geltenden Formel VIII folgt die 12. Beobachtungsreihe (X berechnet 102, beobachtet 105 m) ziemlich gut, die 3., 5., 8., 9. angenähert. Keiner der beiden Formeln XVI oder XXIV günstig ist dagegen eine zweite Beobachtungsreihe> welche Hagen publiziert hat und bei der das Verhältnis von p : X nur wenig kleiner als 1 ist, wo also der Hilfswinkel der Airyschen Formel XVII cos 2^ iast genau = 1 wird. Nachstehende Tabelle enthält Daten über Geschwindigkeit und Länge von Wellen, welche Kapitän Knoop in der Ostsee (I, II) und im Oderhaif (III) bei Swinemünde auf ziemlich kleiner, aber gleichmäßiger Tiefe auf Hagens Veranlassung gemessen hat. Nr. der Beob. Wasser- tiefe m Geschwindigkeit m per Sek. Länge m beob. = l/j72^ = Vgl/P ^ 2k beob. = 2kp 1 -> 39 2k , = — c^ 9 I 5.65 II 8.48 ril 4.39 3.24 3.80 8.49 7.5 9.1 6.6 9.1 11.2 8.0 3.84 3.50 9.44 i 53.3 7.85 27.6 6.17 5.20 9.25. 7.80 Die Zahlen zeigen, daß für diese Wellen die aus der Wassertiefe (nach XVI, XXIV bis XXVl) berechnete Geschwindigkeit und Länge viele Male größer ist als die beobachtete. Dagegen bewähren sich die für unendliche Tiefen geltenden Beziehungen (VIII) zwischen X und c vollkommen (vgl. 28 * Theorie der Wellen in flachem Wasser. die 6. und die letzte Rubrik der Tabelle), wie übrigens nach unsern Er- örterungen zu erwarten war, wonacb Formel XVI nur dann anwendbar ist, wenn der Quotient fjX ein sehr kleiner Bruch ist. In der Tat werden wir m dem die Gezeiten behandelnden Kapitel eine große Anzahl von Beispielen finden, in denen sich die Lagrangesche Formel unter der von Boussinesq und Airy gegebenen Bedingung völlig bewährt. Ähnlicher Art sind mehrere Beobachtungen, die William Shield^) nach einem schweren Oststurm an der Hafenmole in Peterhead in Ost- schottland am 16. Februar 1900 ausgeführt hat. Es handelte sich um Dünungen, die, über dem Nordseeplateau entstanden, auf die Küste zu- liefen; die Wassertiefe am Beobachtungsorte war 18 bis 19 m und die Wellen waren ungleich in ihren Größen, jedoch gibt er als gutes Maß für die Höhe über dem Stillwasserniveau 6.9 m an, die Längen schätzte er zwischen 150 und 215 m, die Perioden lagen zwischen 13 und 17 Se- kunden. Läßt man mit Gaillard den Wellenkamm mit 64 Prozent der ganzen Wellenhöhe über dem Stillwasserniveau liegen, so würde die ganze Wellenhöhe auf 10.7 m anzusetzen sein, und weiter ergäbe sich nach Formel XIII die Geschwindigkeit zu 13.1 m p. S., während Shield 12.2 m beobachtet hatte. In einem früheren Falle (im November 1888) hatte er ebenfalls in Peterhead Wellen von 7.9 m Höhe, 150 m Länge und 12.5 m sekundlicher Geschwindigkeit gemessen, in einer Wassertiefe zwischen 13 und 14.5 m. Darf man hier annehmen, daß ^3 ^^r Wellenhöhe über StiUwasserniveau liegen, so erhielte man nach Formel XIII als Geschwindig- keit 11.5 m. Weniger befriedigend ist die Übereinstimmung in einem dritten Falle, den Shield von der südafrikanischen Algoabai berichtet: die Wellen hatten eine Höhe von 3.0 m, eine Länge von 60 m und liefen in 7.3 m Wassertiefe 6.1 m p. S. Aus der Formel XIII würden sich unter gleichen Annahmen, wie vorher, c = 8.0 m berechnen; aber auch hier wurden offenbar WeUen gemessen, die in hoher See entstanden waren, also kaum hier herangezogen werden dürfen. Eine besonders große Zahl von Seichtwasserwellen hat D. D. G a i 1- 1 a r d 2) gemessen : ungefähr 100 in North Beach bei St. Augustine an der atlantischen Küste von Florida (1890 bis 1891), sodann unter ungleich günstigeren Umständen 631 in Duluth und sonst am Oberen See (1901 bis 1902). Er hat sich der Mühe unterzogen, die Messungen mit der Formel XIII zu vergleichen und die Übereinstimmung im Hafenkanal von Duluth günstiger gefunden, als in St, Augustine, wo er es anscheinend häufig auch mit Dünungen aus dem Atlantischen Ozean zu tun hatte. Die Beobachtungen verteilten sich auf 39 verschiedene Tage, es wurden an den meisten Tagen über 10, an vielen Tagen über 20, mehrfach über 40 bis 80 Wellen gemessen; die Wellenlängen schwankten zwischen 14 und 84 m, die Höhen von 0.6 bis 7.0 m, die Geschwindigkeiten von 2.8 bis 8.2 m p. S., die Wassertiefen am Molenende von 7.5 bis 8.2 m, im Oberen See von 1.0 bis 5.6 m. Bei den 533 Messungen an den Molenköpfen ergab die Rechnung nach Formel XIII gegen die Beobachtungen im Mittel nur einen Unterschied von V2 Prozent; die 98 Beobachtungen aus dem Oberen See geschahen unter schwierigeren Umständen, und hier beträgt 1) Proc. Instit. of Civil Engineers 1901, Bd. 143, p. 210. •) Wave action p. 99—103. Prüfung der Formeln durch Beobachtungen. 29 die Abweichung gegen die berechneten Werte 5 Prozent — ein Gesamt- ergebnis, das für die Airysche Formel denn doch beträchtlich günstiger ausfällt, als man nach der scharfen Kritik, die Hagen u. a. darüber aus- sprachen, erwarten konnte. Ich gebe in der nachstehenden Tabelle die Beobachtungen Gaillards aus dem Jahre 1901 in der von ihm veröffent- lichten Form wieder 1), nur in metrischen Maßen. Summe der |- Datum Wellengeschwindigkeit (m p. S.) Einzelwerte Zahl der Beob. 1901 beobachtet j berechnet Beob. Ber. 1 Max. Min. Mittel jl Max. Min. Mittel i 1 23. Mai . . . 9.8 7.5 8.3 1 8.5 7.8 8.1 322.6 316.1 39 24 7.6 6.1 6.8 7.6 7.3 7.5 20.4 22.5 3 14. Juni . ,. . 7.8 6.9 7.7 7.4 7.1 7.4 154.5 147.0 20 15.- 6.6 6.2 6.5 7.5. 7.1 7.3 137.2 152.6 21 24. Juli . . . 7.4 6.0 6.4 7.6 6.9 7.3 257.3 290.2 40 9. August . . 7.4 5.1 6.6 7.4-, 6.6 7.0 323.1 342.2 49 24. September . 10.1 7.6 8.4 8.6 8.0 8.3 674.5 662.8 1 80 9. Oktober . 7.2 6.6 7.0 7.6 7.4 7.5 209.6 225.3 30 10 7.0 5.8 6.9 7.8 7.4 7.6 138.3 152.0 20 6. November . 9.4 8.1 8.8 7.7 7.3 7.5 175.0 150.4 20 22. 8.3 7.2 7.7 7.9 7.5 7.8 161.9 164.0 21 ~~ — — — — _ 2574.4 2625.1 343 Nach Max Möller'^) ist die Lagrangesche Formel erfahrungsgemäß allgemein bei kleinen Wassertiefen, und zumal in strömendem Wasser, wie in Flußmündungen, unbrauchbar; er bezieht sich dabei insbesondere auf Mes- svmgen von L. Franzius im Gebiet der Unterweser. Freilich handelt es sich in Möllers weiteren Untersuchungen um eine bestimmte Abart der Flach- wasserwellen, nämHch um Gezeiten wellen , denen eine sehr langgestreckte Orbitalbahn der bewegten Wasserteilchen zukommt, wobei die vertikale Komponente der Bahn sehr klein wird gegen die horizontale, die wir später als Ebbe- oder Flutstrom kennen lernen werden. In solchen Wellen ist nicht mehr die Geschwindigkeit einfach der Quadratwurzel aus der mittleren Wasser- tiefe proportional, sondern es ist die jedem Wasserteilchen entsprechend der Wellenphase in seiner Orbitalbahn eigene horizontale Geschwindigkeit al- gebraisch zu addieren. Nennt man die sekundhche Geschwindigkeit im Wellen- berg (also im Flutstrom) + u, im Wellental (im Ebbestrom) — u, so nimmt Formel XVI die Gestalt an : c = \/Yv i ^- ^^^ Folge ist, daß die Wellen- kämme rascher, die Wellentäler langsamer fortschreiten und dadurch das Wellenprofil an der Vorderseite der Welle verkürzt wird bis zu endlichem Uberbrechen. Hierauf ist bei den Gezeitenwellen in Flußmündungen aus- führlicher zurückzukommen. Auf die Windwellen im seichten Meere, wo die Orbitalbahnen kreisähnhche ElKpsen bilden, ist diese Betrachtung nicht anwendbar. Über das Verhalten der Orbitalbahnen in den verschiedenen Tiefen- schichten liegen aus dem Meere irgendwelche Messungen nicht vor; auch ^) Wave action p. 101. Ein Rechenfehler ist berichtigt. •) Zeitschr. f. Architektur- und Ingenieurwesen 1896, Heft 7, und Festschrift der Herzogl. Techn. Hochschule Carola- Wüheknina zur 69. Vers. d. Naturf. in Braun- schweig 1897, S. 125 f. 30 Theorie der Wellen in flachem Wasser. Über die Maximaltiefe, bis zu' welcher überhaupt die Wasserteilchen eine merkliche Bewegung unter der Welle ausführen, können wir nur nach Indizien urteilen. Wir werden in einem der folgenden Abschnitte sehen, daß lange und hohe Wellen aus der Tiefsee auf die Schelfbänke tretend hier und da schon bei 200 m Tiefe branden; ferner könnte man auch aus den Verletzungen, welche Telegraphenkabel auf steinigem Grunde noch in 1200 bis 1800 m erfahren, auf eine entsprechende Wirkung großer Sturmwellen bis in diese Tiefe hinab schließen^). Das einzig Sichere be- schränkt sich auf das, was A i m e 2) durch Experimente festgestellt hat, nämlich daß bei starkem Seegang auf der Reede von Algier noch in 40 m Tiefe erhebliche Verschiebungen der Wasserteilchen stattfinden, während die experimentellen Untersuchungen der Brüder Weber (Wellenlehre § 106) ergeben hatten, daß Bewegungen der Wasserteilchen am Boden hrer Wellenrinne durch Vergrößerungsgläser und sogar mit bloßen Augen ■vahrnehmbar blieben in einer Tiefe, welche der 350maligen Höhe der Wellen entsprach. Die von A i m e ^) angewandten Methoden müssen sehr originell genannt iverden. Er versenkte eine Bleiplatte von 60 cm Durchmesser, in deren Mitte iine Art Kreisel von Holz an einer kurzen Schnur befestigt war. In ruhigem Wasser nahm dieser Kreisel, durch seine Schwimmkraft gehalten, eine Stel- lung senkrecht zur Platte ein; bei einem rhythmischen Hin- und Herscliieben der Wasserteilcben am Boden dagegen, wie die Theorie erwarten ließ, mußte der Kreisel bald auf die eine, bald auf die andere Seite gebeugt werden. Ener- gische Bewegungen konnten ihn daher bis zur Platte selbst niederbeugen, und an dem Holzkörper des Kreisels angebrachte Eisenspitzen mußten alsdann auf der Bleiplatte ihre Spuren eindrücken. Sowohl am Boden in 11, 18, wie in 28 m Tiefe waren die Verschiebungen der Wasserteilchen stets kräftig genug, um die Bleiplatte mit symmetrisch einander gegenüberliegenden Eindrücken der Kreiseldornen zu versehen. Einmal ging sogar der Kreisel ganz verloxon. Die Höhe der von Norden in die Reede von Algier einlaufenden Dünung über- stieg dabei nicht 3 m. Als Aimes Apparate in eine Tiefe von 40 m (bei 1000 m Abstand vom Strande) versenkt wurden, ergab sich zwar, daß die Platte trotz hoher See während eines vollen Monats nur ganz schwache Narben durch die Kreiselspitzen empfangen hatte; ein wiederholter, allerdings nur auf 14 Tage ausgedehnter Versuch ließ trotz gleich hoher See die Bleiplatte vöUig anberührt. Indes ist zu bedenken, daß der Kreisel eine Höhe von 25 cm, die Schimr, die ihn mit der Platte verband, etwa 10 cm Länge besaß, die Doruenspitzen also mit einem Radius von 25 cm (nach der Zeichnung Aimes) ihre Bogen beschrieben. Darum ist anzunehmen, daß die Verschiebungen der Wasserteilchen selbst in der oben genannten Tiefe noch Amplituden von 50 cm überschritten haben müssen. Sonst würden die Dornen sich nicht auf der Blciplatte haben eindrücken kömicn. Da wir von Aime nicht die Länge der von ihm untersuchten Wellen erfahren, sondern nur ihre Maximalhöhe (3 m), so können wir übrigens obiges Resultat auch nicht zu e^ner Prüfung von Hagens Formel XXVIII (S. 21) verwenden. Um nun die Bewegungen der Wasserteilchen zwischen dem Boden und der Oberfläche zu studieren, wandte Aime eine Methode an, die nur in geringen Tiefen und in so durchsichtigem Wasser, wie das Mittelmeer es darbietet, *) Annalen der Hydropraphie 1883, S. fi. ^) Exploration soientifique de rAluerie penclant les annees 1840 — 42. Physique ßonerale, vol. 1, Paris 1845, ]). 193 — 202, auch Annales de chimic et de physique (3me ser.), tome V, 1842, p. 417 fi. \md Poggendorffs Annalen 1842, lid. 57, S. 584. Aimes Messungen. - 31 Erfolg versprechen kann. Von einem verankerten großen Boot aus versenkte er eine Vorrichtung, die iin wesentUchen aus einer kegelförmigen Flasche mit ganz engem Halse bestand, die auf einer schweren Eisenplatte (ajs Ballast) befestigt war. Die in der Flasche enthaltene Luft entwich nach dem Versenken in einer Reihe kleiner Luftbläschen, die vom Boote, also von oben, beobachtet, in Schlangenhnien an die Oberfläche aufstiegen: und zwar beschrieben sie diese Schlangenlinien in einer Ebene senkrecht zum Wellenkamm. Als er bei 7 m Wassertiefe uiid schwachem Seegang die Amplituden maß, fand er sie nirgends beträchtlicher als 20 cm; auch in einem anderen Falle, wo er bei 3 m Wassertiefe und einer Wellenhöhe von Vs m beobachtete, überstieg die Amplitiide 20 cm nicht. Aime sagt leider nicht, in welchen Tiefen die größere Amplitude vorkam. — Später verwendete er zur Füllung der Flasche statt der Luft gefärbtes öl, wobei die aufsteigenden ölkügelchen leichter zu ver- folgen waren als die sich stetig zerteilenden Luftbläschen. Auch versah er die Blechflasche nun mit zwei Öffnungen, eine für das austretende öl, die andere für das eintretende Wasser. Bei 11 m Tiefe und einer See von 1.5 m Wellenhöhe fand er dieselben Schlangenlinien wie vorher und als größte Amplitude (wo?) nahezu 1 m. Bei 14 m Wassertiefe und gleichen Wcllen- dimensionen fand er ein andermal die Amplitude nur 70 bis 80 cm.- — Jeden- falls beweisen diese Versuche, daß in den Meereswellen die Wasserteilchen ähnliche Bahnen zurücklegen, wie bei den Experimenten in der Wellenrinne. Auf eine beachtenswerte Beobachtung von Prof. James Thomson*) über das verschiedene Verhalten der tieferen Bodenschichten gegenüber den höher liegenden in ihrer Orbitalbewegung mag zum Schlüsse noch kurz hin- gewiesen werden. An der Nordküste Irlands, in einem seichten sandigen Ästuar östhch vom Lougl^ ' oyle, sah er die lange ozeanische Dünung mit einer Periode von 10 bis 2 ekunden das klare Wasser in eine alternierende Strombewegung versetzen, die ihn an Ebbe- und Flutstrom erinnerte. Dabei bemerkte er an den zahlreich im Wasser schwebenden Stücken von Seetang, daß die unmittelbar am Sandboden befindliche Wasscrschlcht stets früher ihre Bewegung landwärts oder seewärts begainn, als die darüber liegende Hauptmasse des Wassers. Er erklärt dieses verschiedene Verhalten so, daß die Hauptmasse iA ihrem Trägheitsmoment die alte Bewegung zunächst beibehalte, während die Bodenschicht durch Reibung am Sandgrunde mit geringerer Geschwindigkeit behaftet der neuen Bewegung alsbald zu folgen imstande sei. Danach müßten also auch die wagrechten Komponenten der (flachen) Orbitalbahn jiach der Bodenschicht hin sehr rasch kleiner werden. — - Auf eine analoge Behauptung für das Verhalten der Tiefenschichten gegen die Pliasen des richtigen Gezeitenstroms wird später zurückzukommen sein. Dieser Vergleich der tatsächlichen Vorgänge im Bereiche der Wellen in flachem Wasser mit den Ergebnissen der Theorieen hat die letzteren nur in ihren allgemeinen Zügen bestätigen können. Indes fehlt noch viel, ehe man die Beobachtungen als genügend wird anerkennen dürfen. Die Technik derselben ist entschieden weit hinter den gleichzeitigen Fort- schritten der Analysis zurückgeblieben; seit Aimts Versuchen, kann man sagen, ist dieser Zweig beobachtender Meereskunde überhaupt nicht ge- fördert worden. Woran es hauptsächli ;h mangelt, ist eii>e systematische Untersuchung der Bewegungen, welche die Wasserteilolien in flachem, nur wenige Meter tiefem Wasser, und zwar in den verschiedenen Schichten zwischen Boden und Oberfläche unter der Welle befolgen. Ob die Periode und die Länge der Welle in allen Schichten die gleiche ist, haben schon 1) PhUos. Mag. 1888, Bd. 26, S. 382 f. 32 Die Dimensionen der Meereawellen. die Brüder W e b e r als noch problematisch hingestellt (Wellenlehre S. 141). Und so lange man noch nicht durch Beobachtung ganz sicher weiß, ob in solchem flachen Wasser die fortschreitende Geschwindigkeit der Welle durch die ganze Wassersäule wirklich gleich ist oder am Boden anders wird, so lange darf man die praktische Verwendbarkeit der Formeln Hagens so gut wie der Airys und Boussinesqs noch in Zweifel ziehen. Einer strengeren Auffassung gegenüber sind diese Ergebnisse abstrakter Analysis zwar bewundernswert als erfolgreiche Leistungen auf einem der sprödesten Gebiete der höheren Mathematik, aber noch weit davon ent- fernt, die sorgfältige und vollständige Beobachtung der tatsächlichen Vor- gänge in der Natur überflüssig zu machen. IV. Die Dimensionen der Meereswellen. Befriedigender können die Kesultate genannt werden, welche der Vergleich zwischen WeUenbeobachtungen auf hoher See mit den theo- retischen Werten der Formeln für unendliche Wassertiefen ergibt; zumal wenn man sich die schwer zu beseitigenden Schwierigkeiten vergegen- wärtigt, mit denen WeUenuntersuchungen an Bord verbunden sind. Denn in der Natur tritt die Erscheinung nur selten in einfacher Form auf, meist Fig. 9. Passatwellen bei Ascension am 12. September 1889. (Schematische Zeichnung nach einer Photographie der Plankton-Expedition.) durchkreuzen sich verschiedene WeUensysteme von verschiedener Stärke und Abkunft. Dem aufmerksamen Seereisenden ist diese Tatsache bald durchaus geläufig, aber auch einem binnenländischen Gelehrten braucht sie im Zeitalter der photographischen Momentaufnahmen und der da- nach in die modernen Eeisebeschreibungen übergegangenen guten Ab- bildungen nicht mehr fremd zu sein^). Beistehende schematisierte Zeich- nung verdeutlicht eine verhältnismäßig noch einfache Form des ozeani- schen Seegangs (Fig. 9). 1) Die Reißewerke von C a r 1 C h u n, Aus den Tiefen des Weltmeere, E. v. D r ^- g a 1 s k i, Zum Kontinent des eisigen Südens, R. Scott, The Vovage of the Dis- covery, enthalten zum Teil sehr schöne Wellenbilder aus den hohen Südbreiten, namentlich in der Wiedergabe durch Heliogravüre, da die Rasterbilder doch manche Feinheit unterdrücken. Besondere naturgetreu ist das große Wellenbild , welches Monohablon für den Festsaal des Ozeanographischen Museums in Monaco gemalt hat. Methoden der Wellenmessung. 33 Da die Wellen im offenen Ozean von den Winden erzeugt werden, die Windrichtungen aber, namentlich außerhalb der Passatzone im Be- reich zyklonischer Luftbewegungen, in ziemhch kurzem Abstände ver- schieden sind, so ist leicht zu ersehen, daß ein ganz einfaches, ausschließ- lich weite Flächen beherrschendes Wellensystem höchst selten zu beob- achten sein wird. Dazu kommt, daß Stürme der höheren Breiten so große und schnelle Wellen erzeugen, daß diese sich aus ihrem Ursprungsgehiete heraus weit über den Ozean hin verbreiten. Diese nicht an Ort und Stelle vom herrschenden Winde erzeugten, sondern in einiger Entfernung entstandenen Wellen nennt der Seemann Dünung (auch in deutschen Schiffsjournalen nicht selten „Schwell", enghsch swell; französisch houle). Die Dünung unterscheidet sich schon äußerhch von den Windwellen, welche der deutsche Seemann die Seen nennt, durch ihr rundHcheres , schön trochoidisches Profil trotz ihrer bedeutenden Länge und Höhe, während die „Seen" unter der unmittelbaren Einwirkung des Windes sehr leicht überfallende und schäu- mende Kämme zeigen. (Vgl. in Fig. 4, S. 7, die obersten mit den untersten Kurven.) Wenn man mit Scott Russell und Airy solche Wellen, die in jedem Augenbhck dem sie erzeugenden Kraftimpulse (also hier dem Winde) unterMegen, „forcierte" oder „gezwungene" Wellen {forced waves), da- gegen die dem unmittelbaren Impulse entzogenen Undulationen „freie" Wellen nennt, so würden die Seen der ersten, die Dünung der zweiten Klasse zuzurechnen sein. Typisch ist die hohe und lange Dünung in den Windstillen der Roß- breitenzone in den polaren Randgürteln der Passate beider Hemisphären; auf der nördlichen erzeugt durch die in Böhen wehenden Nordwestwinde an der Rückseite barometrischer Depressionen, im Atlantischen Ozean besonders im stürmischen Meer zwischen Neufundland und Island, von wo aus sie sich häufig bis in den Nordostpassat, bisweilen sogar bis in die südhche Hemisphäre hinüber fortpflanzen. Nicht minder weit treiben die südwestlichen Orkanböhen der hohen südUchen Breiten ihre Dünung nord- wärts. Ebenso entsenden auch die Passate in die äquatoriale Stillenzone von beiden Seiten ihre Dünungen, welche, einander durchkreuzend, den in der Windstille steuerlos hegenden Segelschiffen bisweilen sehr lästig fallen. DhT Beobachter an Bord eines Schiffes hat also zunächst die „See" und etwaige „Dünung" zu unterscheiden, und bei seinen Messungen aus- einanderzuhalten. Das ist oft nur sehr schwer ausführbar und erfordert eine längere Gewöhnung. Bei hohem Seegang wird freilich ein Wellen- system durch seine Dimensionen die anderen übertreffen, und dann für kürzere oder längere Zeit in die Augen fallen. Die Beobachtungen haben sich auf folgende Tatsachen zu richten, wobei es zunächst einen Unter- schied macht, ob das Schiff selbst in Fahrt ist oder still hegt. Nehmen wir der Einfachheit wegen zunächst den letzteren Fall, so kann ein einzelner Beobachter zuerst sehr bequem die Wellen- periode messen, indem er nach einer Sekundenuhr die Zeiten auf- schreibt, in welchen die einander folgenden Wellenkämme seinen Stand- ort an Bord passieren, oder auch, indem er die Zahl der WeUen bestimmt, Krümmel, Ozeanographie. II. 3 34 Die Dimensionen der Meereswellen. die in einer Minute an ihm vorbeilaufen, wobei er dann nicbt Einzelwerte, sondern einen Mittelwert erhält ; dies empfiehlt sich besonders bei kürzeren Wellen von kleiner Periode. Soll die Wellenlänge gemessen werden, so macht es einen Unterschied, ob das Schiff mit seiner Kiellinie senkrecht oder in irgend einem Winkel zu den W^ellenkämmen liegt. Im ersteren Falle ist die Messung einfach: sind die Wellen kürzer als das Schiff selbst, so läßt sich ihre Länge (am bequemsten allerdings durch zwei Beobachter auf gegebenes Signal) am Schiffskörper leicht bezeichnen und dann messen. Sind die Wellen aber länger als das Schiff, so empfiehlt es sich, zuvor die Periode und die Geschwindigkeit der Welle zu messen und daraus die Länge zu berechnen (denn Ä — t c). Die Geschwindig- keit, mit der die Welle fortschreitet, ist an der bekannten Schiffslänge oder einer an der Schanzung zu diesem Zwecke genau durch zwei Latten markierten und gemessenen (nicht zu kurzen) Distanz zu ermitteln, in- dem auch hier, am besten wieder von zwei Beobachtern an jedem Ende der abgesteckten Linie nach der Sekundenuhr die Zeiten notiert werden, in welchen die Wellenkämme an der Marke erscheinen. In diesem Falle erhält man auch gleichzeitig die Wellenperiode. Liegt das Schiff zwar still, aber nicht so, daß es die Wellen recht von vorn oder von achtern erhält, so ist der Winkel zwischen KielHnie und Wellenrichtung zu messen und die beobachtete Geschwindigkeit mit dem Cosinus dieses Winkels zu multiplizieren; vorausgesetzt, daß dieser Winkel kleiner als 45*^ ist, sonst wird das Resultat nicht mehr zuverlässig. Befindet sich das Schiff in Fahrt, so ist es notwendig, Kurs- richtung und Geschwindigkeit des Schiffes zu kennen. Man verwandelt Knoten Fahrt pro Stunde durch Multiplikation mit 0.5144 in Meter pro Sekunde^). Die vorigen Regeln erleiden nur eine einfache Änderung, wenn Schiff und Wellen in der gleichen oder entgegengesetzten Richtung laufen. Dann ist die Schiffsgeschwindigkeit zu der der Wellen algebraisch zu ad- dieren. Nennen wir die Fahrtgeschwindigkeit des Schiffes (Meter pro Sekunde) V, die von der Welle zum Durchlaufen der abgesteckten Distanz l gebrauchte Zeit t (in Sekunden), so ist alsdann die Wellen^eschwindigkeit c = \- V, ferner a = ^ (c + F) und t = — . t c Liegt der Kurs des Schiffs nicht rechtwinklig zu den WeUenkämmen, sondern schräg mit dem Winkel B zur Richtung derselben, so muß auch hier die scheinbare Wellengeschwindigkeit in die wahre verwandelt werden durch Multiplikation mit cos 0 (wieder unter der Bedingung, daß (*;) kleiner ist als 45°). Kennt man die Geschwindigkeit c der Wellen, so kann man die scheinbare Periode^ in die wahre Periode z verwandeln nach der y Gleichung: t = t -\ tcos Ö, wobei das Minuszeichen für die von ach- tem kommende See gilt. Man kann die Wellenlänge direkt messen, wenn die WeUen recht von vorn oder von hinten kommen, indem man die (alte) Logge oder eine ^) Die am Schlüsse dieses Bandes gegeben^ Reduktionstäbelle wird dafür mit Nutzen verwendet. Methoden der Wellenmessung. 35 kleine Boje auswirft und die Leine so lang auslaufen läßt, bis jedesmal die Boje und das Hinterteil des Schiffs gleichzeitig auf einem Wellen- kamm sich befinden: ein Verfahren, das indes nicht so zuverlässig ist wie das oben erwähnte, und meist zu große Wellenlängen ergeben dürfte. Am bequemsten ist es für den Beobachter auch hier, nur die W e 1 1 e n- p e r i o d e während der Fahrt zu messen und die so erhaltenen < in die wahre Periode r umzurechnen, wobei man die aus der Trochoidentheorie entnommene Formel VIII benutzt. Aus X = c x wird zunächst X =3 t{c +V cos 0) und aus X == gv^/2z wird hier X = [(gri/^Tr) +, F cos 8]<, und nach Auflösung der quadratischen Gleichung erhält mal T = ^ + V{i) + 27r ^ F . cos 0. Schwieriger ist es, exakt die Wellenhöhe zu messen. Sind die Wellen von so beträchthcher Höhe, daß sie, wenn sich das Schiff im Wellen- tal befindet, dem Beobachter den entfernten Horizont verdecken, so kann dieser mittschiffs auf der Kommandobrücke oder, wenn dieses nicht ausreicht, in den Wanten hinaufsteigend eine Höhe aufsuchen, in der er über die WeUenkämme hinweg visierend, diese mit dem Horizont in Linie Fig. 10. 7- J0yr> F. Weitlaners Vertikalmesser zur Bestimmung der senkrechten Schiffsbewegungen. bringt. Es ist empfehlenswert, für diesen Zweck ein sogenanntes Kicht- hofensches Horizontglas zu benutzen. Die Höhe seines Auges über der Wasserlinie des Schiffs gibt dem Beobachter alsdann die Wellenhöhe. Freilich ist die Lage der Wasserhnie mittschiffs in solchem Falle tiefer an- zunehmen, als sie in schlichtem Wasser ist, weshalb es sich empfiehlt, über die hiernach anzubringende Korrektion schon vor der Messung Be- obachtungen anzustellen, so gut die Gelegenheit es gestattet. Vielleicht mag hierbei eine von dem Schiffsarzt Dr. Franz Weitlaner (bei seinen „Neuen Untersuchungen über die Seekrankheit", Hamburg 1906) benutzte Vorrichtung gute Dienste leisten. Weitlaners Vertikalmesser beruht auf der bekannten Wahrnehmung, daß ein frei aber elastisch aufgehängtes Gewicht nur stark verzögert den vertikalen Bewegungen des Aufhängepunktes folgt. Bei Bewegung dieses Punktes nach oben zieht sich die elastische Sf'>^"T oder Spirale stärker aus und zwar so lange, bis die neue Auszugsgröße gleich ist dem Drucke des Gewichts vermehrt um die jeweihg eingeführte Beschleuni- gung. Beim Abwärtssenken des Aufhängepunktes zieht sich das Gummiband oder die Spirale wieder zusammen. Weitlaners Instrument hat die aus der obenetelienden Fig. 10 erkennbare Gestalt. Auf einer Holzplatte ist ein eiserner 36 I^i© Dimeniiionen der Meereswellen. Galgen aus dickem Eisemlralit befestigt. An diesem Galgen hängt an einer kurzen vSchnur der 2 ra lange Holzstab AB, der möglichst dünn aber unbieg- sam sein soll. Die Aufhängung ist so gewählt, daß das Stück DB 190, DA 10 cm und DC 5 cm lang wird. Bei B wird ein Gewicht p von 30 g befestigt, bei A ein anderes Gewicht q, das gerade schwer genug ist, um den Holzstab ohne das Gewicht p im Punkte D im Gleichge\vicht zu erhalten. Bei C faßt ein elastisches Kautschukband K an, das mit der Schraube r so angezogen ist, daß es vermag, mit seinem 38inal (190: 5) kleineren Hebelarm das Gewicht p in horizontaler Ruhelage zu lialten. Das Band darf nicht zu stark ausgezogen Avcrden, sondern nur bis zu seinem Elastizitätsoptimum beansprucht sein. An Sclmur und Haken Si kann der Apparat irgendwo, am besten an der Zimmerdecke aufgehängt werden. Die Skala z enthält eine Winkelteilung oder kann zugleich so abgeteilt sein, daß die Exkursionen des Punktes B in Zentimetern abzulesen sind. Durch einen unweit der Skala über dem Stabe angebrachten Anschlag kami ein stärkerer Ausschlag des Stabes nach oben hin verhindert und so nur die Bewegung des Schiffes nach aufwärts beob- achtet werden. Weitlaners Messungen ergaben für den österreichischen Lloyddampfer Carinthia in (geschätzten) Wellenhöhen von 2V2 his 3 m eine Vertikalverschiebung mittschiffs von 20 bis 30 cm, bei Wellenhöhen von 4 bis 4V2 m aber von 30 bis 80 cm und zwar von Fall zu Fall sehr schwankend. Natürlich ist der Punkt B nicht als absolut raumfix zu betrachten und können deshalb diese Messungen nur angenäherte Werte liefern. Segeln zwei Schiffe im Geschwader und in Kiellinie, und kennt man die Dimensionen der Takelung beider genau, so kann man, wie W 11 k e s zuerst getan, über die Kämme der zwischenliegenden Wellen hinweg Fig. 11. Messung der Wellenhöhe nach Wilkes. visierend, feststellen, wie weit das Nachbarschiff im Wellental durch die Wellen verdeckt wird. Obenstehende Fig. 11 wird dieses Verfahren hin- reichend verdeutlichen ^) . Während der Novaraexpedition maß man die Wellenhöhe so, daß man zunächst die Wellenlänge feststellte und alsdann den Winkel, unter welchem das Schiff in der Kiellinie durch den Einfluß der ankommen- den Welle sich erhob und wieder senkte. Die Wellenhöhe ist alsdann gleich der halben Länge multipliziert mit der Tangente dieses Winkels. Die Resultate werden aber hierbei nicht besonders verläßlich, denn die Bö- schung der WeUe ist im Wellental viel sanfter als am Kamm (Novara- expedition; erzählender Teil I, S. 114). Hiermit verwandt ist ein Verfahren, wie es Humlaoldt einmal auf der Fahrt von Guayaquil nach Acapulco (9. bis 11. März 1803) angewandt hat. Nach seinem kurzen Bericht^) maß er bei hellem Sonnenschein in der hoch- laufenden See mit dem Sextanten den Winkel zwischen der Sonne und dem *) Wilkes, United States exploring expedition, vol. I, p. 135. >) Kosmos Bd. 4, S. 309. Messung der Wellenhöhen. 37 nächsten WcUenkanun zunächst, wenn sich das Schiü auf dem Wellenberg, und sodann, wenn es sich im Wellental befand. Die Differenz ö beider 'Winkel gibt dann den Böschungswinkel, d. li. den spitzen Winkel, mit dem sich der Abhang des W^ellcnberges aus der Tiefe des Wellentals erhebt. Hat man außerdem die W\>llenlängc '/. gemessen, so ist die Wellenhöhe ä = V2 ^ ^ötngr 5. Wenn zwei Beobachter zur Verfügung stehen, kann der eine die Sonnenhöhen auf den Wellenkämmen, der zweite in den Wellentälern messen; ein einzelner Beobachter dürfte sich wohl darauf beschränken, erst eine Serie der Sonnen- höhen auf den Kämmen, dann eine zweite in den Tälern zu messen und dann aus den Mittel virerten die Differenz ö zu nehmen. Die von Humboldt erhaltenen Maße sind aber von ihm nicht bekannt gegeben; er sagt nur, daß die Wellen •höher gingen, als er sie je gesehen. Dr. G. Neumayer hat zuerst versucbt, die Wellenhöhen mit einem sehr empfindlichen und mit Mikiometerablesuug versehenen Aneroid- barometer zu messen, doch hat auch er die Kesultate nicht veröffentlicht. Aus neueren Beobachtungen, die wir den Offizieren S. M. S. „Gazelle", Ealph Abercromby und G. S c h o 1 1 verdanken, ergibt sich indes, daß diese Methode bei hochlaufender See, namentlich aber bei Dünungen, sehr brauchbar wird. Der beobachtete Höhenunterschied, der einer Luft- druckänderung um 0.1 mm entspricht, schwankt ein wenig mit dem Baro- meterstand (er ist bei 780 mm = 1.03 m, bei 740 mm = 1.08 m), aber die nur angenähert bekannte Eintauchung des Schiffes gibt eine schwer zu beseitigende Fehlerquelle für die angenommene Höhe des Aneroids über der Meeresoberfläche, die mindestens auf + 1 m zu veranschlagen ist. Dazu kommen die Fehler der elastischen Nachwirkung und die bei stürmischem Winde vorhandenen Luftdruckschwankungen von kurzer Periode, die man durch Beobachtungen am Variometer kennt. Immer- hin wird für kleine Schiffe diese Methode noch am ehesten zu empfehlen sein. Es würde sich lohnen, selbstregistrierende Aneroide von angemessener Empfindlichkeit zu konstruieren, wobei dann in längeren Kurvenreihen namentlich auch die übergeordneten hohen Wellen von langer Periode erkennbar werden würden. Das eben erwähnte, von Hefner- Alteneck zur Beobachtung der geringsten Luftdruckschwankungen erfundene Variometer^) eignet sich zur Wellenmessung nicht, da es eine absolut ruhige Aufstellung verlangt, die ihm auf einem schlingernden Schiffe nicht gewährt werden kann. Sind die Wellenhöhen zu niedrig für diese Arten der Beobachtung, so wird ihre Messung von hochbordigen Seeschiffen aus noch umständ- licher. Sobald es möglich ist, die äußere Bordwand des Schiffes (aus einem Fenster) zu übersehen, lassen sich an dieser selbst vielleicht Marken fest- stellen, mit deren Hilfe man die Wellenhöhen schätzen kann. Wird auf offener See einmal ein Boot ausgesetzt, so hat man natürlich am besten Gelegenheit dazu. Die Meßapparate dagegen, welche Freude und Paris konstruiert haben, sind so unhandlich und kostspielig, daß nur wissenschaftliche Expeditionen sie benutzen dürften. Der berühmte engUsche Schiffsbaumeister F r o u d e empfahl einen Apparat, dessen Prinzip auf Ausnutzung der mit der Tiefe schnell abnehmenden Schwingungsamplitude der Wasserteilchen beruht. Eine graduierte und am *) Annalen der Physik und Chemie 1896, Bd. 67, S. 468. 38 Die Dimensionen der Meereswellen. Fig. 13. Fig. 12. K unteren Ende mit einem Gewicht {G) beschwerte hölzerne Latte (X) würde zwar im Meere aufrecht schwimmen, aber selbst mit den Oberflächenschichten sich heben und senken. Befestigte man dagegen an der Latte ein möglichst weit in die Tiefe reichendes Gewicht, das Fläche genug besitzt, um von jenen wenig bewegten Schichten festgehalten zu werden, so würde die Latte nur noch um die klein« Amplitude der untersten Schicht auf und ab schwanken, mit ihrem oberen Teil also eine angenäherte Messung der Wellenhöhe ge- statten. Diesen „Anker" der Meßlatte bildet nach Froude ein großer, mit Segeltuch überspannter, viereckiger Rah- men von geöltem Eichenholz {R), der an seinen vier Ecken so aufgehängt ist, daß er im ruhigen Wasser eine völHg horizontale Lage annimmt; nach unten hin be- schwert ihn ein großes Bleilot {B). — NatürHch müssen die an der Latte abgelesenen Wellenhöhen vergrößert werden um einen aus Formel I zu berechnenden Wert^). Der von Admiral Paris und Leutnant Paris (Vater und Sohn) konstruierte und trace-vague benannte Apparat zeichnet automatisch die Wellenhöhe auf. Eine graduierte, möghchst lange und unten beschwerte Latte (L) bildet auch hier das eigent- liche Hilfsmittel der Messung, und sie würde noch ruhiger im Wasser liegen und bessere Resultate ergeben, wenn sie Paris mit dem Froudeschen Flä- chenanker versehen hätte. Der Re- gistrierapparat besteht zunächst aus einem ringförmigen Schwimmer (S) von Kork (nach Art der überall an Bord befindlichen Rettungsbojen), der noch durch eine Führung besser an der Latte gehalten wird. Dieser Schwim- mer wird sich auf jedem Wellenkamm an der Latte hinaufschieben und im Wellental wieder hinuntersenken. An der Spitze der Latte ist seitlich erst ein kurzer (k) und in seiner Verlänge- rung ein 8- bis lOmal längerer Kaut- schukstreif (K) befestigt, der mit sei- nem unteren Ende den eben erwähn- ten Schwimmer (S) trägt. Die Be- wegungen des letzteren werden durch die Gummistreifen nicht behindert; ein an der Verbindungsstelle des langen mit dem kurzen Gummistreifen angebrachter Stift {R) wird indes die vertikalen Schwankungen des Schwimmers stark verkleinert wiederholen und kontinuierlich auf eine Papierrolle (P) aufzeichnen, welche samt einem kleinen Uhrwerk {U), das zu ihrer Drehung dient, fest an der Spitze der Latte angebracht ist*). * ) White, Manual of Naval Architecture, p. 161 ff. ^) Comptes rendus hebd. etc. tome 64, Paris 1867, p. 7-31 ff. Wellenmesser nach Froude." Wellenmesser nach Paris. Messung der Wellenhöhen. 39 Viel versprechend erscheint dagegen das photogrammetri- s c h e Verfahren, das, wie die Erfahrungen bei Aufnahmen auf dem Lande ergeben haben, in bequemer Weise die Ausmessung von Unebenheiten des Bodens gestattet und ebenso, in einer passenden Form für Bord- gebrauch umgestaltet^ die Messung von Wellenhöhen und -längen ermög- licht. Geeignete Apparate sind von C. Pulfrich erdacht und von der Firma Carl Zeiß in Jena hergestellt worden; die ersten Anwendungen sindE. Kohlschütter, Prof.-Laas (an Bord des Segelschiffs ,.Preußen"^) und den Offizieren des Vermessungsschiffs „Planet" zu verdanken. Das dem Verfahren zugrunde gelegte Prinzip ist einfach. Zwei photographische Apparate sind an Bord an den beiden Enden einer. nicht zu kleinen Stand- linie so aufgestellt, daß die photographischen Platten in einer dieser Stand- linie parallelen Ebene liegen, die optischen Achsen der beiden Kameras ebenfalls parallel zu einander gerichtet und senkrecht auf der Platten- ebene stehen. Die BeHchtung beider Platten erfolgt mit gleichzeitigem Momentverschluß. Die photographischen Bilder werden in den sogenannten Stereokomparator gebracht und liefern, durch ihn betrachtet, ein ruhiges räumliches Bild der Wellenoberfläche, von der ein mittlerer, gegen die Kimm hin sich verbreiternder Sektor nach allen Richtungen hin ausge- messen werden kann, indem man eine bewegliche Marke entlang geeigneter Maßstäbe verschiebt. Auf guten Aufnahmen wird es dann . möglich, für den erwähnten Sektor eine Höhenschichtenkarte zu entwerfen. Die Mes- sungen der Wellenhöhen werden besonders genau, wenn die Aufnahme in der Richtung parallel mit den Wellenkämmen erfolgt, andernfalls ver- decken die Kämme die dahinter liegenden Täler. Die Fehler der gemessenen Wellenlängen sind umgekehrt proportional der Länge der Standlinie und wachsen mit dem Quadrat der Entfernung; bei einer Standlinie von 10 m sind auf 500 m Entfernung die größten Fehler in der gemessenen Wellenlänge etwa 2 m, in der Wellehhöhe etwa 0.5 m; die letzteren nehmen auch bei 1000 m Entfernung nur auf etwa 0.6 m zu. Auf die von Prof. Laas und an Bord des „Planet" erhaltenen Aufnahmen, die an Zahl nur gering waren, ist später zurückzukommen. Aus den Formeln II bis VIII (S. 9) ergibt sich, daß nach der Theorie enge Beziehungen zwischen der Periode, Geschwindigkeit und Länge der Wellen bestehen, dagegen gar keine zwischen diesen Elementen und der WeUenhöhe. Es wird sich also bei einem prüfenden Vergleich zwischen Beobachtungen und Formeln darum handeln, festzustellen, ob jene engen Beziehungen zwischen t, X und c tatsächlich vorhanden sind. Am besten geeignet erscheinen sollten hierzu die zahlreichen fast täghch auf einer Reise nach Ostasien und zurück angestellten Wellen- messungen des eben erwähnten Leutnant Paris an Bord der französi- schen Kriegsschiffe „Dupleix" und „Minerve" . in den Jahren 1867 bis 18702). Ij^ ganzen hat er rund 4000 Wellen an 205 Beobachtungstagen gemessen, an jedem Tage mindestens 10. Beobachter, die seinem Beispiel folgen wollten, haben jedoch mit Recht Bedenken gegen die Zuverlässig- keit seiner Messungen erhoben, da der vorherrschende Zustand der Meeres- oberfläche eine regelmäßige Messung, wie sie Paris ausgeführt haben ^) Zeitschr. des Vereins Deutscher Ingenieure, Berün 1905. ') Revue maritime et coloniale vol. XXXI, Paris 1871, p. 111 — 127. 40 Die Dimensionen der Meereswellen. will, nicht erlaubt; doch sollten sie darum nicht ganz verworfen werden. Paris ordnet seine Beobachtungen in Durchschnittswerten nach den be- rührten Windgebieten wie folgt (s. die fettgedruckten Zahlen); zum Ver- gleich sind die aus den Formeln berechneten Werte daneben gestellt. Meeresteil Atlant. Passatgebiet . Indisches „ Südatlant. Westwinde Indische „ Ostchinesisches Meer Westpazifisches „ beob. 11.2 12.6 14.0 15.0 11.4 12.4 hAvindig ceit Länge Periode tn p. S. m (Sekunden) berechnet berechnet berechnet aus aus aus . beok 1 beob. 1 ^ \ ^ . g 2k \/^ 2:z — c 0 10.8 10.5 65 70 61 5.8 6.0 6.2 13.1 13.7 96 88 104 7.6 7.3 6.9 15.5 17.1 133 109 163 I 9.5 8.6 7.8 15.2 13.7 114 125 104 1 7.6 8.0 8,3 11.9 12.4 1 79 72 86 1 6.9 6.6 6.3 13.6 14.7 102 85 121 j 8.2 7.5 6.9 Beobachtungen in der Nähe von Land oder in abgeschlossenen Golfen und engen Straßen hat Paris verniiedeu; so enthält das „Ostchinesische Meer" Beobachtungen aus der sogenajinten Chinasee und dem Tung-hai, aber nicht aus dem Japanischen Eandmeer. Außer den 205 Beobachtungstagen ver- merkte Paris noch 29 Tage, an denen die Wellenbewegung so schwach war, daß das Meer als beinahe oder völlig still gelten durfte; ferner war an 109 Tagen der Winkel 0 zwischen Wellenrichtung und Kurs so groß, daß eine sichere Messung der in der obigen Tabelle aufgenommenen Elemente X, r und c nicht möglich war. Die Wellenlänge wurde durch Auswerfen der Loggleine gemessen, nach seijier Überzeugung war jede Einzelmessung bis auf Vio genau, was aber linen unberechtigten Optimismus verrät. Die Daten für die Geschwindigkeit, berechnet nach den Formeln IV und VII, sind innerhalb 1 m in Übereinstimmung mit den Beobachtungen in 7 Fällen, innerhalb 0.5 m in 3 Fällen; erhebliche Diffe- renzen sind nur in 2 Fällen vorhanden. Die beobachteten Wellenlängen liegen ausnahmslos zwischen den beiden aus Formel VIII ä und b berechneten; geben wir den beob- achteten Wellen den von Paris gewünschten Fehlerbereich von + 10 Pro- zent, so stimmen die berechneten Werte einigermaßen in 8 von 12 Fällen; die aus c^ berechneten Längen sind zu klein in 4 von 6 Fällen, die aus t^ berechneten in 2 Fällen. Erheblich weichen die berechneten Daten ab für das südatlantische Gebiet (um 30 und 24 m), nächstdem für das west- pazifische (um 19 und 17 m). Aber bemerkenswert bleibt doch, daß die berechneten Werte ebensooft zu groß wie zu klein ausfallen. Die Periode muß gut übereinstimmend genannt werden in 8 von 12 Fällen, zu groß ergibt die Rechnung sie 4mal, zu klein 8mal. Die nähere Prüfung dieser Daten zeigt also, daß die Gesetze der Tro- choidentheorie geeignet sind, die tatsächlichen Beziehungen zwischen Ge- schwindigkeit, Länge und Periode der Wellen auf hoher See angenähert um Ausdruck zu bringen. Wie in diesen Durchschnittswerten, so tritt ine gewisse Überein.stimmung zwischen Theorie und Beobachtung auch Messungen von Paris, der Gazelle-Expedition, von Abercromby. 41 zutage, wenn wir einzelne Messungen herausgreifen und ihre Genauig- keit nicht allzu hoch einschätzen. Die beiden Paris haben mit ihrem Wellenmesser, allerdings in der Nähe der Küste, zweimal Wellen gemessen, deren Abbildung im Maßstabe von 1 : 400 ihrem Berichte beigegeben ist ^). Daraus entnehme ich die folgen- den Daten: Wellenlänge m beobachtet g Geschwindigkeit m p. S. beobachtet '-^i-k^ V I II 27 33 30 35.5 7.4 8.0 6.98 7.72 Die Übereinstimmung muß auch hier eine befriedigende genannt werden. Auf der deutschen Gazelle-Expedition wurden fünfmal bei besonders hohem Seegang die Wellen gemessen^); die Ergebnisse zusammen mit den nach der Trochoidentheorie erhaltenen Werten sind in der nachstehen- den Tabelle enthalten. i Geschwindigkeit Länge Periode m p. S. m Sek. Nr. Breite Länge 1 , 1 1 /7i — 1 beob. / 9 \ £' CT 2k . — c* ff 2k beob. v^ 2 k — c 9 1 46.5» S. 56.5 »0. 14.2 14.4 14.5 132 122 135 9.3 9.2 9.1 2 47.5» S. 65.80 0. 18.1 12.9 12.7 107 110 103 8.1 10.2 8.4 3 47.0» S. 98.0 »W. 16.2 15.2 14.1 147 168 127 9.0 9.7 10.4 4 47.5» S. 93.0 »W. 10.0 12.8 16.4 105 64 172 10.5 8.2 6.4 5 48.0 »N. 11.5 »W. 16.4 17.3 18.4 193 164 218 11.8 11.1 10.3 Die ersten beiden Serien stammen aus den höheren Breiten des südlichen Indischen Ozeans, die 3. und 4. aus dem Südpazifischen, die 5. aus dem Nord- atlantischen Ozean, in allen Fällen wehten stürmische Winde aus westUchen Kichtungen. Die Beobachtungen der einen Tag nach der dritten gemessenen vierten Reihe, während welcher das SchifE zum Loten bei noch starkem, aber stetig abnehmendem Winde still lag, ergaben im einzelnen sehr voneinander abweichende Werte (4 aufeinander folgende Wellenlängen hatten 80, 88, 120, 132 m), so daß sich daraus die mangelhafte Übereinstimmung der beobachteten mit den berechneten Werten leicht erklärt. Die anderen Fälle sind der Tro- choidentheorie günstig, besondiers der erste. In den hohen Breiten des Südpazifischen Ozeans maß auch RalphAber- c r o m b y ^) dreimal einige Reihen von Wellen, doch nur zweimal Geschwin- digkeit und Periode derselben, so daß man, wie eben geschehen, die Formeln der Trochoidentheorie danach prüfen kann. Die folgende Tabelle enthält 1) Comptes rendus etc. LXIV, Paris 1867, p. 783, Taf. 3, Fig. 6 und 7. ') Die Forschungsreise S. M. S. Gazelle etc. Bd. 2, S. 128. •) Phüosoph. Mag. 1888, Bd. 25, S. 263 f. Die Ergfebnisse mußten neu berechnet werden, da unklar blieb, ob die Geschwindigkeit in Seemeilen oder Statute miles angegeben war, und Abercrombyin einem Falle versäumt hat, den Kurswinkel (hier = 22 ») in die Berechnung einzuführen. 42 Die Dimensionen der Meereswellen. Geschwindigkeit m Länge m Periode Sek. Ort und Zeit i Reihe; I. 51«S.B. ( 160 »W.L. 10. Juni 1885 ' 1 1 2 3 II. 550 s. B. 105 "W.L. 16. Juni 1885 4 5 6 beob. 1 ^\ 2k beob. v^^ 2k — c 9 15.3 16.0 1 1 16.7 1 164 150 179 10.7 10.2 9.8 16.5 15.1 13.9 147 174 124 8.9 9.7 10.5 13.4 13.4 13.3 |ll4 1 115 114 8.5 8.6 8.6 16.5 14.4 12.5 132 174 101 8.0 9.2 10.6 16.5 1,5.6 14.8 156 174 141 9.5 10.0 10.6 21.7 19.0 16.7 232 302 179 10.7 i 12.2 13.9 die Ergebnisse; es sind jedesmal Mittel aus 3 bis 5 Einzelbeobachtungen. In den meisten Eeihen ist die Übereinstimmung mit der Trochoidentheorie günstig, in der dritten Reihe ganz ausgezeichnet, in der sechsten ist die Ge- schwindigkeit anscheinend zu groß. Für die großen Wellen der hohen Süd- breiten sind diese Rei\en aber sehr bezeichnend. Bemerkenswert ist, was Abercromby im allgemeinen hierzu bemerkt: er fand die Wellenbildung stets unregelmäßig. „Wir sahen niemals auf eine Strecke von einer Seemeile hin die Wellenkämme getrennt durch wohl ausgebildete Täler hintereinander her jagen. Die Seen waren so wirr, daß bisweilen auf einen gewaltigen Kamm nur einige kleine Wellen folgten. Dabei kann von Kreuzsee durchaus nicht die Rede sein : es liefen nur viele Reihen Wellen von sehr verschiedener Länge, die dann miteinander Interferenzen bildeten." Auf diese durchaus trefEende und scharfe Beobachtung ist später zurückzukommen. Eine ausführliche Wiedergabe verdienen noch die Wellenmessungen, die Q. Schott*) auf seiner SegelschifEsreise (1892 und 1893) ausgefiüirt hat Geo- Geschwindigkeit Länge Periode graphische m 1 ^ Sek. Nr. 1 Breite Länge beob. v^^-^ 2k I 2k - TC C* 9 ir-'. beob. \/^ 2k — c 9 I. w indwellen: 1 26» S. 48 »0. 7.2 7.1 7.2: 33 33 33 4.6 4.6 4.6 2 70 S. 15 »W. 7.4 7.5 7.6 36 35 37 4.9 4.8 4.7 3 HOS. 10 »W. 7.8 7.6 7.8 38 39 39 5.0 4.9 5.0 4 ■ 26 °S. 48 »0. 8.2 8.2 8.4 44 43 45 5.4 6.3 5.3 6 290 s. 9»0. 8.8 9.5 10.3 i 59 50 68 6.6 6.1 5.6 6 29 »S. 9»0. 10.2 9.8 9.4 i 62 67 56 6.0 6.2 6.6 8 17» S. 72 »0. 14.7 14.3 13.7;' 130 138 121 8.8 9.1 9.4 ' IL Dünungen: 1 27 »S. 44» 0. 8.2 8.0 7.8; 41 43 39 5.0 5.1 5.2 2 37 »N. 40 »W. 9.5 8.8 8.1 1 49 58 42 5.2 5.6 6.0 3 33» S. 81 »0. 12.0 12.1 10.9 93 92 76 7.0 7.7 7.1 4 9ÖN. 25 »W. 13.6 12.5 11.5 100 118 85 7.4 8.0 8.7 6 19» S. 68» 0. 14.8 14.8 14.8 140 140 141 9.5 9.4 9.6 7 19« S. 0»- 17.4 16.5 16.5 174 194 156 10.0 10.6 n.i 8 28 »S. 39 »0. 23.5 23.1 22.6 342 353 328 ; 14.5 14.8 15.0 *) Peterm. Mitt. Ergänzungsheft 109, 1893, S. 82 (auch in der R i c h t h o £ e n- Festschrift 1893 abgedruckt). Messungen von Schott und Gassenmayr. 43 und die insofern einen wesentlichen Fortschritt bedeuten, als neben Wind- wellen auch typische Dünungen gemessen wurden. Die vorstehende Tabelle gibt die Maße nach der Größe der beiden Wellenarten geordnet wieder; sie schließen sich sämtlich an die Trochoidentheorie besonders gut an. Längere Reihen von Wellenmessungen, die sich auf Länge, Periode und Höhen beziehen, liegen außerdem von amerikanischen Seeoffizieren aus den Jahren 1883 — 86 vor; D. D. Gaillard^) hat sie zuerst veröfientlicht. In anderem Zusammenhange wird später auf einige daraus zurückzukommen sein. Sehr dankenswert sind endlich die Messungen des k. k. österreichisch- ungarischen Seeoffiziers 0. Gassenmayr an Bord des Kreuzers „Donau" im Jahre 1895 im Atlantischen Ozean^), die hier in derselben Form wie die von Schott ausgeführten wiedergegeben sein mögen. 1 2 3 4 6 6 7 8 9 10 11 12 13 14 16 16 17 18 19 20 17 »S. 18 »S. 19° S. 20 "S. 240 S. 270 s. 30« S. 30° S. 31 »S. 38 "S. 380 S. 380 S. 380 S. 380 S. 150 s. 140 s. 130 s. 70N. 32 ON. 33 »N. 210 s. 220 s. 230 s. 30« S. 370 s. 370 s. 120 s. 33 «N. 35 ow. 35 ow. 33 «W. 33 ow. 30 ow. 28 ow. 27 OW. 27 ow. 25 ow. UOW. 6OW. 50W. 20W. lOW. 70W. 8OW. 90W. 48 ow. 74 OW. 75 OW. 32 ow. 31 ow. 31 ow. 28 ow. 200. 500. 11 ow. 75 ow. Windwellen 6.7 6.2 8.0 9.0 7.3 7.0 12.0 12.7 15.0 8.0 5.9 6.2 5.0 14.0 6.7 6.7 8.0 5.8 6.4 8.5 7.3 13.7 13.3 13.0 8.3 10.0 7.6 12.5 6.9 7.0 30 29 . 6.2 6.2 25 25 1 8.0 7.8 40 41 1 8.4 7.8 45 52 7.3 7.5 35 35 7.3 7.8 35 32 ! 13.7 15.6 120 93 14.8 17.2 140 105 13.7 12.5 120 144 8.0 7.8 40 41 1 7.3 9.4 35 23 ! 8.0 10.2 40 25 6.9 9.4 30 17 ! 14.8 15.6 140 126 ; 7.3 8.1 35 30 i 7.9 9.4 40 30 ! 8.4 8.7 45 41 1 7.3 9.4 35 22 1 8.4 10.9 45 26 i 11.1 14.8 80 46 32 25 39 39 36 39 156 189 100 3p 56 66 56 156 42 56 49 56 77 141 II. Dünungen: i 8.0 8.6 40 35 47 1 14.3 14.7 130 120 141 11.1 9.4 80 114 56 14.3 15.6 130 108 156 8.9 9.4 50 44 56 j 9.4 8.6 55 65 47 : 8.6 9.8 48 38 62 12.5 12.5 100 100 100 4.5 4.0 5.0 5.0 4.8 5.0 10.0 11.0 8.0 5.0 6.0 6.5 6.0 10.0 5.2 6.0 5.6 6.0 7.0 9.5 5.5 9.5 6.0 10.0 6.0 5.5 6.3 8.0 4.4 4.0 5.1 5.4 4.7 4.7 8.8 9.5 8.8 5.1 4.7 5.1 4.4 9.5 4.7 5.1 5.4 4.7 5.4 7.1 5.1 9.2 7.2 9.2 5.7 6.0 5.6 8.0 4.3 4.0 5.1 5.8 4.7 4.5 7.7 8.2 9.6 5.1 3.8 4.0 3.2 9.0 4.3 4.3 5.1 4.7 4.0 5.6 4.7 8.8 8.5 8.4 5.3 6.4 4.9 8.0 *) G a i 11 a r d, Wave action p. 76 — 79. «) Mitt. a. d. Geb. des Seewesens Bd. 24, Pola 1896, S. 190. 44 Die Dimensionen der Meereswellen. Leider ist über die bei den Messungen befolgten Methoden nichts gesagt; in einigen Fällen scheint nur die Periode beobachtet, das übrige danach be- rechnet zu sein (Nr. I, 2 und II, 8). Die Übereinstimmung mit den Trochoiden- formeln ist nur in 11 von 28 Fällen gut. — Auf die von Schott, Gassenmayr und den amerikanischen Seeoffizieren gemessenen Wellenhöhen ist später in anderem Zusammenhange zurückzukommen. In vielen älteren vorliegenden Beobachtungsreihen ^) ergeben sich aller- dings erhebliche Unterschiede zwischen den beobachteten und berechneten Daten. Drei Reihen, die von Walker, Stanley und Scoresby herrühren,, hat Hagen bereits ^) diskutiert ; es ergab sich, daß die aus der Geschwindigkeit berechnete Länge der Wellen bei Walker durchschnittlich um 11 Prozent zu klein, bei Stanley um 27 Prozent zu groß, bei Scoresby wieder um 19 Prozent zu klein ausfielen. Eine andere Beobachtungsreihe des Kapitäns Stanley, welche sich auf sehr große Wellen südlich vom Kap der Guten HofEnung bezieht, hat Bertin ^) mit den theoretischen Daten verglichen und gefunden, daß die gemessenen Wellenlängen regelmäßig um V? größer sind als die aus der Geschwindigkeit berechneten, was er der von Kapitän Stanley bei der Messung befolgten Methode zuschreibt. Dieser schleppte, vor dem Winde segelnd, eine lange Spiere an der Logleine hinter dem SchifEe her und vexsuchte so die Länge der Wellen direkt zu messen. Da die Leine aber keineswegs strafi gehalten werden, also auch nicht die gerade Linie zwischen ihren Aufhängungspunkten geben konnte, sondern (in ihrer Kettenlinie) einen größeren Abstand, und da ferner der erhöht stehende Beobachter mit seiner Augenlinie schon einen jenseits des Wellenkammes liegenden Punkt als den höchsten der Welle visierte, so ist in der Tat die Wahr- scheitihchkeit sehr groß, daß die erwähnte Abweichung von durchschnittlich ■- -f 14 Prozent auf der Methode der Beobachtung beruht. In der großen Samm- lung von Wellenmessungen an Bord französischer Kriegsschiffe, welche An- t Ol n e ^) zusammengestellt hat, ergibt bei weitem die Mehrzahl nur eine schlechte Übereinstimmung mit den aus der Trochoidentheorie zu entnehmen- den Daten. Aber von den 26 Beobachtern sind offenbar nicht alle mit der gleichen Sorgfalt an ihre Aufgabe gegangen oder es sind häufig gemischte Wellensysteme (Interferenzen) für einfache genommen worden. Wenn von 202 vollständigen Messungen nur 59 oder durchschnitthch nur 29 Prozent eine befriedigende Annäherung an die berechneten Werte ergeben, so bringen es doch einzelne Beobachter in längeren Serien bis zu 70 bis 80 Prozent. Die längste Reihe (Kapitän de la Jaille an Bord des „Hamehn") ergibt von 70 Beob- achtungen 25 gutpassende, allein es hat den Anschein, als wenn vielfach die Periode mißverständlicherweise verdoppelt in die Liste eingetragen wurde; korrigiert man diese Fälle, so erhöht sich die Zahl der günstigen Werte auf 40. Die Reihe der vorliegenden Beobachtungen überblickend, kann ich nur an der Meinung festhalten, daß die Trochoidentheorie dadurch hin- reichende Bestätigung gefunden hat, um auch weiterhin von Wissen- schaft und Praxis beachtet zu werden. Namentlich können die geprüften Formeln dazu dienen, aus der in vielen Fällen bequem und sicher zu messen- den Periode der Wellen deren Länge und Geschwindigkeit angenähert zu berechnen. Es ist als erwiesen zu betrachten, daß bei den ozeanischen *) Die ältere Literatur ist bei C i a 1 d i , Sul meto ondoso del mare e su le cor- renti di esso, Roma 1866, p. 115 — 145 sehr vollständig zusammengetragen. 2) Poggend. Ann. der Physik 1859, Bd. 107, S. 296; Nautical Magazine 1846, p. 123; Report Brit. Assoc. London 1851, p. 26. 3) M6m. Soc. Cherbourg, XV, 1870. p. 333. *) Revue maritime et coloniale 1879, Bd. 60, p. 627, Bd. 61, p. 104. Photogrammetrische Ausmessungen von Laas, 45 Dünungen auch die reine Trochoide im "Wellenprofil vorkommt, wo dann viele Undulationen nacheinander gleiche Trochoidenkurven darstellen. Anderseits aber ist nicht zu verkennen, daß unter der unmittelbaren Ein- wirkung des Windes, also in der weitaus überwiegenden Kegel, die Wellen- profile zwar unsymmetrisch und auch sonst unregelmäßig gestaltet sind, aber daß die Profile der zahlreichen längeren und kürzeren Partialwellen doch noch immer Teile der Trochoidenkurve vorstellen. Von diesem Standpunkte aus vermag ich das radikal absprechende Urteil, welches W. Laas gegen die Trochoidentheorie als Ergebnis seiner photographi- schen Wellenaufnahmen abgegeben hat, nicht zu billigen: die von ihm geforderte gänzHch neue, einwandfreie Wellentheorie wird allem An- scheine nach nur in einer den natürHchen Verhältnissen besser Rechnung tragenden Abänderung der Trochoidentheorie bestehen; auch hierauf wird zurückzukommen sein, wenn wir die modernen Theorieen der Ent- stehung der Wellen darzustellen haben. Beistehende Fig. 14 gibt einen topographischen Plan mit Höhenschichten (von V2 ^ Abstand) einer Wellenaufnahme wieder, die W. Laas am 3. No- vember 1904 400 Seemeilen westlich von der Magellanstraße ausgeführt und Fig. 14. Maßstab; 6 io. 20 30 ' ■iO io Meter Photogrammetrische Aufnahme der Meeresoberfläche (nach Laas). Das Schiff befand sich am rechten Ende der Zeichnung. Höhen in Meter. stereogrammetrisch ausgemessen hat. Es handelte sich offenbar um die Durchkreuzung zweier größerer und nrjhrerer kleinerer T7ellensysteme, di.e aus Südwesten und senkrecht darauf (wohl aus Südosten) kamen. Die größten aus dem Plan zu entnehmenden Höhenunterschiede halten sich, scheint es, innerhalb von 7 m. Da im Photogramm die beiden hohen Wellenkämme das zwischen ihnen liegende Tal perspektivisch verdecken, ist eine vollständige Vermessung der Meeresoberfläche nicht möglich; will man ein übersichthches Bild erhalten, so muß man nach mehr oder weniger willkürlichen Annahmen 46 Die Dimensionen der Meereswellen. Ergänzungen vornelimen, wie das in unserem Plan auch geschehen ist. Ein alsdann entworfenes Profil durch das tiefste bei der Interferenz gebildete Tal ist ebenfalls beigefügt (Fig. 15). Daß hier nichts weniger als eine reine Tro- Fig. 15. 50 100 150 Profil durch die in Fig. X4 dargestellte Welle. zooM. choidenkurve vorhegt, ist unbestreitbar. Man erkennt neben den beiden Hauptkämmen noch einige (etwa 8) untergeordnete Undulationen, von denen 5 oder 6 deuthcher ausgeprägt, aber ganz unregelmäßig dem Hauptprofil aufgesetzt sind. Der Plan (Fig. 14) zeigt auch deutlich, wie das übrigens bei allen Windseen und vielen Dünungen der Fall ist, daß die Wellenkämme nur auf kurzen Strecken ihre Kammhöhe behalten (s. S. 32, Fig. 9). Man sieht auf hoher See selten „Kammlängen" von mehr als 3- bis öfacher „Tal- breite" (= X), da sich die Kämme nach den Enden hin verflachen und zuletzt Fig. 16. InterfereTizen. a+b+c in einem Tal verschwinden^). Oft sind die „Kammlängen" der Windseen nur gleich der „Talbreite", wobei die Nachbarwellen keineswegs die gerad- linige Fortsetzung hefern, vielmehr eine unregelmäßig staffeiförmige Ordnung vorherrscht (vgl. die schematische Fig. 9 S. 32). Schon daraus folgt, daß auf einem geradlinigen Querschnitt nicht auf jeden ausgebildeten Kamm ein ausgebildetes Tal und ein neuer Kamm folgt, und daß sich so entlang einem geraden Profil oder Schiffskurs die Einzelwerte der A, c und r sehr verschieden voneinander gestalten müssen. Nur wohl ausgeprägte Dünungen bei voller Windstille pflegen in unabsehbarer langer geradliniger Front ausgerichtete rundliche Wellenkämme zu entfalten, die dann, den Himmel reflektierend, die Meeresoberfläche parallel gestreift, wie liniert, erscheinen lassen, wobei sich die A.bstände der Wellen durch Wirkung der Perspektive gegen die Kimm stetig verengert darstellen. Diese Dünungen haben dann ein Profil, auf das die zwei- dimensionalen Formeln der Trochoidentheorie anscheinend vollkommen passen. Dieses Bild, eines der großartigsten, das der Seereisende treffen kann, ist leider sehr selten; W. Laas ist ihm auf seiner Reise vom Kanal nach Iquique und *) Vgl. Änm. 2 auf 8. 5 für die Terminologie. Photogrammetrische Ausmessungen von Kohlsohütter. 47 zurück nicht ein einziges Mal begegnet, während ich selbst auf der Plankton- expedition es zweimal erlebte, nördlich von der Neufundlandbaijk und südlich von den Azoren. Tritt in solchen Fällen dann durch aufkommenden starken Wind eine neue (gezwungene) Wellenbewegung ein, so verschwindet die alte (freie) Dünung nicht, sie wird nur für den ungeübten Beobachter rasch unsicht- bar, muß aber durch Interferenz mit den neu gebildeten Seen ^iitese periodisch höher schwellen lassen. Das geübte Auge des erfahrenen Seemanns stellt solche alte Dünung alsdann noch recht lange fest, ja es ist imstande, mehrere solcher Systeme auseinanderzuhalten. Wie sonderbare Wellenprofile bei Interferenz von drei Dünungen mit einerj gezwungenen See zustande kommen können, mag beistehende Konstruktion von Interferenzen (Fig. 16) verdeut- lichen : es handelt sich um trochoidische Wellen von 3 m Höhe und 50 ra Länge (= a), 4 m Höhe und 80 m Länge (= b), 4 m Höhe und 120 m Länge (= c) und 6 m Höhe mit 180 m Länge (= d), die sämtlich in der gleichen Richtung laufend gedacht sind. Die Lage der einzelnen W^ellensch eitel ist durch die darunter gesetzten Bachstaben in der Figur angegeben. Nachdem das Vorhergehende längst niedergeschrieben war, erschienen die wichtigen Beobachtungen der Planetexpedition (1906). Den die photo- graphischen Wellenaufnahmen betre Senden Teil hat E. Kohlschütter^) bearbeitet, dem wir die erste Anregung für stereogrammetrische Wellen- studicn Verdanken. Leiderwaren von den zahlreichen an Bord des „Planet" aufgenommenen Plattenpaaren durch technische Mängel der photographischen Apparate die meisten mißlungen; nur sechs Aufnahmen erwiesen sich zur Ausmessung geeignet, und auch bei diesen konnte nur ein Teil der Platten und damit auch der dargestellten Wellen für die weitere Untersuchung ver- wendet werden. Die Aufnahmen beziehen sich auf den westlichen Indischen Ozean in der Gegend der Maskarenen ; sie gestatten nicht nur die genaueste Aus- messung der Wellenhöhen und -längen, wobei der Fehler unter 1 Prozent bleibt, sondern auch die Konstruktion von zahlreichen Profilschnitten. Indem Kohlschütter diese in Abständen teils von 4, teils von 5 m anordnete, konnte er zuletzt daran gehen, Mittel aus allen Schnitten zu bildeii und so ein Normal- profil für die aufgenommene Meeresfläche zu konstruieren. Die überall vor- handenen sekundären, kleineren oder kapillaren Wellen wurden dabei aus- geschieden. Kohlschütter erhielt so vier mehr oder weniger vollständige ProfilUnien , mit X = 53, 73, 80, 92 m imd den zugehörigen Höhen von 2.9, Fig. 17. Hwliridt Welten, Zwei Profile von Hochseewellen nach photogrammetrischen Aufnahmen an Bord S.M. S. „Planet" Die zugehörigen Trochoiden sind gestrichelt (nach Kohlschütter). 4.1, 4.8 und 3.2 m. Indem er aus diesen letztgenannten Maßen die entsprechen- den Trochoiden berechnete und mit den Profilhnien verglich, fand er nur in einem Falle eine befriedigende Übereinstimmung zwischen beiden, und bei einer Welle nur in bezug auf den leewärts liegenden Teil; in den anderen Fällen waren die Abweichungen stellenweise beträchtlich (bis V4 der ganzen *) Die Forschungsreise S. M. S. „Planet" 1906/7, III. Bd. Ozeanographie, Berlin 1909, S. 135—161. 48 Die Dimensionen der Meereswellen. Wellenhöhe). Insbesondere war in zwei Fällen die dem Winde zugewandte Wellenböschung stark unter der Trochoide, dagegen die leewärts gelegene Böschung etwas über der Trochoide gelegen (s. Fig. 17). In zwei anderen Fällen lag aber auch der Leehang unter der Trochoide. Oder, anders aus- gedrückt, die Wellenscheitel erschienen ein wenig verjüngt gegenüber der normalen Kreistrochoide. Ein Vergleich mit Ellipsentrochoiden ergab, wie nicht wohl anders zu erwarten, noch schlechtere Übereinstimmung; hier han- delt es sich doch um Hochseewellen in Wassertiefen, die 20- bis 60 mal größer sind als die Wellenlängen. Welche andere Kurve hierbei in Betracht kommen solle, läßt Kohlschütter unentschieden; er fordert nur zunächst eine Orbitalbahn derart, daß der horizontale Durchmesser größer als der vertikale ist, aber dabei der obere Scheitel etwas in die Höhe gezogen, gewissermaßen zugespitzt, der untere aber etwas abgeplattet ist — Anforderungen, wie sie von Hagen und Gaillard auch bei Seichtwasserwellen aufgestellt worden sind (S. 19). Daß hierbei nicht die einfache Windtrift im Spiele sein könne, erweist Kohlschütter unzweifelhaft; diese würde nicht imstande sein, die Orbital- bahnen unsymmetrisch zu machen. Vielmehr dürfte eine partielle Verschie- bung der über dem Mittelniveau liegenden Wellenmasse vor dem Winde her in Betracht kommen, die Kohlschütter als „relative Triftströmung" bezeichnet. Mechanisch darf man sie vielleicht dem Winddruck zuschreiben, der das ganze Wellenprisma, vornehmlich den über Mittelniveau gelegenen Teil, vor sich her schiebt, wobei dann noch die kleinen Kapillarwellen rascher über die Scheitelfläclie hinweg wandern, als der darunter liegende Hauptteil der Woge; namentlich beim Uberbrechen der Wellenkämme tritt dies in extremer Form auf. So erhält die vom Winde abgewandte oder die Vorderseite der Woge mehr, die Kückseite weniger Volumen, als der reinen Trochoidenkurve zukäme. — Es ist sehr bedauerlich, daß auch an Bord des „Planet" keine hohe reine Dünung photographisch aufgenommen worden ist. Immerhin geht aus den bisher mit dieser Methode erlangten Bildern hervor, daß die Trochoidentheorie nur eine erste Annäherung an die Wirklichkeit vorstellt, sobald es sich um die eigentlichen (gezwungenen) Windwellen handelt, und daß ihre weitere Nach- prüfung an der Hand ähnlicher Aufnahmen in der Tat eine sehr dringliche Aufgabe der Wellenforschung bildet. Stereogrammetrische Wellenaufnahmen an Bord S. M. S. „Plan e t" (1906). 1 1 Wellen höhe (m^ Schiffs ort Wind Seeeane;i.S:§ . - - - Wellenlänge "^ a^ m den Schnitten m Mr. Richtung Richtung 11.CÄ 1 S. Br. 0. h. u. Stärke u. Stärke pN «3 ij Grc Hö unter max. min. mittl. max. min. mittl. 1 330 2' 35° 30' N0Z.N5 NO 5 16 7.1 6.6 4.0 4.8 87 73 79 2 330.45 42035' ßWz.W 6 WSW 5 1 21 5.9 5.8 2.3 3.9 87 61 71 3 18° 42' 550 8' SSO 3 ONO 31)1 11 (4.2) (4.4) (3.3) (3.7) (84) i (72) (78) 4 17 »59' 63 »53' SO Z.0 4 SOz.O 4 1 19 (4.9) (4.7) (1.2) j (3.3) (84) (64) (80) 5 17<'59'j63°53' SO z.O 4 SOz.O 4 14 6.7 3.8 2.3 1 3.0 76 42 67 6 17 "59' 63053' SO z.O 4 SOz.O 4 13 3.3 2.7 0.7 1.4 i 52 \ 24 32 18 46 21 Wenn wir nunmelir im folgenden einige Daten zusammenstellen über die größten Dimensionen, welche ozeanische WeUen erreichen können, so sei nochmals betont, daß es sich hierbei immer um einfache, nicht durch *) Dünung aus Osten dabei. Die eingeklammerten Werte sind unsicher, „da die tiefsten und höchsten Punkte aus unbekannter Ursache nicht mit ausgemessen sind" (Kohlschütter). Größte Wellenlängen und Wellenhöhen. 49 Überlagerung verschiedener Systeme erzeugte, Wellen handeln sollte; leider aber bestehen begründete Zweifel, ob sich die Beobachter diese Einschränkung in jedem Falle vergegenwärtigt haben. Das gilt gleich von. den ersten beiden der im folgenden aufgezählten Messungen. Die längsten Wellen hat der französische Admiral M o 1 1 e z im At- lantischen Ozean wenig nördlich vom Äquator in etwa 28" W. L. ge-- messen: es war eine Dünung von 23 Sekunden Periode und 824 m Länge oder einer Geschwindigkeit von 35.8 m in der Sekunde, gleich 70 Seemeilen in der Stunde^). Nächstdem hat James Clark Roß^) unweit des Kap der Guten Hoffnung am 29. Februar 1840 Wellen von fast 7 m Höhe und 580 m Länge mit einer Geschwindigkeit von 77 Seemeilen pro Stunde (40 m pro Sekunde) gemessen. Die Länge dieser Roßschen Riesenwelle erscheint, verghchen mit ihrer Geschwindigkeit, vorausgesetzt, daß diese richtig gemessen ist, zu klein; aus den Formeln berechnet sich X zu 870 m; ist aber die Länge richtig gemessen, so würde danach die Geschwindig- keit nicht 40 m, sondern nur 32.3 m in der Sekunde (gleich 63 Seemeilen in der Stunde) werden, was sich nicht so weit von den Daten der Mottez- schen Welle entfernt. Unter dieser Bedingung würde der RoJßschen Welle eine Periode von 17,9 Sekunden, nach der beobachteten Geschwindigkeit aber von 14,5 Sekunden zukommen. Aus Beobachtungen von französi- schen Seeoffizieren im Golf von Biskaya ergeben sich als längste Wellen daselbst solche von 400 m mit 21 m Geschwindigkeit in der Sekunde (gleich 41 Seemeilen stündhch), woraus eine Periode von 19 Sekunden folgt. In diesen beiden Fällen dürfte es sich in Wirklichkeit wohl um Interferenzen zwischen gleichlaufenden Windwellen und Dünungen ge- handelt haben. Wellen von 300 bis 400 m Lange und 10 bis 11 m Höhe traf Kapitän C h ü d e n, Kommandant S. M. S. „Nautilus", im Oktober 1879 südwestlich von Austrahen (3372° S. B., 107« 0. L.) bei hartem Sturm aus Westnordwest; auch die größte von Schott gemessene Dünung hatte 340. m (S. 42). Leutnant Paris maß im Gebiet der Westwinde des Indischen Ozeans einzelne Wellen von über 400 m Länge ; als h ö c h- stes Tages mittel für die Länge nennt er ebendaselbst 235 m, ein andermal für die Periode 17.4 Sekunden. Wie weit sich diese Dimensionen von seinen durchschnittlichen entfernen, wird ein Bhck auf die vorher (S. 40) wiedergegebene Tabelle zeigen. Bei stürmischem Wetter haben die Wellen im offenen Ozean gewöhnUch eine Länge zwischen 60 und 150 m, eine Geschwindigkeit von 10 bis 15 m in der Sekunde oder 20 bis 30 Seemeilen in der Stunde, und eine Periode von 6 bis 10 Sekunden. Was nun die größten Wellenhöhen betrifft, äo finden sich in der Literatur die lebhaftesten Auseinandersetzungen darüber, zumal, seitdem A r a g o im Jahre 1837 gegen D u m o n t D'U r v i 1 1 e auf- getreten war, welcher Wellen von mehr als 30 m Höhe (100 'pieds) beim Kap der Guten Hoffnung gesehen haben wollte. Dumont D'Urville hatte niit dieser Behauptung viele Seeleute auf seiner Seite, welche gleich ihm die Wellenhöhen nicht gemessen, sondern nur geschätzt hatten. So wird der Beobachter an Bord des rollenden öder stampfenden Schiffes 1) B ertin, M6m. Soc. Cherbourg XVII, 1873, p. 266. ') Reise nach dem Südpol (deutsche Übersetzung), Leipzig 1847, S. 21. KrUmmel, Oeeanographie. II. a 50 Die Dimensionen der Meereswellen. nur allzu leicht das Opfer einer optischen Täuschung, indem er die Ebene des SchifPsdecks, auch in ihrer geneigten Lage, noch für horizontal hält und von dieser aus die Wellenhöhe abschätzt. Beistehende Zeichnung (Fig. 18) veranschaulicht diese Situation: ab =■ ist die wahre Wellenhöhe, de die scheinbare mehr als doppelt zu große. Auf Aragos Veranlassung maßen französi- ~ " gehe Seeoffiziere des öfteren Sturmwellen; die ^''YoÄ*ampfe2den™i?fus" höchsten (einfachen) Wellen fand im Februar 1841 bei den Azoren Leutnant de Missiessy, nämlich zu 13 bis 15 m^). Sturmwellen von 13 m Höhe maß Dr. William Scoresby^) auf der Überfahrt von Boston nach Liverpool mitten zwi- schen Neufundland und Irland in 51 " N. B. und 38 » W.L. am 5. März 1848; doch nennt er diese Höhe das Mittel aus den höchsten von ihm gemessenen Wellen. Die höchsten Wellen, welche die Novaraexpedition nach ihrer allerdings nicht ganz einwandfreien Methode gemessen hat, waren lim hoch (in 40" S. B., 31» 0. L. im Indischen Ozean, am 5. November 1857). Im Biskayischen Golf hat Kommendatore C i a 1 d i ^) am 27. Juni 1858 Wellen von 10.25 m Höhe gemesseni. Die größten Höhen, welche Leutnant Paris (25. Oktober 1867) bestimmt hat, betragen 11.5 m; er fand sie im Indischen Ozean, auf der Fahrt vom Kapland nach St. Paul und Amsterdam, und zwar hatten 6 aufeinander folgende Wellen diese Höhe; als Tagesmittel aus 30 Wellen zu verschiedenen Tageszeiten erhielt er damals 9 m. Wilkes^) fand als Mittel aus einer längeren Reihe südwestlich von Mau- ritius Höhen von 10 m, und einmal bei Madeira 9 ^/^ m. — Die Challenger- expedition^) dagegen hat niemals Wellen von über 7 m Höhe gemessen; diese höchsten traf sie zwischen den Crozetinseln und Kerguelen Anfang Januar 1874. Damit übereinstimmend wissen die amerikanischen See- offiziere, die in den Jahren 1883 bis 1886 in allen Ozeanen beobachteten, von keinen höheren Wellen als 7.6 m zu berichten, und auch 0. Gassen- m a y r fand nur 7.5 m als Maximum (im Südatlantischen Ozean in 30° S. B., 27« W. L. am 18. Februar 1895). Auf der Gazelleexpedition ^) sind zweimal Wellen von 10.5 m gemessen (am 20. Oktober 1874 in 4672° S-B-> 56 Va» 0. L. und 8. Januar 1875 in 4772° S. B., 6574° 0. L., also beide im Indischen Ozean), doch ist be- merkenswert, daß die gleichzeitigen Aneroidmessungen im ersten Falle 11.4 bis 13.2 m, im zweiten nur 9.5 m ergaben. Zwei Messungen aus dem Südpazifischen Ozean, am 27. und 28. Januar 1876 ausgeführt, ergaben am ersten Tage bei Südweststurm 8 bis 9 72 di, am zweiten bei frischem Süd- westwind 5.6 bis 6.3 m durch Einvisieren der Kimm, während das Aneroid im zweiten Falle, wo das Schilf zum Loten still lag (s. S. 41 Nr. 4), Höhen von 6.4 bis 14.2 m erkennen ließ. Hier handelte es sich offenbar um stark entwickelte Interferenzen mit Profilen nach Art der früher in Fig. 16, ^) A r a g o, Oeuvres, tome IX, Paris und Leipzig 1857, p. 550. *) Report British Association, 20t»i met., London 1851, p. 28. ^) Sul moto öndoso'del mare, § 489, p. 136. *) Narrative U. S. Expl. Exp. vol. V, p. 417 und I, p. 134. ') Challenger Reports, Narrative vol. T, p. 330. ') Die Forschungsreise usw. Bd. 2, S. 128. Größte Wellenhöhen. 51 S. 46 dargestellten. Eine fünfte Messung im Nordatlantischen Ozean (17. April 1876, in 48 » N. B., 11 Va» W. L. bei Weststurm) ergab durch Einvisieren 6.9 bis 8.8 m, durch Aneroid 5.7 bis 9.4 m Höhen. Ralph Abercromby^), der im Südpazifischen Ozean die Höhen nur mit dem Aneroid bestimmte, fand sie in 47° S. B., 175° W. L. am 8. Juni 1885 durchschnittHch zu 5.6 m, 2 Tage später in 51° S. B., 160« W. L. nacheinander 7.9, 6.4, 7.2, 7.9 m, aber dabei für die größte baro- metrische Differenz einen Höhenunterschied von 10.7 m, so daß auch hier Interferenzen vorgelegen haben dürften. Die höchsten Wellen fand er am 16. Juni in 55° S. B., 105° W. L. mit 8.7, 14.0, 8.7 und 11.0 m, wobei die Eintauchung bei der höchsten Welle so wie sonst zu 6 feet angenommen, wurde, ohne diese wäre die Welle noch 12.2 m hoch; wie die gleichzeitig gemessenen verschieden langen Wellenlängen (136, 148, 233 m) zeigen, handelte es sich wiederum nur um Interferenzen. G. Schott hat auf seiner Segelschiffsreise neben den übrigen Di- mensionen auch die Höhen gemessen, sowohl in der gewöhnhchen visuellen Weise wie mit dem Aneroid. Ich gebe die Höhen in den beiden Tabellen wieder für Seen -und Dünung gesondert. Nr. Geogra Breite phische Länge Wind- richtung L WindA Bf. velle Wellenhöh visuell n: e (m) barom. Stärke des Seegangs i ■ 1 26» S. 48 »0. E 5 0.8 4 2 7»S. 15 »W. ESE 5 1.0 — 4 3 11 «S. 10 °W. SEz.S 5 1.8—2.0 4—5 4 26» S. 48 »0. ENE 6 2.5 — 4—5 6 29 »S. 9»0. SEzrE 5—6 4.0 3.2 5 6 29 »S. 9»0. SE 6 4,5 3.7 ' 6 7 35 «S. 36 »W. ESE 9 9.0 8.3 i 7 8 17 »S. 72 »0. ESE 8—9 7—8 6.^ 7 9 40 °S. 60 »0. SWz.S 9 10 u. mehr 9.0 7 10 37 »S. 37 »W. E z.N IL Dün 10 u ng ei bis 12 ti: 9.8 i 8—9 1 27 »S. 4400. ENE 2—3 1.2 3 2 37 »N. 40 »W. E 1 0.8 — 3 3 330 s. 81 »0. — ■ 0 2.5 3.9 i 5 4 9»N. 25 »W. — 0 2.0 — 4 6 38 »S. 66 »0. WSW 5 5.0 6.4 6 6 19» S. 68 »0. Ez.S 5 6.0 6.6 6 7 19» S. 0» — — 0 4.0 5.8 5 8 28 »S. 39 »0. Sz.E 6 7.5 7.0 7 Zumeist sind hier die mit dem Aneroid gemessenen Windwellen kleiner, die Dünungen dagegen höher als durch Einvisieren der Kimm. Schott bemerkt dazu ganz einleuchtend, daß die Dünung immer abgeflacht'" Formen zeigt, die Windwelle dagegen einen schäumenden, steil aufgerich- ^) PhUos. Mag. 1888, Bd. 25, S. 263. Abercromby rechnete 0.001 inch auf 1 foot, also für 1 mm DruckdifEerenz 12 m Höhe, was etwa 10 Prozent zu hohe Werte liefert. r^5 Die Dimensipuen der Meereswellen. teteii Kamm, der dem Auge höher erscheint als er wirklich ist. Er weist ferner darauf hin, daß mit zunehmendem Sturm die Wellenhöhen rasch, fast sprungweise zuzunehmen schienen, aber auch bei vollem Orkan, also bei Windstärke 12 der Beaufortskala die weitere Steigerung der Höhen der in den nächstniederen Stärkegraden erzielten entsprechen müsse und kommt zu dem Schlüsse, „daß WeUen von mehr als höchstens 18 m kaum vorkommen dürften und eine wirkliche Höhe von 15 m schon eine ganz außerordentliche ist". Auch hier zeigen die Durchschnittsmaße, wie sie Paris nach seinen Beobachtungen zusammengestellt hat, daß die mittleren Wellenhöhen im offenen Ozean weit unter j einen extremen Maßen zurückbleiben. Wir geben nach Paris zugleich die absoluten Minimal- und Maximalhöhen, die er in den betreffenden Meeresstrichen verzeichnet: Meeresteil Atlantisches Passatgebiet . Indisches Passatgebiet . . Südatlantische Westwinde Indische Westwinde . . Ostchinesisches Meer . . Westpazifisches Meer . . Mittel m 1.9 2.8 4.3 5.3 3.2 3.1 Maximum I m 6 5 7 11.5 6.5 7.5 Minimum m 0 1 1 2.8 0 0 Verhältnis der Wellenlänge zur Höhe 35.2 35.3 31.0 21.5 24.6 33.0 Soweit also überhaupt die von Leutnant Paris während einiger Wochen in den obengenannten Meeresgebieten verzeichneten Maße einen Anhalt für die wirklichen mittleren Verhältnisse geben können, ver- möchte man daraus zu folgern, daß die Westwinde höherer Breiten doppelt so hohe WeUen schaffen, wie die Passate. In letzteren haben die Wellen auch eine sanftere Böschung als in den höheren südlichen Breiten, wie die letzte Kubrik der obigen Tabelle besagt. Bezeichnen wir die Maximal- böschung, wie sie bei einem trochoidischen Profil der Wellen vorkommt, durch den Winkel ^, so ergibt sich dieser (nach einer genäherten Formel der Schiffsbautechniker) aus : sin 9 = 180 ° HjK, oder der Bogen für den Sinus gesetzt: ^ = 180° HjX (fl^ bedeutet die ganze Wellenhöhe). Nach den Messungen von Paris würde also «p in den Passatgebieten nur 5", im westpazifischen jGebiet 5V2°> ii^ Gebiete der südatlantischen Westwinde 6°, im Ostchine^ischen Meer 7° und in den höheren Breiten des Indischen Ozeans 8 V3 ° worden und die von Riesenwellen durchfurchten hohen süd- lichen Breiten durchschnittlich keine steileren Böschungen an der Meeres- oberfläche als 10 bis 12" aufweisen. In der von W. Laas vermessenen Meeresoberfläche (Fig. 14, S. 45) kommen auf kürzeren Strecken allerdings Böschungen von erheblich höheren Beträgen (einmal 27 °, mehr- fach 10 bis 15®) vor, doch sind geringere Winkel von 9° und weniger durchaus überwiegend. G. Schott fand bei den Windwellen (s. Tabellen auf S. 42 u. 45) bei mäßigem Winde eine mittlere Böschung von 6° (H : X = 1 : 33), bei steifem Winde von lO'^ {H\\=\: 18), bei Sturm von 11 ». (fl" : A = 1 : 17 , schwankend von 1 : 13 bis 1 : 21). Als der enghsche ' Größte Wellenhöhen. 53 Kapitän z. S. Fisher^) mit dem Panzerschiff „Inflexible" Ende Oktober 1881 die Biskayasee kreuzte, fand er Höhen von 7.3 m mit Längen von 90 m, also 1 :12V2 oder 14 Va"- Auf die mutmaßliche Ursache dieser großen Schwankungen ist später zurückzukommen. Beistehende Skizze (Fig. 19) zeigt die Mittelmaße der von Leutnant Paris gemessenen Wellen, wobei die Längen und Höhen im gleichen Maß- stabe gezeichnet sind. Um das Bild auch für den von Paris nicht besuchten südlichen Pazi- fischen Ozean zu vervollständigen, sind die Beobachtungen des Adrairals Fig. 19. I Wellen im atlantischen, II im indischen Passatgebiet, III im westlichen Pa/ifischen Ozean. IV im südatlantischen Gebiet der Westwinde, V in dei* Ostchinesischen See. Coupvent des Bois an Bord der „Astrolabe" einigermaßen ge- eignet 2). Dieser erhielt als mittlere Wellenhöhe im Bereich des Südost- passats zwischen der peruanischen Küste und 110** W. L. den Wert von 3.5 m; weiter im Westen zwischen den Polynesischen Inseln ergab sie sich nur zu 1.2 m. Dagegen war die Wellenhöhe südlich von Australien in den Breiten zwischen 50 und 60° S. B. durchschnittlich 4.4 m, d. h. doppelt so groß als in den äquatorialen Regionen, welche auf der ganzen Reise von der „Astrolabe" berührt wurden. Die größten einzelnen Wellen traf daselbst die Expedition am 6. Juli 1838, nämlich eine Höhe von 8.8 m bei einer Länge von angeblich 500 m : also hier einen Winkel ^ = 3 °, was eine überraschend sanfte Böschung bedeutet. In den Nebenmeeren sind die Wellendimensionen im allgemeinen kleiner als in den Ozeanen. Aus dem Mittelmeer liegen nur wenig Messungen vor : am Anfang des 1 8. Jahrhunderts bereits maß Graf M a r s i g 1 i im Golf von Lion als Maximum der Höhe 4.5 m^). S m y t h in seinem Werke über das Mittelmeer (S. 243) gibt als Schätzung der höchsten Sturmwellen im Golf von Genua 9 m an, wobei jedoch nicht ausgeschlossen ist, daß er Interferenzen vor sich hatte. Als höchstes Maß für die Wellen- höhe wurden sonst allgemein 5V2 ^^ angenommen; Lukscli und Wolf sind der Ansicht, daß kaum höhere als von 5 m vorkommen. In der Nordsee sind Beobachtungen noch seltener. M u n c k e (in Gehlers Wörterbuch, Art. Meer) berichtet, daß er ajif der Fahrt zwischen Hüll und Helgoland bei stürmischem Wetter die Wellenhöhe „sicher nicht 1) Proc. R. Soc. London 1882, Bd. 34, p. 9, Anm. 2. 2) Comptes Rendus de l'Acad. Paris 1866, t. 62, p. 82 f. ') Histoire physique de la mer, Amsterdam 1725, p. 48. 54 Die Dimensionen der Meereswellen. mehr als 4 m" gefunden habe und er überzeugt sei, daß sie bei einer weiteren Steigerung des Sturmes 5 V4 m nicht überstiegen habe. Den gleichen Wert von 4 m erwähnt Stevenson {on harbours) als Maximalhöhe der Wellen bei Sunderland an der Ostküste Englands. JEin enghscher Kapitän ^) berichtet, daß er in der Nordsee niemals Höhen über 6 m, Längen von mehr als 45 m, und keine Perioden über 9 Sekunden gemessen habe. — Für die Ostsee liegen Messungen in der Literatur überhaupt nicht vor ; nach vom Verfasser eingezogenen Erkundigungen scheint die Maximal- höhe indes kaum 5 m zu übersteigen. Der internationale Meteorologenkongreß zu London (1874) empfahl eine Skala zur Abschätzung der WcUenhöhen in den Schiffsjournalen, welche lolgcnac y ö tuten enthalt • ! Stufe Höhe (m) 0 0 „glatt" I 0—1 „ruhig" II 1—2 III 2—3 IV 3^t Bezeichnung „leicht bewegt" Stufe V VI VII VIII IX Höhe (ni) 4—5 0-7 8—9 10—15 über 15 m Bezeichnung „bewegt" „^rob" „hoch" „sehr hoch" „wild" Statt dieser Wcllenhöheii . hat Kapitän Wilson Barker ^) nach seinen jahrelang durchgeführten Messungen auf Segel- und Dampfschiffen in den verscliiedenstcn Meeren tjine andere Skala aufgestellt, die den natürhchen Verhältnissen wohl besser enrsprechen dürfte, als die ältere internationale. Er setzt Stute Wellen- höhe I 0.1—0.3 11 0.3—0.6 III IV 0.6—0.9 0.9—1.5 V 1.8—3.0 VI 3.0—5.5 VII 5.5—8.5 VIII über 8.5 m Eine von G. Schott durchgefülirte Nebeneinandcrstellung der Skalenwerte mit den gleichzeitig gemessenen Höhen (s. Tabelle S. 51, „Stärke des See- gangs") offenbart die große Schwierigkeit solcher Schätzung, und die hierauf bezüglichen Notierungen in den Schiffstagebüchern haben darum in den meisten Fällen mir eine geringe Verläßlichkeit, weil für die Wellenschätzung keine Kontrollo der Art gegeben ist, wie sie für Abschätzung der Windstärke nach der Bcaufortskala in der Segelführung und Fahrtgeschwindigkeit vor- handen ist. — . . I ,' Bei verschiedenen Schriftstellern des griechischen Altertums findet siöh die Auffassung, daß bei bewegter See immer Gruppen von je drei Wellen die liöchstcn seien, und zwar findet sich dafür der Ausdruck Tp'.y.u;j.ia, was etwa mit „Dreigewell" (nach Art von „Dreigespann") zu übersetzen wäre. Welche von diesen drei Wellen als die höchste betrachtet wurde, ist nicht,. olnic weiteres festzustellen; nach einer berühmten Stelle bei Plato (Polit. 5, 472) köimte es die dritte sein (vgl. Eurip. Hipp. 1213, Tro. 83; Lucian. de merc. cond. c. 1, Demosth. enc. 33, u. a. m.). Den Fischern von Möltenort bei Kiel ist eine ähnliche Auffassung von dem Triumvirat der hohen Wellen geläufig, die sie als „Mutter mit den beiden Töchtern" bezeichnen, von denen ^j Nautical Magazine 1889, p. 574. ; ') Quart. Journ. R. Met. Soc. 1899, Bd. 25, p. 15. Wellengnippen. 55 dann die mittelste Welle, die Mutter, die höchste ist. Dr. Vaughan Cor- n i s h (in Symons Met. Mag. 1901, Bd. 36, p. 57) bemerkt, daß er im Nord- atlantischen Ozean (4872° N. B., 21 74» W. L.) die durchschnittlich 9 m hohen Wellen von der 20 m über dem Meeresspiegel hohen Kommandobrücke des Postdampfers aus deutlich in Gruppen von je drei habe heranrollen sehen. Die Kammlänge dieser Riesenwogen habe sich dabei auf eine Seemeile und mehr verfolgen lassen und zwischen den Gruppen waren breite Streifen von ver- gleichsweise niedrigen und flachen Wellen angeordnet. Ein so aufmerk- samer Beobachter der See wie Franz Weitlaner (Neue Untersuchungen über die Seekrankheit, Hamburg 1906, S. 11) vertritt folgende Meinung. „Als lange Zeile tritt die Welle nur am Ufer auf, wo sie in die Brandung übergeht; auf hoher See dagegen stellt sie für sich einen kleinen, mehr oder weniger langgestreckten Hügel dar, der wie jede Welle isoliert ist (vgl. oben S. 32). Die Wellen stehen also im Dreiecke und nicht in der Zeile. Trihymie nennt der heutige Grieche einen etwas stärkeren Sturm in seinem Meer und mit Recht. Denn wir sehen, daß erst durchschnittlich jede, dritte oder vierte Welle das Schifi wiederum mächtig hebt und erschüttert, weil gemäß der Stellung der Wellen im Dreieck nur jede dritte oder vierte Welle den Kurs des SchifEes trifft und die anderen mit ihren Kronen an den Flanken des Schiffes vorbeisausen. Ferner finden wir, wenn wir der; stürmischen Meereshorizont mit dem Auge abstreifen, daß unter den Wellen in gewissen Distanzen von mehreren hunderten bis tausenden Metern es gewisse Wellen gibt, die ganz besonders durch ihre Mächtigkeit der Schaumkrone und Körpergröße im- ponieren; es sind Stellen von Böhen gewöhnlich." Die „Stellung der Wellen im Dreieck" erscheint jedoch als eine zu schematische Auffassung der Sach- lage und darum nicht ausreicliend. — Schiffsführer der Handelsmarine, sowie auch Seeoffiziere erklärten 'dem Verfasser als einen Erfahrungssatz, daß boi stürmisch erregter See jedesmal die vierte oder fünfte Welle die höchste sei, worauf eine oder zwei minder hohe und weniger zum Brechen geneigte Wellen folgten: welcher Moment für das Wenden des Schiffes zum Zwecke des Bei- drehens als der günstigste abgewartet zu werden pflege. Auch G. S c ]i o 1 1 nennt das periodische Anwachsen und Abflauen des Seegangs wäiirenrl des Verlaufs eines Sturms „eine sehr gewöhnliche Erscheijiung". Genauer l)eob- achtet hat er sie am 12. Juh 1892 an der kolossalen Dümuig von 7 72 '^i Höhe, 342 m Länge und 14.5 Sekunden Periode (s. die letzte Zeik' der Tabellen S. 42 und 51). Alle 10 bis 15 Minuten machte sie sich besonders fühll)ar: meist kamen 3, 4, auch 5 Wellen von auffallender Höhe hintereinander und zwar die zweite etwa 16 bis 17 Sekunden nach der ersten, die dritte 15 Sekiuiden nach der zweiten, die vierte und nächste 14, auch 13 Sekunden nacli der dritten usf. Schott führt das auf den böhigen Charakter der Stüiine zurück. „Auf Segelschiffsreisen kann man dies am besten beobachteii: für mehrere Minuten*weht es oft fürchterlich, so daß das letzte Sturmsegel, welches noch steht, aus den Lieken zu fliegen droht, gleich danach ist es für längere Zeit etwas handiger, bis der AVind in orkanartigen Böhen von neuem einfällt, und so geht es während des ganzen Sturmes. Es liegt nun nahe, diesen Sturmböhen die Erregung der abnorm holien Wellengruppen zuzuschreiben: je nach der längeren oder kürzeren Dauer der Böhen werden die besonders hohen Wellen innerhalb der einzelnen Gruppen mehr oder weniger zahlreich sein." Daß an der stetig von Branduiig geplagten Küste Guiiieas die siebente oder achte Welle jedesmal als die höchste gelte, verzeichnet schon Kant (Phys. Geogr. bei Rosenkranz- Schubert Bd. 6, S. 489); an der ebenfalls von heftiger Brandimg heimgesuchten Westküste Zentralamerikas hörte Karl von Seebach wieder die vierte oder fünfte Welle unter dem Namen la capitana als die höchste bezeichnen (Wellen des Meeres S. 20). — Den 56- Die Entstehung der Wellen. Römern galt die zehnte Welle als höchste, und daß decima unda und fltictus decumanus ganz wörtlich zu nehmen ist, geht aus Ovids Tristien I, 2, 48 fi. klar hervor: Qui venu hie fluctus, fluctus supereminet omnes : Posterior nono est undecimoque prior. (Vgl. Metam. XI, 529 ff.; Sil. Ital. Punic. XIV, 122; Lucani Phars. V, 672.) Etwas der decima unda Ähnhches habe ich selbst einmal auf der Plankton- expedition wahrgenommen (Geophysikahsche Beob. der Planktonexpedi- Von S. 114). V, Die Entstehung der Wellen und ihre Abhängigkeit vom Winde. Jede Störung des Gleichgewichts versetzt eine Wassermasse in Schwingungen, mag die Störung beispielsweise in einer Erschütterung des ganzen mit Wasser gefüllten Gefäi3es bestehen, was ein Hin- und Herschwanken des gesamten Inhalts, also eine „stehende Schwingung" erzeugt, — oder mag nur ein Teil der Wasseroberfläche örtlich aus seinem Gleichgewicht gebracht sein, was die „laufenden Wellen" hervorruft. Es ist auch gleich gültig j ob der Gleichgewichtszustand der Flüssigkeit dabei ein vollständiger oder unvollständiger ist, wie z, B. auch in fließendem Wasser sich Wellen erzeugen lassen durch einen hineingeworfenen Stein oder durch einen dem Strom in den Weg gestellten Widerstand. Die einfache Beobachtung zeigt, daß von dem Punkte oder Orte der Erschütterung über die Wasserfläche hin nach allen Seiten Wellen aus- gehen, deren Kämme konzentrische Kreise sind. Wie kommt es, daß die unter der Einwirkung des Windes auf Wasserflächen entstandenen Wellen nie oder nur unvollkommen eine Kreisgestalt wahrnehmen lassen? Diese Frage läßt sich indes erst beantworten, wenn wir die ungleich wichtigere . Vorfrage erledigt haben : wie kann eine kontinuierlich wirkende Kraft, wie der Wind, überhaupt auf einer vorher ruhenden Flüssigkeitsoberfläche eine rhythmisch schwingende Bewegung zur Folge haben? Warum besteht seine Einwirkung nicht einfach in einem horizontalen Fortschieben der oberflächlichen Teilchen in gleicher Richtung, wie er selbst sie innehält, also in Gestalt einer Triftströmung? Wie ist es möglich, daß eine horizontal wirkende Kraft so erhebliche vertikale Ortsveränderungen hervorrufen kann, wie die Wasserteilchen in den vorher beschriebenen Orbitalbahnen der Welle sie zeigen? Betreten wir zunächst den Weg der Beobachtung. Wer einmal in der Frühe eines ruhigen sonnigen Sommertages an dem hohen Ufer einer größeren Wasserfläche gestanden hat, wird sich erinnern, wie die ersten Stöße des aufkommenden Windes die vorher den blauen Himmel wider- spiegelnde Wasserfläche dunkel gefärbt erscheinen ließen, wo sie das Wasser trafen. Diese Wirkung beruht, nahebei betrachtet, auf einer leichten Kräuselung der Wasserfläche, die in kleinen, nur wenige Zentimeter langen und wenige Millimeter hohen Wellen besteht, deren Kämme keine be- deutende Länge besitzen und von oben gesehen, also im Grundriß, sich als Teile von Kreisbögen, allerdings von ziemlich großem Radius, heraus- stellen. . Nimmt im Laufe der Yormittagsstunden der Wind an Stärke und Gleichmäßigkeit zu, so bedeckt sich allmählich die ganze übersehbare Kräuselung der Wasserfläche durch den Wind. 57 Wasserfläche mit kleinen Wellen, welche die einfach spiegelnde Wirkung derselben überall aufheben und sie durchweg schön dunkelblau erscheinen lassen. Begibt man sich an die Seite der Wasserfläche, wo der Wind vom Lande auf das Wasser übertritt, so bemerkt man daselbst meist dicht unter Land noch spiegelglattes Wasser und in einigem Abstände vom Strande erst jene kleinen Kräusel wellen, die oben erwähnt sind. Fährt man im Boote vor dem Winde her über die Wasserfläche, so sieht man die Wellen an Größe zunehmen; am gegenüberliegenden Ufer sind sie am gröi3ten. Ferner kann man feststellen, daß gleichzeitig die (im Grundriß) schwach gebogene Form der Wellenkämme mehr und mehr geradhnig zu werden strebt und die Länge dieser Kämme um so bedeutender wird, je näher man dem unter dem Winde gelegenen Ufer kommt. In den Nach- mittagsstunden, bei dem alsdann in höchster Stärke wirkenden Wind, ist der Unterschied zwischen Lee- und Luvseite des Gewässers nur dann ebenso groß wie vorher, wenn die Größe der Wasserfläche sehr beträcht- lich ist, so daß vom Gegenstrand zurückgeworfene Wellen die Luvseite nicht erreichen, oder wenn das Ufer über dem Winde die Wasserfläche hoch und steil überragt. Auch im offenen Meer läßt sich bei irgend kräftigem Winde diese feine Kräuselung stets erkennen; sie verschwindet nur bei Windstille. Gute Wellenphotographieen lassen auch die dann vorhandene bemerkens- werte Komplikation der Wellenbildung deutlich hervortreten. Karl A p s t e i n hat sowohl auf der Deutschen Tiefseeexpedition an Bord der „Valdivia", wie kürzHch auf dem deutschen Forschungsdampfer „Poseidon" mehrfach gute Momentaufnahmen der Meeresoberfläche in nächster Nähe des still liegenden Schiffes unter so günstigen Umständen erzielt, daß die erhaltenen Bilder eine Ausmessung der wagrechten Dimensionen der Wellen möglich machen. Es zeigt sich dabei, daß mindestens drei, oft vier oder mehr verschiedene, allerdings ineinander übergehende Größen- klassen von Wellen gleichzeitig vorhanden sind. Die kapillaren Kräuse- lungen überziehen alle vom Winde unmittelbar getroffenen Flächen in mehr oder weniger scharfer Ausbildung: ihre Wellenlänge beträgt bei mäßigen Winden, wo sie allein photographiert wurden, etwa 2 bis 3 cm, die Kämme sind ausnahmslos schwach gebogen, und da sie oft nur das Doppelte oder Dreifache, unter Umständen auch das Fünf-, ja Zehnfache der Talbreiten (X) erlangen , erscheint die Wasserfläche von unregelmäßig rhombischen Kräuselungen überzogen. Neben diesen elementaren Wellen treten als nächstgrößere solche von 6, 9 oder 12 cm Abstand auf; es folgt als dritte Kategorie eine' solche mit 18 bis 25, auch 30 cm Talbreite, und zuletzt beherrschen Windseen das Bild, indem sie je nach der Windstärke von 80 oder 100 cm auf mehrere oder viele Meter ansteigen: auch hierbei sind die Kammlängen zumeist drei- bis fünffach, selten mehrmal länger als die Talbreiten (vgl. oben S. 32, Fig. 9). Alle diese Wellenbildungen sind im wesentlichen nach demselben Muster gebaut, nur die Dimensionen sind vergrößert, ohne daß sie sich aber in bestimmten aliquoten Ver- hältnissen entwickeln, wenigstens ist das auf den mir vorhegenden Moment- aufnahmen nicht deutlich, obwohl vielleicht in der Natur vorhanden. Da sich nun die kleinsten wie die größten Kämme stets senkrecht gegen den herrschenden Wind anordnen, ist es möglich, mit ihrer Hilfe vom Schiffe, 58 Die Entstehung der Wellen. namentlich dem schnellfahrenden Dampfer aus umgekehrt wieder die wahre Richtung des Windes selbst deutlich auszumachen, gerade so, wie man beim Anblick eines Stückes von Kreppgewebe oder Krepppapier über die strenge Richtung der an sich gebogenen oder geschlängelten Fältchen nicht in Zweifel ist. Dieser Vergleich mit einem Krepp liegt jedenfalls viel näher als der in der Theorie oder auf schlechten Bildern leider nicht selten beliebte mit einem regelmäi3ig gestanzten Wellblech. Wie entstehen nun diese embryonalen Kräuselungen als eine un- mittelbare Wirkung der wagrecht schiebenden Kraft des Windes an der Wasserober iläche ? Die ältere Literatur enthält Erklärungsversuche, die mancherlei wichtige Beziehungen zwischen dem Wind und den Wellen lierühren, aber gerade in dem entscheidenden Punkte versagen. Muncke (in seinem Artikel „Meer" in Gehlers physikalischem Wörterbuch) sagt: „Der Wind besteht keineswegs in einer ganz gleichmäßigen, ohne Unterbrechung mit gleichbleibender Ge- schwindigkeit fortgehenden und über eine unmeßbare Strecke ausgedehnten Bewegung der Luft, wie man aus dem anscheinend ruhigen Zuge der Wolken in den höheren Regionen anzunehmen veranlaßt wird, sondern das Wehen desselben geschieht absatzweise und in Unterbrechungen; die Bewegung des Windes ist eine wellenartige wie die des Wassers, indem allgemein jede be- wegte Flüssigkeit, sie sei tropfbar, gasförmig oder ätherisch, sobald sie bei ihrer Bewegung Hindernisse findet, wellenförmig fortschreitet. Man bemerkt dieses um so auffallender, je stärker der Wind ist, indem sich dann die ein- zelnen Stöße von den wechselnden Perioden der minderen Stärke oder perio- dischen Ruhe leicht unterscheiden lassen. Ist ferner die Strecke, über welcher .ein gewisser Wind herrscht, noch so ausgebreitet, so finden doch darin ein- zelne Streifen statt, in denen die Luft mit eigentümlicher Geschwindigkeit strömt. Stößt ein solcher einzehier Strom auf die Wasserfläche oder wird irgend eine einzelne Stelle der letzteren von einem Drucke getrofEen, so müssen um 'diesen Punkt gekrümmte Wellen entstehen, und man sieht daher bei schwachem Winde und über großen Wasserflächen kreisbogenförmige Wellen sich bewegen, deren Enden schwächer werden und zuletzt sich gänzlich ver- laufen" usw. Dieser Erklärungsversuch zeigt zunächst das Mißverständnis, daß Wind- stöße und Böhen, die auf großen, meist mehrere Hektaren oder gar Quadrat- kilometer Areal messenden Flächen gleichzeitig das Wasser drücken einerseits und die angebhche eigene wellenartige Bewegung der Luft im Winde ander- seits nicht scharf in ihren Wirkungen getrennt werden. Letztere Schwingungen müßten nur eine ganz kleine Periode und Amplitude haben, wenn sie die besprochene minimale Wellenkräuselung erzeugen sollen; diese Wellen aber sind die allgemeinere und umfassendere Erscheinung, denn der Windstoß oder die Böhe würde sich nach Munckes Ansicht doch nur als eine Reihe kurz aufeinander folgender Schwingungen der Luft bezeichnen lassen. Aber diese Wellen der Luft sind gar nicht vorhanden, wie jeder leicht auf einer großen Wasserfläche segelnd wahrnehmen kann, wenn er leicht fliegende Gegenstände dem Winde überläßt. Flaumfedern, Watteflocken oder eine kleine Pulver- woike — sie bewegen sich so gleichmäßig schnell und so geradlinig wie nur möglich mit dem Winde fort. — Die wellenerzeugende Kraft der Böhen und Stoßwinde wird uns später beschäftigen, denn sie ist die Hauptursache der „stehenden Wellen" in Wasserbecken. Bemerkenswert ist sodann die von den Brüdern Weber^) mit Be- 1) Wellenlehre, § 25. Erklärungsversuche von Muncke, Franklin, Weber, Russell. 59 nutzung einer von Benjamin Franklin ausgesprochenen Idee, gegebene Theorie der Wellenbildung. „Die Luftstöße scheinen meistens unter einem sehr spitzen Winkel auf das Wasser aufzutrefEen und bringen in demselben eine doppelte Wirkung hervor, indem sie es teils niederdrücken, teils in der Richtung, in der sie sich selbst bewegen, fortschieben, was man sich durch die Zarlegung der einfachen Kraft in eine horizontal und vertikal wirkende leicht erklären kami. Franklins Hypothese über den Vorgang, wenn sich der Wind am Wasser reibt und Wellen erregt, läßt sich etwa folgendermaßen darstellen: Die Luft wird von dem Wasser angezogen, wie man daraus sieht, daß alles Wasser Luft in sich schließt und sie, wenn sie aus ihm durch Kochen ausgetrieben worden ist, begierig wieder einsaugt. Deswegen haftet sie auch an dem Wasser, über dem sie hinstreicht, und schiebt die Teilchen, die sie an der Oberfläche berührt, mit fort. Diese aber hängen selbst wieder mit den unter ihnen gelegenen Wasserteilchen zusammen und werden daher durch sie etwas zurückgehalten und müssen diesen deswegen einen Teil ihrer Be- wegung mitteilen, und können folglich der Luft nicht mit gleicher Geschwin- digkeit folgen. Die Luft reißt sich also, wenn der Druck der nachfolgenden Luft einen gewissen Grad erreicht hat, von den Wasserteilchen los, an denen sie haftete, und gleitet über das Wasser hin, bis die Spannung so vermindert ist, daß die Luft von neuem, während sie sich nur langsamer fortbewegt, am Wasser zu haften anfängt und sich die erwähnte Erscheinung wiederholt. Hierdurch wird allerdings erklärlich, warum die über das Wasser hinstreichende Luft ruckweise das Wasser stößt und davon abgleitet, und dadurch eine große Menge ganz kleiner Unebenheiten auf dem Wasser hervorbringt. Durch diese Reibung der Luft am Wasser entstehen aber nur die allerkleinsten Wellen, welche das Wasser der Eigenschaft zu spiegeln berauben und selbst die Oberfläche größerer Wellen bedecken. Durch das Auffallen eines ganzen Luftstoßes auf die Wasserfläche und sein abwechselndes Abgleiten kann aber auch gleichzeitig das Wasser in einem schon beträchthcheren Umkreise abwechselnd niedergedrückt und das benachbarte Wasser zu steigen genötigt und so Wellen von ursprünglich bedeutenderer Größe erregt werden." Hier ist also der vorher von uns betonte Unterschied zwischen den letztgenannten und den „allerkleinsten" Wellen schon sehr klar ausgesprochen. Im übrigen aber ist schon die Voraussetzung, daß die Bahnen der Luftteilchen im Winde nicht recht horizontal seien, sondern den Wasserspiegel in spitzem Winkel treffen, bestreitbar. Den Kernpunkt des Problems hat zuerst Scott RusselP) berührt, wenn er auch die Wellenbildung durch den Wind noch nicht befriedigend zu erklären vermochte. Er erzeugte nämlich die embryonalen oder wie er sie sehr passend nennt, „kapillaren" Wellen experimentell auf einem Wege, den jeder unserer Leser bequem selbst betreten kann. Es gehört dazu ein nicht zu kleines Gefäß, das ziemlich bis zum Rande mit Wasser zu füllen und so zu stellen ist, daß der Beobachter das Licht an der Oberfläche widerspiegeln sieht. Taucht man nun einen dünnen Draht oder ein nicht über 1 bis 2 mm dickes Stäbchen, das vorher befeuchtet ist, einige Milhmeter tief vertikal in das Wasser, so wird man zunächst die bekannte kapilläre Erhebung um diesen Draht wahrnehmen. Wird aber dann der Draht schnell, 0.3 bis 0.5 m in der Sekunde, in unveränderter Stellung durch das Wasser geführt, so sieht man eine Hand breit vor dem Draht die Wasseroberfläche sich augenblick- lich mit kleinen Wellen bedecken. Scott Russell zählte vor dem Draht bis auf 3 inches (76 mm) Abstand bei einer Geschwindigkeit von 0.3 m pro Sekunde etwa 12 solcher Wellen, und zwar waren die dem Drahte nächsten die größten, *) Report Brit. Assoc. for 1844, p. 307 und 376. 60 Die Entstehung der Wellen. von 8.3 mm Länge, während die am weitesten vor dem Drahte aufgeworfenen Wellen nur etwa 5 mm Länge von Kamm zu Kamm hatten. Die Kämme selbst waren (im Grundriß betrachtet) gebogen, und zwar um so stärker, je näher dem Draht. Man kann jedoch auch geradhnige Kämme erzeugen, wenn man statt des Drahtes einen dünnen Faden nach Art eines Bogens auf- gespannt und horizontal in die Oberflächenschicht getaucht verwendet, und auch diesen alsdann quer durch die Wasserfläche hmschiebt. Nie aber darf die Bewegung dieses Drahtes oder Fadens eine Geschwindigkeit haben geringer als 8 inches oder 0.2 m in der Sekunde, sonst fehlen diese Wellen ganz. Dieser Vorgang beruht auf Eigenschaften, welche die Molekularphysik der Oberfläche einer Flüssigkeit zuschreibt und die uns bereits bei früherer Gelegenheit (Bd. I, S. 280) beschäftigt haben. Alle Teilchen, die an der Oberfläche liegen, werden von den unter derselben befindlichen Teilchen nach innen gezogen: sie ergeben also in ihrer Gesamtheit eine Oberflächen- schicht, die auf die ganze Flüssigkeit wirkt wie ein elastisches Häutchen, das sich zusammenzuziehen sucht. Diese Schicht heißt das Oberflächen- oder Flüssigkeitshäutchen imd verhält sich äußeren Kräften gegenüber wie eine selbständige, der Flüssigkeit aufliegende und von dieser in mancher Hinsicht unabhängige Membran. Die Spannung dieses Häutchens wird nun offenbar geändert, wenn der Draht oder der Faden in der oben angegebenen Weise vorwärts bewegt wird : die Membran legt sich, freilich erst, wenn die störende Kraft einen bestimmten Wert überschreitet, in Falten, wie wenn ein Finger streichelnd über die Oberfläche des Handrückens geführt wird. Im Hinbhck auf die uns bekannten Erscheinungen der Kapillarität war Scott Russell wohl berechtigt, den von ihm erzeugten Fältelungen des Flüssigkeitshäutchens den Namen der kapillaren Wellen beizulegen. Die Vorgänge auf großen Wasserflächen gestatten nun einen unmittelbaren Vergleich hiermit insofern, als jene Kräuselungen erst dann auftreten, wenn die Geschwindigkeit des Windes ein bestimmtes Maß überschritten hat, wie denn Scott Russell beob- achtet haben will, daß erst ein leichter Hauch von einer halben enghschen Meile stündHcher Geschwindigkeit (oder von 0.22 m in der Sekunde) imstande ist, die von ihm getroffene Wasserfläche zu kräuseln. Femer stimmt damit überein, daß sich die Fältelung stets in ganz unmeßbarer Zeit augenblicklich über der angehauchten Fläche einstellt und beim Vorübergang des Hauches ebenso schnell wieder verschwindet: Vorgänge, die die älteren Theorieen nicht in gleicher Weise befriedigend erklären konnten. Aber der entscheidende Punkt bleibt auch so noch unbefriedigend erklärt: kann der doch immer nur über die Oberfläche hingleitende Wind so wirken, wie ein fester, das Ober- flächenhäutchen durchdringender und es vor sich herschiebender Gegenstand? Ferner zeigt die Beobachtung, daß sich der vom Winde unmittelbar getroffene Tejl der Wasseroberfläche mit diesen elementaren Wellen bedeckt, statt daß, wie die vorgetragene Theorie will, dies auf dem Teil der Wasseroberfläche ge- schehen müßte, der vor dem vom Winde getroffenen Gebiete hegt. Für die Abhängigkeit dieser kapillaren Wellen von einer bestimmten Minimalstärke des Windes (welche unmittelbar an der Wasseroberfläche zu messen leider nicht gelang, die aber gewiß mehr als 0.22 m, wenn nicht 0.5 betrug), gewährte dem Verfasser verschiedene Male der Kieler Hafen anschau- liche Beispiele. Am klarsten waren solche Fälle, wo ein mäßiger Südwind das Wasser aus der Föhrde hinaustrieb, indem er einen in der Enge bei Fried- richsort sehr fühlbaren Strom erzeugte, während von der den Leuchtturm tra« genden Landzunge ein Teil dieses ausfließenden Stroms nach Westfen in die Wiker Bucht abgelenkt wurde, wo derselbe nunmehr dem Winde entgegen- strömte. Alsdann zeigte die östhche (ausströmende) Hälfte der Wasser- fläche sich regelmäßig noch spiegelglatt, wenn die westliche Seite, in der Wiker Erklärung von Helmholtz. 61 Bucht, gänzlich von jenen kleinen Furchungen verdunkelt war, welche die Spiegelung aufhoben und der relativen Bewegung des AVassers zum Winde ihr Dasein verdankten: die Bewegung des Windes war alsdann bei dem gegen- strömenden Wasser stark genug, die Oberflächenspannung zu überwinden, in dem m i t strömenden Teil der östhcheii Hafenhälfte dagegen nicht. — Übrigens war schon den alten homerischen Griechen, die wie alle Ssefahrer als aufmerksame Beobachter der Natur gelten dürfen, die Kräuselung und „Schwärzung" der Meeresoberfläche durch die aufkommende Brise wohl- bekannt: „opvojxevoto vEov, (i e X a v e i 82 ts novto? uji' aitTj? cet. Ilias 7, 63, vgl. 21, 126; 23, 692 und Odyssee 3, 402. Die enghschen Schifier nennen nach Scoresby (Account of arctic regions, I, 217) diese Kräuselung den lipper oder windlipper. Diese Abhängigkeit der kapillären Wellen von der Oberflächenspannung ergibt sich auch rechnerisch aus den von Sir William Thomson (Lord Kelvin) aufgestellten und seitdem von L. Matthiessen experimentell bestätigten Formeln^). Hiernach bestehen folgende Beziehungen zwischen der Oberflächenspannung tj, der Dichtigkeit a, der Wellenlänge 1 und der sekundhchen Geschwindigkeit c dieser'Wellen : Bei sehr großen Wellenlängen, wie bei den im ozeanischen Seegang vorkommen- den, wird das zweite Glied ein verschwindend kleiner Bruch und bleibt nur unsere bekannte Formel IV (S. 9) übrig. Bei den kleinen, zuerst entstehenden kapillaren Wellen aber ist wieder das erste Glied sehr klein und das zweite überwiegend groß, so daß dann in hinreichender Annäherung gilt: c' = 27iij/(fX, Löst man die Haupteleichung nach ?. auf, so erhält man: Die weitere Analyse ergibt, daß die Geschwindigkeit c ein Minimum wird bei: Cq = ^^gJ]lo, und daß dazu eine minimale Wellenlänge Pvq = 27r [/v/9<^ gehört. Rechnen wir beispielsweise für tropisches Wasser (vgl. Bd. I, S. 281) ij = 74 und a = 1.023, so wird Zo = 1.7 cm und Cq = 22 cm p. S. Eine auch strengeren Anforderungen genügende Theorie der Wellen- bildung verdanken wir H. v. H e 1 m h o 1 1 z ^). Lagern sich zwei Schichten verschieden dichter Flüssigkeit, also hier Luft und Wasser, übereinander, so herrscht nur dann stabiles Gleichgewicht, wenn beide Schichten in voller Ruhe, also stromlos, verharren: die Trennungsfläche ist dann eine vollkommene Ebene. Sobald aber eine der Schichten oder beide eine strömende Bewegung empfangen, hört dieser stabile Zustand auf. Zu- nächst wirkt die Reibung der Luft an der Wasseroberfläche verzögernd auf die Geschwindigkeit der Luftströmung ein, während sich die nächst höheren Schichten der Luft um so schneller fortbewegen, je höher sie über M Philosoph. Magaz, 1871, Bd. 42, S. 362; Annalen der Physik u. Chemie 1889 Bd. 38, S. 118. Vgl. auch Schalk, Wellenlehre, S. 74, L a m b, Hydrodynamik, § 264. *) Sitzungsber. Kgl. preuß. Akad. d. W. Berlin 1889, S. 761 und 1890, S. 853. Ein gutes Referat von 0. B a s c h i n in Zejtschr. Ges. f. Erdkunde Berlin 1899, S. 408. Weitere analytische Ableitungen lieferte W. Wien, Hydrodynamik, S. 169 ff. C2 I^ie Entstehung der Wellen« der Trennungsfläche liegen. Solche ungleiche Stromgeschwindigkeit innerhalb derselben Flüssigkeit stört die normale Druckverteilung, und zwar wirken die rascher strömenden oberen Schichten gewissermaßen auf- saugend auf die Unterlage, hier die Wasseroberfläche. Soll wieder stabiles Gleichgewicht eintreten, d. h. der Druck auf beiden Seiten der Grenzfläche gleich sein, so muß das Wasser nach oben hin ausweichen. Um aber für eine sich senkrecht erhebende Portion des Wassers die erforderliche Masse zu liefern, muß die Oberfläche an einer anderen nahebei gelegenen Stelle einsinken: der neue Gleichgewichtszustand liefert also eine wellen- förmige Fläche. Die Größe dieser Wellen ist sowohl abhängig von der relativen Geschwindigkeit, wie auch vom Dichteunterschied der beiden Schichten. Helmholtz bezeichnet die entstandenen Wellen als „stationäre Wellen", da sie eine stationäre Bewegung der beiden Flüssigkeiten vor- stellen, wenn man sie auf ein Koordinatensystem bezieht, das mit den Wellen selbst fortrückt; diese Helmholtzschen Wogen sind also keine „stehenden" oder „stationären" Wellen im Sinne der Ozeanographie, sondern eben nichts als fortschreitende Wellen, die mit ihren Eigenschaften den aus der Trochoidentheorie abgeleiteten Regeln folgen. Es sind aber auch nur elementare oder kapillare Wellen, wie die weitere Analyse zeigt. Unter der Annahme, daß die senkrechte Ausdehnung der beiden Schichten sehr groß ist im Vergleich zur Länge der entstehenden Wellen, hat Helm- holtz folgende Formeln abgeleitet, die bei gegebenen Dichtigkeiten und Bewegungsunterschied eine bequeme Rechnung gestatten. Setzen wir die Windgeschwindigkeit = w, die Geschwindigkeit des (ruhend gedachten) Wassers aber = 0, die Dichtigkeit des Wassers = a, die der Luft = f/, und bedeuten r und r^ zwei w^enig voneinander verschiedene Größen, die von der Form und Größe der Weflen abhängen, so ist zunächst und h = — -K — -, sodann Setzen wir nun, was keinen erheblichen Fehler bedeutet, r = fj, und lösen nach \ auf, so erhalten wir als die gesuchte Helmholtzsche Wogen- formel: X = l^._^ll_.t,2 XXXI 2 Man ersieht hieraus, daß die Wellenlängen proportional dem Quadrat der Windstärke wachsen, und daß sie groß werden nicht nur bei großem w, sondern auch bei geringen Dichtigkeitsdiflerenzen zwischen der oberen und der unteren Schicht. Das letztere ist wichtig für das Aufsuchen von WeUenbildungen innerhalb von solchen Flüssigkeiten, die in sich selbst geschichtet sind. Die Meteorologie hat sie vielfach an der Grenzfläche verschieden warmer und feuchter Luftschichten nachgewiesen, und wir werden sie auch im Meerwasser unter analogen Bedingungen wieder finden, nicht nur an der Meeresoberfläche selbst als Windwellen, sondern im Innern geschichteter Wassermassen (s. Abschnitt IX). Erklärung von Helmholtz. 63 Einige Beispiele mögen das Ergebnis veranschaulichen. Das Seewasser habe eine Dichtigkeit <7 = 1.026, die Luft (>■= 0.001293 (bei 0») und die Windstärke sei w = 1 m p. S. Dann erhält man X == 0.000807 m oder 0.8 mm. Wird w, wie bei einem frischen Wind = 8 m, so vergrößert sich l auf 0.0516 m, und für einen stürmischen Wind {w = 15 m) wird }. = 0.1816 m. Für tro- pische Verhältnisse mit (x = 1.023, (> = 0.0012 und w = 1 wird l = 0.00075 m, für w = 15 aber l = 0.169. Es entstehen also auch bei Sturm immer nur kapillare Wellen von 17 bis 18 cm Länge. — Wäre die Helmholtzsche Wogen- formel unter den gleichen Voraussetzungen abgeleitet, wie die von Lord Kelvin für den Einfluß der Oberflächenspannung aufgestellte (S. 61), so könnte man die zu den vorher aus den letzteren erhaltenen Minimalwerten der Aq und c© die zugehörige Windgeschwindigkeit berechnen, und erhielte sie dann Wq = 4.7. m p. S., also der Beauf ortstärke 3 entsprechend, was entschieden zu hoch ist; jene erwähnte Voraussetzung trifft aber nicht zu. Sind nun einmal erst jene embryonalen oder kapillaren Wellen vorhanden, so hat es verhältnismäßig nur geringe Schwierigkeit, ihr Wachs- tum unter der fortgesetzten Einwirkung des Windes bis zu den großen „Seen" des offenen Ozeans zu erklären. Der allgemeine Vorgang wird zunächst darin bestehen, daß ein wachsender Teil der in den unteren Luftschichten vorhandenen Energie auf die Wasseroberfläche übertragen wird. Die weitere Ausbildung erstreckt sich sowohl auf die Umformung der kurzen schwach gebogenen in längere Kämme, wie auf die Zunahme aller Dimensionen. Hierbei kommen nun die kreisenden Bewegungen der Wasserteilchen in der Welle in Betracht. Airy^) hat auch diese Vorgänge näher untersucht. Im Wellenkamm, im oberen Scheitel, bewegen sich diese Wasserteilchen ohnehin mit dem Winde vorwärts: der Wind wird also ihre Tendenz nach vorn stetig beschleunigend verstärken. Die so vom Winde horizontal vorwärts gestoßenen Oberflächenteilchen erfahren an den unter ihnen liegenden einen Widerstand, der sie nach' oben hin ablenkt. Dadurch erhält auch die vertikale Komponente der Orbital- bahn einen Zuwachs, d. h. es muß die WeUenhöhe zunehmen, denn je höher die Teilchen (im Wellenkamm) über die ursprüngliche Ruhelage hinaus gehoben werden, um so tiefer werden sie (im AVellental) wieder unter dieselbe hinabsinken. Dagegen behindert der Wind die im Schutze des Kammes befindlichen und im Wellentale sich ihm entgegen bewegenden Teilchen in keiner Weise. A i r y will es sogar noch wahrscheinlicher finden, daß ein Teil des den Kamm treffenden Luftstromes nach unten umbiegen und im Wellentale wirbelartig rückwärts fließen könne, wo- durch denn also die Orbitalbewegung der hier befindlichen Teilchen nach ' rückwärts eine Stärkung erfahren würde; die Erfahrung weiß allerdings nichts von solchem Zurückwirbeln der Luft zu melden, wenn es auch beim Bootssegeln auf hoher See vorkommt, daß die Segel in den tiefen Wellentälern „bekalmt", d. h. nicht mehr vom Winde getroffen werden, was aber etwas anderes ist, als Airy will. Je länger aber der Wind auf- die ursprünglich so kleinen Furchungen jinwirkt, um so größer werden also die Wellen werden. Ferner entwickelt Airy klar, wie in dem Stadium schnell anwachsender Wellenhöhe die Kraft des Windes auf die Wellen- ^) Tides and waves etc. §§ 266 — 271. Diese rein mathematische Analyse ent- behrt in wichtigen Punkten der physikalischen Erläuterung; vgl. E. Kohlschüt- ter, Forschungsreise S. M. S. „Planet", Bd. 3, Berlm 1909, S. 147. 64 Die Entstehung der Wellen. kämme so erhöhend wirkt, daß die Kontinuität aufgehoben, die Köpfe der Wellen vom Winde abgebrochen werden: welches Überschlagen so lange andauert, bis die Wellenhöhe und damit die Orbitalgeschwindigkeit den Maximalwert erreicht hat, welcher bei der vorhandenen Windstärke und dem Seeraum, den der Wind bestreichen kann, gegeben ist. In der Tat ist es den Seefahrern ganz geläufig, daß die „Seen" nur so lange schäumende Köpfe zeigen und vor dem Winde überbrechen, als sie ihre Maximalhöhe noch nicht erreicht haben: ist dieses geschehen oder nimmt der Wind wieder an Stärke ab, so hört das Überschlagen auf und wird das Wellen- profil sanfter gerundet. Letzteres ist das Stadium der sogenannten toten See, oder wie es für binnenländische Leser weniger mißverständlich heißen sollte, der ausgewachsenen See. Aber weder in diesem, noch im vorigen Stadium werden solche gezwungenen Wellen in ihren Orbitalbahnen an der Oberfläche mehr geschlossene Kurven besitzen können, sondern jedes Wasserteilchen des Wellenkamms wird vom Winde ein wenig vorwärts gestoßen, so daß es also nicht mehr die alte Ruhelage erreicht. Wir werden bei einer späteren Gelegenheit hierauf zurückkommen, wo es sich um die Erklärung der Triftströmungen handelt. Freie Wellen zeigen diese Vorwärtsverschiebung der Teilchen nicht, solange sie sich in Wasser von ozeanischen Tiefen bewegen, erst wo sie am Strande branden, treten ähnliche Erscheinungen ein, wie später zu zeigen sein wird. Li einer Fortführung und Ergänzung der von Helmholtz gegebenen Theorie der Wind wellen hat Willy Wien^) einige Ergebnisse erhalten, wo die Analysis sich mit den tatsächlichen Erscheinungen in Widerspruch befindet. Er stellt das Gesetz auf: „Der stärkere Wind bei geringerer Wellengeschwindig- keit bedingt Wellen mit runderen Köpfen, während die Wellen bei schwachem Winde und größerer Wellengeschwindigkeit spitzer werden. " Die Beob- achtung ergibt aber genau das Gegenteil, indem rasch laufende Dünungen bei schwachem Wind oft so rund geböscht sind, daß man die Lage des Wellen- kamms," während er unter dem Schifie hindurchläuft, nur sehr unsiclier be- stimmen kann, wogegen Wellen bei stetig stärker werdendem Wind scharfe und zuletzt instabile, überbrechende Kämme bilden. Die Richtigkeit dieser Beobachtungen durfte Wien nicht in Frage stellen, wie er leider getan hat, zumal die von ihm für die bezeichneten Fälle berechneten und graphisch konstruierten Unterschiede in den Profillinien mir keineswegs erhebfich zu sein scheinen. Für die Entwicklung größerer Wellen aus den elementaren Kapillarwellen hat Helniholtz selbst die Meinung geäußert, daß durch Schwankungen in der Windstärke, die sicherhch vorkommen, Wellensysteme von verschiedener Länge auftreten und alsdann durch deren Zusammenwirken, analog wie bei den Schallwellen, nicht nur Schwebungen, sondern auch den Kombinations- tönen entsprechende übergeordnete Wellen von größerei Länge und Periode entstünden. Für diese Meinung, die noch eingehender Prüfung entbehrt, sprechen mancherlei Tatsachen. Versuchen wir einmal, die Vorgänge mög- lichst vollständig zu analysieren. Unter der unmittelbaren Wirkung des Windstoßes entstehen, wie mehr- fach bemerkt, die elementaren Kräuselungen von 2 — 3 cm Talbreite. Hört der Windstoß auf, so sind auch diese kleinsten Wellen verschwunden, es bleiben aber die nächst größeren Kategorieen bestehen, deren Dimensionen mindestens ^) Annalen der Physik und Chemie 1896, Bd. 66, S. 100 und Lehrbuch der Hydrodynamik, S. 185. Wachstum der kapillaren Wellen. 65 das 3- bis 4faclie der niederen Kategorie betragen. Ihre Profile sind rundlicher gebildet, so daß schon hier ein ähnlicher Unterschied besteht, wie zwischen Windwellen und Dünung. Nim beachte man, wie jede vorübergehende Gleich-, gewichtsstörung der Wasseroberfläche wirkt. Ein ins Wasser geworfener Stein erzeugt kreisförmige, auseinanderlaufende, konzentrische Wellenringe, von denen die äußersten je die größten Talbreiten aufweisen, die mehrere Male' größer sind, als die der zuerst an der Störungsstelle entstandenen Wellen. Nun scheint es, als wenn die größeren, nach Erlöschen des Windstoßes zurück- bleibenden Kapillarwellen der zweiten oder dritten Kategorie zum Teil solche Restgebilde der elementaren Kjäuselungen sind; je weiter vom Ursprungsort, um so größer sind die Talbreiten dieser ausklingenden Wellen, aber aucit um so abgerundeter die Profile und kleiner die "Wellenhöhen. Jedenfalls sind so stets freie "Wellen der verschiedensten Dimensionen gleichzeitig nebeneinander vorhanden und in der Fortpflanzung nach gleicher Richtung hin begriffen. Wenn hierbei Schwebungen und Kombinations- wellen auftreten, so können aus ihnen weiterhin größere Wellen entstehen. Freilich sind von Kombinationswellen nur Differenz-, nicht Summations- wellen und auch nicht Obertönen analoge Neubildungen ins Auge zu fassen, denn nur die ersteren liefern Schwingungen von längerer Periode und größerer Wellenlänge. Die Periode der kleinsten Kapillarwellen, vorausgesetzt daß die Trochoiden- theorie ohne Vorbehalt auf sie angewandt werden darf, ist immer sehr klein« Wir finden folgende zusammengehörige Werte: Wellenlänge (cm) = X Periode (Sek.) = t Schwingungszahl = N 0.113 8.84 0.139 7.21 0.160 6.25 0.179 5.59 10 0.252 3.95 20 0.358 2.80 30 0.438 2.28 60 0.620 1.61 100 0.801 1.26 Für Schwebungen gilt die Regel, daß, wenn wir zwei Wellen von den wenig verschiedenen Perioden r und. Tj haben (wo Tj kleiner als t ist), die Kämme der beiden Wellen nach der Zeit T =Ti*:{t — Ti) zusammen- fallen, ihre Höhen sich also addieren. Für unsere kleinen Kapillarwellen von 2 und 3. cm Länge wird T ungefähr V2 Sekunde, was Schwebungswellen in Abständen von A = V2 ^ entspräche; für Wellen von 3 und 4 cm Länge ergäbe sich T fast gleich 1 Sekunde, d. h. es entstehen über 1 m lange Schwebungs- wellen. Je kleiner die Differenz r — Tj, um so größer wird T und um so länger die Schwebungswelle. Freilich sind die Wellenhöhen dieser letzteren nicht eben groß. Aber es können sehr leicht durch Zusammentreffen von Schwe- bungen gleicher T, was bei der großen Zahl der stets vorhandenen verschieden langen KapillarweLlen zu erwarten ist, sich die Amplituden so steigern, daß wir Wellen von den Dimensionen der zweiten bis vierten Kategorie unserer früheren Einteilung (S. 57) schon auf diesem Wege ableiten können. Übergeordnete Wellen von größerer Periode und Länge Uefehi dazu noch die Differenzwellen, die den . Differenzen der Schwingungszahlen N entsprechen. Bleiben wir bei den Werten unserer vorstehenden Tabelle, so liegen die Schwingungszahlen der ersten elementaren Kräuselungen zwischen 10 und 6 pro Sekunde, die der zweiten Kategorie zwischen 5 und 3, die der dritten bei 3 und 2, der vierten mit Wellenlängen von 80 bis 1(X) cm bei IV4 bis 1 pro Sekunde, Die Differenzen der Schwingungszahlen innerhalb der einzelnen wie auch der verschiedenen Kategorieen Uefem nun sehr leicht Schwingungsperioden, die in einer der vorhandenen höheren Wellengrößen vorkommen. Lidem nun auch hierbei durch Interferenz mehrerer Differenz- wellen von gleicher Periode und durch Schwebungen die Amphtuden gehäuft KrQinmel, Ozeano^aphie. II. *^ 66 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. werden, köimeii immer größere Wellen auftreten. — Auch die von der Akustik aufgestellte Bedingung, daß die Kombinationstöne nur da auftreten können, wo die Amplituden der Luftschwingungen nicht mehr als unendlich klein betrachtet werden dürfen, fände sehr wohl ihre analoge Erfüllung bei den Meereswellen, wo die Orbitalkreise auch der elementaren Kapillarwellen ein paar MilUmeter Durchmesser haben. Nehmen wir zu alledem noch die unmittel- bar die Wellenhöhe steigernde Wirkung des Windes, wie sie Airy entwickelt liat, so dürfte die Entwicklung großer Wellen aus den elementaren Kräuse- lungen dem Verständnis wohl in befriedigender Weise näher gebracht sein. — Es ist hier wohl am Orte, noch der von britischen Wasserbautechnikern behaupteten nicht vom Winde, sondern von den Gezeiten hergeleiteten Wellen geringer Größe zu gedenken. W, H. Wheeleri) sagt von ihnen: „Selbst bei völligem Fehlen des Winds oder einer anderen störenden Ursache be- schränkt sich Steigen und Fallen der Tide an der Küste nicht auf eine ein- fache senkrechte Hebung und Senkung des Wasserstandes, sondern wird von einer Reihe kleiner Wellen begleitet, deren Höhe je nach der Entwicklung der Tide und der Gestalt des Ufers zwischen 15 und 60 cm liegt; sie brechen am Strande zu 10 bis 20 in einer Minute, haben also eine Periode von 3 bis 6 Se- kunde)!, wie mäßige Windwellen. Sie fehlen niemals an der Küste, außer wenn sie durch die großen von Stürmen aufgeworfenen Wellen absorbiert werden, und ihre Hölie ist am größten, wo der Strand rasch ansteigt." Diese Wellen nicht als Dünung, sondern mit Wheeler als eine sekundäre Gezeitenerschei- nung zu deuten, erscheint mir wenig annehmbar. Die Trochoidentheorie, die sich nur mit der fertigen, nicht der werden- den zweidimensionalen Welle auf unendlicher Wasserfläche beschäftigt, kennt kein festes Verhältnis zwischen der WeUenhöhe einerseits und den Werten der Periode, Geschwindigkeit und Länge der Welle anderseits; wie Fig. 4 (S. 7) erweist, ist zwischen Höhe und Länge ein Verhältnis von 1 : TT das eine Extrem, 1 : c« das andere. Und doch verlangt die Er- fahrung bestimmte Beziehungen, die von der Stärke und der Dauer des Windes abhängig sind. Die Trochoidentheorie, die von der Entstehung der Wellen durch Windwirkung oder andere Ursachen ganz absieht, läßt uns also hier im Stich; wir sind sonach im wesentlichen auf den Weg der Beobachtung verwiesen. Es wird; sich empfehlen, hier schärfer zu unter- scheiden zwischen dem Verhalten szunächst der gezwungenen Wellen und sodann der freien Wellen oder der Dünung, wobei bei den ersteren die Wirkung des Windes nach der Zeitdauer einerseits, und nach dem ge- gebenen Seeraum anderseits, besonders zu untersuchen ist. Daß die hohen Wellen schneller liefen als die niedrigeren, entnahmen schon die Brüder Weber ihren klassischen Experimenten. Bei den be- kannten Beziehungen zwischen Geschwindigkeit und der Periode und Länge der Wellen ist schon hieraus zu schließen, daß mit der Höhe der Wellen auch ihre anderen Dirnensionen wachsen müßten. Hören wir die Beobachter in See. „Die Wellenhöh e," sagt Paris, „wächst ziemlich schnell in dem Maße, wie der Wind stärker wird; sie ist in hohem Grade abhängig vom vorhandenen Seeraum in ihrer Ausbildung; sobald sich auf hoher See eine starke Brise erhebt^ erreicht sie leicht 5 m. Sie ist von allen Wellenraaßen dasjenige, welches sich am schnellsten vermindert und abfällt, sobald die Brise aufgehört hat. *) Practical Manual of Tide» and WarCs, London 1000. p. ! 1 1. Wachstum der Wellen mit anhaltendem Winde. (57 „Die Wellenlänge ist selir variabel und wechselt zuweilen vom einfachen bis zum dreifachen bei zwei unmittelbar aufeinander folgenden. Wellen. Wenn der Wind sich erhebt, ist sie anfangs wenig beträchtlich, darauf wächst sie schneller als die Wellenhöhe, und während mehrerer Tage vergrößert sich das Verhältnis dieser beiden Werte in der Weise, daß oft die See am Beginn eines Sturmes hohler läuft als an seinem Ende, während dabei die Windstärke konstant blieb. So sahen wir im Osten des Kaps der Guten Hoffnung infolge starker Weststürme, welche vier Tage hindurch mit auffallender Regelmäßigkeit andauerten, die Höhe der Wellen nur von 6 auf 7 m steigen, während die Länge derselben am ersten Tage 113, dagegen am vierten 235 m erreichte. Es ist das die größte mittlere Länge, welche ich (in einer Tagesreihe) beobachtete . . . „Die Geschwindigkeit ist das am wenigsten veränderliche unter den Wellenmaßen. Sie ist neben der Wellenlänge auch dasjenige, welches sich am besten und längsten konserviert, wenn nach dem Auf- hören des Windes der Seegang sich in Dünung umwandelt. Sobald die Brise erst im Gange und der Seegang regelmäßig geworden ist, zeigt sich die Geschwindigkeit von einer Welle zur anderen nur sehr wenig ver- schieden. In der Tat kann man nur selten auf hoher See beobachten, daß eine Welle eine andere überholt, was doch alle Augenblicke der Fall sein müßte, wenn ein auch noch so geringfügiger Unterschied in ihrer Geschwindigkeit vorhanden wäre. Sobald der Wind sich erhebt, wächst die Geschwindigkeit schrittweise und erreicht bald die Größe, welche sie fast ganz konserviert, bis die Wellenbewegung erhscht. Wenn man meine täglichen Buchungen prüft, so sieht man sofort, daß, sobald der Seegang sich nur voU entfalten kann, dieselbe Brise fast immer auch eine und die- selbe Wellengeschwindigkeit erzeugt." Auf der Planktonexpedition hatte ich selbst einmal Gelegenheit, das Wachsen der Wellen bei andauernd zunehmendem Winde zu verfolgen. Als wir am 20. September 1889 (1« 31' S. B., 39° 11' W. L.) vor dem Passat bei Windstärke 5 (anemometrisch auf 9 m p. S. gemessen) nach Westen dampften, war der Seegang noch mäßig: die größten Wellen hatten nach meiner Schätzung IV2 bis 2 m Höhe und die meisten nicht über 10 m Länge. Über Nacht frischte der Passat auf und erreichte zeitweiüg Stärke 7 (etwa 13 m p. S.). Am 21. September vormittags, also etwa 18 Stunden nach der .vorigen Beobachtung und 125 Seemeilen westlich davon, hatten die Wellen ersichtlich zugenommen, doch konnte ich die größten Höhen sicher nicht über 3 m schätzen, während die Längen mehrfach nachein- ander die halbe Schiffslänge oder 30 m erreichten. Es hatten sich also die Wellenhöhen kaum verdoppelt, die Längen dagegen sicher verdreifacht. Untersuchen wir nunmehr zunächst die Einwirkung des Windes auf die Wellenhöhe, die wir als eine komplexe Funktion des Seeraums, der Windstärke und der Zeitdauer der Windwirkung auffassen müssen. Den Standpunkt der Theorie, daß es sich hier um eine Wasserflr'^he von unendlicher Ausdehnung handle, müssen wir aufgeben: wie bereits mehrfach bemerkt (S. 56), sehen wir stets die Wellenhöhen wachsen, wenn wir mit dem Wind vom Strande seewärts gehen. Diese Beziehung zwischen Wellenhöhe und See räum hat der berühmte englische Hafen- baumeister Thomas Stevenson auf empirischem Wege aufzuklären 68 Abhängigkeit der Wellen vom Winde, versucht, wobei er Beobachtungen in schottischen Landseen und im Firth of Forth und Moray Firth heranzog ^). Unter der Voraussetzung, daß die Meeres tiefe in der ganzen Strecke luvwärts für eine volle Ent- faltung der Wellen genügend und möglichst gleichmäßig ist und die Wellen- höhen nicht unmittelbar am Strande gemessen werden, stellt Stevenson folgende empirische Formel auf: H = l,5[/'D+{2,5-p'D), worin H die Wellenhöhe in engUschen Fuß, D den Abstand bis zur nächsten Luvküste in Seemeilen bedeutet. Ist der Wert für D nicht allzu kurz (unter 10 Seemeilen) und gleichzeitig die Windstärke nicht allzu heftig, so genügt schon der erste Ausdruck obiger Formel; indes wird nur für kleinere Wasserflächen und Landseen die vollständige Formel allein be- friedigende Kesultate ergeben, wie aus Stevensons Tabelle hervorgeht, von welcher die folgende ein Auszug ist {H in Metermaß, D in Seemeilen). D H D H D H Sm) (m) (Sm) (m) (Sm) (m) 2 1.0 25 2.4 150 5.6 4 1.3 30 2.6 200 6.5 6 1.4 40 2.9 1 250 7.2 8 1.5 50 3.2 1 300 7.9 , 10 1.7 60 3.5 400 9.1 15 1.9 80 4.1 500 10.2 20 2.2 100 4.6 1000 14.6 Man kann nicht leugnen, daß diesen empirischen Werten, wenn wir von den höchsten, wo D größer als 200 Seemeilen ist, absehen, eine gewisse Wahr- scheinlichkeit innewohnt. Man hat nur bei der Anwendung der Tabelle darauf zu achten, daß angenähert gleiche Wassertiefe auf der ganzen Strecke vor- handen ist, und ferner, daß die Windbahnen streng genommen schon auf 200 Seemeilen Abstand nicht mehr als geradlinig gelten dürfen, sobald es sich um zyklonale Luftbewegungen handelt. Es wird aufgefallen seui, daß in den hohen südüchen Breiten des Indischen Ozeans die Wellenhöhen größer sind als im Südatlantischen (s. oben S. 51/52): nun haben die „strammen Westwinde" von den Falklandinseln her bis Kerguelen einen Seeraum von über 5000 See- meilen vor sich, den sie freilich nicht durchweg aus gleicher Richtung wehend beherrschen, ebensowenig wie die weiter östlich gelegenen Meeresflächen. — In der Ostsee würde die Strecke von den finnischen Schären bis zur Halb- insel Heia den größten Wert von D zu 350 Seemeilen ergeben. Die ent- sprechende Wellenhöhe von 8 m dürfte indes schwerhch je bei Nordoststurm vor der Danziger Bucht oder bei Bomholm vorkommen, und es hegt das gewiß nicht bloß daran, daß die Tiefen auf dieser Strecke sehr verschieden sind, sondern man wird annehmen müssen, daß die Formel für so große Werte von D bereits versagt. In dem westlichsten Teil der Ostsee zwischen Fehmarn und der schleswigschen Küste -sind die Tiefen gleichmäßiger, der Seeraum D auf 40 anzusetzen, darum bei Weststurm auf der Höhe von Fehmarn nach Stevensons ^ ) Design and cgnstruction of harbours, 2. ed. Edinburgh 1874, p. 22 f. ; auch New Edinb. PhUos. Journal vol. 53, 1852, p. 368. Eine gute Bestätigung dieser Formel konnte Gaillard durch zahlreiche Beobachtungen in den großen kanadischen Seen liefern; Wave action p. 69. Abhängigkeit der Wellenhöiie von Seeraum und Windstärke. (39 Formel eine Wellenhöhe von nicht ganz 3 m zu erwarten, was wieder nicht unwahrscheinlich aussieht. — Das Mittelländische Meer mit seinen großen Tiefen dürfte am geeignetsten für eine Prüfung der Stevensonschen Formel sein: hier hat D zwischen dem tieferen Teil des Golfs von Lion und der tunesisch-algerischen Grenze, ebenso wie zwischen Malta und Cerigo den Wert 350. Ob Wellenhöhen von 8 m im Balearischen Becken des Mittelmeeres bei starken Nordweststürmen vorkommen, mag dahingestellt sein (vgl. oben. S. 53); und was die Umscbifiung der Insel Cerigo von Osten her betrifit, so erfreute sie sich in seemännischen Kreisen des Altertums ungefähr desselben Rufes, wie gegenwärtig eine Umsegelung des Kap Hörn gegen den dort herrschenden westUchen Wind und hohen Seegang. Aus den Aussagen der Beobachter über die Beziehungen zwischen Wind- und Wellenmaßen wird sich von selbst ergeben, daß die mehr- fach und zwar mit ziemlichem Aufwand von Fleiß und Scharfsinn ge- machten Versuche, diese Beziehungen in einen algebraischen Ausdruck zu bringen, jedesmal als gescheitert angesehen werden müssen, sobald die Zeitdauer der Windwirkung nicht ebenfalls beachtet wTird. Will man von der Zeit Wirkung absehen, so kann es sich nur um maximale Wellen- höhen für jede gegebene Windstärke handeln, die also gewissermaßen auch nach unendlicher Zeit der Windwirkung nicht überschritten werden, ebenso wie der Seeraum, wo er beschränkt ist, auch die maximalen Wellenhöhen bestimmt. Es liegen vier Versuche derart vor, und zwar sämtlich von französi- schen Seeoffizieren. Der älteste stammt noch aus dem 18. Jahrhun- dert (1766), von Goimpy (bei Cialdi, moto ondoso § 1050), und schon de la Coudraye (um 1796) hat gefunden, daß die von Goimpy ge- gebene Tabelle „weit davon entfernt ist, verläßliche Eesultate zu liefern". Wir können darauf verzichten, sowohl den Weg zu prüfen, auf dem Goimpy seine Daten berechnet hat, wie auch seine ganze Tabelle zu reproduzieren : es genüge daraus zu entnehmen, daß (in modernes Maß umgerechnet) bei einer Windgeschwindigkeit von 7 m pro Sekunde, also bei Stärke 4 der Beaufortskala die Wellenhöhe nur 0,4 m, X = 1,9 m und c = 1,3 m wird. Bei einer Windgeschwindigkeit von 14 m, d. i. Beaufortstärke 7 bis 8, wird H = \,b m, X = 6,8 und c = 2,7 m; eine Wellenlänge von 60 m entspricht einer Windgeschwindigkeit von 42 m in der Sekunde, wie sie in tropischen Orkanen vorkommt. Der Versuch Goimpys ist also noch sehr unvollkommen. Einen zweiten Versuch hat der Admiral Coupvent des Bois^) gemacht. Der genannte Admiral hatte 30 Jahre vorher an der berühmten Weltumsegelung der „Astrolabe" teilgenommen und damals auf Aragos Veranlassung sechsmal täglich den Zustand der See, insbesondere die Wellenhöhen, beobachtet. Die Windstärke wurde nicht nach der zwölf- teiligen Beaufortskala, die zur Zeit der Expedition noch nicht allgemein üblich war, gerechnet, sondern nach einer älteren achtteiligen. Nun ist im allgemeinen bei den älteren Autoritäten die Übertragung solcher Skalen werte in absolute Geschwindigkeit (Meter pro Sekunde) nach den Unter- suchungen K ö p p e n s 2) meist in dem Sinne fehlerhaft, daß die Geschwin- ^) Comptes rendus, t. 62, 1866, p. 82; cf. Cialdi, Anhang p. 642. . ') Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte, Bd. 21, Hamburg 1898, Nr. 6; vgl. Simpson in Symons Met. Mag. 1906, p. 147. 70 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. digkeit des Windes viel zu hoch angesetzt wird. Da wir im folgenden von dieser Übertragung vielfach Gebrauch machen müssen, setzen wir die wichtigsten der von den verschiedenen Autoritäten angegebenen Werte der Beaufortskala her. Grade nach Beaufort I m II III IV- V VI VII VIII IX Reduktion nach: m m m m m m 1 m 1 m Meteorological Office (1875) 3.6 5.8 8.0 10.3 12.5 15.2! 17.9 i 21.5 1 25.0 Paris 0.8 1.8 3.4 6.0 9.2 13.1 18.2 23.6 i 30.1 Antoine 1 2 4 7 11 16 22 29 37 Koppen (1898) .... 1.7 3.1 4.8 6.7 8.8 10.7 12.9 15.4 18.0 Simpson (1906) .... 2.2 1 3.6 4.9 6.7 8.5 11.2 13.0 16.1 19.7 Die von Koppen gegebene Keduktion darf als die den natürhohen Verhältnissen zurzeit wohl am nächsten kommende gelten ; obwohl nament- lich in den höheren Stärkegraden die Abweichungen von den anderen noch auffallend sind. Coupvent des Bois fand nun, daß, alle seine Beobachtungen im Durch- schnitt gerechnet, einer Windgeschwindigkeit von 5.1 m per Sekunde eine Wellenhöhe von 2 m entsprach. „Gemäß der Hypothese", fährt er fort, „daß "das Quadrat der Windgeschwindigkeit proportional ist dem Kubus der Wellenhöhe, kann man folgende Tabelle für die effektive Be- ziehung zwischen Windgeschwindigkeit und Wellenhöhe berechnen, die so lange gilt, als keine besonderen Umstände störend eingreifen." Wir fügen den von ihm gegebenen Werten der Windgeschwindigkeit to noch unter der Kolumne w' die nach Köppens Daten reduzierten- Werte bei, da die ersteren unzweifelhaft viel zu hoch angesetzt sind. Auch die ab- geleiteten Wellenhöhen // sind namentlich in den niederen Stärkegraden reichlich hoch ausgefallen. jl Grade des Windes ! w w' i Ä' = l«,' m m m m 1. Faible brise .... 3 3 ! 1.4 1.5 2. Petite brise 5 5.5 2.0 2.7 3. Jolie brise . 8 7 2.7 3.5 •i. Belle brise . ! 13 8 ' 3.8 4:0 5. Forte brise . 21 11 5.2 5.5 6. Grand frais 33 14 7.0 7.0 7. Teni-pete . . 50 20 9.3 10.0 8. Ourarjan . . 73 30 12.0 15.0 Die von C. des Bois vorgeschlagene Formel würde also lauten: H =A ^w^ wo A eine zu findende Konstante bedeutet, nämlich hier 0.68. Wollte Abhängigkeit der Wellenhöhen von der Windstärke. 71 man aber // nach w' rechnen, so paßte die Formel nicht mehr, sondern ergäbe sich die sehr viel einfachere, rein empirische Beziehung: die alsdann ziemlich dieselben Höhen liefert, wie die fünfte Rubrik obiger Tabelle erweist. Wir haben aber gute Gründe, beide "Werte // und //' für zu hoch zu erklären, so daß wir beide Formeln verwerfen müssen, A n t o i n e ^) hat anknüpfend an diese eben erwähnte Formel sogar versucht, deren Berechtigung aus allgemein physikalischen Betrachtungen herzuleiten, indem er von der Voraussetzung ausging, daß die lebendige Kraft der Welle proportional ist dem Winddruck. Die lebendige Kraft setzt er gleich dem Produkt aus der Masse mit dem halben Quadrat der Geschwindigkeit der Wasserteilchen. Die Masse ist proportional dem Produkt ^/2 H .X, die Geschwindigkeit v der Orbitalbewegung ist gleich dem Umfang des Schwingungskreises dividiert durch die Periode , also % H .X, und danach die lebendige Kraft: Der Winddruck in Kilogrammen auf der Flächeneinheit von 1 qm darf proportional gelten dem Quadrate der Windgeschwindigkeit 2) , also vo^. FolgUch ergibt sich, da der Quotient r^^\ '.2 z^ als konstant anzusehen ist, die von Coupvent des Bois behauptete allgemeine Beziehung, daß H^ proportional ist iv^. Die Annahme, daß die lebendige Kraft der Welle dem Winddruck proportional sei, trifft aber nicht zu. Denn die Beob- achter berichten, daß auch bei gleichbleibendem Winddruck, wenn er nur andauert, die Wellendimensionen weiter wachsen: die Höhen, bis sie sich einem bestimmten Maximum nähern, während die Längen, die für das Volum // . A maßgebend sind, andauernd zunehmen. Die lebendige Kraft der Welle ist also auch von der Zeitdauer des Winddrucks, nicht nur von dessen Größe abhängig, denn die Energie des Windes wird von der Welle aufgespeichert. Antoine seinerseits bestimmt die Konstante A, nicht wie sein Vor- gänger zu 0.68, sondern zu 0.75, gemäß seiner Sammlung von Wellen- und Windbeobachtungen, auf die wir uns oben schon einmal bezogen ^) Revue maritime et coloniale 1879, t. 60, p. 631. ^) Nach Rühlmann (Hydromechanik) § 16 ergibt sich der Druck (in Kilo- gramm) einer unt«r dem Winkel a auf die Fläche F mit der Geschwindigkeit tc wirkenden Flüssigkeit zu N = hl-Fvßs.m^u, g wo k eine Konstante (bei Metermaß fast genau =1), v das spezifische Gewicht der Flüssigkeit bedeutet. Bei kleinefi Winkeln (unter 20°) ist die Formel nicht mehr verwendbar. Mit Benutzung Kirchhoffscher Formeln setzt dagegen Lord R a y- 1 e 1 g h (Philos. Mag. 1876, II, 434) den Druck auf der Flächeneinheit - sin a. „ = — : p w^, 4 -{- K svn. o. ' wo p die Dichtigkeit der Flüssigkeit bedeutet. — Eine vollständige Theorie des Wind- drucks mangelt (H a n n, Lehrbuch der Äleteorologie, Leipzig 1901, S. 374). 72 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. haben (S. 44). Die Auswertung der Windstärken läßt obige TabeDe (S. 70) ersehen und ein Blick in dieselbe wird zeigen, wie die Werte für w; noch erheblich größer angesetzt sind als die alten englischen. Auch seine Be- obachtungsreihen schließen sich einer empirischen Beziehung H = '^\i %v' (w nach Koppen bemessen) noch gut an. Endhch ist nicht zu vergessen, daß Antoine alle Wellenbeobachtungen durcheinander gerechnet hat, statt sich auf diejenigen zu beschränken, wo Wind- und Wellenrichtung über- einstimmten, so daß wirklich die Wellen dann als ein Erzeugnis des Windes gelten durften. Indem man nur diese Beobachtungen aus seinen Tabellen herausnimmt und zugleich alle in der Nähe des Landes angestellten aus- schaltet, so erhält man von 202 Messungen nur 49 diesen Bedingungen genügende. Auch davon ist noch eine Anzahl zu verwerfen, die sich offen- bar auf Dünungen bezieht, die mit dem an Ort und Stelle herrschenden mäßigen Winde trotz gleicher Kichtung nichts zu tun hatten, wie sich aus der kolossalen Wellenlänge im Vergleiche zu der minimalen Wellen- höhe erkennen läßt. So bleiben am Ende nur 35 Beobachtungen übrig, welche folgendes Kesultat ergeben: Grade der Windskala (Beaufort) . . II III IV V VI VII VIII • Windgeschwindigkeit (Koppen) . . . 3.1 4.8 6.7 8.8 10.7 12.9 15.4 Mittel der Wellenhöhen Zahl der Beobachtungen (1) I (1.2) 4 3.0 II 3.8 5 4.6 6 5.0 5 (8.0) 3 H = 0,447 w 1.4 2.1 3.0 3.9 4.8 5.8 6.9 Unzuverlässig sind die Mittelwerte für die Skalengrade II und VIII wegen zu geringer Zahl der Beobachtungen. Auch die Wellenhöhe für Stärke III ist verdächtig, da in den vorliegenden vier Beobachtungen H/X ist = resp. 1 : 80, 2 : 70, 1 : 45, was sehr nach Dünung aussieht. Aber für diese Stärke III könnten wir eher den von Coupvent des Bois gefundenen höheren Wert H = 2,0 einfügen, obwohl auch sicherlich in diesem Mittelwert zahlreiche Messungen von Dünung enthalten sind, der- selbe also als ein M i n i m a 1 w e r t gelten muß. Das Ansteigen der Wellenhöhen mit der Zunahme von w erfolgt hier von Stärke IV ab an- genähert nach dem Verhältnis H = 0.447 w; bei den schwächeren Winden aber, ebenso wie schon bei Coupvent des Bois' Tafel hervortrat, nicht einfach linear, sondern langsamer. Einen vierten Versuch, die Beziehungen zwischen Windgeschwindig- keit und Wellenmaßen zu studieren, hat der oft erwähnte Leutnant P ä r i s 1) gemacht. Da er sein Material nicht nur nach den geographischen Windregionen, sondern auch nach Klassen des Seegangs, mit Beachtung der Windstärke, geordnet hat, so gewährt schon seine hierauf bezügliche Zusammenstellung für uns ein erhebhches Interesse. Wir korrigieren seine ^) Revue maritime et colon. Bd. 31, p. 126. Wachsen der Wellenhöhen mit der Zeitdauer der Windwirkung. 73 Angaben für die Windgeschwindigkeit wiederum nach Koppen (cf. Tabelle S. 70) und geben außer den Mittelwerten der Wellenhöhen auch deren absolutes Maximum und Minimum- für jede Klasse, wobei zugleich auch die Werte für die Dünungen {grosse houle, houle) für sich gesetzt sind, da sie mit dem vorliegenden Problem nichts zu tun haben. Freilich ist nicht gewiß, daß in den anderen Kategorieen, zumal der letzten, nicht auch einzelne Dünungen enthalten sind. Klasse des Seegangs Mittlere Windstärke Beaufort 1 m p. S. Wellenhöhe Mittel Max. Min. Sehr hohe See Hohe See Grobe See . Leichte See . 7-V2 6 4 18.0 14.2 10.7 6.7 7.76 5.05 3.55 1.60 11.5 7.5 6.5 4.0 6.5 3.5 2.3 0.8 Hohe Dünung Dünung . . 8.8 6.7 4.1 2.4 7.0 4.5 3.0 1.0 Hiemach hat es den Anschein, als wenn die Wellenhöhe nicht einfach der Windgeschwindigkeit proportional ist, sondern bei den höheren Stärke- graden des Windes ergiebiger anwüchse. Aber auch hier fehlt wieder jede Beziehung zur Zeitdauer der Windwirkung. Gegenüber diesen unvollkommenen Versuchen bedeutet, das Vorgehen C. B o e r g e n s ^) einen erhebUchen Fortschritt. Die Erfahrung scheint darauf hinzuweisen, daß die WeUenhöhen mit der Zeitdauer der Wind- wirkung nicht einfach wachsen, sondern anfangs rasch, später immer langsamer, bis sie für jede gegebene Windgeschwindigkeit ein Maximum erlangen, das auch bei fortgesetzter Andauer derselben Windstärke nicht überschritten wird, d. h. daß sie sich dabei asymptotisch einem Grenzwert nähern. Einer solchen Bedingung würde am besten ein Ausdruck von der Form genügen: H = H„ 0 + t). worin H die gesuchte Wellenhöhe, H^ die beim gegebenen Wind maximale Höhe, t die Zeitdauer seit Beginn des Windes und a eine Konstante bedeutet. Für t = 0 wird auch H = 0 und iüit = oc wird H = H„, , und das Wachsen von H ist offenbar anfangs viel rascher als später. Aber auch so ist die Formel noch nicht vollständig; denn die Wellenhöhen ließen sich dadurch nur für Wasserflächen von unendhcher Ausdehnung und gleichmäßiger großer Wassertiefe ausdrücken. Um das Problem nicht unnötig zu kom- plizieren, wird von der Einwirkung der Wassertiefe ganz abgesehen. Für die Wirkung des Seeraums empfiehlt sich ein ähnlicher Ausdruck wid für die Zeitdauer. Nennen wir D die Länge der vom gegebenen Winde bö- strichenen Bahn in Seemeilen, und sei die Geschwindigkeit des Windes ebenfalls in Seemeilen pro Stunde ausgedrückt (was durch Multiplikation ^) Ann. der Hydr. 1890, S. 3flf. 74 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. der Meter pfo Sekunde mit 3600 s/1852 m = 1.94 geschieht), und wird endlich angenommen, daß die Maximalhöhe der Wellen nach Bestreichung der ganzen, im betreffenden Ozean gegebenen Windbahn in der Zeit t derjenigen Höhe gleich sei, welche bei der gleichen Windstärke und un- begrenztem Seeraum in derselben Zeit t erreicht wird, so erhalten wir nach B o e r g e n die vollständige Formel in dieser Form : H = 1 + 1 ■ 94 ~~D~ IV ^)hT) Boergen vermißt an diesem Ausdruck noch eine Rücksichtnahme auf die Tatsache, daß der gegebene Wind wohl niemals ganz plötzlich in seiner vollen Stärke w einsetzen wird, vielmehr in einer von Fall zu Fall ver- schiedenen Weise auf diese Stärke anwächst, ein Verhalten, das sich ebenfalls wieder durch eine Formel von der Gestalt w ,, = w: {1 -\- ^It) aus- drücken ließe, wo Wt die zur Zeit t vorhandene Windgeschwindigkeit lieferte und erst bei sehr großen Werten von t sich iv näherte , bei ^ = co aber Wt = w würde, ^uch von dieser Komplikation sieht Boergen jedoch weiterhin ab. Um die Formel anzuwenden, bedarf es einer Bestimmung der Kon- stanten a und des Wertes H^ als Funktion der Windstärke. Nach Boergen soll nun Hm einfach = Va ^v sein. Fast die gleiche Verhältniszahl erhält man aus einer von Dr. Vaughan Cornish^) aufgestellten Regel, wonach 20TT11 15- Fig. 20. Abhängigkeit der maximalen Wellenhöhen von der Windstärke. JO- iV 4S 50 55 eOrtt.p.S. Wtnciq e s chw ijtdiff Je ett die mittlere Höhe der dem jeweiügen Wind zukömmenden steilsten Wellen in englischen Fuß gleich sein soll der halben Windgeschwindigkeit, diese in englischen Meilen für die Stunde angegeben, was in metrischen Maßen zu H„i = 0.37 w werden müßte. Diese Annahme ist aber mit den Beob- achtungen nicht in Einklang zu bringen : man erhält für die niederen Stärke- grade viel zu hohe Wellen, Betrachtet man die Skala der Wellenstärken von Wilson Barker (S. 54) und die Angaben von Paris in seiner letzten Tabelle (S. 52), so gewinnt man den Eindruck, daß auch die höchsten einer bestimmten Windgeschwindigkeit zukommenden Wellenhöhen sich nicht einfach der Windstärke proportional verhalten. Auch so betrachtet, steigern sich die Wellenhöhen bei geringen Windstärken nur langsam, 1) Nature 1909, Bd. 80, p. 119. Untersuchungen von Boergen. 75 dann aber rascher, um zuletzt wieder bei sehr starken Stürmen überhaupt nur wenig zu wachsen. Bei graphischer Darstellung gelangt man zu einer Kurve, die den Anschein gewinnt, als ob sie in ihrer Fortsetzung lemnis- katenähnlich verlaufen könnte (s. beistehende Fig. 20), was übrigens die physikalische Bedeutung haben würde, daß bei den orkanmäßigen größten Windstärken die Wellenkämme instabil gemacht, weggerissen und zuletzt so die Meeresoberfläche wieder eingeebnet würde. Die mir nach den vor- liegenden Beobachtungen am wahrscheinlichsten erscheinenden Werte der maximalen Wellenhöhen habe ich in folgender Tabelle einzusetzen versucht; ihre Angaben sind aber nur als eine erste Annäherung an die natürlichen Verhältnisse aufzufassen. Größte Wellenhöhen Hm bei gegebener Windgeschwindigkeit w. w Hm w Hm ! « Hm i - Hm m p. S. m m p. S. m m p. S. i 1 m m p. S. i m 1 1 0.1 ! 7 1.9 1 1 13 ' 5.3 1 19 10.0 2 0.3 8 2.4 • 14 6.0 20 10.9 3 0.5 9 3.0 15 i 6.7 22 12.0 4 0.8 10 3.5 16 7.5 25 (13.3) 5 1.0 11 4.0 17 8.4 30 (15.0) • 6 1.4 i '^ 4.6 18 9.1 40 1 (17.0) Diese Werte beziehen sich selbstverständlich nur auf ozeanische Flächen von großer Wassertiefe; wird in Landnähe die Wassertiefe gleich der Wellenlänge, so treten Steigerungen der Wellenhöhen auf, von denen später die Rede sein wird. Um nun weiter die Konstante a zu finden, benutzt Boergen die bereits erwähnte Beobachtung von Paris, wo er im südlichen Indischen Ozean infolge starker Weststürme, die vier Tage oder rund hundert Stunden hin- durch mit auffallender Regelmäßigkeit andauerten, die mittlere Höhe der Wellen von 6 ai^f 7 m ansteigen sah. Der Seeraum D ist hier ohne Be- denken = oo zu setzen, so d^aß dieses Glied im Nenner verschwindet. Boergen gelangt auf dem Wege sukzessiver Annäherung unter bestimmten, mehr oder weniger wahrscheinlichen Annahmen zu einer Lösung der beiden Gleichungen 6 = E. 1 + und 7 = E. 1 + «+100 und so zuletzt zu Werten für 7/„, = 7.1, a = L864 und t = 10 Std. Er schätzt die Windstärke, die Paris nicht genau genug angibt, sicherlich zu hoch auf 20 bis 23 m p. S.> was 10 bis 11 Bf. ergäbe; nehmen wir aber, für eine so lange Zeit wahrscheinlicher, eine mittlere Windgeschwindigkeit von 16 m p. S., so erhalten wir nach unserer Tabelle H,,, = 7.5 m. Alsdann werden beide Gleichungen auflösbar und ergeben a = 10 und t = 40 Std., was bedeutete, daß ein Zeitraum von 40 Std. mit einer durchschnittlichen Windgeschwindigkeit von 16 m p. S. genügen würde, um eine vorher schlichte Meeresoberfläche mit 6 m hohen Wellen zu bedecken. Ohne 76 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. großen Wert darauf zu legen, möchte ich mir nicht entgehen lassen, darauf hinzuweisen, daß die Konstante a = 10 auch auffälliger- oder zufäUiger- weise vortrefflich zu meiner Beobachtung der Passatwellen am 20. und 21. September 1889 (S. 67) paßt. Nimmt man für die Zeit von t = 18 Stun- den zwischen der ersten und zweiten Beobachtung das Mittel der beiden Windgeschwindigkeiten (9 und 13 mp. S.), also 11, so lieferte f ür D = co und Hm = 4.0 die Formel H -~ 2.6 m. Boergen selbst prüft seine Formel an den von Paris als Mittelwerten angegebenen Wellenmaßen verschiedener Meeresräume (Tabelle S. 52), wobei er genötigt ist, die zugehörigen Wind- stärken schätzungsweise zu ergänzen. Die Entwicklungszeit t wird dabei in allen Fällen = oo, der Seeraum D ebenfalls so für die beiden süd- hemisphärischen Westwindgebiete, während für die Passate des Atlanti- schen, Indischen und Westpazifischen Ozeans D = 100 Seemeilen und für die Ostchinesische See D = 600 Seemeilen angenommen werden. Es erübrigt sich wohl der Nachweis im einzelnen, daß sich unter anderen Annahmen für w und D ebenso befriedigende Ergebnisse ausrechnen lassen, als sie Boergen -mit dem Werte für a = 1.86 erhält. Hier ist es doch wohl geboten, weitere vollständige Beobachtungen abzuwarten, was übrigens auch Boergen selbst empfiehlt Die Beziehungen der übrigen Wellendimensionen, also der Länge, Geschwindigkeit und Periode zum Winde sind bisher wenig untersucht und noch dazu unrichtig aufgefaßt worden. A n t o i n e hat, auf sein großes Material französischer Wellenmessungen gestützt, sich für be- rechtigt gehalten, folgende Kegeln aufzustellen: Die Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Wellen ist der vierten Wurzel und die Wellenlänge und Periode der Quadratwurzel aus der Windgeschwindigkeit proportional, was also formelmäßig lauten würde: iL i_ J_ c = 6.9w;^^ X = 30 w 2 , t-= 4.4 w ^ Hierbei sind für die Weilenlänge und Periode die aus den bekannten Wellenformeln (VIII, S. 9) zu entnehmenden Beziehungen verwendet. Antoine rechnet aber hierbei mit seiner eigenen Übertragung der Beaufort- skala in absolute Windgeschwindigkeit, erhält also für w durchweg viel zu hohe Werte, und wenn wir diese nach Koppln verbessert einsetzen, wird die ganze Grundlage umgestoßen. Ähnhches gilt von einem Versuche, den Paris unternommen hat. Indem er aus seinen Wellenmessungen alle ausschied, wo es sich um Dünungen oder Wellen in Landiiähe oder in Flachwasser handelte, und nur solche wählte, bei denen die unmittelbare Windwirkung ungestört vorlag, behielt er 31 Tagesreihen übrig, aus denen er Mittelwerte für die Geschwindigkeit der Wellen bildete und die er in vier Gruppen von gleicher Zahl anordnete. Den gleichzeitig beobachteten Windstärken gegenüber- gestellt, ergaben sie ihm, daß „bei genügendem Seeraum, einer dauer- haften Brise und regelmäßiger See die Wellengeschwindigkeit proportional ist der Quadratwurzel aus der Windgeschwindigkeit", also einfach c = \/w. Wohlgemerkt, Paris rechnete mit der von ihm angenommenen Übertragung der Bcaufortstärken in Meter pro Sekunde, wodurch er aber noch viel höhere Werte von w als Antoine einführte. Ich gebe in der nachstehenden Untersuchungen von Boergen, Antoine, P&ris. 77 Tabelle seine Daten und füge die nach Koppen (S. 70) verbesserten "Werte der Windgeschwindigkeit ein; eine Gesetzmäßigkeit, wie die von Paris Wellengeschwindi m p. S. Gruppen gkeit Mittel = c Windgeschwindigkeit m p. S. nach nach Paris Koppen = ty = w' w c w' c c \/w' c I: 8—11 II: 11—14 III: 14—15 IV: 15 u. mehr 9.6 12.4 18.4 21.6 6.0 12.4 18.4 21.6 6.7 10.4 13.0 14.5 0.63 0.99 1.26 1.32 0.70 0.83 0.89 0.88 0.25 0.27 0.29 0,28 0.27 0.26 0.25 0.23 abgeleitete, bleibt dann nicht mehr bestehen. Aber wie bereits vorher (S. 69) bemerkt, ist die grundsätzUche Auffassung, als ob Wellenlänge, Geschwindigkeit und Periode dem gegebenen Winde unmittelbar pro- portional wären, ungenügend: es ist die Wirkung der Zeit vergessen. Diesen Einwand hat Boergen zu vermeiden gesucht, indem er eine Formel aufstellte, die der für die Wellenhöhen gefundenen analog lautet: X = - 1 + ~D ^)0H) worin D den Seeraum oder die bestrichene Windbahn (in Seemeilen), t die Zeit der Winddauer in Stunden, w die Windgeschwindigkeit (in Meter pro Sekunde) und ß eine Konstante bedeutet, Xm aber die für eine gegebene Windstärke mögliche größte Wellenlänge (eine bestreitbare Annahme). Auf -Grund der von Paris gelieferten Beobachtung, daß in 4 Tagen während auffällig anhaltender starker Weststürme die Wellenlängen von 113 auf 235 m angewachsen seien, und indem eiw = 21.3 m p. S,, < = 100 Stunden und allgemein Xm = 12.34 iv ansetzt, gelangt er für ß zum Werte = 13.31. Aber auch diese Formel ist auf einer falschen Voraussetzung aufgebaut: die Wellenlänge wächst anhaltend und nähert sich auch bei gegebenem stetigem Winde, nicht wie die Wellenhöhe einem Maximum, sondern sie wächst stetig weiter, so daß eine einfache Beziehung wie 'km = 12.34 w ganz imdenkbar ist. Man könnte diesen Fehler dadurch vermeiden, daß man nur das Wachstum einer gegebenen Wellenlänge untersuchte und eine Formel von folgender Gestalt verwendete: worin lo die bei Beginn der Windwirkung gegebene Wellenlänge, w die Wind- geschwindigkeit, l die nach Ablauf der Zeit t (in Stunden) erzielte Wellen- länge, ci und /9 zwei Konstanten bedeuten. Die Formel zeigt, daß bei der Zeit t = 0 auch X = Aq ist, daß bei w; = 0 A noch weiter wachsen könnte, vorausgesetzt, daß die Konstante ß ein positives Vorzeichen erhält. Setzt man aber die von Paris geUeferten Daten [l = 235, Ao = 113, t = 100 Std., w = 16) ein und dazu meine Beobachtungen im zentralatlantischen Passat {X = 30, Ao =10, t~l8 Std., w= 11), so erhält man als Wert der Konstanten « = 0.94, 78 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. ß aber = — 102, d. h. bei Aufhören des Windes nehmen die Wellenlängen rasch ab, was den Beobachtungen durchaus widerspricht. Die Formel genügte im übrigen auch der Anforderung, daß die Längen X bei großen Aq langsamer wachsen als bei kleinen, da doch nach der erwähnten Beobachtung im Passat die A in 18 Stunden von 10 auf 30 m, im Westwindgebiet in 100 Stunden nur von 113 auf 235 m angewachsen sind. In noch entschiedenerer Weise heße sich diese Anforderung rechnungsmäßig dadurch erfüllen, daß man in den Nenner des zweiten und dritten Glieds statt Aq das größere und wachsende / einsetzte, also damit eine quadratische Gleichung wählte; a würde im vor- liegenden Fall = 2.2, ß = — 63 werden. Wir sind angesichts dieser Schwierigkeiten gezwungen, nunmehr eine ganz andere Grundlage für die Betrachtung zu suchen, und das geschieht, indem wir den von Antoine bereits berührten, aber nicht weiter ver- folgten Weg benutzen und uns erinnern, daß die Wellen ihre Energie doch nur vom Winde empfangen. Aus den Beobachtungen gewinnt man die Überzeugung, daß die vorhandene lebendige Kraft des Windes bei un- unterbrochener Betätigung immer größere Volumina des Wassers in ihren Bereich zieht. Da, wie wir auf Grund der Beobachtungen annahmen, die Wellenhöhen einem gewissen Maximum unterworfen sind, muß die Ver- mehrung des Volumens in einem Wachsen der Wellenlänge und, damit zusammenhängend, einer Steigerung der Orbitalbahnen auch in der Tiefe gesucht werden^). Hier hilft uns nun Formel XII (S. 11), der analytische Ausdruck für die Totaknergie der Welle, in erwünschter Weise weiter: die Formel lautete vollständig: Betrachten wir das Hauptglied vor der Klammer, so ist daraus sofort zu entnehmen, daß die Wellenenergie direkt mit der Wellenlänge wächst, aber außerdem mit dem Quadrat der Wellenhöhe. Wenn bei längerer Andauer des konstanten Windes die Wellenhöhe nur wenig oder^gar nicht mehr zunimmt, verkörpert sich der fortschreitende Energiezuwachs in einer Vergrößerung der Wellenlängen. Ja, wenn der Wind aufhört und entsprechend die Wellenhöhen immer kleiner werden, wird die in der (reibungslos gedachten) Flüssigkeit vorhandene Energie ein stetiges Wachsen der Wellenlängen herbeiführen , damit der Faktor kW^ den gleichen Wert behält. Bei der engen Verknüpfung, die nach der Wellen- theorie zwischen Länge, Periode und Geschwindigkeit besteht, müssen auch diese mit steigender Wellenenergie in gleichen Schritten wachsen, so daß die Wahrnehmung von Paris, wonach „dieselbe Brise auch immer dieselbe Wellengeschwindigkeit erzeugt" (S. 67), wörthch genommen kaum richtig sein kann. Hierauf ist später bei der Darstellung der Dünung zurückzukommen. Das Eingreifen der Windwirkung von der Oberfläche in die T i e f e ist nicht weniger wesentlich ; es erfolgt gemäß der Formel (I) ^) Die Tatsache, daß die der Wellenlänge proportionale Wellengeschwindigkeit mit dem Alter der Welle zunimmt, ist nichts Neues; sie findet sich schon bei C a u c h y, ja schon bei Leonardo da Vinci, der sagt: „L'onda quanto piü si muovo piü si abbassa, e piü si dilata e piü si fa veloce. " (Nach C i a I d i in Bivista marittima 1873. I, p. 15.) Ansammlung der Windenergie in der Welle. 79 für die Radien der Orbitalbahnen in den verschiedenen Tiefenschichten (vgl. auch die Tabelle S. 10): [j = he ^ . In einer gegebenen Tiefe z ist Ä, solange die Windstärke noch gleich bleibt, gleichfalls beinahe konstant, nur 'k ist veränderlich. Alsdann wächst p vorzugsweise in dem Maße, wie X größer wird ; denn der obige Exponential- ausdruck ist doch ein echter Bruch, dessen Nenner an Größe abnimmt, je mehr X wächst. Der absolute Wert, welchen die Amplituden der Orbital- bahnen in gegebener Tiefe alsdann zeigen, ist also- ebenfalls wieder eine Funktion der Zeit; je länger der Wind wirkt, je größer die Wellenlänge wird, um so größer werden die Ausschläge der Wasserfäden in der Tiefe. Das gleiche gilt von der Orbitalgeschwindigkeit in der Tiefe, welche nach (XI) ist: V = ce ^ , also sich ebenfalls steigert, imd zwar auch hier immer größere Bruchteile von c vorstellt, je größer X wird. Es geraten also immer größere Wasser- massen unter der stetigen Windwirkung in immer ausgiebigere Schwin- gungen. Diese werden sich nUn noch lange konservieren kraft ihres großen Trägheitsmoments und dank der sehr geringen inneren Reibung des See- wassers, auch wenn an der Oberfläche die- Windimpulse ganz aufhören. Die Orbitalbahnen an der Oberfläche würden alsdann in ganz flache El- lipsen übergehen müssen, da ja die Wellenhöhe so schnell abnimmt. Wir werden diese Vorgänge noch später zu erwähnen haben, wenn es sich um die Brandung und die sogenannten Grundseen handelt, und wo sich er- geben wird, daß der horizontale Durchmesser dieser Orbitalbahnen doch auch an der Oberfläche noch recht beträchtlich bleiben muß, wenn sich auch der vertikale stark verkleinert. Die Brüder W« b e r (Wellenlehre § 167, 3) haben bei ihren Experimenten in der Wellenrinne bereits feststellen können, daß, wenn die wellenerzeugenden Impiilse in größerer Tiefe unter der Oberfläche auf das Wasser einwirkten, jedesmal die Wellenlänge größer ausfiel, als wenn die Impulse ganz oberfläch- lich blieben; je nachdem sie die Glasröhre, in der die wellenerregende Wasser- säule niederfiel, mehr oder weniger tief in die Flüssigkeit eintauchten, konnten sie längere oder kürzere Wellen erzeugen. Dieses Experiment ist nnmittelbar auf die Windwirkung, wie wir sie auffassen, anzuwenden, insofern auch letztere immer tieferliegende Wasserschichten in ausgiebigere Schwingungen versetzt, je länger sie wirkt, und dementsprechend erfahrungsgemäß die Wellenlänge wächst. — Durch die Einführung des Prinzips der Wellenenergie in unsere Unter- suchung sind wir auch in der Lage, ein -strittiges Problem der Wellenlehre aufzuklären, das sich auf das Verhältnis zwischen Windgeschwindigkeit und Wellengeschwindigkeit bezieht. Nach- der von uns wiedergegebenen Tabelle von Paris (S. 77) würde bei allen vier Gruppen von Wellen der in der Sekunde zurückgelegte Weg des Windes kleiner sein als der der Wellen, Auch aus den Mittelwerten, wie sie Paris nach den verschiedenen Meerewgebieten geordnet hat (vgl. S. 40), ist, zumal wenn wir die Wind- 80 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. stärken in Köppens Übertragung einführen, im wesentlichen dasselbe zu entnehmen; es wird nämlich in Meter pro Sekimde: Meeresgebiete lAtlant. Passat Süd- atlant. Westw. Ind. Westw. Ind. Passat ■ Chines. Meer West- paz. Gebiet Mittl. Geschw. der Wellen (m p. S.) . „ „ des Windes (Paris) . . (Koppen) . 11.2 4.8 6.9 14.0 13.5 10.9 15.0 17.4 12.5 12.6 6.5 7.0 11.4 14.6 11.3 12.4 8.5 8.2 Nicht ganz zu diesem Verhalten würde eine eigene Beobachtung passen, die ich am 21. Juli 1889 in der Irmingersee ausführte^), wobei ich die Geschwindigkeiten der Wellen auf 6.4, zwischen 4.3 und 8.0 m p. S. maß, während die gleichzeitige Windstärke auf Stärke 4 nach Beaufort, also nach Koppen auf 6.7 m p. S., d. h. den Wellen gleich anzusetzen war. Im Gegensatz dazu hat G. Schott bei sämtlichen von ihm ge- messenen Windwellen den Wind schneller gefunden, als die WeUen (vgl. auch Tabelle S. 42), wie folgende Übersicht zeigt, wo die Windstärken der Beaufortskala wie immer nach Koppen in Meter pro Sekunde um- gesetzt sind. Schott widerspricht infolgedessen aufs entschiedenste den Folgerungen, die aus den von Paris gegebenen Beobachtungen abgeleitet worden sind. Nummer der Beobachtung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wellengeschwindigkeit (m p. S.) Windgeschwindigkeit (m p. S.) . Windstärke (Beaufort) . . . 7.2 8.8 5 7.4 8.8 5 7.8 8.8 5 8.2 10.7 6 8.8 9.7 5-6 10.2 10.7 6 13.3 18.0 9 14.7 17.0 8-9 14.2 18.0 9 18.3 21.0 IQ Nach den von G a i 1 1 a r d veröffentlichten Beobachtungen ameri- kanischer Seeoffiziere, die insgesamt 37 Fälle umfassen, waren in 25 Fällen wieder die Wellen schneller als der gleichzeitig herrschende Wind. Aber es sind unter diesen Beobachtungen einige offenbare Dünungen, indem bei Windstärken von 2 Beaufort abwärts bis zur Windstille Wellenhöhen von 2 m verzeichnet werden (7 Fälle), oder wo das Verhältnis der Höhen zu den Längen der Wellen dünungsgemäß ein sehr kleiner Bruch ist (noch 2 Fälle), so daß von den übrig bleibenden 28 Beobachtungen nur noch 16 eine größere Wellengeschwindigkeit aufweisen. Unter den Messungen Gassenmayrs finden sich bei den Windwellen 4, deren Geschwindig- keit größer als die des gleichzeitigen Windes war; in der Mehrzahl der Fälle war es umgekehrt. Die vier bezeichneten Fälle beziehen sich freilich auch auf relativ zur Höhe recht lange Wellen (k : H = 27 und 32 je 2mal), so daß auch hier Dümmgsstadien nicht ausgeschlossen sind. Ich stelle seine betreffenden Beobachtungen 2) hier vollständig zusammen: ^) Geophys. Beob. der Plankton-Expedition, S. 111. Die Wellenlängen lagen zwischen 30 und 46 m, die Perioden zwischen 5.6 und 9.0, im Mittel bei 7 Se- kunden. *) Vgl. die TabeUe oben S. 43. Windgeschwindigkeit und Wellengeschwindigkeit. 81 Nummer der Windwellen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Wellenhöhe (m) Wellenlänge (m) \:H = Windstärke Beaufort .... (m p. S.) ... Geschwindigkeit der Wellen . 1.6 30 20 5 8.8 6.7 1.3 25 20 4 6.7 6.2 1.6 40 25 5-6 9.8 8.0 1.4 45 32 4—5 7.8 9.0 1.4 35 25 5-6 9.8 7.3 1.4 35 25 5 8.8 7.0 6.5 120 19 9 18 12.0 7.5 140 19 lO 21 12.7 4.6 120 27 7 12.9 15.0 1.5 40 27 4 6.7 8.0 Nummer der Windwellen 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Wellenhöhe (m) Wellenlänge (m) X:fi = Windstärke Beaufort . . . . (m p. S.) ... Geschwindigkeit der Wellen . 2.3 35 15 6 10.7 5.9 2.5 40 16 6 10.7 6.2 2.0 30 15 6 10.7 5.0 4.4 140 32 6-7 11.9 14.0 1.1 35 32 6 10.7 6.7 2.3 40 17 6 10.7 6.7 3.0 45 15 6 10.7 8.0 2.7 35 13 6 10.7 5.8 3.5 46 13 8 16.4 6.4 6.0 80 13 9 18.0 8.5 Nummer der Dünungen 1 2 3 4 5 6 7 8 Wellenhöhe (m) . . . . . 2.6 3.0 2.5 3.5 3.5 3.4 2.0 4.5 Wellenlänge (m) 40 130 80 130 60 55 48 100 X:H = 16 43 32 37 14 16 24 22 Windstärke Beaufort .... 6 S 5 3 5-6 4 2 8 (m p. S.) ... 10.7 8.8 8.8 4.8 9.8 6.7 3.1 15.4 Geschwindigkeit der Wellen 7.3 13.7 13.3 13.0 8.3 10.0 7.6 12.6 Zunächst kann nicht geleugnet werden, daß es auf den ersten Blick erstaunlich wirkt, wenn, der Wind als der eigentliche Zubringer und Träger der Wellenenei^ie langsamer sein soll als die von ihm erzeugten Wellen selbst. Hier muß jedoch von vornherein der große Unterschied zwischen der Fortpflanzungsgeschwindigkeit (c) und der Orbitalgeschwindigkeit (v) betont werden. Ihr Verhältnis bestimmt sich nach der früher gegebenen Gleichung (IX, S. 11) us=2 7ccÄ/X. Daraus folgt bei den Passat- wellen in Paris' Tabelle, wenn wir Ä = 1.2, X = 85, c = 12 setzen, V = 1.065 m; und bei den Westwinden, wo h = 2.4, X = 125, c = 14.5 zu setzen ist, wird v zu 1.75 m. Man kann sich durch leichte Rechnung überzeugen, daß die Windgeschwindigkeit noch immer im Passat 7.5, in den Westwinden 6mal, bei starken Stürmen 4mal größer ist als die Orbital- geschwindigkeit der vom Winde unmittelbar getroffenen Wasserteilchen. Physikalische Bedenken gegen eine größere Geschwindigkeit der WoUe sind also nicht aufrecht zu erhalten. Anderseits sind aber auch alle bee- fahrer mit der Erscheinung vertraut, daß die Well < i dem Sturme voraus- eilen und diesen ankündigen; schon die aristotelischen Probleme^) b> M 931, a, 38; 932, b, 29; 934, b, 4 der akademischen Ausgabe. Ebenso Ari- stoteles selbst in Meteor. 2, 8, 21- Krü tnmel, Ozeanographie. II. 6 82 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. schäftigen sich eifrig mit der Frage, „warum die Wellen zuweilen früher ankommen als der Wind", wenn auch die Erklärungsversuche dunkel bleiben. Wir werden aber später sehen, daß hier mehrere Erscheinungen zusammengeworfen sind, die man besser getrennt behandelt, nämlich das Verhalten der Windseen und das der Dünungen. Die Erklärung für den Widerspruch zwischen den Messungen Schotts und Paris' ist durch die richtige Deutung der Energieformel E = i/s mgH^X (wir sehen von dem kleinen Korrektionsglied in der Klammer der Formel XII ab) gegeben, zumal wenn wir nach den Trochoidenregeln X durch c ersetzen und erhalten: E = ~-. ^mH^c^. Es zeigt sich dann, daß, solange die Windwirkung im Ansteigen begriffen ist und sich die lebendige Kraft durch das rasche Wachsen der Wellenhöhen vergrößert, die Portpflanzungsgeschwindigkeit c kleiner ist, als die Windgeschwindig- keit; ist aber die WeUenhöhe bei konstant bleibender Windstärke nach längerer Zeit ihrem Maximum nahe, so läßt die stetig weiter zunehmende Energie nimmehr die Wellenlängen und Geschwindigkeiten fortwachsen, und alsdann übertrifft c schJießUch die Windgeschwindigkeit w. Das Ver- hältnis der Wind- und der Wellengeschwindigkeit ist also notwendiger- weise variabel; es ist bestimmt durch das zeitliche Entwicklungsstadium der WelJßn, indem bei jung aufgeworfenen Seen c kleiner, bei ausgewachsener See aber c größer ist als iv. Erst recht ist das letztere der Fall, wenn der Wind abflaut und die Energie der Welle ni^r noch sehr wenig wächst, wobei die Wellenhöhe // abnimmt: dann muß c verhältnismäßig sogar sehr rasch weiter wachsen. Ebenso geht aus dieser Erwägung hervor, daß das Verhältnis der Wellenlänge zur Wellenhöhe gleichfalls von dem Entwicklungsstadium der Welle abhängt: bei jungem Seegang kann WH =10 oder noch kleiner sein, bei vorgerückterem Stadium wird dieser Quotient immer größer, und er muß sich bei abflauendem Winde und erst recht bei etwa eintretender Windstille noch mehr vergrößern , so daß X/i? = 50 oder noch mehr werden kann, wie bei den Dünungen auch beobachtet ist. Daher also das oft erwähnte Schwanken dieses Quotienten, was man aber keineswegs der Mangelhaftigkeit. der Trochoidentheorie zuschreiben soUte. Beachtet man nun weiter, daß die von Paris gegebenen Zahlen Mittel- werte aus einem großen Material sind (er spricht gewöhnHch von Tages- mitteln), wo also die Schwankungen der Windstärke völlig ehminiert sind, dann wird man begreifen, wie durch Vorherrschen von ausgewachsenen oder bei abflauendem Winde in Dünung übergehenden Seen ebenso die großen Mittelwerte der \\H , wie die relativ größere Fortpflanzungs- geschwindigkeit der Wellen im Vergleich zum Winde, zustande kommen mußten. Daß hier ein starkes Gemisch verschiedener Altersstadien der Wellenentwicklung vorliegt, ist nunmehr aus den nachstehenden Tabellen von Paris ohne weiteres abzulesen, ebenso aber auch, daß es unzulässig ist, aus diesen oder anderen Massenbeobachtungen ein „mittleres Ver- hältnis" zwischen X und H zu berechnen und etwa für schiffbautechnische Zwecke zu benutzen. Veränderliches Verhältnis der Wellenhöhe zur Wellenlänge. 83 Verhältnis der Wellenlängen X zu den Wellenhöhen H nach Paris: Klassen des See- gangs Sehr hohe See Hohe See Grobe See Leichte See Hohe Dünung Dünung Mittel 6ßx\:H Maximum „ „ • Minimum „ „ 19.1 22.5 15.4 21.0 23.0 15.0 21.6 30.0 13.3 38.7 80.0 21.6 29.3 48.6 18.4 32.5 63.3 15.3 Eine im einzelnen durchgeführte Rechnung mag das Gesagte verdeut- lichen helfen. G. Schott beobachtete im Südatlantischen Ozean bei einem sehr stürmischen, aber beständigen Südostpassat, den er auf Beaufort 8 bis 9 schätzte, eine ganze Wellsnhöhe von H = 7 m, eine. Länge von 130 m (also k/H = 19) und eine Geschwindigkeit c = 14.7 m p. S, Je nachdem wir E nach Pv oder c^ berechnen, erhalten wir mit m = 1026, .E = 10 730 oder 11 420 Pferdekräfte. Wir bleiben im folgenden beim ersten Werte nach X, da es sich nur um relative Verhältnisse handeln wird. Zu einer Beaufort- stärke 8 bis 9 gehört eine absolute Windgeschwindigkeit etwa von 17 m p. S. und dieser würde nach der Tabelle S. 75 eine maximale Wellenhöhe H,,, = 8.4 m entsprechen. Nehmen wir an, daß der Wind bei gleicher Stärke w = 17 m p. S. so lange geweht habe, bis Hm erreicht ist, und daß auch daim die Wellenlänge 19mal so groß ist, wie die Höhe, also l = 156, so wird in diesem Stadium die Wellenenergie E =\% 550 Pferdekräfte. Zu dieser Wellenlänge A == 156 m gehört nach der Trochoidentheorie eine Geschwindigkeit von c =15.6 m p. S., die also noch 1.4 m unter der Geschwindigkeit des Windes liegt. Bei weiterer Andauer des gleich stark bleibenden Windes wird H nicht mehr wesentlich zimehmen, sondern die Steigerung der Energie führt nun zu einem rascheren Anwachben von X und c; c wird = 17 m = w, sobald E auf 22 100 Pferdekräfte, also gegen das Stadium des eben erreichten Hm noch um rund Ve gestiegen ist. In dem Augenblicke, wo c = 17, wird (nach VIII) l = 185, ist dann also 22mal größer als die Wellenhohe. Damit /, = 30 Hm werde, was dem von Paris aus seinen zahlreichen Tagesmitteln berechneten und von den SchifE- bauem meist reproduzierten „mittleren" Verhältnis entspräche, müßte "k = 252 m oder c = 19.8 m p., S. werden — in diesem Falle also ist die Welle schon um 2.8 m .schneller als der Wind. — So ist dann auch meine S. 80 er- wähnte eigene Messung vom 21. Juli 1889 {w = 6.7, c = 6.4, zwischen 4.3 und 8.0 m p. S.) leicht aufzuklären: nach den Angaben des meteorologischen Tagebuchs war damals (nachmittags 5V2 Uhr) der Wind im Abflauen be- griSen, über Mittag war Stärke 6 Beaufort = 10.7 m p. S. vermerkt, wobei also eine Annäherung der w an die c erfolgen mußte. "Wellen, die der unmittelbaren weiteren Einwirkung des Windes, der sie erzeugt hat, entlaufen sind, werden zur Dünung. Während die SturmweUen die vom Winde übernommene Energie aufspeichern, ist die Dünung dazu bestimmt, diese Energie bei der Ausbreitung dieser Wogen über weite Meeresflächen aufzubrauchen, was mit einer charakteristischen Änderung der äußeren Gestalt der Wellen verbunden ist: das Profil wird abgerundeter und der reinen Trochoidenkurve ähnlicher, die Wellen- kämme erscheinen dann undeutlicher, und da die Wellenlängen zunehmen bei stetig sich mindernder Wellenhöhe, wird die Profilkurve als Ganzes genommen immer gestreckter, bis dann schließlich mit ganz minimalen Werten von H ungeheure von X verbunden sind, so daß in tiefem Wasser 84 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. die Undulation unsichtbar wird. Mit der Wellenlänge wächst entsprechend den Formeln der Trochoidentheorie auch die Fortpflanzungsgeschwindig- keit und die Periode. Über die Vorgänge, die eine solche Formveränderung des Seeganges zustande bringen, ist noch wenig Sicheres auszusagen. Nach G a i 1 1 a r d sind die Windseen nicht stabil genug geformt. Denn die Beobachtung zeigt, daß zwar alle diese vom Wind vorwärtsbewegten Wogen von geringer Kammlänge einander parallel sind, dabei aber der einzelne Wellenliamm nur auf eine kurze Strecke hin ausgeprägt bleibt, um bald Avieder zu ver- schwinden oder mit anderen Nachbarwellen zusammenisufließen, so daß er sein Dasein als Individuum verliert; dafür treten immer neue Wellen auf, aber nur, um rasch demselben Schicksal zu verfallen. Diese wirre An- ordnung der wellenbedeckten Meeresoberfläche (s. Fig. 9 S. 32 u. Fig. H S. 45) weist darauf hin, daß Wellen in dieser Entwicklungsphase keine hin- reichende Stabilität besitzen, um sich ohne wesentliche Gestaltänderung fortzupflanzen. Die trochoidale Bewegung scheint die einzige Wellenform zu liefern, die stabil genug ist, um den äußeren Störungen auf die Dauer zu widerstehen. Darum bleiben die am meisten trochoidal geformten Wellen zuletzt übrig, da sie den Kampf ums Dasein am leichtesten über- stehen. Es mag aber auch, wie D. W. T a y 1 o r^) will, die innere Reibung der Wasserteilchen hierbei im Spiele sein, indem nur in einer absolut reibungslosen Flüssigkeit alle möglichen Interferenzen und für das einzelne Teilchen die kompliziertesten Orbitalbahnen dauernd möglich erscheinen, während die mit innerer Reibung begabten Flüssigkeiten denjenigen Kom- ponenten der Orbitalbewegung die Oberhand gewähren, welche die stärksten und deren Ebenen einander parallel gestellt sind, und das können nur die der herrschenden Windrichtung folgenden sein. Sobald der Wind auf- hört, zerstören sich alle schwächeren oder abseits führenden Orbital- komponenten und die der ursprüngHchen Windrichtung entsprechenden, im Haupttakt bewegten werden fortschreitend die Alleinherrscher. Dabei nimmt dann die ganze Welle notwendig eine im Profil der Trochoide möglichst ähnhche Gestalt an, und können sich die WeUenkämme auch seitlich auf große Längen hin entwickeln und leichter erhalten. Trotz der meist nur geringen Wellenhöhen werden Dünungen, wo sie sich rein darstellen, wie bei Windstille, zu einem höchst fesselnden Natur- schauspiel (vgl. S. 46). G. Schott hat eine sehr zutreffende Schilderung davon entworfen. „Wohl ist, " sagt er, „eine wilde Sturmsee, welche ein in orkanartigen Höhen wehender Wind auf wirft und vor sich herjagt, wobei er das Wasser der WeUen- kämme in Schaum und Gischt in die Luft peitscht, imposanter und groß- artiger; wohl sind auch die Eindrücke, welche durch das Meer bei totaler Windstille und vollkommen ruhigem Wasser hervorgerufen werden, oft von überwältigender Schönheit, zumal in den tropischen Meeren, wenn die See mit ihrer wahrhaft unbeschreibhchen tiefblauen Farbe . . . glänzend wie ein poUerter Metallspiegel und unbewegt und glatt bis zur Kimm hin, das SchifE umgibt : aber etwas Eigentümlicheres als eine hohe Dünung auf glatter See wird man auf der Meeresfläche selten schon. Die See wird dann in gewisser Weise gespenstisch, unheimhch; man sieht die heftigen schnellen Bewegungen in *) Bei G a i 1 1 a r d, Wave action p. 67. Die Dünung. 85 langen, flach gewölbten Formen von der einen Seite her anrollen, unter dem Fahrzeug hinwegeilen und in entgegengesetzter Richtung ebenso schnell verschwinden, und dies in unaufhörlicher, regelmäßiger Folge. Die Sturmsee ist nichts Wunderbares, man fühlt den Wind, der sie erregt; die glatte See der äquatorialen Kalmen ist auch verständlich ; aber hier bei der Dünung ist ein Leben im Wasser scheinbar ohne äußere Veranlassung. Das in Wind- stille treibende Schiff wird von der Dünung hin und her geworfen, so daß die schlaff herabhängenden Segel bald voll, bald back fallen und ein beständiges, dem Seemannsohr sehr wenig erfreuliches Geräusch die Luft erfüllt." Den Zusammenhängen zwischen einer Dünung und vorangegangenen Sturmwellen, als deren Derivat sie auftritt, ist in einigen Fällen von Beob- achtern mit mehr oder weniger Erfolg nachgespürt worden. So berichtet Paris: „Im südlichen Indischen Ozean wurden wir, nachdem am 31. Ok- tober 1867 die steife Südwestkühlte uns verlassen hatte, um von den Kalmen des Steinbocks ersetzt zu werden, welche wir unter Dampf durchmaßen, begleitet während dreier Tage von einer Dünung, die nicht der geringste Wind- hauch beeinflußte. Die Südwestkühlte hatte eine regelmäßige See von 4.5 m Höhe bei 143 m Länge (in Mittelmaßen) und einer Geschwindigkeit von 15.3 m p. S. aufgeworfen. 60, Stunden später, 350 Seemeilen davon entfernt, besaß die Dünung, die etwa 12 Stunden gebraucht hatte, diesen Raum zu durchlaufen, noch 15 m Geschwindigkeit und 135 m Länge. Man kami also diese beiden Maße als unverändert ansehen, während die Wellenhöhe sich um die Hälfte vernaindert hatte. An dem letzten Tage, welchen diese lange Dünung und die gleichzeitige Windstille andauerte, wurde die Dünung von einer kleinen östUchen See gekreuzt, die kaum meterhoch war, dabei eine Ge- schwindigkeit von 7.3 m und eine Länge von 53 m besaß, d. h. fast dieselben Verhältnisse, die wir im voll entwickelten Passat vorfanden, als wir diesen am 3. November erreichten. Die nun herrschende regelmäßige Brise ließ dann die letzten Undulationen jener langen, von der Südwestkühlte erregten Dünung verschwinden, die sich 150 Seemeilen durch eine Stillenregion hindurch fort- gepflanzt hatte, während die kleinere Dünung des Passats in dieselbe nur 50 Seemeilen über den Bereich des letzteren hinaus vorgedrungen war." Ähnhch sah Leutnant 0. G a s s e n m a y r im Südatlantischen Ozean (30*' S., 28° W.) auf einen Südoststurm, der ihm tags vorher die größten Wellen von 7.5 m Höhe und 140 m Länge gebracht und sein Schiff nach Westen zurück- gedrängt hatte, am 19. Februar 1895 bei leichtem Nordwestwinde eine Dünung aus Südosten folgen, die nur noch 3.5 m.Höhe bei ungefähr gleicher Länge und Periode besaß (vgl. Tabelle S. 43 Nr. I, 7 und 8 mit II, 4). In diesem Falle ist es wohl noch angängig, diese Dünung als das Derivat oder örtliche Abschwächungsstadium der am Tage vorher beobachteten Sturmwellen zu betrachten, da diese den Raum von der Mittagsposition des 18. zu der des 19. Februar bei ihrer kolossalen Geschwindigkeit von 12.7 ni p. S. = 25 Knoten bequem in 2 Stunden durchmessen konnten. Der Beobachter bheb also in diesem Falle ziemlich gewiß in demselben Meeresgebiete, das am Tage vorher das Sturmfeld selbst gebildet hatte. In anderen Fällen wird iiicht zu vergessen sein, daß die Sturmwellen dem Beobachter an Bord seines Schiffes stets sehr rasch davonlaufen und er beim weiteren Verfolg seines Kurses auch in der Richtung dieser Wellen von Dünungen erreicht werden kann, die zwar wenige Stunden vorher sein letztes Sturmfeld passiert hatten, wo wieder das ruhigste Wetter herrschte, aber doch in Gegenden viel weiter luvwärts zurück unter ganz anderen Verhältnissen entstanden waren. Bei solchen Erörterungen ist also Vorsicht geboten. Nicht geeignet, für den vorliegenden Zweck verwendet zu werden, ist deshalb eine von G. Schott erwähnte Beobachtungsreihe wieder aus dem 86 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. südlichen Indischen Ozean. Er befand sich am 22. Dezember 1891 in 40*' S. B., 60 ° 0. L. in einem harten, zeitweise sehr schweren Sturm aus Südwesten, der eine sehr hohe See aufwarf (= Nr. I, 9 der Tabelle S. 51). Am 23. nahm der Wind ab und drehte nach Westen, während das Segelschiff 300 Seemeilen weiter gelaufen war: Wellenperiode, -gesch windigkeit und -länge wurden fast unverändert wie ani Vortage befunden, die Höhen aber hatten von 9.0 auf- 6.4 m abgenommen (Nr. II, 5 der Tabelle). Nach 5 weiteren Tagen, während deren das Schiff um 800 Seemeilen nach 33 " S. B., 81 " 0. L. vorgerückt war, verzeichnete Schott eine Dünung aus der Kichtung Südwesten zu Süden mit einer Wellenhöhe von 3.9 m, einer Länge von 93 m, einer Pe- riode von 7 Sekunden, einer Geschwindigkeit von 12 m p. S. (Nr. II, 3 der Tabelle S. 42), die er für die Fortsetzung der am 22. Dezember, also 6 Tage vor- her gemessenen Sturmwellen erklärt. Dem widerspricht ersthch die angegebene Richtung der Wellen: ein am 23. Dezember von 38° S., 66" 0. rückwärts nach Südwesten verlängerter Kurs schneidet den 40 ° S. Br. etwa in 69 " 0. L., also 9 <* in Länge oder 415 Seemeilen (zwei Tagesfahrten des Seglers) östlicher als das Schiff am Tage vorher stand, und von dem dritten Beöbachtungspunkte in 33° S., 81° 0. nach Südwesten zu Süden zurückverfolgte Wellen hätten den 40 ° S. B. sogar in 73 ° 0. L., also 13 ° in Länge (= 600 Seemeilen) östhcher passiert, wären also nicht weit südwestwärts von St. Paul durch die West- winde aufgeworfen. Zweitens wideispricht die gemessene Geschwindigkeit dem behaupteten Zusammenhang: Wellen mit 12 m p. S. oder 23.3 Seemeilen pro Stunde Geschwindigkeit müßten in 6 Tagen die Riesenstrecke von 3360 See- meilen durchlaufen haben. Die von Schott am 28. Dezember gemessenen Wellen haben, wenn wir sie in ihrer Richtung luvwärts zurückverfolgen in das Westwindgebiet, die Strecke bis 40° S. B. (rund 530 Seemeilen) mit 12 m p. S. .oder 23.3 Knoten in nur 23 Stunden durchmessen, sind also erst am Vortage (27. Dezember) im Westwindgebiet entstanden und haben mit den 6 Tage vorher oder 1100 Seemeilen weiter nach Westsüdwesten gemessenen Wellen unmöglich einen Zusammenhang. In dieser Hinsicht sind aber einige Karten des Wellenzustandes im Nord- p-tlantischen Ozean von Interesse, die ich Gelegenheit hatte, auf der deutschen !:iee warte aus den Schiffsjournalen nach dem synoptischen Prinzip zusammen- . zustellen. 1. Die erste Karte bezieht sich auf den 5. April 1881 vormittags 8 Uhr. Seit dem 4. April werden in dem Meeresstrich südlich von Neufundland im Golf- stromgebiet äußerst starke nordwestliche Stürme mit orkanartigen Böhen auf den Wetterkarten verzeichnet. Durch diese wurde eine hohe nordwestliche Dünung aufgeworfen, welche durch die damals sehr breite Zone der Roß- breiten hindurch in den Nordostpassat vordrang. In dem Raum zwischen 30 ° und 20 ° N. B., 42 ° und 32 ° W. L. befanden sich an jenem Morgen 7 Beob- achter der Seewarte, welche sämtlich eine sehr hohe nordwestliche Dünung (Schiff Nr. 1402 notiert Stärke 5 der Wellenskala, in 21 Va" N. B., 47 V2 W. L.) auszuhalten hatten, die sie im höchsten Maße belästigte, zumal der Passat nur äußerst schwach auftrat. An demselben' Morgen notierte noch in 1472° N. B. und 42 Va" W. L. Schiff Nr.. 1400 bei gutem Passat und entsprechendem Seegang (von Stärke 4) eine lange Dünung aus Nordnordwest: die also von dem Golfstromgebiet in 40° N. B. her jedenfalls mehr als 1500 Seemeilen durchlaufen hatte. 2. Eine zweite synoptische Wellenkarte bezog sich auf den 12. Februar 1878, morgens 8 Uhr. Am 10. und 11. d. M. hatten südlich von Neufundland, am 8. und 9. östlich davon ebenfalls enorm starke Nordwestböhen getobt, die am Morgen des 12. durch die südlichen bis südwestlichen Winde einer neuen Zyklone, deren Zentrum bei Neuyork lag, abgelöst wurden. In der ganzen Die Dünung. 87 Osthälfte des Passatgebietes südlich von 30° N. B. von Madeira an bis 45 " W. L. zeigen alle SchifEs Journale eine kräftige nordwestliche Dünung, welche sich niit dem Seegang des Passates kreuzte. Die vom Erregungsorte entfernteste Position gibt Schiff Nr. 995 („hohe lange Dünung aus Nordwest") in 7 V2" N. B. und 1674° W. L., also nur 270 Seemeilen von der afrikanischen Küste bei Sierra Leone abstehend : von dem Golfstromgebiet in 40 " N. B. dagegen nicht weniger als 2500 Seemeilen entfernt. Zum Vergleich diene der Abstand zwi- schen Neuyork und Lizard mit 2900 Seemeilen. 3. Danach wird es nicht wundernehmen, wenn solche von den Golf- stromorkanen aufgeworfene Dünung sogar den Äquator überschreitet und in Fig. 21. \\^nde und Dünungen am 7.Dez.l880, 8h.p.m. 20°H'.Oriv. südliche Breiten vordringt. Das war nach den deutschen Schiffsjournalen der Fall Ende März 1881. Schon am 11. März notiert das von Java nach dem Kanal bestimmte Schiff „Barbarossa" in 3» 54' S. B., 20« 30' W..L. „zeitweise nördUche Dünung bemerkbar". Noch südUcher stand am 21. März früh 8 Uhr das Schiff „Pacific", ebenfalls nordwärts segelnd, in 5° 11' S. B., 32» 3' W. L., als im Schiffstagebuch notiert wurde: „Wind Südosten, Stärke 4, Dünung von Nordwesten bemerkbar." Auch bei weiterem Vordringen nach Nord in den folgenden Tagen lag das Schiff ständig auf der gleichen -Dünung. 88 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. 4. Der vierte, auch in der umstehenden Karte (Fig. 21) dargestellte Fall ist für unsere künftige theoretische Betrachtung von einiger Wichtigkeit. Man sieht, wie am Abend des 7. Dezember 1880 die ganze Osthälfte des Nordatlan- tischen Ozeans von Dünungen beherrscht war, deren Wellenkämme sich fast konzentrisch um eine Stelle westlich von den Azoren anordnen, wo noch 24 Stunden vorher heftige Nordwestböhen gewütet hatten, nachdem schon vom 3. bis 5. Dezember das Golfstromgebiet südlich von Neufundland bis 35 ° N. B. hin von orkanartig aus Westen und Nordwesten wehenden Stürmen betrofien worden war. Die westliche Dünung vor dem Britischen Kanal und in der Spanischen See ist eine ganz typische Wintererscheinung; in diesem Falle herrschte sie bei den Azoren aus Südwesten, bei den Kanarischen und Kap- verdischen Inseln aus Nordwesten (der Segler in 11 " N., 23 ° W. verzeichnet sie als „ziemlich stark"), und den von Süden kommenden Seglern wurde sie im Passatgebiet (16 V2" N., 337»° W.) als Nordnordwestdünung noch sehr lästig. Übereinstimmend mit diesen Einzelfällen bemerkt Kapitän T o y n b e e *), daß in der äquatorialen Stillenregion im (nördlichen) Winter und Frühhng eine kräftige Nordwestdünung sehr häufig sei, dagegen nicht minder im Sommer eine südliche und südwestHche Dünung vorkomme: beides Fem- wirkungen der in Orkanböhen wehenden winterlichen Weststürme der hohen Breiten jenseits 40° B. auf beiden Hemisphären. Ein enghsches Schiff, „British Consul", notierte vom 21. bis 24. Februar 1871 auf der Fahrt zwischen 2« S. B., 220 w. L. nach 9" S. B., 28° W. L. segehid stetig hohe Roller aus Nordwest. — Wir werden im folgenden (S. 115) sehen, wie diese Dünung auf der Reede von Ascension, ja selbst von St. Helena noch eine höchst gefähr- liche Brandung zu erzeugen vermag in einem Abstände von jener Haupt- brutstätte stürmischer Nordwestböhen im Golfstromgebiet, der nicht unter 4000 Seemeilen zu veranschlagen ist! An der großen Zählebigkeit der ozeanisclien Sturmwellen ist hiemach kein Zweifel. Indem wir, wie schon vorher, das Energieprinzip weither benutzen^ können wir die für die Dünung und ihre weiteren Schicksale maßgebenden Bedingungen in folgender Weise entwickeln. Wir nehmen dabei stets an, daß es sich um eine unbegrenzte Wasser- fläche von überall gleichmäßiger und sehr großer Tiefe {p > X) handle, femer, daß die Dünung aus einem räumlich begrenzten Sturmfeld heraus in ruhiges Wasser übertrete, und betrachten anfänglich das Meerwasser als eine vollständig reibungslose Flüssigkeit. Der einfachste Fall wird dann der sein, wo wir nur zweidimensionale Wellen betrachten, die sich aus der Windbahn des Sturmfeldes hinaus als eine Schar freier Wellen geradlinig mit parallelen Wellenkämmen durch den Ozean fortpflanzen mögen. In diesem Falle wird die Energie, als Ganzes genommen, konstant bleiben, dagegen werden die Wellenhöhen rasch ab- nehmen und dafür die Wellenlängen entsprechend wachsen. Die Energie- formel XII in ihrem Hauptgliede, das bei Dünungen genügt, nach X auf- gelöst, lautet dann: , _ _8E_ ^~ mm *) In dem Text zu der offiziellen englischen Publikation: Charts of meteoro- iogical data for the nine ten-degree-squares of the Atlantic between 20° N.-Lat. and .0» S.-Lat. London 1876, p. 498 (vgl. Ann. d. Hydr. 1876, S. 382; 1877, ß. 309). Die Dünung. 89 Bei den bekannten Zusammenliängen zwischen X,. c und x werden diese konform miteinander wachsen und zwar im umgekehrten Verhältnis zum Quadrat der H. Rechnen wir einmal mit einem Zuge von Sturm wellen, wo fl^ = 7 und X = 130 m ist und setzen m = 1026, also E = 508000 mkg, so erhalten wir folgende zusammengehörige Werte von H, X, X///, c und t. H {m) = 1 7 6 5 4 3 2 1 Q.» X (m) = 130 174 251 392 698 1569 6277 25110 XjH = 19 29 50 98 233 785 6277 50 220 c (m p. S.) . . . == 14.3 16.5 19.8 24.8 33.0 49.4 99.1 195.8 t (Sek.) ....= ' 9.1 10.6 12.7 16.9 21.0 31.7 63.4 128.3 Eine Dünung dieser Art wird also immer längere und sanfter ge- böschte Wellen liefern, die für ganze Wellenhöhen von 1 m und weniger für das Auge kaum mehr erkennbar wären ; allerdings wird in unseren Meeren dann die Wellenlänge schon größer als die Wassertiefe, so daß die Trochoidenregeln nicht mehr anwendbar bleiben. Bemerkenswert ist auch die rechnungsmäßige Steigerung der Periode : für eine Wellenhöhe von V2 ^^ sollte sie auf rund 2 Minuten, und iür H — 2() cm sogar auf 5^4 Minuten zunehmen. Wenn sich nun auch, wie später zu zeigen, Wellen von dieser Periode und Höhe auf den Registrierbögen der Flutpegel ver- zeichnet finden, so dürfen wir doch nicht gleich ihren Ursprung mit den hier untersuchten Dünungen in Zusammenhang bringen : denn solche zwei- dimensionalen Wellen, die sich mit konstant bleibender Energie durch das Wasser ins Unendliche fortpflanzen, gibt es in den irdischen Meeren nicht. Wellen, die der unmittelbaren Windwirkung entzogen sind, werden sich vielmehr auch seitwärts ausbreiten imd ihre Energie über stetig wachsende Wasserräume verteilen müssen. Der hiernach an zweiter Stelle zu betrachtende Fall würde also der sein, daß sich von einem Punkte aus, analog den bei einem Steinwurf ins Wasser auftretenden konzentrischen Wellen, die Dünung ringsum nach allen Seiten hin verbreitete. Dabei würde dann eine außerordenthch rasche Abnahme der Energie eintreten, wie wir ja auch beobachten, daß die von einem Steinwurf erregten Wellenzüge sich in kurzer Zeit verlaufen und alsdann der Wasserspiegel wieder glatt daliegt. Auf die ozeanischen Verhältnisse können wir solche zentrale Wellenbildung, die von einem Punkte ausgeht, aber auch nicht anwenden. Am nächsten kämen einer solchen Annahme die von submarinen Bergstürzen und Vulkanexplosionen herrührenden Wellenzüge, die jedoch der Bedingung, daß die Wellenlängen kleiner als die Wassertiefen sein soUen, nicht mehr entsprechen. Aber auch hier wird man schon richtiger von einer gestörten Fläche oder, räum- lich betrachtet, einer Wassersäule sprechen, von deren Peripherie aus die Wellenzüge nach allen Richtungen hin konzentrisch verlaufen. Dann ver- halten sich die entlang der Längeneinheit der Wellenkämme gemessenen Energien umgekehrt wie die Peripherieen der einzelnen Wellenringe. Ist die gestörte Oberfläche vom Umfang = 2 r tt und an ihrer Peripherie die Energie = Eq, so wird im Abstand x von dieser Peripherie die Energie (pro Längeneinheit des Wellenkammes) E = EqT '.{r -{- x) sein. Die 90 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. Gesamtenergie auf dem ganzen Wellenkamm herum gemessen, wird konstant bei allen Wellen Eq bleiben. Setzen wir r = 20 Seemeilen, so würde für a; = 10 Seemeilen , _^ = ^g £'„, für x =- 20 nur noch Vg E^, für X =-100 ,E = Vs ^0, für x = 200 £: = V" ^o und für x = 1000 £' = 751 -E'o sein. Über die Änderung der Gestalt solcher Wellenzüge bei ihrer Ausbreitung über das vorher ruhige Wasser bestehen Unter- suchungen i), die erweisen, daß auch hier die Höhen abnehmen, die Längen (Geschwindigkeiten und Perioden) rasch zunehmen. Unsere Dünungen sind aber auch keine konzentrischen Wellen, die nach allen Seiten hin gleichmäßig verlaufen: es sind Wellenzüge, die mit einer bestimmten Richtung ausgestattet aus dem Sturmfeld hinauseilen. In das vor ihnen liegende ruhige Wasser hinaustretend, werden sie aller- dings nicht, gleich den zweidimensionalen Wellen, mit parallelen gleich- langen Wellenkämmen vorwärtsschreiten können: ihre Front muß sich auch seitwärts ausdehnen, da die über die Wasseroberfläche sich erheben- den Wellenkämme einen seitlichen Druck ausüben. Die Folge wird sein, daß die Flanken der Wellen sich seitwärts verlängern, wobei Energie ver- braucht und die Wellenhöhen und -längen nicht so groß bleiben wie mitten in der Achse der Marschrichtung des ganzen Wellenzuges, wo wir, also die relativ höchsten, längsten und schnellsten Wellen behalten. Symmetrisch zu dieser Marschachse, die in der ursprünglichen Windbahn des Sturm- felds liegt, verteilt sich also die Energie, bis zu Null abnehmend an den seitHchen Enden des Wellenzuges. Die Wellen selbst werden sich auf der Meeresoberfläche in Kurven anordnen, deren Scheitel in der erwähnten Marschachse des Wellenzuges liegen, und vermutHch werden die Kurven einen immer kleineren Parameter annehmen, je weiter sich die Wellen vom Sturmfeld entfernt haben. Das Ergebnis wird ein streifenähnliches Dünungsfeld sein, das aber eine vom Sturmgebiet garbenförmig aus- strahlende, zur Marschachse symmetrisch angeordnete Fläche beherrscht, bis auch in diesem Falle beim AuftrefEen auf die Küsten schließlich die noch vorhandene Energie in der Brandung aufgezehrt wird. Auch diese Vorgänge sind der mathematischen Analyse wohl zugängKch, aber noch nicht untersucht; wir können daher über die eintretenden Veränderungen der Wellenhöhen, Längen und Periöden nichts Näheres aussagen. Ehe wir hierüber die beobachteten Tatsachen selbst befragen, müssen wir noch die Wirkung der inneren Reibung des Wassers auf die Fortpflanzung der Wellen betrachten. Die innere Reibung der Wasserteilchen aneinander wird durch die Scherungsvorgänge bei der Verlängerung und Verkürzung der Wasser- fäden in der Welle wirksam (vgl. Fig. 5 S. 7), ist aber nach den überein- stimmenden Ergebnissen der Analysis außerordenthch gering 2). Für die Extinktion der Energie besteht die bekannte Formel E = Eq e-"^, wo Eq die ursprüngliche Energie, E die Energie im Abstände x und a den Extinktionskoeffizienten bedeutet. Der letztere ist nach J. Boussinesq: * ) Lord Kelvin, On Deep-water Two-dimensional Waves, in Proc. R. Soc. Edinburgh 1904, Bd. 25, p. 185 und 311 (mit Zeichnungen der Wellenprofile). 2) Boussinesq in Comptes Rendus Acad. Paris 1895, Bd. 121, p. 16 und 86. Hör. Lamb, Lehrb. der Hydrodynamik, Leipzig 1907, S. 699, naeh Stokes und Hough. Extinktion der Dünung durch Reibungswiderstände. 91 8kH a = 4 worin s den Koeffizienten der inneren Reibung (Bd. 1, S. 282), o die Dichtigkeit des Wassers, X die Länge und c die sekundliche Geschwindig- keit der Welle bedeutet. Drücken wir. c nach den Gerstnerschen Formeln durch X aus, so erhalten wir a= 32 . 1/2". s . ;c2 1X7 oder aus- ^ _ 252.6 s _ 252 6- • X~^ 0 . \/^i. X2 [/r gerechnet '' a . X2 1/>^ ^ " Nach unseren früheren Darlegungen wächst die innere Reibung e mit dem Salzgehalt, nimmt aber mit steigender Temperatur sehr rasch ab. Es wird sich also der Faktor e/a beispielsweise für ozeanisches Wasser von 0° und Oq = 1.028 zu 0.0175, bei 25 " aber nur zu 0.0095 (in Dynen pro Quadrat- zentimeter) berechnen, so dai3 in den tropisch warmen Gewässern die Extinktion beinahe nur halb so stark werden könnte, als in den kalten Wassermassen der Polarregionen; ein ähnücher Unterschied, wenn auch abgeschwächt, wird in den Tropenmeeren zwischen den warmen Ober- schichten gegen die kalten tieferen bestehen. Absolut genommen ist aber der Verbrauch der Energie durch die Reibung hiernach sehr gering. Rechnen wir bei zweidimensionalen freien Wellen einmal mit X = 100 m = 10 000 cm, c/a = O.Ol, so wird a = 2,526 . 10- 1», und für x = 100 km das Verhältnis E :Eq= 0.9975, für x = 1000 km aber = 0.9755, so daß also der ganze Energieverlust für eine Strecke von 100 km nur 0.25 Pro- zent, für 1000 km erst 2.5 Prozent erreicht. — Die Analytiker haben auch für die Zeit, in welcher vermöge der inneren Reibung allein die Energie der freien Welle völUg verzehrt ist, eine einfache Formel aufgestellt; sie lautet ^) : ^~ 8Ä" worin die Wellenlängen in Zentimeter, die Zeit t in Sekunden verstanden ist. Die eben untersuchte freie Welle von X = 10 000 cm würde in Tropen- wasser hiemach erst in 130.6 Mill. Sekunden oder über 4 Jahren ihre Energie durch die innere Reibung des Wassers völlig aufgezehrt haben. Unter diesen Umständen können wir für alle ozeanischen Wind wellen von der inneren Reibung ohne merkHchen Fehler ganz absehen; anders wäre es bei den kapillaren Wellen, wo beispielsweise die Dämpfungszeit bei X = 1 cm nur t = 1.3 Sekunden und bei X = 5 erst 3.3 Sek. beträgt, während die kleinen Wellen der höheren Ordnungen schon viel zählebiger sind; für X = 20 cm erhalten wir t = 522 Sekunden oder mehr als 8 V2 Minuten. Die Vernichtung der Wellenenergie (auch bei zweidimensional ge- dachten Wellen) wird abgesehen von der vorher betrachteten seitlichen Ausbreitung der Wellenzüge in den Ozeanen vornehmlich durch neu ein- greifende Winde herbeigeführt: überall, wo der Wind die Wellenkämme zum Überbrechen bringt, wird durch die entstehenden Wirbelbildungen und Diskontinuitäten, die zum Schäumen der Wellen führen, eine un- *) L a m b, Hydrodynamik S. 699. 92 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. geheure Energiemenge rasch verbraucht. Daher zerstören neue Stürme die Dünungszüge, die sie treffen, und auch ein frischer Passat kann eine nicht allzu energische Dünung, wie das Paris (oben S. 85) beschreibt, für das Auge des Beobachters verschwinden lassen. Eine völHge Zer- störung der Dünungen erfolgt aber sicher stets am Meeresstrande in der Brandung, wo dann das seichter gewordene Wasser die Wellenhöhen neu erweckt und erhöht, wie wir später zeigen werden, während sich die Periode durch Abnahme der Wassertiefe nicht verändert. Darum werden wir in dem feierlichen Rhythmus einer Dünung von t = 16 Sekunden , wie sie Buchanan^) am Strande von Ascension gemessen hat, und in den noch längeren Perioden von 19.35 Sekunden, wie sie Dr. Vaughan Cornish als Mittelwert einer ummterbrochenen Reihe von 139 Brechern am Strande bei Bournemouth (an der englischen Kanalküste) beobachtet hat, einen Beweis für den weiten Weg, den solche Wellen durchlaufen, und für die von uns dargelegte Abwandlung ihrer Gestalt erblicken dürfen. Die zu einer Periode von 16 Sekunden gehörige Wellenlänge des tiefen Wassers ist = 400 m, für 19.35 Sekunden wird X = 585 m, was den ursprüngHchen Sturmwellen gegenüber mindestens eine Verdopplung bedeutet. Dr. Cornish versichert, daß an den englischen Kanalküsten Perioden in der Brandung von 15 Sekunden ganz gemein sind, und schon Sir G. G. S t o k e s hat solche von 17 Sekunden an der atlantischen Seite der Britischen Inseln verzeichnet, so daß wir nunmehr mit ziemlicher Sicherheit in diesen Wogen von 400 bis 500 m Länge die Derivate der in den Weststürmen des Golf- stromgebiets aufgeworfenen Wellen erblicken dürfen, die in ihrem Ur- sprungsgebiet selbst Perioden von 8 bis 10, höchstens 11 Sekunden und entsprechende Längen von 100 bis 150, höchstens 200 m aufweisen. An der Westküste Irlands sind diese als Vorläufer von Stürmen betrachteten Riesenwellen unter dem Namen der Todeswellen {Death Waves) bekannt. Auf unserer Dünungskarte (Fig. 21, S. 87) sehen wir einen solchen Wellen- zug verzeichnet, der von Westen her dem Biskayagolf und Britischen Kanal zustrebt. Ein Versuch, die von Buchana n an Bord des „Buccaneer" auf der Reede von Ascension Anfang März 1886 beobachtete schwere Dünung rück- wärts bis in ihr Ursprungsgebiet südHch von Neufundland zu verfolgen, erschien als eine reizvolle Aufgabe, da diese Dünung unterwegs zahlreiche Segel- und DampfschifEe belästigt haben und sich entsprechende Angaben in den Schifis- tagebüchern der Seewarte finden mußten. Der Versuch ist mir zwar nicht ganz nach Wunsch gelungen, genügt aber, um weitere lehrreiche Streifhchter auf das Verhalten der Dünungen während eines so langen Marsches durch die weiten Räume des Atlantischen Ozeans zu werfen. Ohne eine Reihe von mehr oder weniger wahrscheinUchen Annahmen geht es hierbei allerdings nicht ab. Buchanan sagt, daß sich bei Ankunft des „Buccaneer" am 1. März 1886 am Strande von Ascension eine nordwesthche Dünung am Strande brach und „Roller", d. h. die schwerste Form der dortigen Strandbrandung erwartet wurden: diese traten dann auch während der Nacht ein, so daß am Morgen des 2. März die Landung erschwert, vormittags nach 10 Uhr aber ganz unmög- lich war. Hier fehlt eine präzise Zeitangabe für die erste Ankunft der schweren *) Scott. Geogr. Mag. 1888, p. 234. Verfolg einer Dünung durch den Atlantischen Ozean. 93 Dünung. Ihr Auftreten für den Abend des 1. März um 10 Uhr herum ist aber keine unwahrscheinliche Annahme. Aus der erwähnten Periode (16 Sekunden) der Roller, gemessen am 2. März, ergibt sich eine Geschwindigkeit von 25 m p. S. oder 48.6 Seemeilen in der Stunde für den freien Ozean. Nach der oben vor- getragenen Theorie muß die Dünung je näher nach ihrem Ursprungsgebiet hin eine um so geringere Geschwindigkeit besessen iiaben und sollte dieses Verhalten aus den unterwegs erfolgten Beobachtungen erkennbar sein. Die zahlreichen im Bereiche des Wellenzuges Ende Februar fahrenden Beobachter der Seewarte haben aber nur zum Teil hinreichend genaue Angaben über die erste Berührung mit diesen Rollern in den Schiffstagebüchern ver- merkt. Auch in den besten Fällen beziehen sich die Eintragungen auf den Bereich einer Wache (= 4 Stunden), und nach der Natur der Dinge habjn viele Beobachter die Dünung erst dami beachtet, als sie ihnen lästig wurde und den Fortgang des Schiffes störte. Femer sind die Wintermonate in der Regel so reich an heftigen Stürmen, begleitet von schweren Böhen aus Nord- westen im Gebiete südlich von den Neufundlandbänken, daß man dann mit kurzen Unterbrechungen stets nordwestliche Dünungen im Nordostpassat findet. Das war nun auch Ende Februar 1886 nicht anders. So sind orkan- artige Nordwestböhen (Beaufort 10) am 21. Februar um 40" N. B., 56" W. L. mehrfach verzeichnet. Der 22. war dort ruhiger und die Nordwester tobten etwas westlich von den Azoren. Am 23. Februar wird durch Auftreten eines neuen Luftwirbels um 38" N., 45° W. herum wieder starker Nordwestwind im kritischen Gebiet hervorgerufen, der am 24. vormittags in 39" N., 59" W. auf Stärke 10 ansteigt und im Bereiche einer zweiten östlicheren Depression bei 40 " N., 40 " W. ebenfalls Nordwest Stärke 10 verzeichnen läßt. Am 25. ver- schmelzen beide Wirbel zu einer riesigen Depression, die an ihrem westlichen Rande außerordentlich starke Gradienten aufweist. Der deutsche Segler „Hugo" verzeichnet aus 38" N., 54" W. anhaltend orkanartigen Sturm aus Nordwesten mit furchtbar hohem Seegang und hat erst am 26. vormittags wieder besseres Wetter, wie auch sonst dann das ganze übrige Golfstromgebiet. Solche gewaltigen Sturmwogen werden sich aber nach Südosten hin nur dann- als Dünung fortsetzen, wenn an der Südseite der Depression verhältnismäßig schwacher Wind und Seegang herrscht; beim Durchkreuzen eines neuen Sturmfelds würde ihre Energie nur zu rasch in den entstehenden Brechern aufgeztihrt werden. Wir haben nach der aus den Wetterkarten erkennbaren Sachlage einen solchen Durchbruch für den 25. Fpbruar für besonders wahr- scheinhch zu erachten. Aber es sind auch frühere erfolgt. Wenn der mit westlichem Wind nach Osten laufende Segler „Ventiüa " für den 25. vormittags 8 Uhr in 26 " 14' N., 39 " 4' W. eine hohe Dünung aus Norden verzeichnet, so ist diese wohl schon am 21. Februar früh in der Gegend westlich von den Azoren entstanden. Dasselbe ist für die „hohe rasch laufende Dünung" zu vermuten, die in der Nacht vom 26. zum 27. Februar um 12 Uhr in 1974° N., 36 V2 ° W. von der Bark „Papa " vermerkt ist. Am 26. Februar finden sich noch viel weiter südhch ähnliche Aufzeichnungen. Das Schiff „Johanna" meldet am 26. vormittags 8 Uhr in SVa^N., 267/ W.: „lange nördUche Dünung"; das Schifi „Spica" findet sich sogar südUch vom Äquator (372" S., 21 7^" W.) am 27. abends 8 Uhr zuerst schwach v.A am folgenden Morgen deutUch im Bereich einer Dünung aus Nordnordwest. Diese selbe Dünung wird die Brandung veranlaßt haben, die in Ascension schon vor dem 1. März vorhanden war, nicht aber die schweren Roller. Diese gehören einem Wellenzuge an, dessen zeitliches Vorrücken durch das Passatgebiet durch 7 teilweise sehr präzise Zeitbestimmungen in Schiffstagebüchern verfolgt werden kann; sie sind in der beistehenden Tabelle verzeichnet, die auch die am größten Kreise gemessenen Abstände von dem Sclmittpunkte des 40, Parallels mit 55 " W. L. 94 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. als dem mutmaßlichen Zentrum des Orkanfeldes am 25. Februar für die ein- zelnen ScMfEe angibt. Alter Aus dem beob. Des Schiffes Geographische •ö£ Beobachtete der Alter §?, Dünung berechnete |s Zeit (inStd.) Nr. Name Breite Länge Tag u. Stunde i ^1 c (m P.S.) (Sek) X (m) S2486 Terpsichore 160 22'N. 38« l'W. 1670 27. Febr. 4 p 49 54 l8.6 II.Q 221 S2469 Ida . . . 8»57'N. 35«40'W. 2130 28. „ 12 m 69 66 21. 1 n.s 286 D 668 Sakkarah . 14» 7'N. 26« O'W. 2170 28. „ 12 m 70 67 21.2 n.6 2qo S2491 Johanna 8»12'N. 31« 3'W. 2300 28. „ 10 a 68 70 20.9 n.4 282 D 667 Pernambuco 10« 8'N. 27«43'W. 2310 28. „ 12 m 70 70 21.2 n.6 2qo S 2476 Moltke . . 6 0,45' N. 31»14'W. 2370 28. „ 2p 72 72 21.4 n.7 2q8 D 681 Straßburg ■. 7 » 37' N. 26«35'W. 2470 28. ,. 8 p 78 74 22.2 14.2 .^IS — Buccaneer . 7 »50' S. 14«27'W. 3640 1- März 10 p 102 — 25.0 16.0 400 Wir entnehmen der Tabelle zunächst, daß der Weg von „Terpsichore" zu „Moltke" in 23 Stunden durchmessen wurde, was eine stündliche Geschwindig- keit von 30 Knoten ergibt. Die Strecke aber vom Dampfer „Pernambuco" nach der Höhe von Ascension durchhef die Dünung mit 41 Va Eaoten, vor Ascension selbst hatte sie 48 Va Knoten. Wenn wir uns nun erinnern, daß bei frisch entstandenen Sturmwogen, zumal bei dem geringen Seeraum von Nord- westen her im Golfstromgebiet, Perioden von 8 Sekunden, höchstens 9 Sekunden die Regel sind, d. h. Geschwindigkeiten von 24 bis 27 Seemeilen stündlich, so ist der Beweis wohl hinreichend erbracht, daß hier die von uns früher behauptete Beschleunigung der Geschwindigkeiten bei zunehmendem Alter der Dünung vorUegt. In Ermanglung anderer begründeter Voraussetzungen wollen wir an- nehmen, daß hier eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung auftritt. Wir sind dann imstande, angenähert die Akzeleration a zu berechnen, wenn wir die Anfangs- und Endgeschwindigkeit auf der Strecke s kennen. Für die erstere ist das nur angenähert der Fall. Setzen wir (alles in Seemeilen) Co = 24.2, c = 48.6, s = 3640 (von Ascension bis 40« N. B., 55« W. L.), so wird a = {c^ — Cq*): 2 s = 0.244 Knoten; für Cq = 27.3, gemäß einer Wellen- periode von 9 Sekunden aber = 0.222 Knoten. Die Reisedauer oder das Alter der Roller ergibt sich aus der Beziehung t= (c — Cq) : a unter der ersten An- nahme = 100, unter der zweiten = 96 Stunden, wozu in beiden Fällen noch 2 Stunden hinzuzufügen sind als Zeitunterschied zwischen Ascension und dem Punkte 40 « N., 55 « W. Die Ausgangszeit wäre hiernach für t = 102 Stun- den der 25. Februar nachmittags 4 Uhr, für t = 98 Stunden noch 4 Stunden später, also 8 Uhr abends. Wir bleiben bei der ersten Annahme, die noch am besten zu den Angaben des Seglers „Hugo" an Ort und Stelle passen dürfte. — Femer sind wir imstande, aus der Gleichung s = Cot + y^at^ den von den RoUem in einer Zeit von t Stunden erreichten Punkt zu berechnen oder, wie in unserem Falle angemessener, durch Auflösen der Gleichung nach t die Zeit zu finden, zu welcher sie an einem gegebenen Punkte angelangt sein wür- den, wenn die gemachten Voraussetzungen vöUig zutreffend wären. Ich habe neben der beobachteten Zeit auch das berechnete Alter der Welle in der Tabelle verzeichnet. Wie man sieht, passen die berechneten zu den beobachte- ten Werten im ersten Falle nur angenähert, sonst leidlich, in 2 Fällen aber sehr gut. Diese Relationen ändern sich nicht, wenn wir für die anfängliche Geschwindigkeit Cq einen höheren Wert einsetzen, da auch die Reisezeiten entsprechend kleiner werden. Verhalten von Wellenzügen. 95 Wir dürfen daraus schließen, daß die Voraussetzung, als handle es sich bei der Umformung der Dünungen um eine gleichmäßig beschleunigte Be- wegung, mindestens als eine erste Annäherung zulässig ist. Daß sie vollkommen zuträfe, ist bei der unregelmäßigen Gestaltung eines irdischen Ozeanbeckens kaum zu erwarten. Beträgt doch der Seeraum, quer gegen die Bahn der von uns untersuchten Roller gemessen, da wo diese, den 30. ** N. B. schneidet, 3300 Seemeilen, dagegen in der Nähe des Äquators nur knapp die Hälfte. Die Dünungen werden also auf dem ersten Teil der durchlaufenen nord- atlantischen Strecke durch seitliche Verlängerung der Wellenkämme nach links und rechts ungleich mehr Energie verlieren, als später in der äquatorialen Enge des zentralen Atlantischen Ozeans, sodann aber in südlichen Breiten wieder eine Verbreiterung des Seeraums vor sich haben, in dem ihre Energie verhältnismäßig rascher zum Erlöschen kommt. Die genannte äquatoriale Enge wird darum der Beobachtung solcher Dünung besonders günstig sein, wie nicht nur das soeben untersuchte, sondern auch die früher (S, 86) dar- gestellten Beispiele tatsächlich erweisen. — Um ein anschauliches Bild von der Abwandlung der Sturmwogen in das Stadium der Dünung zu geben, habe ich in der Tabelle, auch die nach den Trochoidenformeln berechneten Werte für die Periode und Länge der Wellen mit den aus der Formel c = Cq -jr at berechneten Geschwindigkeit vereinigt; für * ist dabei das beobachtete Alter der Dünung eingesetzt. Wenn man diese Angaben mit den früher (S. 42) für andere Dünungen verzeichneten Maßen vergleicht, wird man sie nur als durchaus wahrscheinlich bezeichnen können (vgl. auch S. 114). Es bestellen aber endlich noch andere auffällige Umgestaltungen der freien Wellen in der Natur, auf die wir näher eingehen müssen, da sich daraus gewisse Bedenken herleiten lassen gegen den eben gemachten Ver- such, eine Sturmdünung auf fast 4000 Seemeilen durch den Ozean zu verfolgen. Sowohl die LJader Weber (in ihrer WeUenlehre § 82), wie später Scott Russell, haben darauf hingewiesen, und die tägliche Er- fahnmg bestätigt es als durchaus zutreffend, daß ein Zug freier Wellen nicht als Ganzes unverändert durch das Wasser vorwärtsschreitet, so daß die anfangs vorderste Welle stets die erste bliebe, sondern daß nach einiger Zeit die jedesmal vorderste Welle abstirbt und der ihr folgenden den Platz einräumt, während sich gleichzeitig hinter der jedesmal letzten immer neue Wellen bilden. Wird ein Körper ins Wasser geworfen, so ist der Gang dieser Entwicklung gut zu verfolgen. Die Brüder Weber geben davon folgende anschauUche Schilderung. „Nachdem durch das mehrmaüge Indiehöhespringen (Jer Flüssigkeit an dem Orte, wo der Körper hineingefallen war, mehrere größere Zirkelwellen ent- standen sind, deren Zahl, wenn ein bloßer Tropfen hineinfiel, sich auf 3 bis 4 beläuft, dagegen nachdem schwere Körper hineijigeworfen wurden, nicht wohl bestimmt werden kann, tritt in dem Mittelpunkte, von dem die kreis- förmigen Wellen ausgingen, an dem femer das Wasser melirmals sichtbar in die Höhe sprang, und an dessen Stelle der in das Wasser geworfene Körper zuerst auf traf, zuerst Ruhe und Ebenhe.c des Wassers ein. Diese glatte Ebene vergrößert sich desto mehr, je weiter die entstandenen Zirkelwellen sich er- weiternd fortschreiten. Indessen vergrößert sich die spiegelnde glatte ruhige Fläche von ihrem Mittelpunkte aus nicht vollkommen in dem Verhältnisse, in welchem die erregten Wellen fortschreiten. Denn ganz deutüch bemerkt man, daß während die Welle, die zimächst diese ruhige spiegelnde Ebene begrenzt, oder mit anderen Worten die Welle, welche die letzte unter den 96 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. erregten ist, ungefähr soviel als ihre Breite beträgt, fortschreitet, hinter sich eine neue, etwas niedrigere und schmälere Welle an dem Orte, den sie im vor- hergehenden Zeiträume eingenommen hatte, erregt, daß ferner diese, wenn sie wieder ungefähr soviel als ihre Breite beträgt, sich erweiternd fortgeschritten ist, auf dieselbe Weise eine neue noch kleinere Welle hinter sich verursacht, die auch in derselben Richtung wie sie selbst fortschreitet; und so entstehen denn nach und nach durch den Druck, den die Welle, die in jedem Zeitmoment üie letzte ist, auf die hinter ihr befindliche Flüssigkeit ausübt, während die Wellen fortschreiten und sich dabei mehr und mehr erweitern, eine große Anzahl von Wellen, die sich selbst, wenn ein mittelmäßig großer Stein ins Wasser geworfen wird, nach unseren oft wiederholten Zählungen, höher als auf 50 beläuft. „Zagleich;erkennt man, daß die kleineren nachfolgenden Wellen jede durch eine besondere Rückwirkung der ihr zunächst voraufgehenden größeren Welle vergrößert werden, und daß daher alle erregten Wellen, je weiter sie nach vorn fortgeschritten sind, desto gleicher an Größe werden. „Man kann sich von dem Gesagten dadurch überzeugen, daß man einen Stein in ruhiges Wasser wirft, dann abwartet, bis das Wasser an dem Orte, wo der Stein hineinfiel, wieder glatt und eben wird hierauf eine von den Wellen, die der glatten Fläche am nächsten sind, fest ins Auge faßt, und mit ihr, ohne sie aus dem Auge zu verlieren, einige Schritte vorwärts geht. Bleibt man nun stehen und zählt die nachfolgendpn Wellen, indem man Welle für Welle vor sich vorbeigehen läßt, so sieht man zu seinem Erstaunen, daß mehr als 40 bis 50 sehr große, sichtbare, von der glatten Fläche scheinbar ausgehende Wellen vorüberziehen. „Aus dem Gesagten geht also von selbst der Satz hervor, daß eine voraus- gehende Welle jede zunächst nachfolgende, ihr parallele oder konzentrische Welle verstärkt, oder, wenn ihr keine nachfolgt, in dem Zeitraum, in welchem sie ihre Breite durchläuft, eine neue hinter sich verursacht. Daher, je weiter dieser Wellenzug fortschreitet, desto gleicher werden die hintereinander fort- gehenden parallelen Wellen, sowohl hinsichtlich des Abstandes voneinander, als der Höhe und Breite. Jeder wird daraus selbst schließen, daß diejenige Welle, welche allen anderen vorausgeht (die, welche in einem jeden Augen- blicke die erste ist), und also keine Welle vor sich hat, weil ihr eine solche Unter- stützung und Verstärkung durch vorhergehende W^ellen abgeht, sich nicht so lange hoch erhalten könne als andere, die durch die ilmen vorausgehenden immer unterstützt und verstärkt wcjrden. „Die Erfahrung bestätigt das auch auf das vollkommenste. Denn die Welle, welche in einem bestimmten Zeitmomente die vorderste und erste ist, ver- flacht sich bei ihrem Fortgange auf einer großen Wasserfläche so außerordent- lich, indem sie sichtbar an Höhe ab- und an Breite zunimmt, daß sie dem Auge schon, nachdem sie ungefähr 2 bis 4 m durchlaufen hat, unsichtbar wird und nun die ihr nachfolgende zur vordersten zu werden scheint, die nach einem kurzen Verlaufe dieselbe Erscheinung der Verflachung wiederholt, so daß nun die dieser wieder folgende WeUe die erste zu sein scheint, und so fort. „So nimmt denn die Zahl der sichtbaren Wellen unter jenen Umständen von hinten aus immer zu, von vorn her immer ab. Da indessen die Verflachung und uas Verschwinden der jedesmal vordersten nicht so schnell eintritt, als die Erzeugung einer neuen Welle durch die hinterste sich wiederholt, so nimmt doch die Zahl der Wellen während des Fortschreitens beträchtlich zu." Aus diesen Darlegungen folgt, daß ein durch das Wasser fortschreiten- der Wellenzug als Ganzes genommen eine geringere Geschwindigkeit hat. Wellenstillung durch Fremdkörper. 97 als die einzelne Welle. Die moderne Hydrodynamik ^) hat sich mit diesem Problem der Gruppengeschwindigkeit beschäftigt. Nennen wir diese u, so ist unter Beibehaltung der auch sonst von uns benutzten Zeichen nach S t o k e s : 1 r Q*"pi^ g-4Jti>iA -1 " = x4i + s^^TT J Ist diese Formel richtig, so wird in dem Falle, wo die Wassertiefe erheblich größer als die Wellenlänge ist, wie bei Windwellen, die Gmppengeschwindig- keit u — '^l^c, da der Ausdruck hinter dem Pluszeichen = Null wird. Im anderen extremen Falle, wo ^jX ein sehr kleiner Bruclf ist, wie bei den Dislokations- und Gezeitenwogen, wird der Ausdruck hinter dem Plus- zeichen = I, die Geschwindigkeit der Gruppe also gleich der der einzelnen Woge, und damit auch die Reisedauer dieser Wellen richtig aus etwaigen Aufzeichnungen an Mareographen zu entnehmen. In den ozeanischen Dünungen würde also die ganze Gruppe mit der jedesmal nur halben Geschwindigkeit der einzelnen Welle fortschreiten; die Gruppe müßte danach als Ganzes ebenfalls eine Beschleunigung erleiden, müßte aber das doppelte Alter an den Beobachtungsorten besitzen, als wir vorher angenommen haben. In dem von uns untersuchten Falle ist nun in der Tat, wie deshalb im Bericht hervorgehoben wurde, auch schon von orkan- artigen Stürmen am 21. Februar in derselben Gegend die Rede, wo sie am 25. sich in besonders starker Form wiederholten. Anderseits aber ist das Fortschreiten der Dünung vom 27. Februar bis zum 1. März so gut durch Beobachtungen verbürgt, daß man den Eindruck empfängt, als ob das Abfc,i:erben der vordersten Wellen nicht eben gerade sehr rasch einge- treten wäre, so daß der ganze Zug keine wesentlich geringere Geschwindig- keit angenommen hätte. Diesen Dingen näher nachzugehen und zwar nicht nur mit den Hilfsmitteln der Analysis, sondern vor allem durch Be- fragen der SchifEsjournale und entsprechende Instruktion der Schiffsführer, würde in Zukunft eine lohnende Aufgabe abgeben. Die normale Entwicklung der Wellen unter sonst günstigen Wind- verhältnissen wird behindert durch störende Fremdkörper, die teils dem Wasser reichlich beigemengt sind, wie Schlamm, Eis, Tang, Seegras und andere feste Gegenstände, teils die Oberfläche überziehen, wie öle aller Art, teils auch in atmosphärischen Niederschlägen bestehen, wie das insbesondere von Hagel, Graupel und starken Regenfällen behauptet wird, teils auch in Wirbelbüdungen ; während im Gegenteil viele Seeleute dem Nebel wieder eine die Wellenbildung fördernde Kraft zuschreiben wollen. Die wellenstiUende Wirkung von Schlamm und Eis ist häufig und leicht zu beobachten. S c o r e s b y^) hat sehr anschaulich beschrieben, wie die beim Gefrieren des Seewassers zuerst in Masse auftretend '»n ^is- nadeln alsbald den Seegang dämpfen: hier liegt die Ursache offen zu- tage, indem die innere Reibuiig der Wasserteilchen erheblich verstärkt ^) Lamb, Hydrodynamik. Leipzig 1907, S. 444. Die Annahmen,. unter denen die Formeln entwickelt sind, erscheinen mir der Prüfung bedürftig. •) An Account of Arctic Regions I, p. 239. Vgl auch Ozeanographie Bd. I, S, 501. Krümmel, Ozeanographie. II. ' 98 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. und damit die Energie der Welle rasch aufgezehrt werden muß. Auch daß Schlammteilchen ebenso wirken, wird dem Verständnis keine Schwierig- keiten bieten. Der französische Admiral B o u r g o i s wollte sogar dem reichlich auftretenden Plankton die gleiche Wirkung zuschreiben, indem er sich erinnerte, daß allemal, wo das Kielwasser nachts stark leuchtete, es wenig oder gar nicht schäumte und auch bei Tage gleiches Verhalten zeigte. Der Admiral Gr. C 1 o u e ^) berichtet dazu die noch viel auffälligere Tatsache, daß er, in jungen Jahren als Kommandant eines kleinen Wacht- schiffs, bei starkem Winde in St. Georgesbai in Neufundland einlaufend, mitten in dieser rings von überbrechenden Seen umgeben, eine große schlichte Fläche sah, in der ungeheure Heringsmengen das Wasser erfüllten, so daß seine Leute sie mit Eimern aus der See schöpften. Ähnliche Wahrneh- mungen sind übrigens den schottischen Heringsfischern ganz geläufig. Im Treibeis finden die Wogen insbesondere in der obersten Wasserschicht eine starke Behinderung, und es ist begreiflich, wie die Sturmdünung hinter größeren Eisfeldern nur stark gemildert auftritt, was in den Be- richten der Polarlahrer häufig vermerkt ist. Die Tange vermögen, wo sie auf Felsgründen festgewachsen von großen Tiefen herauf das Wasser durchsetzen, wie das besonders die riesigen Birnentange {Macrocystis pyrifera) der hohen Südbreiten tun, der Orbitalbewegung der Wasser- teilchen einen erhebUchen Widerstand entgegenzustellen. Es ist ganz sonderbar anzusehen, sagt Charles Darwin 2), wie vor einer offenen Hafenbucht die Wellen, sobald sie von der hohen See her durch die dahin- flutenden Tangstengel hindurchlaufen, an Höhe verHeren und in schlichtes Wasser übergehen. Ja, es ist ein FaU bekannt, wo die vorgelagerten sub- marinen Tangwälder genau so wie ein Wellenbrecher wirken und aus einer sonst offenen Bucht einen geschützten Seehafen machen, was vom süd- australischen Kingston ausdrücklich berichtet wird^). Hiernach darf es nicht wundernehmen, wenn A. E. v. Nordenskiöld*) einmal ernst- lich vorgeschlagen hat, künftighin vor ungeschützten Hafenbuchten nur schwimmende Wellenbrecher zu bauen. — Anders, aber auch sehr augen- fällig, wirken die treibenden Tangfelder inmitten der Stromkreise der großen ozeanischen Oberflächenzirkulationen, namentUch die oberflächlich schwimmenden, in Streifen angeordneten Bündel von abgerissenem Beeren- tang {Sargassum hacciferum u. a.) in der sogenannten Sargassosee. Hier lassen die in den Stillen der Roßbreiten vorherrschenden leichten Brisen und Mallungen die tangfreien Wasserflächen dunkelblau gekräuselt er- scheinen, während sich die Tangfelder, wie bereits Kolumbus berichtet, schon aus großen Entfernungen als spiegelblanke Stellen herausheben, wie man denn auch im kleinen ähnliche mechanische und optische Wir- kungen auf unseren, vom herbstlichen Blattfall fleckweise überstreuten Parkteichen sehen kann. Admiral C 1 o u e weist darauf hin, daß es jedem eorfahrenen Seemann bekannt ist, wie die zu gewissen Tageszeiten während der Fahrt über Bord geworfenen Abfälle aller Art die kleine Kräuselung und die Neigung der Wellen 2ijm Uberbrechen beschwichtigen, mag es MClou 6, Le Füage de l'Huüe. S-"« 6d. Paris 1887, p. 87. ') A Naturalists Voyage round the World. London, Murray, 1901, p. 241. ») Ann. d. Hydr. 1888, S. 22. *) Geogr. Journal, London 1898, Bd. 11, S. 492. WellenstUlung durch öl. 90 sich um Hobelspäne oder Sägespreu handeln, oder um Küchenabfälle oder um Schlacken aus der Maschine oder Ruß aus den Schornsteinen. Gerade die Wirkung dieser Abfälle war es auch , die einst Benjamin. Franklins besondere Aufmerksamkeit erweckte. In diesen Fällen wird die Entfaltung kapillarer Wellen dadurch hintangehalten, daß sich zwischen Luft und Wasser einzelne feste Körper einschieben, an denen die Energie der Luft auf einem großen Bruchteil der bestrichenen Wasser- fläche durch Reibung geschwächt wird, während sich am Rande der Zweige und Blätter oder anderen Treibkörper das Wasser durch die Adhäsion festgehalten findet. Größeren Schwierigkeiten begegnet man bei einem Versuche, die behauptete gleiche Wirkung der Niederschläge zu deuten. Die Tatsache selbst ist übrigens wenig belegt und kaum jemals näher untersucht; mög- lich, daß ein starker Platzregen oder Hagelschlag rein mechanisch die Er- hebung der Wellenkämme niederhält, da den fallenden Tropfen eine Ge- schwindigkeit von 3 bis 6 m pro Sekunde beiwohnt. Noch schwieriger ist es, die den Seefahrern seit dem Altertum wohl bekannte imd in der Neuzeit wieder fleißig und erfolgreich betätigte Be- ruhigung stürmisch erregter Wellen durch öl einwandfrei zu erklären*). Wie uns schon Aristoteles, Plinius, Plutarch u. a. schildern, pflegten die Seeleute und Fischer eine lästig brechende See durch Begießen mit öl zu beschwichtigen und Taucher etwas öl im Munde mit sich in die Tiefe zu nehmen, um es dann aufsteigen zu lassen und so die rauhe Meeres- oberfläche glatter und durchsichtiger zu machen 2). Die modernen SchilBEs- führer versorgen sich mit Säcken von Segeltuch, die mit Werg oder Twi^t gefüllt e'"nen großen Vorrat von öl aufnehmen, um dieses durch kleine, durch das Segeltuch gestochene Löcher tropfenweise der Meeresoberfläche zuzuführen. Auch in Hafeneinfahrten, die bei schlechtem Wetter einer gefährlichen Brandung ausgesetzt sind, wird das ölen der See mit Erfolg angewandt. Vor der Einfahrt in die Mersey nach Liverpool treibt das dort verankerte Feuerschiff öl sogar durch Röhren am Meeresgrunde unter Benutzung von Dampfdruck auf große Entfernung hinaus^). Die Erfahrung hat gezeigt, daß nicht alle öle für diesen Zweck brauch- bar sind, vielmehr mit den zähflüssigeren tierischen ölen (Fischöl, See- hunds- und Lebertran, aber auch Rüböl) eine bessere Wirkung erzielt wird, als mit mineraHschen ; namenthch gilt das Petroleum als unbrauch- bar. Das öl verbreitet sich mit großer Geschwindigkeit über beträchtliche Flächen, unterdrückt auf diesen alle kapillaren Wellen und läßt nur die großen Wogen als Dünung hindurch, wobei also die überbrechenden Kämme verschwinden und bei nicht zu hohem Seegang die geölte Fläche spiegelblank wird*). Diese erwünschte Glättung erfolgt oft in ganz kurzer Zeit und ist innerhalb weniger Minuten sicher beobachtet. ^) Die nautischen Zeitschriften bringen ein reiches BeobachtuhgsmateriaJ: so u. a. Annalen der Hydr. 1891, S. 379; 1893, S. 134 (W. K ö p p en); Mitt. der SuI^Uün für Küsten- und Hochseefischerei 1893, Nr. 10—12 (H. Henking). ^) Über das Historische vgl. van Beck in den Ann. de chim. et de phys. 1842, Bd. 4, p. 258. ') Franzius und Sonne, Der Wasserbau, 3. Abt. Leipzig 1901, S. 27. *) Vgl. außer Koppen unc* Henking a. a. O. noch Ann. d. Hydr. 1894, S. 144 (G. M e y e r) und S. 250 (E. R i c h t e r). 100 Abhängigkeit der Wellen vom Winde. Gegen die schon von Aristoteles vorgetragene und später von Ben- jamin Franklin und vielen nach ihm wieder erneuerte Erklärung, als ob der Wind von der geölten Fläche gewissermaßen abglitte und die Wellen nicht mehr zum Uberbrechen bringen könne, ist der Einwand zu erheben, daß die Oberfläche des Wassers, wenn sie nur ruhig ist, ebenso glatt und spiegelblank daliegt, wie eine Fläche von öl oder Quecksilber. Der Unter- schied besteht eben darin, daß auf der ölfläche die kleinen kapillaren Wellen ausbleiben, die doch (nach Helmholtz) durch vertikale Druck- unterschiede entstehen, nicht durch den reibenden Kontakt der bewegten Luft mit der ruhenden Oberfläche der Flüssigkeit. Die entscheidende Ursache ist also in gewissen physikalischen Eigenschaften des Öls zu suchen, die von denen des Wassers wesentlich abweichen. Um die Erscheinung zu erklären, hat Koppen sicherlich mit Eecht geltend gemacht, daß sich in der Ausbildung des Kammteiles der Welle die Oberflächenspannung des Wassers stark betätigt. Man beachte in den Figuren 4 und 5 (S. 7), wie die Wasserfäden gerade unter dem Wellen- kamm länger und schmäler werden, was nicht geschehen kann, ohne daß sich ihre Oberfläche verkleinert: eine starke Oberflächenspannung muß diesen Vorgang unterstützen. Je stärker sich das Oberflächenhäutchen zusammenzieht, um so spitzer wird der Wellenkamm. Wird aber die Oberflächenspannung durch eine ölschicht merklich vermindert, so muß solche Zuspitzung des Kammprofils ausbleiben. Diese Wirkungen er- strecken sich in erster Linie auf die vom Winde stetig neu erzeugten kapil- laren Wellen: haben diese ein spitzes Kammprofil, so kann der Wind sie leichter fassen und zu größeren Wellen ausgestalten; besonders aber, wo sie sich auf einem schon vorhandenen größeren Wellenkamm entwickeln, bringt der Wind den ganzen Kamm leichter zum Überbrechen. Bei ge- ölter See aber wird den kapillaren WeUen diese Wirkung erschwert. Die Oberflächenspannung ist hierbei also sehr wichtig ; aber es scheint doch, als wäre damit die Erklärung noch keineswegs vollständig gegeben. Mit dem Wesen der Oberflächenspannung haben wir uns bereits früher beschäftigt (Bd. I, S. 281), soweit es sich um den Unterschied zwischen reinem und Seewasser handelt. Während die Oberflächenspannung, gegen Luft genommen, bei reinem Wasser (und 0°) = 77 Dynen ist und bei ozeanischem Seewasser (imd 0°) fast 78 erreicht, ist ihr Wert für OHven- öl bei Zimmertemperatur = 37, für Petroleum 31 bis 32, Küböl und Leber- tran 32 bis 33 Dynen, also nur halb so groß, wie bei Wasser; noch kleiner wird die Oberflächenspannung bei Seifenlösung (26) und Alkohol (23). Da sich Alkohol im Wasser zu rasch löst, hat W. Koppen einmal den Ge- brauch yen Seifenlosungen in See empfohlen, jedoch ohne daß die darauf- hin angestellten praktischen Versuche den beabsichtigten Erfolg gehabt hätten, so daß trotz der erzielten geringen Oberflächenspannung die Wir- kung des Seifens ausblieb. Es liegt das nicht bloß an der rasch eintretenden Zersetzung aer Seifenteilchen und an der Auflösung der Reste im Seewasser. Nach der von uns früher (S. 61) für die kapillaren WeUen benutzten Formel war die kleinste Wellenlänge Xq = 2:1 f/'^vj/g'o. Hiernach ist für Seewasser (Tj = 74, a = 1.023) Xq = L7 cm, für Rüböl (yj = 32, n = 0.9) aber Xo = L2 cm, wonach an sich also die Bildung kapillarer Wellen auf einer Wellenstillung durch öl. 101 öloberfläche noch etwas leichter vonstatten gehen sollte, als auf Wasser. Man hat dann auch an eine besondere Wirkung der Oberflächenzähigkeit gedacht (vgl. Bd. I, S. 283), die beim Wasser größer ist, als die Viskosität im Innern der Flüssigkeit, bei den Ölen aber kleiner : man sollte also dann wiederum eine kapillare Kräuselung auf der ölfläche leichter auftreten sehen, was doch den Tatsachen widerspricht. Auch an den Unterschied der spezifischen Gewichte kann nicht gedacht werden; wie die Helm- holtzsche Formel (XXXI, S. 62) zeigt, wird, wenn wir die Dichtigkeit der Luft = 0.0012, des Seewassers = 1.023, des Eüböls = 0.9 setzen und mit einer Windstärke von 10 m pro Sekunde rechnen, die Länge der kapillaren Wellen auf dem Seewasser 7.5 cm, auf der ölfläche 8.5 cm also nur unbedeutend größer, während für eine „geglättete" Oberfläche sehr große Wellenlängen zu fordern sind. Es scheint hiemach, als wenn die von einigen englischen Physikern ^) vertretene Meinung den allein gangbaren Weg weist, die in det größeren Zähigkeit der öle die entscheidende Wirkung erblickt. Alle öle sind mit einer meist beträchtlich stärkeren inneren Reibung ausgestattet, als das Wasser, sie werden infolgedessen eine kapiDare Wellenbildung in erheblich kürzerer Zeit dämpfen und schUeßUch vernichten. Wir haben (S. 91) die Dämpfungszeit t=k^:8z^i erwähnt, worin s die innere Reibung (in Dynen) bedeutet; ihr absoluter Wert ist für Wasser von- Zimmer- temperatur abgerundet = O.Ol, steigt bei Petroleum und den dünnflüssigen und damit versetzten ölen nur wenig darüber (Terpentinöl s = 0.0146 Petroleum selbst = 0.011 bis 0.06), wird bei Nelkenöl schon lOfach größer (e = 0.133), bei Olivenöl 80fach {b = 0.808), beim Rapsöl 70- bis lOOfach (s = 1.2!) größer als beim Wasser^). Nun haben die Seeleute gerade diese letzteren als die „starken öle" erkannt, das dünnflüssige Petroleum aber als zu schwach in seiner wellenstiUenden Fähigkeit bezeichnet. Dem ent- sprechen vollkommen die Dämpfungszeiten, Eine kapillare Welle von )v = 5 cm wird erlöschen: auf Wasser in 32 Sekunden, auf Olivenöl in 0.4 Sekunden, auf Rapsöl in 0.26 Sekunden. Die viermal größere, aber noch kapillare Welle von X = 20 cm braucht dazu auf Wasser 507 Sekunden, auf Olivenöl 0.6 Sekunden, aus Rapsöl 0.4 Sekunden; aber eine Woge von 1 m Länge erfordert in Wasser 3 V2 Stunden, in Rapsöl nur 1 ^4 Minuten, um durch innere Reibung zu erlöschen. Hiernach wird vielleicht verständ- lich, wie die kapillaren Wellen, die den scharfen Wellenkamm aufbauen und vom Wind gepackt zum Uberbrechen bringen, durch die zähflüssige ölschicht beseitigt werden können. Daß dabei diese ölschicht außer- ordentlich dünn ist, bleibt immerhin bemerkenswert: nach den vorliegen- *) Reynolds in Brit. Assoc. Reports 1880; L a m b, Hydrodynamik, S. 709. Vgl. auch R. A. Houstoun in Philos. Mag. 1909, Bd. 17, p. 154. ^) Diese Konstanten werden übrigens bei den verschiedenen Autoritäten ver- schieden groß angegeben, doch verschiebt sich die im Text gegebene Größenordnung dabei nicht erhebUch. Vgl. P 1 e i ß n e r, Archiv f. Pharmazie Bd. 242, 8. 27. Nach Lewkowitsch, Chem. Technologie und Analyse der öle, Fette und Wachse (1905) S. 215, 224 f. ist für raffiniertes Rüböl z = 27.9, amerikanisches Mineralöl, sp. Gew. = 0.885, 2 = 5.7, russisches Mineralöl, sp. Gew. = 0.915, 2 = 10, alles bei 10° und Wasser = 1 gesetzt. Nach Holde, Unters, d. Mineralöle und Fette, Berün 1905, ist für Petroleum 2 = 1.1 bis 4.5, Leinöl 2 = 47, Rüböl 2 = 87, alles bei 20". Die technischen Schwierigkeiten dieser Messungen sind beträchtlich. XQO Abhängigkeit der Wellen vom Winde. den Messungen von Forel, Quincke, Oberbeck^) u. a., kommt ihr eine Dicke von oft nicht ein Zwanzigtausendstel Millimeter zu. Aber wie aus den anfänglichen Darlegungen über die Bewegungen der Wasserteilchen in der Welle (s. Fig. 5 S. 7) zu entnehmen ist, ist gerade ihre seitliche Verschiebung (Scherung), insbesondere aber die Verlängerung und Ver- kürzung der Wasserfäden am größten an der Oberfläche selbst, und beide nehmen nach der Tiefe hin sehr rasch ab, so daß also die Oberfläche, wenn 3ie aus einer zäheren Substanz besteht und diesen Verschiebungen einen erheblichen Widerstand entgegensetzt, die Energie der kapillaren Wellen in verhältnismäßig kurzer Zeit wohl aufzehren könnte. Dazu kommt weiter, daß an der Grenze zweier Flüssigkeiten, von denen die eine aus einer ganz dünn übergelagerten Schicht besteht, sich außer den Mole- kularkräften der Kapillarität auch eine Art Lösungsprozeß betätigt; wie Quincke und Oberbeck gezeigt haben, findet sich in dieser Mischungs- schicht eine kleine Oberflächenspannung vereinigt mit einer sehr großen Viskosität, welche die der einzelnen Komponenten übertrifft und in der wir vornehmlich die Ursache für eine rasche Dämpfung der Wellen er- blicken dürfen. Die verstärkte Viskosität der neuen Oberfläche ist also das physikalisch Entscheidende; die geringe Oberflächenspannung der Öle ist allerdings auch praktisch recht bedeutsam, indem sie deren rasche Ausbreitung über eine sehr große Wasseroberfläche vermittelt. Die Natur selbst bietet im Bereiche des Golfs von Mexiko mehrfach Bei- spiele dafür, wie submarin ausfließende bituminöse öle örtlich umschriebene den Seefahrern wohlbekannte „blanke Stellen" von großer Fläche schaffen können. Ein solcher Ölfleck befindet sich um 27 Va" N. B. und 91" W. L. mit einem Areal von 5000 qkm; zwei kleinere näher an der Küste östlich von Galveston. An der Grenze zwischen den Staaten Louisiana und Texas kennen die Küstenfahrer im Sabinepaß eine Stelle, wo ein unterseeischer ölquell luch bei auflandigem Winde einen stets sicheren Ankerplatz darbietet und wo infolgedessen das Lotsenboot zu liegen pflegt*). Auch von der südlichen Küste des Golfs etwas östlich von Coatzacoalcos erwähnt C 1 o u e ^) einen ähnlichen Ölfleck als sicheren Ankerplatz für Fischerboote und schreibt ihn submarinen Ölquellen im benachbarten Flußdelta zu. Daß eine Wirbelbildung geeignet sein wird, die Wellen zu schwächen, ist wieder leichter zu erklären: wir haben in den Wirbeln eine sehr rasche Bewegung vor uns, gegen die eine langsame Orbitalbewegung nichts ausrichten kann, so daß sie an zahlreichen im Wasser vorhandenen Wirbeln zum Stehen kommt. Beispiele für diesen Vorgang sind nicht eben häufig; H. R. M i 1 1 *) beschreibt die unter dem Antriebe der heftigen Gezeitenströme aus der Tiefe aufwirbelnden kalten Streifen in der Clyde- bucht nahe am Mull of Cantyre als große Flächen von ölgleich-schlichtem Wasser inmitten der sonst normal gefurchten Wellen und bezeichnet sie nach James Thomson als eine dort häufige Erscheinung (vgl. S. 105). Was endlich die von den Seeleuten^) gelegentlich behauptete und be- 1) Wiedem. Annalen 1893, Bd. 49, S. 366. '^) Vgl. die Rückseite der Pilot charts des Hydrogr. Amts der Vereinigten Staaten 1906 und Hydrogr. Bulletin Nr. 920, Washington, 17. April 1907. 3) C 1 o u 6, Le filage de l'huile, p. 12. *) Trans. R. S. Edinb. 1894, Bd. 38, I, p. 33. 6) Ann. d. Hydr. 1877, S. 538; B r e m o n t i e r bei W e b e r, Wellenlehre, § 42. Angeblich wellenhebende Wirkung des Nebels. 103 sonders auf die Neufundlandbänke angewandte Fälligkeit des Nebels betrifft, „die Wellen zu heben", was auch bei schwachen Winden der Fall sein soll, so ist es schwer, die Erscheinung befriedigend zu erklären, wenn man sie überhaupt für vollkommen verbürgt betrachten will. Zunächst ist nicht daran zu denken, daß die Relationen der Helmholtzschen Formel sich durch den Gehalt der untersten Luftschicht an Wassertröpfchen in einer erkennbaren Weise verändert fänden^); da in 1 cbm Luft von 4®, der bei voller Sättigung mit Feuchtigkeit ein Gewicht von 1270 g hat, nur höchstens 10 g Tropfengewicht enthalten sein dürften, diese 10 g aber nur einen Raum von lOccm unter 1 Mill. Kubikzentimeter Luft verdrängen, wird das spezifische Gewicht der Nebelluft nur unwesentlich erhöht (näm- lich von 0.001270 auf 0.001271). Man könnte ferner an die örtHchkeit selbst, die vorzugsweise genannte Neufundlandbank, anknüpfen und darauf hinweisen, nicht nur daß der die Nebel hervorbringende südliche (Südost bis Südwest) Wind die Wellen gegen den herrschenden Strom schickt, wodurch sie relativ steiler werden, wie auch darauf, daß die Wellen von sehr tiefem Wasser auf eine Schelfbank treten, wobei sie ebenfalls höher werden müssen, wie es denn auch heißt, daß bei aufkommendem Nordwestwind diese hohen Wellen sofort verschwinden. Drittens aber wäre überhaupt an eine optische Täuschung zu denken, da bei Nebel die Kimm unsichtbar ist und das Auge immer nur etwa eine Welle übersehen kann, so daß das Urteil über deren Größe allen Anhalt verliert. Da das Auge entfernte Gegenstände in leichtem Dunst verhüllt und undeutlich zu sehen gewohnt ist, wird es geneigt sein, unklar erkennbare Wellen- kämme in eine weitere Entfernung zu versetzen, und so die täuschende Vorstellung von großen Wellen gewinnen. Sobald der Nebel zerreißt, erscheint die See sofort ruhiger, weil das Auge die Wellenhöhen alsbald richtig beurteilt 2). Welche Erklärung hiervon zutrifft und ob die Tat- sache selbst vor einer strengen Kritik standhält, muß künftiger Unter- suchung überlassen bleiben. Tl. Umformung der Wellen. Sturzseen. Brandung und Abrasion. Reflexion. Wie bei früherer Gelegenheit bereits bemerkt, haben die Wellen- kämme bei zunehmendem Wind die Neigung, überzubrechen. Besonders deutlich tritt dies hervor, wenn die Windstärke über 4 Beaufort ansteigt, bleibt aber das bezeichnende Merkmal der sturmbewegten See überhaupt. Schwere Stürme und tropische Orkane pflegen in Böhen zu wehen, also mit einer für kurze Zeit stark anschwellenden Windstärke. Dabei brechen dann auch die Sturmwellen über, und die alsdann auftretenden „Sturz- seen" sind um so gefährlicher, als in ihnen kolossale Massen von Seewasser mit erheblicher Geschwindigkeit aus ziemlicher Höhe herabstürzen und eine lebendige Kraft von höchster zerstörender Wirkung vorstellen. Schiffe, ^ ) Vgl. für das folgende H a n n, Lehrbuch der Meteorologie, Leipzig 1902, S. 215 und 300. ') Diese Auffassung von einer optischen Täuschung hat Kapitän z. S. A s c h e n- born mir gegenüber mündlich zuerst 1886 ausgesprochen. 104 Umformung der Wellen. welche mit kleinen Segeln oder ganz ohne solche („vor Top und Takel") vor dem Sturme herlaufen („lenzen"), sind den Sturzseen um so mehr ausgesetzt, je weniger leicht das Hinterteil des Schiffes von den Wellen sich aufheben läßt, was von der Bauart des Schiffes abhängt: „gute See- schiffe" haben meist wenig von Sturzseen zu fürchten. Andere dagegen, deren Hinterteil die ankommende Welle aufhält, bewirken, daß sich die Kämme der letzteren mit voller Gewalt auf das Deck stürzen und dort die größten Verwüstungen anrichten, auch wohl Menschen auf der SteUe erschlagen. Schiffe, welche nüt Dampfkraft gegen stürmische See anlaufen wollen, werden von solchen Sturzseen an ihrem Vorderteil Beschädigungen erfahren; solche Schiffe, welche steuerlos in der wirren gekreuzten See eines Orkanfeldes liegen, werden nur allzu leicht ein Opfer der von allen Seiten über sie hereinbrechenden Sturzseen, die die Luken zu den Lade- räumen einschlagen oder die Verbände des Decks lösen, so daß sich der Schiffsraum mit Wasser füllt und das Fahrzeug wegsinkt. Die in der zentralen Stille tropischer Orkane durch Literferenzen ge- bildeten „pyramidalen" Seen werden von allen Seefahrern am meisten ge- fürchtet, wie überhaupt der Winddruck bei diesen Orkanen in seiner unmittel- baren Wirkung auf die Takelung bei weitem weniger Gefahr bringt als die Wut der kolossalen Wellen, namentHch der Sturzseen. Der englische Admiral und Hydrograph Sir Edward Belcher berichtete gelegentHch einer Debatte über diese Sturzseen (Transactions of the Institution of Naval Architects , vol. XIV, London 1873, p. 17), daß einmal im Jahre 1814 eine See das ganze Hinterteil eines Schiffes hinweggeschlagen habe: nicht nur die ganze Admiralseinrichtung, sondern auch die Batterie wurde zerstört. Zwei Stunden später, als das Schiff vor Großmarssegel imd Fock lenzte, wurde es durch eine riesige See vöUig „hecalmed", so daß das Marssegel an den Mast zurückflatterte, während die See über den Großtop spritzte, dann aber auf das Deck hemiederfiel^ alle Boote hinwegfegte und die Hängemattenkästen an der Steuerbordseite so scharf abschlug, als wenn sie mit einem Meißel abgestemmt wären. Im übrigen bringen die nautischen Zeitschriften mehr oder weniger erstaunhche Beispiele dieser Zerstörungen durch Sturzseen^). — Vgl. auch die sehr anschauliche Beschreibung der Sturzsee, welche (sich überwölbend, xuTYjpsfpe?) dem Dulder Odysseus sein Blockschiff zerschlägt, Odyssee V, 365 ff. Überschlagende Kämme zeigen auch kleinere WeUen jedesmal, wenn sie dem an Ort und Stelle herrschenden Winde entgegen laufen, nur mit dem Unterschiede, daß die Kämme in das rückwärts gelegene Wellental zurückfallen: die „Mursee" der Seeleute. — Besonders hohe Wellen und heftige Sturzseen sind dort häufig, wo die herrschende Dünung einer Strömung entgegenläuft: so in Flußmündungen, im Gebiete starker Ge- zeiten- oder besonders starker Meeresströme. In diesen Fällen werden die von der Welle ergriffenen Wasserfäden im Bereiche des Wellenkammes durch den ihrer Bewegung sich entgegenstemmenden Druck der Strömung stark zusammengepreßt und dadurch die Kämme höher und steiler ge- macht, so daß sie schließlich wegen mangelnder Unterstützung über- schlagen, und zwar in der Kichtung dem Strom entgegen. Beispiele hierfür gibt besonders Stevenson (Harbours p. 61 ff.). Die Pentlandföhrde zwischen Schottland und den Orkneyinsehi ist die Stätte 1) Vgl. W. Allingham im Nautical Magazine 1892, p. 397; 1901, p. 433 lange Listen. Sturzseen. Wirkung abnehmender Wassertiefe, 105 überaus heftiger Gezeitenströme, dort Roost oder Boar genannt. Die Roost von Louther und Swona läuft 4.6 m, die bei den berüchtigten Pentland Skerries 5.5 m in der Sekunde. Zur Zeit der Ebbe ist sie am Westeingange der Förde bei westlicher Dünung, zur Flutzeit am Osteingange bei gleichzeitiger östlicher Dünung am meisten gefürchtet : dann läuft aUemal der Strom am kräftigsten der Dünung entgegen. Da hier eigentlich ununterbrochen eine westliche Dünung steht, so ist bei Ebbezeit das Segeln in der Pentlandförde äußerst gefährlich, zumal hinter den kleinen, im Fahrwasser liegenden Felseninseln sich Maalströme entwickeln. Auch Dampfschifie pflegen, die Tide abzuwarten, wo Wellen und Strom gleichgerichtet laufen, also bei Westwind den Flut-, bei Ostwind den Ebbestrom zu benutzen. Von der hoch laufenden See auf der Neufundlandbank bei Südwind, welcher dem Labradorstrom entgegenwirkt, war scjion die Rede. Weitere Beispiele der Art liefert die See südlich vom Kapland im Bereiche des Agulhas- stroms bei Westwind, ebenso (nach Partsch) das Kap MaUa in Griechenland, woselbst ebenfalls ein Meeresstrom aus dem Ägäischen Meer nach Westen umbiegt und den herrschenden Westwinden und ihrer langen und hohen See entgegenläuft (vgl. Odyssee III, 287 und IX, 80). Nach Stevenson werden hingegen Seen, welche senkrecht gegen einen heftigen Gezeitenstrom anlaufen, von diesem fast völlig unterdrückt (wegen der am Rande dieser Ströme vorhandenen Wirbelbewegungen?), wofür er mehrere- Beispiele von den Shetlandinseln beibringt. Meeresströme haben indes diese Wirkung nicht, denn wir sahen, wie die Dünung aus dem Golf- stromgebiet bis nach St. Helena hin quer durch drei Meeresströmungen sich fortpflanzt. — Schifie, welche beigedreht liegen, erhalten die See zwar unter spitzem Winkel von vorn, aber da der Wind den Schiffskörper leewärts drückt, so treffen die Wellen vor dem Schiffe auf Wasser, welches unter diesem herauf- gequollen ist, und dabei entstehende zahlreiche kleine Wirbel bewirken, daß die WeUen sich nicht normal ausbilden können und jedenfalls aufhören, über- zuschlagen. Diese kleinen Wirbel des aufquellenden Wassers sind, beiläufig bemerkt, wohl auch die Ursache davon, daß im Kielwasser eines Schiffes die Wellen stark abgeschwächt werden, so daß sie bisweilen ganz unterdrückt erscheinen (s. oben S. 102). Wichtige Veränderungen erleiden die Wellen, wenn sie von der hohen See in die Küstengewässer gelangen und ihre Länge größer wird als die Wassertiefe. Einerseits ist es die Art, wie die Wassertiefe abnimmt, ander- seits die Gestalt der Uferlinie, mit ihren Buchten und ihrem bald steilen, bald flachen Strande, die für die Umformung der Wellen maßgebend wird. Die hierbei auftretenden Erscheinungen sind nicht nur für die Windwellen bedeutsam, sondern finden auch großenteils für die ozeanischen Tide- wellen eine wichtige analoge Anwendung. Die Geschwindigkeit der Flachwasserwellen ist nach der Lagrangeschen Formel proportional der Quadratwurzel aus der Wasser- tiefe (S. 15). Weht nun der Wind über einer großen Wasserfläche parallel mit dem einen Ufer, das wir uns geradlinig und in gleichmäßiger Böschung in die Tiefe abfallend denken wollen, so werden nur in dem tiefen Wasser die Wellenkämme, im Grundriß gesehen, senkrecht zu diesem Ufer liegen, an ihrer Landflanke aber zurückgebogen werden, da sie desto weniger schnell vorschreiten, je seichter das Wasser wird, so daß sie am Strande selbst in einem stumpfen Winkel auflaufen. Gleichzeitig wird die Wellenlänge verringert, denn diese ist ebenso wie die Geschwindigkeit der Quadratwurzel aus der "passer- 106 Umformung der Wellen. tiefe proportional (X = t l/^gp); die Wellenkämme rücken also näher zusammen. Nur die Wellenperiode bleibt, wie leicht einzusehen ist, dabei unverändert, sobald es sich um Wellen handelt, welche, im tiefen Wasser entstanden, nun auf den flachen Strand zulaufen. Denn da durch die gegebenen Umstände jede WeUe in gleicher Weise aufgehalten wird, so bleiben die Zwischenräume zwischen ihrem Eintrefien am Strande immer dieselben. Di^ Formel XXVII (S. 20) verliert also hier ihre Gültig- keit, sie gilt nur für gleichmäßige geringe Tiefe. Dagegen wird die Wellenhöhe vergrößert: die Wasser- fäden des Flachwassers, welche von denen des tieferen Wassers beim Heran- rücken des Wellenkammes einen seitlichen Druck in der Richtung auf das Ufer zu erhalten, erfahren durch den nicht mehr horizontalen, sondern schief aufsteigenden Meeresboden einen Widerstand; da sie seitwärts nicht ausweichen können, so bewegen sie sich nach der freien Oberfläche, d. h. der WeUenkamm wird . höher. Nach den Untersuchungen A i r y s wird hierbei die Wellenhöhe größer im umgekehrten Verhältnis zur vierten Wurzel aus der Wassertiefe; rascher dagegen wächst sie beim Eindringen in trichterförmig sich verengende Buchten, nämlich umgekehrt propor- tional zur Quadratwurzel aus der horizontalen Breite des Wasserbeckens. Einige Beispiele mögen die hier aufgestellten Beziehungen näher erläutern. Wellen, die in 20 m Tiefe 40 m lang sind, wo also das Verhältnis pß = ^ft ist, würden nach Formel XVII eine Geschwindigkeit von 7.9 m p. S. haben; gelangen sie noch in Wasser von 10 m Tiefe, so wird die .Geschwindigkeit proportional den Wurzeln aus dem Verhältnis der beiden Wassertiefen ab- genommen haben, d. h. auf 7.9 i/^72o = 5.6 m p. S. Ebenso vermindert sich die Wellenlänge im gleichen Verhältnis, also auf 40 [/ V2 = 28 m. In einer Wassertiefe von 5 m müßte sich die Geschwindigkeit auf die Hälfte der ursprünghchen, also auf nicht ganz 4 m, die Wellenlänge ebenso auf 20 m verringert haben. Da die Periode unverändert beibehalten wird, ist man imstande, aus Beobachtungen derselben am Strande die WeUendimensionen für tiefes Wasser nach den Trochoidenformeln zu berechnen. Aus einer längeren Beob- achtungsreihe am Strande von Sylt ergab sich mir am 31. August 1897 eine durchschnitthche Periode für die dort auflaufenden Wellen von 6 Sekunden. In der offenen See würde dieser Periode entsprechen: eine Geschwindigkeit von 9.4 m p. S. und eine Länge von 56 m. Diese Dimensionen würden für das Gebiet nördüch von der Doggerbank, wo die Wassertiefen 56 m über- steigen, durchaus möghch sein. In der östhchen Nordsee aber würde die Geschwindigkeit im Seichtwassergebiet bei 20 m Tiefe bis 5.6, in 10 m Tiefe auf 4.0, in 5 m Tiefe auf 2;8 m p, S. verringert werden; die Wellenlängen dem- entsprechend auf 33, 24 und 17 m. Lassen wir femer Wellen von der Höhe = H sich aus einer anfäng- lichen Wassertiefe = p fortpflanzen in ein Gebiet mit der kleineren Tiefe = p\ so wird sich die neue Wellenhöhe H' verhalten zur anfänghchen wie ^p : \/^p', also H' = H \/^p/p' sein. Die Wellenhöhen wachsen danach ziemlich langsam mit abnehmender Tiefe. Setzen wir beispielsweise H = 3 m und p = 50 m, 80 wird der Reihe nach: für p' = 30 m 20 m 10 m 5 m H' = 3.4 3.8 4.5 5.3 Wirkung abnehmender Beckenbreite. 107 In einer Tiefe von 5.27 m würde die Wellenhölie ebenfalls 5.27 m werden, worauf Brandung eintritt. Allgemein würde erst durch eine Abnahme der Wasser tiefe auf Vie der ursprünglichen eine Verdoppelung der Wellenhöhe eintreten. Rascher wirkt die Abnahme der Beckenbreite. Setzen wir vor einer Meeresbucht mit der horizontalen Breite b die- Wellenhöhe = H und lassen die Breite abnehmen auf b', so verhält sich die neue Wellenhöhe \ff' zu H wie \/b~: {/V; es ist also H' = H \/b/b'. Hier wird schon, wenn die Breite auf V4 der anfänglichen zurückgegangen ist, die Wellenhöhe verdoppelt. Es 821 bsispielsweisa H = Z und & = 10 000 m, so werden der Reihe nach werden: für b' = 5000 3000 2000 1000 500 100 m H'== 4.2 5.5 6.7 9.5 13.4 3am Bei 2500 m Breite fände sich die Wellenhöhe verdoppelt auf 6 m. Nach Thomas Stevenson entspricht in der Natur diese Abhängigkeit der Wellenhöhen von der veränderten Beckenbreite nicht genau der Airyschen Formel; er gibt folgende mit einem Korrektionsglied versehene empirische Formel für eine Beckenerweiterung: worin alle Maßa in englischen Fuß (= 0.3048 m) gegeben sein müssen, H die Wellenhöhe und b die Backenbreite vor dem schmalen Eingange des Beckens, Ä die Wellenhöhe im Innern des Hafenbeckens, wo die Beckenbreite B ge- worden ist, und D den Abstand der beiden Punkte, wo die Beckenbreiten 6 und B gemessen sind. Die Hafenbautechniker sind von dieser Formel be- friedigt. Diese Veränderungen wirken nun auch auf die Orbitalbewegung ein. Diese ist an der Wasseroberfläche nach Formel XXVIII (S. 21) t) = c . Ä/p, wo h die halbe Wellenhöhe bedeutet, oder wenn wir c nach der Lagrangeschen Formel durch f ausdrücken, wird v = h [/g/p. Diese Formel ist aber nur in solchen Fällen anwendbar, wo die Wellenlänge erheblich größer ist als j), dieses vom mittleren Niveau des Meeres (in der halben Wellenhöhe) ab gerechnet. Bleiben wir zunächst bei der ersten Formel, die wir der uns gewohnten Bazeichnung gemäß v = ^J2 c H/p schreiben wollen, so ergibt eine einfache Überlegung, daß c und H sich entgegengesetzt verhalten, wenn p abnimmt: dem kleineren p entspricht ein größeres H, abet ein kleineres c, so daß die Änderungen von H und c sich teilweise kompensieren; aber da gleich- zeitig der Nenner p abnimmt, wird v mit der kleineren Tiefe stets wachsen. So ergibt sich, daß, um beim ersten Beispiel zu bleiben, für c = 7.9, H = 3 und p = 20 m, V = 0.59 m p. S. wird, sich für c = 5.6, H = 3.6 und p = 10 m aber v = 1.01 m p. S. ergibt. Für den Fall, wo die Wassertiefe gleich der halben Wellenhöhe wird, ist die Orbitalgeschwindigkeit v gleich der Hälfte der Fortpflanzungsgeschwindigkeit; mit diesem wichtigen Fall werden wir uns gleich weiter zu beschäftigen haben. Hagen hat versucht, auf Grund seiner bei früherer Gelegenheit (S. 20) schon als nicht ganz einwandfrei bezeichneten Formeln für abnehmende Wassertiefe die Änderungen der Wellenlänge, Geschwindigkeit, Höhe und Orbitalgeschwindigkeit zu berechnen, indes sind seine Resultate, obwohl sie an sich nichts Unwahrscheinliches darbieten, nur als ein erster Versuch von Interesse. Ausgehend von einer ebenfalls schon diskutierten Beobachtune des Lotsenkommandeurs Knoop in Swinemünde (vgl. S. 27, Tabelle Nr. itj berechnet er die in nachstehender Tabelle gegebenen Werte, wo wiederum p 108 Umformung der Wellen. die Wassertiefe, c die Geschwindigkeit, X die Länge, H die Höhe der Wellen in Meter, 2c(' den Ausschlag der Wasserfäden am Boden hin und zurück in Zentimeter bedeutet. p c X H 2a' m m m m cm 8.3 4.3 9.3 0.63 0.6 5.8 3.4 8.4 0.71 1.4 4.6 3.2 6.5 0.75 2.3 3.5 2.9 5.5 0.82 4.1 2.6 2.7 4.7 0.88 7.2 1.7 2.4 3.8 0.97 14.8 1.2 2.2 3.1 1.14 26.9 Die Steigerung der, Wellenhöhe und der Amplituden der horizontalen Ausschläge der Wasserteilchen am Boden bei abnehmender Wassertiefe tritt sehr klar in die Erscheinung, Ob aber in Wirklichkeit ein Wellensystem von den Anfangsdimensionen des gegebenen solchen Änderungen unterliegen würde, wie die Tabelle zeigt, muß dahingestellt bleiben. Für die weiteren Schicksale dieser Wellen bei ihrem Fortschreiten gegen die Küsten hin ist nun bedeutsam, ob es sich um ein Steilgestade hinter verhältnismäßig groß bleibenden Tiefen handelt, oder ob die Wellen auf einen allmählich, unter schwacher Böschung ansteigenden Strand geraten. Laufen Wellen gegen eine senkrecht oder doch mit steilem Winkel bis in große Tiefe abfallende Uferböschung, so werden sie reflektiert. Die schon von den Brüdern Weber darüber angestellten Untersuchungen zeigen, wie der Wellenkamm am Ufer sich dabei erhebt bis fast zum Dop- pelten seiner früheren Höhe: was sich erklärt durch seitliche Zusammen- pressung der im Flachwasser aufrecht stehend hin und her geschobenen (S. 13) Wasserfäden, die dann nur nach oben ausweichen können. Die reflektierten Wellen laufen eine Strecke in die See zurück, werden aber bei auflandigem Winde schnell von diesem und den frisch erzeugten Wellen zerstört : „die W i d e r s e e" der Seeleute. Im allgemeinen ergibt die Beobachtung, daß diese Widersee um so kräftiger auftritt, je größer der Böschungswinkel ist; sie fehlt aber auch kleinen Böschungswinkeln nicht ganz. Wir werden am Schlüsse des Abschnitts darauf zurückkommen. Sind die Wellen hoch und laufen sie schnell, wie das bei Sturmwellen und bei Dünung der Fall ist, so erreicht beim Anprall an das Steilgestade das Aufschwellen der Kämme eine solche Energie, daß sich beträchtliche Wassermengen von den Wellenkämmen loslösen und strahlartig an der Gestadewand hinaufspritzen : das ergibt die sogenannte Klippen- brandung. Einzeln stehende Felsinseln und Leuchttürme sind die Hauptschauplätze derselben, und nicht selten ist beobachtet worden, wie diese Wasserstrahlen, nicht bloß etwa das Spritzwasser, bis auf Höhen von mehr als 30 m über den mittleren Wasserstand hinaufgetrieben werden. Eine typische KJippenbranduiig entfalten aber auch die gewaltigen Wogen Klippenbrandung. 109 der hohen Südbreiten an den senkrechten Wänden der antarktischen Eisberge, also in der offenen See von ozeanischer Tiefe. Stevenson^) berichtet, daß nach seinen Beobachtungen die Khppen- brandung im Durchschnitt fast die siebenfache (genau die 6.6fache) Wellenhöhe erreicht. Leuchttürme, wie der von Bellrock im Osten Schottlands und Bishop- rock westhch von den Scillyinseln oder der von Eddystone sind bisweilen ganz von diesen Wassetgarben überscnüttet worden. Während eines Winter- sturms 1860 wurde auf der Bishoprockleuchte in 30 m Höhe über Mittelwasser eine Glocke abgebrochen, und auf der Shetlandinsel Unst eine Tür in 59 m Höhe eingeschlagen. Die vertikale Kraftleistung dieser Klippenbrandung maß Stevenson mit seinem Wellendynamometer (s. S. 117 Fig. 23) am Gestade des Bristolkanals in 7 m Höhe (über Mittelwasser) im Maximum zu 11 500 kg auf den Quadratmeter Fläche, während der gleichzeitige horizontale Druck nur 137 kg pro Quadratmeter betrug. Ein Fall von außerordenthch hoher Klüppenbrandung wird von dem Tillamooklsuchtturm an der Küste von Oregon (45° 56' N. B,, 124° W. L.) gemeldet: hier schlug die See am 19. Dezember 1891 in die 48 m hoch über Wasser angebrachte Laterne des Turms. Wie Ga.illard^) berichtet, erhob sich am 11. Februar 1902 vor Tillamook eine Wassergarbe mehr als 60 m über den Meeresspiegel und stürzte als sohde Wassermasse auf das Dach des Wärterhauses, das 30 m hoch Hegt; Felsstücke werden häufig auf dieses Dach geschleudert und dieses dadurch stark beschädigt. Ist der Wind nicht stark und nicht auflandig, so fehlt auch die KHppen- brandung an steilen Felsgestaden und künsthchen Hafenbollwerken ganz, und alsdaim können Boote imgefährdet nahe an das Land herankommen. „In den Vernehmungen, die auf Veranlassung des britischen Parlaments in betreff des Hafens von Dover stattfanden, machte der Kapitän J. Vetch sogar die Mitteilung, daß er beim Ausgehen aus dem kleinen Hafen Scamish aiä der Insel Tiree (Westschottland) in einem leichten Fahrzeuge von 75 Tonnen durch einen heftigen Wind gegen eine steile Felswand getrieben sei, die etwa 60 ° gegen den Horizont geneigt war, und daß das Fahrzeug sich wiederholent- lich nur hob und senkte, ohne den Felsen zu berühren, obwohl es keinen vollen Yard (= Meter) davon entfernt war. — Bei derselben Gelegenheit erwähnte A i r y, er sei einst zur Zeit des Hochwassers und zwar bei starkem Seegange aus dem Hafen Swansea (Südwales) gerudert, während neben den steilen Köpfen der Hafendämme die Wassertiefe etwa 6 m betrug. Wir fuhren, sagt er, an dem einen Kopfe so nahe vorbei, daß wir ihn mit den Rudern be- rühren konnten, es fand hier aber keine Brandung statt, und wir durften das Aufstoßen des Bootes nicht fürchten, obwohl dasselbe sich meterhoch abwechselnd hob und senkte. Kaum waren wir indessen etwa 200 Yards weiter gekommen, als wir uns vor einer flachen Bank befanden, und hier brandete die See so stark, daß sie zwei Mann über Bord schlug und das Boot mit Wasser füllte. — Derselbe erwähnt ferner, er sei bei anderer Gelegen- heit an einigen der aus tiefem Wasser senkrecht aufsteigenden Felsen an der Ostseite des Kap Lizard vorbeigerudert und habe auch hier gesehen, daß die Wellen nicht brachen, aber auf den flach ansteigenden sainiigen Ufern bei Cadgwith sei gleichzeitig hohe Brandung gewesen. Ein ausgezeichneter Ingenieur habe ihm auch erzählt, wie sehr er überrascht worden, als er gesehen^' daß vor den Khppen, die aus dem tiefen Wasser in der Bai von Valeiitia sich erheben, die hohen Wellen keine Brandung bemerken Heßen." Ähnhche Beobachtungen machte Hagen, dem wir das vorige entlehnen, auch in *) Stevenson, On harbours, p. 38, 114, 116; Nature 1892, Bd. 45, p. 306. 'y G a i 1 1 a r d, Wave motion, p. 128. . 110 Brandung. der Ostsee, sowie experimentell in seiner Wellenrinne, und knüpft daran die für Wasserbauten am Seestrande wichtige Folgerung, daß steile Wände für solche allein empfehlenswert sind, während bekannthch in Flußbetten nur sanfte Böschungen sich haltbar erweisen. Eine systematische Untersuchung der Brandungsvorgänge und -Wir- kungen an Steilküsten hat kürzhch G. v. Zahn^) für die Bretagne gegeben. Bei sanft abfallender Böschung werden die auf den Strand zulaufen- den Wellen immer kürzer, die Kämme aber höher und steiler, schließlich fehlt es dem vorwärts strebenden Wellenberg an seiner Vorderseite an Wasser, um ihn mit der im vorliegenden Wellental rückwärts gerichteten Orbitalbewegung aufzubauen. Der Wellenberg wird zuerst unsymmetrisch, dann an der vorderen Böschung lotrecht, schließlich wölbt er sich vorn über und bricht in sich zusammen, wobei die Schaum- und Gischtmassen ihre Bewegung auf den Strand hin fortsetzen. Dieses ist die sogenannte Seichtwasser- oder Strandbrandung. Die kritische Phase der Instabilität wird nach den übereinstimmenden Ergebnissen der Kechnung, wie der Beobachtung 2) erreicht, sobald die Wellenhöhe gleich der Wassertiefe geworden ist, wobei man die Wasser- tiefe vom Zentrum der Orbitalbahnen (oder angenähert von der halben Wellenhöhe) aus zu bemessen hat. Die Wasserteilchen an der Oberfläche der Welle haben im Augenblick des Brandens eine horizontale Orbital- geschwindigkeit, die der halben Fortpflanzungsgeschwindigkeit gleich- kommt (in der Gleichung v= ^2 c . H/p wird der Quotient H/p = 1); dies ist der relativ größte Wert, den v annehmen kann. Nach dem Überbrechen wird die regelmäßige Orbitalbewegung durch eine wirbei- förmig-turbulente ersetzt, die aber den Wert Vm-^x = V2 ^ bald einbüßt, da sich die lebendige Kraft der Welle durch das Auflaufen auf den Strand gegen die Kichtung der Schwere und durch die zunehmende Reibung schließlich erschöpft, worauf die Wasserteilchen die Böschung wieder hinab und zurück strömen, dem nächsten Wellenberg entgegen. Das Überschlagen oder Brechen der Wellen ist jedoch nicht bloß ab- hängig von dem angegebenen Verhältnis zwischen Wellenhöhe und Wasser- tiefe, sondern anscheinend auch von dem Ausmaß der Orbitalbewegung in den tieferen Wasserschichten, besonders am Boden. Bei der Umwand- lung der Seen in die Dünung nehmen die Wellenhöhen, also die Vertikal- durchmesser der Orbitalbahnen, ab, dagegen halten sich die horizontalen Durchmesser der letzteren ziemlich unverändert. Trifft nun solche Düning, welche überdeckt von den Seen des herrschenden Windes im Tiefwasser gar nicht zu sehen, höchstens an den Bewegungen des Schiffes zu fühlen ist, auf flacheres Wasser, so wird auch bei ihr die vorher dargelegte Form- änderung nicht ausbleiben: vor allem also wird die Wellenhöhe ein sicht- bares Maß erlangen. Küstenbänke, welche weit in eine tiefe See vorge- schoben liegen, oder Bänke in der offenen See selbst, werden also solche bis dahin sozusagen nur latent vorhandene Dünung zu neuem Leben er- M Mitt. Geogr. Ges. in Hamburg 1910, Bd. 24, S. 228 f. mit zahlreichen guten Abbildungen. •) VgL die Experimente von Scott Russell in Brit. Assoc. reports for 1844, p. 362; B a z i n in Möm. pres. par div. sav. Bd. 19, Paris 1865, p. 509; die Messungen TOD Stevenson. On harbours, p. 72. Strandbrandung. 111 wecken, und in der Tat sind sowohl dieNeufundlandbank, wie die Agulhas- bank nicht nur darum, weil die Seen oft gegen den Strom laufen, so berüchtigt wegen ihres heftigen Wellenschlages, sondern auch, weil die neuerweckte Dünung den Seegang an sich verstärkt und besonders dazu beiträgt, den Fortgang des Schiffes aufzuhalten, was die Kapitäne so- gleich merken müssen. Eine ähnliche Stellung nimmt dann wieder die Doggerbank innerhalb der Nordsee ein ^). Was nun aber besonders merk- würdig ist und auf Beziehungen zwischen der Horizontalamphtude der Orbitalbahnen am Meeresboden und der Wassertiefe hinweist, ist die vöUig begründete Tatsache, daß am Rande und im Bereiche solcher Bänke WeUen über Wassertiefen brechen oder branden, welche vielemal größer sind als die vorhandenen WeUenhöhen. Ich stelle aus C i a 1 d i folgendes Verzeichnis zusammen, wobei ich von allen solchen Fällen absehe, wo eine Komplikation zwischen Seegang und Strömungen aller Art möglich er- scheint. Es sind bei stürmischer See brandende Wellen beobachtet worden in einer Wassertiefe von: 14—18 m bei der Robbeninsel (Kapstadt) (Cialdi, § 574). 15 — 17 m an der Guianaküste (§ 542). 17 — 20 m an der Küste von Guatemala bei Istapa (§ 541). 20, 27, 31 m vor Porto Santo, Madeira (§ 543). 20—22 m vor Djidjeh (Algerien, § 586). 25, 27, 30 m an der Nordküste von Spanien (§ 575)*). 48 m bei Terceira, Azoren (§ 557). 46 — 57 m vor Punta Robanal (Nordspanien, § 580). 84 m an der syrischen Küste (§ 589). Auf ein schönes Beispiel aus den heimischen Meeren hat L. F r a n- z i u s ^) hingewiesen. Von der Insel Borkum aus sieht man bei mäßigem Westwinde über dem etwa 20 Seemeilen entfernten und 20 bis 30 m tiefen westwärts sich erstreckenden sogenannten Borkumer Riff eine beständige Brandung, deren Wellen mindestens die doppelte Höhe wie weiter in See haben und deren Wirkung sich bis an den Strand der Insel erstreckt; bei östhchen Winden dagegen fehlt dort jede merkhche Brandung. Ferner erwähnt Stevenson (Harbours p. 62), allerdings wohl im Bereiche der bereits erwähnten heftigen Gezeitenströme von Faira Island (nördüch von den Orkneys), brandende Wellen bei einer Wassertiefe von mindestens 70 m, und A i r y (Tides and waves § 416) ebensolche vom Außenrande der sogenannten Gründe vor dem britischen Kanal in 100 Faden oder 180 bis 200 m Wasser- tiefe (vgl. Bd. I, S. 108). EndUch berichtet Kapitän T i z a i- d (Proc. Roy. Soc. XXXV, 1883, p. 208), daß er auf dem Wyville Thomson-Rücken zwischen den Färöer und Schottland jederzeit eine kürzere und höhere See gefunden habe als außerhalb des Rückens, und doch hegt dieser 300 bis 500 m tief. ^) Vgl. Ann. d. Hydr. 1899, S. 291. Auch die Burdwood Bank südlich von den Falklandinseln gehört in diese den Seeleuten so ^ .nangenehme Liste, wie schon J. C. R o ß feststellte; ebenso die Campeche Bank im Golf von Mexiko, sobald ein Norder weht. ') Die vom englischen hydrographischen Amte herausgegebenen Sailing Di- rections for the West-Coast of France, Spain and Portugal, London 1885, erwähnen mehrfach an der Nordküste Spaniens Brecher in mehr als 20 m Wassertiefe; allgemein (p. 115) solche in 37 bis 51 m (20 bis 28 Faden) entlang der Küste der Baskischen Provinzen im Winter. ') Franzius und Sonne, Der Wasserbau. 3. Abteüung: Der Wasserbau am Meere. (3. Aufl.) Leipzig 1901, S. 141. 112 Brandung. In vielen Fällen der obigen Liste, die sich noch leicht vermehren ließe, scheint eine terrassenartige Stufe am Meeresboden, wo dieser sich aus großer Tiefe mehr oder weniger steil zur Bank erhebt, die Hauptstätte der Brandung zu geben. Die in aufrechter Stellung hin und her pendeln- den Wasserfäden erfahren beim Anprall an solchen Stufenabsatz viel- leicht einen Stoß, welcher sich bis an die Oberfläche hin fortpflanzt und daselbst die Welle branden läßt. Derartige bis zum Meeresboden in fast 200 m Tiefe hinab noch kräftige Bewegungen verursachende, wenn auch an der Oberfläche nicht besonders auffallende Dünungen nennen die Seeleute die Grundseen und erblicken in ihnen die Hauptursache für das Auftreten einer kräftigen Brandung mit Rollern und Brechern am eigentlichen Strande. Das> Wasser über der Neufundlandbank wird häufig bis zum Grunde in 50 m und mehr Tiefe aufgerührt. H u nt^) berichtet von dort, nach Aus- sagen der Küstenfahrer, daß wenn Sturzseen in 20 bis 25 m Wassertiefe aufs SchifE geschlagen sind, diese häufig Sand auf Deck zurücklassen, und ferner, daß man im Magen der Kabeljaue daselbst häufig die Muschel Mya truncata finde, welche sich 20 bis 25 cm tief in den Sand des Meeresgrundes einbohrt, also von jenem Fische nur dann gefressen werden kann, wenn der Sand durch die Grundseen bis auf diese Tiefe aufgewühlt worden ist. Der Seegang im Verein mit den Gezeitenströmen hält den Sand- und Schhckboden der Nord- see stets in Bewegung, so daß die Tange mit ihren Haftscheiben nirgends Halt finden können und deshalb die Nordsee außerhalb der Felsküsten keinen Algenwuchs am Boden besitzt. Die den Zoologen längst bekannte Tatsache, daß sich Ascidien so regelmäßig auf den vom Einsiedlerkrebs bewohnten Schneckengehäusen finden, beruht ebenfalls darauf, daß der bewegHche Sand- boden diese zarten „Blumen des Meeres" töten würde, während der Einsiedler- krebs sich festzuklammern versteht, ihnen also einen gesicherten Sitz gewährt. Cialdi (§§ 750 £L, namenthch 776) berichtet ausführhch von den Taucherarbeiten, welche an der beim brasihschen Kap Frio gescheiterten enghschen Fregatte „Thetis" 1831 ausgeführt wurden: die dabei verwendeten Taucherglocken gerieten in 18 bis 20 m Wassertiefe bei kräftigem Winde stets, nicht selten aber auch bei sonst ruhiger See in heftige Schwingungen, welche den Betrag von 1.5 m erreichten und durch drohenden Anprall an die Riffe die Arbeiten höchst gefährlich machten. Hier, namenthch im letzteren Falle, waren offenbar auch Grundseen die Ursache (vgl. oben S. 30). Der Brandungsvorgang am Strande selbst ist nicht immer richtig erklärt worden. Meist findet man die Auffassung, daß die Welle in der Tiefe durch Reibung am Boden aufgehalten werde, während der Kamna ungehindert seinen Weg fortsetze, wodurch er seine Unterstützung verlieren und überschlagen müsse. Wir sahen, daß es noch keineswegs festgestellt ist, wie in flachem Wasser von gleichmäßiger Tiefe die Reibung am Boden auf das Fortschreiten der Wellen einwirkt; in der Wellenrinne war solche Verzögerung der unteren Teile der Welle bei geringer gleich- mäßiger Wassertiefe, wo sie doch auch vorhanden sein müßte, nicht fest- zustellen, vielmehr war die Geschwindigkeit der Welle unten und an der Oberfläche die gleiche. Man wird die oben gegebene, soweit ich sehe, ») Proc. R. Soc. London 1882, Bd. 34, p. 16; vgl. auch W. W. Kiddle in Nature 1875, Bd. 13, p. 108. . Strandbrandung. 113 zuerst von Hagen ausgesprochene Erklärung des Brandung.sprozesses vorziehen müssen. Eine hohe ozeanische Dünung kann beim Auflaufen auf die seichten Küstengewässer wiederholt zum Branden kommen. Zuerst geschieht das da, wo die Küstenbank sich landwärts zu einer Tiefe erhebt, die der Wellen- höhe gleichkommt. Die zusammengebrochene Wassermasse bewegt sich aber weiter landwärts als eine zunächst niedrigere Welle (nach Scott Russell eine Übertragungswelle), die aber bei weiterhin abnehmender Wassertiefe abermals überbrandet, und dies Spiel kann sich fortsetzen, bis der eigentUche Strand erreicht ist (vgl. beistehende Fig. 22, wo zweimal bei Tf 2 ^^^ ^^5 ^i® Brandung eintritt). Hiermit ist dann noch eine andere wichtige Nebenwirkung verbunden. Indem die übergebrochenen Wasser- massen landwärts geworfen werden, tritt am Strande eine Aufhäufung von Wasser auf und damit ein Überdruck, der nach einem Ausgleich strebt, diesen aber nur in den tieferen Schichten am Boden entlang be- tätigen kann. Jede neu ankommende Welle unterbricht freilich diesen Fig. 22. Mehrfache Brandung auf übei'scriwemmlem Strand (W^, H'j); am Boden dey Soog&trom. Bückstroip in der Tiefe, aber nur vorübergehend, so daß aUe Gegenstände, •die wenig schwerer als Wasser sind, also nicht fest auf dem Grunde ruhen, seewärts hinweggedrückt werden. „Diese Erscheinung," sagt Hagen, „wird von den Strandbewohnern der Ostsee der S o o g (das Saugen) ge- nannt und veranlaßt vorzugsweise die Gefahr beim Baden während eines hohen Seegangs, indem die Füße immer stark seewärts gezogen werden." Wenn in der Strandbrandung Boote kentern, gehen auf diese Weise Lasten und gelegentlich auch Menschenleben verloren. Sehr richtig bemerkt Hagen weiter, daß der Soog dazu beiträgt, die Brandung selbst zu vor- stärken, denn die Orbitalbewegung in der untersten Schicht am Grunde wird dadurch behindert, während sie in den oberen Schichten ungeschwächt bleibt; dadurch muß das Überstürzen der unter dem WeUenkamm land- wärts geschobenen Wasserfäden befördert werden. Am stärksten wird der Soog bei auflandigem Winde auftreten, wie bei späterer Gelegenheit näher auszuführen sein wird; aber er fehlt auch sonst nicht, wo nur bran- dende Wellen auf den Strand auflaufen. Geschichtliches. Schon die Aristotelischen Probleme beschäf- tigen sich mit einer Erörterung darüber, warum die Welle in flachem Wasser eher bricht (sitiY»>^ä) als in tiefem (akad. Ausg. 934a, 25). — Die Hin- und Herbewegung der Wasserteilchen am Strande beschreibt S t r a b o (I, p. 53 Gas.) sehr anschauüch. Ebenso weiß er, daß auch bei Windstille oder bei ab- landigem Winde (iv äitofatot; nviüixctoiv) die Wellen nicht aufhören, auf KrQmmel, Ozeanographie. II. 8 114 Brandung. den Strand aufzulaufen, also in letzterem Falle dem Winde entgegen. Den Brandungsvorgang selbst illustriert er nach seinem geliebten Homer (IL 4, 425; 9, 7; 17, 265). Dagegen kennt Strabo nur den auflandigen Transport von Treibkörpern durch die Wellen (das exxo|xfttysaO-at, wie er es nennt), dagegen nicht den Soog der Tiefe, wie denn dieser in der Tat an den schroffen Ge- staden des Mittelmeeres nicht gerade auffällig in die Erscheinung treten dürfte. Die von Strabo bei dieser Gelegenheit erörterte Frage, weshalb die fluviatilen Sedimente schon unmittelbar an der Küste, nicht weit in See, abgeschieden werden, hat ja erst in unseren Tagen durch Brewers Untersuchungen ihre eigentUche Lösung erfahren (vgl. Bd. I, S. 166), Daß Felsen durch Wellen- schlag zu Sand zerrieben werden, kennen ebenfalls schon die Aristotelischen Probleme (S. 935a, 9 der akadem. Ausgabe). Die Hauptstätten der eigentlichen Strandbrandung werden also sanft abgeböschte Küsten oder mit einem flachen Vorstrand versehene Steil- gestade sein. So von der ersteren Kategorie: die Dünenküsten der Landes am Biscayagolf, der Badestrand von Sylt, die „eiserne Küste" Jütlands, die flache Ostküste der Vereinigten Staaten, die Koromandel- küste Vorderindiens (namentlich bei Madras) und die Küste von Zulu- land (East London); dagegen Teile der Guineaküste, die Nord- und Nordostseite der Antillen von den Bahamainseln an bis nach Antigua^), sowie viele Hochseeinseln liefern Beispiele der zweiten Kategorie: An der Guineaküste heißt die ständige Brandung K a 1 e m a und ist ein höchst lästiges Hindernis für den Verkehr zwischen Schiff und Land. Sie zeigt nach den Beobachtungen von Pechuel-Lösche an der Loango- küste in ihrer Stärke eine jährhche Schwankung, indem sie in den Monaten Juni bis September fast doppelt so stark auftritt, wie in den übrigen Monaten. Aus seinen sorgfältigen Beobachtungen über die Periode dieser brandenden Kalemawellen geht hervor, daß diese auf sehr langen Wellen beruht, und aus der unten folgenden Keihe vom 21. September 1874 früh 8 Uhr ergibt sich eine mittlere Periode von 15.1 Sekunden, mit den Extremen 6 und 24. Durchschnittlich also hatten diese Kalemawellen, solange sie noch in tiefem Wasser liefen, nach der Periode zu schließen, die kolossale Länge von 350 m und die Geschwindigkeit von 45 bis 46 Seemeilen in der Stunde oder 23.5 m in der Sekunde. Wellen von solcher Geschwindigkeit durchlaufen in 24 Stun- den eine Strecke von 1100 Seemeilen, und brauchen also nur 2 bis 3 Tage alt zu sein, wenn sie von dem Gebiet stürmischer Westwinde, bei Tristan da Cunha etwa, bis an die Guineaküste sich fortgepflanzt haben. Daß der an der ganzen Küste von' Niederguinea nur mäßig wehende Passat die Kalema nicht veranlaßt, zeigt ein Blick in die nachstehende Liste der Perioden (in Sekunden) und ein Vergleich mit den Tabellen S. 40 bis 45: 15, 16, 12, 14, 17, 17, 8, 11, 16, 19, 11, 15, 8, 18, 17, 17, 16, 14, 11, 14, 16, 19, 19, 13, 20, 18, 12, 18, 16, 11, 13, 16, 19, 16, 18, 17, 9, 13, 20, 18, 18, 12, 6, 14, 18, 12, 18, 20, 15, 18, 18, 14, 21, 12, 10, 13, 13, 24, 11, 14. Pechuel-Lösche gibt folgende schöne Schilderung der Kalema (Loango- expedition, Abt. III, 1. Hälfte, S. 18 ff.). „Eine schwere Kalema ist eine großartige Naturerscheinung, namentlich *) Rob. Schomburgh, Journ. R. Geogr. See. 1835, 1, p. 23 ff. hat von dieser im Winterhalbjahr dort wütenden Brandung ein anschauliches Bild gegeben. Die Dünung der Golfstromstürme dringt durch den Windwärtskanal sogar bis an die Nordküste von Jamaika vor. Kalema. Roller von Ascension und St. Helena. 115 bei vollkommener Windstille, wenn weder kleinere kreuzende Wellen die andringenden Wogen brechen und beunruhigen, noch das Spiegeln der Wasser" fläche aufheben. Von einem etwas erhöhten Standpunkt aus erscheint dem Beobachter das glänzende Meer von breitgeschwungenen regelmäßigen Fur- chungen durchzogen, welche durch Licht und Schatten markiert und imabseh- bar sich dehnend annähernd parallel mit der mittleren Strandlinie angeordnet sind. Von den aus der Ferne nachdrängenden ununterbrochen gefolgt, eilen die Undulationen in mächtiger, aber ruhiger Bewegung heran und heben sich höher und höher in dem allmählich flacher werdenden Wasser, um endlich nahe am Strande in schönem Bogen überzufallen. Während eines Augenblicks gleicht die Masse einem flüssigen durchscheinenden Tunnel, im nächsten bricht sie mit gewaltigem Sturze donnernd und prasselnd zusammen. Dabei werden wie bei Explosionen durch die im Innern eingepreßte Luft Springstrahlen und blendende Wassergarben emporgetrieben, dann wälzt sich die schäumende wirbelnde Flut am glatten Strande hinauf, um alsbald wieder wuchtig zurück- zurauschen, dem nächsten Roller entgegen. — Einen besonderen Reiz gewinnt das Schauspiel, wenn heftige Windstöße, etwa bei einem losbrechenden Ge- witter, den Rollern vom Lande entgegenwehen, ihre vordere ansteigende Hälfte trefiend, sie zu höherem Aufbäumen zwingen und ihre zerfetzenden Kämme hinwegführen; jeder heranstürmende Wasserwall ist dann mit einer sprühenden flatternden Mähne geschmückt. Von unvergleichHcher geheim- nisvoller Schönheit ist der AnbUck der Kalema des Nachts, wenn das Wasser phosphoresziert, von bhtzähnhchem Leuchten durchzuckt wird, oder wenn das Licht des Vollmonds eine zauberische, in höheren Breiten unbekannte Helligkeit über dieselbe ergießt, und nicht minder des Abends, wenn die Farbenglut eines prächtigen Sonnenuntergangs im wechselnden Spiel von dem bewegten Elemente widerglänzt. Das Getöse, welches diese Art der Brandung hervorbringt, erinnert in einiger Entfernung sowohl an das Rollen des Donners, wie an das Dröhnen und Prasseln eines vorüberrasenden Schnell- zugs, durch seine Gemessenheit aber auch an das ferne Salvenfeuer schwerer Geschütze. Dazwischen wird bald ein dumpfes Brausen, bald ein helles Zischen und Schmettern hörbar, zuweilen endet das Toben plötzUch mit einem einzigen übermächtigen Schlage und es folgt eine sekundenlange, fast er- schreckende Stille: so ist es namentlich des Nachts von hol,3m Reize, der mannigfach wechselnden Stimme, dem großartigen Rhythmus der Kalema zu lauschen." Die Inseln Ascension und St. Helena sind gleichfalls ihrer kolossalen Brandung wegen berüchtigt, und zwar sind die „Roller" in der Zeit vom Dezember bis April, also dem nördlichen Winter am schlimmsten, sie kommen dann aus Nordwesten und treflten die an der Nordwestseite der Inseln gelegenen Reeden unbehindert. Im Südwinter dagegen sind sie weniger stark und kommen sie aus Südwesten. Bei schönstem Wetter und Windstille können sie mit solcher Gewalt am Strande brechen, daß die Häuser in ihren Funda- menten erzittern. In früheren Zeiten, wo St. Helena ein wichtiger Anlauiplatz war, sind Schi £Es Verluste durch Roller sehr häufig eingetreten. Als im Februar 1846 gerade eine große Zahl von Sklavenschiffen dorthin gebracht und näher an Land innerhalb der 20 m-Linie verankert lagen, brachen Roller von un- erhörter Gewalt über sie herein. Es wurden die meisten der Sklavenschiffe auf der Reede wrack geschlagen und sämtUche Landungsbrücken zeiijfJ '. ; nur die im tieferen Wasser in mehr als 20 m Tiefe verankerten Kriegs- und Handelsschiffe blieben unbeheUigte, aber auch ohnmächtige Zeugen dieser Verwüstungen ^). Nach regelmäßigen Aufzeichnungen, welche von Amts wegen ^) Nautical Mag. 1862, p. 21. 116 Brandung. auf St. Helena während der 20 Jahre von 1856 bis 1875 ausgeführt wurden, ergibt sich die genannte jährhche Periode sehr deutUch; und sie fällt, wie Toyiibee gezeigt hat, zusammen mit der Frequenz nordwestlicher Dünung iji der Äquatorialregion (vgl. oben S. 92 f.) und nordwestlicher Stürme im Nordatlantischen Ozean nördlich von 25° N. B. Geben wir der Maximal- frequenz der Roller bzw. der Nordweststürme den Wert 100, so finden wir in den '12 Monaten des Jahres folgende verhältnismäßigen Werte: \ 1 Monat: Juli Aug. i Sept. Okt. Nov. ' Dez. ! Jan. 'Febr. März April Mai { Juni Roller ... 1; 3 i 2 NW- Stürme . | 2 1 5 1 15 7 23 25 43 , 62 45 90 100 100 68 40 65 9 35 1 8 ö 2 Um nun auch aus dem Indischen Ozean ein Beispiel beizubringen, sei auf eine Schilderung von A. R. W a 1 1 a c e hingewiesen, welche dieser aufmerksame Beobachter aus der tiefen Lombokstraße gibt^). „Die Bai oder Reede von Ampanam ist sehr groß, und da sie in dieser Jahreszeit vor den herrschenden Südostwinden geschützt lag, war sie so ruhig wie ein See. Der Strand von schwarzem vulkanischem Sand ist sehr steil und jederzeit die Brandung heftig, welche während der Springfluten so bedeutend wird, daß es Booten oft unmöglich ist, zu landen, und viele ernste Unglücksfälle vorkommen. Wo wir vor Anker lagen, etwa V4 Meile vom Ufer, war nicht die leiseste Dünung zu verspüren, aber als wir uns näherten, begannen die Undulationen und wurden rasch größer, so daß sie Roller bildeten, die sich am Strande in regelmäßigen Zwischenräumen mit einem donnerähnlichen Getöse überstürzten. Manchmal wächst diese Brandung plötzlich während vollkommener Windstille zu solcher Stärke und Wut an, als ob ein Sturm wehte, zerschlägt alle Fahrzeuge, welche nicht hoch genug auf das Ufer hinauf- gezogen sind, und schwemmt unvorsichtige Eingeborene mit fort. Diese heftige Brandung hängt wahrscheinlich mit der Dünung im großen Südozean zusammen. " Ebensolche kolossale Brandung besteht an der Sumatraküste *). Für den Pazifischen Ozean gibt ein Blick in Meinickes Inseln des Stillen Ozeans mannigfache Beispiele;, so erzeugt eine hohe Dünung an der Südwestseite der Paumotu ständig eine sehr gefährliche Brandung (II, 202). H u m b o 1 d t ') sah oftmals an der Küste von Peru, „was in diesem sonst so friedfertigen Teile der Südsee charakteristisch ist und von vielen Küstenbewohnem als Folge submariner vulkanischer Regungen betrachtet wird, daß bei dem heitersten Himmel und völliger Windstille ein ungemein hoher und hohler Wellenschlag plötzlich an der Granitküste zu branden be- gann": welches Phänomen wohl nicht durchaus die erwähnte Ursache haben dürfte, da die von Humboldt angegebene Wellenhöhe nur 3 bis 4 m beträgt, und überdies die Wellenperiode für Dislokationswogen so groß wird, daß man von einem „Wellenschlag" wohl nicht gut mehr sprechen kann. Die Kraftleistung der brandenden Wellen genauer zu messen, ist eine Aufgabe, der sich die Wasserbautechniker nicht entzogen haben. Thomas Stevenson*) hat zuerst ein Instrument konstruiert, das M A. R. W a 1 1 a c e, The Malay Archipelago. London 1896, Bd. 1, p. 238. Die deutsche Übersetzung von A. B. Meyer (Bd. 1, S. 216) enthält einige störende Mißverständnisse. ') Heinr. Berghaus, AUg. Länder- und Völkerkunde Bd. 1, S. 464. ^) Humboldts Manuskript bei B e r g h a u s a. a. O. I, 677 und Kosmos IV, 229. *) Stevenson, On harbours, p. 37 — 60. Wellendynamometer. 117 Fig. 23. er Wellendynamometer nannte ; es beruht im wesentlichen auf dem Prinzip der Federwage (s. Fig. 23). Eine runde MetaUscheibe , welche mit vier Führungsstäben bewegbar in einem hohlen zylindrischen Gefäß gehalten wird, ist dazu bestimmt, den Stoß der Wellen aufzunehmen. Im Imaern des Zylinders sind vier sehr kräftige Spiral- federn, für jeden Stab eine, angebracht, welche in der Euhclage die MetaU- scheibe um ein bestimmtes Stück von dem Zylinder entfernt halten. Um den Druck zu registrieren, streifte Stevenson im Inniern des Behälters runde Lederringe eng über die Führungsstangen und schob sie nach dem hinteren Rande der Kammer. Der Apparat wurde alsdami, in einem geeigneten Ein- schnitt der Felswand oder sonst, bei Nied- rigwasser mittels metallener Halter festge- schraubt und die auf der Figur geöffnete Klappe geschlossen. Der nun bei Hochwasser auf die Platte wirkende Stoß der Wellen schob die Lederringe nach vorn an den Füh- rungsstangen hinauf, und durch Belastung des senkrecht aufgerichteten Apparats mit Gewichten Heß sich leicht der Druck fest- stellen, welcher auf der Flächeneinheit jeder Ringlage entsprach. Statt der Lederringe wird man , dem Vorschlage von G a i 1- 1 a r d ^) folgend, einen Belag von Paraffin- wachs vorziehen. Gaillard selbst hat das- selbe Prinzip in noch zwei anderen Ausfüh- • rungen für seine Federdynamometer ange- wendet: um dem Versanden der Kammer vorzubeugen, legte er die Federvorrichtung frei unmittelbar unter die Druck- platte. Als Federn verwendete er eine kräftige Spirale oder zwei in Form einer Ellipse miteinander verbundene Sprungfedern, wie sie luiter Kutsch- kästen übHch sind. Die mit Stevensons Instrument seit 1843 angestellten Versuche er- gaben zunächst, was beinahe als selbstverständlich anzusehen ist, daß in den stürmischen Wintermonaten durchschnittlich der Wellendruck gut dreimal stärker ist als in den ruhigen Sommermonaten. Als Maximal- druck der Horizontalkraft der Wellen fand Stevenson bei dem Leuchtturm von Skerryvore (westlich von Schottland) am 29. März 1845 29.7 metr. Tonnen auf 1 qm Fläche; dagegen auf der Bellrockleuchte (östlich von Schottland in der Nordsee) nur 14.7 t. Indes ergab sich bei Hafenbauten auch an der Nordseeküste Schottlands bei Dunbar in East Lothian der hohe Druck von 38.3 t auf 1 qm. Interessant und für die Abrasionskraft der Brandungswelle bedeutsam ist auch eine Reihe von Versuchen, bei denen Stevenson zwei seiner Kraftmesser bei Skerryvore so aufstellte, daß der eine wie gewöhnlich in der Hochwas.serbrandung, der zweite da- gegen 12 m mehr seewärts und etwas tiefer („einige Fuß") als der andere angebracht wurde. Das Resultat war, daß der seewärts und tiefer ex- ponierte Kraftmesser durchschnittlich nur halb so starke Druckwirkungen ^) Gaillard, Wave action, p. 148 f. Um nicht nur den dynamischen, sondcm auch den ßtatischen Druck zu registrieren, konstruierte Gaillard auch ein Di« phragmenmanometer, dessen mit einer Kautschukplatte überzogene Druckkapsel in beliebiger Tiefe versenkt werden kann. Wellendynamometer nach Stevenson. X18 Brandung. registriert hatte als der in der eigentlichen Brandung aufgestellte. Nach dem oben über die Abnahme der Orbitalgeschwindigkeit nach der Tiefe hin Gesagten ist dies leicht zu erklären (S. 11. f.). Anschaulicher als diese nur dem Ingenieur recht verständliche^ Ziffern dürften folgende Beispiele sichtbarer Kraftleistung der Wellen sein, die wir aus einer großen Zahl vorliegender Berichte^) ausgewählt haben. Die öst- lichsten Felstrabanten der Shetlandgruppe sind die Bound Skerries, nicht über 25 m hohe, kahle Gneisklippen. In der Höhe von etwa 7 m über dem Meer fanden Stevenson und der Geologe Murchison u. a. einen Gneisblock von 7V2 t Gewicht, der kurz vorher bei einem Südsturm von seiner seewärts in gleicher Höhe gelegenen Lagerstätte auf eine Entfernung von 22 m über sehr rauhes und zerklüftetes Terrain durch die über den Felsen brandenden Wellen gekantet worden war, denn man konnte deutlich an den Beulen des Gesteins und zurückgelassenen Splittern und Trümmern den Weg verfolgen, den er genommen. An einer anderen Stelle ließ sich der Transport mehrerer Blöcke von 6 bis 13 t Gewicht in einem Niveau von 20 m über dem Seespiegel nach- weisen. Alles dies überragte aber die Kraftleistung der Wellen an dem neu- erbauten Wellenbrecher in Wick (Schottland) bei einem durch die nördUche Nordsee tobenden Oststurm im Dezember 1872, über den ebenfalls Stevenson berichtet. Es sei vorausgeschickt, daß die Wassertiefe in der kleinen Hafen- bucht über 10 m, und gleich außerhalb derselben über 30 m beträgt. Den Kopf des Wellenbrechers bildeten über dem Fundament zunächst drei große Betonklötze von je 80 bis 100 t Gewicht, über welche ein kolossaler Monolith von gleicher Masse in situ gegossen und durch mächtige eiserne Anker mit jenen drei Fundamentklötzen verbunden war. Der MonoUth hatte die Dimen- sionen 8 zu 13.7 m bei 3.3 m Dicke und repräsentierte ein Gewicht von mehr als 800 t. So unglaubUch es khngt, so war doch der Ingenieur M'Donald Augenzeuge davon, wie die Wogen durch sukzessive Stöße den Monolithen samt seinen drei Fundamentsteinen von seiner Basis herabdrehten und auf die Innenseite des Dammes in den Hafen warfen. Nach mehreren Tagen angestellte Tauchversuche zeigten, daß der Monolith noch fest mit seinen drei Fundamentsteinen verbunden im Hafen lag: die See hatte also an jenem Dezembertage nach Stevensons Berechnung ein Gewicht von 1350 t etwa 10 bis 15 m weit von der Stelle bewegt. Für gewöhnliche Zwecke des Wasserbaus rechnen die Techniker mit einer größten Druckwirkung für Uferbauten an der Ostsee mit 10 t, an der Nordsee mit 15 t, an der Küste des Biskayagolfs mit 18 t auf den Quadratmeter'). Die mechanische Wirkung der Brandungswellen auf die Umgestaltung der Meeresküsten ist örtlich verschieden, und zwar richtet sie sich 1. nach der Höhe der Wellen und damit auch nach der Stärke der Brandung, wobei es namentlich auf die Zugänghchkeit für Dünung und Grundseen, sowie auf die Kraft der Stürme und den diesen dargebotenen Seeraum ankommt; 2. nach der Ausdehnung der der Brandungswelle zugänglichen An- griffszone, die wieder von dem Ausmaß des Gezeitenhubs oder sonstigen Änderungen des Wasserstandes abhängt; 3. nach der Beschaffenheit, namentlich Lagerung und Festigkeit des den Strand bildenden Materials. * ) Vgl. auch G a i 11 a r d, Wave action, p. 125 f. ; W. H. W h e e 1 e r, The Sea- Coast, London 1903, p. 12 f. und desselben Practica] Manual of Tides and Waves, London 1906, p. 126 f. ^)L.Franziu8 und E d. S o n n e, Der Wasserbau. 3. Abt. Leipzig 1901, S. 22. Wirkung der Brandung auf Sand- und Kiesstrand. 119 F. V. Richthofen^) hat diese Effekte der Brandungswelle in ihrer ganzen Bedeutsamkeit für die Morphologie der Erdoberfläche zuerst gewürdigt, namentlich indem er auf die abtragende Tätigkeit der Brandung an solchen Küsten hinwies, welche einer säkularen Senkung unterliegen: ein Prozeß, der von ihm als Abrasion bezeichnet wird. Unter den oben genannten drei Bedingungen, von denen die Formen des Seegestades abhängig sind, ist vielleicht die- dritte die hauptsächlichste: weiche Gesteine, wie Sand und Kies des Diluviums oder Alluviums, oder Ton, Moor, auch Kreidegestein, verhalten sich ceteris paribus der Bran- dungswelle gegenüber ganz anders als harte Felsküsten. Wir betrachten daher den Abrasionsprozeß zunächst an den weichen Küsten. Auch hier sind wieder die umsichtigen Beobachtungen H a g e n s an den deutschen Küsten und seine Experimente in der Wellenrinne maßgebend; daneben kommen noch die Versuche von de C a 1 i g n y und B e r t i n in Betracht. Knüpfen wir zunächst an die Experimente an. Sand und Kies kann in der Natur ohne Unterstützung durch ein künst- liches Gerüst nur in ziemlich flachen Böschungen vorkommen. Hagen stellte in seiner Wellenrinne eine verhältnismäßig steile Böschung von gewaschenem Seesand im Winkel von 16 Vs ö oder im Verhält- Fig. 24. nis von 3 zu 10 her. Der -^;5%^ Wasserstand der Wellen- ^^^"^^r^-C^ rinne maß 5.85cm.Nach- ^^^^^^^r:r--~->^ dem 1200 Wellen gegen " ' 1 iiii^jbmb^ den Abhang gelaufen Soju/siut^ " " '"'^^ -^ waren, hatte dieser die ■ Zl'**'^ ■ ^"^~^"-~~- ^ aufderAbbiidungFig.24 " " *?* wiedergegebene Gestalt ' angenommen, und die ~ dabei beobachteten Ver- Abtragung eines Sandstrands durch die Braudung (nach Hagen). Änderungen waren fol- gende. Zunächst blieb der untere Teil der Böschung bis in etwa 1.3 cm Höhe vom Boden ganz unversehrt, es erfolgte dort weder Abbruch noch Ablagerung von Sand. Weiter hinauf bemerkte ma^i eine Zone ausschließUcher Ab- lagerung, mit Böschungen von 1:2 (=26 bis 27 °), bisweilen noch steilere. Alsdann folgte eine breite, ziemlich ebene Fläche mit der gelinden Böschung von etwa 1 : 10 oder 5 bis 6 ". Der untere Teil dieser Fläche war aufgeschüttet, der obere abgetragen. Noch höher hinauf wurde die Dossierung wieder steiler, und zu oberst, nur noch von den höchsten Wellen erreicht, bemerkte man einen von diesen aufgeworfenen Wall, im Querschnitt von etwa 2.5 cm Breite und 0.5 cm Höhe. Dieser Rücken war also durch den Stoß der AVellen auf die ursprüngliche Böschung hinaufgeschleudert worden. Die Figur deutet die Höhe der Wellen mit ihren oberen Scheiteln (o. S.) und unteren Scheiteln (w. S.) zur vollständigeren Übersicht gleichfalls an. Die beiden folgenden Figuren zeigen die Änderungen an Kiesböschungen. Das dazu verwendete Material hatte eine Korngröße von ca. 2 mm, konnte also in erhebhch steileren Böschungen verharren. Die ursprüngliche Anlage gab einen Winkel von 26°. Die Wassertiefe in Fig. 25 war 5.3, in Fig. 26 nur 3.1 cm, dementsprechend auch die Wellenhöhen und -geschwindigkeiten gc- ^ ) China, Bd. 2, S. 766 f. und Führer für Forschungsreisende , § 153 ff. Vgl. auch Ausgew. Stücke aus den Klassikern der Geogr., herausgeg. von O. Krümme], Bd. 3, S. 111 bis 134. 120 Brandung. AbtragiuH eines Kiesstrands durch die Brandung bei tie- ferem Wasser (nach Hagen). ringor. B&ide Male fallen die Kiesabhänge viel steiler ab (stellenweise bis lind über 45 "), als beim Seesand ; die ebeneren Flächen im mittleren Wasser- stand fehlen nicht und haben in Fig. 25 einen Neigungswinkel von 5 bis 6°,, wie beim Sscsand, in Fig. 26 gar nur 4". „Sehr auffallend ist der Unterschied in der Breite dieser Ebenen, und ohne Zweifel rührt dieser von der verschie- denen Geschwindigkeit der Wellen her. Letztere verhalten sich nach der Theorie wie die Quadrat- Fig- 25. wurzeln der Wassertiefen,. und in diesem Verhältnis stehen auch ungefähr die Breiten jener Ebenen zu einander. Die Abbruche im obersten Teil der Bö- schungen waren sehr steil dossiert und oft hing der äußerste Kand frei über; er befand sich aber stets in solcher Höhe, daß er von den Wellen gar nicht erreicht wurde " (Hagen, Wasserbau III, 1, 92). Die beiden folgenden Fig. 27 und 28 geben die Befunde von Cäligny und Bertin in ihrer sehr viel größeren Wellenrinne (Mem. Soc. Cherbourg, XXII, 1879, p. 183, § 56). Die letztere hatte 30 m Länge bei 0.45 m Höhe «ind Breite; der Wasserstand war 31 cm im ersten Falle, wo man es mit einer emtachen, aus Seesand hergestpllten Böschung zu tun hatte; dagegen im zweiten Falle, wo die Sanddossierung sich unter Wasser an eine feste Wand stützte» S5 cm. Die Figuren zeigen das Profil der Böschungen, nachdem 5 Stunden Fig. 26. lang Wellen von 12 cm Höhe (im freien AVasser gemessen) und einer Periode von 1 Sekunde den Strand umgeformt hatten. Die ursprüngliche Böschung war 1 zu 5 oder 11". Hier ist die Umlagerung eine viel ergie- bigere als bei Hagen, und das Profil erheblich verwickelter. Übereinstim- mend bemerkt man aber in der Nähe der Wasserlinie die starke Abtragung, der etwas unterhalb eine kräftige Aufschüttung mit sehr steilem Abfall nach aiißen entspricht. Ganz unterhöhlt ist im ersten Falle das Sandufer über der Wasserlinie, ein Wall ist nicht aufgeworfen. Im zweiten Falle sind die TTmlagerungen auffallend wenig ergiebig: an der festen Wand findet sich eine Üntcrhöhlung, erzeugt durch das Ausweichen der gegen die Wand an- prallenden Wasserteilchen nach oben und unten, wobei die Wirbelbildung erodierend wirken mußte. Die bei dieser Umlagerung durch die Brandungswelle sich vollziehenden Vorgänge hat im einzelnen wieder Hagen am klarsten geschildert. Lief die Wolle an der frischen Böschung hinauf, so folgten ihr große Sandmassen; aber beim Rückfließen (der neuen Welle entgegen) wurden sie wieder zurück- geschwemmt und gelangten, samt den oberhalb des mittleren Niveaus frisch abgerisscjion Kömchen, unterhalb ihrer ursprünglichen Lage zur Ab- lagerung, Anfangs ging der Transport durch den Soog sehr schnell vor sich und die ebenere Stufe des Profils trat sehr früh auf; ihre weitere Ausdehnung Abtragung eines Kiesstrands durch die Bran- dung bei seichterem Wasser (nach Hagen) Wirkung der Brandung auf Sand- und Kiesstrand. 121 erfolgte in immer geringerem Maße, je länger die Wellen tätig waren, um endlich überhaupt fast stationär zu verharren. Das letztere war indes nur scheinbar, insofern jeder anrückende Wellenkamm die Sandkörnchen vor sich her, jedes Wellental sie wieder zürückschwemmte. Diese Bewegung fand aber dort ihre Grenze, wo der Rückfluß der neuen Welle begegnete : hier erfolgte dann die Ablagerung, welche den Sand anfänglich so steil aufhäufte, daß die Böschung nachgab und nach außen abbrach, schließlich aber die in Fig. 24 bis 26 angegebene Form annahm. Die Sandkörnchen waren an ihr entlang Fig. 27. ^Ä M ^M Abtragung eines Sandstrands (nach Caligny und Bertin). auch weiterhin in stetigem Hin- und Herschieben begrifien, ohne indes von einer mittleren Lage merklich, weder nach vorn oder nach hinten, abzu- weichen. ' Ein Auswerfen des Sandes oberhalb der Strandhöhlung erzeugte Hagen immer nur bei sehr flacher Anfangsböschung. Der Sand, der sich hier zu einem Walle anhäufte, war von tieferen Stellen der Dossierung abgebrochen, also durch die Wellen dahin gehoben worden. Sowie die Strandhöhlung sich steil ausbildete, fehlte dieser äußerste Wall. Diese oberste Dossierung mußte also „sehr flach bleiben, damit die Wellenscheitel noch darüber fortliefen Fig. 28. Abtragung einer Sandböschung (nach Caligny und Bertin). und den gelösten Sand hinauftrieben. Indem nun aber dieser Teil der Böschung sich schon bedeutend über dem mittleren Stande des Wassers befand und nur eine geringe Wassermasse hier auflief, so versank letztere sogleich in dem Sande und veränlaßte deshalb über der Böschung keine Rückströmung, wo- durch die Kömchen wieder zurückgetrieben wären. Dieselbe Erscheinung bemerkt man als Ursache solcher Wallbildung am Seestrande bei jeder Wellen- bewegung". „Eine wichtige Erischeinung ", fährt Hagen fort, „die sich in der Natur sehr häufig wiederholt und bei flacher Ansteigung des Grundes vielleicht jedesmal vorkommt, gab sich bei jenen Versuchen gar nicht zu erkennen. Sie besteht darin, daß seewärts vor dem eigentlichen Strande mehrere erhöhte Rücken in gewissen Abständen sich erheben, deren Höhe zunächst dem Ufer am größten ist, die aber weiterhin niedriger werden und bei zunehmender Tiefe kaum noch zu bemerken sind. Man nennt sie an den deutschen Küsten Riffe, und gewöhnlich nimmt man an, daß immer drei derselben in paralleler 122 Brandung. Richtung sich vor dem Ufer hinziehen. Ihre Zahl ist indes keineswegs konstant, und oft kann man bei sorgfältiger Peilung vier oder fünf derselben wahr- nehmen, doch liegen die äußeren schon tief und erheben sich so wenig über den Grund, daß sie nicht leicht zu bemerken sind. Diese Rifie sind es vor- zugsweise, welche die Annäherung selbst von kleineren Fahrzeugen an das Ufer verhindern, indem diese, dem vollen Wellenschlage ausgesetzt, auf die RifEe festfahren." Sehr typisch sind diese RifEe am Badestrand von Sylt ausgebildet, wie überhaupt entlang der ganzen „eisernen Küste" der Kim- brischen Halbinsel. Man geht wohl nicht irre, wenn man die in Fig. 27 nach Bertin dargestelltfen zwei flachen Rücken für experimentell erzeugte Riffe hält. Sie entstehen, wie Hagen richtig erklärt, bei kräftigem Seegang an denjenigen Stellen, wo die Wellen aus der See mit den rückiauf enden Wellen oder mit dem verstärkten Rückstrome, den jede derselben veranlaßt, sich begegnen. Dort werden die Sandmassen zum Niederschlag gelangen. In ähnlicher Weise mögen die „Riffe" entstanden sein, welche der englische Ingenieur Palmer vom Strande bei Folkestone beschreibt und abbildet (Philos. Trans. 183, Taf. 27). Übrigens bleiben diese Riffe erfahrungsgemäß stets unter dem mittleren Wasserstande und beweisen dadurch, daß die Wellen noch in beträchtlichem Abstände vom Ufer und in erheblicher Tiefe den Seesand landwärts forttragen. Bei Stürmen wird dieser dann in dem höchsten Strandsaume wallartig, wie wir sahen, zusammengehäuft und, nach Abfluß der bei auflandigen Winden sich einstellenden Niveauanstauung, dann ein Spiel des Seewinds, der den Sand den Dünen zuführt. „Es dürfte keine gewagte Voraussetzung sein, " meint Hagen weiter, „daß der Sand, der von der seewärts gerichteten Strömung herabgeführt wird, nicht über diejenige Grenze hinaustritt, wo die Wellen ihn wieder in Be- wegung setzen und ihn daher möglicherweise auch wieder nach dem Ufer zurückführen können. " Nach Lapparent muß ein Strom mehr als 0.20 m (nach Lyell 0.15; nach Hunt nur 0.10 m) in der Sekunde stark sein, um noch feinen Seesand zu transportieren. Es ist ja unzweifelhaft, daß in ge- wissem, örtlich verschiedenem Abstände vom Strande die Ausschläge der Wasserfäden unter der Welle nicht mehr eine solche Geschwindigkeit erreichen. „Daß es eine gewisse Grenze gibt, welche der Sand nicht überschreitet, habe ich sehr auffallend vor der Insel Wangeroog gesehen, als ich zur Zeit einer Springflut während der Ebbe dem zurücktretenden Wasser folgte und plötz- lich die Sanddecke aufhören sah und den festen Klei- und Marschboden betrat, der ganz frei von Sand war. Hiermit hängt auch die Erscheinung zusammen, daß vor Pillau, wo die Ufer teils hoch mit Sand bedeckt sind, teils ganz aus Sandablagerungen bestehen, und wo auch das tiefe Fahrwasser über dem Sande sich hinzieht, dennoch der Grund der Reede nur zäher Ton tind ganz frei von Sand ist. Man kann dieses sehr deutlich wahrnehmen, wenn man den Boden untersucht, welcher an den gehobenen Ankern haftet." Wenn man nun danach die Frage aufwerfen wollte, wo denn der vom stetig abbrechenden Sandufer losgelöste Sand bleibt, wenn ihm seewärts eine be- stimmte Maximaltiefe des Transports gesetzt ist, so darf schon bei dieser Gelegenheit auf das gleich zu behandelnde Eingreifen des Küstenstroms oder der Strand vertriftung hingewiesen sein, wodurch allem Detritus der Strand- Zone eine seitliche Verfrachtung gesichert wird. Mit diesen wesentlich experimentell gewonnenen Anschauungen stehen auch die Ergebnisse der modernen Küstenforschungen, insbesondere in der Ostsee imd an Flachküsten des Mittelmeers, durchaus im Einklang; so die von Eugen Geinitz für Mecklenburg, A. P h i 1 i p p s o n für Teile Rügens, Paul Friedrich für die Gegend bei Travemünde, G. Wegemann für das deutsche Ufer des Kleinen Belts, T h e o b. Fischer für die Sand- Strandprofil am Sand- und Eüesufer. 123 küsten Tunesienn und Südfrankreichs ^). Zwei von Philippson an der Schaabe, der die Tromper Wiek vom Jasmunder Bodden trennenden Nehrung, auf- genommene Profile sind besonders geeignet, die Wellenwirkung zu verdeut- lichen, da sie beide, ganz typisch für die Ostseeküsten, teils den Abfall des Dünenstrands, teils den der diluvialen Lehmküste zum Ausdruck bringen. Im zweiten Falle sieht man, wie die glazialen Geschiebe am Strande liegen Fig. 29. •n ~ 7 nuasand/mtklaTieTittS GavUe II r Strandprofil an der Schaabe (nach Philippson). bleiben, während das feinere Material an Sand und Ton weggeführt wird. Diese Blocklager können dann einen guten Schutz gegen weitere Abbruche des Ufers bilden, wenn nicht die Menschen in unverständiger Gewinnsucht die Steine hinwegholen, um sie für Bauzwecke aller Art zu verwenden. Deshalb ist an den preußischen Küsten diese Steingewinnung am Strande mit Recht polizeilich verboten. — Näher auf diese Dinge etwa so einzugehen, daß ihre Eiiudne große Blocke Große BWäte mit Moneren. Gerollen dazroischerv Strandprofll am Geschiebeufer der Schaabe (nach Philippson). verschiedene Entwicklung an den einzelnen Küstenstrecken verglichen wird, ist hier nicht der Ort, sondern gehört in eine allgemeine Morphologie der Erd- oberfläche. * ) G e i n i t z in Mitt. aus d. Großherzogl, Mecklenb. Geolog. Landesanstalt Nr. XV, Rostock 1903 und Nr. XVI, Rostock 1906; Philippsonin Verh. Nieder- rhein. Ges. in Bonn, 11. Juli 1892 und Richthofen- Festschrift S. 23 ff, ; F r i e d- r i c h in Lübeckischen Blättern 1901 und 1904 (Das Brodtener Ufer bei Travemünde); Wegemann in Petermanns Mitteilungen 1907, S. 193 und 223; Fischer in Pet. Mitt. 1885, S. 409, 1887, S. 1 und 33, und teils wiederholt, teils durch neue Forschungen ergänzt in den MittehneerbUdem , Neue Folge, Leipzig 19Ö8 (S. löß und 176). Auch W h e e 1 e r, The Sea-Coäst, London 1903 und VaughanCor- nish in Geogr. Journal 11, 1898, p. 528 und 629 bieten reiches Material. 124 Brandung. Sind Sandküsten einer Gezeitenbewegung ausgesetzt, so wird sieb an ihnen ein sanfteres Profil entwickeln oder der unter der Wasserlinie gelegene ebene Vorstrand wird eine beträchtliche Ausdehnung gewinnen. Alsdann können stürmische auflandige Winde an geeigneten Stellen mächtige Sandwellen zur Dünenbildung auf werfen. Alle Vorsprünge der Küste aber werden abgetragen und das abgebrochene Material seitlich davorjgeführt. _ Man sieht, daß solche Sand- und Kiesküsten schließlich durch die formende Kraft der Wellen einen ganz geradlinigen Verlauf als einen gewissen stationären Zustand anstreben. In der Nordsee zeigen die Dünen der holländisch-friesisch-jütischen Küste dieses Stadium. Ebenso die Küste von Oberguinea, wo ein Sandgestade vorhanden ist. In der Ostsee fehlt zwar die auf den Gezeiten beruhende periodische Niveau- schwankung der Wasserlinie, aber die, wenn auch unperiodische, Wirkung des Winddrucks ersetzt sie vollkommen. Insbesondere gilt dies von den Sturmfluten, die an einem Tage stärkere Verheerungen anzurichten im- stande sind, als jahrelange Einwirkung des gewöhnlichen Wellenschlags. Im offeneren Teile der Ostsee, östlich von Eugen, sehen wir daher den diluvialen Strand ebenfalls geradlinig oder in sanft geschwungenen Kurven ausgebildet. Anders verhält sich die Strandumformung, wenn das anstehende Ufer aus Ton, Lehm oder aus Moor oder sonstiger vegetabiHscher Erde besteht. Konstruieren wir die Vorgänge deduktiv, ausgehend von einem steilen Ufer. Die hier vorhandene Klippenbrandung wird durch den in der Wasserlinie am stärksten wirkenden Horizontaldruck die Wand ab- spülen, und zwar, da Ton, Lehm, Moor und Humuserde im Wasser leicht löslich sind, eine Hohlkehle in der Wasserlinie auswaschen. Beistehendes Profil (Fig. 31), von Stevenson an dem ,. -^ig- 31. Tonufer von Cardiff am Bristolkanal auf- genommen, zeigt diese Aushöhlung solcher Gestade, wenn eine starke Gezeitenbewe- gung dazu kommt. Da die Orbitalbahnen ...«rspr«j«u. der Welle gerade an der Oberfläche das größte Ausmaß besitzen, wird bei Hoch- wasser diese Ausspülung der, Tonwände am ergiebigsten sein. Man sieht nun leicht ein , daß bei weiterem Fortschreiten dieser strandprofli^amj^onufer (nach Hohlkehle sich eine sanftere Dossierung unter der Wasserlinie einstellt, die dann statt der gelegentlichen Klippenbrandung eine ständige Strandbrandung ermög- licht. Eine Ablagerung des ausgewaschenen Materials wird bei Ton aber ganz fehlen. Die feinen Teilchen, aus denen dieser besteht, werden bei der starken Wellenbewegung schwebend erhalten und weit in See hinaus oder seitf wärts fortgetragen, so daß eine Halde vor der Wand sich nicht einstellt. Da aber die Tonteilchen doch immerhin schwerer sind als Wasser, so werden sie langsam an den Grund sinken, hier aber, führt der rücklaufende Strom sie seewärts davon. Lehmufer und Kreidegestade liefern in ihren Sand- oder Feuersteineinschlüssen schon eher das Material zur Ausbildimg eines Vorstrandes: an diesen kommt es alsdann zu Profilen, wie sie von Bertin und Cahgny (vgl. Fig. 28) experimentell dargestellt wurden. An Strandvertriftung. 125 •der steilen Grenzwand selbst entwickelt sich dann eine Hohlkehle, welche zeitweilig das Ufer so unterwäscht, daß es abbricht. Diese Form der Ge- stadebildung findet sich an der holsteinischen und samländischen Küste der Ostsee, wo Lehmufer anstehen; ferner an allen Kreideküsten, so in Rügen, Möen, zu beiden Seiten des britischen Kanals und anderswo. — Homogene Tonufer sind selten, und sie sind, selbst wenn der Ton sehr fest ist, nur dadurch vor schnell vorschreitendem Abbruch oder Abspülung und Auflösung zu bewahren, daß man eine sehr solide künsthche Ufer- deckung davor ausführt oder große Sandmassen an ihr entlang zur Ab- lagerung bringt, welche dann den Wellen gestatten, einen sandigen Vor- strand zu bilden. — Finden die Wellen am Gestade eine Wechsellagerung von Ton- und Sandschichten vor, so schreitet der Abbruch besonders rasch vorwärts, zumal wenn die Schichten gegen die See einfallen, weil alles Quellwasser alsdann über den Tonlagern sich ansammelt und ^ie Haltbarkeit des abbrechenden Ufers vermindert. Es ist im vorigen bereits mehrfach von der seitlichen Entführung aller losen Sandmassen am Strande entlang die Rede gewesen, die eben- falls mit der Wellenwirkung zusammenhängt. Die Wasserbautechniker bezeichnen sie als den Küstenstrom (Hagen) oder den Wellenstrom (Fran- zius) ; da die Erscheinung aber mit den Strömungen selbst wenig gemein hat, erschien es Philippson nötig, sie anders zu nennen: er spricht von Küstenversetzung. Da auch dieser Ausdruck nicht den seitlichen Trans- port der Sande am Strande entlang und die Beteiligung der Wellen daran deuthch zum Ausdruck bringt, empfiehlt es sich, von einer Strand- vertriftung zu reden. Die Erscheinung selbst beruht darauf, daß die Wellen nur sehr selten genau senkrecht gegen die Strandlinie auflaufen, vielmehr überwiegend einen spitzen Winkel mit derselben bilden, so daß die Ebene der Orbital- bewegung sich bis zu 30°, selten mehr, von der Senkrechten zum Strande seitlich entfernt. Wie bereits dargelegt (S. 105), hängt das mit der wach- senden Verzögerung der verschiedenen Teile des Wellenkammes infolge stetig abnehmender Wassertiefe zusammen. Am deuthchsten ist der Vor- gang zu beobachten, wenn durch Interferenz der Windwellen mit einer gleichzeitig vorhandenen Dünung das Überbrechen der Brandung nicht, in langer Front, sondern auf einer kurzen Strecke, dann aber um so heftiger, erfolgt, wie das auf umstehender Fig. 32 dargestellt ist. Es wird dann eine begrenzte Wassermasse schräg auf die sanft abfallende Strandfläche hinaufgeworfen, und die Bahnen der Wasserteilchen sind dann parallele und konzentrische Parabeln, wobei die äußeren, die den weitesten Weg durchmessen, dem obersten Teil des abgebrochenen Wellenkammes ent- sprechen. Indem sich dieser Vorgang wiederholt, wandern die Wasserteil- chen mit jeder Welle ein Stück seitwärts im gleichen Sinne mit der in See herrschenden Windrichtung fort, und alles, was auf der Strandfläche beweglich ist, beteiügt sich an dieser Vertriftung. Der Vorgang wird nicht immer richtig dargestellt. Philippson beschreibt ihn als eine einfache Zickzackbewegung, indem „jede Welle die Gerolle in der Richtung ihrer eigenen Bewegung vorwärts stößt, während der Rückfluß die Gerolle im rechten Winkel zur Küsteiilinie hinabf ülirt, " was nicht ganz den Beobachtungen entspricht. Auf die parabolische Bahn der Wasserteilchen 126 Brandung. habe ich schon 1887 hingewiesen^). Es ergibt sich das auch aus der ein- fachen Analyse der in Betracht kommenden Bewegungen, die auch bis zu. einem gewissen Grrade der Rechnung zugängüch sind: es handelt sich um den Wurf entlang einer schiefen Ebene, wobei der geworfene Körper durch Reibung behindert wird, also um eine besondere Aufgabe aus der sogenannten äußeren Ballistik. Sieht man zunächst von der Reibung ab, so erhält man eine vöUig symmetrisch gebildete Parabel. Ist v© die Geschwindigkeit des Kg. 32. Brandung und Strandvertriftung. Erklärung. Eine Dünung von 200 m Länge läuft aus tiefem Wasser (von mehr als 100 m) gerade auf die Küste zu, während ein Weststurm in See parallel zur Küste weht. Die Sturm- wellen werden durch die stetig unter einem Winkel von a'' abnehmenden Wassertiefen all- mählich auf die Küste zu abgelenkt, wo sie unter 45 o auftreffen. Ebenso nehmen die Wellen- höhen If umgekehrt proportional der Wassertiefe zu. Durch Superposition kommt es in j> = 6 m Tiefe zu einer hohen Brandung, die ihren Wasserschwall in parabolischem Bo^e» auf den hier rasch ansteigenden Strand hinaufwirft. Bei mw ist das Mittelwasserniveau, bei »s der von der Brandung aufgeworfene Strandwall aus Tangen, Muscheln oder Steinen. geworfenen Körpers im Anfang, v die Geschwindigkeit nach der Zeit t, a der Abgangswinkel (gezählt von der Abszissenachse, die der Strandlinie parallel liegt), % der Böschungswinkel der Strandfläche mit der Horizontalen und g ^) In der ersten Auflage dieses Handbuchs Bd. 11, S. 612. Danach richtig dargestellt in Supan, Phys. Erdkunde (neuere Auflagen). Analyse der Strandvertriftung. 127 die Beschleunigung der Schwere, so wird die größte Wurfhöhe y„ Wurfweite x„- und die y max = ;q ' sin 2« Uq sin »■ * Xmax Vq^ sin 5 a ~ kg sin * Die Geschwindigkeit v nimmt zuerst stetig ab bis zum Scheitel der Wurfbahn, ^o y„ax erreicht wird nach der Zeit t' = Uq süi a/g sin i; worauf v bei dem Weg entlang dem abwärts gerichteten Schenkel der Parabel wieder wächst. — Erfolgt die Bewegung aber im widerstehenden Mittel, so werden die rechne- rischen Sch^vierigkeiten recht ernsthaft; die Ballistiker ^) haben sich mit Nähe- rungsmethoden begnügen müssen und sind genötigt, die Kurve der Wurfbahn stückweise zu berechnen. Die Bahn behält einen parabelähnlichen Charakter, ist aber unsymmetrisch und durch die Reibung im ganzen verkürzt. Diese theoretischen Vorarbeiten sind für unsere Zwecke nur in sehr begrenztem Maße brauchbar. Die Geschwindigkeiten der brandenden Wasserteilchen halten sich im Vergleich zu denen der Projektile in niedrigen Grenzen und dürften sich meist nicht weit von 5 m p. S. nach oben hin entfernen. Das Wasser am Strand ist mit Sand, Muschelresten, Tangbüscheln durchsetzt, der Reibungswiderstand also vielmal stärker als die innere Reibung beim reinen Seewasser, jedenfalls von Fall zu Fall verschieden und auch in den einzelnen Stücken der "Wurfbahn veränderlich) da ein Teil der mitgerissenen Körper vom erlittenen Stoß eine eigene Geschwindigkeit empfängt, ein anderer Teil hegen bleibt. Die äußere Reibung an der Unterlage wird die untersten Schichten der auflaufenden Brandung aufhalten, auf den oberen Teilen der Sandböschung versickert ein meist nicht kleiner Bruchteil des Wassers, und endlich wird auch die Reibung der Luft an der Oberfläche und an der Front der Welle bei der starken Schaum- bildung und Durchsetzung mit Luft ein merk- Hches Maß erreichen. Dann kommt endlich auch, wie bei allen Wasserbewegungen, die Kontinuitätsbedingung, wenn auch nicht im Be- reiche der eigentlichen Brandungsphase, so doch in dem zusammenhängenden Wasserschwall, der die Strandfläche hinauf- und wieder hinabflutet, in Betracht, demi wir sehen doch die Wasser- teilchen sich jedesmal mit der heranrollenden Schaumfront der nächsten Welle wieder ver- einigen. Um jedoch ein Bild unter selir verein- fachten Bedingungen zu gewinnen, habe ich unter der Aimahme, daß der Widerstand dem Quadrate der Geschwindigkeit proportional sein soll, für eine Böschung von * = 10'', einen Ab- gangswinkel von « = 80 <•, eine gleiche Anfangs- geschwindigkeit Vq, aber für verschiedene Rei- bungskonstanten (der Reihe nach von k = 0, 0.02, 0.1 und 0.3) die Wurfbahnen konstruiert (Fig. 33). Der Ankunftswinkel ist nur bei rei- bungsloser Bewegung gleich dem Abgangswinkel (in der Figur = 80 "), also die Wurfbahn ganz symmetrisch ; mit zunehmender Reibung wächst der Ankunftswinkel und hört die Symmetrie auf. Für die Bahn gilt die Gleichung: Wurfbahnen der Wasserteilchen in der Rrandungswoge an schrägem Strand für verschiedene Größen des Reibungswiderstands k. ^) Vgl. Arved ^^'uhrmann, Aufgaben aus der analytischen Mechanik, 2. Teil, Leipzig 1882, S. 80 f. und Karl Cranz, Kompendium der theoretischen äußeren Ballistik, Leipzig 1896, S. 68 f. 128 Brandung. , X' . n sm * / e — 2-rx — 1 \ y = x taqg a —-5 5— I —^ 1 "Worin ^^ einen mit dem AVinkel der Tangente gegen die Abszissenachse und mit der Reibungskonstante veränderlichen Ausdruck bedeutet. In dem Falle, wo die Reibung Null wird, verschwindet der Ausdruck in der Klammer. Die Berechnung erfolgt stückweise unter Benutzung von Hilfstafeln, die die Ballistiker für ihre Zwecke zusammengestellt haben. Das Minimum der Wurfgeschwindigkeit Hegt nicht mehr im Scheitel der Wurfbahn, sondern ist etwas nach dem Auffallpunkte verrückt: das ist nicht ohne Bedeutung für die Transportfähigkeit der brandenden Wellen, die die mitgerissenen Körper noch über den Scheitel hinaus seitwärts verfrachten können. Die Beobachtung zeigt, daß die größeren und schwereren, unter den mitgerissenen Körpern meist wälzend fortbewegt werden. Bemerkenswert ist auch, daß der die Strandböschung wieder ab- i^ärts strömende Teil der Welle die Neigung hat, die I orm der sogenannten Wander welle anzunehmen. Diese Wellenform ^) tritt sonst in steilen Kohrleitungen oder Gerennen auf, deren Querschnitt nur teilweise ge- füllt und deren Bette ziemlich eben ist; bei der Brandungswoge legen sie sich in Gestalt paralleler Falten senkrecht gegen die Richtung des ab- wärts abströmenden Wassers, das, namentlich infolge des Sickerverlustes, nur in einer sehr seichten Schicht noch vorhanden ist. Dies ist übrigens der einzige Fall, wo Wanderwellen im Meerwasser auftreten. Da die Strand vertriftung von der seitlichen Komponente der Wellen- bewegung am Strande abhängig ist, wird sie nur im Bereiche beständiger Winde in gleichem Sinne wirken. Das ist vorzugsweise entlang den tropi- schen Küsten der Fall, wo der Passat mit geringen Schwankungen aus einer östlichen Richtung weht und die Strandvertrif tung dem entsprechend alles lose Material westwärts hin verfrachtet. Freilich ist auch die an den tropischen Küsten so wirksame Dünung im Auge zu behalten. In den höheren Breiten wird bei wechselnder Windrichtung die Strandvertriftung die Sande bald nach der eine^n, bald nach der entgegengesetzten Richtung wandern lassen, schließlich aber wird die vorherrschende Richtung, nament- lich der stürmischen Winde, das Endergebnis bestimmen. So wandern --. ■■.■i-FoTi.NoT'OTtJu: 'W w~ Verbreitung der Seebeben im Atlantischen Ozean am Äquator (die punktierten Kurven sind Isobathen in Kilometern). Da also diese Bodenwellen klein sind, sie überdies bei der Fortpflanzung durch das Wasser gedämpft werden, können sie sich an der Meeresober- fläche kaum recht bemerklich machen. Kudolph^) hat an mehreren Bei- spielen nachgewiesen, wie dem ganz entsprechend auch solche Erdbeben- stöße, deren Sitz nachweislich auf dem Festlande lag, nicht weit in See hinaus gespürt werden. Sogar bei dem die Stadt Charleston am 31. August 1) John M i 1 n e, Seismology, London 1898, p. 87, erwähnt Beobachtungen von Manila: ripples a few inchea in height and a few inches apart, während bei einem japanischen Beben solche Wellen eine Straße entlang gerollt sind mit Längen von 10 bis 30 feet und Höhen von etwa 1 Fuß. Ähnliche sind bei San Francisco am 18- April 1906 in aufgeschüttetem Boden durch Aufbiegen von Straßenbahnschienen and Wasserleitungsröhren dauernd sichtbar geblieben. 2) a. a. O. I, S. 234 f., 294 f. Unterseeische Bergschlipfe. 135 1886 zerstörenden Erdbeben wurden schon in 12 Seemeilen Abstand vom Hafen nur noch sehr geschwächte Stöße wahrgenommen. Wichtiger sind im Zusammenhang mit den Seebeben Dislokations- vorgänge, die als plötzlich auftretende Verwerfungsspalten oder Flexuren den Meeresboden umgestalten und dabei bis an die Meeresoberfläche hin vordringende transversale Wellen schaffen, insbesondere im Bereiche der sogenannten habituellen Stoßgebiete in den drei tropischen und subtropi- schen Mittelmeeren. Namentlich in seichtem Wasser müssen sie die hef- tigsten Wirkungen erzeugen. Hierher gehört wohl der von W. Alling- ham^) erwähnte Unfall des österreichischen Lloyddampfers „Stambul". Als dieser im April 1847 auf der Fahrt von Sinope zum Bosporus nur 10 Seemeilen von diesem entfernt war, öffnete sich plötzlich unter dem Schiff die See wie eine Grube, und die Wogen schlugen von allen Seiten in diese Höhlung hinein, so daß sie den Dampfer völlig bedeckten und alle nicht befestigten Gegenstände hinwegspülten. Man darf hier wohl, ob- schon ausdrücklich versichert wird, daß an Land keinerlei Anzeichen für ein Erdbeben wahrgenommen wurden, an einen imterseeischen Erdfall denken. Auch sonst werden ruckweise auftretende Verschiebungen, Hebungen oder Senkungen des Meeresbodens, wie sie in Begleitung von Erdbeben an Verwerfungsspalten des Landes bekannt sind (im Neotal in Japan 5 bis 8 m in vertikalem, bei San Francisco 2 bis 6 m in horizontalem Aus- maß), auch an der Meeresoberfläche Wogen erzeugen können, die nament- lich dann sehr groß werden müssen, wenn die Spaltenversetzung auf sehr langen Strecken gleichzeitig erfolgt. Beispiele hierfür sind aber kaum zu erbringen, da sie sich nur sehr schwer von einer anderen Form benthonischer Wogen unterscheiden lassen, die, wie es scheint, die gewaltigsten Wir- kungen hervorrufen: sie entstehen da, wo infolge eines Erdbebens die wasserdurchtränkten, also an sich sehr labilen Gehänge 2) unterseeischer Grabenränder auf lange Strecken hin plötzlich als ungeheure Bergschlipfe in die Tiefe abstürzen. Auf diese indirekte Weise entstehen transversale Wellen, die sich vom Ursprungsgebiete aus allseitig verbreiten, die aber eine sehr große Länge und Geschwindigkeit mit einer in der Hochsee rasch verminderten Höhe verbinden. Nur in nächster Nähe des Berg- schlipfes selbst befindliche Schiffe werden sie als heftige wellenförmige Störung der Meeresoberfläche wahrnehmen können. Auf hoher See sind sie nicht bemerkbar. Gelangen sie auf geringe Wassertiefen, so erleiden sie dieselben Änderungen ihrer Form, wie sie für Seichtwasserwellen (früher S. 110) dargelegt sind, d. h. an den Strand gelangt, müssen sie aufbranden,. und gerade diesen Wogen ist die großartigste und zerstörendste Form eigen, die eine Strandbrandung überhaupt annehmen kann. Die Mechanik dieser Dislokationswogen ist noch keineswegs genügend aufgeklärt und verdiente wohl systematisch, namentUch auch experimentell untersucht zu werden. Einige einfache Versuche, die an einer allerdings für 1) Nautical Magazine 1892, p. 400; 1901, p. 429. — Vgl. die Kabelbrüche bei Zante, von denen J. M i 1 n e, Geogr. Journal 1896, Bd. 8, p. 159, spricht, wo er eine Difllokationswoge allerdings nicht envähnt. *) Vgl. Bd. I, S. 179. Die hier erwähnten Unterspülungen durch austretendes Grundwasser werden analoge, aber nur kleine Folgen haben. \ 136 Dislokationswögen. den Zweck etwas zu kurzen Experimentierwanne ausgeführt Wurden, zeigten wenigstens, daß hierbei zwei Vorgänge im Spiele sind. In der Wanne, die 3 cm Durchmesser, 25 cm Höhe und 70 cm Länge hatte, wurde eine schräge Metallfläche angebracht, der ein Winkel von 20 bis 60 " gegen die Horizontale gegeben werden konnte. Ein Bleiwürfel von 25 mm Seite erzeugte die'Wellen, indem er auf der Böschung abrutschte; beim Abrutschen stieß er das Wasser vor sich her und gab so den Wässerfäden einen horizontalen Impuls, wie er bei Seichtwasserwellen stets vorhanden ist. Außerdem ließ der Würfel, hinter sich einen Raum frei, der von rückwärts und oben her ausgefüllt werden mußte, was bewirkte, daß dicht hinter dem Körper an der Wasseroberfläche eine Senkung auftrat, die sich in der Stoßrichtung durch die ganze Wanne hin mit einem Wellenberg vor sich verfolgen ließ. Bei der zu geringen Länge des Gefäßes wurde die Woge rasch reflektiert, und geriet der ganze Inhalt alsbald in stehende Schwingungen, die den weiteren Yorgang verdeckten. Die Größe der Woge war wesentHch bestimmt durch die Tiefe unter der Oberfläche, in der sich der Impuls vollzog : ging der Würfel unmittelbar von der Oberfläche (aber total vom Wasser bedeckt) aus, so waren die Wogen am größten, und sie wurden immer kleiner, je tiefer die Lage war, von der aus der Körper die schiefe Ebene hinabglitt. — Rutschungen dieser Art können auch an Binnen- seen nachgewiesen werden; sie scheinen charakteristisch geformte Faltungen in weichem Gestein zu hinterlassen ^). Ob sie von Wogenbildung begleitet sind, ist nicht festzustellen, aber gewiß ist, daß eine solche dem größten der Festlandströme, dem Amazonas nicht fehlt. Nach dem sehr anschaulichen Bericht von H. W. B a t e s ^) ' stürzen die von der Strömung unterwaschenen Uferböschungen auf kilometerlangen Strecken in die Tiefe und werfen ge- waltige Wogen auf, die hin und zurück über das Flußbett laufen und an den betroffenen Ufern immer neue Zerstörungen hervorrufen. Die Amazonas- schiffer fürchten diese terras cahidas sehr und lauschen ihrem weithin schallen- den Donner mit wohlbegründeter Besorgnis. Diesen zuletzt genannten Wellen sind in ihrem äußeren Auftreten üe Explosionswogen submariner Vulkanausbrüche überaus ähnlich, und nur in nächster Nähe des Eruptionspunktes selbst dürfte man diese von jenen unterscheiden können. E. Rudolph hat sich mit ihnen besonders eingehend beschäftigt, indem er mit großem Vorteil die zu technischen Zwecken näher untersuchten Explosionserscheinungen von Seeminen heranzogt). Leider hat er in einseitiger Verallgemeinerung allen derartigen Riesenwellen des Ozeans einen solchen vulkanischen Ursprung zugeschrieben und sind ihm viele Verfasser von ozeanographischen und geophysischen Handbüchern darin blindlings gefolgt, obwohl, wie wir gleich ausführ- licher nachweisen werden, die Dislokationswogen ungleich häufiger sind. An den Explosionen der Seeminen wie der Vulkane sind zwei Phasen auseinanderzuhalten. Unmittelbar nach der Detonation der Mine emp- findet der auf dem Minenprahm stehende Beobachter einen heftigen, ans dem Wasser kommenden Schlag gegen das Fahrzeug, der sich unmittel- bar auf die Fxißsohlen überträgt. Dieser mehr oder weniger heftige Stoß rülirt von den longitudinalen Elastizitätswellen her und entspricht genau ») Vgl. A rn ol d H e i m, N. Jahrb. f. Mm., Geol. u. Pal. 1908, Bd. 2, S. 136. *) The Naturalist on the River Amazons. Bd. 2, London 1863, p. 171—173. 8. 283 der deutschen Übersetzung.) ») Beitr. zur Geophya. III, 303 £f. loh selbst hatte im Frühjahr 1889 Gelegen- eit, eigene Beobachtungen im Kieler Hafen zu machen. Unterseeische Explosionen, 137 der bei einem Seebeben wahrzunehmenden Erschütterung. Gleichzeitig sieht man das Wasser sich zunächst über der Explosionsstelle zu zahl- reichen feinen prickelnden und spritzenden Wasserstrahlen erheben, alsdann folgt eine breite Aufwölbung, die sich rasch in ihrer Mitte zu einem Dom ausstülpt, der durch die nachdringenden Explosionsgase als eine breite Wassergarbe senkrecht in die Höhe geschleudert wird. Dabei entstehen dann, durch das zurückfallende Wasser verstärkt, transversale Gravitationswellen, die sich ringförmig von der Explosionsstelle aus weiter verbreiten. Die Energiequelle ist der Druck, den die sich ausdehnen- den Gase auf das Wasser ausüben. Das Wasser setzt diesem einen Wider- stand entgeg^i, der senkrecht über der Explosionsstelle am geringsten ist, im offenen Ozean aber viele hundert Atmosphären beträgt (vgl. Bd. I, S. 288). Hierbei wird ein Bruchteil der Gase vom Wasser absorbiert, aber bei der Druckentlastung durch die hinausgeschleuderte Wassergarbe wieder freigegeben, wodurch die Explosion nachträglich verstärkt wird. Beobachtungen derartiger Bxplosionswellen auf hoher See sind sehr selten. Eudolph ^) erwähnt folgende aus der Umgebung des S. 134 erwähnten Seebebengebiets. Am 1. Mai 1824 sah der Leutnant Evans in 7 " N^ 21 " 50' W. die Meeresoberfläche aufwallen wie siedendes Wasser mit zischendem Geräusch, und am 29. Januar 1878 berichtet der Kapitän des Schiffes „Park" aus 4 " 20' N., 21 " 45' W., daß mächtige Wassersäulen gegen 30 m hoch in die Luft geschleu- dert wurden, während die See in großer Bewegung war, als ob ein starker Unterstrom herrsche; und zugleich wurde ein Ton wie entfernter Donner gehört. Am deuthchsten ist wohl ein Bericht, wonach in 3 Va ° S. und 24 Va " W. am 17. Juh 1852 der Kapitän Short sein Schiff erzittern fühlte, als ob es auf einen Felsen geraten sei, zumal trotz des frischen Passats das Schiff dem Ruder nicht gehorchen wollte. Kapitän Short bemerkte, daß das Meer ringsum wie siedendes Wasser kochte und in geringer Entfernung Dampf wie aus einem Rauchfang aufstieg; man warf das Lot, fand aber mit 110 Faden keinen Boden, doch waren Lot vmd Leine ganz heiß, als sie eingeholt wurden. Hier waren die eigenthchen Explosionswogen offenbar nicht sehr heftig. Li einem anderen Fall, den Rudolph in gleichem Sinne deutet, ist eher an Dislokations- wogen zu denken. Am 13. Oktober 1852 befand sich das engKsche Schiff „The Maries" unweit des Romanchetiefs in 0» 12' N., 19 8' W., wo es zwei solcher Wogen waren. Der Kabeliämpfer „Faraday" sah in 46" 11' N., 27» 53' W. die Woge „gleich einer Linie von hohem Land am Horizont etwa 5 Minuten", bevor sie von Nordwesten her auf ihm niederbrach. In diesen Fällen würde man die steilen Böschungen an der Miniakuppe in 53° 21' N., 35 <* 10' W. oder der Faraday- kuppe in 49° 41' N., 29° 10' W., die beide vulkanischer Natur sind, als Ur- sprungsgebiete vermuten können." Dunkler ist die Herkunft der drei Riesen- wellen, die Kapitän Petersen, Führer der deutschen Bark „Pionier", am 23. Mai 1897 im Südatla^tischen Ozean (12° 30' S., 11° 18' W.) aus Südwesten heran- f ollen sah, während der Wind ganz schwach aus Nordwesten wehte und nur eine ganz leichte Dünung aus Westsüdwesten lief^). Ungleich häufiger sind diese zerstörenden Wogen an den Küsten, und schon im Altertum von den Gestaden des Mittelmeers mehrfach beschrieben. Fürchteten doch die Alten nicht ohne guten Grund den Meeresgott Poseidon zugleich als Erderschütterer, der in seinem Zorn ihm mißliebige Küstenstädte in die Fluten versenken konnte. „Man dachte sich," sagt Preller^), „die Erde auf dem Meere ruhend und von diesem getragen," eine Vorstellung, welche der insularen Natur Griechenlands sehr wohl entfließen konnte. Daher Poseidon der Gott, der die Erde trägt {-(airflyoi;), aber sie auch bis auf den Grund erschüttert (^wooiYaio?, zetdyiQ'iuv, Ttstpaioc). i Schon K. E. V o n H o f f 3) hat eine Reihe von Angaben alter Schriftsteller über diese Wogenbildungen des Mittelmeeres gesammelt. Die interessantesten sind folgende zwei Berichte, weil sie wichtige Einzelheiten enthalten. Im sechsten Jahre des peloponnesischen Krieges (425 v. Chr.), erzählt Thucydides (III, 89), wurden die Peloponngsier durch das Auftreten gewaltiger Erdbeben in ganz Griechenland von der Wiederholung der gewohnten Invasion Attikas zurückgehalten. Während die Erdstöße fortdauerten, überschwemmte die Sse einen Teil der Stadt Orobia (auf Euböa an der Straße von Talanti), nachdem sie sich von dem damaligen Lande zurückgezogen und eine Woge gebildet hatte; einen Teil behielt dann das Meer unter Wasser, den anderen ließ es frei, so daß jetzt Meer ist, wo früher Land war. Auch viele Menschen kämen um, soweit sie nicht rechtzeitig auf höheres Land flüchten konnten. Auf der Insel Atalante (beim Opuntischen Lokris) erfolgte eine ähnliche Über- schwemmung, welche die dortigen Befestigungen der Athener zerstörte und von zwei aufs Land gezogenen Schiffen eines hin wegspülte. Auch auf der Insel Peparethos (heute Skopelos, nördlich von Euböa) wurde ein „Zurück- weichen der Welle" beobachtet, „aber kein Überfluten", während ein Erdstoß einen Teil der Stadtmauer, sowie das Rathaus und ein paar andere Gebäude umwarf. Den Grund für alles dies sieht Thucydides darin, daß, wo der Erd- stoß am heftigsten erfolgte, er dort das Meer zurückdrängen und beim plötz- lichen Zurückwogen des letzteren die Überflutung nur um so gewaltsamer machen mußte. Ohne Erdbeben, sagt er, scheine ein solches Phänomen ganz unerklärlich. — Partsch*) fügt nach anderen alten Quellen noch hinzu, daß die beschriebene Woge auf dem flachen südlichen Ufersaum des maHschen Golfes die größten Verheerungen anrichtete. Die Orte Skarpheia, Thronion, sowie die Thermopybn und Daphnus litten vorzugsweise. Der zweite Bericht, von Ammianus Marcellinus (rer. gest. 26, 10, 15 — 18), bezieht sich auf zwei solche Katastrophen, die am 24. August 358 und 21 Juli 365 1) Ann. d. Hydr. 1898, S. 12. *) P r 8 11 e r, Griech. Mythologie I, 3, S. 469. 3) Natürl. Veränd. der Erdoberfl. IV, 1', Chronik der Erdbeben, Gotha 1840. *) Phys. Geogr. von Griechenland, S. 322. Submarine Bergstürze im Mittelmeer. 139 n. Chr. das orientalische Becken des Mittelmeers trafen. In beiden Fällen erbebte zuerst die Erde, und das Meer zog sich weit zurück, so daß in dem ent- blößten Schlamm die wechselvollen Gestalten der Seetiere sichtbar wurden. Während die Schiffe gleichsam auf dem Trockenen saßen, vergnügte sich das Volk damit, in dem seichten "Wasser die Fische mit den Händen zu greifen. Böswillige begannen auf den trockenen Fußes erreichbaren Schiffen im Hafen von Alexandria zu plündern, bald aber brauste das Meer mit gewaltigem Schwall zurück, über die Inseln und Küsten dahin und spülte unzählige Ge- bäude und Tausende von Menschen hinweg. Als die Flut sich verlaufen hatte, ergab sich, daß vieb Schiffe nicht nur gekentert und gestrandet, son- dern auch einzelne durch den Wogenschwall bis auf die Dächer der Häuser gehoben waren, was z, B. in Alsxandrien geschah, oder bis zu 2000 Schritt landeinwärts geschleudert worden waren, wie denn der Autor angibt, bei der messanischen Stadt Mothon» (heute Modhoni) hoch selbst ein solches in lang- samer Verwitterung zerfallendes Wrack gesehen zu haben. Solche Wogen gingen auch dem denkwürdigeöi Ausbruch des Vesuv im Jahre 79 n. Chr. voran, wurden im Jahre 262 n. Chr, an allen Küsten des Mittel- meeres beobachtet, zsrstörten 551 abermals die Umgebung des Malischen Golfs und 552 und 555 Konstantinopel, am 6. September 1627 einige adriatische Küstenorte Mittelitaliens, traten am 27. August 188.6 in Smyrna und endlich am 10. Juli 1894 wieder in Konstantinopel auf. Mit besonderer Genauigkeit sind wir unterrichtet über ein moderneres Ereignis, welches dem großen griechischen Erdbeben vom 26. Dezember 1860 folgte und die Umgebung des Golfs von Korinth heimsuchte^). Das Epi- zentrum des Erdstoßes wie der Wogen läßt sich ziemlich genau in 38° 1' N. B. und 22 ° 20' 0. L. ansetzen, am Boden des Golfs zwischen Aigion und Itea. Gleich nach dem Hauptstoße, der hier vertikal gerichtet war, erhob sich die See, und konzentrische Wellenringe liefen von dort aus auf die Küsten zu, drei bis fünf verderbliche Seewogen da, wo das Land flach war, an 200 Schritt weit ins Land hineinschleudernd, an den steilen Felsgastaden in mächtiger Brandung sich auftürmend. Ob dabei die Weih gleich übertretend, mit einem Welbnberg voran, anlangte, oder der Überflutung ein Wellental voran- ging, ist nicht klar zu entscheiden. Besonders wurde die Nordseite des Golfes, Vyfcrinitza und die Bucht von Salona mit den Häfen von Itea und Gala- xaidion, heimgesucht, während das achajische Ufer durch einen großartigen Senkungsyorgang dauernden Verlust erlitt. In allen diesen Fällen aus dem östlichen Mittelmeer ist nichts von gleich- zeitigen Vulkanexplosionen überliefert. Unzweifelhafte Dislokationswellen liegen den Katastrophen von Talanti und Aigion zugrunde: auf den Erdstoß folgt der unterseeische Bergsturz, der unmittelbar die Wogen verursacht. Strabo (Bach 8, p. 384 Cas.) meldet uns genau denselben Vorgang mit dem nachrutsch enden Gastade für die nahe bei Aigion gelegene Stadt Helike,- die im Jahre 373 v. Chr. mit einem 2 km langen Küstenstreifen im Meer versank. — Die durch den Golf von Korinth gelegten Telegraphenkabel sind, wie John Mi Ine*) ausgeführt hat, mehrfach (1884, 1888, 1889) nahe bei Aigion gebrochen, und die Kabeltechniker haben unterseeische Bergschlipfe als Ursache erkannt: die wiederholten Lotungen zeigten in der Nähe der Bruchstelhn eine sehr beträchtliche und unregelmäßige Zunahme der Meeres- tiefen. In einzelnen Fällen ließen sich auch die gleichzeitigen Erderschütte- rungen auf deutschen Seismographen registriert nachweisen. ^) Vgl. Jul. Schmidt, Studien über Erdbeben, Leipzig 1875, S. 72 £. Schmidt gibt auch eine vollständigere Liste als v. Hoff. *) Geogr. Journal 1897, Bd. 10, S. 272. 140 Dislokationswogen Im westlichen Mittelmeer scheinen Wogen dieser Art nicht ganz so häufig zu sein. In Rudolphs Liste finden sich solche angegeben für den 19. Januar 1742 an der Küste von Toskana, 16. Juni 1760 am Golf von Neapel, 1763 in Messina im Anschluß an ein großes kalabrisches Erdbeben; 21. August 1856 im Zu- sammenhang mit dem starken Erdbeben von Djidjeli, auf den Balearen, ver- muthch auch wohl an der algerischen Küste selbst. In der Neuzeit hat sodann das große kalabrische Beben vom 8. September 1905 nach der sorgfältigen Untersuchung von Giov. Platania^) am Gestade des Golfs von Eufemia zerstörende Wogen erzeugt, die sich in starker Abschwächung auf den Mareo- graphen von Ischia, Neapel und Gvitavecchia verzeichneten; ein gleich- zeitiger Bruch des Telegraphenkabels östlich von Vulcano wird von Pktania als Hinweis auf eine submarine Dislokation gedeutet. Endüch ist auch in unseren Tagen am 28. Dezember 1908 die Straße von Messina in Verbindung mit dem furchtbaren Erdbeben, das die Städte Messina und Reggio samt ihren Nachbarorten zerstörte, von Wogen ereilt worden, die in Messina selbst nach Giov. Platania*) nur 2.7 m Höhe, anderwärts aber beträchtUch mehr erreichten, so bei Giardini und Ali 8.4, Briga Marina 8.5 m, während sie bei Torre di Faro und Milazzo nur 0.8 m, auch in Malta noch 0.9 m hoch waren. Das Kabel zwischen Gazzi und Galhco war 3300 m von Galhco gebrochen und so tief unter Schul-fcmassen vergraben, daß es aufgegeben werden mußte, während das Kabel von Faro nach Bagnara unverletzt bHeb. Nach solchen wohlverbürgten Vorgängen im Bereiche des Romanischen Mittelmeers wird man nicht verwundert sein, auch in den anderen großen Mittelmeeren von Katastrophen gleicher Art zu vernehmen; doch haben wir sicherlich nur von einem kleinen Bruchteil der wirkUch eingetretenen Kunde. So hören wir u. a. aus den westindischen Gewässern*), daß am 8. April 1860 die Nordküste von Haiti, am 18. November 1867 die Insel St. Tho- mas, am 14. Januar 1907 die Nordküste von Jamaika von solchen Wogen überflutet worden sind. Bei Jamaika ist es der steile Abfall zum Cayman- grf>ben, bei Haiti der zum Portorikograben, denen eine große Instabihtät zugeschrieben werden kann; doch handelte es sich in beiden Fällen um keines- wegs starke Wogen, während ein andermal in St. Thomas 1867 solche von über 10 m Höhe gemeldet sind. — Auch aus dem Australasiatiscben Mittelmeer kennen wir solche Wogen von den Bandainseln 26. November 1852, Saparoea bei Amboina 4. Januar 1854, Ternate 29. JuH 1869 und Manila 6. Juni 1863. Auf die große Explosionswelle des Krakatauausbruchs am 26. August 1883 ist gleich ausführlicher zurückzukommen. — Bemerkenswert ist solchem mittelmeerischen Reichtum gegenüber das Fehlen derartiger Wogen im Nörd- lichen Eismeer. Wenden wir uns nun den ozeanischen Küsten selbst zu, so begegnet uns sogleich am Atlantischen Ozean ein Beispiel großartigster Entfaltung solcher Wogen im Anschluß an das berühmte Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755; V. Hoff*) hat die vorUegenden Daten gesammelt. In Lissabon selbst erschien geraume Zeit nach dem zweiten Stoß eine 5 (nach anderen 12) m hohe Wefie, welche die SchifEe auf dem Strom von den Ankern riß und das neue, aus Marmorblöcken gebaute Hafenbollwerk hinwegspülte, wobei die dorthin geflüchteten Einwohner und die an demselben festgemachten SchifEe 1) Bellet, della Soc. Sism. Ital. 1907, Bd. 12. ») Rivista geogr. Ital. 1909, Bd. 15, p. 644; Natura 1909, Bd. 80, p. 445. Seine zusammenfassende Darstellung im BoUett. della SooietÄ, Sismologica Italiana 1908 — 09, Bd. 13, faao. 7 — 8 erschien im Januar 1910. Ein submariner Vulkanausbruoh als Ursache wird hier sehr scharf abgewiesen. «) Geogr. Journal 1908, Bd. 31, S. 256. *) a. a. 0. rV, 1, S. 446 f. Submarine Bergstürze im Atlantischen und Pazifischen Ozean. 141 spurlos verschwanden, \yährend der Hafen an jener Stelle fast 200 m (1) Tiefe erlangte. Der ersten Welle folgten noch drei andere, und an der ganzen portugiesischen Küste bewirkten sie örtlich Veränderungen in der Wasser- tiefe. Auch in Cddiz erschien um 11 Uhr 40 Minuten ein Wellenberg von 18 m Höhe und zerstörte .nicht nur Teile der Festungsmauern, sondern durchbrach auch die Landzunge, welche die Stadt mit dem Festland bei Leon verbindet. In Gibraltar war der zuerst ankommende Wellenberg nur 2 m über dem mitt- leren Wasserstand hoch, dagegen wieder viel höher in den Hafenorten an der atlantischen Küste von Marokko; in Mogador wurde der Hafen durch den zurückwogenden Schwall auffallend vertieft. Dagegen beobachtete man auf Madeira zuerst ein Zurückweichen des Meeres an der Nordseite der Insel auf 100 Schritt, worauf sich die landwärts zurückflutende Welle in Funchal 4.5 m über die Hochwassermarke erhob. Hier begann das Phänomen um 11 Uhr 45 Minuten imd wiederholte sich etwa noch ömal, langsam an Stärke ab- nehmend. In den Häfen zu beiden Seiten des britischen Kanals, in die Nordsee bis nach Glückstadt und Hamburg hinauf, wo sie um 1 Uhr anlangten, pflanzten die Wogen sich fort. Aber auch westwärts quer den Atlantischen Ozean überschreitend wurden sie in den amerikanischen Küstenorten und namentlich auf den westindischen Inseln wahrgenommen; in Antigua als eine 3 bis 4 m hohe Welle um 3 V2 Uhr nachmittags Ortszeit, Auf der Insel Saba stieg die See über 6 m hoch, und ein im Hafen der Insel St. Martin in 4.6 m Tiefe ankerndes Schiff stieß zeitweilig auf den Grund; auf Martinique trat die See in die oberen Stockwerke der Häuser, und bei Barbados war das aufgerührte Meerwasser schwarz wie Tinte. Ob hier zuerst ein Wellental, wie in Madeira, anlangte, oder ein Wellenberg, wie an den portugiesisch- marokkanischen Häfen, ist aus den Berichten (Philos. Trans., vol. 49, 1755, p, 669) nicht zu ersehen. Kudolph nimmt wie selbstverständlich an, daß die ganze Erscheinung auf einer Vulkanexplosion im Atlantischen Ozean unfern von der portugiesischen Küste beruht habe.- Die überlieferten Tat- sachen geben dafür aber keinen Anhalt, und die Frage muß darum besser offen bleiben. Der Hauptschauplatz solcher ozeanischer Eiesenwogen ist aber der große Pazifische Ozean: Erdstöße an seinen vulkanischen Küsten scheinen fast in jedem Jahrzehnt einmal seine ganze gewaltige Wasserfläche in Schwingungen zu versetzen, und kolossale Wellen durchlaufen diese von der einen Seite des Ozeans bis zur anderen, und zwar mit solcher Kraft, daß noch Verheerungen durch den Wogenschwall angerichtet werden in einem Abstände von mehr als 10 000 km vom Schütterungszentrum. Versucht man einen weiteren Überblick zu gewinnen, so scheint es als ausgemacht, daß die ringsum das pazifische Becken begrenzenden Gräben Vorzugsweise den Ausgangspunkt dieser Überflutungen liefern. Wir kennen solche in sehr großer Zähl aus den letzten Jahrhunderten von der japanischen Küste unter dem Namen der Tsunami, worauf noch näher einzugehen sein wird ; aus dem Marianengraben vom 24. Januar 1849, von Kalifornien vom 21. Oktober 1868, von Mexiko aus Acapulco vom 31. Juli 1909, wo sie 10 m hoch wurden; von Guatemala- ivus Acajutla vom 8. Dezember 1859, von San Salvador am 26. Februar 1902^), vom (Jolf von Panama bis zum Äquator am 31. Januar ^) Dieser Fall gehört in die furchtbare Reihe von Erderschütterungen und Vulkanausbrüchen, die in jenem Jahre Mittelamerika heimsuchten. Nach den von Tempest Anderson gesammelten Berichten wurde eine Strecke von 120 km bis nach Acajutla hin, am stärksten Barra del Paz, von drei heftigen Wogen nach- einander überschwemmt, von denen die erste die schwächste war; mehr als 180 Men- schen ertranken, lautes Getöse wurde von der See her vernommen. Geogr. Joum. 1908, Bd. 31, S. 476. X42 Dislokationswogen. 1906^), dann wieder in sehr großer Zahl von der peruanischen und chilenischen Küste seit 1586. An der Westseite des Südpazifischen Ozeans ist Neuguinea zu erwähnen, wo am 13. März 1888 die beiden Seiten der Dampierstraße schwer heimgesucht wurden 2); ebenso am 15. September 1906 die Huonbai. Auch von den Inseln kennt man solche Katastrophen; so u. a. vom 17. August 1863, wo die südlichen Neuen Hebriden Tanna und Erromanga, und vom 18. No- vember 1865, wo die Cookinseln nebst Rarotonga schwer litten. Zeugnisse für einen sozusagen schon fossil gewordenen Fall entdeckten die Gelehrten der Novaraexpedition ^) im westlichen Teil der Südsee. Auf dem Atoll Sikayana (8° 22.5' S., 163° 1' 0.), zur Gruppe der Salomonen gehörig, aber von Poly- nesiern bewohnt, fanden sie Bimssteinger ölle von Walnußgroße über die ganze Fläche der Insel Faule, an Stellen, wohin auch bei heftigstem Sturm die Bran- dung nicht mehr reicht, während im Sand und Gerolle des eigenthchen Strandes keine Spur davon sichtbar war. Diese Bimssteinablagerung, welche einer auf- fallend reichen Baumvegetation Nahrung gewährte, erinnerte die Gelehrten an eine ähnliche Bemerkung, welche der enghsche Naturforscher J u k e s in der Umgegend der Torresstraße auf australischem Boden machte: indem er BimssteingeröUe unter genau den nämlichen Umständen dort überall auf Flächen ungefähr 3 m über dem jetzigen Hochwasser mehr oder weniger entfernt vom Strande, wie im Ufersande selbst, antraf. Es muß nicht nur ein gewaltiger Vulkanausbruch im melanesischen Gebiet, sondern auch eine plötzliche Woge von kolossaler Größe gewesen sein, welche diese Stoffe an der Küste allenthalben in einer gleichen Höhe über der Hoch Wasserlinie zur Ablagerung brachte. Jenes Ereignis mag nicht ganz modern sein, aber so alt ist es doch auch wieder schwerhch, daß die Niveau Verhältnisse von Land und Wasser sich in diesem Teile der Südsee inzwischen um solchen Betrag verschieben konnten. Einzelne der modernen Ereignisse verdienen eine nähere Besprechung. Wir beginnen mit der japanischen Küste. Als am 23. Dezember 1854 früh 9 V4 Uhr (nach anderen Angaben 9 V2 Uhr) die Hauptinsel Hondo durch ein heftiges Erdbeben heimgesucht wurde, das die Orte Yedo, Simoda und Osaka zerstörte, brach um 9V2 Ul^r (oder 10 Uhr) die See in Gestalt eines 9 m hohen Wellenberges in die Häfen ein, um daselbst das Unheil zu vollenden. Die russische Fregatte „Diana" erlitt durch Auf- stoßen auf den Grund im Hafen von Simoda so starke Havarie, daß sie wrack erklärt werden mußte; denn auf diesen Wellenberg folgte ein ebenso tiefes Wellental, welches alle flacheren Buchten trocken fallen ließ, und solche Undulationen wiederholten sich noch 5- oder 6mal bis nachmittags 2 V2 Uhr. — 12 V2 Stunden nach der ersten Woge in Simoda meldeten an der gegen- überliegenden Küste Kaliforniens in San Francisco, und 13.8 Stunden später in San Diego die dort aufgestellten Flutautographen Störungen im Wasser- stande an, welche die regelmäßigen Flutkurven ausgezackt erscheinen ließen, indem sich kleinere Wellen von 20 cm größter Höhe darüber lagerten, um sich alle 35 Minuten zu wiederholen. Die erste vom Pegel aufgezeichnete Störung ist hier ein Wellental, soweit die an sich schon etwas unregelmäßig gekräuselten Kurven darüber ein Urteil gestatten*). — Die Ostküste der Insel Hondo ^) Ausführlich beschrieben von Korvettenk^apitän v. A m m o n in Ann. d. Hydr. 1907, S. 263. ^) Im englischen Segelhandbuch Pacific Islands, vol. 1, 4. ed., London 1908, p. 203 und 212, sind ausführlichere Angaben enthalten; die größte Wogenböhe erreichte 10 V2 Hl. Nach Ann. d. Hydr. 1888, S. 519 scheinen die Wogen am 13. Mai auch in Sydney und am folgenden Tage in Arica wahrgenommen zu sein. ') Novaraexpedition. Erz. TeU Bd. 2, S. 438. *) ü. S. Coast Survey Report for 1855, p. 342 f. Submarine Bergstürze im Pazifischen Ozean. 143 ist auch sonst häufig der Schauplatz derartiger Katastrophen gewesen; es ist auch die einiäge ozeanische Küste, an der- das. Volk das Bedürfnis emp- funden hat, diese verheerenden Wogen mit einem besonderen Namen, Tsu- nami, zu bezeichnen. Die alte, einst so glänzende Schogunresidenz Kamakura, unweit von Yokohama unter dem Fusiyama gelegen, wurde im Jahre 1293 durch Erdbeben zerstört und 30 000 Menschenleben durch die darauffolgenden Wogen seewärts da vongeführt. Noch größer waren die Menschen Verluste an der benachbarten Küste von Awa im Jahre 1703, wo mehr als 100 000 Men- schen durch eine solche Überflutung ihr Leben verloren. Das neueste Ereignis dieser Art knüpft sich an den Namen der kleinen Stadt Kamaishi, die mit zahlreichen anderen Ortschaften an der Ostküste von Hondo zwischen 38 V, und 4072° N. B. am Abend des 15. Juni 1896 einem solchen gewaltigen Wogenschwall zum Opfer fiel^). Innerhalb weniger Minuten wurden die dicht am Strande in den zahlreichen Kiasbuchten liegenden Ansiedlungen hinweggefegt, die Bewohner teils ertränkt, teils unter Sand und Schutt be- graben, teils auch in See hinausgespült, Schiffe von den Ankern gerissen und in einem Falle 450 m weit ins Land geschleudert, und so insgesamt 27 000 Menschen getötet, über 5000 verletzt. Die Wogen müssen am Strande 6 bis 10 m, stellenweise über 15 m hoch gewesen sein. Besonders merkwürdig ist, daß die^ vorangegangene Erderschütterung keineswegs erheblich war, jedenfalls in den betroffenen Orten durchaus nicht als beunruhigend empfunden wurde. Fischer, die am genannten Abend ihrem Gewerbe auf der See oblagen, glaubten in der Ferne den Donner schwerer Kanonen zu hören; seewärts blickend sahen sie eine sehr starke Dünung auf sich zukommen, aber glatt unter ihren Booten hinweg auf das Land zueilen. Hier nahmen die Wellen eine andere Gestalt an, die Dünung brandete hoch auf und schlug unter be- täubendem Brausen gegen die Gestade, und da diese Unruhe die ganze Nacht anhielt, zogen die Fischer es vor, bis zum Morgen in See zu bleiben. Andere, die zur Zeit det- nglückhchen Ereignisses weiter in See hinaus fischten, erfuhren erst, was sich zugetragen hatte, als sie am anderen Tagö zu ihren verwüsteten Wohnstätten zurückkehrten. Auch ein Dampfer, der auf der Fahrt von Hakodate nach Yokohama zur selben Zeit unweit an der Küste entlang fuhr, fand sich nicht im geringsten belästigt, und erst nach der Landung erfuhren die Reisenden, welche Katastrophe sich in ihrer nächsten Nähe am Abend vorher vollzogen hatte. Nach den Untersuchungen von T. Iki lag das Epizentrum des Bebens am Westrande des Japangrabens, etwa 240 km östlich von Kamaishi in 39° N., 144 72** 0. und war die Ortszeit des ersten Stoßes hier .7 yhr 31 Minuten. Auch diese Wogen, in denen Milne Folgen eines submarinen Bergschlipfes erblickt, haben den Nordpazifischen Ozean überschritten: an der Nordküste von Hawaii haben sie sich 2 72 ^ hoch über das gewöhnliche Hochwasser erhoben und noch Häusei beschädigt, am Fiutpegel in Honolulu sich nach einer Reisedauer von 7 Stunden 44 Mi- nuten, in San Francisco (Sausalito) nach einer solchen von 10 Stunden 34 Mi- nuten aufgezeichnet. In Honolulu ging ebenso wie an der japanischen Küste ein Wellental, in Sausalito ein Wellenberg voran. Auf die hierbei verzeichneten Perioden der registrierten Wellen ist später zurückzukommen. Wenden wir uns nunmehr der südamerikanischen Seite des pazifischen Beckens zu, so stehen wir dort vor einer last unabsehbaren Reihe von teilweise ^) J. M i I n e im Geogr. Journal London 1896. Bd. 8, p. 157; J. Rein in Peterm. Mitt. 1897, S. 34; C h. D a v i 8 o n in Philos. Mag. 1900, Bd. 50, p. 579. Bemerkt sei, daß die ersten Telegramme aus Japan die Katastrophe irrtümlich auf den 17. Juni verlegten. Da aber an diesem Tage alle Seismographen in Europa völlige Ruhe ver- rieten, während dieselben Instrumente am 15. ein Fembeben registriert hatten, ver- mochte J. Milne sofort hiemach das Datum des Ereignisses zu berichtigen. 144 Dislokationswogen. Lochst zerstörenden Fiatwogen. K. E. v. Hof f hat die Nachrichten seit der Conquista gesammelt; im. 19. Jahrhundert begleiteten solche Wellan das Erdbeben in Valparaiso am 19. November 1822, das von Concepcion am 20. Februar 1835, das von Valdivia am 7. November 1837 : diese haben ihre Wogen nicht nur an der Küste entlang, sondern ozeanwärts bis zu den Hawaii- und den Samoainseln entsandt. Neuere durch Erdstöße eingeleitete Wogen werden erwähnt beim Erdbeben von Callao am 21. April 1860, dem von Arica am 13. August 1868, von Tacna am 24. August 1868 und von Iquique am 9. Mai 1877. Besonders berühmt geworden sind mit Recht die Flutwogen von Arica und Iquique, die beide den ganzen Pazifischen Ozean überquert haben. Die Wirkungen des Erdbebens von Arica am 13. August 1868 sind na- mentlich von F, V. H o c h s t e 1 1 e r ^) sorgsam untersucht. Das Zentrum der Erschütterung lag dicht beim Orte Arica an der peruanischen Küste auf Tacna zu, die Zeit des Erdstoßes wird nach einheimischen Quellen zu 5 V« Uhr, in den Berichten englischer Seeoffiziere an die Admiralität aber eine halbe Stunde früher, zu 474 Uhr nachmittags angegeben. Etwa 20 Minuten nach dem ersten Stoß überflutete die See 2 bis C m hoch den Strand, zog sich dann schnell zurück, in den Hafenbuchten bis eine Seemeile seewärts, dann brach eine kolossale Woge über das Festland herein, um dieses bis zu 17 m Höhe über der Hochwassermarke zu überschwemmen; alle Viertelstunden wiederholten sich diese Undulationen mehrfach. In dem eigentlichen Schütter- gebiet würde, nach Höchste tter, allgemein zuerst ein Übertreten der Woge beobachtet. Doch südwärts von Coquimbo, wo kein Erdstoß mehr gefühlt wurde, erschien zuerst das Wellental, die See zog sich dort, wie in Talcahuano, 200 m weit aurück. Die Wogen rollten nun westlich und südwestlich über den Ozean: auf der Insel Rapa (27.7« S. B., 144.3» W. L.) trafen sie 11.2 Stun- den, auf der Chathaminsel (östlich Neuseeland) 15.8 Stunden, auf Neuseeland selbst und zwar im Hafeii von Lyfctelton auf der Südinsel 19.6 Stunden nach dem ersten Stoß ein (diesen, nach Hochstetter, in Arica zu 5 Uhr 15 Minuten angenommen). Auf dem Festlande von Australien verzeichneten die selbst- tätigen Flutpegel in Sydney und Newcastle 23 Stunden nach dem Stoß das Eintreffen emes" die Welle vorbereitenden Wellentales. In den letzteren Orten waren die Wellen klein, dagegen wurden Lyttelton und einige Nachbar- häfen stärker betroffen: hier zog sich das Meer äußerst schnell zutück (der Hafenmeister schätzte diese Geschwindigkeit auf 12 Knoten in der Stunde oder 6.2 m in der Sekunde!), alle Schiffe saßen auf Grund, und als d^e 3 m hohe Woge anlangte, wurden viele' von den Ankern gerissen. Es wurden durch den Wogenschwall noch 2 km von der Küste entfernt Brücken fortgeschwemmt. Auf der Chathaminsel spülte die Woge ein Dorf der Eingeborenen in die See. Auf den Sandwichinseln wurde die Woge sowohl in Hawaii, in Hilo, 14.4 Stun- den nach dem Stoß in Arica, wie auf Oahu in Honolulu nach 12.6 Stunden beobachtet, welche Zeitangaben nicht recht zueinander passen; da die Welle des Nachts anlangte, so dürfte die frühere Aufzeichnung m Honolulu den Vor- zug verdienen. Nimmt man als Abgangszeit in Arica 47« Uhr an, so erhöhen sich die Hochstetterschen Werte für die Reisedauer der ersten Woge durch- weg um 0.5 Stunden. Das Erdbeben von Iquique, nahe bei Arica gelegen, vom 9. Mai 1877 erstreckte seine Femwirkungen über die ganze Fläche des Pazifischen Ozeans, diesmal bis zu den japanischen Inseln hin; es ist von Eugen Geinitz*) 1) Sitzungsber. Wiener Akad. Bd. 58, II, 1868, S. 837; 59, TL, 1869. S. 112; 60, II, 1870, S 818. •) Nova Acta Leop. Qeaol Aoad. der Naturforscher, Bd. 40, Nr. 9, Halle 1878. Submarine Bergstürze im Indischen Ozean. 145 ausführlich behandelt worden. Die Zeit des Erdstoßes ist ziemlich sicher auf 8 Uhr 20 Minuten abends anzusetzen; eine halbe Stunde (nach anderen nur 5 Minuten) später trat die See über den Strand hinauf, um sich dann reißend schnell zurückzuziehen und beim Zurückschwall die große, 4.8 m über Mittelwasser aufsteigende Woge zu bilden, welche das Arbeiterviertel der Stadt zerstörte und mehrere Schiffe wrack machte. In Arica wurde das Wrack der am 13. August 1868 gestrandeten Bark „Wateree" von der neuen Welle aufgehoben und noch 2 Seemeilen nordwärts längs der Küste fortgetragen. Die Woge wurde längs der ganzen Küste nordwärts bis in die Bai von Guaya- quil, südwärts bis Puerto Montt von Geinitz nachgewiesen, wobei die Orte in unmittelbarster Nähe (und namentlich südlich) von Iquique zuerst einen Wellenberg, dann erst das Wellental beobachteten. In den entfernteren Orten dagegen begann die Erscheinung mit einem Rückzug des Meeres, also einem Wellental. Die entferntesten Orte, bis zu denen die Stoßwelle vordrang; sind folgende, mit Angabe der Reisedauer der Welle: Acapulco 15.6 Stunden, Obispo südlich von San Francisco 14.1, Marquesasinseln 12.25, Apia 15.5, Hilo (Sandwichinseln) 14, Lyttelton 18.4, Newcastle (Australien) 18.1, Sydney 18.2, Hakodate (Japan) 25, Kadsusa 25.25, Kamaishi 22.9 Stunden. Au. den japanischen Inseln, also 1,6 000 km von dem Ausgangspunkte entfernt wurden Fischer, welche offenbar beim Rückzug des Meeres sich zu weit vor gewagt hatten, denn es heißt: „die Fischer waren ob des großen Fischfanges voll Jubels", von den Wellen weggespült, in Neuseeland Brücken zerstört, auf den Sand\^ichinseln Ansiedlungen überschwemmt. Der Unterschied zwischen dem höchsten und niedrigsten Wasserstande betrug in Hilo angeblich noch 11 m, in Honolulu, das ja eine sehr gedeckte Lage hat, nur 1.47 m. -^ Nach Milne war das zwischen Iquique und Arica verlegte Telegraphenkabel 6 Seemeilen nördlich vom ersteren Orte in 110 m Tiefe glatt' durchgeschlagen, trotzdem es sich um ein außerordentlich stark armiertes Seichtwasserkabel handelte. Milne denkt auch in diesem Falle an einen auf langer Front zum Atakamagraben hin erfolgten unterseeischen Bergsturz. — Bis nach San Diego, San Francisco, Honolulu und vier japanischen Küstenplätzen hin liefen auch die Wogen des ecuadorianischen Erdbebens am 1. Februar 1906, sowie des großen chilenischen Bebens in Valparaiso am 17. Juli 1906, wo allemal die Mareographen entsprechende Aufzeichnungen gemacht haben *). Auch im Indischen Ozean sind solche Wogen aufgetreten. Das erstemal erhielt die wissenschaftliche Welt Kunde von solchen, als ein Erd- beben den Bengalischen Golf und seine Küsten am 31. Dezember 1881 er- schütterte ; R u d o 1 p h 2) hat nach englischen Quellen die hier in Betracht kommenden Erscheinungen genauer dargelegt. Nach seiner Auffassung soll das Epizentrum unter dem Meeresboden in der Mitte des Golfs gelegen haben und zwar in 15 " N., 89 ° 0. Von hier au'^ läßt er konzentrische Wogen dessen ganze Fläche durchlaufen, wobei sie östlich indes nicht über die Andamanen hinaus vordrangen, dagegen von den Flutpegeln in Port Blair, Negapatam, Madras, Visagapatara, False Point und Dublat, (Huglimündung) aufgezeichnet ^vurden. In der Riasbucht von Port Blair kam die See erst nach 25 Stunden zur Ruhe; überall melden die Pegel zuerst das Eintreffen eines Wellenbergs. Rudolph hält auch in diesem Falle eine Vulkaneruption an der angegebenen Stelle mitten im Bengalischen Golf für gesichert, da gleichzeitig auch ein Aus- bruch des Vulkans auf der Insel Cheduba an der Nordostseite des Golfs (in 18 '^^ N.) gemeldet sei. Dieser Auffassung stehen aber schwere Bedenken 1) Philos. Mag. 1908, S. 119. *) Beitr. zur Geophys. I, 197 ff., wesentlich nach 0 1 d b a m. Krümmel, Ozeanographie. II. 10 146 Dislokationswogen. entgegen. Von dem angenommenen Epizentrum aus lassen sich die Zeiten, die sowohl die Erdwelle, wie die Seewoge nach den Orten Madras, False Point und Port Blair gebraucht haben, berechnen; für eine erste Annäherung darf nian als Geschwindigkeit zunächst der Erdwelle 3 km p. S. annehmen, und die Reisedauer der Seewoge läßt sich nach der Lagrangeschen Formel leicht finden: ist die sekundliche Geschwindigkeit der Woge = c, die Reisedauer = T, der Abstand des Epizentrums vom Pegelorte entlang dem Weg der Woge = A, die mittlere Tiefe = p, so ist c = \/gf = Ä/T, also T i= A/\/g^. Aus später darzulegenden Gründen darf man die Rechnung nicht mit der mitt- leren Tiefe p auf der ganzen Strecke A auf einmal ausführen, sondern muß die Strecke in einzelne Abschnitte von mögüchst gleicher Tiefenstufe zer- legen und für jede Teilstrecke die Reisedauer einzeln bestimmen. Die mo- dernen britischen Seekarten gestatten eine ganz, annehmbare Schätzung der Meerestiefen,, was zur Zeit, als Rudolph über den vorhegenden Fall -schrieb, freilich noch nicht möghch war. Auf Grund dieser Unterlagen ist folgende Tabelle berechnet (vgl. S. 154). i Madras i; False Point Port Blair Eidwelle Seewoge ( Ankunft ... A^^^ werden. Das in der Zeiteinheit anf- ,. T^-11*- 11 A kv.^ • gehäufte Volum der Schwellung EUG Entstehung von Dislokationswellen und Ablei- ? , , • , t -tt i t ■ in tung der Formel c = \/'gp. ist gleich dem Volum des m derselben Zeit von der Wand verdrängten Was- sers. Setzen wir EG = n, so ist (k — n)p = nh, wonach n = kp/ip + h). Der von der Wand in der Zeiteinheit durchmessene Weg AE ist demnach = k — kp/{p + h) oder angenähert = kh/p, falls wir h gegenüber p als sehr 1) Im Anschluß an St. V e n a n t in Compt. Rand. Acad. Paris 1870, Bd. 71, p. 188. Eine andere Ableitung, die sich leicht in eine elementare Form bringen läßt, gibt M. Möller in der Festschrift der Herzogl. Technischen Hochschule bei Ge- legenheit der 69. Vers. d. Naturf. u. Arzte in Braunschweig 1897, S. 131 f. Möller zeigt interessanterweise, daß auch für Schallwellen in der Luft die Formel gilt Ar == \/lA gh, wo h die Druckhöhe der Luft am Orte der Schallwelle ist. Fonn und Geschwindigkeit der Dislokationswogen. 151 klein annehmen dürfen. Dieser Weg ist also proportional der Gieschwindig- keit, die dem gesamten Flüssigkeitsvolumen FHG J durch eine Kraft mitgeteilt ist, die die feste Wand nach rechts hin verschiebt. Diese Elraft selbst ist gleich der Differenz aus dem Druck unter der Schwellung und dem Druck vor der- selben. Wenn q die Dichtigkeit des Wassers und g die Beschleunigung der Schwere ist, wird also der Überdruck sein: Pfl'(p + Ä) — Pfl^P = P^Ä- Setzt man nun die Kraft gleich dem Produkt aus Geschwindigkeit mal Masse, 80 hat man gk^h/p, welche Kraft dem Überdruck ggh gleich ist, also: pgh = ph^hjp, woraus P = gp- Das ist die Lagrangesche Formel. — Ist h gegen p nicht zu vernachlässigen, so wird gemäß AE = 1cp({p + h) weiterhin k^ = g {p + h) erhalten; das ist die Formel XXX von Scott Russell (S. 22). — In ähnlich einfacher Weise läßt sich auch der allgemeinere Fall behandeln, wo sich die Erscheinung in einem Kanal von beliebig prismatischem Querschnitt abspielt. Nennt man die Breite des Kanals 6, das Areal seines Querschnitts q, so wird alsdann Hieraus erhält man wieder die Lagrangesche Formel für einen rechteckigen Querschnitt, wo q = ph wird und, unter der Annahme, daß h gegen p zu vernachlässigen ist, '/2Ä wegfällt. Ans der Art, wie die erste Woge entstanden ist, folgt weiter, daß in der Nähe des Ursprungsorts ein Wellenberg in der Richtung des Impulses voranlaufen muß, während ihm ein Wellental folgt. Es bildet sich also eine Übertragungswelle (vgl. S. 22). Man denke an die Felsblöcke, die der erzürnte Zyklop auf das Schiff des- Odysseus schleudert, wo zuerst die Wellen das Schiff auf das Land zu treiben, während der zweite^ zwischen Land und Schiff niederfallende Felsblock das Schiff in die See hinaus- drückt (Odyssee 9, 845): ein Experiment, das am Wasser spielende Knaben im kleinen gern wiederholen. Die auf die' erste folgenden Wellen werden dann eine regelmäßige Form besitzen. Es scheint, als wenn dies durch die Tatsachen, die bei der Einzelbeschreibung dargelegt sind, bestätigt würde. In größerer Entfernung vom Ausgangsorte aber scheinen die Wogen zu- nächst ein Wellental zu bilden, und das Ubergangsgebiet würde sich etwa durch den Radius einer vollen Wellenlänge bezeichnen lassen. Doch muß diese Einzelheit noch genauer nachgeprüft werden, wozu in künftigen Fällen eine stets steigende Zahl von Mareographenr die nötigen Tatsachen liefern kann. Jedoch sind hierbei sehr erhebliche Komplikationen mit den in allen Küsteneinschnitten bei solcher Gelegenheit sofort hervor- gerufenen Eigenschwingungen des Wassers zu erwarten, mit den sogenann- ten stehenden Wellen, die uns im nächsten Abschnitt ausführlich be- schäftigen werden. Diese Eigenschwingungen der Hafenbuchten oder kleinerer Meeresbecken bilden dann mit den aus dem Ozean heranrollenden Wogen störende Interferenzen, die auf den Mareogrammen die Grund- erscheinung stark entstellen. Auf umstehendem Ausschnitt aus dem Registrierbogen v^m Moltkehafen (Südgeorgien) bemerkt man dreierlei Wogen in Interferenzen übereinander gelagert: zunächst die großen halbtägigen Niveauschwankungen der Gezeiten, sodann die etwa ein- stündigen Explosions wogen, die am 27. August um 2V2 Uhr nachmittags 152 Dislokationswogen. m 3 rf ^- einsetzen, und endlich kürzere Schwankungen von etwa 20 Minuten Periode, die schon am 26. August vorhanden waren und während der ganzen dar- gestellten Zeit andauern ; gerade sie erschweren es, das Eintreffen der ersten Woge genau zu bestimmen ; von Verbeek wird sie auf 2 Uhr 24 Minuten , von Wharton auf 2 Uhr 28 Minuten, von Neumayer auf 2 Uhr 55 Minuten angesetzt. Die Zahl der hier aufgeschriebenen Explosionswogen beträgt über 40. In Batavia wurden nur 14, in Tjabang (etwa 90 Seemeilen nordwärts von der Sundastraße) nur 11 gezählt, in der Sundastraße selbst, heißt es, kam die See erst etwa 20 -Stunden nach der Hauptexplosion wieder zur Kühe. Wir sehen also, wie sich die Wellen in der Entfernung vom Ursprungsorte ver- vielfältigen. Es ist das dieselbe Erscheinung, wie sie nach einem Steinwurf ins Wasser folgt (vgl. oben S. 95). Es gab eine Zeit, wo die Kenntnis der Tiefen der Ozeane so beschränkt war, daß man jedes Hilfs- mittel, diesem Mangel abzuhelfen, mit Befriedi- gung begrüßen mußte. So kam im Jahrfe 1856 der hochverdiente Leiter der Küstenaufnahme der Vereinigten Staaten, Prof. A. D. B a c h e ^), auf den Gedanken, aus den Zeiten', die die Pegel in San Francisco und San Diego von den Dis- lokationswogen des Erdbebens in Simoda auf- gezeichnet hatten (s. oben S. 142), die Reisedauer der Wogen und damit nach der Lagrangeschen Formel die mittlere Tiefe des Nordpazifischen Ozeans entlang dem größten Kreise zu berechnen ; er fand sie gleich rund 4200 bis 4500 m und schätzte danach die ozeanischen Meerestiefen überhaupt auf rund zwei Seemeilen oder 3700 m. Seinem Beispiel sind dann Peschel, Hilgard und F. V. Hochstetter für die Wogen von Arica (1868), E. Geinitz und J. Milne für die von Iquique (1877) und endlich Verbeek, Neumäyer und Wharton für die von Krakatau (1883) gefolgt. Solange es sich darum handelte , angesichts einer völligen Unvässenheit überhaupt nur die Größenordnung der ozeanischen Tiefen angenähert festzustellen, waren diese Rechnungen verdienstlich: man konnte es als einen Gewinn für die Wissenschaft gutschreiben, wenn man sich die ozeanischen Tiefen zu rund 4 km vor- stellen durfte; die Schätzungen von Laplace (bis zu 18 km) oder Whe- well (bis zu 10 km) waren danach jedenfalls nicht von der richtigen Größenordnung; so und nicht anders wollte Bache denn auch seinen -T^^Ff m '^ ^ .M- -L5JL. ^) Zuerst im Naut. Mag. 1856, Januar, und Pet. Mitt. 1866, S. 119. Geschwindigkeit der Dislokationswogen. 153 Versuch verstanden wissen. Aber genaue Maße für so lange Strecken ab- zuleiten, gestattet die Lagrangesche Formel so ohne weiteres nicht, und zwar aus folgenden Gründen. Erstlich kennen wir die Länge des Weges nicht, den die Woge durch- messen hat, denn die Geschwindigkeit der Woge ist abhängig von der Wassertiefe; sie wird also auf weiterem, aber erheblich tieferem Wege sehr viel schnellere Reisen machen, als wenn man, wie Bache zuerst nicht anders konnte, die kürzeste sphärische Entfernung oder den größten EJreis als den durchlaufenen Weg einführt. Wir können heute auf Grund unserer weit vorgeschrittenen Kenntnis der Tiefenverteilung in den Ozeanen die in den genannten Rechnungen angenommenen größten Kreise daraufhin prüfen, ob sie in Wirklichkeit für die erhaltene Reisedauer in Betracht kommen. Bei der Strecke Simoda — San Francisco ist das sehr wahrscheinlich der Fall. Der größte Kreis zwischen beiden Orten wölbt sich beträchtlich nordwärts, so daß er mit seinem nördlichsten Punkt mehr als 10" nördlicher als San Francisco liegt (in 48.4 " N., 169.9° W.); die Wogen liefen also von Simoda aus nach Nordosten zu Osten durch den sehr tiefen Japan- und Aleutengraben und kamen aus Nordwesten zu Westen in San Francisco an. Dieser Weg ist aber sicherlich im Mittel tiefer als 4200 m. — Der größte Kreis von Arica nach Sydney führt nicht, wie Hochstetter versehentlich auf seinen Karten einzeichnete^), nördlich von Neuseeland vorbei , sondern südlich davon , und die höchste von ihm berührte Breite liegt in 56° S. bei 145° W. Die Wogen mögen auf diesem südlichen Wege zuerst nach Sydney gelangt sein. — Die von Iquique nach Jokohama und Hakodate laufenden Wogen konnten dem größten Kreise gleich im Anfang ihrer Bahn nicht treu bleiben, da dieser südlich von Bisco auf das Festland hinübertritt; er schneidet darauf den Äquator östlich von den Galäpagosinseln (in 88.3° W.). Weiter nord- westlich verläuft er verhältnismäßig nahe am Land, geht zwischen den Revilla Gigedoinseln und Neukalifomien hindurch (22° N. B. wird in 111° W. L. geschnitten), trifEt 130° W. L. in 36.6° N. B. und hat seine höchste Breite in 179° 0. L. unweit der Aleuteninsel Amtschitka in 49.7° N. B. ; in Hakodate kommt er aus Nordosten an. Für diese Wogen dürften streckenweise nach Westen ausweichende Umwege einen schnelleren Lauf gegeben haben. — Der größte Kreis zwischen der Sundastraße und Südgeorgien verläuft zunächst auf die Heardinsel (südöstlich von . Ker- guelen) zu, schneidet der Reihe nach 90° 0. L. in 36.6° S. B., 80° 0. L. in 48.5° S. B., erlangt seine höchste Südbreite jenseits des Polarkreises mit 67.4° S. B. in 18.1° 0. L. und kommt aus Ostsüdost vor Südgeorgien an. Die Wogen sind aber wahrscheinlich westlich von Kerguelen und nördlich vom Polarkreis vorbeigegangen, also auf einem kleinen Umwege. Man sieht, in vielen Fällen entfernt sich die wahrscheinliche Bahn der Wogen mehr oder weniger vom größten Kreise, man kennt also die in der registrierten Reisedauer T in Wahrheit durchmessene Strecke A nicht mit Gewißheit und die Gleichung f = A ^gT^ ist nicht aufzulösen (S. 146). ^) Pet. Mitt. 1^69, Taf. 12. Diese falsche Zeichnung, vermehrt um die ebenfalls falsch längs der Loxodromen von Simoda nach Kalifornien eingetragenen Wogen, hat leider HermannBerghausin den Physikal. Atlas Taf. 3 (erschienen 1888) übernommen, woher sie dann die Schulatlanten einfach kopiert haben. 154 Dislokationswogen. Ein zweiter Einwand stützt sich darauf, daß die Lagrangesche Formel nur gültig ist, wenn auf der ganzen durchlaufenen Strecke die Tiefe überall gleich ist. Sind die Tiefen aber unregelmäßig, so wird die Reisedauer verlängert und die daraus berechnete Mitteltiefe notwendig zu klein. Es geht das schon aus der vorher (S. 150) gegebenen elementaren Ab- leitung der Formel hervor, läßt sich übrigens in folgender Weise ^) noch ge- nauer nachweisen. Sieht man von der Krümmung der Erdoberfläche ab und legt man durch die Bahn der Woge ein rechtwinkhges Koordinatensystem, so ist zunächst die wahre mittlere Tiefe auf folgende Weise zu erhalten. Man zerlegt die Wellenbahn, deren Gesamtlänge = A ist, in lauter kleine Stücke «1, ttg, «3 . . . a,, und bestimmt für jedes dieser Teilstücke die mittlere Tiefe Vi> Pz' Pa ' • • P«> wobei die Teilstrecken so zu wählen sind, daß die Tiefen praktisch in ihrem Bereich als gleichmäßig gelten dürfen. Indem man nun die Summe aus den einzelnen zusammengehörigen Produkten aiPi + «2?« + . . . a„pn bildet , und diese durch die Gesamtstrecke Ä dividiert, wird die richtige mittlere Tiefe erhalten, also Die Geschwindigkeit der Woge wird, da die einzelnen Teilstrecken verschieden tief sind, entlang der Bahn verschieden groß werden, ebenso die den Teil- strecken zukommenden Teile der Reisedauer. Für die erste Teilstrecke er- halten wird die Reisedauer ti = — 7= — 7=-, und für die ganze durchlaufene VO-Vlh Strecke die Gesamtreisedauer 1 ( «1 , ^-^ , ^" + T== T Li/VJ Nennen wir die aus der Lagrangeschen Formel für die ganze Strecke A auf einmal abgeleitete Mitteltiefe P, so erhalten wir: J_ J^ A' Folghch verhält sich D\P=^ [ap] . I [ ^- : ^ »^ und wird S[o2>] ^ Li/VJ D = kD. Man sieht ohne weiteres, daß P nur dann = D wird, wenn p in den Summen stets als konstante Größe auftritt, wodurch k= A^:A^=^1 wird. Von den beiden Summen im Nenner ist die zweite entscheidend: sie wird immer größer, je häufiger kleine Werte von p in sie eingehen, denn der Quotient a/^p~ wächst bei gleichen Teilstrecken a mit kleiner werdenden p. Folghch wird der ganze Ausdruck für k ein echter Bruch und darum P stets kleiner, als die wahre Mitteltiefe D. Das Maß der Verkleinerung richtet sich nach der Gestalt des Beckens. Ich gebe einige Beispiele. Ein Wasserbecken von 6300 km Breite bietet in seinem Boden einen zy- lindrischen Querschnitt; ein senkrecht gegen die Zylinderachse gelegtes Profil erscheint dann als Kreissegment von 2500 m größter Tiefe. Das Areal dieses 1) Im Anschluß an Ch. D a v i s o n, Philos. Mag. 1897, Bd. 43, S. 33. Geschwindigkeit der Dislokationswellen. 155 Profilschnitts ist dann = 10 520 qkm und die wahre mittlere Tiefe D = 1670 m. Das Kreissegment wurde graphisch dargestellt und die einzelnen a überall = 100 km gesetzt. Es ergab sich aus dieser Darstellung S [ap] = 10 544, also nur um eine Kleinigkeit zu groß, ferner S i r — 1 = 5908, somit P = 0.679 D = 1134 m. Die aus der Lagrangeschen Gleichung folgende Mitteltiefe ist also um 32 Prozent zu klein. Eine Dislokationswoge würde nun, von einem Ende des Beckens bis zum anderen laufend, an einem Jiier aufgestellten Pegel sich so aufzeichnen, daß sich die Reisedauer T = Aj\/gP =16 Stunden 35 Minuten ergibt. Brächten wir das Wasservolum aber in einem Kanal mit rechteckigem Querschnitt von derselben Breite wie vorher, aber mit überall gleichmäßiger Tiefe D = 1670 m unter, so würde die Dislokationswoge nur 15 Stunden 20 Minuten brauchen, sie könnte unter dieser Voraussetzung also um 1 V4 Stunde früher ankommen. Umgekehrt wird man aus einer registrierten Reisedauer von 16 Stunden 35 Minuten, eine mittlere Tiefe von 1134 m berechnen, die um Ya zu klein ist. — In einem von Davison berechneten Falle, wo die Kurve des Meeresbodens als ein Parabelsegment symmetrisch zur Mitte des Beckens angenommen wurde, ergab sich der Fehler zu 21 Prozent. In einem dritten Beispiel, wo ich dem Meeresbecken den Querschnitt einer halben Ellipse mit der großen Halbachse = 2150, der kleinen (= der größten Tiefe)' = 4 km gab, fand ich das Defizit zu 10 Prozent der wahren Mitteltiefe. Eine Reihe von anderen durchgeführten Rechnungen mit verwickelterem Bodenrelief, aber geknickten geraden Linien ergaben Werte für h zwischen 0.3 und 0.9; hierbei sind die kleinsten Werte für h solchen Wasserbecken eigen, die in ihrer Mitte mehrfach hoch aufragende Bänke und zugleich sanfte Randböschungen be- sitzen. Am anschaulichsten dürfte folgendes einfache Beispiel sein. An eine Schelffläche von 100 km Breite und 50 m gleichmäßiger Tiefe schließt sich eine steile Kontinentalböschung von 10 km Breite mit Abfall der Tiefen von 50 auf 5000 m, und folgt dann eine Tiefseestrecke von 5000 m gleich- mäßiger Tiefe auf 1000 km Breite. Die mittlere Tiefe dieses ganzen 1110 km breiten Meeresabschnitts beträgt also 4532 m. Eine Dislokationswelle würde von der Hochsee kommend die 1000 km lange und 5000 m tiefe Strecke in derselben Zeit durchmessen, wie die 100 km lange, aber nur 50 m tiefe Schelf- strecke, nämhch in 1 Stunde 15.2 Minuten; da auf die kurze Kontinental- böschung noch 1.3 Minuten zu rechnen sind, ergibt sich als Gesamtreisedauer 2 Stunden 31.5 Minuten. Wäre diese registriert, so berechnete sich nach der Formel p= A^/gt^ die mittlere Tiefe zu nur 1519 m, das ist nur Vs der wahren. Nach diesen Erörterungen wird man begreifen, daß die Berechnungen der mittleren Meerestiefen nach der Lagrangeschen Formel immer zu kleine Werte liefern mußten ; man erkannte diese Tatsache selbst auch sehr bald, wo man einen Vergleich der berechneten mit den aus der Seekarte entnommenen Größen ausführte. Darauf hatten J . Milne und W. Wharton schon hingewiesen, ohne die Erklärung für dieses auffällige Mißverhältnis zu finden; dies klargelegt zu haben, ist ein Verdienst von Ch. Davison. Es hatten sich u. a. ergeben : für die Wogen von Iquique nach Kamaishi (1877) nach der Berechnung von E. Geinitz 3991 m, nach J. Milne für eine etwas anders genommene Reisedauer nur 2858 m Mitteltiefe; Milne schätzte sie nach der Seekarte auf 4725 m. Wharton, der bei seinen Berechnungen der Krakatauwogen die auf den Schelfen durchlaufenen Strecken schon sehr zweckmäßig aussonderte und allein bestimmte, fand 156 Dislokations wogen . trotzdem noch durchweg zu kleine Tiefen. Ich stelle seine Berechnungen mit denen von Verbeek für die gleichen, am größten Kreise entlang ver- standenen Strecken zusammen und füge seine der Seekarte entnommenen Tiefenschätzungen hinzu. Strecken von Krakatau nach Berechnete Tiefe (m) nach Verbeek Wharton Tiefe nach der Seekarte (m) Madras . . False Point Trincomalee Bombay Karatschi . Aden . . Mauritius . Kapstadt . 2536 1884 2995 1561 2257 2821 4151 3761 3109 2660 3237 3017 3127 3237 ±±±± 3731 4200 3930 4200 3110 3930 3930 4755 4200 Ein weiterer und letzter Einwand besteht darin, daß sich die Lagrange- sche Formel auf zweidimensionale Wellen bezieht, während die Dislokations- wogen in drei Dimensionen entwickelt sind und sich vom Ursprungsort nach allen Richtungen hin verbreiten. Hierbei ist, soweit es sich im freien Ozean um konzentrische Wellen handelt, ein rascher Energieverlust unvermeidlich (s. oben S. 89 f.); bei kanalförmigem Bette aber müssen die Wogen ähnlich umgestaltet werden, wie das früher bei der Dünung dargelegt worden ist. Die Länge und damit die Geschwindigkeit der Wellen wird Neigung zeigen, zu wachsen. Denn die Energie der Seicht- wasserwellen ist in den vorUegenden Fällen, wo die vertikale Halbachse der Orbitalbahnen sehr klein bleibt gegenüber den kolossalen Wellenlängen, einfach E = ^/^mXH^', bei wenig geänderter Energie (in einem kanal- förmigen Ozean) wird bei rasch kleiner werdenden Wellenhöhen die Länge X wachsen. Darum verkürzt sich die Reisedauer bei kanalartig gestaltetem Ozean und wird bei größerem Abstände vom Ursprungsort die Berechnung der mittleren Tiefe nach der Lagrangeschen Formel zu hohe Werte liefern können. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Krakatauwogen um das Kap der Guten Hoffnung herum in den Atlan- tischen Ozean einlaufend nach Norden hin auf diese Weise eine Vergröße- rung der WeUengesch windigkeit erfahren haben. Nach Whartons Be- rechnungen haben die Geschwindigkeiten an Orten im Bereiche des Indischen Ozeans, die nahe an ozeanischen Tiefen liegen, betragen: nach Madras 338, Rodriguez 377, Kapstadt 370 Seemeilen in der Stunde, wobei nur die Strecken außerhalb der Schelfe in Betracht gezogen sind. Ähnlich verstanden sind dagegen die Geschwindigkeiten für die Plätze in den europäischen Gewässern: nach Socoa 425, Rochefort 414, Havre 422 See- meilen. Das ist eine sehr auffällige Zunahme. Nach alledem wird man künftig zu vermeiden haben, mittlere Tiefen des Ozeans aus der Reisedauer von Dislokationswogen für eine längere Strecke hin zu berechnen. Im umgekehrten Falle aber, wo man die Meeres- tiefen kennt, und danach die Geschwindigkeiten von derartig langen Wellen (also auch Tidewellen) berechnen will, wird man den durchlaufenen Stehende Wellen. 157 Weg möglichst in kleine Stücke von ungefähr ebenmäßiger Tiefe zerlegen und dann die gesamte Keisedauer der Woge aus den für die einzelnen Teile erhaltenen Zeiten aufbauen. So gebraucht wird die Lagrangesche Formel stets von unschätzbarem Werte bleiben. Vni. stehende Wellen. Außer den bisher betrachteten fortschreitenden Wellen, deren Form iiber die Wasseroberfläche nach einer bestimmten Richtung fortrückt, lehrten die Brüder Weber zuerst (1825) eine zweite Art rhythmisch sich wiederholender Wellen kennen, welche ihren Ort nicht verändern, sondern deren Wellenberge an ihrem Platz durch senkrechtes Nieder- sinken in Täler, deren Täler durch senkrechtes Aufsteigen in Berge sich verwandeln. Diese nannten sie stehende Wellen. Schon die sehr anschauliche Beschreibung durch ihre Entdecker zeigt, daß die stehenden Wellen von den fortschreitenden wesentlich verschieden sind. Dennoch ent- stehen sie leicht aus den fortschreitenden, sobald diese in einem seitlich ge- schlossenen Gefäß von regelmäßiger Form und namentlich mit senkrechten Wandungen erzeugt werden. Sind nämlich die Längen der fortschreitenden Wellen so abgepaßt, daß sie irgend einen aliquoten Teil der Länge dieses Gefäßes betragen, so geschieht es, daß sie, von den senkrechten Gefäß- wänden reflektiert, Interferenzen gerade in solchen Phasen bilden, daß Berg durch Berg, Tal durch Tal in entgegengesetzter Rieh- ^^* tung hindurchschreitet. Bei- stehende Fig. 40 zeigt eine Webersche Wellenrinne , in welcher die Länge der Wellen gleich Va der Länge des Ge- fäßes abgepaßt ist. Die Was- serfläche nimmt alsdann bald srehendeWelle mit S Knoten (nach deu Brüdern Weber), die Form an, wie die ausge- zogene, bald wie die punktierte Linie sie andeutet. An drei Stellen zeigt die Oberfläche sich unverändert in ihrem alten Niveau: das sind die Knoten; die bald nach oben , bald nach unten schwingenden Zwischenstrecken geben die Bäuche der stehenden Wellen. Die Fig. 40 zeigt drei Knoten, dagegen zwei vollständige und zwei halbe Bäuche, letztere an den beiden Enden der Rinne, und von diesen beiden ist der eine immer in der entgegengesetzten Phase zum anderen. Die Brüder Weber erzeugten stehende Wellen indes auch unmittelbar, indem sie ent- weder das Gefäß auf eine vibrierende Unterlage (elastische Haut oder Geflecht) stellten, oder mit einem die Oberfläche der Flüssigkeit in der Mitte treffenden Körper in gleichen Zeitintervallen (taktmäßig) auf und ab bewegten. Es entstehen aber immer nur dann stehende Wellen, wenn die Länge der letzteren einen aliquoten Teil der Länge des Gefäßes bildet. In jedem Gefäß ist also doch eine unendliche Zahl von Arten stehender Wellen mög- lich, jede einzelne Art hat aber nur eine bestimmte, von den anderen lSi8 Stehende Wellen'. verschiedene Periode, während welcher sich eine Schwingung hin und zurück vollzieht; die Perioden selbst stehen untereinander in demselben Verhältnis, wie die harmonischen Obertöne eines Grundtones. Während in einer fortschreitenden Welle die Teilchen an der Vorder- seite eines Wellenberges sich aufwärts, auf der Rückseite abwärts bewegen, haben sie in den Bergen der stehenden Welle überall eine aufwärts gerichtete, in den Tälern überall eine abwärts gerichtete Bewegung. Das gilt für die Oberfläche. Im Innern der Flüssigkeit bewegen sich, wie die Brüder Weber zuerst erkannten, die Teilchen nicht mehr in geschlossenen Orbitalbahnen, „die in sich selbst zurücklaufen, sondern die Teilchen gehen durch die- selben Punkte derselben Bahnen wieder rückwärts, durch die sie vorwärts gegangen waren". Bei der Schwingung in Gefäßen von rechteckigem Fig. 41. Fig. 42. Bewegung der Wasserteilchen in einer zweiknotigen stehenden Welle nach einer Photographie von Marey. Querschnitt und horizontalem Boden sind nach M e r i a n die Bahnen der schwingenden Teilchen krumme Linien, welche gegen die Ebene der Ruhelage konkav sind. Die horizontale Bewegung ist dabei ein Maximum genau unter der Knotenlinie am Boden des Gefäßes, daselbst aber die vertikale Bewegung null. Die vertikale Bewegung selbst hat ihr Maximum gerade- unter den Bäuchen , wo wieder die horizontale Bewegung null wird. Dies steht mit den Beobachtungen der Brüder Weber, wie mit den neueren photogra- phischen Aufnahmen von M a r e y i) in vollem Einklang (vgl. Fig. 41). Auch die einfache Schwankung einer Flüssigkeit ist eine stehende Schwingung, . wenn die Oberfläche derselben sich abwech- selnd in die beiden Lagen von Fig. 42 setzt, wobei, wie man sieht, die Oberfläche stets vollkommen eben bleibt und der Punkt K den Knoten vorstellt. Diese Schwingung ist zu betrachten, als entstünde sie durch das Zusammenfallen der zwei Hälften einer Welle von der doppelten Länge des Gefäßes selbst. Wir werden in ozeanischen Baien auch Schwankungen kennen lernen, wo das Gefäß an der Knoten- 1) Cbmptes Rendus Acad. Paris 1893, Bd. 116, p. 919. Stehende Welle mit einem Knoten. Formeln XXXII bis XXXIV. , 159 stelle ofEen ist, also nur die eine Hälfte der in Fig. 42 dargestellten Wasser- masse schwingt (vgl. auch Fig. 43). Die sogenannte einknotige oder uninodale Schwingungsart ist die einfachste in einem gegebenen Gefäß, und sie hat die längste Periode. Für ein Gefäß von rechtwinkligem Querschnitt gehorcht diese nach Rud. Merian^) dem Gesetze : dzl e ^ -\- e 4tzI ^- i:p _„_ t* = . ■ = coth — r- ... XXXII g üfL -HIL g l e ^ — e worin t die ganze Periode, l den Durchmesser des Grefäßes, p die Tiefe der Flüssigkeit, und g und tt die oben S. 6 gegebenen Werte bedeuten. Indem man die Exponentialfaktoren in Reihen auflöst und dividiert, erhält man die bequemere Näherungsformel: t= ^ 1 + -r (^t -^\ . l^gp f ^^ 4: \ l ) S Für den Fall, daß der Durchmesser l im Vergleich zur Wassertiefe sehr groß, also pß ein sehr kleiner Bruch ist, wird t = --ß^ . . . . . . XXXIII Sonst empfiehlt sich auch hier die Einführung eines Hilfswinkels, ähnlich wie früher S. 16, cot ^ = e'^^' danach : t'= ^'''\, XXXIV g . cos 2 (j> Man gelangt zu diesen Formeln auch , wemi man sich der Entstehung der stehenden Wellen durch Reflexion fortschreitender Wellen erinnert. In flachem Wasser war nach Airys Formeln XIV bis XVI X 1/^ X und wenn -r- = !7 ß ? 2^V [/gp ' Beachten wir, daß t = t und für eine uninodale Schwingung l = 2 1, so erhalten wir die Meriansche Gleichung. Bsi einer binodalen Schwingung (Fig. 41 und 43) , wo l = ),, würde die Schwingung in der Hälfte der -^^ß- ^^• Zeit t erfolgen. Bei einer trino- ^ ^ D F B dalen Schwingung (s. Fig. 40) ist- . ______^ /. = \ l, erfolgt die Schwingung _— ^^^-^^"^^^^^^^^ ■ _T^^^^^--^'~^^~-~^-~_ also auch in ^2 . \ = % der L Zeit t usf. , bei einer w-nodalen Schwingung in ^jn t. Hier tritt die Analogie zu den harmonischen Obertönen eines Grundtones wieder her- vor. Anderseits ergeben sich, wenn wir die einzelnen Teile von X betrachten, die aus der beistehenden Fig. 43 ohne weiteres ersichthchen Beziehungen: 1= AB, 1 = 2 AD oder 2 DB, 1 = 2 EF, l = 4 AE oder 4 FB, worauf später noch zurückzukommen ist. *) Über die Bewegung tropfbarer Flüssigkeiten in Gefäßen, Basel 1828, S. 31. Stehende Welle mit zwei Knoten. 160 Stehende Wellen. Für Gefäße mit nicht horizontalem Boden, sondern von prismatischem Querschnitt, so daß, die Kante nach miten gekehrt, der Winkel zwischen den schrägen Seiten ein rechter ist und die Seitenflächen selbst gegen die Vertikale gleich geneigt sind, findet G. Kirchhoff i) worin P die größte Tiefe der Flüssigkeit bedeutet: hier ist also t gleich der Schwingungsdauer eines einfachen Pendels von der Länge P. Die Breite und die horizontale Länge eines solchen prismatischen Gefäßes sind folglich nach Kirchhoff von keinem Einfluß auf die Periode dieser Schwingung. Bei allen diesen Betrachtungen entspricht die Annahme, als ob es sich bei den schwingenden Wasserbecken um eine regelmäßig gestaltete Tiefe, womöglich einen ganz ebenen Boden handle, nicht der Wirklichkeit; wir stehen hier vielmehr vor derselben Schwierigkeit, wie bei der An- wendung der Lagrangeschen Formel auf die Dislokationswellen. Ganz den früher von uns gegebenen Erwägungen entsprechend, hat Paul du Boys*) in der Merianschen Formel das Glied \/^gp durch eine Summe von zahl- reichen Teilgliedern ersetzt, die der örtlich wechselnden Wassertiefe ent- sprechen (vgl. S. 154). Man denke sich einen Längsschnitt durch das Wasserbecken gelegt, der in zahlreiche kleine Abschnitte a^, a^, «3 . . • a„ mit den verschieden großen zugehörigen Tiefen h^, h^, h^ . . . h^ zerfäUt, wobei die Summe der a gleich der Länge des ganzen Schnitts wird. Nun ist die Zeit, die eine Welle braucht, um eine Teilstrecke zwischen den Tiefenpunkten K^i und hn von der Länge a„ zu durchlaufen : «- = Aus der Summe dieser einzelnen Teilzeiten ergibt sich dann die Gesamtzeit einer uninodalen Schwingung, d. h. die Zeit, während welcher eine Welle das Becken von der Länge = l zweimal durchläuft: t = -L- . S \-7==^ 7=1 . . . XXXV Das ist die Du Boyssche Formel. Sie gibt auch den Weg an, die Lage der Schwingungsknoten zu finden: nämlich an der Stelle, bis zu der die Summation die halbe Dauer der Hauptschwingung liefert, liegt der Knoten der uninodalen Schwingung; wo die Dauer V* ^i^d Vi, der Hauptschwin- gungszeit errfricht, liegen die beiden Knoten der binodalen Schwingung usf. Hieraus ist schon zu entnehmen, daß die Eoioten- bei ungleich angeordneten Tiefen durchaus nicht genau symmetrisch liegen werden. Das war schon ein wesentlicher Fortschritt. Aber es genügte nicht, um zahlreiche noch übrig bleibende Abweichungen der so berechneten Perioden von den beobachteten aufzuklären. Denn es handelt sich hier um kleine, enge, sehr unregelmäßig gestaltete Wasserbecken, meistens Binnen- ^) Wiedemanns Annalen der Physik 1880, X, 41. a) Archives de Genöve 1891, Bd. 25, p. 628. Chrystals Formeln. 161 Seen, in denen die schwingenden Wassermassen in Räume von oft sehr schroff wechselndem Querschnitt hin und her bewegt werden. Eine vollständige Theorie dieser stehenden Wellen in unregelmäßig gestalteten Gefäßen hat erst Prof. Chrystal^) geschaffen. In der Anwendung auf die Schwankungen in Binnenseen, d. i. auf die nach der betreffenden Erscheinung des Genfersees gewöhnlich so genannten Seiches, haben seine Ableitungen ihre Probe bereits ausgezeichnet bestanden , und sie sind dann auch sehr bald, wenn auch in vereinfachter Form, auf die Schwankungen ozeanischer Küstenbuchten von den Japanern Honda, T e r a d a und Isitani^) erfolgreich angewandt worden. Die mathematische Ableitung der Chrystalschen Gleichungen gehört zu den schwierigsten Operationen, die in der Hydrodynamik vorkommen können: im wesenthchen handelt es sich auch hier wieder um einen analogen Fall aus der Akustik, nämhch die Schwingungen einer Saite von ungleich- mäßiger Dicke. Für unsere Zwecke darf nur auf das geographisch bedeutungs- volle und elementar verständhche kurz eingegangen werden. Der wichtigste Kunstgriff ist die Herstellimg der sogenannten Normalkurve. Sie ist abhängig sowohl vom Umriß, als auch vom Querschnitt des Wasserbeckens. Vorbedingung ist eine genauere Kenntnis der Tiefen, am besten niedergelegt in einer Isobathenkarte. Auf dieser konstruiert man zunächst die Verbindungs- linie der tiefsten Punkte des Beckens, also den Talweg, denkt sich längs diesem eine Schar von Senkrechten gegen die Oberfläche errichtet, die einen Talwegschnitt ergeben, und mißt die Breite der Wasserfläche an bezeich- nenden Punkten wiederum senkrecht zum Talwegschnitt; man erhält so vom einen Ende des Beckens angefangen die Breitenstrecken &i, 62» ^3 usw. bis 6« am anderen Ende. Ferner bestimmt man das Areal der Teile der Wasserober- fläche zwip'^hen diesen Breitenstrecken, indem man ihre linearen Abstände entlang «i, a^, a^ . . . an mißt und die Produkte Vj = «i&i, Vz^a^bt, Ü3 = flg 63, v« = a«&« bildet; ihre Summe ist gleich dem Gesamtareal des untersuchten Beckens. Weiter legt man in denselben Punkten, wo die b gemessen wurden, senkrechte Querschnitte nach unten hin, deren Ebenen ebenfalls senkrecht gegen den Talwegschnitt liegen. Ist das Areal der ein- zelnen Querschnitte q^, q, ... g« und die zugehörige Beckenbreite an der Oberfläche 6^ öj . . . 6«, so bildet man die Produkte (t^ = ^161, a^ = ?2&2, ... Gn = qnb„. Nun denkt man sich den Tal wegschnitt, der auf der Karte des Beckens als eine geknickte Linie von der Gesamtlänge ai + aa + ...a» = ^ erscheint, in eine Ebene gestreckt und betrachtet das linke Ende als den An- fangspunkt des Koordinatensystems. Dann trägt man auf der Abszissenachse der Reihe nach die Werte der v nach rechts hin, weiter die zugehörigen ^ ist- Die bisher gegebenen Formeln lieferten die einfache Schwingungs- periode, also die uninodale oder Gnmdschwingung des betrachteten Beekens. Es hat sich nim gezeigt, daß die nach den einfachen Voraussetzungen für verschiedene Binnenseen berechneten Oberschwingungen nicht zu den beobachteten passen woEten. So war nach ForeQs frühem Befund am Genfersee die binodale Seiche kleiner als Vj (nämlich nur 0.48), am Zürcher- und Vierwaldstättersee größer als VaJ H- Ebert fand sie fiir den Stambergersee. sogar 0.63, Endrös für den Chiem- und Wagingersee noch größer (0.70). Auch in diesen Fällen konnte Chrystal zeigen, wie die un- regelmäßige Bodengestaltung verändernd auf die Oberschwingungen einwirkt; so wird beispielsweise fiir ein symmetrisch-geradliniges Wasser- Mehrknotige SchwiDgtmgen. 165 becken die bmodale Schwingung 0.63, für ein symmetriscli-parabolisch- konkaves 0.58, für ein halbparabolisches und geneigtrgeradliniges 0.55, dagegen für ein konvex-parabolisches nur 0.47 der Hauptschwingung. — Daß auch die Lage der Knoten hierbei keineswegs der einfachen Regel folgt, die für gleichmäßig tiefe und breite Wasserbecken gilt, ist leicht einzusehen, und zwar werden bei mehrknotigen Schwingungen die Wellen kürzer gegen die sich abflachenden Ränder hin. Doch kann hier nicht auf alle die sehr interessanten Einzelheiten eingegangen werden. Für eine erste Annäherung genügt übrigens die vorher schon (S. 160) gegebene Ableitung nach der Du Boysscjien Formel. Für ein symmetrisches konkav-parabohsches Wasserbecken verhalten sich nach Chrystal die Perioden der Oberschwingungen folgendermaßen zu- einander : Knotenzahl 1 2 1 3 1 4 5 n Periode . . r:L itL kL nL nL -L [/ 2gh 1/ 6gh [/ i^gh 1/ 20 gh [/ 30 gh \/ n{n + 1) gh Verhältnis zur 1 ^l/T gl/ 6 i^jVlO 15 1/ '' = 0.2582 (statt 0.2000) 2 l/n(n+l) Grund- ßchwingung = 0.5774^=^:0.4082 (statt (statt 0.6000) 0.3333) = 0.3162 (statt 0.25GÖ) n(n+l)K 2 (statt 1/n) Bei einer binodalen Schwingung Hegen in einem solchen Becken die Knoten, von der Mitte des Beckens aus gerechnet, nicht auf 0.5 dieser Strecke, sondern auf 0.5774, also ein gutes Stück gegen die flacheren Enden verschoben. Bei einer dreiknotigen Schwankung, wo sich grade in der Mitte des Beckens ein Knoten bildet. Hegen die beiden andern seitHchen Knoten nicht auf Vs der (von der Mitte aus gerechneten) Strecken, wie die Fig. 40 S. 157 zeigt, son- dern auf 0.775 derselben, also noch über ^4 hinaus gegen die Enden ver- schoben, und auch die beiden voll ausgebildeten Bäuche finden sich statt bei Vs der genannten Strecke auf 0.408 derselben. Diese Dinge, die man empirisch bei den Seiches gewisser Seenbecken in der Tat schon früher gefunden hatte, wurden erst nach Chrystals Ausführungen verständHcb, ja notwendig. Das klassische Gebiet dieser stehenden Wellen sind die Binnenseen, insbesondere der Genfersee, in welchem sie F. A. F o r e P) früh kennen lernte und seit 1873 ihren dortigen Namen Seiches auf alle ähnlich auf- tretenden Schwingungen übertrug. Auch sonst hat kaum jemand so viel zur Erforschung dieses eigenartigen Phänomens beigetragen wie F p r e 1; insbesondere ist sein großes Werk über den Genfersee gerade dieser die Seiches behandelnden Darlegungen wegen eine wahre Fundgrube auch für den Ozeanographen, der die ganz ähnlichen Schwankungen in kleineren ^) Vgl. sein Handbuch der Seenkunde, Stuttgart 1901, S. 72 — 80; ausführlicher in seinem Werke L e L 6 m a n, Lausanne 1895, Bd. 2, p. 39 — 213. — Die älteste Beschreibung einer Seic?ie ist nach F o r e 1 in der Konstanzer Chronik des Christoph Sohulthaiß für den 23. Februar 1549 gegeben, also am Bodensee (F o r e 1 a. a. 0. S. 50). Varenius kennt die Erscheinung vom Loch Lomond (Geogr. gen. IIb. I, cap. 16, prop. 32, Amstelod. 1650, p. 216) 166 Stehende Wellen. oder größeren Meeresteilen zu erforschen hat. Jeder Binnensee hat seine charakteristischen stehenden Wellen, indem er sowohl längs wie quer schwingende Seiches ausbildet, die dann einander in Interferenzen durch- dringen können. Die Amplitude der Hauptseiche des Genfersees kann von 8 cm bis gelegentlich zu 2 m ansteigen; die Periode der uninodalen Längsschwingung ist im Mittel 73 Minuten, die binodale hat 35.5 Minuten, die einfache Querschwingung 16 Minuten, die binodale aber 5 Minuten. Besonders für uns lehrreich sind Seiches in sehr großen, aber flachen Binnenseen, wo wie in Meeresteilen die Länge des schwingenden Wasser- beckens sehr erheblich, die Tiefe aber relativ gering ist, wie im ungarischen Plattensee, der mit 77 200 m Länge nur 11 m größte und 3V2 ^^ mittlere Tiefe verbindet: hier hat die Hauptseiche eine Periode von 11 Stunden. Von den großen nordamerikanischen Seen hat der Eriesee eine Periode von 14 Stunden, der Ontario von 4 Stunden 49 Minuten. Die Seenforscher, wieder F o r e 1 voran, haben auch die vielfältigen Ursachen dieser Schwankungen genau verfolgt. Weitaus am häufigsten jiJillt d;)s Auf treten der Seiches zusammen mit großer Unruhe der Atmo- sphäre, starken Schwankungen des Luftdrucks und der Windstärke; ins- besondere erzeugen heftige Regenschauer und Böhen, wie sie Gewittern eigen sind, die größten Seiches, sobald sie nur einen Bruchteil größerer Wasserflächen gleichzeitig treffen. Wir wissen aus den von Helmholtz angeregten Forschungen neuerer Meteorologen, daß die genannten Witte- rungszustände in atmosphärischen Wogen bestehen, die ziemlich regel- mäßig aufeinander folgen ; wenn die Periode dieser Wogen mit der eigenen Schwingungsperiode eines Wasserbeckens zusammenfällt, müssen die Impulse sich zunehmend verstärken, wie wenn eine Glocke durch wieder- holte, wenn auch nur schwache Anstöße schließlich zum Tönen gebracht wird, sobald die Stöße ihrer eigenen Schwingungsperiode angepaßt sind. Die empfindlichsten Stellen der Wasserbecken sind ihre Enden, wo die Bäuche der uninodalen Schwankung hegen; aber entsprechend abgepaßte Impulse können auch mitten in der Wasserfläche die dort verteilten Bäuche der mehrknotigen Schwingungen günstig treffen, worauf das Wasserbecken in den harmonischen Oberschwingungen zu pendeln beginnt. Es ist dies ein Zusammenhang, der bereits den Brüdern Weber bei ihren Experimenten in der Wellenrinne deutlich entgegentrat. Bei den Schweizer Seen hat sich gezeigt, daß Erdbeben allein, wie man früher wohl annahm, solche Seiches nicht hervorrufen; wenigstens beruhen die großen Schwingungen ausnahmslos auf atmosphärischen Vorgängen. Immerhin sind einzelne Beispiele bekannt, die einen Zusammenhang zwischen Erdbewegungen und Seenschwankungen nicht ganz ausschließen: so wird fast von sämtlichen mitteleuropäischen Binnenseen berichtet, daß sie durch das große Erd- beben von Lissabon (1755) in solche Schwankungen versetzt worden sind, die man heute als Seiches bezeichnet. Auch in solchen Fällen wird man immer annehmen müssen, daß besonders günstige Bedingungen in der Art und Dauer des Erdstoßes gegeben waren, was gewiß sehr selten ein- treten wird. Ebenso selten werden die gewaltigen Windstöße, die die Lawinen oder Bergstürze begleiten, Wasserbecken, auf die sie treffen, in Schwingungen versetzen. Der Bergsturz vom Roßberg am 2. Sep- tenibor 130G, dessen Trümmermassen das Westende des Lowerzerseea Ursachen stehender Sch^\ingungen. 167 erreichten, ließ die Gewässer des Sees nach Osten hin über das Seewener Ufer 45 m hoch aufbranden ^) : eine Erscheinung, die uns zu den Kata- strophen pazifischer Küstenplätze hinüberleitet, wo sich aber der ganze Prozeß unterseeisch zu vollziehen pflegt. Den Seiches entsprechende Schwingungen sind nun an den Meeres- küsten eine ganz gemeine Erscheinung. Es gibt wohl kaum einen Golf, efine Hafenbucht oder sonst einen abgeschlossenen kleinen Meeresraum, dessen Wasserinhalt nicht unter günstigen Umständen in periodische Pendelungen geriete, die seinen Größenverhältnissen entsprechen. Seit in den letzten Jahrzehnten die Aufzeichnungen selbstschreibender Pegel häufiger veröffentlicht worden sind, ist die Reihe bekannter Beispiele ganz außerordentlich rasch angewachsen 2), so daß an ihrer allgemeinen Verbreitung kein Zweifel mehr herrschen karm. Seiches gehören, ebenso wie Wind- und Gezeitenwellen, zu den überall an geeigneten Küsten- stellen zu erwartenden Bewegungsformen des Meeres, für die auch örtliche Bezeichnungen lange bekannt sind. Die Hilfsmittel der Seichesforschung an den ozeanischen Küsten waren zunächst dieselben, wie sie zur Messung der Gezeiten dienen und später bei diesen zu beschreiben sein werden. Wegen der kürzeren Periode dieser SchAvankungen und ihrer kleinen Amplitude ist aber eine größere Empfindlichkeit der registrierenden Vorrichtungen erforderlich, so daß schließlich Spezialinstrumente für diesen Zweck entstanden sind. In sehr primitiver Gestalt treten uns solche entgegen in dem alten Plemyrameter von F. A. Forel und im Zeigerlimnimeter von A. Endrös. F o r e 1 hatte bemerkt^), daß in dem engen Eingange zum Hafen von Morges beim Steigen des Sees das Wasser in den Hafen, beim Fallen hinaus strömte und zuerst aus der Dauer dieser Strömungen die Periode der Seiches bestimmt. Sein Plemyrameter ahmt diesen Vorgang nach: ein Schlauch wird mit dem einen Ende in ein am Seeufer aufgestelltes Gefäß, mit dem anderen in den See gesenkt und durch Ansaugen mit Wasser gefüllt; ein in den Schlauch gefügtes Glasröhrchen mit einem Schwimmer darin gestattet leicht die Hin- und Herbewegungen des Wassers mit Auge und Uhr zu verfolgen. Man erhält so nur die Perioden der Spiegelschwankungen. Die Amplituden zugleich mißt Endrös*) an seinem Zeigerlimnimeter, indem er in das am Seeufer aufgestellte Gefäß einen Schwimmer setzt, der an einer Schnur über eine Rolle gehängt und durch ein Gegengewicht ausbalanciert ist. Die Rolle setzt einen Zeiger in Bewegung, dessen Spitze sich vor einer Skala bewegt, deren Teilung leicht zu eichen ist. — Selbst- registrierende Vorrichtungen sind von Ed. S a r a s i n in Genf unter dem Namen des Limnimeters zuerst konstruiert und später von Schnitzlein') verbessert worden. Das Instrument, ein richtiges registrierendes Gezeiten- pegel, nur mit schneller Bewegung des Papierstreifens, ist jedoch keineswegs 1) Forel, Le I^man II, S. 200. *) In der ersten Auflage dieses Bandes 1887 konnte ich etwa 8 Fälle beschreiben; Forel gibt (L6man II, 229) noch 11 weitere. Jetzt würde eine vollständige Liste weit über 200 Becken und Baien des Ozeans umfassen. ») Forel, Le Leman Bd. II, S. 88. *) Die oben erwähnte Dissertation «. Zeitschr. f. Instr. 1904, S. 180. ') Vgl. darüber H. E b e r t, Zeitschr. für Instrumentenkunde 1901, S. 193 f. und H a 1 b £ a ß in Pet. Mitt. 1904, t«. 129. 168 Stehende Wellen. leicht transportabel. Das von der japanischen Kommission^) benutzte Instrument scheint in dieser Hinsicht besondere Vorteile darzubieten. Es beruht auf einer pneumatischen Übertragung der Druckänderungen, die eine Luftmasse innerhalb eines kleinen in das Wasser versenkten Gefäßes erleidet. Das Innere desselben ist durch eine feine offene Köhre dem Wasser zugänglich, während die komprimierte Luft durch ein langes, sehr enges Metallrohr (von Kupfer, 2 mm im Lichten) auf das Land zu einem Quecksilbermanometer geführt ist, dessen einer, offener Schenkel einen Schwimmer trägt. Dieser läßt seine vertikalen Bewegungen an einer rasch laufenden Trommel selbsttätig registrieren. Die Aufzeichnungen sind nahezu ganz unbeeinflußt durch Temperatur- und Luftdruckwechsel. Nach ihrem Auftreten und der Form des schwingenden Wasserbeckens unterscheidet Rollin A. Harris^) zwei Hauptarten der Seiches, solche, wo die ganze von Land umgrenzte Wassermasse schwingt, und solche, wo dies nur bei einem Bruchteil der gegebenen Wassermasse der Fall ist {osciUa- ting area, fractional area). Zur ersten Klasse gehören die Seiches der Landseen (lake seiches), der seithcli aber nur eng geöffneten Baien {open-laJce s., z. B. der Euripus), der Meeresstraßen {faralld-wall s., z. B. Sundastraße) und der Straßengolfe {strait and harbour s., z. B. San Francisco), wovon die letzte Art meist imregelmäßige Schwingungen ausführt. Zur zweiten Klasse gehören die Sackgassenseiches {cul de sac s., z. B, Malta) und die meist gar.z unregel- mäßig schwingenden Flachgolfseiches {shdving s., z. B. Tafelbai). Für die Periode der ersten Klasse ist Formel XXXIII, also i = 2l/[/gp, für die der zweiten die abgekürzte Formel XXXIX, t = 4 l/[/gp, maßgebend. Ob die letzte Art der Flachgolf- oder shelving-^eiches eine reale Bedeutung hat, muß dahingestellt bleiben. Viele Eigentümlichkeiten der verschiedenen Seiches- formen werden in der nunmehr zu gebenden Einzeldarstellung näher darzu- legen sein. Wir beginnen zunächst mit den heimischen Meeren. Seichesartige Spiegelschwankungen sind besonders im Gebiete der B e 1 1 s e e mit ihrer reichen horizontalen Gliederung in Buchten, Föhrden, Bodden und Straßen zu erwarten. Ihre Häufigkeit ist in der Tat schon in der anschaulichsten Weise ersichtlich geworden, seitdem A. W e s t- p h a P) für eine Keihe von deutschen Küstenpunkten die Aufzeichnungen der registrierenden Pegel veröffentlicht und A. Paulsen*) ganz ähnliche Undulationen von dänischen Pegeln beschrieben hat, wo sie besonders regelmäßig an Gewittertagen auftreten, so daß Paulsen sie kurzweg Ge- witterwogen {vagues d'orage) nannte. Doch sind nur kleine Proben ver» öffentlicht. Die von Westphal wiedergegebenen Kurven, sämtlich für eine gleiche Tagesreihe mit stürmischer Witterung, vom 16. bis 19. Januar 1899, zeigen zunächst für das Pegel von Arkona nur ganz langsame Schwel- lungen des Niveaus, entsprechend den Stauwirkungen der stärker oder schwächer wehenden Westwinde. Kaum einzelne Wellenkämme sind ^) Philos. Magaz. 1905, Bd. 10, S. 253 und Joum. of the Coli. o£ Science of Tokyo 1908, Bd. 24, p. 6. 2) Harris, Manual of Tides, part V (U. S. Coast Survey Report for 1907, Appendix Nr. 6), Washington 1908, p. 472. 3) Verh. des 7. intemat. Geogr. -Kongresses 1899 in Berlin, Bd. 2, S. 53, Taf. 1. *) Rapport sur les Travaux du Service hydrographique mardographique, Copenhague 1906, p. 13. Stehende Wellen im Bereiche der Ostsee. 169 erkennbar, nur in vier Fällen scheint eine Periode von etwa 2 V2 Stunden angedeutet. Sollte sie sich durch reichlicheres Material auch zu anderen Zeiten bestätigen, so könnte man an eine Transversalschwingung zwischen Rügen und Schonen denken; nach den vorhandenen Dimensionen würde Formel XXXIII mit Z = 80 000, ?? = 35 m eine Periode von 2 Stunden 24 Minuten ergeben. Ungleich ausgeprägter sind die Seiches im Bereiche der Mecklenburger Bucht. Marienleuchte, ganz offen am Fehmambelt gelegen, weist am 16. und 17. Januar 9 Wogen von durchschnittlich 115 Minuten Periode auf, mit einer Amplitude von 5 bis 10 cm; daneben finden sich zeitweilig auch kürzere und niedrigere Wellen von 45 bis 50 Minuten Dauer angedeutet. Für diese letzteren käme eine Transversalseiche in nordsüdlicher Richtung über den Fehmambelt hinüber in Frage, da Formel XXXIII für Z = 18 700 und 'p = 17.6 m, t = 49 Minuten ergibt. Die größeren Schwingungen aber gehören der Mecklenburger Bucht im ganzen an, da sie sich mit gleicher Periode auch an der mecklenburgischen Küste selbst einstellen. Wismar hat vom 16. Januar nachmittags 6^4 Ubr bis 17. Januar nach- mittags 5 V2 Ulir 12 deutliche Wogen von 114 Minuten Periode und einer sehr regelmäßigen Höhe von 12 bis 20 cm. Bemerkenswert ist hierbei die auch sonst bei den Seiches in Meeresbuchten ebenso wie in den Landseen (z. B. dem Chiemsee) häufige Erscheinung, daß die Höhe der ersten Woge am größten, aber auch ihre Periode länger ist, als die der folgenden Schwin- gungen, die dann einen viel gleichmäßigeren Rhythmus innehalten. In Warnemünde sind die Schwingungen weniger regelmäßig, weil sich eine andere Seiche mit der kürzeren Periode von 38 bis 40 Minuten und 3 bis 5 cm Höhe störend dazwischen mengt. Lösen wir Formel XXXIII mit < = 114 Minuten und 'p = 21.6 m nach l auf, so erhalten wir als Länge des schwingenden Beckens 50 km, was der mittleren Entfernung zwischen der mecklenburgischen Küste einerseits und den Küsten von Fehmam und Laaland-Falster anderseits entspricht. Ist diese Deutung richtig, so muß die Knotenlinie mitten in der mecklenburgischen Bucht in der Richtung auf Travemünde zu liegen, was dann weiter erfordert, daß die Phasen in Marienleuchte und Wismar- Warnemünde entgegengesetzt sein müssen. In der Tat war dies in der Nacht vom 16. zum 17. Januar deut- lich der Fall, während am 17. vormittags die Pendelungen an den drei Pegeln aus dem Takt kamen, in Marienleuchte überhaupt undeutlich wurden. Die besondere Größe und Regelmäßigkeit der Seiches in Wismar scheint mir auf zwei gleichsinnig wirksamen Ursachen zu beruhen. Zunächst werden die Wogen, indem sie in eine sich rasch verengernde und ver- flachende Bucht hineinlaufen, notwendig höher werdep (umgekehrt pro- portional zur Quadratwurzel aus der Beckenbreite und zur vierten Wurzel aus der Wassertiefe, vgl. S. 106). Sodann kommt in Betracht, daß die Wismarsche Bucht selbst bis zu den vorgelagerten BänJ-en (Lieps, Hannibal) eine eigene Schwingungsperiode von gleicher Dauer besitzt. Da eine offene Bucht vorliegt, rechnen wir nach Formel XXXIX und erhalten mit l = 14 000, V = 5.5 und h = 4000 m eine Periode von 115 Minuten: Das Wismarsche Becken spricht also wie ein abgestimmter Resonator auf die von der Mecklenburger Bucht vollzogenen Schwingungen an. — Die kurzen Schwingungen in Warnemünde, die mit einer Periode von 170 Stehende Wellen. 38 hu 40 Minuten oft halbe Tage lang die Pegelkurve allein beherrschen, sind wahrscheinlich Seiches im Breitling, einem der Warnow nach Osten hin angefügten Bodden von nun 1.7 m Mitteltiefe; in der Schwingungs- achse von 4800 m Länge ergibt sich eine Periode von 39 Minuten. Die ganze langgestreckte Warnow- Breitling-Fläche würde für ^ = 13 000 und 20 = 1.7 m eine uninodale Schwingung in 106 Minuten vollziehen, was mit der Schwankung der Mecklenburger Bucht von 114 bis 115 Minuten nicht so gut harmoniert, wie in Wismar. — Auch am Pegel von Trave- münde haben sich an den genannten Tagen Undulationen aufgeschrieben, die einen komplizierten Verlauf zeigen^): neben einer wenig ausgeprägten Schwingung von 115 Minuten findet sich eine kräftigere von 35 Minuten und eine undeutlich e^-e von 15 Minuten. In der längsten Periode haben wir wohl die vorher erwähnte Hauptschwingung der Mecklenburger Bucht wiederzuerkennen, die hier nahe ihrer Knotenlinie nicht eben kräftig ent- wickelt sein kann; die 35 Minuten entsprechen einer Querseiche der Lübecker Bucht {l = li 000, p = 18 m), die kürzeste Schwingung,, die, wie gesagt, undeutlich ist, mag in der Travemündung und in den sich daran schließenden Binnengewässern entstehen. Für die Kieler Föhrde sind die noch nicht veröffentlichten Aufzeich- nungen des registrierenden Pegels der Kaiserlichen Werft in Gaarden reich —^^ Fig. 44. ,^^ £ TV C iTV -30 w- A -20 10- /\ ^» j ^ A /\ -10 0- ^ AA^ \ \ \ A -0 10 1 r\/ \/ ^ \ \ 1 'l A -10 TD- \ A / \ \ \ l \ -20 30- \A A/ V V \J \ A ■30 w- v V ^ V/\ ^ /\ / ■iO 50- V/ ^ ■50 eo -60 70- 1 ,1 1 1 j 1 1 1 1 f 1 1 ■70 U H 2" i 6'^ 8 10 }fimiff 2P i Sp fi 10 Mk . Stehende W;ellen (Seiches) im Kieler Hafen am 17. Januar 1899. an seicheförmigen Undulationen. Allemal, wenn Gewitterböhen oder sonst heftige Windstöße die Fläche der Föhrde treffen, gerät ihr Wasserinhalt in Schwingungen, die oft 25 cm, gelegentlich auch 30 cm Höhe überschreiten und eine Periode von 112 Minuten besitzen (vgl. in Fig. 44 diese Seiches von vollendeter Regelmäßigkeit). Die Länge der Föhrde vom Bülker Leuchtturm bis zur Kippe im Süden beträgt 15 600 m; die Breite der Mündung fast 5000 m, die mittlere Wassertiefe 10.5 m, woraus sich nach *) Herrn Baurat Krebs in Lübeck und Herrn Hafenbaudirektor Schöner in Kiel Bei auch an dieser Stelle noch für den mir freundlichst gewährten Einbliok in die Pegelaufzeichnungen verbindlicher Dank gesagt. stehende Wellen im Bereiche der Ostsee. 171 Formel XXXIX eine Periode von 114 Minuten mit dem Knoten in der Linie Bülk-Probsteier Aue ergibt. Die Beobachtungen zeigen gelegentlich daneben auch noch kürzere Schwingungen von etwa 35 Minuten Periode, was vielleicht auf einer Eigenseiche der Föhrde (nach Formel XXXIII wird < = 34 Minuten) beruht. — Von den übrigen Föhrden sind derartige Undulationen noch nicht beschrieben, obwohl unzweifelhaft vorhanden. Für die dänischen Gewässer gibt eine neuere, leider sehr kurze Ver- öffentlichung des Ingenieurs B u s c k ^) einige gute Proben. Zunächst für Gjedser an der Nordseite der Mecklenburger Bucht, wo die Undula- tionen ganz denen in Marienleuchte gleichen. In Korsör und Slipshavn, die sich in der Mitte des Großen Belts gegenüber liegen, scheint nicht der Belt im ganzen zu schwingen, sondern die Hafenbuchten einzeln für sich. Slipshavn liegt am Eingang zur Nyborger Föhrde und zeigte am 4. Mai 1903 nach einem Gewitter Schwankungen am Pegel von etwa 12 Minuten Periode; die Du Boyssche Formel ergibt für eine Querseiche der Föhrde (l = 2450 m) genau diesen Zeitwert. Für Korsör liegen die Verhältnisse wohl etwas verwickelter. Die Aufzeichnungen am 4. Mai 1903 lassen eine Periode von 10 bis 12 Minuten erkennen. Das Korsörer Nor, ein Bodden von nur 2.4 m Mitteltiefe, würde nach der Du Boysschen Formel eine Periode von etwa 30 Minuten ergeben, was um' so weniger in Betracht kommt, als der Pegel nicht am Nor selbst, sondern im Außenhafen auf- gestellt ist. Fassen wir den Hafen als eine Trichterbucht auf (nach dem Muster der Sundastraße), so würde für l = 1850 m die Du Boyssche Formel mit t = 11.6 Minuten eine passende Periode liefern können. — In Kopen- hagen selbst zeigt die Pegelkurve vom 19. Juli 1906 neben stets vorhandenen Vibrationen von 2 Minuten Dauer nach einem Gewitter größere Wogen, von denen die erste 37 Minuten, die folgenden 28 Minuten Periode auf- weisen. Auch hier ist an eine Querseiche des Sunds kaum zu denken; sie müßte (nach Du Boys berechnet) mindestens 80 Minuten Periode (uninodal) erhalten. Besser scheinen die Abmessungen der eigentlichen Hafenbucht, zwischen den neuen Molen nördlich von Trekroner und der Enge am Tolbodvej, zu passen, was nach Formel XXXIX für l = 3500 und p = 7 m 28 Minuten ergibt. — Solche Undulationen sind nach Paulsen an den Pegeln von Hornbäk (westlich von Helsingör), Fredericia und Aarhus nur undeutlich, an den frei gelegenen Stationen von Frederikshavn und Hirshals (am Skagerrak) und in Esbjerg (an der Nordsee) gar nicht erkenn- bar. — Die Föhrden und Bodden der Beltsee verdienten wohl eine genauere und systematische Untersuchung ihrer Seiches, die sicherlich eine ganze Reihe örtlich sehr verschiedener und theoretisch interessanter Schwingungs- formen darbieten werden. Aus der östlichen Ostsee bringt A. Westphal ebenfalls für die Tage vom 16. bis 18. Januar 1899 Pegelaufzeichnungen mit Seiches von Pillau und Memel. Da beide Orte an der Mündung großer Haffe liegen, werden neben etwaigen Schwingungen der Ostsee auch solche dieser abgeschlossenen Wasserbecken in Frage kommen. Nun waren aber am 16. und 17. Januar 1899 beide Haffe mit Ausnahme ihrer Ausgänge in See, wie gewöhnlich um diese Jahreszeit, mit Eis bedeckt, also in ihrer Schwingungsfähigkeit *) Nautiflk-Met€orol. Aarbog for 1907 172 Stehende Wellen. behindert. Auch die im Tief hin und her geführten Schollen müssen dann in bestimmter Weise dämpfend auf etwaige Seiches einwirken. Diese Komplikationen im einzelnen zu untersuchen, ist auch noch eine Aufgabe für künftige Detailforschung. Am 16. und 17. Januar traten in Pillau wie in Memel Wogen von verschiedener Periode auf: solche von 45 bis 48 Minuten und 200 Minuten an beiden Orten, in Pillau auch zeit- weilig solche von 70 Minuten; die Wellenhöhen schwanken von 8 bis 15 cm, wobei jedoch die Wogen der kürzesten Periode sich am regelmäßigsten und größten (10 bis 15 cm) erwiesen. Ich bin geneigt, diese Schwingungen von 45 bis 48 Minuten als longitudinale Seiches der Haffmündungen zu deuten, soweit diese damals eisfrei waren. Wieweit das in jenen Tagen gerade der Fall war, wissen wir freilich nicht. Nach den Angaben des Segel- handbuchs für die Ostsee^) scheint bei Pillau nicht nur das eigentliche Tief, sondern auch der anstoßende rasch breiter werdende Teil des Frischen Haffs zwar nicht ganz eisfrei,. aber doch gut schwingungsfähig zu bleiben; unter Umständen wird man also hier nach Formel XXXIX rechnen dürfen. In Memel bleibt das nördliche Ende des Kurischen Haffs auf eine längere Strecke hin ziemlich schmal. Rechnen wir zunächst nach der genannten Formel, so erhalten wir mit 7) = 7 m und < =- 45 Minuten als Länge des schwingenden Beckens l = 5600 m, was sowohl für Pillau wie für Memel einen ganz annehmbaren Wert bedeutet. Die Seiches längerer Periode (von etwa 200 Minuten) werden ihren Ursprung wohl in der benachbarten Ostsee haben, und zwar können sie als eine Querschwingung zwischen Oland und der preußischen Küste entstanden sein. Setzen wir in Formel XXXIII l = 300 000, p = 60 m, so wird die uninodale Periode = 412 Mi- nuten, die binodale also angenähert 206 Minuten. Die letztere könnte man in diesem Falle sehr wohl aus der Grundschwingung ableiten, da in der Gegend der westlichen Knotenlinie der lange und streckenweise nur . 12 bis 20 m tiefe Rücken der Hoborg- und Mittelbank liegt : ein solcher Rücken kann die schwingende Wassermasse in ähnlicher Weise teilen, wie ein Finger die schwingende Saite abstimmt (im Flageolettspiel). — Jedes der Haffe selbst wird als Ganzes in der eisfreien Zeit Schwingungen von sehr langer Periode ausbilden. Das Kurische Haff (l = 95 000, 2? nach genauer Berechnung = 3.93 m) läßt nach Formel XXXIII eine Periode von 8 Stunden 30 Minuten, das Frische Haff (l = 86 000, 2> = 2.61 m) sogar von 9 Stunden 20 Minuten erwarten. Ob sie vor- handen sind, ist noch unbekannt. Neben diesen regelmäßig bei starken Luftdruckschwankungen und stürmischen Winden erzeugten Undulationen kommen noch heftigere, mehrere Meter hohe rhythmische Spiegelschwankungen an den Ostseeküsten vor, die unter dem Namen des S e e b ä r 2) von den am Strande arbeitenden Fischern sehr gefürchtet werden. Der Seebär tritt stets in überraschender 1) Ausgabe 1906, Bd. I, 1, S. 74 f. *) In diesem sonderbaren Wort steckt eine ältere Bezeichnung für eine ge- fährlich brechende Woge, die noch heute an der Nordseeküste nach J. ten Doom- kaat-Koolmarins Wörterbuch der ostfriesischen Sprache (Norden 1879, Bd. 1. S. 101) als „die Bär" (plur. die Bären) lebt; vergl. das laut- und sinnverwandte bära im Altnordischen und Isländischen, boar und bore im Englischen, barre im Französi- schen. Die Wurzel hängt mit em-por zusammen und bedeutet also 'eigentlich Hebung, Schwellung. Der Seebar. 173 Weise auf: bei ruhigem Wetter und oft ganz glattem Wasser rollt von der See her eine hoch aufbäumende Woge auf den Strand, überschwemmt diesen 1 bis 2 m hoch, reißt die Fischerboote samt den daneben trocknen- den Netzen mit sich und zwingt am Strande weilende Menschen und Grefährt« zur eiligsten Flucht. Sogar kleinere Seeschifie sind von den Ankern gerissen und ^um Stranden gebracht worden. In einigen Fällen wiederholen sich diese Schwellungen, eine Zeitlang rhythmisch mit ab- nehmender Höhe, in anderen Fällen scheint es bei der einen Woge zu bleiben. Es ist eine ziemlich lange Reihe solcher Seebären von den Ostseeküsten bekannt^). Näher untersucht aber sind nur einzelne der neuesten; so namentlich von Rudolf Credner der Seebär der westlichen Ostsee in den frühen Morgenstunden des 17. Mai 1888. Der Schauplatz dieses Er- eignisses war die Südküste der westlichen Ostsee von Travemünde bis zum Wittower Posthaus auf Rügen, aber die Wogen waren nicht auf der ganzen Strecke von gleicher Stärke. Nur soweit die Fischer in der Nacht am Strande tätig waren, liegen ausführliche Nachrichten vor. Ih Trave- münde selbst sind nur die bekannten Seiches von 10 cm Höhe von 9 bis 1 Uhr nachts am Pegel aufgezeichnet, und zwar fiel auf, daß das sonst dazu gehörige stürmische Wetter fehlte, wenn auch ein Gewitter gemeldet wird. Vor der Wismarschen Bucht wurde das Schifi „Capella" um 1 Uhr nachts von einem heftigen Gewitter betroffen und, trotzdem fast Wind- stille herrschte, mit einem Male so heftig hin und her geschleudert, daß der zur Koje gegangene Teil der Mannschaft erschrocken auf Deck stürzte. Heftige Wogen traten am Strande von Brunshaupten, besonders schwere aber östlich von Wamemünde, um Müritz, Wustrow, Ahrenshoop bis Darsserort hin auf. Der Barograph der Navigationsschule in Wustrow stieg nachts von 2 bis 3 Uhr sprungförmig von 756.6 auf 757.5 mm. Aber nur binnenlands von Ahrenshoop wurde heftiger Sturm in mehreren Stößen aus Westen bemerkt. In Müritz waren die sich dreimal in etwa 10 Minuten folgenden „Baren" über 1 m, in Ahrenshoop 1 Va bis 2 m hoch; im letzteren Orte machten auch die Fischer noch die Angabe, daß sie vor den hereinbrechenden Wogen ein knallartiges Getöse von der See her gehört hätten. Auf Zingst wurden zwei nur mäßig hohe Wellen wahr- genommen, um so größer („fast 2 m") waren sie wieder auf Hiddensöe um 3 Uhr früh, wo die Fischer schon einen Durchbruch durch die Düne besorgten : die Luft war nur durch eine flaue Ostbrise bewegt, doch hörten die Leute von der See her ein starkes Geräusch. Auf der Lotsenstation am Wittower Posthaus wogte die See aus voller Ruhe heraus um 4 Uhr *) Die vollstÄndigste Darstellung des ganzen Phänomens verdanken wir Bruno D o ß in den Beiträgen zur Geophysik Bd. 8, 1907, S. 368 ff. Von Westen nach Osten vorschreitend, kennt man sie: in Kiel von Neujahr 1855; von Travemünde und Lübeck 31. Oktober und 1. November 1755; in Wustrow 1848; an der mecklenburgischen und lügensclien Küste am 17. Mai 1888. (vgl. den Text), vom Darß im Mai 1873; bei Hiadensöe im Frühling \,1884 oder) 1885, von Rügen aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts zweimal ; in Kopenhagen am 3. Januar 1825; in Hinterpommern am 15. Juli 1756 und 4. März 1779 und wiederholt am Ende des 18. Jahrhunderts, in Treptow am 23. April 1757, in Colberg am 23. August 1853; in D a n z i g am 15. Juli 1832, in Cranz (Ostpr.) am 23. August 1863; in L i b a u von 1825, dem 9. Juli 1842, auch von 1858 und 1893; in D a g ö vom 14. Januar 1858; in P e r n a u am 11, Juli 1836, 19. Juli 1841, 31. August 1845; in R e v a 1 vom 30. August 1696. 174 Stehende Wellen. morgens etwa 90 cm hoch auf, senkte sich nach etwa 6 Minuten wieder, dann folgten weitere rhythmische Pendelungen von 20 bis 30 cm Höhe, also richtige Seiches, die ganze Nacht hindurch, um 9 Uhr vormittags hatten sie auf 10 bis 12 cm abgenommen, erst von 11 Uhr ab herrschte wieder völlige Ruhe. Wenn, auch bisher eine völlig erschöpfende Aufklärung für dieses merkwürdige Phänomen keineswegs gegeben ist, so erscheint doch nach allen vorliegenden Beobachtungen die früher häufig vertretene Ansicht, als ob es sich um seismische Wogen handle, als unzutreffend. Als Ur- sachen kommen im wesentlichen nur meteorologische Vorgänge in Be- tracht: Niederbrechen von Wasserhosen, kurze Luftdrucksprünge, vorzugs- weise aber, ähnlich wie bei den katastrophenartig starken Seiches in Landseen, Gewitterböhen, da diese auf eng umschriebener Fläche inmitten sonst ruhiger Umgebung den Wasserspiegel leicht aus dem Gleichgewicht bringen. In einzelnen Fällen hat sich aber damit offenbar auch die noch unaufgeklärte Erscheinung der Nebelknalle ^) oder des Seeschießens {mistpoeffers) verbunden, denn vor dem Aufbranden des Seebären am Strande haben die Fischer auch sonst knallartige Geräusche vernommen oder, wie es von der pommerschen Küste berichtet wird, den „Bären brummen" hören. — Im Bereiche der Nordsee dürfen wir seichesartige Wogen nur in den wenigen vorhandenen, enger abgeschlossenen Buchten erwarten. Daß sie in Esbjerg fehlen, ist nach A. Paulsen bereits bemerkt. Von der Jade und dem Dollart sind sie ebenfalls bisher nicht erwähnt. Dagegen haben wir von der niederländischen Küste einige ausgeprägte Beispiele. So' hat schon H. L e n t z 2) eine Tidekurve vom Helder veröffentlicht, die trotz des leider sehr kleinen Maßstabs sägezahnähnliche Auszackungen von etwa ^^ Stunden Periode aufweist. Man muß nähere Nachrichten abwarten. Übrigens ist das schwingende Becken, hier der Zugang zur Südersee, doch sehr verwickelt gestaltet. Deutlicher ist eine Reihe von Undulationen, die in den Molenhäfen von Ijmuiden, Katwijk und Ho^k van Holland am 22. Mai 1886 auftraten^), und zwar zuerst um 12 Uhr 5 Minuten in Hoek van Holland, 12 Uhr 46 Minuten in Katwijk und 1 Uhr 15 Minuten in Ijmuiden. Namentlich am letztgenannten Ort war ihr Verlauf völlig seebärartig : am Schleusentor wurden vier Wogen mit einer Periode von 25 bis 20 Minuten beobachtet, die Höhe war anfangs 272 ^ und nahm zuletzt auf 40 cm ab; im Außenhafen waren sie niedriger, zuerst 60, zuletzt 15 cm. Hier kann wohl nur die innerhalb des Molen- iafens und den sich landeinwärts daran schließenden Hafenbecken schwingende Wassermasse in Betracht kommen, wobei der Knoten zwischen den Molenköpfen lag. Nach Formel XXIX erhält man für l = 3100, p = 8.5 m eine Periode von 25 Minuten mit Mündungskorrektion. Als Ursache wird ausdrücklich ein überaus heftiges Gewitter genannt, das in jener Nacht an der Küste nach Nordosten hinaufzog. Dieselbe Ursache 1) Vgl. Met. ZeitBcbr. 1897, S. 144; Ann. d. Hydr. 1893, 308 und die eingehende Darstellung S. Günthers in seinen Geograph. Studien, Stuttgart 1907. 2) Ebbe und Flut, 1879, Tafel 9. ') Zentralbl. der Bauverwaltung, Berlin 1887, Nr. 7 nach Verh. Kgl. Instituut van Ingenieurs vom Dezember 1886. Verbreitung in der Nordsee und im Kanal. 175 liegt einer minder ausgeprägten Undulation am 17. September 1885 in Ijmuiden zugrunde; hier bewirkte auch eine Sturmflut am 21. Oktober 1874 seebärartige Pcndelungen von 25 Minuten Periode und 2.3 m Amplitude. Wenn wir nun zu den Buchten am Britischen Kanal übergehen, so muß zmiächst offen gelassen werden, ob die nach der Krakatauexplosion an drei Stellen registrierten Wogen durchaus als freie Eigenschwingungen der betreffenden Hafenbuchten gelten sollen, oder ob sie ihre Periode aus der Sundastraße mitgebracht haben (S. 148). Für die letzte Deutung kommt Devonport mit 64 Minuten ernstlich in Betracht; Cherbourg mit 36 Minuten und Havre mit 33 Minuten sind nur halb so groß. Um das Problem zu lösen, braucht nur festgestellt zu werden, ob derartige seiches- artige Undulationen auch sonst von den genannten Pegeln registriert sind und welche Periode sie besitzen. Für Cherbourg könnte an eine uninodale Resonanz der Reede innerhalb der berühmten langen Mole gedacht werden ; die Berechnung ergibt mit l = 5200, p = 15.3 m bei Hochwasser und bß = 0.5 genau 36 Minuten. Dagegen ist bei Havre und bei Devonport die schwingende Wassermasse sehr schwierig zu definieren. Dasselbe gilt übrigens von den gleichzeitig in* Rochefort (mit < = 55 Minuten) und Socoa {t = 39 Minuten) beobachteten Wogen: Rochefort liegt weit im Lande an einem Flusse und Socoa an einer kleinen Bucht von 2 km Breite, also mit viel kürzerer Eigenschwingimg. Hier liegen vielleicht Fälle vor für die von Harris angenommenen Schelfseiches, indem die Wasser- masse der ganzen Küstenbank (mit l = 11 bis 12 km, 7) = 40 bis 50 m) ungefähr die verlangte Periode annehmen könnte. Auch hier wäre es sehr leicht, die reichlich vorhandenen Pegelaufzeichnungen einmal genauer daraufhin zu durchmustern. Von den britischen Küsten ist noch eine ganze Reihe solcher Spiegel- schwankungen bekannt, aber auffallenderweise keine aus dem letzten halben Jahrhundert. David Milne^) hat die älteren Vorkommen ge- sammelt und uns so die Beschreibung einiger ganz typischer Seebären überliefert. In Plyraouth waren sie einst unter dem Namen des Boar bekannt und konnten, wie am 31. Mai und 8. Juni 1811 nach Luke Howards Bericht, als Wogen von 2 bis 2^/3 m Höhe den vor Anker liegenden Seeschiffen recht empfindliche Beschädigungen beibringen. Milne kennt nicht nur Seiches aus den Riasbuchten des Südens (Mil- ford Haven, Falmouth, Fowey, Plymouth, Penzance) und den Liman- häfen von Weymouth, der Themse und Whitby, sondern auch aus der Mündung des Severn und der des Liffey bei Dublin ; ausführlicher schildert er eine Reihe von Seebären vom 5. bis 8. Juli 1843, die, von Gewitterböhen hervorgerufen, teils an den Küsten von Com wall und Devonshire, teils in den schottischen Föhrden an der Ostküste von Dunbar g,n bis hinauf zu den Shetlandinseln auftraten. Die Undulationen zeigten Höhen von mehr als 1 m und in den meisten Fällen Perioden zwischen 10 und 15 Mi- nuten; doch sind genauere Messungen der Zeiten leider unterblieben. Später hat dann nur noch A i r y 2) solche Undulationen aus Swansea und Bristol erwähnt: in beiden Fällen wird der Hochwasserteil der Gezeiten- kurve durch Seiches von 15 bis 20 Minuten Periode gekennzeichnet. Da 1) Trans. R. Soc. Edinburgh 1844, Bd. 15, p. 609 f. ') Tides and Wavea Fig. 42 und 43, Text § 478. 176 Stehende Wellen. die Stellen, wo die Pegel aufgestellt waren, nicht näher bekannt sind, läßt sich nachträglich kaum prüfen, ob die Flußmündungen des Tawe bei Swansea oder des Avon bei Bristol allein an den Schwingungen beteiligt sind : stehende Wellen im ganzen Golf von Bristol werden kaum in Betracht kommen, die Rechnung würde zu einer Periode von nicht weniger als 5 V2 Stunden Dauer führen. Endlich hat dann auch W. H. W h e e 1 e r^) im Humber Wogen von 14 bis 18 Minuten Periode und 8 bis 10 cm Höhe am 28. September 1896 beobachtet. Im übrigen ist kein Zweifel, daß die zahlreichen und mannigfach gestalteten Häfen und Buchten der britischen und irischen Küsten eine reiche Ausbeute an Seiches aller Art liefern werden, sobald man nur danach zu suchen anfangen wollte. Dasselbe gilt von den norwegischen Fjorden. An der französischen Küste erwähnt Forel noch seichesartige Un- dulationen aus dem Hafen von Brest mit einer Periode von 15 Minuten, ohne daß nähere Angaben darüber vorlägen. Solche sind aber unent- behrlich, da die Dimensionen der schwingenden Wassermasse infolge des starken Gezeitenhubes erheblich wechseln. Eine Querschwingung von der alten Mole des Kriegshafens hinüber zur Pointe de l'Armorique ergäbe für Springtidenhochwasser eine Periode von 14 Minuten, für Nipptide 15 Minuten ; wahrscheinlich wird aber auch eine Golfseiche mit dem Knoten im Goulet nicht fehlen; ihr käme eine Periode von etwa IV2 Stunden zu. Endlich ist noch aus den nordspanischen Häfen eine seebärähnliche Erscheinung bekannt geworden, welche daselbst Resaca heißt und den Schiffen zuzeiten sehr gefährlich wird. Die englischen Segelanweisungen für diese Küste erwähnen das Phänomen nicht. Wir besitzen darüber nur die kurzen Nachrichten, welche deutsche Seeoffiziere gelegentlich ihres Aufenthalts an jener Küste während des Karlistenkrieges im Winter 1874/75 gesammelt haben ^). Danach ist die Resaca in allen Einzelheiten ein genaues Abbild der Boar von Plymouth, so daß man die Beschreibungen vertauschen könnte. Doch tritt die Resaca nur in Hafenbuchten mit weiter und tiefer Öffnung auf, so namentlich sehr kräftig in San Sebastian und Pasages; sie wird dagegen nur wenig oder gar nicht fühlbar in San- tander und Santona. Die Resaca besteht in einem Hin- und Herschieben der Wassermassen mit unbedeutender Niveauveränderung. Die Schiffe gieren und schwaien hin und her. Die Oberfläche des Wassers wird aber wellig davon beeinflußt, so daß kleine Boote im Hafen ganz mibelästigt verkehren, während die hin- und hergeführten schweren Schiffe alle Trossen und Ketten brechen. Am 12. Dezember 1874 erlitten sämtliche vier Schiffe eines im engen Hafen von Pasages ankernden spanischen Geschwaders durch eine Resaca schwere Havarieen, zwei der Fahrzeuge mußten auf den Schlick auflaufen, um nicht ganz verloren zu gehen. Leider sind keine Nachrichten über die Zeitintervalle zwischen diesen Schwingungen gegeben, wahrscheinlich hat man es aber mit Golfseiches (nach Formel XXXIX) oder auch mit Schelfseiches nach Harris zu tun. Aus den Di- mensionen der Concha von San Sebastian würde sich nach der genannten Formel eine Periode von etwa 12 Minuten herleiten lassen, während Pa- sages noch kürzere Schwankungen liefern dürfte. 1) Nature 1898, Bd. 57, p. 321. ») Annal. der Hydrogr. 1875, S. 161 f. Verbreitung im Mittelmeer. 177 Sehr verbreitet sind dann wieder die Seiches im Bereiche des Mittel- meers. Schon F. A. F o r e 1 ^) gibt folgende Liste von Orten, für die ihm Grezeitenkurven und andere Aufzeichnungen vorlagen; zumeist handelt es sich um Molenhäfen, teils auch um enge Haffzugänge. Leider sind nähere Angaben über die Stellen, wo die Pegel aufgestellt waren, nicht beigegeben, so daß die Beziehungen zwischen den Dimensionen des Beckens und der Schwingungsperiode kaum aufzuklären sind. Ort Zeit Periode in Minuten Höhe ier Seiche cm Cette . Marseille Livomo Neapel Palermo Ravenna Venedig Malta . 1875—1877 5. August 1885 1882 1879 1888 Januar 1882 1873/74 Juni 1872 5, 12, 15, 20 50 1^—20 12—15 15 15—20 10—60 20—26 3—10 3—8 3—10 8 5—10 3—20 22—40 Für den Hafen von Malta (Fig. 45) hatte bereits A i r y 2) einen ausführ- licheren Bericht gegeben, worin die mittleren Perioden von 33 Eeihen von Seiches (je 3 bis 20 Wogen umfassend) aufgeführt sind: die Perioden schwanken zwischen 17.9 und 32.4 Minu- Fig. 45. ten, also nicht un- beträchtlich , das Mittel ist 23.4 Mi- nuten. Airy war ge- neigt, stehende Schwingungen auf der Küstenbank nach Sizilien hin oder in der ganzen tunesischen Straße anzunehmen, wobei eine mehrknotige Schwankung unver- meidlich wurde. Man geht aber wohl nicht fehl, wenn man den Hafen von La Valetta allein in Be- tracht zieht, denn ^^ 5^ ßh. Seiches in Malta in natürlicher Größe (nach Forel). nach Formel XXXIX erhält man für l = 3610 m und die Tiefen nach der Du Boysschen Eegel eingesetzt eine Periode von 20.4 Minuten, die sich durch die Mündungskorrektion auf 22.9 Minuten erhöht. Nach An- thony Thomson^) gab es im Mai 1896 im Hafen bei Magazine ^) Le L6man Bd. 2, p. 229 f. mit einigen Seicheskurven für Cette und Malta. ») Philos. Trans. London 1878, Bd. 169, p. 138. ») Nature 1898, Bd. 59, p. 126. KrUmmel, Ozeanographie. II. 12 178 Stehende Wellen. Point Seiches von 23 Minuten bei durchaus schönem und ganz ruhigem Wetter im Hafen, während draußen langsam eine Seebrise aufkam. — Andere Beispiele von Seiches aus dem westlichen Mittelmeer sind be- kannt von der Baie de St. Nazaire westlich von Toulon, wo am 30. Juni 1897 bei ruhigem Wetter nach einem Oststurm in der Bucht von Brusc Seiches von 60 cm Höhe mit einer Periode von 15 bis 25 Minuten be- obachtet wurden^). Bei einer nordsüdlichen Schwingung zwischen St. Nazaire und Embiez würden den vorhandenen Dimensionen eine Periode von 15.3 Minuten, bei einer ostwestlichen Schwankung der ganzen Bai eine solche von etwa 24 Minuten entsprechen. Von Algier hat schon A i m e Schwingungen von 1 bis 3 Minuten Periode und einer Höhe von 50 bis 100 cm beschrieben 2) ; sie folgten auf anhaltende Nordwinde und waren zu seiner Zeit den Schiffen gefährlich. Vermutlich beruhten sie auf Seiches in der damaligen, noch nicht von einer Mole umgebenen Hafenbucht, deren Länge 230 m, Mündungsbreite 150 m und mittlere Tiefe 4.5 m nach Formel XXXIX mit Mündungskorrektion in der Tat eine Periode von 3 Minuten ergeben würde. — Endlich werden noch von der Südküste Korsikas in der Bucht von Bonifacio Seiches erwähnt^). Eine sorgfältige Übersicht von seichesartigen Niveauschwankungen im Bereiche der italienischen Küsten hat Giov. Platania*) geliefert. Soweit sie nicht mit den von Forel gesammelten Tatsachen identisch sind, habe ich sie in die nachstehende Tabelle aufgenommen. Die im Zusammen- Quelle 1. Porto Maurizio . . 1903/04 2. Livorno 1888 3. Civitavecchia . . . 1906 4. Ischia 1889 f. 5. Neapel (Arsenal) . . 1906 6. „ (Mandracchio) 1905 7. Messina 1906 8. Catania 1902/04 9. Mazzara 1905 10. Ancona 1903/04 11. Ravenna 1903/04 12. Venedig (Palazzo Lo- redan) 1903/04 15 10 10—16 12—14 3.2; 13—17 26 5—8; 13—17 9—11; 15—18; 25 10—15; 21—28 1.6; 13.3 18; 75 10 31 8 13 27 20 10 . Magrini Bertelli Platania Grablowitz Platania Magrini hang mit Erdbeben aufgetretenen Undulationen haben wir bereits früher erwähnt (S. 140). Am bemerkenswertesten sind die von Platania teils ausgeführten, teils veranlaßten Messungen an der Westküste Siziliens, dem Sitz einer den Anwohnern lange unter dem Namen des Marrubbio (auch Marrobbio) bekannten 2), dem Seebären durchaus ähnlichen Erschei- 66 f. ') Comptes Rendus Acad. Paris 1897, Bd. 125, p. 2) Ann. de chirn. et phv.s. 1842, Bd. 5, p. 423. =») Comptes Rendus Acad. Paris 1893, Bd. 117, p. 528. *) Atti del V Congr. Geogr. Ital. Napoli 1904, Bd. 2, p. 193; Annuaho del R. Istituto Naut. Catania 1907, Bd. 1. ') Vgl. T h e o b. F i s c h e r, Beitr. zur phys. Geogr. der Mittelmeerl. S. 92 — 96. Verbreitung im westlichen Mittelmeer. 179 nung. Dieses Marrubbio tritt an der Westküste Siziliens bis Porto Empedoole hin auf, besonders von Trapani bis Sciacca. In Licata scheint es zu fehlen. In Sciacca wird es übrigens erst erwähnt, seitdem das künstliche Hafen- becken erbaut worden ist, also eine abgegrenzte Wassermasse zur Schwin- gung bereit gestellt ist. Überall gilt das Marrubbio als Vorbote eines Wetterumschlags bei aufkommendem Südwestwind und ist es besonders häufig in den Frühlingsmonaten. Daß Strandungen von Schiffen dadurch verursacht seien, hält Platania für übertrieben; doch sind Havarieen nicht selten. Kennzeichnend für das Wesen stehender W^ellen ist die starke Bewegung der Wasserteilchen gerade am Boden (unt«r dem Knoten), was sich in diesem Falle durch Aufsteigen von üblen Gerüchen aus dem aufgerührten Schlamm äußert. Platanias Beobachtungen in Mazzara (vgl. Tabelle) haben den seichesartigen Verlauf des Marrobbio wohl end- gültig erwiesen. Aus dem Bereiche der Adria, insbesondere des Golfs von Fiume, sind hierher gehörige Undulationen seit längerer Zeit bekannt, seitdem E. Stahlberger^) die Wasserstandsaufzeichnungen in Fiume be- arbeitet hat. Die vom Pegel während einer Bora aufgezeichneten Kurven zeigen stets Auszackungen von 4.7 bis 4.8 Minuten Periode und 3 cm Höhe, die von Stahlberger selbst schon mit den außerordentlich heftigen Stößen, in denen die Bora zu wehen pflegt, in Zusammenhang gebracht sind. Bei Südwinden (Scirocco) ist die Gezeitenkurve meist ganz frei von diesen sekundären Undulationen; sobald sie sich aber zu heftigen Stürmen erheben, entstehen größere Schwankungen des Wasserspiegels, die eine etwas unregelmäßige Periode von 120 bis 150 Minuten und Amplituden bis zu 45 cm erreichen. Bei der komplizierten Gestaltung der hier in Be- tracht kojimenden Wasserbecken, mit ihren engen Verbindungsstraßen zwischen größeren und kleineren Inseln und Halbinseln, wird es nötig sein, durch besondere Beobachtungen erst die Lage der Knoten genauer festzustellen; es kommen hier auch die Formeln XLI und XLII ernstlich in Frage. Wenn in den engen Straßen Schwingungsknoten liegen, muß sich unter ihnen das Wasser in der Tiefe stark strömend hin und her bewegen: diese Ströme sind es wahrscheiiilich, die von den Fischern Stigazzi genannt und sehr gefürchtet werden, da die Netze Schaden leiden ^). — Gleichartige Undulationen sind auch aus dem Hafen von Pola und von Triest bekannt geworden; in Pola entsprechen sie mit 14 bis 15 Mi- nuten Periode den Dimensionen des Hafens {l ^ 7400, 7) = 30 m) und zwar kommt noch eine binodale Schwingung von 7 Minuten Periode vor. Für Triest ergibt die Beobachtung 106 Minuten, die Kechnung nach der Merianschen Formel nur 78 Minuten; es wird sich aber nach dem Du Boysschen Verfahren eine bessere Übereinstimmung ergeben ^). Die zwischen den dalmatinischen Inseln liegenden Straßen und Buchten be- sitzen in der sogenannten Gaiöla noch eine andere, in den Dimensionen anscheinend sehr kleine Form von stehenden Wellen; sie haben kegel- ^) Stahlberger, Die Ebbe und Flut in der Reede von Fiume. Buda- pest 1874, S. 27 u. Taf. 1, Fig. 1—3. ^) E. M a z e 1 1 e, Die physikal. Erforschung des Adriatischen Meeres, österr. Rundschau 1907, Bd. 12, Heft 5. 3) A. G r a t z 1 in Met. Zeitschr. 1891, S. 309. 180 Stehende Wellen. förmige Gestalt und entstehen mutmaßlicli aus der von den Steilufern in mannigfachen Interferenzen reflektierten Dünung^). Endlich sind dann noch aus dem östlichen Mittelmeer eine Anzahl seichesartig schwingender Meeresbecken bekannt geworden. So beob- achtete A. Thomson im Hafen von Lemnos am 9. August 1895 Un- dulationen von etwa 15 Minuten Periode 2). Aus. Pegelaufzeichnungen an beiden Enden des Korinthischen Kanals, die Makaroff kopieren heß und kürzlich G. Wegemann bearbeitet hat 3), ergibt sich, daß das Ostende des Korinthischen Golfs und das Westende des Golfs von Aigina sehr regelmäßige Seiches bilden, durch welche die Tidekurve zeitweilig stark verdeckt werden kann. In Isthmia am Ostende des Kanals schwingt die kleine Bucht von Kalamaki und die größere von Kekhries in Inter- ferenzen, die erstere mit Perioden von 10, die zweite von 30 Minuten, was den Dimensionen der Golfe gut entspricht; die 10-Minuten- Seiche liefert mit einer mittleren Amplitude von 4.5 und einer größten von 15 cm die Hauptschwingung. In Posidonia am Westende des Kanals hat die Haupt- welle eine Periode von etwa 31 Minuten und eine Höhe von 4.5 (max. 12) cm, und eine zweite Welle 12 Minuten und Va der Amplitude. Die beiden Buchten innerhalb von Kap Melangari ergeben bei der Kechnung ent- sprechend den Dimensionen die genannten Perioden. Auch in Porös hat Makaroff einige Tage durch einen registrierenden Flutpegel Aufzeichnungen machen lassen, die nach- Wegemanns eingehender Analyse folgendes er- gaben. Die Haupt welle von 31 Minuten Periode wird durch Eesonanz- schwingung der nach Norden offenen Bucht von Steno samt Pogonbai erzeugt, und mit ihr interferiert eine zweite Welle von 28 Minuten Periode, die in der nach Osten offenen Porosbucht selbst entsteht, wobei die inneren Teile, die vorhergenannte Pogonbai und die westlich daranschließende Vidhibai mitschwingen; auch eigene Schwingungen der letztgenannten beiden Teile von 15 Minuten Periode sind erkennbar. Durch günstige Überlagerungen kommen Amplituden bis zu 40 cm heraus, so daß die kleine Gezeitenwelle darunter vöUig verschwindet. Das ganze Bild ist durch die unregelmäßige Gestalt der schwingenden Wasserteile übrigens sehr verwickelt und manches noch unklar. Dasselbe gilt von dem berühmtesten Beispiel stehender Wellen ans dem IVIittelmeer, dem Euripus bei Chalkis, dessen Untersuchung durch Forel als ein klassischer FaU maritimer Seiches in der Literatur dasteht. Forel *) konnte zeigen, daß eines der ältesten Probleme der Ozeanographie, die merkwürdig unregelmäßigen Strömungen des Euripus, der schmalen, beim alten Chalkis oder Negroponte überbrückten Meerenge zwischen Böotien und Euböa, durch die Lehre von den Seiches zu lösen ist. Beobachtungen des Jesuiten Babin, die freilich schon über 200 Jahre zurückliegen, dienten Forel zum Beweise. Der Golf von Talanti öffnet sich durch den Oreoskanal zwischen Euböa und Thessahen zum Ägäischen Meer, aus dem so die Flutwelle Eintritt findet. Zur Zeit des Voll- und Neumondes zeigt sich in der schmälsten und seichtesten Strecke der 1) Näheres, als waa Fr. Viezzoli, L'Adriaticb, Parma 1901, p. 102 darüber sagt, ifit mir nicht bekannt. *) Nature 1898, Bd. 59, p. 125 f. ») Ann. der Hydr. 1907, S. 366. *) Comptes Rendus Acad. Paris 1879, Bd. 89, p. 859. Die Wechselströme des Euripus. 181 Fig. 46. 18.ApTÜ1872. Mond 22 Tage alt. Straße, also bei Chalkis, binnen 24 Stunden ein viermaliges Wechseln des Stromes, also ganz wie anderwärts im flachen Wasser auch die Ge- zeiten es erzeugen würden: offen- bar hat man es also dann mit einer Äußerung der Springtiden imÄgäi- schen Meer zu tun. Hingegen zur Zeit der Quadraturen, also der schwachen Tiden, wechselt der Strom unter der Brücke von Negro- ponte 11- bis 14mal täglich, imd dieseErscheinung beruht dann nach Foreis Ansicht auf einer stehen- den Schwingung des Golfes von Talanti. Daß solche Wellen beim Übertritt in flacheres Wasser durch die horizontale Verschiebung der Wasserteilchen Strömungen erzeu- gen können , darf nicht in Frage gestellt werden, ein einfaches und jederzeit auszuführendes Experi- ment mit einem flachrandigen Ge- fäß zeigt dies sehr deutlich. Auch in den Schweizer Seen sind in Randbuchten und Seitengewässern nach Forel schon häufig solche mit den Seiches zusammenhängenden Strombewegungen bemerkt wor- den. In der Tat aber würde ein Binnensee von den Dimensionen dieses Golfs {l = 115 000, p = 100 bis 200 m, mit einer größten Tiefe von 440 m) nach der Du Boys- schen Formel eine uninodale Schwingung von 145 Minuten, also ungefähr 2V2 Stunden ausführen, was nur einen lOmaligen Strom- wechsel in 24 Stunden ergäbe ; wie schon hieraus erkennbar, werden die Dinge in Wirklichkeit ver- wickelter liegen. Seitdem Forel jene Erklärung der Euripusströme gegeben, sind dann die ziemlich eingehenden Beobachtungen eines griechischen Seeoffiziers , Kapitän A. M i a u 1 i s i), veröffentlicht worden, welche in vieler Hinsicht die älteren des Jesuiten - stehende Wellen im Euripus. 1882, 29 S., 12 Tabellen und 1 Karte; siehe dazu meine Ausführungen in Peter, manns Mitteilungen 1888, S. 331 und die neue Darstellung von A. Endrös in derselben Zeitschrift 1908, S. 86. 182 Stehende Wellen. paters Babin zu ersetzen geeignet sind, aber noch keineswegs genügen, die Erscheinung befriedigend aufzuklären, was nur durch Aufstellung mehrerer registrierender Pegel gelingen kann. Die vorliegenden Beob- achtungen ergeben-, soweit halbstündige Ablesungen dies erkennen lassen (vgl. Fig. 46), für die Zeit der Nipptiden im Norderhafen von Chalkis eine Periode von etwa 85 Minuten mit Amplituden bis zu 18 cm; hierin dürfte die bihodale Seiche des Golfes von Talanti voi'liegen, die also etwa 55 Prozent der uninodalen Periode ausmachte. Dagegen sind im Süderhafen von Chalkis, einem rundlichen Seebecken von einer Seemeile Durchmesser, Seiches von meist 96 Minuten Periode anscheinend ununter- brochen vorhanden, erst außerhalb der Engen von Burtzi tritt die Ge- zeitenbewegung im eretrischen Euripus wieder auf. Da der Norder- und Süderhafen von Chalkis nur durch eine schmale Straße miteinander ver- bunden sind, werden sich auch die Niveauunterschiede südlich und nörd- lich von der Brücke in Strom umsetzen, sobald die Phasen der Seiches auseinanderfallen; während also nach 8^2 Schwingungen von 96 Minuten oder 9 V2 solchen von 85 Minuten, also nach rund 13 V^ Stunden Strom- stille eintritt, wird in del? Zwischenzeit, nach 6 V2 Stunden, der 1 VgStündige Strom Wechsel am deutlichsten sein. Die Gezeitenkurve muß durch diese ihr aufgesetzten Schwingungen sehr unregelmäßige Verzerrungen erleiden, die wohl verdienten, im einzelnen näher erforscht zu werden. Als Ursache dieser Seiches sind die von den Gebirgen Euböas herunterkommenden, oft sehr starken und immer böhigen Fallwinde (xaiatY^'Ss?) zu betrachten; nur in selteneren Fällen würden noch Dislokations wogen im Zusammenhang mit den hier sehr häufigen Erderschütterungen als Erreger der Pendelungen in Frage kommen. — Nach dieser Übersicht über die stehenden Wellen entlang den euro- päischen Küsten dürfen wir uns bei Darstellung der außereuropäischen Vorkommen wohl kürzer fassen und nur, wo sie uns noch neue Seiten der Erscheinung enthüllen, ausführlicher darauf eingehen. Ich gebe zunächst in der folgenden Tabelle eine Übersicht über seichesartige Schwankungen in nordamerikanischen und westindischen Häfen meist nach Harris und anderen Quellen^). Ort 9. 10. 11. St. Paul (Cabotstraße) . . Halifax ....... Yarmouth (Xeuschottland) St. John (Xeiibraunsclnveig) Edga rtown (Massachussets) Narragansettbai .... Weeks (Louisiana) . . . Galveston (Texas) . . . Guanica (Portorico) . . . Port Real (Portorico) . . Colon Periode (Min.) Höhe (cm) 5 ■ 7 17 35 24 128—143 34 58 45 — 45 10—15 126; 192 — 75 6 45 2—10 37 6 « 24; 67 10—40 1) Für 1 bis 4 vgl. BellDawsonin Trans. R. Soc. Canada 1899/1900, Bd. 5, p. 23; A. ^V. ]) u f f in Arn. J. of Science 1897, p. 406; 1901, p. 318. Für die übrigen siehe R o 1 1 i n H a r r i s, Manual of Tides V, p. 478 f. Seiches an ozeanischen Küsten. 183 Aus dem Bereiche des Siidatlantischen Ozeans kennen wir diese Pende- lungen bereits aus dem Moltkehafen von Südgeorgien (S. 152), aus dem des Indischen Ozeans im Zusammenhang mit den Wogen der Krakatau- explosion von zahlreichen Küstenplätzen (S. HT). Bemerkenswert sind als Zeichen dafür, daß es sich nicht überall um die unverändert fort- gepflanzten Wogen der Sundastraße mit ihrer Periode von 60 bis 67 Mi- nuten gehandelt haben kann, vielmehr Eigenschwingungen der dadurch erregten Hafenbuchten ebenfalls in Betracht kommen, folgende Angaben der beobachteten Perioden: Port Blair 63 Minuten, Beypore 58, Dublat (Hugli) 65, False Point 162, Vizagapatam 77, Madras 87, Negapatam 68, Karatschi 69, Aden 67, Port Alfred 64, Port Elizabeth 70, Kapstadt 62, Moltkehafen 61, Orangebai 36 Minuten. In Aden sind auch sonst Un- dulationen mit einer Periode von rund einer Stunde und einer Amplitude bis zu 25 cm verzeichnet. Harris kennt deutliche Schwingungen der Subicbai bei Olongapo auf den Philippinen (Perioden: 10, 30, 78 Minuten, Höhen bis 22 cm). Was die Pendelungen der Sundastraße nach der Krakatauexplosion betrifft, so finden Honda und Genossen die Periode von 67 Minuten den Dimensionen angemessen, indem sie sie als zweiknotige Querschwingung von Nordwesten nach Südosten auffassen. Die in Batavia registrierte Schwingung von 2stündiger Periode (126 Minuten) deuten sie als Längs- schwingung der Sundastraße von Südwesten nach Nordosten mit dem Schwingungsknoten an der ozeanischen Mündung im Südwesten; indem sie diese einer beiderseits offenen Trichterpfeife vergleichen, berechnen sie nach Formel XXXIII für l = 160 000 und ?) = 183 m genau die in Batavia beobachtete Periode. Daß dort die kürzere einstündige Schwingung nicht erkennbar wurde, finden sie im Hinblick auf die Verengung und Verseichtung der Sundastraße nach Nordosten hin und auf ihre un- günstige Lage zu dieser Schwingungsrichtung ganz verständlich. Eine hier- von abweichende Deutung dieser Perioden hat der geistreiche Professor Nagaoka^) gelegentlich ausgesprochen. Er findet einerseits, daß eine seis- mische Welle einen vollen Kundlauf um die Erdkruste in rund 400 Minuten vollziehe, was der großen Periode ziemlich genau entspricht, in der sich ■am 26. und 27. August 1883 die Explosionen des Krakatau wiederholten (400, 407, 402 Minuten). Daneben aber \vurden auch kleinere Explosionen in Abständen von etwa 67 Minuten beobachtet, was den Pendelungen der Meeresoberfläche in der Sundastraße und in weiterem Umkreise des In- dischen Ozeans entspreche. Nun berechnet er als mittlere Schwingungs- periode eines Erdkörpers, dem eine Dichtigkeit zwischen Stahl und Glas zukäme, etwa 67 Minuten, so daß also eine allgemein tellurische Erregung in Gestalt vulkanischer Zuckungen des Erdkörpers selbst eine heftige Resonanz der in gleicher Periode schwingenden Wassermassen der Sunda- straße hervorrufen konnte. AVenn weiter die erste in Batavia verzeichnete Woge eine Periode von 132 Minuten hatte, also fast genau = 2 X 67 Mi- nuten, so findet Nagaoka hierin eine Analogie mit folgenden bekannten, von Melde untersuchten akustischen Schwingungen. Wird eine Stimtn- gabel mit einer Saite so verbunden, daß die Schwingungen der Enden der Stimmgabelschenkel in der Richtung der Saite erfolgen, so wird die J) Natura 1907, Bd. 76, p. 89. 184 Stehende Wellen. Schwingungsdauer der Saite doppelt so groß, wie die der Stimmgabel^). In diesem Falle ist die gezwungen pulsierende Wassermasse der Sunda- straße der Stimmgabel, die Javasee der Saite verglichen. — - Noch weiter geht der bekannte italienische Erdbebenforscher Emilio Oddone, indem er nicht nur eine Periode von 66 Minuten, sondern deren Vielfache und deren Bruchteile (33, 22, 16, 7 bis 8 Minuten) als „seismische Konstanten des Erdkörpers" auffaßt, nicht als Schwingungen des Wasserinhalts der Seen und Buchten gemäß ihren besonderen Dimensionen^). Im Bereiche des Pazifischen Ozeans sind ebenfalls eine ganze Reihe von Beispielen stehender Wellen bei der Prüfung der Gezeitenkurven im Zusammenhang mit Dislokations-, insbesondere auch mit den Krakatau- wogen aufgedeckt worden. Durch ältere und neuere Wogen dieser Art erregt, werden solche von Honolulu mit Perioden zwischen 23 u. 28 Minuten und Amplituden von 3 bis 12 cm, für San Francisco mit Perioden von 6, 25, 36, 45 bis 49 Minuten und Amplituden bis zu 30 cm von Harris und den Japanern aufgeführt und abgebildet. In Sydney und Newcastle in Australien ist ihr Auftreten von H. C. R u s s e 1 1^) im Zusammenhang mit wesentlich meteorologischen Ursachen genauer untersucht worden; in Sydney haben sie meist eine Periode von 26 Minuten und Höhen bis zu 50 cm, bei Dislokationswogen bis 70 cm. • Eine besonders sorgfältige Untersuchung haben die stehenden Wellen an den japanischen Küsten erfahren und ihre Darstellung durch Honda, T e r a d a und I s i t a n i wird zu den klassischen Urkunden für diese Schwingungsform der Meeresgewässer überhaupt gerechnet werden. Ihre so wichtigen theoretischen und rechnerischen Untersuchungen haben wir bereits früher gewürdigt (S. 163 f.). Mit ihrem ebenfalls bereits erwähnten transportablen Limnographen und zahlreichen fest aufgestellten registrie- renden Pegeln ist es ihnen gelungen, für mehr als 50 Buchten ihrer reich gegliederten Inseln die Perioden, Amplituden und Schwingungsformen dieser Wellen zu messen. Die Erscheinung ist den Küstenbewohnern lange unter dem Namen Yota bekannt. F. 0 m o r i ist es früh aufgefallen, daß sich diese Schwingungen in bestimmten Perioden vollziehen, die sich gleich bleiben; auch wenn seismische Dislokationswogen (Tsunami) den Anstoß geben, fängt gewissermaßen das Pendel an, in der den Dimen- sionen der Bucht angemessenen Periode zu schwingen. Wohl am kräf- tigsten tritt die Erscheinung in der Bucht von Nagasaki auf, wo sie Ahiki genannt wird und zu Wogen von IV2 bis 2 m Höhe aufschwellen kann. Die Schilderung, die ein deutscher Seeoffizier für einen solchen Fall (am 21. August 1877) gegeben hat, erinnert vollkommen an eine typische Resaca^). Auch hier sind die Ursachen überwiegend meteorologischer Natur, wenn auch seismische Anstöße durch die Tsunami häufig genug vorkommen. Besonders bemerkenswert sind die experimentellen Nach- ahmungen dieser Wogen in Modellen, deren Wasserinhalt durch geeignete Pendel in angemessene Schwingung versetzt wurde. In der beistehenden 1) Vgl. die Handbücher der Akustik, so S c h a i k ,a. a. O. S. 209 f. 2) Boll. della Soc. Sism. Ital. Bd. 12, 1908. 3) Proc. R. Soc. of New South Wales vom 11. Januar 1898; vgl. dazu meine Bemerkungen in Peterm. Mitt. Literaturber. 1899, Nr. 862. «) Ann. d. Hydr. 1878, S. 332. Interne Wellen. 185 Fig. 47. Fig. 47 ist für ein Modell der Bucht von Hakodate die dort beobachtete doppelte Schwingung nach einer Ehotographie der mit Aluminiumstaub bedeckten Wasseroberfläche wiedergegeben: im einen Falle ließ das Ex^ periment die Hauptschwingung mit der Knotenlinie an der südlichen Mündung der Bucht erkennen, im zweiten wurde die Querseiche zwischen den Orten Hakodate und Tomikawa sichtbar. In der Figur sind beide Schwingungen übereinander gelegt, wie sie auch in der Natur vorkommen; die Hauptschwingung hat 47 Minuten, die Querschwingung 23.6 Minuten Periode, Ähnliche Versuche sind noch an sechs anderen Modellen ausgeführt, darunter auch für die Bucht von San Francisco, wobei sich ergab, daß hier die Haupt- schwingung ihren Knoten im Groldenen Tor und ihren Bauch an der West- Berkeley- Seite hat: am leichtesten ge- lang die Erregung einer binodalen Schwingung (38 bis 48 Minuten), auch die trinodale (28 Minuten) kam gut zum Vorschein; die Hauptperiode von rund 115 Minuten entsprach den bei Dislokations wogen, z. B. 1868, aufge- zeichneten Schwingungen. In der überwiegenden Mehrzahl ließen sich die beobachteten Perioden der Hauptschwingung aus den Dimensionen der Buchten nach Formel XXXIX berechnen, in einigen Fällen unter Beachtung der Mündungskorrektion besonders zutreffend. Auch Beispiele für die kom- plizierteren Gebilde zweier kommunizierender Becken oder solcher mit engen Ausgängen (Formeln XLI bis XLIII) finden sich. In «inigen, japanischen Buchten zeigte sich, daß die Perioden sich änderten und zwar in einer bestimmten Keihenfolge, wobei es sich um Übergänge aus Längö- in Querschwingungen handelte; dagegen war die Schwingungsperiöde wieder in anderen Buchten auffallend konstant. An manchen Orten traten diese Seiches nur in einer bestimmten Phase der Tidekurve auf und wiederholten sich 80 durch mehrere Tiden hin, wie wir das auch an europäischen Küsten fanden. Man kann sagen, daß gerade durch die umfassende Erforschung der stehenden Wellen entlang den japanischen Küsten diese Schwingungs- form der irdischen Meere recht eigentlich in ihrer großen Verbreitung erwiesen und in ihren oft sonderbaren Eigenschaften enthüllt worden ist. Doppelte stehende Welle in der Bucht von Hakodate. (H = Hakodate, r= Tomikawa.) Nach Honda, Tärada und Isitani. IX. Interne Wellen. Die bisher vorzugsweise betrachteten WindweUen und auch die stehen- den Wellen waren an der Meeresoberfläche, der gemeinsamen Berührungs- fläche zwischen Wasser und Luft, entstanden. Wie bereits bei der Dar- legung der Helmholtzschen Theorie der Wogenbildung bemerkt, können aber auch Wellen im Innern der Flüssigkeiten, wo eine Schichtung auf- tritt, entlang den Grenzflächen dieser verschiedenen Dichtigkeiten ent- stehen. Die Grenzflächen selbst brauchen dabei nicht einmal sehr scharf 186 Interne Wellen. ausgeprägt zu sein. "Wir nennen diese Wellen zum Unterschied von den Oberflächenwellen der Kürze wegen innere oder interne Wellen; in der Literatur werden sie auch wohl weniger gut als unterseeische Wellen bezeichnet. Die für ihre Eigenschaften geltenden Gesetze sind von den Hydrodynamikern, insbesondere schon von G. G. S t o k e s im wesentlichen aufgeklärt worden^). Für ozeanographische Zwecke ist folgendes daraus zu entnehmen. Wenn wir zwei übereinander liegende Schichten haben von der Dichte Ol und Og, wo Og größer als o^ ist, die leichtere Schicht eine Tiefe = p, die schwerere = P hat, so können unter gegebenen Umständen an der Grenzfläche beider Schichten innere Wellen entstehen von der Höhe = H, aber auch an der Oberfläche der leichteren Schicht solche von der Höhe = h, während die Wellenlänge X bei beiden Wellensystemen gleich wird. Unter der Voraussetzung, daß die Tiefe p der leichteren Schicht klein ist gegen die Tiefe P der schwereren und daß die Wellenhöhen sehr klein sind im Vergleich zu der Tiefe P oder p, besteht für die Wellenhöhen der beiden Systeme in erster Annäherung das Verhältnis: h 02 — dl _ IILt In dem Falle, wo das Verhältnis p : X sehr klein, die obere Schicht also wenig dick ist, wird der Exponentialausdruck = 1 und das Verhältnis h:H = (og — Oi):oi. Da im Meerwasser die größten Differenzen a^ — Oj kaum 0.03 erreichen, werden die Oberflächenwellen stets sehr klem werden, also unbemerkt bleiben, obwohl die internen Wellen gleichzeitig sehr groß sein können. Die Geschwindigkeit c der interner. Wellen ist im Meerwasser stets sehr gering. In der allgemeinsten Form 2) besteht hier die Beziehung: ci^ HJl ^^ — '^i 0, coth . + c, coth — i^ — /. - K (wo coth den Cotangens hyperbolicus bedeutet, wie oben S. 14 Anm. 1 definiert). Bei mäßigen Wellenlängen ändert sich c proportional der Quadratwurzel aus Og — Oi, verhält sich also zur Geschwindigkeit, die in ungeschichtetem Wasser auftreten würde, wie [Xog — ^Oi: [-^^z-^. Nimmt die Wellenlänge zu, so erreicht die Geschwindigkeit c ihren Maximalwert: falls P gegen p sehr groß wird. Man sieht, wie im letzteren Falle die Geschwindigkeit ein Bruchteil derjenigen wird, die in homogenem Wasser von der begrenzten und gegen X kleinen Tiefe p vorhanden ist (vgl. die Lagrangesche Formel c = \/^gp S. 15). *) Für daa Obige vgl. L a m b, Lehrb. der Hydrodynamik, Leipzig 1907, S. 435 f. (auch British Assoc. Reports, Dublin Meeting 1908, 7. September, p. 607) und W a 1- fridEkmanin seinem Beitrage zu N a n s e n, The Norwegian Northpolar Exped., Soientif. Results, vol. V, Nr. 15, London 1906, p. 41 f. ^) A. G. G r e e n h i 1 1 in American Journal o£ mathematics vol. 9, 1887, p. 78. Formeln für die internen Wellen. 187 Die Wellenenergie ist ebenfalls kleiner als bei den Seichtwasser- wellen und im Falle gleicher Wellenhöhen proportional der Differenz 02 — Oi; im übrigen bleibt auch in diesem Falle die Wellenenergie vom Quadrat der Wellenhöhen direkt abhängig. Ebenso bleibt die Orbitalgeschwindigkeit proportional zur Wellenhöhe und zu c, aber stets kleiner als c. Beistehende Fig. 48 gibt einen Schnitt durch ein System interner Wellen für O2 — G1 = 1.03 — 1.00 = 0.03 nach Walfrid Ekman, wobei der Vertikalmaßstab für die gleichzeitigen Oberflächenwellen 30mal über- Fig. 48. Interne Welle nach Walfrid Ekman. höht ist, da man sie sonst überhaupt nicht sichtbar machen konnte. Wie man daraus entnehmen kann, entspricht einem Wellenberg der internen Welle ein Wellental an der Oberfläche und umgekehrt ; auch die gleich- zeitigen Orbitalbewegungen sind, wie die Figur zeigt, in den beiden Schichten entgegengesetzt gerichtet und nehmen ungefähr symmetrisch in ihrer Stärke von der Grenzfläche nach oben und unten hin ab. Interne Wellen werden überall da entstehen können, wo eine ent- sprechende Schichtung vorhanden rst und die beiden Schichten verschieden starken Strömen folgen. Da viele Gebiete des Ozeans teils eine starke Abnahme der Temperatur, teils eine starke Zunahme des Salzgehalts von der Oberfläche nach der Tiefe hin aufweisen, wodurch die Differenz O2 — Ol wirksam groß werden kann, sollten solche internen Wellen eigentlich eine große Verbreitung besitzen. Da sie aber, wie wir sahen, an der Ober- fläche nur unmerkliche Wellenhöhen liefern, ist es schwer, danach zu suchen; man könnte sie nur aus einer wellenförmig angeordneten Grenz- fläche bestimmter Isohalinen oder richtiger der Flächen gleicher Dichtig- keit rsi, der sogenannten Isopyknen, erschließen, vorausgesetzt, daß es sich um sehr dicht gestellte Stationen und gleichzeitig (oder ungefähr so) gewonnene Messungen handelt. Solche sind jedoch schwer erhältlich. Immerhin ist Nansen geneigt, beispielsweise in dem von uns früher gegebenen Schnitt durch das norwegische Meer (Bd. I, Fig. 46, S. 346) An- zeichen für eine Bildung interner Wogen anzunehmen. Konstruiert man die Isopyknen nach dem Originalbericht im Bulletin der internationalen Meeresforschung für Mai 1904, so erhält man eine deuthch ausgeprägte Woge zwischen den Stationen N 37 bis N 40, deren Länge rund 80 km und deren Höhe etwa 60 m betragen würde. Gibt man der oberen Schicht eine vertikale Höhe von 50, der unteren von 400 m und setzt man die beiden Dichtigkeiten 188 Interne Wellen. o't= 1.0255, (7, = 1.0275, so kann man die Geschwindigkeit c berechnen; sie wird nur 0.92 m p. S. oder 3.3 km (1.8 Seemeilen) in der Stunde. Bei 80 langsamem Fortschreiten trotz riesiger Wellenlänge muß die Periode außer- ordentlich lang werden; sie berechnet sich unter den gemachten Annahmen zu nicht weniger als 86 740 Sekunden oder etwas über 24 Stunden, d. h. es handelt sich hier um Perioden, die mit denen der Gezeiten von gleicher Größen- ordnung werden können. — Im Kattegat ergab sich nach dänischen Beob- achtungen während der Maiterminfahrt 1904 zwischen den Stationen Da 7 und Da 16 ebenfalls eiiie Wogenbildung, namentlich für die Isopykne für Gt = 1.027 sehr ausgeprägt, mit einer Höhe von etwa 8 m und einer Länge von 34 000 m. Setzt man in angenäherten Werten Gi = 1.022, ö-g = 1.0273, p = 50, P = 40, so wird unter solchen Annahmen c = 2.03 m p. S. und die Periode = 4 Vs Stunden. Ich füge diese Beispiele ein, nur um die Größen- ordnung der zu erwartenden internen Wellen darzulegen, nicht weil ich über- zeugt bin, daß in den genannten Fällen Wogen von den angegebenen Dimen- sionen sicher vorhanden gewesen wären. In ihrer neuesten Untersuchung über die Physik des norwegischen Meeres haben Heiland-Hansen und Fridtjof Nansen^) denn auch mit Recht noch andere Möglichkeiten ofien gelassen. Sie sagen, daß dreierlei Vorgänge zu Unregelmäßigkeiten, wie den beschriebenen, führen können: 1. interne Wellen an Schichtgrenzen, 2. plötzliche Änderungen oder Pulsationen in der Geschwindigkeit und Richtung des strömenden Wassers und 3. große Wirbelbewegungen in diesem. Da Pulsationen namentlich in Küstennähe, und zwar nicht nur als Folge der Gezeitenströme, von Heiland-Hansen tat- sächlich aufgefunden sind, ist es nicht unmöglich, daß auch im tiefen Wasser der Hochsee solche auftreten; Wirbel an den Stromrändem sind seit längerer Zeit bekannt. Darum ist der ganzen Frage gegenüber zunächst noch Vorsicht ratsam. Wie interne Wellen an Schichtgrehzen von Flüssigkeiten durch plötz- liche Störungen des hydrostatischen Gleichgewichts entstehen können, ist durch ungefähr gleichzeitige Experimente von J. W. S a n d s t r ö m und E. M. Wedderburn gezeigt worden 2). Der Versuch ist leicht zu wiederholen und sehr anschaulich. In einer Experimentierwanne befinden sich zwei Wasserschichten von verschiedener Dichte übereinander, von denen die eine rot gefärbt ist, um die Grenzfläche deutlich hervortreten zu lassen. Wird nun gegen einen bestimmten Punkt der Oberfläche ein starker, ganz kurzer Luftstrahl gerichtet, so erhebt sich unter diesem Punkt die untere Wasserscbicht in Gestalt einer hohen Woge, die sich dann in der Richtung des Windstoßes durch die Wanne verhältnismäßig langsam weiter bewegt und, an der Wandung reflektiert, den Weg durch die Wanne ein paarmal hin und zurück durchwandert; im Rücken der zuerst entstandenen bilden sich noch zwei oder drei andere solche Wogen. Den Hydrodjniamikem ist die Ursache dieser Erscheinung aus Theorie und Praxis ebenfalls bekannt^). Nennen wir v die Geschwindigkeit einer Wasserschicht in Metern pro Sekunde, ^ den senkrechten Druck für eine gegebene Geschwindigkeit, k eine Konstante, so ändert sich der jeweilige ^) Report ori Norwegian Fishery and Marine Investigations 1909, Bd. 2, Nr. 2, p. 87 f. *)J. W. Sandströmin Ann. d. Hydr. 1908, S. 9; E. M. Wedderburn in Proo. R. See. Edinburg 1907, Bd. 28, Teil I, Nr. 1, p. 8 (als density bore). ') W. H. B e 8 a n t, A Treatise on Hydromechanics, Cambridge 1877, p. 216; W. F r o u d e in Nature 1876, Bd. 13, p. 89. Entatehung interner Wellen. Totwasser. 189 Druck p umgekehrt proportional der Geschwindigkeit v naxjh der Ex- ponentialformel: Ein plötzlicher Windstoß, der einer ruhenden Oberfläche eine sehr starke Trift mitteilt, wird also eine sehr erhebliche Druckentlastung in der be- wegten Schicht bewirken, worauf die darunter liegende Schicht nach oben drängt. Wir werden später diese Druckformel noch auf strömende Interne Welle unter einem Windstoß (nach Sandström). Flüssigkeiten anzuwenden haben, wie wir ihren thermischen Wirkungen bereits begegnet sind (Bd. I, S. 409). Im vorliegenden besonderen Falle der internen Wogen verlieren die obigen Formeln ihre Brauchbarkeit, denn die Wellenhöhen werden alsdann ein merklicher Bruchteil der Schichttiefe. In einer Reihe von Experimenten, wo Oj = 1, Og = 1.023, h = 9.5 und Ä^ = 13 cm war, fand ich die Wellenhöhen der schweren Schicht 5 bis 8 cm hoch; im letzteren Falle zeigte did Grenzfläche an den Wellenköpfen Wirbelstörungen. Die Wellenlänge X wurde zu 40 cm, die Geschwindigkeit c zu nur 8 cm/Sekunden gemessen, während nach den Formeln eine Geschwindigkeit von 51 cm/Sekunden zu erwarten ist. Die Kenntnis dieser internen Wogen hat aber auch eine gewisse praktische Bedeutung für die Nautik und zwar ist gerade dies der Anlaß dafür geworden, sie in der neueren Zeit genauer zu untersuchen. Wie V. Bjerknes richtig vermutet und Walfrid Ekman eingehend erwiesen hat, hängt die Erschei- nung des sogenaimten Totwassers damit aufs engste zusammen. Tot- wasser tritt nur da auf, wo sich vor Flußmündungen oder im Bereiche schmel- zenden Treibeises eine seichte Schicht schwach salzigen oder gann süßen Wassers ühsi solches von stärkerem Salzgehalt lagert : Schiffe, die in langsamer Fahrt, wie Segler bei mäßigem Wind oder im Schlepptau, sich durch diese Oberschicht hindurch bewegen müssen, finden sich aufs empfindUchste in ihrem Vorwärtskommen und im Kurshalten behindert und vermögen die Fahrtgeschwindigkeit kaum auf 1 Knoten zu halten; die Schiffer haben dabei den Eindruck, als ob sie die ganze Oberschicht mit sich schleppen müßten. Dampfer und Segler, die mehr als 4 bis 5 Kj^ten Fahrt machen, werden vom Totwasser nicht mehr erfaßt! Die Erscheinung ist aus zahlreichen norwegischen Flußmündungen und Fjorden wohl bekannt, seltener ist sie in der eigent- lichen Ostsee und im Kattegat, häufig scheint sie aber auch in der Kongo- mündung und im Fraserfluß (bei Vancouver) aufzutreten^). Nansen hat sie ^) Eine sehr reichhaltige Liste hat W. Ekman a. a. 0. zusammengestellt; Kapitän H. M e y e r hat sie in den Ann. d. Hydr, 1904, S. 20 f. um einige interessante 190 Interne Wellen. Ende August 1893 bei der Umsegelung des Taimyrlands mehrfach beobachtet und durch einen fesselnden Bericht in seiner Keisebeschreibung die allgemeine Aufmerksamkeit darauf gelenkt. Es unterüegt nach Ekmans Experimenten keinem Zweifel, daß bei der Bewegung des Schifis durch die obere seichte Deckschicht an der Berührungsfläche mit der schwereren Unterschicht interne Wellen hervorgerufen werden, deren Unterhaltung die lebendige Kraft des Schiffskörpers aufzehrt. Nur wenn das Schiff seine Geschwindigkeit so weit verstärken kann, daß sie die fortschreitende Geschwindigkeit der internen Wellen, die ja nur klein ist, rasch übersteigt, vermag es dem Totwasser zu ent- gehen. Daher leiden Dampfer von stärkerer Maschinenkraft niemals darunter. Nansens schwer beladene „Fram" vermochte auf der Ausreise mit 5 m Tief- gang es bei höchster Dampfspannung nicht über 5 Knoten zu bringen, machte aber, vom Totwasser erfaßt, kaum noch 1 Knoten gut. Die internen Wellen können in abgeschlossenen Gewässern durch Keflexion in die Form der stehenden Wellen übergehen. In den schot- tischen Süßwasserseen hatte man im Herbst, wo eine gut ausgeprägte Schichtung, mit einer homothermen aber warmen Deckschicht gegen eine • kalte Tiefenschicht, gegeben ist, an der Grenzfläche zwischen beiden Schichten Schwankungen wahrgenommen, die sich in einer periodischen Auf- und Niederbewegung der Isothermflächen verrieten; man nannte sie interne oder Temperaturseiches ^). Kennt man die Länge des schwingenden Beckens L, die Dichtigkeiten der beiden Schichten o^ und Og und ihre Schichthöhen p und P, so kann man nach E. M. Wedderbur n die Periode der internen Seiches aus folgender Formel mit genügender Annäherung bestimmen : /^('^•'~°i). XLIV ~P' Die Periode wächst also außer mit der Länge noch mit der Mächtigkeit der unteren Schicht im Vergleich zur oberen. Die erregenden Impulse sind hierbei dieselben, wie sie auch Seiches sonst erzeugen, also Wind- stöße, örtlich umgrenzte Eegenfälle und ebensolche Barometerschwankungen (s. oben S. 166). Die allgemeinste rechnerische Lösung des Problems hat Wilh. S 0 h m i d 1 2) kürzlich gegeben. In einem rechtwinklig parallel-epipedi- schen Gefäß von der Länge l befinden sich zwei verschieden dichte Flüssig- keiten übereinander; die schwerere hat die Dicke h und die Dichte p, die leichtere die Dicke h' und Dichte f/. Durch entsprechende äußere Kräfte (am einfachsten durch Neigen des Gefäßes in bestimmtem Rhythmus) Fälle bereichert. — Auf die mehr technisch als ozeanographisch wichtigen Unter- suchungen Ekmans über die charakteristischen Formen des Kielwassers und die Wirkungen der internen Wellen auf den SchifEswiderstand im einzelnen hier einzu- gehen, liegt kein Grund vor. 1) E. R. W a t s o n, Movements of the waters of Loch Ness, as indicated by temperature observations, in Geogr. Journal 1904, Bd. 24, p. 431 ; E. M. W e d d e r- burn in Trans. R. See. Edinburgh 1905, Bd. 45, p. 420; Proceed. R. See. Edin- burgh 1907, Bd. 28, p. 1; 1909, Bd. 29, p. 98; Scott. Geogr. Mag. 1909, p. 591. Die ersten Anregungen gab übrigens T h o u 1 e 1 1894 nach Beobachtungen im Lac Longe- mer des westlichen Wasgenwaldes; er spricht von „une sorte de seiche Interieure". 2) Sitzungsber. Kais. Akad. d. Wiss. Wien 1908, Bd. 117, IIa, S. 191. Interne Seiches. 191 kann man stehende Wellen an der Grenzfläche der beiden Schichten hervor- rufen, die je nach der Art der Impulse mit n Knoten schwingen. Die Periode t dieser Schwingungen folgt dem Gesetz: ^--V ng V p-p' VIT ll Y17Z h/ yffoQ = cot hyp — \ — , Q^ = cot hyp — -, — gesetzt ist. Für den Fall, daß die obere Schicht verschwindet, also sowohl h' wie p' unendlich . klein werden, erhalten wir Formel XXXIII, diO. h = p zu setzen ist. Für die praktische Rechnung ergeben sich zwei Grenzfälle. Wird die Schicht- höhe h gleich der Wellenlänge oder größer als diese, so nähern sich die- Q und Q' dem Werte 1 und die Formel vereinfacht sich zu: ^^•^i/mi/p±pr xLvi V ng \ p — p' Werden anderseits die Schichtdicken Ti und h' sehr klein gegenüber der Gefäßlänge l — was in der Natur bei weitem häufiger auftreten wird, so erhalten wir: t^2Ü/W±IK XLVII Die Experimente schließen sich diesen Formeln genügend an; die beob- achteten Perioden waren durchweg ein wenig größer als die berechneten, was von der Reibung der Flüssigkeiten gegeneinander wie an den Gefäß- wänden herrühren wird. Man sollte a 'priori annehmen, daß in wohlgeschichteten Meeresteilen auch diese internen Seiches eine verbreitete Erscheinung sein müßten. Ihre Beobachtung wird aber durch die sehr lange Schwingungsperiode erschwert. Eine Versuchsrechnung für das Rügensche Becken der Ostsee mag dies erweisen. In diesem findet sich fast immer eine sehr ausgeprägte Schichtung in der Weise, daß eine obere Schicht von 20 m Dicke und ge- ringer Dichte (3/ = 5.0) unterlagert wird von einer ungefähr gleich mächtigen Schicht von größerer Dichte (o, = 10.0). Für eine Becken- breite Z = 75 km erhält dann die einknotige Schwingung eine Periode von rund 60 Stunden; die zweiknotige eine solche von 60 I/^V2 =^ 42 Stun- den, die dreiknotige von 35 Stunden, die sechsknotige- von 24 Stunden. Die Amplitude der Schwingungen wird von der Intensität der Impulse abhängen ; sie entzieht sich vorläufig der Schätzung. Immerhin können die bei den deutschen Terminfahrten auf diesem Schnitt öfter beobachteten Unregelmäßigkeiten in der Lagerung der Grenzfläche zwischen beiden Schichten von feinem Tag zum anderen sehr wohl auf diese Weise ent- stehen, aber daß sie wirklich diesen Ursprung haben, könnte nur durch wiederholte simultane Messungen entlang zahlreicherer Stationen, als sie bisher dort untersucht wurden, erwiesen werden. Dennoch ist es in der letzten Zeit gelungen, diese internen Schwin- gungen in wohlgeschichteten Teilen der Nebenmeere aufzudecken oder doch wenigstens Spuren davon zu finden. Indem Otto Pettersson 192 Interne Wellen. im Gulmarfjord der bohuslänschen Küste vom 30. Januar bis 25. März 1909 täglich mittags um 12 Uhr 30 Minuten die Temperatur- und Salz- gehaltsschichtung feststellte, was von der festen Eisfläche aus bei der Station Bornö leicht auszuführen war, erkannte er sehr erhebliche Os- zillationen an der Grenzschicht der leichteren Fjordwasser gegen die schwe- reren aus dem Skagerrak stammenden Tiefenwasser ^). So lag die Isohalin- fläche von 30 Promille während der ganzen Beobachtungsperiode im Mittel in 13.5 m Tiefe, aber am 30. Januar in 26.5, am 2. Februar in 5.0, am 8. Februar in 2.5 und am 12. wieder 21.0, am 15. in 27 und am 19. in 5 In Tiefe, so daß es sich also um eine SchwingungsampHtude von über 20 m handelt. Aus der vollständigen Reihe, nach welcher die Isopyknen S'^o in beistehender Fig. 50 (S. 193) konstruiert sind, ergibt sich eine größte Amplitude von 25 m und eine Hauptperiode von 14 Tagen, daneben sind noch sekundäre Schwankungen vorhanden, die vielleicht Bruchteile der Hauptperiode sein mögen, was sich aber bei der Kürze der Beobachtungs- zeit nicht recht beurteilen läßt. Pettersson war nicht abgeneigt, „gezeiten- ähnliche Bewegungen des Tiefenwassers" darin zu erblicken, indem er es für möglich hielt, daß der Mond bei seinen extremen Deklinationen das Wasser des Skagerrak gegen die bohuslänsche Küste zu drängeii, beim Stande überm Äquator aber vom Lande hin wegziehen könne, ließ aber doch die wahre Ursache dieser mächtigen Schwankungen offen. Für jeden Kenner der Gezeiten ist es unannehmbar, daß jemals eine Deklinationstide bis zu einem Hub von 22 m aufwallen könnte; und da die gezeitenbildenden Kräfte durch die ganze Wasserschicht hindurch wirken müssen, erscheint es überhaupt unmöglich, daß nur die schwereren Tiefenschichten allein solche gewaltigen Tidebewegungen ausführen sollen, ohne daß die Oberfläche daran teilnimmt. So hatte Sir John Murray im Hinblick auf seine Erfahrungen in den schottischen Binnenseen alsbald die Vermutung geäußert, daß hier interne Seiches vorliegen dürften. E. M. Wedderburn^) hat dies durch eine einfache Rechnung sehr wahr- scheinlich gemacht. Da es sich hier um die tiefe Mulde des Skagerrak, also nicht um ein allseitig geschlossenes, sondern nach Westen hin ofienes Wasserbecken handelt, wird man die Schwingungsperiode der hier an- gewandten Formel XLIV verdoppeln müssen ; der Zähler wird also = 4 L. Indem Wedderburn den Schwingungsknoten auf die Verbindungslinie von Hanstholm nach Mandal legte, erhielt er L = 200 000 m; für die obere Schicht des Skagerrak setzte er p = 20 m und Oj = 1.023; für die untere P = 100 bis 200 und o^ = 1.027. Die Mündungsbreite setzt er zu 50 000 m und erhält so mit Mündungskorrektion (S. 163) eine Periode von 13.9 Tagen für P = 100, 14.2 Tagen für P = 200 m, was zu den Beobachtungen sehr befriedigend paßt. Die Ursache der so erschlossenen internen Seiches ist in atmosphärischen Vorgängen zu suchen: dem Aufschwellen der Grenz- fläche sind jedesmal im Skagerrak stürmische West- oder Nordwestwinde, dem Abschwellen meist ebensolche Süd- oder Ostwinde vorangegangen; was sich freilich nicht den Beobachtungen der Winde im engen Fjord bei Bornö, sondern nur aus den Wetterkarten entnehmen läßt. Übrigens sind auch die von Pettersson angegebenen Pegektände bei dieser Station ein *) Publioation de Ciroonstanoe Nr. 47. Kopenhagen 1909. «) Proo. R. Soo. Edinburgh 1909, Bd. 29, p. 602. Interne Seiches. 193 — ia t» Krümmel, Ozeanographie. II. 13 194 Interne Wellen. Fig. 51. i II m -IV 23703 23.7118 2i.7.08 2i.7.08 /ßu-l'ffil fSt-üUpl liV-SOOa/ n^-ltip) . /.O/m i-on 101187 i.ouss in JS 20 25-- 30 1.012 bemerkenswerter Hinweis auf die Seichesnatur dieser internen Schwan- kungen; denn die Wasseroberfläche veränderte ihre Lage in der ganzen Zeit nicht mehr als V2 i^- Auch diese internen Seiches haben eine große praktische Bedeutung, nämlich für die Ergiebigkeit der bohuslänschen Heringsfischereien. Das Auf- treten des Herings in den Wintermonaten ist hier eng verbunden mit dem Vorkommen des sogenannten nördlichen Bankwassers von 32 bis 33 Promille Salzgehalt auf den Küstenbänken. Sobald dieses durch das salzärmere und winterkalte Wasser des Baltischen Stroms verdrängt wird, entweichen auch die Heringsschwärme, wie Gustav Ekman schon 1877 nachwies. „Es ist ein beachtenswerter Umstand," sagt Pettersson, „daß die Heringsfischerei des Jahres 1909 gerade in der Woche vom 31. Januar bis 6. Februar die größte Ausbeute ergab (50 000 hl) und ebenso wieder vom 20. bis 23. Februar (35 000 hl), um dann nach dem 27. Februar aufzuhören." Pettersson hatte schon vorher^) auch auf eine im Juli 1908 im nördlichen Großen Belt bei Eevsnäs (55° 44' N. 10° 48.5' 0.) ausgeführte Reihe von Salzgehalts- und Temperaturmessungen sehr kühne Ansichten über die Gezeitenwirkung in den Tiefen- schichten des Großen Belt gegründet , die ebenfalls nach Wedderburn wahrscheinlich durch Annahme interner Wogenbildung zu er- setzen sein werden. Es liegen vier Serien vor, nach denen die in Fig. 51 gegebenen Dichtewerte /S^o berechnet sind und hier der Betrachtung zugrunde gelegt werden mögen. Die Beobachtungszeiten liegen etwa je 8 Stun- den auseinander, was aber nicht genügt, um die Periode der internen Wogen genauer zu bestimmen. Pettersson hält allerdings für er- wiesen, daß eine halbtägige Tideschwankung vorliege , vermutlich weil am 23. und 24. Jufi aus den Beobachtungen ein Hochstand der Isopykne von 1.024 um 1 Uhr nachm. ersicht- lich ist. Unzweifelhaft sind hier große Ver- schiebungen der Wasserschichten vorhanden. Man beachte, daß die Mächtigkeit des schwer- sten am Boden vorhandenen Wassers (über 1.025) vom Mittag bis Abend des ersten Tages um 4 m zunimmt, daß aber am frühen Mor- gen des zweiten Tages (Serie III) am Boden jede Spur dieses schweren Wassers verschwunden ist, worauf es am Nachmittag (Serie IV) wieder zum Vorschein kommt, wenn auch nicht mit gleicher Mächtigkeit wie am Vorabend. Die obere leichte Deckschicht macht scheinbar die entgegengesetzte Bewegung: die Isopykne von 1.018 liegt dann am tiefsten, wenn die von 1.025 am höchsten gehoben ist und \imgekehrt. An der Oberfläche selbst war trotz des am 25. Juli (5 V2 Ut"^ ^) , Strömstudier vid östersjöns Portar" in Svenska Hydrografisk Biologiska Kommißsionens Skrifter III; auch in Veröffentlichungen des Inst. f. Meereskunde. Berlin 1908. iio^i - ■IMiJ ■aiM: ■:i:02&' 'WM WB 1.018 35 Interne Seiches im Gr. Belt bei Ilevsuäs. Interne Seiches. 195 vormittags) fälligen Vollmonds der Tidenhub nicht höher als 0.5 m, wobei zu beachten ist, daß sich im Kattegat die Springtiden verfrühen. Dabei herrschte während der Beobachtungszeit stilles Wetter und ganz gleich- mäßiger Barometerstand. Pettersson ist auch hier wieder geneigt, die Gezeitenwoge wesentlich die Tiefenschicht erfassen zu lassen und dieser damit Hubhöhen von 6 bis 7 m zu erteilen. „Die Flutwelle der Nordsee und der Norwegischen Rinne", sagt er, „pflanzt sich, wenn sie die Mündung des Skagerraks erreicht, hauptsächlich in denselben Wasserschichten, in denen sie sich bis dahin bewegt hat, fort und wird unterseeische Welle, und als solche dringt sie ins Kattegat und die Ostsee ein" ; eme Auffassung, die jeder Gezeitenforscher ablehnen wird. Wollen wir Wedderbupns An- regung folgen und interne Wogen annehmen, so können wir uns in diesem Fall auf die für den Großen -Bfelt wohlbekannte und auch aus der Figur sofort ersichtliche Schichtung in Gestalt zweier entgegengesetzt bewegter verschieden schwerer Wassermassen berufen: das leichte baltische Wasser strömt bei dem herrschenden ganz ruhigen Wetter nach Norden, das schwere Kattegatwasser nach Süden. Danach wird an der gemeinsamen Grenzschicht Wogenbildung zu erwarten sein; Volumänderungen der- selben Wasserschichten, wie sie aus dem gegenseitigen vertikalen Abstand der einzelnen Isopyknen in den vier Serien hervortreten, erscheinen nur bei Wellenbewegung möglich, denn Wasser ist keine elastische Flüssigkeit (vgl. die Fig. 48 S. 187). Freilich wird zugleich auch der Tidestrom von Bedeutung werden. Pettersson hat in der Tat mit den Schöpf zügen zugleich auch Strommessungen ausgeführt, die zeigen, wie die ganze Wassermasse vom Tidestrom erfaßt wird, der dann je nach seiner Phase bald den Oberstrom, bald den Unterstrom beschleunigt oder verzögert; wir werden später bei der Darstellung der Tiden des Großen Belt auf diese (angeblichen) Gezeitenströme noch zurückkommen. Indem Wedderburn hier eine interne Seiche annimmt, gibt er diesem Teil des Großen Belt eine schwingende Länge von rund 25 000 m und berechnet damit eine Periode von etwa 24 Stunden ; aber er verhehlt sich nicht, daß bei der ge- ringen Zahl der vorliegenden Beobachtungen einerseits und dem sehr verwickelten Bodenreiief des Großen Belt anderseits ein Urteil über die Größe des Schwingungsbeckens sehr schwierig sei. Gegen eine Seiche würde vielleicht die Tatsache sprechen, daß Pettersson am 24. und 25. Juli weiter südlich bei Korsör Anzeichen für ähnliche Auf- und Abschwellungen der Tiefenschichten auffand; da aber gleichzeitig Beobachtungen bei Revsnäs nicht erfolgen konnten, ist nichts Näheres über den Zusammen- hang beider und damit über das eigentliche Wesen der Erscheinung aus- zusagen. Das muß künftiger Untersuchung überlassen bleiben. Ebenso wollen wir es unentschieden lassen, ob die bei verschiedenen Autoren^) gemäß den Beobachtungen zahlreicher Tiefseeexpeditionen an ungefähr denselben Stationen erwähnten scheinbar unperiodischen Schwan- kungen der inneren Temperaturschichtung im äquatorialen Teil des At- lantischen Ozeans in den Bereich der internen Wogen gehören odei m das Gebiet der Instrumentenfehler. Da übrigens hier die schwingenden Massen eine horizontale Ausdehnung von mehreren tausend Kilometer ^) Vgl. G. Schottin! Valdiviawerk, I, Ozeanogr. S. 149. 196 Interne Wellen. haben, wird die eintretende Schwingung von der Erdrotation erfaßt, und wir sind zurzeit außerstande, die dabei auftretenden Veränderungen in JRichtung und Amplitude der Bewegungen auch nur angenähert zu beurteilen, wie bei der Gezeitenlehre im folgenden Kapitel noch zu wieder- holen sein wird. Aber es scheinen noch andere stehende Wellen von viel kürzerer Periode in den Bodenschichten der seichten Strandgewässer aufzutreten, die zu der Entwicklung der sogenannten Wellenfurchen oder Rippel- iiiarken führen. Auch diese Erscheinung ist in den Binnengewässern wie an den Meeresküsten gleicherweise eifrig studiert worden ^), kann aber noch keineswegs als in jeder Hinsicht aufgeklärt gelten. Diese Wellenfurchen müssen sehr wohl unterschieden werden von den sehr viel größeren Sand- wogen, die am Boden fließender Gewässer aller Art, auch in den Betten der Gezeitenströme, oder gar in der Gestalt von Sand- und Schneedünen auftreten. Nicht nur daß diese nicht selten ebenso viele Meter an Breite und Höhe erreichen, wie jene Zentimeter, sondern sie bewegen sich ent- sprechend der vorherrschenden Strom- oder Windrichtung wandernd über den Boden hinweg und zeigen ein entsprechend unsymmetrisches Profil mit der Steilseite in Lee. Bei Schnee- und Sanddünen ist die Ober- fläche selbst bedeckt mit Kräuselmarken von einer den Wellenfurchen schon viel ähnlicheren Gestalt, wobei man ganz an die kapillaren Wellen »n der Oberfläche dei Meereswogen erinnert wird. Die Wellenfurchen sind fast ausnahmslos von einem ganz symmetrischen Profil. Nur wo eine ständige und starke Brandung am Strande Wasser aufhäuft, das in der Tiefe seewärts zurückdrängend den Soog am Meeresboden entlang strömen läßt (s. oben S. 113), wird eine Unsymmetrie erkennbar und ver- ständlich. Die Breite der Furchen schwankt zwischen 2 und 50 cm, und zwar wird sie kleiner, je tiefer das Wasser ist. Jedoch zeigt sich auch, daß ßie im allgemeinen auch mit der Korngröße des Sandes kleiner oder größer wird. Die Höhe übersteigt selten ein paar Zentimeter. Bei älteren Ge- bilden sind die Kämme abgeflacht, die Talfurchen verengert und steil. Bei frisch gebildeten Rippeln liegt der feine Sand auf den Kämmen, dei gröbere in den Tälern. Ihre Richtung zeigt überall einen gewissen Parallelis- mus, doch kommen Verzweigungen und leichte Abkurvungen, mit neu einsetzenden Furchen dazwischen, häufig^ vor. Forel verweist sehr zu- treffend auf die Furchungsbilder, wie sie Fingerabdrücke darbieten. Ihre Breite ist auf einem seewärts aofaUenden Sandboden nicht gleich; sie. nimmt mit der Wassertiefe ab, und man hat sie zuletzt, wo das Wasser nicht mehr durchsichtig genug war, um sie mit dem Auge zu verfolgen, durch charakteristische Eindrücke am Talgbelag des Lotes noch zu er- kennen vermocht. Auf diese Weise sind die tiefsten, Wellenfurchen im Genfejsee bis etwa 9 m, an den europäischen Küsten bis 20 m, einmal 1) Vie ansprechendste Darstellung hat wohl F. A. Forel, Le L^mau, Bd. II, p. 24Ü — 274 gegeben. Die Literatur ist dort, sowie bei E. B e r ^ o 1 o 1 y in den Münehener Geogr. Studien 1900, Nr. IX, vollständig verzeichnet. Außerdem vgl. noch Vaughan Cornish in Scott. Geogr. Mag. 1901, p. 1 und Geogr. Journal London 1901, Bd. 18, p. 170. Meiner Darstellung liegen auch eigene Beobachtungen im Kieler Hafen sowie Experimente iil der Wellenrinne zugrunde. Wellenfurchen am Meeresboden. 197 von Siau^) bei der Insel Reunion im Indischen Ozean sogar noch bis in 188 m nachgewiesen worden. Da die Wellenfurchen gewöhnlich den oberflächlichen Wellen des Seegangs parallel angeordnet sind, hat man sie schon früh als ein Anzeichen dafür hingestellt, daß die Orbitalbewegung des wellenbewegten Wassers bis in so große Tiefen Hinein reiche. Daß damit aber noch keine Erklärung der Wellenfurchen gegeben ist, läßt sich leicht erweisen. Die Form der Orbitalbahnen ih seichtem Wasser (vgl. S. 13 Fig. 6) ist eine elliptische und nur, wo ein fester Boden gegeben ist, geht sie an diesem in eine geradlinig alternierende Verschiebung der Wasserteilchen über. Auf dem mit beweglichem Sande bedeckten Meeres- grund werden die Wasserteilchen versuchen, eine elliptische Bahn zu bilden und damit den Sand aufzuwühlen. Die losgelösten Sandkömchei werden dabei in die Höhe gewirbelt und machen die unterste Schicht zu- einem Gemenge aus Wasser und Sand. Da nun die Wellen durch das Wassei hinschreiten, wird keine Stelle des Bodens von dieser Einwirkung aus- geschlossen. Ist die Orbitalgeschwindigkeit sehr groß, wie das bei hohen SturmweUen in mäßig tiefem Wasser der Fall ist, dann wird auch grober Kies in Bewegung versetzt werden. Wo der Meeresboden aus einem Gre- misch groben und feinen Materials besteht, wird alsbald, sowie die Orbital- geschwindigkeit nachläßt, die Abscheidüng' der großen und schweren Kömer erfolgen, aber überall am Boden gleichmäßig, als eine zusammen- hängende Schicht. Je mehr der Seegang sich beruhigt, desto weiter schreitet der Saigerungsprozeß vor. Das Endergebnis wird eine ganz regelmäßige Schichtung sein, unten die schweren, darüber immer die leich- teren Teilchen, die leichtesten zu oberst. Man sieht, auf diesem Wege würde es niemals zur Ausbildung von Wellenfurchen kommen. Man, darf sich diese nicht als einfach auf den Meeresboden projizierte Obör flächenwellen vorstellen; dem widerspricht schon die Beobachtung, daß die Furchen erheblich enger aneinander stehen, es sich also nicht um die- selben Wellenlängen wie bei den Oberflächenwellen handelt. Aus diesem fehlerhaften Gedankengang nicht ganz freigemacht haben sich auch solche Erklärer, die hier an Helmholtzsche Wogen denken, die sich in der Boden- schicht bilden, die durch ihre Sandbeimengung eine höhere Dichte erlangt hat, wie das darüber lagernde Wasser. In der Tat wird dadurch eine Schichtung erzeugt (vgl. darüber Bd. I, S. 231)^ aber wenn durch den See- gang in dieser Schicht Helmholtzsche Wogen hervorgerufen werden sollten, so würden auch diese immer den Charakter fortschreitender Wellen haben und Wellenfurchen nicht aufbauen können. Hierfür sind also stehende Wellen nötig. Aber die Art, wie sie ent' stehen, ist zurzeit noch nicht aufgeklärt. DieBeobachtung an der Experimentierwanne erweist, daß, wo stehende Wellen den Boden in bestimmte Strecken abteilen, der Belag an Sand sich in Gestalt von Wellenfurchen anordnet. C. de CandoUe, F. A. Förel, G. H. Darwin haben ihre Experimentaluntersuchungen an Wellenfurchen stets dadurch ausgeführt, daß sie stehende Wellen im Wasser erzeugten. Die Beobachtung in der Natur zeigt nun, daß die Sandteilchen, die um den Kamm einer Wellenfurche spielen, gfenau in demselben Rhjrthmus ^) Ann. de chimie et de phys. Paris 1841, Bd. 2, p. 118. 198 Interne Wellen. hin und her bewegt werden, wie ihn die durch das Wasser laufende Ober- flächenwelle besitzt. Die stehenden Wellen in der Bodenschicht scheinen also hiernach die gleiche Periode zu besitzen wie der jeweilig vorhandene Seegang. Wodurch aber werden nun diese fortschreitenden Wellen in der dichteren Bodenschicht zu stehenden Wellen von gleicher Periode, aber sehr viel kleinerer Wellenlänge? Nach den Beobachtungen und Ver- suchen von Forel scheint irgend ein Hindernis, das sich der regelmäßigen Orbitalbewegung entgegenstellt, zu genügen, um den Anstoß für die Entwicklung erst einer Wellenfurche, dann rasch einer Schar von solchen zu geben; so wirkte ein Blechrohr am Strande von Morges im Genfersee, ein Bleidraht oder auch nur eine künstlich in den Sandbelag gerissene Furche in der Experimentierwanne. Es muß zukünftigen Forschungen vorbehalten bleiben, das Problem weiter aufzuklären. Zweites Kapitel. Die Gezeiten. I. überblick über die Erscheinungen^). Unter denjenigen Bewegungsformen des Meeres, welche mit wahr- nehmbarer Geschwindigkeit vor sich gehen, ist das regelmäßig in etwa halbtägigen Perioden erfolgende Steigen und Fallen des Meeresspiegels die großartigste, dem Menschen auffallendste und deshalb schon seit ältester Zeit beobachtete. Man nennt diese periodischen Spiegelschwan- kungen die Gezeiten (franz. les inarees, engl, the tides) oder mit einem plattdeutschen Wort der Seemannssprache die Tide n, auch wohl Flut und Ebbe (franz. ßtix et re/lux oder flot et jusant, engl, ßood and ebb), wobei man die dem Auge auffälligste Seite der Erscheinung hervorhebt. Das Wort Gezeiten kommt bereits 1582 in hochdeutsch geschriebenen Büchern vor, während im Niederdeutschen Getide geschrieben wurde. Dies Wort ist eine regelrechte Ableitung von „Zeit". Die Vorsilbe „ge" ist von besonderer Bedeutung, da durch sie das Kollektive, das sich Wiederholende ausgedrückt wird. So haben wir Gebirge von Berg, Gebüsch von Busch, Gewölk aus Wolke, so bedeutet Gebrüll ein wiederholtes Brüllen und Gezeit eine sich wiederholende Zeit. Dementsprechend wird in dem ältesten nieder- deutschen Buche über Steuerniannskunst mit dem halb hochdeutschen Titel : Beschriving von der Kunst der Seefahrt von P. V. D. H. (Peter von der Horst), Lübeck 1673, 4°, das Wort sowohl in der Einzahl „dat Getide" im Sinne von „die Gezeitenerscheinung" als auch in der Mehrzahl gebraucht. Seit dem 18. Jahrhundert ist es gebräuchlicher, Gezeit in der Einzahl weiblich zu nehmen. Das gut hochdeutsche Wort heutzutage in der wissenschaftlichen Sprache zugunsten des der charakteristischen Vorsilbe beraubten plattdeutschen Tide aufzugeben, ist zwar nicht unvermeidlich, aber doch in anderer Hinsicht von Vorteil, weil damit am leichtesten eine so folgerechte und klar definierte Terminologie erreicht wurde, wie sie durch das Reichsmarineamt für den amtlichen Gebrauch eingeführt ist*). Ein Beobachter, der aus dem Binnenlande zum ersten Male bei tiefstem Wasserstand an einen Nordseehafen oder einen der Kanalküste kommt, sieht vom Bollwerk aus in unbegreiflicher Tiefe unter sich den Wasser- spiegel, und erhält den Eindruck, als wäre das Hafenbecken künstlich entleert worden. In diesem Zustand verbleibt das Wasser noch ungefähr 1) Großenteils bis S. 216 nach Prof. Dr. K. Z ö p p r i t z. Vgl. die Vorrede. ') ' Ann. d. Hydr. 1904. S. 449. Vgl. dazu Breusing im Jahrb. des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 1879, Bd. 5, S. 19. 200 I>ie Gezeiten. 1 Stunde, ehe ein Wiederansteigen merklich wird; dies beginnt erst äußerst langsam und ist im allgemeinen noch im Anfang der 2. Stunde nur schwach. Die Geschwindigkeit des Steigens nimmt aber allmählich zu und erreicht nach 3 Stunden ihren größten Wert, während der Meeresspiegel seinen mittleren Stand erlangt. Dieser Stand wird aber rasch überschritten, das Wasser steigt in der nächsten Stunde mit nur wenig abnehmender Geschwindigkeit, und erst in der 5. und 6, Stunde geht die Erhöhung seines Spiegels in merklich immer mehr abnehmendem Tempo vor sich, bis das Hafenbecken sich gefüllt und das Wasser an den Bollwerken seinen höchsten Stand erlangt hat, den es ebenso langsam wieder verläßt, wie es ihn erreicht hat, um aber mit der Zeit immer rascher zu fallen, den Mittelstand nach 9 Stunden mit größter Geschwindigkeit wieder zu passieren und mit ab- nehmender Schnelle dem tiefsten Ebbestand entgegenzugehen, der nach etwas weniger als 12 Stunden wieder erreicht wird. Den höchsten Wasserstand einer Tide nennt man Hochwasser, den niedrigsten Niedrigwasser, das Steigen des Wassers vom Niedrigwasser zum Hochwasser heißt Flut, das Fallen vom Hoch- zum Niedrigwasser heißt Ebbe. Der senkrechte Höhenunterschied des Wasserspiegels zwischen Niedrig- und Hochwasser heißt der Tidenhub oder kurz der H u b, wie man in der Technik vom Kolbenhub spricht. Gleichbedeutend mit Hub ist in der älteren Literatur der Ausdruck Flut- größe oder Flutwechsel angewandt; zu verwerfen ist eine Gleichsetzung der Ausdrücke Flut mit Hochwasser, Ebbe mit Niedrigwasser, wie sie leider in populären Darstellungen üblich ist. Eine wenigstens 14 Tage lang wiederholte Beobachtung der Gezeiten- vorgänge läßt bald erkennen, daß bei aller Regelmäßigkeit im allgemeinen die Erscheinung doch Abweichungen sowohl in der Zeit des Eintretens der extremen Stände, als auch namentlich in der Höhe derselben erkennen läßt. Namentlich zeigt sich, daß alle 14 Tage der Tidenhub ein Maximum und 8 Tage vor und nach jedem solchen ein Minimum besitzt. Erstere Zeit nennt man die S p r i n g t i d e, die zweite N i p p t i d e. Breusing wollte dafür den Ausdruck Taube Gezeit einführen, an- knüpfend an den Gebrauch der deutschen Seemannssprache (dat dove getide). „Man unterscheidet", sagt er, „Springzeit und taube Gezeit in ähnlichem Sinne, wie man leere, taube Schoten von denen unterscheidet, die aufspringen, wenn sie voll und reif sind." Im Französischen sagt man vives-eaux und mortes- eaux, im Englischen spring tide und neap tide. Letzterer Ausdruck kehrt im deutschen Nipptide wieder; er hat mit dem deutschen Worte nippen aber nichts zu tun, sondern gehört zu einer im Friesischen und Dänischen noch lebenden Wurzel von der Bedeutung kaum oder schwach. Die Dauer einer Flut, d. h. die zwischen einem tiefsten Stand und dem nächsten Hochwasser verstreichende Zeit ist nicht genau 6 Stunden, sondern das Eintreffen verspätet sich von einem Tag zum anderen um etwa 40 Minuten, und dieser Umstand ebenso wie die 14tägige Periode der Springtiden deutet sofort auf den Zusammenhang mit der Bewegung des Mondes. Die Dauer einer Tide entspricht fast genau einem halben Mond- hag, d. h. der Zeit zwischen oberer und unterer Kulmination des Mondes, 'benso wie die Zeit zwischen zwei Spririgtiden der halben Umlaufszeit les Mondes um die Erde entspricht. Für einen bestimmten Ort tritt also Überblick. 201 Hochwasser immer bei einer bestimmten Stellung des Mondes ein. Wenn z. B. heute der höchste Wasserstand erreicht wird, wenn der Mond im Westsüdwesten steht, so tritt am nächsten Tage, wenn der Mond wieder im Westsüdwesten steht, abermals höchster Wasserstand ein. Diese Wahrnehmung, daß die Zeit des Hochwassers mit dem Stand des Mondes in enger Beziehung steht, hat schon frühzeitig dahin geführt, für die wichtigeren Häfen die Hafenzeit (franz. etablissement, engl, esta- hlishment), d. h. diejenige Zeit anzugeben, um welche bei Vollmond oder Neumond das Hochwasser dem Meridiandurchgang des- Mondes folgt. Die Auswahl gerade dieser Mondphasen beruht auf der weiteren Beob- achtungstatsache, daß die höchsten Tiden, die Springtiden, dem VoUmond und Neumond bald nachfolgen, also kurz nach der Zeit eintreffen, wo Mond und Sonne gleichzeitig den Meridian passieren." Da .die Uhrzeit vom Durchgang der Sonne durch den Meridian aus gezählt wird, so gibt die Hafenzeit auch an, um wieviel Uhr bei Springtide der höchste Wasser- stand eintritt. Da nun, wie schon bemerkt, das Hochwasser immer der Mondkulmi- nation annähernd um dasselbe Zeitintervall nachfolgt, so braucht man, nur, um für einen beliebigen Tag die Hochwasserzeit zu finden, aus den astronomischen Ephemeriden die Zeit der Mondkulmination zu entnehmen und die Hafenzeit zuzufügen. Das nächste Hochwasser folgt dann etwa 12^ 25™ später, so daß täglich zweimal Flut und zweimal Ebbe eintritt. Hiervon kommt nur dann eine Ausnahme vor, wenn das Hochwasser auf 12 Uhr oder weniger als 20 Minuten vorher oder nachher fällt, weil in . diesem Falle das vorhergehende Hochwasser noch in der letzten Stunde des vorhergehenden Tages stattgefunden hat, das folgende schon auf die erste Stunde des nächsten Tages fallt. Genauere Verfolgung der zeitlichen Verhältnisse der Erscheinung lehrt aber bald, daß die Zeitdifferenz zwischen dem Meridiandurchgang des Mondes und dem Hochwasser nicht immer streng dieselbe ist, sondern daß sie sich mit dem Alter des Mondes etwas verändert. An den Tagen nach den vier Hauptphasen ist sie dieselbe, aber von Neumond bis zum ersten Viertel und von Vollmond bis zum letzten Viertel trifft das Hoch- wasser etwas früher, in den beiden anderen Quadranten des Mond- umlaufs etwas später ein, als es bei unveränderlichem Zeitintervall der Fall sein würde. So weit ungefähr war die Erscheinungsform der Gezeiten schon bekannt, ehe der erste Versuch zu einer mechanischen Erklärung gelang. Schon den alten Griechen war, obwohl die Gezeiten im Mittelmeer für unmittelbare Beobachtung meist zu klein sind, die Existenz derselben in anderen Meeren wohl bekannt, wie man aus dem Wortlaut ihrer frühesten Erwähnung bei Herodot (Buch II, Kap. 11) schüeßen muß, der von dem Golf von Suez kurz bemerkt, er zeige tägUch Ebbe und Flut, und offenbar voraussetzt, daß diese Erscheinung seinen Lesern etwas Bekanntes sei. Auch die halbmonatliche Periode und der Einklang mit der Mondbewegung war schon sehr früh bemerkt worden, denn Strabo (Buch III, Kap. 5, p. 173 Gas.) zitiert bei seiner Be- schreibung der atlantischen Küste Iberiens eine längere Darlegung des Posi- donius (gest. 51 v. Chr.) über die Gezeiten, welche dies beweist, und auch Cäsar (Bell. Gall. Buch 4, 29) kemit die Springtiden und ihre Beziehung zum Mondesalter, während Plinius (Hist. nat. Buch II, Blap. 97 bis 99) sogar schon 202 I^Je Gezeiten. Mond und Sonne als Ursache der Erscheinung nennt ^). Die Angelsachsen •chatten an ihren Inselküsten vielfältige Gelegenheit, die Gezeiten zu beobachten und man trifEb deshalb schon um das Jahr 700 bei Beda (De ratione temporum Kap. 27) nicht nui; die Vorstellung, daß der Mond die Tiden hervorrufe, sondern auch die Kenntnis der Anomalien im zeitMchen Eintreffen an einem und demsel- ben Orte, der Verschiedenheit der Hafenzeit verschiedener Orte, z. B. der Ost- und Westküste von England, des Fortschreitens der Flutwelle von Norden nach Süden längs der englischen Ostküste und des störenden Einflusses des Windes. Im 16. Jahrhundert beginnen sodann die Erklärungsversuche und haben, obwohl lange erfolglos, doch wahrscheinlich viel dazu beigetragen, daß die empirischen Gesetze der Erscheinung genauer erforscht wurden und schon 1682 durch Flamsteed eine korrekte Gezeitentafel für die wahre Zeit des Hochwassers bei London Bridge auf jeden Tag des Jahres 1683 in den Philo- sophical Transactions> (Vol. XIII, p. 10) vieröffentlicht werden konnte. 4 Jahre später erschienen Newtons Principia mathematica philosophiae naturalis, worin dei; große Denker zum ersten Male den ursächlichen Zusammenhang zwischen den Gezeiten und der Bewegung von Sonne und Mond aufdeckte. Die Kenntnis der zeitlichen Verschiedenheiten und lokalen Besonderheiten der Gezeiten ist aber in den beiden letzten Jahrhunderten noch erheblich an- gewachsen. Was den Tidenhub betrifft, so machen sich außer der halbmonat- lichen Ungleichheit noch andere Abweichungen geltend, die nur bei ge- nauerer Beobachtung erkennbar werden. Namentlich zeigt sich an vielen Orten, daß während eines halben Jahres die Tiden vormittags höher sind als nachmittags, während im nächsten Halbjahr das Umgekehrte statt- findet. An solchen Orten kann man also von einer täglichen und von einer jährlichen Ungleichheit sprechen. Auch im Charakter einer einzelnen Gezeitenwelle geben sich gewisse Unregelmäßigkeiten kund. Die Zeit der Flut, während welcher das Wasser im Steigen begriffen ist, ist z. B. in eingeschlossenen Meeresteilen und Flüssen kleiner als die Ebbedauer, und zwar pflegt dieser Unterschied bei Springtiden größer zu sein als bei NijfJptiden. Überhaupt zeigt sich der Charakter der Gezeiten in hohem Grade von der Begrenzung der Meeresteile abhängig, in denen er beobachtet wird. An kleinen Inseln inmitten großer Meere werden immer nur geringe Hubhöhen gefunden, die 1 m selten erreichen. Es gibt ferner Orte, wo die ^) „Ebbe und Flut sind wie überall im Mittelmeer, so auch im Ägäischen sehr schwach und an den steilen Ufern um so schwerer zu bemerken, als ihre an sich geringe Wirkung durch den Einfluß der Winde oft ganz verwischt wird. Herodot spricht von Ebbe und Flut im Malischen Meerbusen; hier konnte sie am ehesten bemerkt werden, da der Busen seicht ist und die Küste an der Mündung des Spercheios flach einschießt, so daß auch schon eine Niveauveränderung von Vs bis Vz ^^ einen ziemlich breiten Strandstreifen bloßlegt oder überschwemmt. Er erwähnt ferner Ebbe und Flut bei Potidaea unter ziemlich analogen Verhältnissen (Her. VII, 198, VIII, 129)." P a r t s c h- Neumann, Phys. Geogr. Griechenlands, S. 149 f. — Partsch hat auch die Gezeitenerscheinungen in den flachen Syrten nach alten Autoren beschrieben (Pet. Mitteil. 1883, 205). — Am vollständigsten behandeln die betreffenden Kenntnisse der Alten: T h. H. Martin, Notions des Anciens sur les Maries et les Euripes, Caen 1866 (M6m. Acad. imp. des Sc. de Caen); auch Rollin A. Harris in seinem Manual of Tides, part I, cap. 5 (U. S. Coast Survey Rep. 1897, Appendix 8), p. 386 f. und R. A 1 m a g i a in R. Accad. dei Lincei, Roma 1905, Bd. 102. Eine Abhandlung von F. Schühlein, Untersuchungen über des Posidonius Schrift KEpt o>y.»avoö, Bd. 2, Freising 1901, enthält auf S. 83 — 99 nach einer Angabe von E. O b e r h u m m e r wichtige Bemerkungen über das Wissen der Alten von den Gezeiten, ist mir aber nicht zugänglich geworden. Überblick. 203 lialbtägige Ungleichheit so zurücktritt, daß täglich nur eine Tide einzu- treffen scheint. Iii abgeschlossenen kleinen Meeresbecken, wie z. B. im Mittelmeer, werden die Gezeiten fast unmerklich. In Buchten, Flüssen und engen Meeresstraßen werden die mannigfaltigsten und in der Regel auch die höchsten Gezeiten beobachtet. Hier kompliziert sich die Er- scheinung jederzeit mit starken alle 6 Stunden sich umkehrenden Strö- numgen, die überhaupt fast an keiner Küste mit Gezeiten Wechsel fehlen. In jedem kanalförmigen Meeresteil erzeugt die Erhebung des Meeres an der Mündung eine den Kanal entlang sich fortpflanzende Welle und gleich- zeitig eine Strömung, die oft noch lange fortdauert, nachdem schon die Ebbe begonnen hat. Während des Tiefstandes der Ebbe läuft dann die Strömung aus dem Kanal hinaus, welche Bewegung gleichfalls noch längere Zeit nach Beginn der Flut fortzudauern pflegt. Der Wasserstand kulminiert an jedem Punkte im Innern der Bucht oder des Kanals später als am Ein- gang, und zwar um so später, je weiter der Beobachtungspunkt von der Mündung entfernt liegt. Man kann deshalb von einer Tidewelle sprechen, die sich von der offenen See her in den Kanal hinein fortpflanzt und mit ihrem Gipfel nach und nach die verschiedenen Querschnitte des Kanals bis an sein Ende durchläuft. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit, womit dies geschieht, ist nur von der Gestalt des Kanals, d. h. von seiner Tiefe, seiner Breite und den Unregelmäßigkeiten seiner Bildung abhängig. In allen Fällen ist sie viel größer als die Geschwindigkeit, womit etwa das Wasser infolge der Gefällsänderung einwärts strömen konnte. Denn die in die Themse eintretende Flutwelle durchläuft z. B. 40 km in der Stunde. Vergleicht man diese Geschwindigkeit mit derjenigen, welche der Fort- pflanzung des Fluteintritts an glattverlaufenden Küsten zukommt, so zeigt sich, daß letztere immer größer ist als erstere, daß also der Eintritt in engere Kanäle eine Verzögerung der Wellenfortpflanzung im Gefolge hat. In langen Kanälen, wie z. B. Flußmündungen, beobachtet man, daß die Dauer der Flut abnimmt, je weiter man aufwärts geht. So steigt z. B. der Severn bei Newnham innerhalb 1 V2 Stunden vom tiefsten bis zum höchsten Stand und sinkt 11 Stunden lang, bis er wieder sein Minimum erreicht hat. Bei so plötzlichem Ansteigen des Wassers rollt dasselbe über seichte Stellen und niedrige Uferbänke mauerartig in schäumender Brandung aufwärts und bietet die Erscheinung dar, die man Bare oder Bore, im Französischen harre, mascaret, raz de maree nennt. Es gibt auch F 1 u ß g e s ch w e 11 e^), in deren oberen Teilen innerhalb 12 Stunden zwei, ja sogar drei Perioden steigenden und fallenden Wasserstandes sich unterscheiden lassen. Diese Erscheinung tritt ebenso wie die Bore bei Springtiden deutlicher hervor als bei Nipptiden. Wenn Baien oder Fluß- mündungen sich stark verengen, so steigt der Tidenhub bis zu gewaltigen Dimensionen. Berühmt ist in dieser Beziehung die Fundybai zwischen den Küsten von Neuschottland und Neubraunschweig, wo der bei G. Sable am Eingang nur 2.6 m betragende Hub im innersten Winkel der Minenbai bei Noel zur Springzeit normal 15 bis 16 m mißt. Auch an europäischen Küsten werden sehr bedeutende Hübe beobachtet; die größten im Innern ^) Wir verdanken Breusing diesen zutreffenden Ausdruck für den Teil eines Flusses, worin die Gezeiten (aesttia) merklich sind, also für Astuarium in seiner ursprünglichen Bedeutung. 204 Wasserstandsmessung. des Bristolkanals, woselbst am 8. April 1879 am Clevedon-Pier der Wasser- stand 15.9 m über das vorangegangene Niedrigwaaser anstieg ^). Berühmt durch ihre starken Tiden von mehr als 10 m Hub ist auch die Bucht von St. Michel an der Nordküste der' Bretagne (in Cancale bei Springtide 11.47 m). In langen und schmalen Meeresstraßen, wie z. B. im Kanal, befolgen die Gezeiten in der Mitte desselben dieselben Gesetze wie an der Mündung von Flüssen und schmalen Baien. Sie steigen und fallen in ungefähr gleichen Zwischenräumen imd sind von Strömungen begleitet, die 3 Stunden vor und 'S Stunden nach Hochwasser in der einen, und in , den -folgenden 6 Stunden in. entgegengesetzter Richtung laufen. An den Ufern und namentli(3h an der Mündung von Buchten und Strömen werden aber ganz besondere Erscheinungen beobachtet. Statt daß wie in Flüssen das Wasser beim Übergang von Flut zu Ebbe kurze Zeit völlig zur Ruhe kommt, findet hier ein Wechsel der Stromrichtung statt, der in 12 V2 Stun- den alle Kompaßstriche durchläuft, und zwar vollzieht sich die Drehung bald im Sinne. des Uhrzeigers, bald entgegengesetzt. Wir stehen so vor einer Erscheinung, die eine Fülle örtlich wechselnder Eigenschaften aufweist und daher dem wissenschaftlichen Verständnis die größten Schwierigkeiten darbietet. Nur durch ein planmäßiges Studium und durch Aufwand von betrachtlichem Scharfsinn ist es gelungen, die wesentlichen Züge bis zu' einem gewissen Grade des Verständnisses aufzu- hellen. Wir werden aber im folgenden sehen, daß noch manche Rätsel übrig g ^ / / \ k \ \ \ • '/■ — -. N ^ S / f ^y > / Y / A 3, 45 TU \ / I nittl erer '"< J /\ Was »er« tajui >^ s/ ' r V / N. X / \ / r \ / \, / ^" '^. N v y ' / N \ / V X f \ s > \l / < • -s \ V / > \ / \ r / N ---\ S'>ani6 10 U 0"pm 1 MaaAttofi für ixt KöKni. : 4- Tidekurven von Cuxhaven (— ) und von Helgoland ( ). des Wasserspiegels unter einer bestimmten Höhenmarke genau zu messen, was tägUch einmal zu geschehen pflegt. — Es bestehen auch Abänderungen dieses und anderer Apparate, die gestatten, durch elektrische Übertragung die Wasser- stände in beliebigem Abstände vom Wasserschacht in den Baubureaus auf- zeichnen zu lassen. Ebenso wie für die Aufzeichnung von Seiches hat maii auch eine Pneu- matische Übertragung des wechselnden Wasserdrucks mit Erfolg eingeitUirt; der früher beschriebene Apparat der japanischen Kommission (S. 168) registriert neben den seichesartigen Schwingungen selbstverständlich auch die Tidekurven. — Einen besonders originellen Apparat, um auch fern von Land in mäßigen Meerestiefen die Tidekurve aufzeichnen zu lassen, hat der Kapitän zur See Adolf Mensing erdacht und ausgeführ' . Das angewandte .Prinzip ist das des DifEerentialmanometers. Der Apparat wird mit Luft gefüllt in wasser- dichtem Kessel verschlossen zum Meeresboden versenkt und ist durch eine ^) Besclu:eibung des Rcitzschen Pegels in Ann. d. Hydr. 1886, S. 465 (mit Abb.); des Seibt- Fueßschen in Zeitschr. f. Instruraentenkunde 1891 , S. 351 und 1895, S. 193. Über Pegel in Gebieten strenger Winter vgl. W. B. D a w s o n in Min. o£ Proc. of the Instit. of Civil Engineers 1901/02, Bd. 149, Heft 3. 208 Theorie der Gezeiten. 30 Tage laufende Uhr imstande, den periodisch mit der Tide wechsehiden "Wasserdruck durch Registrierung der gleichzeitig wechselnden Dichte der Kesselluft auf einem Papierstreifen zu verzeichnen. Versuche im Jadebusen haben erwiesen, daß der Hochseepegel Mensings praktisch brauchbar ist; nur ist er sehr köstspiehg herzustellen^). Der Anblick der Aufzeichnungen eines Flutautographen führt besser als alle Beschreibung in Worten die Unregelmäßigkeiten der Gezeiten vor Augen, von denen zuvor die Rede war.. Statt einer einfach in gleichen und symmetrischen Wellen auf- und absteigenden Linie sieht man eine mehr oder weniger unregelmäßig verzerrte Wellenlinie mit lauter unter sich verschiedenen Wellenbergen und Tälern. Um hier wenigstens ein Beispiel von normalen Tidekurven zu geben, folgen solche von Cuxhaven imd von Helgoland (letztere gestrichelt), und zwai? je für einen Tag, den 19. August, wo der Mond gerade aus der Quadratur herausgetreten ist, und einen Vollmondtag, den 26. August 1866. Am ersten von beiden Taggn war fast Nipptide, am anderen fast Springtide. Diese Kurven sind zwar nicht an einem Flutautographen aufgezeichnet, aber durch viertelstündige und um die Kulminationszeit fünf minutliche Ablesungen erhalten . worden. Sie sind von H. Lentz ^) so ausgewählt, daß sie, weil an windstillen Tagen beobachtet, von dem Einflüsse des Windstaus unabhängig sind und das Gezeitenphänomen möglichst rein zum Ausdruck bringen. Eine Analyse und Diskussion solcher Tidekui?ven ist mit Nutzen aber erst dann in Angriff zu nehmen, wenn die Ursachen der Gezeiten vom theoretischen Standpunkte aus besprochen sind. III. Theorie der Gezeiten. Der zeitliche Parallelismus zwischen den Gezeiten und den Bewe- gungen von Sonne und Mond war, wie oben S. 201 schon flüchtig an- gedeutet, bereits den griechischen Geographen bekannt. Das Verständnis des physischen Zusammenhangs hat aber erst Newton erschlossen, indem e'r die Erscheinung als eine notwendige Folge der von ihm entdeckten allgemeinen Gravitation erklärte. In seinem berühmten Werke Principia matMmatica philosophiae naturalis hat er (Buch III, prop. 36 und 37) den Unterschied der Wirkungen von Mond und Sonne auf die zugewandte und abgewandte Seite der Erde betrachtet und daraus gefolgert, daß der Ozean auf jeder von beiden Seiten eine Anschwellung erfahren müsse, ■welche bei jeder Umdrehung der Erde jedem an der Meeresküste stehenden Beobachter zweimal bemerkbar werde. Newton hat also nur die Natur der Kräfte kennen gelehrt, welche die Erscheinung bewirken. Auf seine theoretischen Andeutungen hin ist 50 Jahre später infolge einer von der Pariser Akademie gestellten Preisaufgabe die sogenannte Gleichgewichts- theorie der Gezeiten von Euler, Maclaurin und Daniel Bernoulli ausgearbeitet worden (Pieces qui ont remporte le prix de l'acad. 1740). ^) Zeitschr. f. Instrumentenkunde 1903, Novemberheft. Dazu die Bemerkungen von L. M a r i n i in Rivista marittima, 1905, Dezember. «) Flut und Ebbe, Hamburg 1879, S. 48 und Fig. 15. Die Gleichgewich tfltheorie. 209 Unter diesen Arbeiten zeichnet sich die Bernoullis durch Vollständigkeit und praktische Brauchbarkeit aus, indem sie bereits theoretisch berechnete Tafeln für das EintrefEen der Gezeiten während einer ganzen Lunation, d. h. eines Mondumlaufes enthält. 1. Die Gleichgewichtstheorie. Die Wirkungsweise der Anziehung von Sonne und Mond auf die flüs- sige Umhüllung der Erde läßt sich in ganz elementarer Weise überschauen, obwohl eine präzise Ableitung der sogenannten fluterzeugenden Kräfte nur mit Hilfe der höheren Mathematik niöglich ist. Auch die elementare Darstellung kann verschiedene Wege einschlagen, wobei eine geringere oder größere Genauigkeit der Betrachtung wie des Endergebnisses zu erzielen ist. Wir versuchen zunächst den einfachsten Weg und denken \ms einmal den Mond nicht vorhanden. Die Bewegung der Erde um die Sonne kann als ein durch die Anziehung der letzteren verursachtes Fallen gegen sie angesehen werden, das sich mit der Bewegung in tangentialer Kichtung kombiniert, um die wirkliche krummlinige Bahn zustande zu bringen. Ist (Fig. 54) S die Sonne, E die Erde, so würde sich, wenn die Anziehung der ersteren auf diese _. nicht vorhanden wäre, ^ die Erde in der Rieh- \ tung der Tangente ge- EjUt radhnig weiterbewegen ^-^ ^ ' jV und in der Zeiteinheit \^y^^ _. Ij z. B. bis T gelangen. ^E Durch da»s Vorhanden- / sein der Anziehung / fällt sie aber in der- / selben Zeit um ein . , Oi." 1 /nK'/ j- Fluterzeugende Kraft der Sonne. Stuck TE' gegen die Sonne und befindet sich doshalb am Ende der Minute nicht in T, son- dern in E' auf ihrer elliptischen Bahn. Hierbei ist stillschweigend vor- ausgesetzt, daß die Erde wie ein schwerer Punkt betrachtet werden könne. In Wirklichkeit besteht aber die Erde aus einem Aggregat von Massepunkten, auf deren jeden die Anziehung der Sonne wirkt, die also sämtüch nach der Sonne hin fallen. Die Anziehung der Sonne auf jeden Punkt ist aber umgekehrt proportional dem Quadrat der Entfernung, sie wirkt folglich auf die der Sonne zugekehrte Seite der Erde etwas stärker als auf die abgewandte und, da ein Teil der die Erdoberfläche zusammen- setzenden Massen flüssig, also leichtbeweglich ist, werden die Flüssig- keitsteile auf der zugewandten Seite etwas rascher gegen die Sonne fallen als der Erdmittelpunkt, die abgewandten etwas langsamer. Inner- halb der Zeit, in welcher der Erdmittelpunkt den Weg TE' zurück- legte, machen deshalb die zugewandten Teilchen einen etwas längeiou, die abgewandten einen etwas kürzeren Weg als TE'. Die flüssige Um- hüllung der Erde wird deshalb in der Richtung auf die Sonne zu etwas auseinander gedehnt. Nimmt man zunächst zur Vereinfachung an, daß die ganze Erde von Flüssigkeit bedeckt sei, so würde dieser Ozean eine KrUmmel, Ozeanographie. II. 14 210 Die Gleichgewiohtstheorie. ri<'. 55. ellipsoidische Gestalt annehmen, weil sämtliclie Teilchen, deren Ent- fernung von der Sonne größer als die des ihr nächsten und kleiner als die des fernsten sind, in stetig abnehmendem Grade an dieser Verschie- bung teilnehmen und nur diejenigen Teilchen unberührt bleiben, die von der Sonne ebensoweit entfernt sind wie der Erdmittelpunkt, also auf einem Kreise liegen, dessen Ebene senkrecht zur Kichtung nach der Sonne durch den Erd- mittelpunkt ge- legt ist. Dieser Kreis erscheint in der Fig. 55 als gerade Linie J^ 5. Sein Durchmes- ser bildet die kleine Achse des gestreckten Ro- tationsellipsoides, in welches die flüssige Erdum- Entstenung des Flutellipsoids und der täglichen Ungleichheit. 1,-n ••>, geht. Da die Erde sich im Laufe von 24 Stunden einmal um ihre Achse PP' dreht, die Verbindungslinie der Flutprotuberanzen bei Z und N immer auf die Sonne hin gerichtet bleibt, so bewegt sich jeder Ober- flächenpunkt des festen Erdkerns im Laufe eines Tages einmal unter der vorderen und 12 Stunden später unter der hinteren Protuberanz durch, hat also zweimal Hochwasser, in den Zwischenzeiten aber passiert er zweimal den Kreis niedrigsten Wasserstandes. Was hier für die Sonne gezeigt wurde, Heße sich mit den erforderlichen Abänderungen auch wohl auf den Mond übertragen. Es empfiehlt sich aber, dem Umstand, daß der Mond um die Erde läuft und nicht umgekehrt, Rechnung zu tragen und dabei zu bedenken, daß von zwei freien, sich anziehenden Körpern streng genommen keiner in Ruhe bleibt, während der andere ihn umkreist. In der Tat bewegen sich beide um ihren gemein- samen Schwerpunkt, der allerdings wegen der Kleinheit der Mondmasse im Vergleich zur Erdmasse näher dem Erdmittelpunkt liegt und tatsächlich noch in den Erdkörper hineinfällt, etwa ^4 Erdradien vom Erdmittel- punkt entfernt. Da nämlich die Masse der Erde 81.45mal größer ist als die des Mondes und die Entfernung des Mondes vom Erdmittelpunkt im Mittel 384 400 km beträgt, ist der Abstand des gemeinsamen Gravitations- zentrums des Körperpaares 384 400: 8L45 = 4720 km; in Teilen des mittleren Erdradius (6370 km) ausgedrückt, sind dies 0.74. Um dieses Zentrum drehen sich Erde und Mond in einem Monat einmal herum ^). Beide haben aber daneben noch eine Rotation um ihre eigene Drehungs- achse, der Mond dreht sich bekanntlich in einem Monat um seine Achse, ^) Die nun folgende Darstellung ist wesentlich nach William Morris Davis entwickelt: Journal of School Geography, 1898, Bd. 2, Nr. ■^ (April), p. 129. Vol. dazu George Howard Darwin, Ebbe und Flut, sowie verwandte Er- Soneinungen im Sonnensystem, deutsch von A. P o c k e 1 s, Leipzig 1902, S. 83 f. und F. Bidlingmaier, Ebbe und Flut (Meereskunde, Berlin 1908, Heft 6). Elementare Ableitung der fluterzeugenden Kräfte. 211 die Erde in einem Tage um die ihrige. Das genannte gemeinsame Gra- vitationszentrum hat also keine feste Lage im Erdkörper, sondern wandert entsprechend den wechsehiden gegenseitigen Stellungen der Erdachse zur Verbindungslinie Erde-Mond in spirahger Kurve innerhalb des Erd- körpers hin und zurück; seine rasch wechselnde Lage ist wesentlich von der Deklination des Mondes abhängig. Wir müssen mm diese eigene Achsendrehung der beiden. Himmelskörper zunächst völlig ausschalten. Zu diesem Zwecke fassen wir die einfachste Stellung, wo die Verbindungs- linie vom Erdmittelpunkt zum Mondmittelpunkt durch den Erdäquator M, Verscbiebung des gemeinsamen Schwerpunktes des Systems Erde-Mond bei verschiedenen Stellungen des Mondes zur Erde. geht, ins Auge. Jeder der vier in der Fig. 56 dargestellten Kreise ist der- selbe Äquatorialschnitt durch den Erdkörper. Die Drehung um den Systemschwerpunkt G erfolgt nun so, daß alle Punkte des dargestellten Schnitts unverändert dieselbe Orientierung behalten. Es wandert dann das Gravitationszentrum G innerhalb der dargestellten Schnittfläche a-f der punktierten Linie (um E^ herum) und behält dabei zum Erdmittel- punkt oder zu irgend einem beliebigen Peripheriepunkt P die gleiche ursprüngliche Orientierung. Dabei beschreiben alle Punkte gleich große Kreiae (nämlich vom Ra(üus EG), die aber nicht konzentrisch, sind, und alle Punkte bewegen sich in einem gegebenen AugenbUck in derselbe» 212 IJie Gleichgewichtstheorie. Richtung. Die Folge davon ist, daß die bei dieser Art Revolution oder translatorisclien Rotation entstehende Zentrifugalkraft allerorten gleich groß und gleich gerichtet sein muß. Das ist das erste, was wir fest- halten müssen^). Das zweite bezieht sich auf die gegenseitigen An- ziehungen von Erde und Mond. Die Erde zieht den Mond an, aber Fig. 57. Relative Größe der vom Monde herrührenden fluterzeugenden Kräfte im Verhältnis zur Zentrifugalkraft. auch umgekehrt der Mond die Erde, wenn auch diese seine Anziehung sehr klein sein wird. Aus der Tatsache, daß die Entfernung beider in historischen Zeiten unverändert gleich geblieben ist, muß geschlossen werden , daß diese Anziehungen durch die gleichzeitig vorhandenen ^) Die Fig. 56 erfordert noch einige besondere Erläuterungen. Während sich der Erdmittelpunkt der Reihe nach von E-^ nach E^, E^, E^ und wieder zurück nach E-^ bewegt, bleibt die Orientierung des Peripheriepunktes Pj unverändert, so daß sich die Linien PiE-i, P^E^, PsE^, P^Ei einander parallel verschieben. Man denke flieh im Himmelsraum die Richtung EP etwa auf den am Äquator stehenden Stern e im Gürtel des Orion festgehalten: dieser Stern wird dann stets an derselben Stelle des Himmels, z. B. im Ostpunkte des Horizonts sichtbar sein. Alle Punkte der auf diese Weise bewegten Scheibe durchlaufen dabei Kreisbahnen von gleichem Radius und in gleichem Sinne; in der Figur ist die Bahn P^P-iP^ und E^E^E^ durch die kleinen Pfeile hervorgehoben, und man sieht, daß die zugehörigen Radien p Pj^ und GE^ einander gleich sind, nämlich = ^/^ des Erdradius. Die Richtung auf den Mond ist für die Stellung 1 gegeben durch die Gerade Ej^G3Ii, für die Stellung 2 durch E^O M^ usf., so daß der Mond in derselben Zeit einen Umlauf imi den gemeinsamen Systemschwerpunkt G der Figur zurücklegt. Dieser Punkt G selbst aber gehört für jede der dargestellten vier Phasen einem anderen Sektor der Scheibe an (die Winkel P^EiG, P^E.G, P^E^G, und P^E^G sind jedesmal andere!), so daß auch hieraus ersichtlich wird, daß G seinen Umlauf in einem gleich großen Kreise, wie alle anderen Punkte der Scheibe, nämlich mit ^4 Erdradius vollendet. — Wollte man, wie in einigen populären Darstellungen dieser Vorgänge unrichtig geschieht, für die ver- schiedenen Phasen dieser Revolution den Punkt G als Drehpunkt für die Scheibe festselicn, so würden natürlich alle Punkte der Scheibe gleichzeitig Kreise be- schreil^en, die aber dann konzentrisch sein und deren Radien nach der von O ftbgewandten Seite hin wachsen müßten. Alsdann aber ließe man doch die Erde bei einer solchen Rotation um G in einem Monate gleichzeitig eine Drehung um Elementare Ableitung der fluterzeugenden Kräfte. 213 Zentrifugalkräfte völlig aufgewogen werden, Ist in Fig. 57 EH der An- ziehung des Mondes proportional, so muß E F die Leistung der Zentrifugal- kraft vorstellen und EF = EH sein, da sonst der Abstand Erde-Mond EM nicht gleich bliebe. Fassen wir nun das Verhältnis der Anziehungen und Zentrifugalkräfte in A und B ins Auge, so erweist sich in A die Mond- anziehung wegen der großen Nähe des Mondes größer als in E; sie sei in A = a; anderseits ist sie in B wegen des größeren Abstands vom Mond kleiner als in E, sie sei = 6. Die Zentrifugalkraft aber ist in allen Punkten des dargestellten Schnitts durch die Erde gleich groß, nämlich = c. Daraus ergibt sich, daß in A die Differenz a — c = d einen Restbetrag d der Mondanziehung übrig läßt, der von A aus alle beweglichen Teile auf den Mond M hin zieht, in B aber b — c = — d einen gleichen Restbetrag läßt, der ebenfalls von der Erdoberfläche hinweg nach außen zieht, aber in entgegengesetzter Richtung wie in -4. In P und Q ist ein Kräftepaar vorhanden, dessen Resultierende jedesmal auf den Erdmittelpunkt gerichtet ist. Denken wir uns nun eine flüssige Hülle um den Erdkörper gelegt, so wird diese durch die dargestellten resultierenden Kräfte in A und B eine Aufwölbung, in P und Q eine Depression erfahren; so bildet die Wasser- Fig. 58. M Richtung und Stärke der fluterzeugenden Kräfte nach G. H. Darwin. hülle unter der Einwirkung dieser fluterzeugenden Kräfte ein FlutelUpsoid. Beistehende Fig. 58 zeigt nach G. H. Darwin die Richtungen und die relative Stärke dieser Kräfte in bestimmten Winkelabständen von der Verbin- dungslinie Erde-Mond. „Es. verlohnt sich wohl kaum der Mühe," sagt Ernst Mach^), „Sätze, ihre Achse machen, d. h. der Stern s im Orion würde jeden Tag eine andere Stelle am Himmel einnehmen: am Tage der Stellung 1 im Ostpunkte des Horizonts, nach einer Woche im Südpunkte; nach wieder einer Woche würde er im Westen unter- gehen und während eines halben Monats überhaupt unsichtbar sein, um dann nach Ablauf eines vollen Monats wieder im Ostpunkte aufzugehen. Es kommt hier aber gereide darauf an, alle Achsendrehungen der beteiligten Himmelskörper für die Betrachtung zunächst auszuschalten. ^) E. Mach, Die Mechanik in ihrer Entwicklung. 3. Aufl. Leipzig 1897, S. 209. 214 Die Gleichgewichtstheorie. welche man am besten auf deduktivem Wege erkennt, durch Experimente zu erläutern, die nur schwierig anzustellen sind. Unmöglich dürften aber solche Experimente nicht sein. Denken wir uns eine kleine eiserne Kugel {K) als Kegelpendel um einen Magnetpol (M) schwingend, und bedecken wir die Kugel mit einer magnetischen Eisensalzlösung, so dürfte der Tropfen bei hin- reichend kräftigem Magneten das Flutphänomen darstellen. Denken wir uns aber die Kugel dem Magnetpol gegenüber fixiert, so wird der Tropfen sicherlich nicht auf der dem Magnetpol zugewandten und abgewandten Seite zugespitzt er- scheinen, sondern nur auf der Seite des Magnetpols an der Kugel hängen bleiben. " Auf die Wasserhülle selbst wird ab^ nur die horizontale Komponente der fluterzeugenden Kraft wirksam. Die vertikale, gegen die Schwerkraft gerichtete Komponente wird nur dazu dienen, die Dichtigkeit der Wasser- säule in A und B (Fig. 57) zu vermindern, in P und Q zu vergrößern und Experimentelle NachahmuBg der Tiden (nach E. Mach). Verteilung der fluterzeugenden Kräfte über die Erd- oberfläche. zwar beides in so miniinalem Maße, daß wir ganz davon absehen dürfen. Da der Spielraum der vertikalen Kräfte nach der genauen Analyse. H=S -=-' ( - ) . g = 0.000 000 169 g ist, wo M die Masse des Mondes, E die der Erde, p den mittleren Erdradius (6370 km), r den mittleren Abstand Erde -Mond (= 60.34 Erdradien) und g die bekannte Gra- vitationskonstante bedeutet, und die Höhe der Wassersäule umgekehrt proportional zu der wechselnden Dichte schwankt, wird ein Ozean von 5000 m Tiefe infolge dieser vertikalen Komponente rechnungsmäßig nur ÖOOO X 0.000 000 169 m = 0.85 mm Höhendifferenzen erleiden. Anders die horizontale Komponente der fluterzeugenden Kraft: sie bewirkt einen Massentransport innerhalb der Wasserdecke der Erde auf diejenigen beiden Punkte hin, in welchen die Verbindungslinie vom flut- erzeugenden Gestirn zum Erdmittelpunkt die Erdoberfläche schneidet. Sie erreicht das Maximum ihrer Transportkraft in einem Abstand von Absolute Größe der fluterzeugenden Kräfte. 215 45° von diesen Schnittpunkten; ihre Wirkung auf einer ganz mit Wasser bedeckten Erdkugel ist auf beistehender Fig. 60 in perspektivischer Zeich- nung veranschaulicht. Die analytisch abgeleiteten Ausdrücke für die beiden Komponenten der fluterzeugenden Kraft des Systems Erde-Mond sind: für die horizontale Komponente = 3 m —3- • sin Q ■ cos O, ■ für die vertikale Komponente = 3 m -y I cos ^ Q — '%)* worin Q den mittleren Erdradius, m die Masse des Monds in Bruchteilen der Erdmasse, f) den Winkel zwischen dem Radius q eines gegebenen Punktes P und der Verbindungslinie zwischen Erdmittelpunkt und Mondmittelpunkt bedeuten. Beide Formeln lassen sich zwar auch auf elementarem Wege, wenn auch sehr umständhch ableiten ^), aber die höhere Ajialysis führt kürzer zum Ziel*). Die Formeln für das System Erde-Sonne sind leicht nach den anderen niederzuschreiben. Die von der fluterzeugenden Kraft, sei es des Mondes oder der Sonne, hergestellten Flutellipsoide weichen beide nur ungemein wenig von der Kugelform ab, wie sogleich bewiesen werden soll. Das Wasser steigt und fällt daher vermöge der Wirkung jedes von beiden Himmelskörpern nur um sehr geringe Größen gegen denjenigen Stand, den es haben würde, wenn Sonne und Mond nicht vorhanden wären. Da aber Sonne und Mond ihren Umlauf um die Erde in verschiedener Zeit ausführen, also auch zu verschiedenen Zeitpunkten über anderen Punkten der Erdoberfläche senkrecht stehen, so würden auch die beiden Flutellipsoide zu verschiedenen Zeiten, jedes für sich, in verschiedener Lage sich befinden. Jeder Punkt der Meeresoberfläche ist in jedem Augenblick von zwei Impulsen ergriffen, einem von der Sonne und einem vom Mond ausgehenden. Jeder für sich würde ihn in ein bestimmtes Ellipsoid bringen. Durch das Zusammen- wirken beider wird aber weder das eine noch das andere Ellipsoid zustande kommen, sondern ein neues Ellipsoid, das jeden Augenblick seine Form ändert. Da an jedem Punkte beide Impulse in derselben Richtung, näm- lich derjenigen des Erdradius wirken, so ist der resultierende Impuls die algebraische Summe der beiden zusammenwirkenden und man erhält für einen bestimmten Ort und Augenblick die wirkliche Wasserhöhe da- durch, daß man die Höhe, die bei dem alleinigen Vorhandensein des Mond- flutellipsoids stattfinden würde, zu derjenigen addiert, die beim alleinigen Vorhandensein des Sonnenellipsoids eintreten würde. Da die gegenseitige Stellung von Sonne und Mond sich nur langsam ändert, so ändert auch das resultierende Ellipsoid seine Form nur sehr langsam. Unter seinen Formen gibt es zwei extreme. Die eine findet statt, wenn Sonne, Mond und Erde in einer geraden Linie stehen, wie es bei Vollmond uiid Neumond wenigstens annähernd der Fall ist. Dann liegen nämlich die großen Achsen beider Ellipsoide in derselben geraden. *) Vgl. Aloy.s Müller, Elementare Theorie der Entstehung der Gezeiten, Leipzig 1906, S. 38—63, und Beiträge zur Geophysik 1909, Bd. 10, S. 121—151 mit H. V. Seh aper in Ann. d. Hydr. 1910, S. HO, 274, 281. *) R. Harris im Manual of Tides II (U. S. Coast Survey Report 1897, Append. 9), p. 508 und G. H. Darwin im Artikel Tides der Encyclopaedia Bri- tannica. 216 I^iß Gleichgewichtstheorie. Linie und die Flutprotuberanzen fallen aufeinander, addieren sich also in der günstigsten Lage und geben die bedeutendsten Fluthöhen, die möglich sind, die Springtiden. Diese Stellung der Gestirne nennt man die der Syzygien. Der zweite extreme Fall findet in der Stellung der Quadraturen statt, wo die vom Erdmittelpunkt nach Sonne und Mond gezogenen Linien einen rechten Winkel einschließen, der Mond also im ersten oder letzten Viertel steht. Da kreuzen sich die Achsen der beiden Flutellipsoide rechtwinklig, die Flutprotuberanzen des Mond- ellipsoides fallen in diejenige Kreisperipherie, auf welcher das Sonnen- ellipsoid niedersten Wasserstand hat, und umgekehrt. Es subtrahieren sich also die bezüglichen Wasserhöhen . voneinander (indöm die Tiefen unter Mittelstand als negative Summanden auftreten), und das Resultat sind äußerst geringe Fluthöhen, die N i p p t i d e n. Bevor indessen der Verlauf der Erscheinung in den Zwischenlagen zwischen diesen beiden Extremen verfolgt werden kann, ist es nötig, die Zahlenverhältnisse der theoretischen Flutgrößen nach der Gleichgewichts- theorie wenigstens annäherungsweise kennen zu lernen. Wenn man die Erdmasse = 1 und die Mondmasse = m setzt, so ist nach S. Newcomb m = 1/81.45. Die Anziehung des Mondes im Erd- mittelpunkt ist proportional mjr^, wenn r die Entfernung zwischen den Mittelpunkten beider Gestirne ist. An dem Punkte hingegen, wo die Verbindungslinie derselben die Erdoberfläche schneidet, ist die Anziehung des Mondes etwas größer, weil dieser Punkt dem Monde um die Länge p des Erdradius näher liegt. Sie ist ausgedrückt durch m/{r — p)". Die Differenz beider Anziehungen ist es, welche die Wasserteüchen auf dem letzteren Punkte von dem Erdmittelpunkt abzieht und die Flutprotuberanz erzeugt. Diese Differenz ist: m mm {r — pY (FF-) Das Verhältnis p/r des Erdradius zur Entfernung des Mondes ist = 1 : 60.34. Es ist also nur ein kleiner Bruch, der in dem Nenner in obigem Ausdruck von der Einheit abzuziehen ist. Dividiert man mit diesem Nenner in die Einheit, so erhält man die fluterzeugende Kraft wobei die weiteren bei der Division sich ergebenden Glieder, die nur zweite oder höhere Potenzen des kleinen Bruchs p/r enthalten, vernachlässigt sind, weil sie unmerklich werden. Es bleibt also nur als Ausdruck der Kjaft, die ein Wasserteilchen der Oberfläche zu heben strebt: 2m p/r ^ Die Kraft, womit die Erde ein Teilchen ihrer Oberfläche anzieht, ist aber = i/p 2, und die vorhergehende ist nur ein kleiner Bruchteil a von dieser, nämlich : ^^^ r^_2mp3_^ 1 ^^ r^ pa • r3 8945000 Die fluterzeugende Kraft des Mondes ist also rund ein Neunmillionstel der Schwerkraft. Absolute Größe der fluterzeugenden Kräfte. 217 Wenn der Radius der nicht durch die Mondanziehung gestörten Wasseroberfläche an der betrachteten Stelle = p, die Anziehung der Erde auf diesen Punkt ihrer Oberfläche daher Hp ^ ist, so kann, nachdem durch die fluterzeugende Kraft des Mondes eine Verminderung des Zugs, den die Wasseroberfläche gegen den Erdmittelpunkt erfährt, eingetreten ist, dieselbe nicht mehr in derselben Entfernung p vom Erdmittelpunkt sich im Gleichgewicht befinden, sondern erst in einer größeren Entfer- nung p + A, in welcher die Anziehung der Erde sich um einen Bruchteil vermindert hat, welcher gleich der fluterzeugenden Kraft ist. Dann erst ist wieder Gleichgewicht zwischen beiden in entgegengesetzter Richtung wirkenden Kräften möglich. In der neuen Lage ist die Schwerkraft an der Oberfläche = i/(p + h) ^, die Verminderung ist also 1 1 (P + ^ H'"o4)') Führt man die Division aus und vernachlässigt die zweite und höhere Potenzen des kleinen Bruchs hfp , so erhält man — - • , d. h. den p2 p kleinen Bruchteil 2Ä/p der ganzen Anziehung der Erde. Vorher wurde aber gefunden, daß die fluterzeugende Kraft = ^s 945 000 derselben Anziehung ist. Es muß deshalb, da diese gleich jener Anziehungsverminderung sein soll, 2h _ 1 p ~ 8945000 sein, woraus, da p = 6 370 300 m ist, folgt: h = 0.356 m. Unter den gemachten vereinfachenden Voraussetzungen würde also die durch den Mond erzeugte Flutprotuberanz nur 356 mm betragen. Die oben angesetzte Formel für a kann ebensogut dienen, um den Bruchteil zu berechnen, den die fluterzeugende Kraft der Sonne von der Erdanziehung bildet. Man braucht nur statt der Mondmasse m die Sonnen- masse s und statt der Mondentfernung r die Sonnenentfemung R zu setzen, dann gibt ß = 2sp^i'R^ den gesuchten Bruchteil. Setzt man s = 333 400, denn sovielmal ist die Erdmasse in der Sonne enthalten, und Ä = 23 484 p, so wird ß = V19420000 = 0.000000 0515. Der Effekt der Sonnenanziehung wird deronach werden: 2h'lp = 1/19420000 und Ä' = 0,164 m. Die Sonnenanziehung erzeugt also eine Flutprotuberanz von 164 mm, so daß die Mondanziehung sich 2.171mal stärker erweist als die der Sonne und sich beide zueinander verhalten wie 100 zu 46. Diese Effekte haben die berechneten Größen indes nur an derjenigen Seite der Erdkugel, welche dem anziehenden Gestirn zugewandt ist; sie repräsentieren also nur die Zenitfluten. Auf der abgewandten Erdhälfte wird die Anziehung schwächer werden, und zwar ergibt eiije 218 ' I^iß GleichgewichtBtheorie. nach obigen Prinzipien ausgeführte Rechnung, daß die Nadirflut um ^20 kleiner ausfällt als die Zenitflut. Die sehr viel schärfere Resultate gebende Potentialtheorie aber zeigt, daß dieser Unterschied nur halb so groß ist, etwa V43- Darum können wir ihn für das Folgende vernach- lässigen. Schon Newton dachte sich, da die beiden Flutprotuberanzen sich diametral auf der Erdoberfläche gegenüberliegen, die Gestalt der flüssigen Erdkugel aus der Kugelform übergehend in die eines Ellipsoids, welches durch Rotation um seine auf den Mittelpmikt der Sonile gerichtete große Achse entsteht. Alsdann können wir die Gestalt des EUipsoids auch an anderen Stellen, als den extremsten der Protuberanzen, untersuchen. Da das Volum der Erdkugel das gleiche geblieben, nur die äußere Gestalt geändert ist, so hat das neu entstandene Ellipsoid mit der Erdkugel gleiches Volum. Nennen wir a die große Halbachse, & die kleine Halbachse des Ellipsoids, so ist */3p|3^= '^/^abH. Die kleine Achse steht senkrecht auf der großen, die in der Verbindungslinie zwischen Erd- und Sonnen- mittelpunkt liegt. Berechnen wir also die Länge von b, so gibt uns diese ein Maß für denjenigen Betrag, nm welchen die beweglichen Teilchen der Erdoberfläche an deii Stellen, welche um 90/* von den Protuberanzen abstehen, unter ihre ursprüngliche Lage gesunken, also dem Erdmittel- punkt näher gekommen sind. Setzen wir nun die halbe große Achse a = p -f Ä (Ä ist oben berechnet), so ist die kleine Halbachse 6 = p — x. Die Gleichung p2= (p — x)'^ . (p -\- h) ergibt, da x im Vergleich zu p eine sehr kleine Größe ist, deren Produkte und zweite Potenzen man also vernachlässigen darf, 2x=h, also x= ^/^h. Die Depression an den um 90 *• von den Flutprotuberanzen abstehenden Punkten beträgt also die Hälfte der Auftreibung an den letzteren, d. h. von der Sonnenflut 82, von der Mondflut 188 mm. Der ganze Niveauunterschied zwischen dieser Depression und der Protuberanz wird demnach bei der Mondtide: 356 + 178 = 534 mm, bei der Sonnentide: 164 + 82 = 246 mm. Diesen Niveauunterschied haben wir als Tidenhub bereits kennen gelernt. Es wäre nun unrichtig, zu behaupten, daß überall . und unter allen Um- ständen das Mittelniveau des Meeresspiegels zu Vs der ganzen Flutwellenhöhe anzunehmen sei, so daß die Erhebung des Hochwassers über dieses Niveau doppelt so groß ist wie die Depression des Niedrigwassers unter dasselbe. Airy (Tides and waves, § 34) zeigt, daß dies mit der Newtonschen Theorie selbst in Widerspruch steht. Für die Sonnentide allein z. B. lautet die entsprechende Formel, wobei A im Metermaß = 0.082 ist, Ä' = ^ (3 cos2 0 — 1). Hier bedeutet & den Winkel, welchen der nach einem bestimmten Punkt der Erdobexfiäche gezogene Erdradius mit derjenigen Geraden macht, welche das Erdzentrum mit dem Sonnenzentrum verbindet. Man sieht, für 0 = 0 oder e= 180 ^ wird der in der Klammer stehende Ausdruck = 2; also h' = 0.164, wie wir oben fanden. Bei 0=90° wird derselbe Ausdruck gleich — 1, also h' = 0.082. Um nun aber die mittlere Höhe des Wasserstandes zu erhalten, müssen wir untersuchen, welche Form die Erdoberfläche unter der Einwidcung der mittleren Kraft der Sonne annimmt, und erst dann die Abweichung des gestörten Niveaus von diesem mittleren zu finden suchen. Größe der Spring- und Nipptiden. 2J9 Denken wir uns die Sonne über dem Äquator stehend und die ganze Erde mit Wasser bedeckt, nur gerade unter dem Äquator eine kleine Insel, so wird, wenn wir die Erde sich unter ihrer deformierten WasserliüUe drehen lassen, ein dort aufgestellter automatischer Pegel das "Wasserniveau in allen Phasen zwischen Hoch- und Niedrigwasser kontinuierlich aufzeichnen. Indem wir nun das Mittel aus allen Einzelhöhen dieser Kurve nehmen, erhalten wir das mittlere Niveau des Meeres an dieser Insel., Unsere obige allgemeine Formel können wir nun auch so schreiben: h'=^A (1(1 + cos 2 a) - l) = ^ (I + |cÖ82e). Wenn bei der Drehung der Erde 0 alle Werte zwischen Null und 360 " durch- läuft, so geht auch 2 & durch gleiche positive und negative Werte. Das Mittel daraus aber ist 1 ; also k' im Mittel unter der Einwirkung der Sonne = y, A. Subtrahieren wir diesen Wert von der tatsächlichen durch die Formel Ä (3 cos * ö — 1) gegebenen Erhebung, so haben wir als Effekt der perio- dischen fiuterzeugenden Sonnsnkraf fc : h' = A {3 cos ^ Ö — ^2)- Ist ii^m & = 0 oder 180", so ist cos^ Q = 1, also dann h' --=^ 7a ^ i^i Maximum; bei 0 = 90 " wird cos 0=0, also h' = — ^2 A im Minimum. Die größte Protuberanz ist also auch nach der Newtonschen Theorie gleich der größten Depression, also Hochwasser und Niedrigwasser liegen um den gleichen Betrag vom Mittelniveau entfernt. Denken wir uns nunmehr gleichzeitig den Mond und die Sonne in der Richtung der großen Achse des Flutsphäroids stehend, wie das bei den Syzygien geschieht, so werden die beiden Protuberanzen zusammen- fallen und sich verstärken, ebenso aber auch die beid^i Depressionen. Es wird alsdann der Niveauunterschied zwischen höchstem und niedrigstem Wasserstande 534 + 246 = 780 mm werden; worin wir also das Maß für den Hub der Springtide erblicken dürfen. Nun braucht die Sonne bekanntlich 24 Stunden, um für denselben Ort wieder im Mittage zu erscheinen, der Mond aber eine längere Zeit, welche zwischen 24^ 38°^ und 25^ 8"^ schwanken kann und im Mittel etwa 24^ 50''* beträgt. Aii dem Tage, welcher auf die Syzygien folgt, wird also wieder um Mittag Sonnenhochwasser eintreten, wie am Vortage; dagegen sich das Mondhochwasser um 50 Minuten verspäten, also erst 10 Minuten vor 1 Uhr da sein. Da nun aber beide Erscheinungen nicht gesondert zur Ausbildung gelangen, so wird das tatsächlich beobachtete Hochwasser eine Kombination aus den beiden einzelnen sein, also der Zeit nach etwas früher eintreten, als wenn der Mond es allein erzeugt hätte. Dieses Zeitintervall vergrößert sich mit jedem folgenden Tage, der Mond geht immer später nachmittags durch den Meridian (oder was dasselbe ist, das Sonnenhochwasser bewegt sich auf das Mondhochwasser des nächsten Tages zu), bis er endlich um 6 Uhr kulminiert: dann stehen Sonne imd Mond am Himmelsgewölbe um 90° voneinander entfernt. Das aber hat zur Folge, daß da, wo die Sonne eine Protuberanz erzeugt, der Mond eine Depression hervorruft und umgekehrt. Wäre Sonnen- imd Mondtide gleich stark, so würde gar keine Schwellung beobachtet werden. So aber: beträgt diese die Differenz beider, also 534 — 246 = 288 m. Das gibt die Nippt i de. i Auf nachstehender Fig. 61 sind diese Vorgänge graphisch verdeut- licht, die eingetragenen Zeiten sind Mondstunden. Die pimktierte Kurve 220 Die Gleichgewichtstheone. gibt die Sonnentide, die gestrichelte die Mondtide. In A lagern sich beide übereinander und geben in der ausgezogenen Linie die Kurve der Springtide, in B verdeutlichen sie die Nipptide. Das folgende Bild C Fig. 61. A. Jfeu od.Voll- Mond (Syzygien) B. l.od.8. Viertel (duadraturei^ C. 1. oii 5. Oetant D. 3. od. 7. Die wichtigsten Kombinationen der Mond- und Sonnentiden (nach Hann). dagegen zeigt das Mondhochwasser 3 Stunden hinter dem Sonnenhoch Wasser zurück, was im ersten oder fünften Oktanten zutreffen würde; das durch die inmier eintretende Superposition der Gezeiten tatsächlich erzeugte Hochwasser wird aber etwa 1 Stunde nach der Mondkulmination beobachtet werden. Im dritten oder siebenten Oktanten beträgt der Zeitunterschied des solaren imd lunaren Hochwassers 9 Stunden, das tatsächliche wird dann 1 Stunde vor der Mondkulmination beobachtet. Tägliche Ungleichheit. 221 Da der Mond seine Phasen, von denen diese Vorgänge abhängig sind, in fast einem Monat völlig durchläuft, so sieht man nach je einem halben Monat sich diese Fälle nach derselben Folge wieder ablösen. Whewell faßte diese Erscheinung unter dem Namen der halbmonatlichen Ungleichheit zusammen, die sich also nicht bloß in der Hubhöhe der herauskommenden Tiden, sondern auch in den Eintrittszeiten von Hoch- und Niedrigwasser geltend macht. Außer dieser halbmonatlichen gibt es noch eine sogenannte täg- liche Ungleichheit, die darin besteht, daß die Höhe der beiden Hoch- wasser eines und desselben Tages nicht gleich ist. Diese Erscheinung beruht darauf, daß das fluterzeugende Gestirn nur vorübergehend gerade über dem Äquator steht, wie wir bisher meistens angenommen haben, um den einfachsten Fall zu untersuchen. Die Fig. 55 (S. 210) zeigt das höchste Hochwasser gerade unter Z und N, dann dessen kontinuierliche Abnahme polwärts und in der Nähe der Pole, bei A und B, das Niedrig- wasser. Läge die Rotationsachse der Erde in der Linie AB, so würden die Punkte des niedrigsten Wasserstandes mit diesen Polpunkten A und B identisch sein. Anders aber wird die Anordnung, sobald das Gestirn nörd- lich oder südlich vom Äquator kulminiert, also Z und N nicht im Äquator liegen, sondern die Erdachse die Punkte P und P' verbindet. Dann würde also die Sonne eine südliche Deklination haben. Infolge davon erhält nun jeder Pol ein schwaches Hochwasser. Nehmen wir nun irgend einen Ort D außerhalb des Äquators, so hat dieser, wenn das fluterzeugende Gestirn durch seinen Meridian geht, ein ziemlich geringfügiges Hochwasser, nach 12 Stunden aber, wenn der Ort nach E versetzt ist, bewirkt die Nadirflut ein sehr viel größeres Hochwasser. Das gibt also eine täg- liche Ungleichheit oder eine Schwankung im Wasserstande, die sich in jedem Tage nur einmal vollzieht und auch als eintägige G e- z e i t den täglich zweimal auftretenden halbtägigen gewöhnlichen Gezeiten gegenübergestellt werden kann (vgl. auch Fig. 53, S. 207). Auch diese Ungleichheit hat einen Einfluß auf die Zeit des Hoch- wassers. Die Drehungsachse des Flutellipsoids fällt ja nicht mehr mit der Erdachse zusammen, D liegt dem Drehungspol des ersteren näher ab E. Das hat zur Folge, daß das Hochwasser in E nicht bloß höher ausfallen, sondern auch länger andauern wird als in D. Die Planisphärenkarte (Fig. 62 S. 222) in Verbindung mit den dazu ge- hörigen Profilen (Fig. 63) soll dazu dienen, um die tägliche Ungleichheit noch basonders zu veranschaulichen. Die in den Kärtchen eingetragenen Isohypsen sind nach willkürlichen Höheneinheiten entworfen; wir wollen sie im folgenden - aber der Einfachheit wegen als Zentimeter bezeichnen. Der Mond steht üb?.r der rechten Planisphäre in 28° N. B. über dem Mittelmeridian im Zenit; 180" westUch davon auf der anderen Hemisphäre ist dann der Mittelpunkt der Nadirtide in 28*' S. B. Betrachten wir zunächst den Zustand entlang dem Äquator. Ein Beobachter ganz recl.cs am Rande der Hemisphäre wird beim Aufgang des Mondes Niedrigwasser mit — 10 cm Wasserstand haben, nach 6 Stunden Hochwasser mit -}- 12 cm usf. nach je 6 Stunden stets die gleichen Niveauunterschiede. Es läßt sich leicht einsehen, daß auch bei jeder anderen Größe der Deklination am Äquator überhaupt keine tägliche Un- gleichheit zu finden ist. — Anders in höheren Breiten. In 10° N. B. wird nach Fig. 62 bei Mondaufgang der Wasserstand — 8, nach 6 Stunden -f 16, nach 222 Die Gleiohgewichtstl^eorie. s ^ TO Die tägliche Ungleichheit. 223 12 Stunden wieder — 8 sein, aber nach 18 Stunden wird das zweite Hochwasser nur + 6 zeigen. Die Zenittide hat also einen Hub von 24, die Nadirtide nur einen solchen von 14 cm, also 10 weniger. Auch die Dauer des Hoch- wassers über dem Nullniveau ist verschieden auf den beiden Hemisphären- strecken: auf der rechten ist der Stand über Null entlang einer Strecke von- 104 Längengraden, also in Zeit = Q^ 56™; auf der anderen liegt der Wasser- spiegel über Null nur entlang 58« in Länge = ^^ 52^ in Zeit. — In SO» S. B. wird die Zenittide nur einen Hub von 5 cm, die Nadirtide dagegen einen solchen von 28 cm haben, die Zenittide bleibt dauernd unter dem Mittehiiveau, stellt also eigentlich nur ein verlängertes Niedrigwasser vor. Die andere Tide dagegen bleibt 7^ 20^^ über dem Mittelwasser, die ganze Kurve (s. Fig. 63) erhält so beinahe den Charakter einer Eintagstide. Was wir soeben betrachtet haben, war die tägliche Ungleichheit in Höhe. Eine solche wird nun nicht bloß vom Monde, sondern auch von Fig. 63: 3crLängt6(r 90° Of 150' 00° W m* 270° 300° 330° Profile entlang drei Parallelkreisen gemäß Fig. 62> der Sonne bei ihrer vom Sommer- zum Wintersolstitium wechsehiden Deklination hervorgerufen , und aus dem Zusammenwirken der beiden fluterzeugenden Gestirne entsteht dann auch eine periodisch ab- undfzu- nehmende tägliche Ungleichheit in Zeit, indem^ das Zeit- intervall zwischen jedem der beiden täglichen Hochwasser und der ihm vorangegangenen Mondkulmination von Tag zu Tag verschieden ist. Diese Ungleichheit in Zeit verschwindet bei den Springtiden; denn auch bei Vollmond, wo Sonne und Mond sich gegenüberstehen, wird das höhere Mondhochwasser sich über das niedrigere Sonnenhochwasser legen und umgekehrt das höhere Sonnenhochwasser mit dem niedrigeren Mond- hochwasser zusammentreffen, und wenn der Mond die Dauer der ihm zu- gewandten Tide verlängert, wird diese wieder verkürzt durch die Einwirkung der Sonnentide und umgekehrt. Anders in den zwischenliegenden Stel- lungen der beiden Himmelskörper. Dann wird das Mondhochwasser zwar im allgemeinen für die Eintrittszeit des resultierenden Hochwassers maßgebend bleiben, dieses aber wird gewissermaßen ein wenig auf das benachbarte Sonnenhochwasser hingezogen. Ein analoger Vorgang tritt auch bei der halbmonatlichen Ungleichheit auf, wie schon aus der Fig. 61 224 ' 1^16 Gleichgewichtstheorie. auf S. 220 unter C und D deutlich erkennbar wird. Nach der Theorie kann diese halbmonatliche Ungleichheit in Zeit Verschiebungen des Hoch- wassers um j^ 53 Minuten erzeugen ; für die tägliche Ungleichheit werden die Beträge ungefähr doppelt so groß werden: Hugo Lentz^) berechnet für 30° N. B., indem er die Deklination des Mondes = 23V2° ^- und die der Sonne = 23 Va** S- ansetzt und für eine halbe Lunation konstant bleiben läßt, Beträge bis zu 1^ 40"^ als möglich. In extremen Stellungen kann also die Ungleichheit in Zeit aus beiden Quellen eine Verspätung oder Verfrühung des Hochwassers von über 2 Stunden herbeiführen. Sowohl der Mond als die Sonne erzeugen solche eintägige Gezeiten, die also von der Deklination beider abhängig sind: für die Sonne wird der Wert der letzteren 8 ein Maximum in den Solstitien, wo sie über den Wendekreisen im Zenit steht. Die Sonne also wird die tägliche Ungleich- heit in einer Periode von einem halben Jahre schwanken lassen. Der Mond dagegen passiert in nahezu 27 V4 Tagen (genauer in 27 Tagen 7^^ 43 ™) zweimal den Äquator und bewirkt so zunächst eine etwa 14tägige Periode der täglichen Ungleichheit, die sich also mit der halbmonatlichen fast deckt. Außerdem aber schwankt der größte Wert der Monddeklination 8' in den einzelnen Jahren je nach der Lage, welche die Mondbahn zur Ekliptik einnimmt. Setzen wir die Schiefe der Ekliptik o) = 23° 27.3', die Nei- gung der Mondbahn gegen die Ekliptik i= 5° 8.8', so liegt der größte Wert von S' zwischen 10+* und 00 — i, also zwischen 28° 36.1' und 18° 18.5'. Während einer Periode von ungefähr 9 Jahren nimmt dieser Maximalwert stetig zu, während weiterer 9 Jahre wieder ebenso ab, und alle 18.6 Jahre etwa wiederholen sich diese Perioden in derselben Art und Reihenfolge. Da die fluterzeugende Kraft der beiden Gestirne, wie wir sahen, abhängig ist von der dritten Potenz der Entfernung, so sind auch die Änderungen des Abstandes der Erde von dem Monde und von der Sonne ein weiterer Umstand, der eine merkliche periodische Ungleichheit erzeugt. Die Entfernung der Sonne von der Erde variiert von 22 949 Erdkugel- radien am 2. Januar bis 23 731 am 2. JuH. Diese Tage der Sonnennähe und Sonnenferne verschieben sich bekanntlich auch ihrerseits und werden in 10 400 Jahren ihre Stelle vertauscht haben. In der halbjährlichen Periode vom Aphel zum Perihel aber ergibt sich eine Verstärkung der flut- erzeugenden Kjaft von 100 : 110.6, oder die Höhe des Sonnenhochwassers schwankt von 234 bis 259 mm. Beim Monde dagegen, dessen Bahn eine sehr viel ausgeprägtere Ellipse ist, schwankt der Abstand von der Erde zwischen 57.03 und 63.66 Erdkugekadien und danach der Betrag des Mondhochwassers von 455 mm im Apogäum bis zu 632 mm im Perigäum, was sich verhält wie 100 : 139, also einen sehr viel merklicheren Unterschied ergibt. Mit diesem Unterschied in der Höhe des Mondhochwassers muß sich auch das Verhältnis zu der Höhe des Sonnenhochwassers ändern, und damit auch das Verhältnis der Nipptide zur Springtide. Oben haben wir für die mittleren Abstände der beiden Gestirne gefunden als Ausmaß der Springtide 780, der Nipptide 288 mm, also ein mittleres Verhältnis der 1) Flut, und Ebbe, -Hamburg 1879, S. 27 und Fig. 10. Die parallaktische Ungleichheit. 225 letzteren zur ersteren, wie 100 : 271. Wir sehen aber, daß bei Springtide im Perigäum des Mondes und gleichzeitigem Perihel der Tidenhub an- steigen kann bis zu einem Maximum von 891 mm, während die Nipptide bei Perihel, aber gleichzeitigem Apogäum des Mondes bis zu einem Minimal- wert von 196 mm sich abschwächen kann. Diese beiden Werte verhalten sich in ihren Extremen also zueinander wie 100: 455, während sie auch bis zum Verhältnis von 100 : 173 (bei Nipptide im Perigäum und Aphel, Springtide im Apogäum und Aphel) sich einander nähern können. Alles das muß bewirken, daß von dieser in der Entfernung der Gestirne be- ruhenden Ungleichheit, die man auch die parallaktische oder elliptische nennt, namentlich die halbmonatliche Ungleichheit beeinflußt wird. Soweit die parallaktische Ungleichheit vom Monde abhängt, vollzieht sie sich zunächst in der Zeit vom Apogäum zum Peri- gäum, also in 27 V2 Tagen, zwischen den extremen Werten dieser Abstände aber erst in 8.85 Jahren. — Man kann sich aus dieser Darlegung einen ungefähren Begriff machen von den zahllosen Kombinationen, die zwischen den Verschiedenheiten der Stellungen und Entfernungen der fluterzeugenden Himmelskörper möglich sind. Die vom Monde allein abhängigen erschöpfen sich freilich innerhalb 18.6 Jahren, um dann in alter Folge wiederzukehren; die von der Sonne allein abhängigen würden ihren Turnus erst nach 21 000 Jahren wiederholen, wo dann das Perihel wieder auf denselben Jahrestag fällt. Da auf ein gemeines Jahr rund 705 Hochwasser entfallen, würden also fast 15 Millionen verschiedenartige Flutkurven an einem Beobachtungs- orte verzeichnet werden müssen, ehe die gleichen Formen wieder beginnen. Zu alle'^.em kommen nun noch die M o n d s t ö r u n g e n, die ja darauf beruhen, daß die d r e i Körper Sonne, Erde und Mond sich in jedem Momente gegenseitig anziehen und die oben behandelten fluterzeugenden Kräfte modi- fizieren. Die hauptsächlichsten Störungen in ihrer Einwirkung auf das Ge- zeitenphänomen seien hier wenigstens angedeutet; sie treffen besonders die Spring biden. Da die Erdbahn eine Ellipse ist, steht nicht nur die Erde, sondern auch der Mond im Perihel der Sonne am nächsten. Die Sonne wird alsdann, wie die Störungsrechnungen ergeben haben, im allgemeinen die Attraktion der Erde mindern, also die des Mondes stärker erscheinen lassen. Im Perihel also werden nicht nur die von der Sonne allein abhängigen Flutphänomene sich verstärkt zeigen, sondern auch die des Mondes, während im Aphel dagegen beider Einwirkungen abgeschwächt auftreten. Diese sogenannte „jährliche Gleichung" des Mondes (an dem letzteren bemerkbar durch Änderungen seiner Umlaufsgeschwindigkeit) wird also wesentlich den Charakter der Spring- tiden beeinflussen. Eine zweite Störung, die E v e k t i o n, welche schon Ptolemäus erkannte, wird die elliptischen Gezeiten noch in höherem Maße betreffen. Bei Neu- mond in der Erdferne wirkt die Anziehung der Sonne genau derjenigen des Mondes entgegen, der Mond wird von der Erde hinweggezogen, also die Spring- tiden schwächer als normal machen. Nun tritt einen halben Monat sp,?*"" Vollmond bei Erd nähe ein : Erde und Sonne ziehen den Mond vereint näher der Erde zu und bewirken so eine Steigerung der Springtide. Bei dieser Lage der Apsidenlinie folgt also einer abgeschwächten Springtide nach einem halben Monat eine verstärkte. Fällt die Apsidenlinie, die eine so schnelle Bewegung am Himmel hat, daß sie sich im Jahre um 40 " verschiebt, dagegen Krümmel, Ozeanographie. II. 15 226 I^^® Gleichgewiehtstheorie. mit den Quadraturen zusammen, so wird im letzten Viertel bei der stattfinden- den Erdnähe des Mondes dieser auch noch durch die Sonne an die Erde heran- gezogen (die Rechnung wenigstens ergibt eine Komponente, welche in dieser Richtung wirkt), die Nipptide daher erheblich größer ausfallen als normal wäre; im ersten Viertel dagegen, wo der Mond im Apogäum steht, wird der Tidenhub nur um ein Weniges den normalen übertreffen. Die Evektion beeinflußt also alle von der Exzentrizität der Mondbahn (welche sie zu ver- ringern bestrebt ist) abhängigen Charaktere der Gezeiten; auf die Umlaufs- zeiten wirkt sie zur Zeit, wo die Apsidenlinie mit den Syzygien zusammen- fällt, so mächtig ein, daß der Mondort um 1 " 15' verschoben erscheinen kann. Die Variation, die letzte der größeren Störungen, kann den Mondort nur etwa um die Hälfte dieses Betrages (um 0" 39') verschieben und zwar zur Zeit der Oktanten, der vier Punkte, welche zwischen den Syzygien und Quadraturen in der Mitte liegen. Auf den Tidenhub wirkt die Variation so ein, daß bei Neumond im allgemeinen die Amplitude der Springtide verkleinert wird (die Sonne zieht den Mond von der Erde hinweg!), bei Vollmond aber sich verstärkt, weil die Sonne den Mond an die Erde heranziehen hilft. Alle diese Änderungen in der Entfernung des Mondes sind aber doch von sehr untergeordneter Größe, indem sie etwa Veo der ganzen Entfernung betragen. Dagegen sind die auf diesen Störungen beruhenden Änderungen in der Geschwindigkeit des Mondumlaufs von Bedeutung für den zeitlichen Eintritt der Gezeiten, da ja die Kulmination des Mondes dadurch verschoben wird. Die Gesamtwirkung von Evektion und Variation kann, wie oben be- merkt, die Länge des Mondes um 1° 15' + 0" 39' = 1" 54' ändern, was im Zeitmaß ausgedrückt 7 bis 8 Minuten ausmacht. Verbesserungen der Gleichgewichtstheorie mit den modernen Hilfs- mitteln der Analysis siiid mehrfach, namentlich von englischen Forschern versucht worden. Hier sei nur auf zwei Arbeiten^) eingegangen, die geographische Gesichtspunkte in den Vordergrund stellen. Nach Newton- Bernoulli hat die Wasserdecke der Erde die gleiche Dichtigkeit wie die Erde selbst. Indem er die wirklichen Verhältnisse berücksichtigte und im übrigen annahm, daß die ganze Erde vollständig von Wasser bedeckt sei, erhielt William Thomson (Lord Kelvin) als Ausdruck für den Tidehub der Mondflut: h = (-If) in welcher Formel M, ,o, r, g , 0 dieselbe Bedeutung haben, wie oben S. 214, während o die mittlere Dichte des Erdballs und o die der Meeres- decke ist. Es zeigt sich also, daß die Gezeiten dadurch vergrößert werden und zwar im Verhältnis 1 : ( 1 — -^-s V Nach den neuen Bestimmungen können wir o = 5.61 und für i den von uns bereits (in Bd. I, S. 227) be- nutzten Wert setzen, und erhalten . dann für den Klammerwert 0.8871. Die so korrigierte Tide wird also größer im Verhältnis von 1: 0.8871, oder um 12.7 Prozent. Auch die unregelmäßige Meeresbedeckung in ihrer Wirkung auf das i) T h o ra s o n and T ai t, Natural Philo.sophy 1883, § 808; G. H. D a r w i n and H. H. T u rn e r in Proc. R. Soc. London 1886, Bd. 40, p. 303 (auch Darwin, Scientific Papers, I, London 1907, p. 328). Gezeiten der Erdrinde. 227 Flutpotential hat G. H. Darwin untersucht. Mit seinen sehr umständ- lichen Formeln rechnend und für Zehngradzonen die Arealverhältnisse von Wasser und Land angenähert abschätzend, hat dann, gewiß sehr überraschend, H. H. T u r n e r gefunden, daß die Gestalt des Flutellipsoids nur ganz unwesentlich eine andere wird, als sie sich für eine völlig mit Wasser bedeckte Erdoberfläche nach der Gleichgewichtstheorie ergibt. Da die Gleichgewichtstheorie sich dazu besonders eignet, die Tiden von langer Periode (die halbmonatlichen Deklinationstiden und die monat- lichen elliptischen Tiden) zum Ausdruck zu bringen, hat Lord Kelvin sie benutzt, um mit ihrer Hilfe einem geophysischen Problem von all- gemeiner Bedeutung näher zu kommen^). Für die verschiedenen Gezeiten- theorieen wurde stets vorausgesetzt, daß der Erdkern selbst vollkommen starr und den fluterzeugenden Kräften gegenüber gänzlich unnachgiebig sich verhalte. Kelvin hat nun den Einfluß dieser Kräfte auf die festen Teile des Erdkörpers untersucht, indem er sich letzteren durchaus in- kompressibel und massiv, ohne irgend flüssigen Inhalt dachte, aber doch von keiner vöUigen Starrheit, da es absolut starre Körper überhaiiP* nicht gibt. Indem er nun den Fall setzt, daß die Starrheit des Erdk^ns dieselbe sei wie bei Glas oder Stahl, findet er, daß alsdann die Meeres gezeiten nur Vs (bei Glas) oder ^/g (bei Stahl) derjenigen Höhe erreichen würden, die sie bei einer absoluten Starrheit des Erdkerns zeigen müßten. Denn der Beobachter an der Küste würde, wenn' die Flutwelle des Erd- körpers und die ozeanische zugleich seinen Standort passieren, doch nur den Unterschied in der Höhe beider Wellen wahrnehmen können, und wenn man gar den Fall setzt, daß die Erde ganz und gar flüssig sei, so würden Küsten und Meer gleichzeitig sich mit der Flut heben und senken, und darum die Gezeiten ebensowenig sichtbar werden, wie auf hoher See in einem Schiffe. Aus den tatsächhch beobachteten Höhen der Tiden woUte Kelvin mit Sicherheit den Schluß ziehen, daß die effektive Starrheit der Erde größer als die von Glas sein müsse. Diese Untersuchungen fort- setzend, fand G. H. Darwin aus einem Vergleich der auf 33 Stationen beobachteten 14tägigen und monatlichen Mondtiden mit der Gleich- gewichtstheorie, daß sie tatsächlich etwa ^s des theoretischen Betrages besäßen, wie er einem unnachgiebigen Erdkern zukäme. Daraus wurde dann der Schluß gezogen, daß der Erde als Ganzes eine Starrheit gleich der des Stahls zukäme. Später hat Darwin jedoch einen resignierteren Standpunkt eingenommen 2), da „wir kaum die Möglichkeit haben, die Größe der Schwankungen von Ozeanen, die durch Landschranken begrenzt sind, auf einem unnachgiebigen Kern zu bestimmen" und daß aus den angeführten Versuchsrechnungen nichts anderes gefolgert werden dürfe, als daß. die Gezeitenstarrheit vermutlich einen hohen Grad besitze. Be- deutsam in diesem Zusammenhange aber sind noch folgende Tatsachen. Bei seiner statistischen Untersuchung der Erdbeben hat Julius Schmidt^) gezeigt, daß im Perigäum des Mondes die Erdbeben ein klein wenig häufiger, 1) T h o m s o n and T a i t, Natural Philosophy Bd. 2, p. 426 f. (§§ 833 f.) mit Beiträgen von G. H. Darwin (§§ 847 f.). ^) In seinem Beitrage zur Enzyklopädie der mathem. Wissenschaften Bd. VI B, 6 (1908), § 37. ») Studien über Erdbeben, Bd. 1, S. 13. 228 I^ie dynamischen Theorieen. im Apogäum etwas seltener sind als bei einer mittleren Entfernung des Mondes; woraus man doch eine gewisse, wenn auch, absolut genommen, ganz geringfügige Nachgiebigkeit der Erdrinde gegenüber der Mond- anziehung folgern kann, denn es werden dadurch doch Spannungen aus- gelöst, die ohne diese kosmische Kraft noch einige Zeit sich stabil erhalten haben würden. S. S. H o u g h^) ferner wurde, indem er die in den letzten Jahrzehnten entdeckten Polschwankungen von 430 Tagen Periode mit der sogenannten freien Eulerschen Nutation von 305 Tagen einer absolut starren Erde verglich, zu dem Schlüsse geführt, daß der Erdkörper etwas starrer sein müsse als Stahl. Endlich haben die neuesten sehr feinen Messungen, die Dr. 0. H e c k e r^) an dem Horizontalpendel im Brunnen- schacht des Geodätischen Instituts in Potsdam ausführte, gezeigt, daß die Ablenkungen des Pendels durch die fluterzeugenden Kräfte Vs der Beträge erreichten, wie sie sich für eine absolut starre Erde berechnen lassen. Eine selbständige Ableitung der Gleichgewichtstheorie hat A i r y^) gegeben. Indem dabei statt des Winkels ö die geographische Breite ß und als Radius der Wasserkugel über dem Erdkörper q^-, als Radius des festen Erd- körpers Oq, als mittlere Dichte der Erde t) und als Masse des Mondes M ge- setzt wird, ergibt sich als Ausdruck für die Flutgröße oder den Hub der Gezeit Man bemerkt, daß Ä = Null ist, wenn sin ^ß = Vs wird, also /? = 35 <» 16', so daß also entlang den beiden Parallelkreisen von 35 74° N. und S. B. gemäß der Gloichgewichtstheorie keinerlei Hub der Tiden entstehen könnte. Es ist mit Recht darauf aufmerksam gemacht worden, daß auch in den allgemeinen Theorieen der atmosphärischen Zirkulation nach W. Siemens und 0 verbeck die genannte geographische Breite eine ähnhche Grenzhnie bildet. Während aber die atmosphärische Dynamik mit einer völlig und ununterbrochen den Erdball umgebenden Lufthülle rechnen darf, ist das für die ozeanische Physik nicht gestattet, da die Wasserdecke der Erde durch die Kontinente durch- brochen ist. Doch haben sich theoretische Hilfsmittel auch in diesem Falle einführen lassen, um bis zu einem gewissen Grade dieser Unregelmäßigkeit Bechnung zu tragen : nach Auerbach verschiebt sich dann der kritische Parallel auf der Nordhalbkugel auf 33 <> N., auf der südUchen nach 37 " S. B. Ob auch den so verbesserten Zahlen eine geographische Bedeutung über die rechnerische hinaus beiwohnt, darf jedoch bezweifelt werden, da die gesamte Gleichgewichts- theorie auf einer ungeographischen Grundlage errichtet ist, wie gleich näher auszuführen sein wird. 2. Die dynamischen Theorieen von Laplace, Young und Whewell *). Zwar lassen sich in einer mehr oder weniger elementaren Weise, an- knüpfend an Newton, die hauptsächlichsten Erscheinungen des Flut- ') Phüos. Trans. R. Soc. London 1897, Bd. 187 A, p. 317. 2) Abh. des Kgl. Preuß. Geod. Inst. N. F. Nr. 32, Berlin 1907. Vgl. auch W. Schweydarin Beitr. zur Geophysik 1907, Bd. 9, S. 77. ') Tides and Waves §§ 23—31. Vgl. Günther, Handbuch der Geophysik Bd. 2, S. 474 f. *) Vgl. das Historische bei R o 1 11 n H a r r i s, Manual of Tides, Part I (U. S. Coast Survey Report for 1897, App. 8), wo p. 422 ff. sehr ausführlich auch diese älte- ren Theorieen dargestellt werden. Einwendungen gegen die Gleichgewichtstheorie. 229 Phänomens leicht ableiten und verstehen. Indes ist diese Theorie doch weit davon entfernt, die tatsächlichen Vorgänge, wie sie sich an verschie- denen Orten derselben Küste abspielen, so weit zu erklären, daß sie „in den Bereich des Notwendigen zurückgeführt sind". Schon Newton bemerkte, daß die tägliche Ungleichheit in den Tiden der britischen Küsten bei weitem nicht das der Theorie entsprechende Ausmaß besitzt, vielmehr auch bei höchster Deklination des Mondes die beiden Hochwasser eines Tages fast die gleiche Höhe aufweisen, ferner daß die höchsten Gezeiten in Bristol erst 43 Stunden nach den Syzygien eintreten, ob aquarum reci- procos motus, wie er sagt, worunter er sich offenbar ein auf Trägheits- wirkung beruhendes Hin- und Herschwanken des Wassers dachte, ohne jedoch diesen Gedankengang weiter zu verfolgen. Da 43 Stunden nach den Syzygien schon ein Abstand von 18V2° irn Bogen zwischen Sonne und Mond vorhanden ist, so wirken also gerade im Moment der beobachte- ten Springtide zu Bristol Sonne und Mond gar nicht mehr mit dem Maxi- mum ihrer fluterzeugenden Kräfte, sondern ein Teil des Mondeffekts wird von der Sonne aufgehoben; aber trotzdem kommt in Bristol dabei der höchste Tidehub zustande. Auch der Eintritt der Gezeiten in den Zwischenlagen zwischen Syzygien und Quadraturen wird in der Natur in irgend einem Hafen etwa in hundert Fällen nur einmal in dem Moment stattfinden, welchen die Theorie ergibt. Von Hafen zu Hafen ist diese Abweichung ganz verschieden, bald eine Verspätung, bald eine Vcrfrühung. Am wenigsten aber sind die oben berechneten Werte für den Tidehub selbst irgendwie zutreffend : in der Natur sind sie an den Küsten durchweg größer als die oben gefundenen, und überdies in dem einen Hafen wieder viel größer als in einem benachbarten anderen. Die besonderen Vorgänge im Bereich der „Flußgeschwelle" bleiben von der Newtonschen Theorie ganz unberührt. Eine nähere Prüfung der Newton-BernouUischen Theorie zeigt, daß ihr Fehler in folgendem liegt. Das Flutphänomen wird als ein statisches aufgefaßt, indem auch auf dem deformierten Wasserellipsoid stets Gleich- gewicht herrscht; oder wie es G. H. Darwin in der Sprache der mo- dernen Physik ausdrückt: „Die Meeresoberfläche muß eine Niveaufläche des Kraftfeldes sein, das von der Gravitation, der Zentrifugalkraft und der die Gezeiten erzeugenden Kraft herrührt." Zu diesem Zwecke müßten jedesmal die Wasserteilchen sofort die den veränderlichen fluterzeugenden Kräften entsprechende neue Lage einnehmen, d. h. Beweg u n gen vollführen. Außerdem vernachlässigt die Theorie den Unterschied in der Dichte des Wassers und des Erdkörpers (s. oben S. 226), auch nimmt sie keine Rücksicht weder auf die gegenseitige Wasseranziehung innerhalb des Flutellipsoids, noch auf das Trägheitsmoment der einmal eingeleiteten Bewegungen, noch auf die Reibungswiderstände der bewegten Wasser- massen in sich selber und an den festen Meeresböden und Küsten. So kann man A i r y verstehen, wenn er die Newton-BernouUische Gleich- gewichtstheorie einmal „einen bewunderungswürdigen ersten Versuch" nennt, ein andermal aber vom strengeren Standpunkt der modernen Analysis aus „einen der wertlosesten Versuche", der je angestellt wurde, um eine Reihe wichtiger physikalischer Tatsachen zu erklären. Das Verdienst, in den Gezeiten zuerst ein dynamisches Problem 230 I^i© dynamischen Theorieen. erkannt zu haben, kommt L a p 1 a c e zu. Für ihn waren die Gezeiten eine besonders fessehide Erscheinung, da sie unter allen auf der Anziehung der Himmelskörper beruhenden Vorgängen für uns der nächstliegende und fühlbarste seien, und so ist er immer wieder auf dieses Problem zurück- gekommen^). Mit einer, wie Airy sagt, erstaunlichen Kühnheit wußte er das Problem sofort auf eine im Prinzip durchaus korrekte Grundlage zu stellen und die großen rechnerischen Schwierigkeiten zu bewältigen, die sich allgemein (damals wie heute) der analytischen Behandlung be- wegter Flüssigkeiten entgegenstellen und die in diesem Falle noch dadurch verschärft werden, daß die Flüssigkeit keine Ebene bildet, sondern eine konvexe Kugeloberfläche überdeckt, und daß sich diese Kugel selbst um ihre Achse dreht. Aber auch dieser Meister der Analysis sah sich genötigt, gleichfalls beschränkende Bedingungen einzuführen, welche im Hinblick auf den gegebenen Zustand der Erdoberfläche für unzulässig erklärt werden müssen. Er dachte sich gleichfalls die ganze Erdkugel be- deckt mit Wasser, und die Tiefe des letzteren entlang jedem Breitenparallel gleich; zweitens sah auch er von jeder Art von Reibung ab, auch die gegen- seitige Anziehung der Wassermassen vermochte er nicht in seinen Glei- chungen festzuhalten. Seine drei Fundamentalgleichungen, welche die Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilen der störenden Kräfte, in den Kichtungen der Meridiane und der Parallelkreise, bei Anwendung der Kontinuitätsbedingung ausdrücken, geben im übrigen die Bedingungen für das Gezeitenphänomen vollständig wieder, welche bei Vernachlässigung der Reibung erfüllt werden, außer in wenigen besonderen Fällen, die einige ^lodifikationen der Formeln erfordern. Indem jedoch Laplace sich be- mühte, die Lösung dieser Gleichungen möglichst allgemein zu gestalten und sie mit zahlreichen komplexen Entwicklungen belastete, welche sich auf die Attraktionsvorgänge zwischen Sphäroiden beziehen, und überdies den ganzen Stoff unnötig mit seinen Untersuchungen über die Mechanik des Himmels vermengte, so ist seine Behandlung dieses Problems immer für sehr dunkel gehalten worden und nur wenigen verständlich gewesen. Infolgedessen haben schon Airy mid F e r r e 1, später auch Edmond D u b o i s, M. P. H a 1 1 und namentlich H. L a m b^) sich be- müht, eine übersichtlichere Form der Ableitungen und Resultate seiner großartigen Untersuchungen aufzustellen. Laplace war der richtigen Ansicht, daß das Flutphänomen als eine Art von rhythmischer Oszillation, also eine Art von Wellenbewegung aufgefaßt werden müsse, und dieser Grundgedanke ist sicherlich der wesentlichste Fortschritt gegen Newton. Ferner war er der Überzeugung, daß eine vom Mond erregte Welle sich tagelang konservieren müsse, daß also jede einzelne Flutwelle sich zusammensetze aus der frisch durch den Mond erregten und den Resten aller vorher erzeugten älteren Wellen: eine Auffassung, welche für die flacheren Meeresteile, namentlich die Randmeere, entschieden etwas Richtiges enthält, wo diese alten und jungen „freien" Wellen die frisch von den beiden Gestirnen an Ort und Stelle ') Zuerst 1774, dann im 4. und 13. Buch seiner M6canique Celeste. 2) Lehrbuch der Hydrodynamik, deutsch von J. Friedel, Leipzig 1907, S. 385 ü. Hier ist wohl die für einen Kenner der höheren Analysis deutUchste Darstellung gegeben. Die Theorieen von Laplace und Young. 231 erzengten „gezwungenen" Wellen völlig verdecken. Aber wieweit für die großen und tiefen Ozeanbecken das gleiche gilt, ist ohne weiteres nicht zu entscheiden. Untersucht hat Laplace nur das Verhalten der gezwungenen Wellen nach dem von ihm zuerst aufgestellten Prinzip der erzwungenen Schwingungen, das er so formulierte: der Zustand eines Körpersystems, dessen anfängliche Bewegungen durch die erfahrenen Reibungswiderstände vernichtet sind, ändert sich periodisch, wie die Kräfte, die auf das System wirken; im vorliegenden Falle also folgt der Chean den periodisch auf ihn wirkenden fluterzeugenden Kräften genau gemäß ihren periodischen Änderungen. Eine ganze Reihe eigentlich nur rechnerisch gewonnener Resultate weichen von den Lehren der Newton-Bernoullischen Gleich- gewichtstheorie erheblich ab. So z. B., daß für gewisse gegebene Meeres- tiefen, gerade unter dem fluterzeugenden Gestirn am Äquator sich nicht eine Flutprotuberanz, sondern eine Depression ergebe, während dafür dann an den Polen das richtige Hochwasser gefunden werde ^); ferner, daß die tägliche Ungleichheit auf einem Rotationsellipsoid verschwinde, wenn der Ozean überall von gleicher Tiefe sei, was aber, wie Ferrel gezeigt hat, schon nicht mehr richtig sein kann, wo auch nur die geringste Reibung vorhanden ist. Laplace gab auch zuerst vollständige Ausdrücke für die fluterzeugenden Kräfte in der Form des Potentials, und er zeigte weiter; daß diese Kräfte sich algebraisch ausdrücken lassen durch eine Reihe von Gleichungen mit konstanten Koeffizienten und Funktionen von Winkeln, welche im Verhältnis zur' Zeit wachsen. Er fand so dreierlei Arten von Oszillationen : eine erste,"^ die ganz unabhängig von der Erdrotation ist ; eine zweite, die wesentlich von dieser bestimmt wird und eine Periode von einem Tag hat, und eine dritte, deren Periode ungefähr einen halben Tag ausmacht. Jede Gruppe setzt sich wieder aus Partialtiden zusammen, deren jede durch ein ideelles Gestirn erzeugt zu denken war. das sich gleichförmig nach Zeit und Abstand in der Ebene des Äquators um die Erde herum bewegte. Lidem er nun deren Konstanten aus längeren Beobachtungsreihen ableitete, vermochte er die Argumente für eine große Zahl solcher partieller Tiden aufzustellen, welche die verschiedenen Ungleichheiten durch ihr periodisches Auftreten erzeugen und, indem sie sich eine über die andere legen, die tatsächlichen Flutvorgänge als eine zusammengesetzte Erscheinung erkennen lassen. Insofern kann Lapkce als der geistige Vater der ., harmonischen Analyse" gelten. Er wußte dies Verfahren auch für die Vorausberechnung der Tiden nutzbar zu machen, und in der Tat gehört seine Untersuchung der Gezeitenbeobach- tungen von Brest (von 1807 bis 1822) zu dem Besten, was bis auf den heu- tigen Tag in dieser Beziehung geleistet wurde. Namentlich epochemachend ist die Einführung des wechselnden Barometerstandes und des Winddruckes als Faktoren, welche das Niveau des Wdssers beeinflussen, also auch die Flutkurve umgestalten können. Unabhängig von Lajjlace, wie es scheint, hat dann der gelehrte Arzt Dr. Thomas Young^) ebenfalls die Gezeiten als ein Phänomen auf - *) Eine ganz elementare Herleitung der Voraussetzungen, unter denen dieser scheinbar paradoxe Fall eintreten kann, gil)t G. Dar w i n, Ebbe und Flut, Leipzig 1902, S. 153 — 157. Vgl. übrigens aucii schon J. X e w t o n, Principia a. a. O. *) In einem Beitrage zur Encyclopaedia Britannica; im überblick auch in sainem Course of lectures on natural philosophy London 1807, vol. I, p. 570. 232 -^^ö dynamischen Theorieen. gefaßt, welches sich ähnlich den Schwingungen eines Körpers verhalte, der einer periodisch wirkenden Kraft unterliegt. Er nahm aber dabei Rücksicht auf die Reibung, die er dem Quadrate der Geschwindigkeit proportional setzte und als wesentliche Ursache der Verspätung der Spring- tiden bezeichnete. Aber seine Formeln drücken nur die Bewegungen eines einzelnen Wasserteilchens aus, ohne auf die Kontinuitätsbedingung Rücksicht zu nehmen; ebenso ist auch die Erdrotation vernachlässigt, was beides bei Laplace die gehörige Würdigung findet. Theoretische Verbesserungen der Laplaceschen Theorie sind in neuerer Zeit zunächst von H. Poincare^) erreicht worden. Leider haben die von ihm aufgestellten Gleichungen durch ihre komplizierte Form, die eine numerische Ausrechnung unmöglich^macht, wenig anregend wirken können ; er selbst hat sich auch nur darauf beschränkt, andeutende Folgerungen aus seinen Formeln zu ziehen. Hoffentlich wird es aber in Zukunft mög- lich werden, seine Untersuchungen in einer praktisch brauchbareren Ge- stalt weiter zu entwickeln. Nächstdem ist ein wesentlicher Fortschritt über Laplace hinaus noch S. S. Hough^) zu verdanken. Ihm ist es gelungen, für eine spätere Ausrechnung geeignete Formeln zu entwickeln nicht nur für die äußeren störenden Kräfte, für die Druckverteilung inner- halb des Flutellipsoids und für die gegenseitige Anziehung des Ozeans und des Erdkörpers, sondern er schritt auch über die Anwendung dieser Beziehungen auf gezwungene Wellen hinaus zur Darstellung der für die tatsächlichen Tiden maßgebenden freien Wellen, die schon 1842 von Airy erkannt waren und von denen alsbald mehr zu sagen sein wird. Aber auch seine Formeln sind so weitläufig und mühsam für die numerische Rechnung, daß sie zunächst auf das praktische Gezeitenstudium ohne Einfluß geblieben sind. Bei allen diesen modernen Arbeiten ist der rein mathematische Standpunkt fast ausschließlich maßgebend und der geo- graphische sehr in den Hintergrund gedrängt. Anders war das bei den älteren Untersuchungen von W h e w e 11 und L u b b o c k ^). Beide stehen in ihren theoretischen Auffassungen begreiflicherweise noch ganz auf dem Boden der Gleichgewichtstheorie; sie bezweckten in erster Linie auch nur eine Diskussion der in London, Liverpool und anderen Hafenplätzen gewonnenen Beobachtungen nach einer ganz bestimmten Richtung hin, nämlich sowohl Eintrittszeit wie Höhe der Hochwasser vorauszuberechnen, was aber doch nur für solche Orte möglich ist, für die sorgfältige Gezeitenbeobachtungen bereits vor- liegen. So sind die Tabellen von L u b b o c k und die Karten und anderen graphischen Hilfsmittel W h e w e 1 1 s für die Bedürfnisse der Praxis von nicht zu unterschätzender Bedeutung geworden, zumal ihr Beispiel allgemeine Nachahmung fand. Außerdem gebührt Whewell das große Verdienst, zuerst ein geo- graphisches Bild der Gezeiten entworfen zu haben, wenn es auch ent- sprechend dem unzureichenden Stande der damaligen Kenntnisse noch recht mangelhaft ausfiel. Indem er Gezeitenbeobachtungen aus allen ^) Liouville's Journal des Math6mat. Paris 1896, Bd. 2, p. 57. 2) Philos. Trans. R. Soc. London 1897, Bd. 189, A, p. 201; 1898, Bd. 191, A, p. 139. Vgl. dazu G. H. Darwin, Scientif. Papers Bd. 1, p. 349. ä) Philos. Trans. R. Soc. London 1830—1850 passim. Poincarö, Hough und Whewell. 233 Teilen der Welt zusammenstellte, fand er, daß die Hafenzeiten an vielen Küstenstrecken eine ziemlich regelmäßige Aufeinanderfolge zeigten, gleich- sam wie wenn der Kamm der Flutwelle, im tiefen Wasser senkrecht zur Küste stehend, an dieser entlang sich fortschreitend bewegte. Indem er nun diese hypothetischen Wellenkämme auf einer Karte, zuerst der britischen Meere, eintrugt), erhielt er cotidal lines, wie er sie nannte, d. h. Linien gleichzeitigen Hochwassers bei Neu- oder Vollmond. Man sieht aus dieser vielfach in der Literatur reproduzierten Karte, wie eine Flutwelle von West nach Ost in den Britischen Kanal hineinläuft, von Nord nach Süd eine andere entlang der Ostküste Schottlands und Englands, während das Irische Meer von Süden und Norden zwei Wellen empfängt. Whewell war nun eine Zeitlang der Ansicht, daß er solche „Flutstundenlinien" auch für die großen Ozeanflächen konstruieren könne 2), ist dann aber 15 Jahre später zu der Überzeugung gelangt, daß ein solches Unternehmen mehr des Hypothetischen enthielte, als wissenschaftlich erlaubt sei. Die große Weltkarte dieser cotidal lines hat er alsdann ausdrücklich zurück- gezogen. Damit fiel dann auch eigentlich schon die Folgerung, welche Whewell daraus gezogen hatte: daß nämlich die an die englischen Küsten gelangende Flutwelle nicht im Nordatlantischen Ozean ihren Ursprung habe, sondern in der Südsee, welche als der größte Ozean auch die größten Wellen zu erzeugen imstande sei, während die Fläche des Nordatlantischen Ozeans nicht ausreiche, so hohe Wellen zu liefern. Diese Behauptung Whewells ist von seinen Zeitgenossen schon hinreichend bekämpft worden und nunmehr ganz aufgegeben. In jedem Wasserbecken, auch den kleinsten Seen, wird eine Gezeitenbewegung durch Sonne und Mond hervorgerufen, nur wird sie meistens nicht groß genug, um augenfällig hervorzutreten, und in vielen kleineren Meeresräumen dadurch verdeckt, daß aas den großen Nachbarozeanen „freie" Flutwellen von großer Amplitude ein- dringen, welche die lokalen Tiden gar nicht zur Geltung kommen lassen. Heinrich Berghaus, der in seinem Physikalischen Handatlas die Untersuchungen Whewells sehr vollständig (vgl. Tafel II, 1 und Text S. 22 bis 53) reproduziert, hat für die cotidal lines den gelehrten Namen der Iso- rhachien vorgeschlagen, ein Wort, das nach dem Muster der „Isotherme" gebildet ist. In einer gelegentlichen briefhchen Mitteilung an G. Leipoldt (abgedruckt in dessen Physischer Erdkunde, 2. Aufl. Bd. II, S. 22) habe ich das Unzutreffende dieser Wortbildung zu erweisen versucht. Mooi; heißt „gleich stark", hier soll aber das Gleichzeitige ausgedrückt werden, wofür also jeden- falls biiöq zu setzen; ^axi« bedeutet vielleicht „die Flut", es soll aber analog dem engUschen cotidal eine Adjektivforra gefunden werden, also entweder Homorhachisten oder noch besser Horaopleroten (von tcXyjpoöv, füllen), wenn man überhaupt nicht vorzieht, kurz und gut „Flutlinien" zu sagen, wie D o v e oder „Flutstundenlinien" wie Borgen, dem ich in diesem Buche darin folge, vorgeschlagen haben. — Aus Berghaus' Physikalischem Handatlas hat auch offenbar die von Whewell gezeichnete und von Berghaus noch in willkürhcher Weise vervollständigte Weltkarte der Flutstundenlinien ihre große Verbreitung gefunden, trotz des Widerrufes vom Jahre 1848. ^) Was übrigens vor ihm schon Y o u n g versucht hat: Courae o£ leotuies I, Tafel 38, Fig. 521. *) Phüos. Tranaactions 1833, I, p. 147—236. 284 I^e Kanaltheorie. 3. Die Wellen- oder Eanaltheorie von Airy und ihre Ergänzung durch Borgen und Kelvin. Einen wesentlichen Fortschritt, weniger in der allgemeinen Theorie als in der praktischen Deutung der Gezeiten, brachte nunmehr G. B. A i r y in seinem schon mehrfach erwähnten Artikel on tides and loaves in der Encyclopaedia Metropolitana^). Nachdem er eine dem modernen Stand- punkte der Analysis entsprechende Darstellung der Gleichgewichtstheorie und der Laplaceschen gegeben und die Schwächen beider klargelegt, ent- wickelte er zunächst eine Theorie der Wellen, insbesondere der Wellen, welche in einem schmalen Kanal von beliebiger Tiefe auftreten können. Die so gewonnenen Gesetze verwandte er darauf zur Deutung verschiedener Gezeitenvorgänge, wie solche sich in behebig gestalteten und behebig auf der Erde gelegenen Kanälen vollziehen müßten. Seine Kanaltheorie ergab (nach Borgens Zusammenfassung ihrer Resultate), „daß in einem Kanal, der sich in einem größten Kreise um die Erde erstreckt, zwei halbtägige Flutwellen hervorgebracht werden, welche sich in entgegengeset zter Richtung fortpflanzen und sich daher zu einer Welle zusammensetzen. Die Länge dieser Wellen ist gleich dem halben Umfang der Erde. Wenn der Kanal mit dem Äquator zusammenfällt, so ist die Höhe der Flutwelle überall dieselbe, und sie ist eine fortschreitende Welle. Wenn der Kanal durch die Pole geht, so wird die Welle zu einer stationären, derart, daß Hochwasser auf den Polen gleichzeitig mit Niedrig- wasser auf dem Äquator eintritt, und umgekehrt. In allen anderen Fällen, wo der Kanal mit dem Meridian einen Winkel bildet, entsteht eine pro- gressive Welle, welche an verschiedenen Punkten der Erde verschiedene Größe hat und sich mit unregelmäßiger Bewegung fortpflanzt. Wenn endlich der Kanal einen kleinen Kreis entlang einem der Breitenparallele bildet, so entsteht gleichfalls eine progressive Welle, deren Länge dem halben Umfang des kleinen Kreises gleich ist." Indem nun Airy die Ozeane der Erde als eine Kombination oder eine Art System solcher Kanäle auffaßte, vermochte er auch das Ver- halten der Flutwellen auf ausgedehnteren Wasserflächen wenigstens an- zudeuten. Seine Kanaltheorie gibt vollkommen auflösbare und oft sehr einfache Gleichungen, welche für die Gezeiten in Meeresstraßen und Flußgesch wellen, woselbst die Höhe der Flutwelle einen beträchtlichen Bruchteil der Wassertiefe erlangt, unmittelbare Verwendung finden können, und das bedeutet im besonderen einen unbestrittenen Fortschritt. Airy beachtete dabei durchweg die Reibung unter der Annahme, daß diese der ersten Potenz der Geschwindigkeit der Wasserteilchen in ihrer Wellen- bewegung proportional sei, und kam unabhängig von Y o u n g zu dem gleichen Resultate, daß nämlich die Reibung bewirken könne, daß die größten Gezeiten um ein Beträchtliches nach der Zeit der größten flut- erzeugenden Kraft eintreten. Viele seiner Entwicklungen sind aber nicht in einer Form gegeben, welche für praktische Zwecke brauchbar ist, und ^) Erschienen 1842. Eine gute Darstellung seiner Theorie findet sich bei H. L a m b, Lehrbuch der Hydrodynamik, deutsch von F r i e d e 1, Leipzig 1907, S. 312 ff. — Das Obige schließt sich wesentlich anC. Borgens Ausführungen an in Ann. der Hy^r. 1884, S. 305 (auch separat Berlin 1885). Ableitung nach Airy. 235 erst durch die Untersuchungen von Carl Borgen ist völlig ins Licht getreten, welch eine reiche und unerschöpfliche Fundgrube der anregendsten Ideen in dieser Arbeit Airys enthalten ist; wir werden später darauf zurück- zukommen haben. Freilich gehört zum vollen Verständnis derselben nicht nur eine sichere Beherrschung der höheren Analysis, sondern noch mehr eine große Unerschrockenheit des Rechners, welche auch vor lang- wierigen Entwicklungen nicht haltmacht. Für die im vorliegenden Werke angestrebten Zwecke wird es erforderlich sein (aber auch genügen), die Airysche Kanaltheorie allgemein so weit darzustellen, daß das ihr zugrunde liegende Prinzip und ihre Anwendbarkeit auf die natürlichen Vorgänge hervortritt. In nachstehender Fig. 64 bedeutet BAB' einen Kanal oder doch ein Wasserbecken, dessen Breite im Vergleich zu seiner Länge sehr klein ist. Der Kanal bilde einen größten Kreis auf der Erdoberfläche, seine Fig. 64 Ableitung der fluterzeugenden Kräfte nach der Kanaltheorie von Airy. Lage sei aber sonst eine beliebige. Die Wellentheorie setzt nun voraus, daß durch die Anziehung von Sonne und Mond in dem Kanäle Wellen entstehen, welche in diesem besonderen Falle eben Gezeiten heißen. Die fluterzeugende Kraft an einem bestimmten Punkte des Kanals ist nun diejenige Komponente der störenden Kraft, welche parallel der Längsrich- tung oder der Achse des Kanals und tangential an dem betreffenden Punkte wirkt, wie wir das schon früher (S. 214) auch bei der Gleich - gewichtstheorie betonten. Es sei P der Pol des größten Kreises BAB', A der Beobachtungsort an diesem, C der Mittelpunkt der Erde und M der anziehende Himmels- körper. Wir legen nun durch C, P und M eine Ebene, welche die Erdober- fläche in dem größten Kreise BP B' schneidet, und bezeichnen die Winkel PCM mit ß, BGA mit yj, den Erdradius CA = CB mit r, und den Abstand des Gestirns M vom Mittelpunkt der Erde C, also 'MC mit E und die Masse des Himmelskörpers mit m. Dann ist die Anziehung, welche der Körper im Mittelpunkt der Erde ausübt: = m/{MC)^ = m/E^, und in dem Punkte A: = 7nl{MA)^. Die erste dieser Kräfte wird in der 236 ^^^ Kanal theorie. Richtung MC, die zweite in der Richtung MA ausgeübt. Ziehen wir nun MM parallel MA, so ist die Anziehung in A nunmehr ausgeübt in der Richtung AM': m MC m . E und in der Richtung CA : = {MAY ' ^A {MAf m CA {MAY ' MA Diese letztere EJraft, welche in der Richtung der Schwere wirkt, kann vernachlässigt werden, da sie ja zur Erzeugung der Flut nichts beiträgt. Die störende Kraft in dem Punkte A ist nun offenbar der Überschuß der in der Richtung AM' wirkenden Anziehung im Punkte A über die ihr parallele Anziehung im Punkte C, oder es ist die störende Kraft in A: =M .Ej{MAy — m\E^, und zwar wirkt dieselbe parallel der Rich- tung CM. Zerlegen wir diese störende Kraft in zwei andere, von denen die eine in der Ebene des Kanals, die andere quer zu demselben wirkt, so wollen wir die letztere vernachlässigen, weil in unserer Voraussetzung die Breite des Kanals gegenüber seiner Länge als unbedeutend angenommen wird und daher in der Richtung der Breite desselben keine wahrnehmbaren Gezeiten entstehen können. Die erstere wird aber: m ( w " ^) "^ "^^ == " (tw - ^) '" ^- Diese Komponente wirkt parallel der Richtung CB, wir haben sie daher, um zu unserer fluterzeugenden Kraft zu gelangen, noch einmal in zwei Komponenten zu zerlegen, von denen die eine, eben die gesuchte flut- erzeugende Kraft, in der Tangente an A, die andere in der Richtung CA wirkt. Die letztere kann wieder, als in der Richtung der Schwere wir- kend, vernachlässigt werden, und es ist demnach die fluterzeugende Kraft im Punkte A: = '"(-(W-i^)^°"p •''"'> <^' Um MA zu finden, denken wir uns von A aus eine Senkrechte AF auf MC gefällt, so ist: {MAy = [MFY + {AF)\ = {E — r cos ACM)^ -f (r sin ACM)\ = E^ — 2rEQ0sACM-\-r\ Denken wir ims die Linien CP, CA und CM bis ans Himmelsgewölbe verlängert, so wird dort ein sphärisches Dreieck entstehen, dessen Seiten PC = 90°, MA = dem Winkel MCA, und PM = dem Winkel PCM = ß sind, während der zwischen PA und PM eingeschlossene Winkel APM = AC B = ri ist; daher cos MC = sin PM . cos APM, cos MC ^ = sin ß . cos rj MA^ = E^ — 2rE am ^ .coa ri+r\ Die Airyschen Gleichungen. 287 Dies in die obenstehende Gleichung (1) eingesetzt, gibt, nachdem {MA)-^ in eine Reihe entwickelt, wobei indes die von der vierten Potenz der Ent- fernung abhängigen Glieder unterdrückt werden, und nachdem sin y] . cos 7] = ^/j sin 2 Tj gesetzt worden, die fluterzeugende Kraft in A : ==-^sm^^.sm2ri (2) welche Kraft darum das negative Vorzeichen erhält, weil der Winkel 7] in der Richtung von B nach A wächst, die Kraft aber das Wasser in der umgekehrten Richtung von A nach B zu bewegen sucht. Da nun aber das Gestirn nicht immer dieselbe Lage zum Beobachtungs- orte A beibehält, vielmehr sowohl infolge der Rotation der Erde im Laufe eines Tages alle möglichen Stellungen zu demselben einnimmt, als auch, infolge der Bewegung in seiner Bahn, während eines Umlaufs seinen Ort am Himmel ändert, so sind die beiden Winkel ß und f] veränderlich, und wir müssen die Funktionen dieser Winkel, welche in der Gleichung (2) vorkommen, durch diejenigen Größen ausdrücken, durch welche die Stellung des Gestirns am Himmel und zum Beobachtungsort in jedem Augenblick fixiert wird. Der nun folgende, zu dem eben angegebenen Ziel führende Weg ist sehr umständlich; wir verzichten an dieser Stelle auf die Wiedergabe. Indem die Deklination des Gestirns mit 5 bezeichnet wird und mit 0 derjenige sphärische Winkel am Himmelspol, welchen der Stundenkreis des Gestirns mit demjenigen größten Kreise macht, der den Pol des Kanals mit dem Himmelspol verbindet; femer Cq, Ci und Cg und tj^i und tpg Koeffizienten bzw. Winkelgrößen bedeuten, welche sowohl von der geographischen Lage des Kanals auf der Erde, wie von seiner Wassertiefe abhängig sind, und anderseits von der Lage des Beobach- tungspunktes am Kanal selbst beeinflußt werden, so ergibt sich für die ganze Wellenhöhe an einem beliebigen Punkte eines solchen Kanals unter der fluterzeugenden Wirkung des Gestirns nach der Kanaltheorie die Gleichung: + ^|f-.Ci.sin2 8.cos(e-.^i) -f-^.e2.C0S25.C0S{2e— 1}»2) .... (3) Diese Gleichung zeigt uns die Flutwelle als etwas Zusammengesetztes, und zwar entsprechend den drei Gliedern, in welche sie zerfällt, aus drei Kategorieen von Wellen. Das erste Glied des Ausdruckes iat von 0 unab- hängig und nur von 8, der Deklination, beeinflußt; es ergibt dies die De- klinationstiden von langer Periode. Die durch das zweite Glied gegebenen Wellen durchlaufen alle ihre Phasen in derselben Zeit, in welcher 0 von 0** bis 360" wächst, und da der Hauptteil von 0 von der Rotation der Erde abhängt, so durchlaufen diese Wellen ihre Phasen im Laufe von ungefähr einem Tage: das sind die eintägigen Tiden. Dagegen sind die durch das 238 1^6 Kanaltheorie. dritte Glied gegebenen Wellen die halbtägigen Tiden, weil sie alle ihre Phasen in derselben Zeit vollenden, in welcher 2 0 von 0 ° bis 360 ° wächst, d. h. ungefähr in einem halben Tage. Daraus wieder folgt, daß immer zwei Wellen in dem ganzen Kanal gleichzeitig vorhanden sein müssen. — Die Gleichung' gilt, wie sie dasteht, nur für einen anziehenden Himmels- körper; indem man nun die Maße von m, E, 6 und 0 für den Mond ein- setzt und eine zweite Gleichung mit den Maßen für die Sonne, nach dem Gesetz der Superposition der Wellen, einfach hinzu addiert, erhält man die tatsächliche Flutwelle, wie sie von beiden Gestirnen geschaffen ist. Als der unmittelbare Nachfolger Airys ist C. Borgen aufgetreten, der in einer längeren Reihe von besonderen Untersuchungen die Lehren Airys weiter ausgeführt und praktisch angewendet hat. Der Unterschied von forcierten oder gezwungenen Wellen und freien Wellen ist dem Leser geläufig (vgl. oben S. 33). In einem ohne Unter- brechung rings um die Erde sich erstreckenden Kanal von überall gleich- mäßiger Tiefe und Breite werden Flutwellen nur als gezwungene Wellen auftreten; sie haben die gleiche Periode wie die fluterzeugenden Kräfte und folgen den Gestirnen mit einer Geschwindigkeit, die von der Wasser- tiefe ganz unabhängig ist, während sich ihre Höhe proportional der Wasser- tiefe verhält, also bei gegebener geringer Tiefe klein, bei größerer Tiefe immer größer wird. Da die irdischen Meere keine schmalen Kanäle, sondern mehr oder weniger breite Becken sind, hat Borgen die Meinung geäußert, daß die fluterzeugenden Kräfte Tidewellen nicht nur in der Richtung der Parallelkreise, sondern auch quer gegen diese entlang den Meridianen hervorrufen, nur daß eben das in der längeren Ausdehnung des Beckens auftretende System stärker sein wird als die anderen Nebenwellen. Dies müssen wir zunächst festhalten. In den irdischen Ozeanen aber werden die gezwungenen Wellen selbst nur vorübergehend eine Rolle spielen. Wo nämlich irgend ein Hindernis der Fortpflanzung solcher Welle ent- gegentritt, sei es eine Änderung der Breite des Kanals oder eine Unregel- mäßigkeit seiner Tiefe oder eine scharfe Wendung in seiner Richtung, da wird die bis dahin gezwungene Welle ihren Weg als freie Welle fortsetzen. Sie wird (vgl. oben S. 105 f.) ihre Periode unverändert beibehalten wie vorher, aber ihre Länge und ihre Höhe, namentlich aber auch ihre Geschwindigkeit den jeweils gegebenen örtlichen Verhältnissen des Kanals anpassen. Diese Wellen werden ebenfalls wie die gezwungenen Wellen sowohl nach der Längsrichtung wie nach der Richtung der Breite des Ozeans vorhanden sein. Da aber die Höhe der gezwungenen Flutwellen der Tiefe des Wassers direkt proportional ist, so sieht man, daß dieselben in der Nähe der Küsten und in wenig ausgedehnten und flachen Meeresteilen verschwinden und dort nur die freien Wellen zur Geltung kommen werden, welche umgekehrt gerade im flachen Wasser zu höherer Entwicklung gelangen. Im tiefen Ozean werden sich dagegen neben diesen letzteren wahrscheinlich auch die gezwungenen Wellen noch geltend machen, und sie dürften bei der Beurteilung der Gezeiten auf kleinen isolierten Inseln nicht außer acht zu lassen sein, wenn nicht möglicherweise wegen der überall vorhandenen Hindemisse die gezwungenen Wellen gar nicht zur Ausbildung kommen und sich sofort in freie verwandeln. Wenn sich mm auf einer ozeanischen Wasserfläche mehrere Züge Borgens Darlegung der Interferenzen. 239 freier Flutwellen unter verschiedenen Winkeln kreuzen, so treten in den so entstandenen Interferenzen eine ganze Keihe der merkwürdigsten Er- scheinungen auf, deren Charakter in einigen Fällen schon von Airy an- gedeutet ist, die aber in ihrer ganzen Wichtigkeit für eine wissenschaftlich eindringende Auffassung des Gezeitenphänomens erst von Borgen erfaßt worden ist. Zu der ersten schon von Airy untersuchten Gruppe von Wirkungen gehören die Abwandlungen der Flutstundenlinien. Wir können uns den einfachen Fall, wo nur zwei solche freien Wellen- systeme vorhanden sind, in folgender elementaren Weiße klar machen; Wir geben beiden Wellensystemen gleiche Höhe und, indem wir die Wasser- tiefe überall gleich- setzen, auch die Fig. 65. gleiche Wellenlänge, Die Periode ist aus der Entstehung der Wellen gegeben. Die Geschwindigkeit folgt dann der La- grangeschenFormel, und aus dieser er- gibt sich die Wellen- länge X = zl/ g p. Wir lassen die Wel- lenzüge sich unter dem Winkel o kreu- zen (Fig. 65). Zur Zeit = Null liegt der Kamm der einen Welle in der Kichtung A E, der der zweiten in der Kichtung A D. Nach einer Stunde hat die erste nach WNW. fortgerückte Welle die Lage D B, die zweite nach Norden gegangene B E. Bei A kreuzen sich beide Kämme in der Zeit Null, bei weiterem Fortschreiten verschiebt sich diese Kreuzungs- stelle in Gestalt eines hohen Wellenberges in gerader Linie auf B hin ent- lang A B, und nach einer Stunde liegt sie bei B. Wer nicht aus der Vogel- perspektive einen Überblick über dieses Wogenbild gewonnen hat, sondern nur die örtlichen Wasserstände beobachtet, etwa auf unterwegs einge- schalteten, steil aufgebauten kleinen Koralleninselcheii, wird von einer Interferenz nichts wissen und den Eindruck haben, als sei in der betreffenden Stunde eine hohe Woge von A nach B gelaufen. Wollte er aber aus der in dieser Stunde durchmessenen Strecke d die Geschwindigkeit bestimmen xmd aus dieser wieder die vorhandene Wassertiefe aus der Lägrangeschen Formel {p — c^jg) berechnen, so müßte '^r notwendig viel zu große Tiefen erhalten. Es sei in Wirklichkeit die Wassertiefe überall p = 4000 m; dann durchläuft eine freie Welle eine Strecke von 385.0 Seemeilen in der Stunde, und die Wellenlänge einer Gezeitenwoge mit t — 12^25™ wird X = 4779 See- meilen. Schneiden sich nun zwei solcher Wellen unter den verschiedenen Winkeln o = G0^ 90«, 120«, 180», so erhält man, da d aus der Figur = Xs!ec^j2 ist, nacheinander folgende zusammengehörigen Werte: Interferenz zweier Tidewellen in spitzem Winkel. 240 Die Kanaltheorie. S= 600 900 1200 1800 d = 5520 Sm. 6760 Sm. 9 559 Sm. oo p = 5332 m 7996 m 15 973 m oo Das führt also zu ganz unsinnigen Werten. Umgekehrt erhält man also, bei bekannter Wassertiele die beobachteten Hafenzeiten vergleichend, viel zu große Geschwindigkeiten, d. h. die Flutstundenlinien rücken zu weit auseinander. Für eine weite ozeanische Wasserfläche ergibt sich daraus, daß wir die Lage der Flutstundenlinien aus etwa genau bekannten Wassertiefen nur dann von einem gewissen Ausgangspunkte aus berechnen können, wenn keine Interferenzen vorliegen. Nur in diesem, wie wir sehen werden, nicht eben häufigen Falle werden wir, wenn zwei beobachtete Hafenzeiten an entsprechend weit auseinanderliegenden Stellen gleich groß angegeben sind, annehmen dürfen, daß zwischen beiden Orten genau eine Wellenlänge liege. Wie sich die Flutstundeniinien bei einem Paar von ungleich hohen Wellenzügen anordnen, hat Airy^) genauer untersucht für den verein- fachten Fall, wo der Schnittwinkel 5 = 90" ist. Auf der folgenden Fig. 66 sind die größeren Wellen durch die starken Linien hervorgehoben, sie bewegen sich in der Richtung von M nach Z; die kleineren Wellen (die feinen Linien) laufen von M nach X. Beide Wellen haben gleiche Periode. Wären nun beide Wellenzüge gleich hoch, so verliefen die Flutstunden- linien in der Richtung der Diagonale der Vierecke von Südwesten nach Nordosten (vgl. auch die frühere Fig. 65), Im vorliegenden Falle aber nehmen für Zeiten, die je um eine Wellenperiode auseinanderliegen, die Flutstundenlinien eine so gewundene Gestalt an, wie sie in der daneben- stehenden zweiten Fig. 67 dargestellt ist. Wir sehen, daß die Achse, zu welcher die Ausbuchtungen symmetrisch liegen, in der Richtung verläuft. Fig. 66. Fig. 67. M c a. b 1 , L, L* L» _♦ Interferenz zweier Wellensysteme im Winkel von 90 0. \r\f\j:\j.' Die aus dieser Interferenz ent- standenen Flutstundenlinien. nach welcher sich die kleinere der beiden Wellen fortpflanzt. Wären die Wogen der starken Linien die kleineren, so erhielten wir ein Bild der Flutstundenlinien, wie wenn wir Fig. 67 um 90° drehten. Die Fig. 67 ergibt, daß der Abstand der homolögen Punkte a' und h' oder a" und &", die derselben Flutstundenlinie angehören, gleich der Länge a b der kleineren 1) Tides and Wavea §§ 365—371. Untersuchungen von Borgen. 241 Welle ist, und daß die Abstände a' c' oder a" c" zweier Punkte auf ver- schiedenen Flutstundenlinien gleich der Länge a c der größeren Welle sind. Umgekehrt werden wir, so schließt Borgen weiter, auch verfahren können. Finden wir auf zwei Flutstundenlinien zwei Punkte, deren Abstand gleich der aus der mittleren Wassertiefe berechneten Wellen- länge ist, wie a' und c' (in Fig. 67), so können wir daraus entnehmen, daß dies die Richtung ist, in der das größere der beiden WeUensysteme vor- schreitet. Für die praktische Ausführung dieser Rechnungen wird man nun allerdings, wie uns die Erfahrungen bei den großen Dislokations- und Explosionswogen ergeben haben (S. 154), nicht einfach die mittlere Tiefe der ganzen Strecke einführen dürfen, sondern diese Strecke in eine passende Anzahl möghchst gleich tiefer Teilstücke zerlegen. Außerdem will Borgen die Strecken stets entlang dem sogenannten größten Kreise messen, wäh- rend die Wogen doch immer entlang den größten Tiefen vorrücken, also eine gewundene Bahn verfolgen. Die von Borgen selbst berechneten Beispiele entsprechen also strengeren Anforderungen nicht und bedürfen der Revision, was schon auf G-rund unserer heute sehr viel genaueren Kenntnis der Meerestiefen geboten ist. Bei Ausführung solcher Rechnungen ist große Sorgfalt auf die richtige Auswertung der auf den seichten Schelfbänken zurückgelegten Strecken zu verwenden. Die Lagrangesche Formel ergibt, daß für die gleiche Strecke eines Äquatorialgrades (60 Seemeilen) in 50 m Tiefe L39 Stunden, in 100 m Tiefe 1 Stunde, dagegen in 4000 m nur 0.16 Stunden (= 9 Minuten), in 5500 m 0.13 Stunden (8 Minuten) erforderlich sind. Die Schelfbänke wirken also verhältnismäßig sehr stark verzögernd auf das Fortschreiten der Gezeiten- wellen ein. Es ist darum für diese Rechnungen unvermeidHch, die besten Spszialküscenkarten heranzuziehen, wenn man nicht sehr grobe Fehler be- gehen will. Ob man sich in der eigentlichen Tiefsee bei Schätzung der Tiefen um + 200 m irrt, fällt ungleich weniger ins Gewicht. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die von Borgen ausgeführte Versuchsrechnung, die wir hier nur mit dem eben ausgesprochenen Vorbehalt verwenden dürfen. Stationen Hafenzeit in Green- wich- Zeit D Abstand Mittlere Tiefe j) zwischen beiden Wellen- länge X Differenz D—'k 1. Kapstadt 1 h 27 m \ St. Augustine (Florida) . . i 1 h 47 m ! / 2. Sta. Catharina (Südbrasil.) 6 h 59 m i \ St. Kilda (westl. v.d. Hebr.) 6 h 4 m | / 3. Jericoacoara (Ceara, Bras.) :7h 57 m i\ Kap Wrath (Schottland) . 7 h 50 m j j 4. Kapstadt Ih 27mj\ Ferro 1 h 42 m i / 6. St. Helena 3 h 34 m \ Ouessant I. (vor Brest) . 3 h 52 m / KrUmmel, Ozeanographie. I[. km m km 12 672 4095 8960 10 184 3967 8819 7 518 7 913 7 168 3781 4086 4031 8610 8950 8890 km + 3712 + 1365 — 1092 — 1037 — 1722 16 242 Die Kanal theorie. Das erste Beispiel zeigt eine so große Differenz zwischen D und )., daß mit Sicherheit gesagt werden kann, in dieser Richtung bewegt sich die Flutwelle nicht über den Ozean. — Im zweiten Falle ist die wirküche Entfernung der beiden Orte um V7 größer als die berechnete Wellenlänge. Man kann nun annehmen, daß die der brasiUanischen Küste vorgelagerte Bank die Flutwelle verzögert, so daß im tiefen Ozean die Flutstundenlinie von 5^ 5^^ jedenfalls erhebUch nördlicher liegt, als bei Sta. Catharina, ebenso würden auch die „Gründe" vor Irland wirken, daher die Distanz im tieferen Wasser gemessen jedenfalls der berechneten Wellenlänge X näher käme. „Hierdurch gewinnt die Annahme, daß das Hauptsystem der atlantischen Flutwellen sich von Süden nach Norden fortpflanze, an Wahrscheinlichkeit, eine Annahme, deren Richtigkeit durch die folgenden Beispiele noch verstärkt wird." Denn auch bei diesen wirken die flachen Küstenbänke im allgemeinen verzögernd, auch sind die Unterschiede der Flutstunden nicht genau 12^ 25™, was für die Rech- nung einen Unterschied macht. Im allgemeinen kann danach immerhin (mit gehöriger Berücksichtigung der durch das Bodenrelief bewirkten Änderungen der Flutstundenlinien) als eruäesen betrachtet werden, daß sich die höchsten atlantischen Flutwellen in meridionaler Richtung von Süd nach Nord fortpflanzen; daneben kann dann noch ein zweites, jedenfalls aber viel kleineres Wellensystem existieren, welches sich nach der Breite des Ozeajis fortpflanzt oder auch ein drittes von Norden nach Süden. Das erstere Svstem igt aber das maßgebende; die anderen be- wirken mehr oder weniger empfindliche Verschiebungen der Flutstundenhnien. Es ist später auf diese Dinge noch zurückzukommen. Sehr sonderbare Anordnungen erleiden die Flutstundenlinien in solchen Fällen, wo die interferierenden Wogen in genau entgegengesetzter Rich- tung (mit einem Schnittwinkel = 180") durcheinander hindurchlaufen. Auch dieser Fall ist der elementaren Analyse und zwar auf graphischem Wege zugänglich; man erhält unter gewissen vereinfachenden Voraus- setzungen sogar eine rasche und einleuchtende Anschauung, was die von P. van der Stok und Borgen entwickelten Formeln in ihrer Allgemein- gültigkeit nicht so leicht ermöglichen. Wir nehmen an, daß die Meerestiefen auf der untersuchten Strecke entlang einer Küste überall gleich sind." Das Verfahren ist dann folgendes. Wir konstruieren oder berechnen uns für eine bequeme Wellenlänge (z. B. 12 cm) und Wellenhöhe (10 cm) die Wasserstandshöhe für jedes V24 der Wellenlänge. Nunmehr setzen wir die Periode gleich 12 Mondstunden, und geben dieselbe Länge und Periode auch der zweiten Welle, die wir mit der ersten inter- ferieren lassen wollen ; die Hubhöhe dieser zweiten Welle setzen wir verschieden an, und zwar wurde die Konstruktion für einen ^ub von Vs ^nd von V« der ersten Welle durchgeführt. Man kann nun diese zweite Wellenkurve auf ein Blatt von durchsichtigem Koordinatenpapier zeichnen und dieses Blatt auf der Zeichnung der ersten größeren Welle seitwärts verschieben und so die Phasenunterschiede von 1 Stunde, 2 Stunden, 3 Stunden usw. nacheinander herstellen, wobei die resultierende dritte Welle leicht zu konstruieren ist. Noch besser wird man zunächst ein tabellarisches Verfahren einschlagen. Man schreibe auf ein Formular mit 24 senkrechten Rubriken, die mit 0 Stunden, Vt Stunde, 1 Stunde, 1 Vt Stunden usf. zu beziöern sind, die jedem dieser Zeitpunkte zukommende Wasserstandshöhe für die erste Welle; alsdann trage man auf einem gtreifcn Papier in gleiche Rubriken die entsprecnenden Werte der kleineren Welle ein, lege den Papierstreifen unter die korrespondie- renden Rubriken, um zunächst die einfache Aufeinanderlagerung der beiden Verschiebung der Flutstundenlinien bei Interferenzen. 243 Wellen durch Addition auszurechnen. Von diesem Phasenunterschied = Null ausgehend, kann man durch Seitwärtsverschieben des Papierstreifens auch für einen Phasenunterschied von 1 Stunde, 2 Stunden usw. die resultierenden Wasserstandshöhen durch Addition finden und rubrizieren. Ist das geschehen, so kann man die neuen resultierenden Wellenkurveii auf Koordinatenpapier entwerfen, wobei man die Region des WeUenkammes möglichst sorgfältig konstruiert., um danach die Zeit des höchsten Wasserstandes genauer be- stimmen zu können. Es zeigt sich dann, daß die größere Welle für die Zeit des Hochwassers im allgemeinen maßgebend bleibt, daß aber die kleinere Welle, je nach ihrer Stellung zur großen, deren Wellenkamm mehr oder weniger weit zu sich hinüberzieht. Für die beiden untersuchten Fälle ergab sich diese Veränderung der Hochwasserzeit, wie in nachstehender Tabelle verzeichnet. Die erste Reihe bezieht sich auf ein Verhältnis der Wellenhöhen wie 3:2, die zweite Reihe auf das Verhältnis 2:1. Ein Voreilen des Hochwasser- kamms ist durch das Pluszeichen, ein Zurückbleiben durch das Minus- zeichen ausgedrückt. Phasendifferenz Oh Ih 2h 3h 4h 5h Fall 3:2... Fall 2 : 1 . . . 0.0 0.0 — 0.4 — 0.3 — 0.75 — 0.65 — 1.05 — 0.85 — 1.35 — 1.0 — 1.25 — 0.80 Phasendifferenz 6h 7h 8h 9h 10 h 11h Fall 3 : 2 . . . Fall 2 : 1 . . . ■ 0.0 0.0 + 1.25 + 0.80 + 1.35 + 1.0 + 1.05 + 0.85 + 0.75 + 0.65 + 0.4 + 0.3 Konstruiert man hiernach die Flutstundenlinien, wie in Fig. 68 für eine Strecke von 120 Seemeilen = 1 Wellenlänge durchgeführt ist, so bemerkt man, wie die Hafenzeiten im allgemeinen in der Richtung der großen Welle von links nach rechts wachsen. Aber die räumlichen Ab- stände der Flutstundeniinien sind verschieden, und zwar nehmen sie symmetrisch zu und ab. Man sieht in beiden Fällen je zwei längere Strecken von fast Va ^ ina Falle II, Vi ^ ^^ Falle III, wo die Hafenzeiten nur um + 0.5 Stunden um die Werte 3 ^ und 9 ^ schwanken , während sie in den zwischenHegenden Strecken sich eng zusammendrängen. Und doch hatten wir die Wassertiefe und damit die fortschreitende Ge- schwindigkeit der beiden Wellen als überall gleich angenommen. Diese charakteristische Anordnung steigert sich in gleichem Sinne weiter, so- bald die beiden Wellenhöhen mehr und mehr sich gleich werden. In dem extremen Fall, wo beide Wellen genau gleich hoch sind (Fig. 68, I), bilden sich zwei Strecken von jedesmal genau gleicher Hafenzeit auf je einer Hälfte der ganzen Wellenlänge aus mit einem plötzlichen Sprung in der Mitte der Wellenlänge, d. h. wir erhalten eine stehende Welle mit 6 St"^.- den Unterschied in den Hochwasserzeiten, was nach früheren Darlegungen (S. 158, Fig. 42) zu erwarten war. Auf der Fig. 68 sind auch die Hubhöhen der resultierenden Tiden in ihrer örtlichen Verschiedenheit eingetragen nach einem Maßstab, wonach bei der PhasendifEerenz = Null die Hubhöhe =100 gesetzt ist. Man 244 Die Kanaltheorie. 2.^ 1—* 23 5:1 5' 2 2.0. s.» « 5 B 2, WS sieht, wie die größten und die kleinsten Hubhöhen sich in der Kegioin der engst gestellten Flutstundenlinien finden ; für den zuletzt berührten Fall einer stehenden Welle würde die Hubhöhe in der Mitte der dargestellten Wellenlänge na- türlich - Null werden. Küstenstrecken, auf welche die hier entwickelten Vorgänge anwendbar sind, finden sich in den irdischen Meeren sehr ver- breitet; eng gedrängte, aber durchaus nicht den Wassertiefen folgende Flutstundenlinien u. a. hei den Färöer, in der südwest- lichen Nordsee und zwischen Madagaskar und Mauritius ; weit auseinandergezogene auf längeren »Strecken entlang den Ostküsten Amerikas , Afrikas und Australiens. ^- Es wird sich empfehlen, ^ zur leichteren Unterscheidung ?° solcher Störungen im Verlaufe der Flutstundenlinien eine strengere Terminologie einzu- führen. Wir nennen eine Anord- nung der Flutstundenlinien, die genau den Wassertiefen folgt, orthochron und eine so gekenn- zeichnete interf erenzfreieRegion eine Orthochronie. Von den Wassertiefen unabhängig ver- lauf ende FlutstundenHnien nen- nen wir pseudöchron und unter- scheiden hierbei wieder Gebiete mit weit auseinandergezogenen Flutlinien als eurychron, von sol- chen, wo sie sich eng aneinan- der drängen, den stenochronen. Unter den Eurychronieen ge- winnt der extreme Fall, wo mehr oder weniger gleichmäßige Hafenzeiten größere Flächen beherrschen, ein besonderes In- teresse: wir nennen sie homo- chron und ein von ihnen be- Fig. 69. — ► ■ — >■ ' r K T R ' ' T K' T K T K Typen der Flutstundenlinien. 245 herrsclites Gebiet eine Homochronie. Im folgenden wird insbesondere im Abscbnitt über das geographische Bild der Gezeiten die Darlegung der beiden extremen Typen, dev Ho7nochro7iie und Stcnoclironie der Tiden, uns häufig zu beschäftigen haben. Wir können aus solcher Interferenz- wirkung nun auch leicht verstehen, wie es möglich wird, daß auf den ozeanischen Inseln die Hubhöhen so verschie- den groß ausfallen. Betrachten wir eine Kreu- zungsstelle zweier Wellenkämme (Fig. 69 bei K), so haben sich hier die Höhen beider Wellen zu einander addiert, es gibt also nicht nur ein sehr hohes Hochwasser, sondern überhaupt einen großen Hub, denn nach einer Halbperiode (6 Stunden) werden an derselben Stelle auch wieder die Wellentäler beider Systeme zu- sammentreffen, wodurch ein sehr tiefes Nied- rigwasser entsteht. Denken wir uns einen Augenblick die Meeresoberfläche erstarrt und gehen an dem einen Wellenkamm entlang weiter, so kommen wir an eine Stelle, wo er ^'^^^'"durch^inteH^re"?^**'''" vom Wellental des zweiten Systems durch- kreuzt wird (Fig. 69 bei T): hier muß der Tidenhub immer klein bleiben, denn wenn unser erstarrtes System wieder lebendig wird, liegt nach 6 Stun- den hier wieder ein Wellental mit einem Wellenkamm in Deckung. Da also der Phasenuntersc>hied zwischen beiden Wellen für denselben Ort konstant bleibt, wird die Hubhöhe immer für denselben Ort den gleichen Charakter beibehalten, d. h. entlang der Meeresoberfläche verschieden groß sein, was wir eben bei ozeanischen Inseln finden. — Nach der dynamischen Wellentheorie ist jeder Ozean nun der Tum- melplatz vieler solcher Wellensysteme kosmischen Ursprungs, die in Gestalt freier Wellen miteinander interferieren. Der Mond bildet halb- tägige, eintägige, Mtägige Wogen, die Sonne ebensoviele, wenn sie auch an Höhe nach dem Verhältnis der fluterzeugenden Kräfte nur 0.46 der lunaren Wellenhübe erreichen können. Alle diese Wellen lunaren oder solaren Ursprmigs bilden miteinander Interferenzen, indem sie durch unregelmäßige Gestalt der Meeresbecken in verschiedene Richtungen gelenkt und auch reflektiert werden können. Die Wirkungen dieser Inter- ferenzen hat Borgen sehr anschaulich analysiert^). Die halbtägige Sonnenwelle hat bekanntlich eine Periode von genau 12 Stunden, während die der Mondwelle um fast eine halbe Stunde, genauer 0.42 Stunden, länger ist. Entsprechend werden die Kämme der Mondwellen weiter voneinander abstehen und ihre Wellenlängen werden sich zu denen der Sonnen wellen verhalten wie 1242 zu 1200 oder angenähert wie 30 zu 29. In einem Ozean von 4000 m Tiefe sind die Mondwellen 4800 Seemeilen (8850 km) lang, die Sonnenwellen aber 160 Seemeilen (300 km) kürzer. Aber beide Wellen bewegen sich mit gleicher Geschwindigkeit durch das Meer hin, da sich das, wie wir wissen, nur nach der Wassertiefe richtet (in unserem Falle würden beide 385 See- ^) Ich lehne mich im folgenden an die in meiner Rektoratsrede (Über Gezeiten- wellen) vom 5. März 1807 gegebene Darstellung an. 246 I^iß Kanaltheorie. meilen [713 km] in einer Stunde durchmessen). Setzen wir zunächst als einfachsten Fall: je eine Mond- und Sonnenwelle bewegten sich in der gleichen Kichtung von einem Punkte aus durch das Wasser hin, so ist klar, daß sie bei ihrer ungleichen Wellenlänge bald auseinanderkommen. Der Kamm der ersten Mondwelle wird von dem der nächsten Sonnenwelle um V29 entfernt sein, die zweite wird schon um Vis» die dritte um Vio der ganzen Wellenlänge abstehen, und der Kamm der 30. Sonnenwelle würde mit dem der 29. Mondwelle wieder genau zusammentreffen. Das letztere ist jedoch in den irdischen Meeren ausgeschlossen, die dafür zu unregelmäßig gestaltet sind, so daß dieselbe Welle nicht so viele Male, wie hierzu nötig wäre, um die ganze Erde herumlaufen könnte. Immerhin werden durch Reflex von den Küsten die hier in Betracht kommenden Phasenunterschiede doch entstehen können. Nehmen wir nun aber weiter an, daß zwei solcher gepaarter Systeme sich unter einem großen Winkel durchkreuzen, so wird bei einiger Überlegung folgendes klar. Da, wo sich die Kämme beider Sonnenwellen und beider Mondwellen zugleich kreuzen, wird man hohen Tidehub mit dem richtigen theoretischen Ver- hältnis der Mond- zu den Sonnen wellen erwarten dürfen, also wie 100 : 46. Eine Wellenlänge weiter aber durchkreuzen sich die Kämme der beiden Mondwellen im Anfang des Wellentals der Sonnenwellen, und umgekehrt durchkreuzen sich wieder die beiden Kämme der Sonnenwellen im Tal- hang der Mondflutwellen (die Fig. 69 eignet sich zur Erläuterung auch dieser Verhältnisse). Hier gibt es natürlich an beiden Kreuzpunkten ganz andere Verhältnisse der Größe der Sonnen welle zur Mondwelle: im ersten Falle wird die Sonnenwelle viel kleiner, im zweiten viel höher ausfallen, als das theoretische Verhältnis erfordert, und doch liegen beide Orte in flachem Wasser gar nicht sehr weit voneinander entfernt. Es ist klar, daß bei solchen Interferenzen jedes beliebige Verhältnis von Mond- zu Sonnentidenhub herauskommen kann. Die Beobachtungen zeigen in der Tat, daß nur selten das theoretische Verhältnis beider Tidenhübe, also 0.46, angenähert erreicht wird, wie beispielsweise an der kalifornischen Küste bei San Diego mit 0.41, während San Francisco schon 0.23 hat. Dagegen ist in der Floridastraße die Mondtide 6mal stärker als die Sonnen- tide, nicht weit davon an der Mississippimündung umgekehrt die Sonnen- tide viel stärker als normal, nämlich 0.59 der Mondtide. Im Mittelmeer ist die Sonnentide in Marseille zu klein (0.35), in Toulon ungefähr normal (0.47), zu groß in Malta (0.61). In Mauritius und Ceylon sind Sonnen- und Mondtiden ungefähr gleich. Ja, es gibt wirklich eine kleine Anzahl von Orten, wo die Mondtide klein wird bis zum völligen Verschwinden, wo also die Sonnentide allein herrscht. Das geschieht im Pazifischen Ozean auf der Insel Tahiti, wie seit langer Zeit bekannt ist, aber auch an verschiedenen Punkten der Javasee, wie die Arbeiten Dr. van der Stoks ergeben haben. Auch in unseren europäischen Meeren haben wir ganz vereinzelt einen solchen Ort; Courtown an der Ostküste Irlands. Hier also hat man jeden Tag um dieselbe Uhrzeit Hochwasser, eine Hafenzeit im gewöhnlichen Sinne, d. h. eine, die sich nach dem Monde richtet, ist nicht vorhanden. Wie dies zustande kommen kann, wird sich aus dem Folgenden ergeben. Außer den halbtägigen Wellen, die wir bisher betrachtet haben, ent- Weitere Interferenzwirkungen nach Borgen. 247 stehen auch eintägige, und zwar werden sie wieder sowohl vom Mond wie von der Sonne erzeugt. Diese eintägigen Wellen haben die doppelte Länge der halbtägigen, laufen aber mit derselben Geschwindigkeit wie diese durch den Ozean hin, da auch sie darin von der Wassertiefe allein abhängig sind. Zu den vorher beschriebenen Interferenzen treten nun noch die eintägigen Wellen hinzu, die sich mit den halbtägigen und unter- einander kombinieren durch algebraische Addition ihrer Wasserstände. Bei geeignet liegenden Ablenkungen und Reflexen ist nun leicht der Fall denkbar, daß an einem Orte zwei Systeme halbtägiger und zwei Systeme eintägiger Wellen sich in einem erheblichen Winkel durchkreuzen, und hierbei die eintägigen Wellen in solchen Phasen aufeinander treffen, daß sie sich gegenseitig aufheben (immer der Wellenberg der einen im Wellental der anderen), während die halbtägigen sich wenig beeinflussen oder in ihren Phasen gleichsinnig sind, sich also verstärken: dann haben wir gut ausgeprägte halbtägige Wellen und eine schwache oder verschwindend kleine tägliche Ungleichheit, wie an unseren europäischen Westküsten. Im entgegengesetzten Fall aber, wo, an einem anderen Punkte, gerade die halbtägigen Wellen mit entgegengesetzten Phasen einander durch- schneiden und sich damit auslöschen, bleiben die eintägigen Wellen allein übrig, und diese könnten sich unter Umständen sogar gleichphasig über- einander lagern und mächtig verstärken: dann entstehen Eintagstiden, wie wir sie bei den dalmatinischen Inseln, im Golf von Mexiko oder in den australasiatischen Gewässern zu beschreiben haben werden. Dazwischeu kann es natürlich alle möglichen Übergänge geben. Setzen wir nun noch den Fall, daß solche Wellensysteme in genau entgegengesetzten Richtungen einander durchdringen, so wird man viel- leicht einen Punkt linden können, wo alle Mondwellen sich gegenseitig aufheben, die Sonnenwellen dagegen bestehen bleiben, ja, ihre Wasser- stände sich in gleichem Sinne addieren: dann richtet sich die Fluterschei- nung allein nach der Sonne, wie in Tahiti, an einer Stelle der Javasee oder an der irischen Küste in Courtown^). Man sieht, in einer solchen Analyse der Interferenzerscheinungen, wie sie hier in wenigen kurzen Zügen nach Borgens Anleitung versucht worden ist, in der Tat einen Weg, um zu einem Verständnis scheinbar ganz regelloser Vorgänge zu kommen. Allerdings ist man nicht imstande zu sagen, warum, um beim letzten Falle stehen zu bleiben, gerade in Tahiti und nicht erst auf einer der Samoainseln oder an irgend einem anderen Punkte des Pazifischen Ozeans, diese Interferenz der Mondwellen mit der Phasendifferenz von 6 Stunden und einer Richtung von 180° not- wendig wird. Was wir aus Borgens Darstellung gewinnen, soll auch zu- nächst nur das eine sein : dem Charakter der betreffenden Fluterscheinung das Wunderbare und ganz Unverständliche zu nehmen. Kennt man erst an mehreren Hunderten von Küsten- und Inselpunkten in jedem Ozean Charakter und Zusammensetzung der Gezeiten mit aller Genauigkeit, wozu gegenwärtig nur erst ein Anfang gemacht ist, so wird man auch imstande sein, den Verlauf jeder einzelnen Wellenkategorie auf der Karte in Flutstundenlinien einzutragen, und erst dann wird man, das Boden- M Vgl. Airy in Philos. Trans. London 1845, Bd. 00, p. 121 für Courtown; R o d g e r 8, ü. S. Ckjast Survey Report for 1864, App. 9 für Tahiti. 248 I^i© Kanal theorie. relief der Ozeane in Eechnung ziehend, klarer sehen können, was den Ursprung, und was Weg und Richtung der Wellen bestimmt. Dazu aber erscheinen noch jahrzehntelange fleißige Arbeiten erforderlich, nach Art nicht nur derer, wie wir sie dem Gezeitenkomitee der britischen Natur- forscherversammlung verdanken, sondern noch mehr, wie sie Dr. van der Stok für die Gewässer der Javasee durchgeführt hat. Airys Kanaltheorie paßt sich naturgemäß den Fluterscheinungen in schmalen Buchten oder Flußmündungen besonders gut an. Nach seinen früher (S. 106) ausführlich dargelegten Formeln ergibt sich, daß der Tiden- hub sich bei einer Veränderung der Wassertiefe verhält umgekehrt wie die vierte Wurzel aus der Wassertiefe, und bei einer Änderung der horizon- talen Breite des Beckens umgekehrt wie die Quadratwurzel aus der Breite. Es werden sich ims später bei der Darstellung der Tiden in den seichteren Meeresgebieten mehrfach gute Beispiele für diese Regeln darbieten. — Ebenso hat schon A i r y gezeigt, daß, wenn die Amplitude der Schwingungen in der Welle einen namhaften Betrag der Wassertiefe erlangt, das Gesetz der einfachen Süperposition der Wellen seine Geltung verliert. Die alsdann eintretenden und von Lord Kelvin (Sir William Thomson) zuerst erkannten Erscheimmgen sind wiederum ganz denen analog, welche Helmholtz für akustische Schwingungen der Luft- teilchen, deren Amplituden nicht mehr unendlich klein genannt werden können, nachgewiesen hat : wenn Schallwellen, von zwei Tönen herrührend, eine und dieselbe Luftmasse in heftige Erschütterung versetzen, so ent- stehen Kombinationstöne. Die Schwingungszahlen dieser letz- teren sind dann entweder die Differenzen oder die Summen der Schwingungs- zahlen der primären Töne, und zwar kommen sie sowohl bei harmonischen wie bei disharmonischen Intervallen vor. Letzteres ist als Analogon wichtig, denn der Unterschied der Periode der Sonnen- und der Mondflut ist so gering, daß in der Welt der Töne das Verhältnis ihrer Schwingungs- zahlen sicher zu den disharmonischen Intervallen gerechnet werden müßte. Diese bei den Gezeiten auftretenden Kombinationswellen nannte Sir W. Thomson Compound tides (früher auch wohl geschmacklos HelmhoUz- comfound-tides), was wir am besten mit Kombinationstiden wiedergeben ; Borgen nannte sie zusammengesetzte Gezeiten. Sie besitzen vielfach die gleiche Periode wie einige kosmische Gezeiten; andere, soweit sie Differenzwellen sind, eine längere Periode als die halb- tägigen Gezeiten, während einige Summationswellen eine kürzere Periode zeigen. Ein zweites Analogon zu dem Verhalten der Schallwellen liefern die von Thomson ebenfalls entdeckten, den Obertönen vergleichbaren Tiden, die auch nur im flachen Wasser entstehen und deren Perioden ganze Bruchteile der einfachen halbtägigen Sonnen- und Mondfluten sind. Darwin nannte sie overtides, was wir ohne weiteres mit Obertiden wiedergeben dürfen ; Borgen wollte sie Nebengezeiten heißen. Obertiden und Kombinationstiden sind beide, wie man sieht, nur indirekt noch kosmischen Ursprungs und bleiben örtlich auf flaches Wasser be- schränkt, daher sie unter dem Begriff der Seichtwassertiden zusammengefaßt werden. Sie erscheinen im ganzen von untergeordneter Bedeutung, doch hat beispielsweise in Ramsgate eine Summationstide Seichtwaasertiden. Ungelöste Probleme. 249 von 14tägiger Periode eine Wellenhöhe von 3, eine Obertide von Vdtägiger Periode eine Höhe von 10 cm; eine ebensolclie in Liverpool erlangt sogar 12 cm. Außer den kosmischen und Seichtwassertiden unterscheidet man seit L a p 1 a c e noch sogenannte meteorologische Gezeiten, welche von pe- riodischen meteorologischen Erscheinungen abhängen: vom Wind, Baro- meterstand und Regenfall. Wir haben uns bei einer früheren Gelegenheit^) ausführlich mit ihnen beschäftigt. Land- und Seewinde, sowie die täg- liche Periode der Windstärke (mit ihrem Maximum nachmittags und Minimum nachts) sowie die tägliche Periode des Barometerstandes (mit dem doppelten Maximum um 9 Uhr vormittags und 9 Uhr abends und dem doppelten Minimum um 4 Uhr morgens und 4 Uhr nachmittags) können die eintägige Ungleichheit der kosmischen Tiden steigern, wie die Monsunwirkungen oder Regenzeiten die halbjährlichen Sonnentiden, und deshalb nimmt man bei der Analyse der Tidekurven mit gutem Grunde auf diese indirekten Sonnen Wirkungen Rücksicht. Obschon durch diese Arbeiten Airys und seiner Nachfolger auch eine Fülle der auffälligsten Eigenschaften der irdischen Flutwellen dem wissen- schaftlichen Verständnis wenigstens in qualitativer Hinsicht näher ge- bracht worden ist, so bleibt doch noch immer vieles übrig, was der Auf- klärung harrt. Von diesen Fragen ist, sagt Ferrel, die schwierigste die Verzögerung der Springtiden im Nordatlantischen Ozean bis zu zwei Tagen nach der Zeit der größten fluterzeugenden Kraft. Die Tragweite der von Young und Airy für die Reibung aufgestellten Formeln liegt offenbar in der zutreffenden Richtung, aber sie geben doch keinen Anhalt, die auf- fallende Größe dieser Verzögerung zu erklären, außer wenn man die Rei- bungskonstante ganz unvernünftig groß ansetzen wollte, noch dazu allein im Nordatlantischen Ozean. Die Whewellsche Theorie von der Abkunft der Gezeiten welle aus der Südsee mußte ganz verworfen werden. Diese in Rede stehende Verspätung fehlt nun wieder den schwachen Gezeiten des Mittelmeers (besonders den adriatischen) ganz, ja in Toulon tritt die Springtide 4^4 Stunden vor den Syzygien, im Kattegat und in den Belten sogar einen bis zwei Tage zu früh auf. Woher hier die Abweichung von der Theorie nach der anderen Seite? Noch rätselhafter ist die örtlich so überraschend verschiedene Ver- spätung der täglichen Ungleichheit. Die Wellentheorie weist zwar in der Reibung eine Ursache nach, welche für die halbtägige Gezeit eine andere Verzögerung bewirkt als für die eintägige, da die Verzögerungen in wesentlich verschiedener Weise von der Wassertiefe abhängen. Aber warum verschwindet diese Einwirkung der Reibung bei den adriatischen Tiden? Auch ist so noch gar nicht erklärt, warum man zur Berechnung dieser täglichen Ungleichheit nicht diejenige Deklination des Mondes anwenden darf, welche zur Zeit des Hoch- oder Niedrigwassers statt- findet, sondern eine von Ort zu Ort verschieden frühere : in Liver- pool die 6 Tage, Plymouth 4, London 5V2, Leith 12, Wilhelmshaven wieder 6, in Cuxhaven 7 Tage vor dem Hochwasser geltende; denn um ^) Bd. I, S. 55— 63i 250 Auffassung der Gezeiten als stehende Wellen. diesen Zeitraum tritt das Maximum der täglichen Ungleichheit nach der größten Deklination des Mondes ein. Wir werden diese Abweichungen von der Theorie bei der Einzelbeschreibung der Tiden in den verschiedenen Ozeanen noch vollständiger zu behandeln haben. 4. Die Auffassung der Gezeiten als stehende Wellen nach Ferrel und Harris. Wie es scheint, war Newton der erste, der gelegentlich auf Eigenschaften des Gezeitenphänomens hindeutete, die wir heute als stehende oder sta- tionäre Schwingungen auffassen würden. So fand er in den geringen Hub- höhen landferner ozeanischer Inseln ein Anzeichen dafür, daß sie in der Nähe von Knotenlinien gelegen sein dürften^). Wir haben diese eigen- artige Wellenform ausführlich behandelt (S. 157 ff.). Später haben Young, Fitzroy, Dove und Ferrel, und zuletzt namentlich R. Harris der Anschauung Ausdruck gegeben, daß die irdischen Gezeiten nichts anderes seien als solche stehenden Wellen von allerdings riesigen Dimensionen 2). Zumeist wurde ais Hauptbeweis für ein einfaches Hin- und Her- schaukeln der Meere die Unmöglichkeit hingestellt, für die atlantischen Küsten der Vereinigten Staaten Flutstundenlinien zu konstruieren: denn in diesen amerikanischen Häfen tritt das Hochwasser nahezu gleichzeitig entlang der ganzen Küste auf, wobei nur die am weitesten ins Festland eingeschobenen Buchten oder Gebiete mit breit vorgelagerten Schelfen eine Verspätung des Fluteintritts gegenüber den freier gelegenen Nachbar- orten zeigen. Man überschaue nachstehende Tabelle, welche die Hafen- zeiten (auf Green wich-Zeit reduziert) für die Ostküste der Vereinigten Staaten wiedergibt: St. Augustine 1 h 47 ,m Sandy Hook vor New York . 0 h Ossabaw-Sund, südl. v. Sav. . Ih 43m Blockinsel Oh Winyah-Bai (330 15'N. B.) . 1 h 12 m Sable-Island (Südseite) . . . 10 h Hatteras-Inlet 0 h 6 m Halifax Oh Kap Henry (Delawaremündg.) 0 h 44 m Kap Race (Neufundland) . . 10 h Der in Sable-Island und an der Südostspitze Neufundlands um 2 Stunden verfrühte Eintritt des Hochwassers wird nicht so sehr auffallen, da diese Punkte die vorgeschobensten des ganzen nbrdamerikanischen Festlands sind; aber für die eigentlichen Küstenplätze ist der größte Unterschied in den Hafenzeiten doch nur etwa eine Stunde. Ähnlich zeigte schon Whe- wells Karte der Flutstundenlinien der westeuropäischen Meere deutlich, wie am Biskayischen Golf alle Häfen nahezu gleichzeitig ihr Hochwasser erhalten, und zwar etwas nach 3 Uhr Greenwich-Zeit, und ähnlich die Westküste Irlands etwas nach 5 Uhr. Da allerdings die Westküste Por- tugals etwa um 2 Uhr ihr Hochwasser bei Springzeit hat, so ist immer- ^) Is. Newtons Mathemat. Prinzipien der Naturlebre. herausgegeben von J. P. Wo Hers, Berlin 1872, S. 451 f. (Lib. III, prop. 42, cor. 1). 2) Vgl. F i t z r o y , The Weather Book , Appendix B . p. 367. — Dove in Zeitschr. f. allg. Erdk. 1856, Bd. 6, S. 472. — William Ferrel, Tidal Resear- ches in U. S. Coast Survey Report for 1874, Appendix. — R o 1 1 i n A. H a r r i s, Manual of Tides IV a und IV b in denselben Reports 1900, App. 7 und 1904, App. 5. Ferrel über die nordatlantischen Tiden. 251 hin eine kontinuierliche Verspätung der Flutstunden , von Süden nach Norden zunehmend, für die Ostküste des Ozeans absolut nicht zu be- streiten. Wenn es nun in irgend einem Ozean einen ausgedehnten Streifen gibt, dessen Tiefe zur Längenausdehnung in solchem Verhältnis steht, daß eine uninodale Schwingung von 12 Stunden Periode durch die flut- erzeugenden Gestirne erregt werden kann, dann wird durch die periodische Wiederholung dieser Störung die stehende Welle an den beiden Küsten Amplituden erreichen, welche der Theorie nach unendlich groß werden können, obwohl die zerstörenden Wirkungen, welche derartige Wasser- schwankungen zur Folge haben müssen, durch vermehrte Reibung sie bald auf einen endlichen, wenn auch kolossal hohen Wert reduzieren dürften. Schon die Tatsache, daß nirgends entlang freien ozeanischen Küsten ab- norm hohe Gezeiten beobachtet werden (sondern nur in trichterförmig zugespitzten Buchten), ist ein Beweis, daß diese uninodalen Schwingungen, wenn überhaupt vorhanden, dann jedenfalls nicht ausschlaggebend für den ganzen Charakter des Flutphänomens sind. Es könnten also nur neben den fortschreitenden auch noch stehende Wellen vorhanden sein, und etwas anderes scheint wenigstens Ferrel auch nicht beweisen zu wollen ^). Versucht man nun, entlang gewissen, in der Konfiguration der Ozeane beruhenden Längsachsen nach der Formel für die einknotige Schwankung (XXXIII S. 159) die Tiefe ^p zu berechnen, die einer Periode von 12.42 Stun- den zukommen würde, so kann man durch Vergleich dieser berechneten Tiefe mit der aus den Tiefenkarten entnommenen mittleren Tiefe der Strecke beurteilen, ob die daselbst vorhandenen Dimensionen dem Ent- stehen solcher stehenden Schwingungen günstig sind. Denn wie einst schon die Brüder Weber sich über das Auftreten stehender Wellen ge- äußert haben, so ist auch Ferrel der Meinung, daß wenn die Bedingungen nur angenähert erfüllt sind, schon solche Wellen sich bilden könnten. Ferrel findet nun entlang 52° N. B. quer über den Nordatlantischen Ozean auf einer Strecke von 45 Längengraden (3 096 000 m) eine zu t = 12.42 Stunden oder 44 640 Sekunden passende Tiefe mit 1.55 miles = 2490 m (die Meriansche Formel ergibt nur 1960 m) und ist der Ansicht, daß die mittlere Tiefe zwischen Neufundland und Irland diesem Werte nahe genug komme, um eine uninodale Schwingung zu begünstigen. Aber wie schon B ö r g e n^) bemerkt hat, ist die mittlere Tiefe entlang 52° N. B. beträchtlich größer, nämlich zu 2940 m anzusetzen, also Ve mehr als die Ferrelsche Formel, ^/s mehr als die Meriansche Formel erwarten ließe. Wenn nun Ferrel weiter meint, auch falls die Tiefe 2 miles = 3200 m be- tragen sollte, würden die Wasserstandsschwankungen an den West- und Ostenden des gedachten Kanals noch ungewöhnlich hohe Gezeiten bilden, so sieht man nicht ein, weshalb bei Neufundland (Kap Race) der ganze Hub nur 1.8 m, an der Westküste Irlands (Valencia) 2.8 m betragen darf, ^) Tidal Researcheg etc. p. 37 f. *) Segelhandbuch der Seewarte für den Atlantisehen Ozean, 1885. S. 306. Nach Karstens, Eine neue Berechnung der mittleren Tiefe der Ozeane, Kiel 1894, Tabelle III, hat der Zweigradstreifen SO» bis 52" N. B. 2814 m, 52° bis 54« N. B. 2861 m mittlere Tiefe. 252 Auffassung der Gezeiten als stehende Wellen. wenn außer der normalen Flutwelle auch noch eine frei schwingende stehende Welle gleicher Periode und Epoche vorhanden ist. Weiter südlich, fährt Ferrel fort, entlang dem Parallel von 35° kann die Breite des Ozeans zu etwa 60 Längengraden ( = 5 477 000 m) ange- nommen werden, was wir einmal gelten lassen wollen, obwohl diese Breite etwas größer angesetzt werden müßte. Die Meerestiefe, welche exakt den Bedingungen für seine Gleichung genügt, gibt Ferrel zu 3.8 miles = 6110 m an. Das ist jedenfalls viel zu viel, denn dem Streifen zwischen 34® und 36° N. B. kommt nach den neuen Berechnungen nur eine mittlere Tiefe von 4076 m zu. Die Bedingungen für die Entstehung einer uni- nodalen Schwankung sind darum hier noch weniger günstig wie in der nördlicheren Breite, und demgemäß sind die beobachteten Oszillationen auch allgemein geringer, indem der Tidenhub an der Küstenstrecke zwischen Neuyork und Florida im Mittel nur halb so groß ist wie entlang der Neuenglandküste, obwohl der Ozean breiter und tiefer ist. Borgen berechnet die mittlere Tiefe entlang 30 ° N. B. zu 3840 m, was übrigens um rund 500 m zu wenig ist^). Die günstige Tiefe ist also hier ganz erheblich größer als die gegebene, im vorigen Falle war sie kleiner. „Es wird nun", sagt Borgen weiter, „bei dem gegen die Me- ridiane stark geneigten Verlauf der amerikanischen Küste und der daraus folgenden ziemlich regelmäßigen Verringerung der Breite des Ozeans nach Norden zu, einen Breitenparallel geben müssen, auf welchem die Breite des Ozeans und seine Tiefe in solchem Verhältnis zueinander stehen, daß die für hohe Gezeiten günstigste und die wirkliche Tiefe einander gleich sind und auf welchem wir demnach sehr hohe Gezeiten erwarten dürfen. Man kann vermuten, daß dies ungefähr auf 42 P N. B. der Fall sein werde, auf der einen Seite bei Oporto, auf der anderen bei Kap Cod. Die Beobachtungen aber zeigen gar nichts Ungewöhnliches. Allerdings finden wir auf der amerikanischen Seite in der Nähe von Kap Cod die hohen Fluten von Boston (Springzeit 3.4 m), und namentlich die der Fundybai (s. oben S. 203); diese können aber nicht als Beweis angeführt werden, weil sie im Innern von Buchten und unter sehr starker Beeinflussung durch die Bodenverhältnisse zustande kommen, was zu ihrer Erklärung vollkommen ausreicht. Wir dürfen im Gegenteil nur die Gezeiten solcher Orte zur Vergleichung heranziehen, welche möglichst frei liegen, und da finden wir für Nantucket 1.0, Monomoy 1.4, Shelbourne 1.9 m usw., welche Hub- höhen gewiß niemand hoch finden wird, Shelbourne noch dazu auf glei- cher Breite und nur durch die Halbinsel Neuschottland von den riesigen Fluten der Fundybai getrennt. An der europäischen Seite geben die Gezeitentafeln als S p ringflut höhen an : Lissabon 3.7, Mondego- Barre 2.1, Oporto 3.0, Minhomündmig 2.1 m, was doch gewiß auch nicht hohe Werte sind. Es sei noch bemerkt, daß aus Ferrels Formel sich die günstige Tiefe zu 2.544 miles = 4090 m berechnet, während sich die mitt- lere Tiefe entlang 42° N. B. nach den neuen Berechnungen nur zu 2900 m ergibt. Es liegt nun im Wesen der uninodalen Schwankung, daß die Wasser- stände an den beiden gegenüberliegenden Ufern sich stets in der entgegen - 1) Nach Ka r s t e n 8 a. a. O. hat der Streifen zwischen 28" bis 30" N.B. 4365 m, 30° bis 32» N. B. 4270 m, beide also im Mittel 4318 m. Ferrel über die nordatlantischen Tiden. 253 gesetzten Phase befinden werden: hat das westliche Ufer Niedrigwasser so muß gleichzeitig das östliche Hochwasser haben. Nach Ferrel kann nun wegen der sanften Abböschung des Bodens an den Küsten und der Seichtigkeit des Wassers daselbst, im Verein mit der Eeibimg, dieser Gegensatz nicht mehr unmittelbar an der Küste in die Erscheinung treten, weil hier die Schwankimgen der Hauptmasse des tiefen Ozeans in fort- schreitende Flutwellen sich umwandeln müßten, so daß also die Eintritts- zeiten für das Hochwasser sehr von den in beträchtlichem Abstände von der Küste vorhandenen abweichen können. Neben diesen beschriebenen Schwankungen in der Ostwestrichtung, welche der Hauptsache nach die nordatlantischen Gezeiten erzeugen sollen, denkt Ferrel sich nun auch Oszillationen in der Richtung der Meridiane, welche freilich von untergeordneter Bedeutung gegenüber den anderen seien, aber doch durch Interferenzen mit jenen die Eintritts- zeiten der Hochwasser erheblich verschieben könnten. Ferrel verwirft demgemäß auch mit voller Entschiedenheit die Annahme, daß eine fort- schreitende Welle von der Südsee her bis in den Nordatlantischen Ozean vordringe. Wenn man einen Damm, sagt er, vom Kap der Guten Hoff- nung nach Südamerika hinüber legte, so würden doch die Gezeiten im Nordatlantischen Ozean ganz dieselben bleiben. Borgen hat nun darauf aufmerksam gemacht, daß zwei Merkmale der Gezeiten an der amerikanischen Seite des Nordatlantischen Ozeans der Grundauffassung Ferrels von einer ostwestlich schwingenden stationären Wells nicht günstig sind. In den amerikanischen Häfen ist die halbmonatliche Ungleichheit sowohl in Zeit wie in Höhe nur halb so groß wie in den westeuropäischen Küstenplätzen. Der mittlere Wert dieser Ungleichheit ist nämlich: in Z e i t : in H ö h e : Ostküste der Vereinigten Staaten . . . 23 Minuten 5.2 cm Westküste Europas 42 „ 9.9 „ Es sind das die Mittelwerte aus je 10 Küstenstationen von beiden Ufern. In Einzelfällen sinkt die Ungleichheit wie in Charleston in Zeit bis 18 Minuten, in Philadelphia in Höhe bis 4 cm, während gegenüber in Plymouth sie in Zeit bis 45 Minuten und im Shannonfluß bei Kilbaha bis 12.2 cm in Höhe erlangt. „Die Ursache für diesen Unterschied muß doch nur der amerikanischen Seite des Ozeans zukommen, auf der euro- päischen aber fehlen ; nun sieht man aber nicht," meinte Borgen mit Recht, „weshalb bei einfachem Hin- und Herschaukeln die Sonnenflut im Ver- hältnis zur Mondflut sich auf der einen Seite des Ozeans anders verhalten sollte wie auf der anderen." Der zweite Punkt betrifft die tägliche Ungleichheit. Diese ist in den nördlichen Häfen der Ostküste der Unim so unbedeutend wie in Europa (in Liverpool 24, in Wilhelmshaven, 16 cm), und die gewöhnliche halb- tägige Flut wird dadurch kaum beeinflußt. Je näher die Stationen aber der Floridastraße liegen, und noch mehr im Busen von Mexiko, gewinnt die eintägige Flutwelle an Einfluß, und endlich übertrifft sie die gewöhn- lichen halbtägigen Gezeiten so an Größe, daß diese an manchen Orten, wie wir später ausfüln-lich darlegen werden, fast ganz verschwinden und 254 Auffassung der Gezeiten als stehende Wellen. man nur Eintagstiden beobachtet. Das gibt dieselbe Schwierigkeit, wie im ersten Falle der halbmonatlichen Ungleichheit. Ferrels Ideengänge hat dann R o 1 1 i n A. H a r.r i s in selbständiger Weise weiter entwickelt und zu einer vollständigen Theorie der Tide- bewegungen in den Meeresbecken, wie sie die Erde trägt, auszubauen ver- sucht. Die Ähnlichkeit mit den sogenannten Seiches in stehenden Binnen- gewässern wird dabei immer in den Vordergrund gerückt, obwohl bei den gewaltigen Dimensionen des Ozeans, bei seiner unvollkommenen Zerlegung in unregelmäßig gestaltete Becken mit ebenso unregelmäßiger Boden- gestaltung und bei dem Eingreifen der Erdrotation man so erhebliche Schwierigkeiten vor sich hat, daß sie durch mathematische Analyse ein- wandfrei nicht zu überwinden sind. Daher hat sich G. H. Darwin mit großer Entschiedenheit gegen die Tidentheorie des Amerikaners ge- wandt^). Harris betrachtet nicht etwa die irdische Meeresdecke als ein Ganzes und analysiert die aus ihrer Gliederung in Ozeane und Nebenmeere ab- zuleitenden freien Schwingungen, was nach der Chrystalschen Methode mögHch wäre, sondern sucht in jedem Ozean nach besonderen Schwingungs- gebieten {oscillating areas), deren Schwingungsperiode 12 oder 24 Mond- stunden betragen würde, falls sie von starren Grenzen umgeben wären. Zu diesem Zwecke zerschneidet er die Ozeanbecken in Räume von recht- eckiger oder sonst viereckiger und dreieckiger, ja auch hakenförmiger und gegabelter Gestalt, wobei die Grenzlinien frei und meist ganz ohne Anlehnung an die Festlandküsten ausgesucht sind: als wesentliches Merk- mal eines solchen Schwingungsgebiets gilt, daß die Hochwasserzeiten am einen Ende um 6 oder 12 Stunden von denen am anderen Ende ver- schieden sind. Beistehende Karte ^) zeigt diese Harrisschen Schwingungs- systeme in den Ozeanen (Fig. 70). Die Flächen sind so schraffiert, daß die sich durchschneidenden oder berührenden Schwingungsgebiete auseinanderzuhalten sein werden (die Schwingungsknoten sind punktiert). Der Atlantische Ozean zeigt zunächst ein rechtwinklig hakenförmiges Gebiet, das von der nordbrasilischen und Guayanaküste auf Portugal und von da nach Grönland verläuft: es soll zwei Knotenlinien besitzen, die beiden Enden, bei Grönland und an den Guayanas, haben Hochwasser um 8 Uhr Greenw., die zwischen den Knoten liegende Spanische See hat Hochwasser um 2 Uhr. Das Hauptschwingungsgebiet aber reicht von den Neuenglandküsten weit über den Äquator hinüber bis zum Ant- arktischen Festland und besitzt drei KnotenUnien: an der Neuengland- küste ist Hochwasser um 12 Uhr, zwischen den Kapverden und Nord- brasilien um 6 Uhr, im Südatlantischen Ozean westwärts von der afri- kanischen Küste um 12 Uhr, im antarktischen Meer südlich von der durch die Bouvetinsel laufenden Knotenlinie wieder 6 Uhr. Mit diesem eben- genannten Schwihgungsgebiet bildet das ostafrikanische ein zusammen- gehöriges System: vom Kapland bis zur Somaliküste hinauf ist Hoch- wasser wieder 12 Uhr, an der Nordküste des Arabischen Meerbusens um 1) Nature 1902, Bd. 66, p. 445. Die Harris sehe Theorie ist in seinem Manual of Tides IV A und IV B entwickelt. Auch Populär Science Monthly 1909, p. 521 S. «) Nach H a r r i s IV a, Tafel 23. Die später (in IV b, p. 353) gegebenen Kor- rekturen ändern das Bild nur unwesentlich. Theorie von Harris. 255 •o 3 « 0 In — 85 «'S '-§<» Cd v tu 256 Auffassung der Gezeiten als stehende Wellen. t 6 Ulir. Andere Schwingungsgebiete des Indischen Ozeans sind ein nörd- liches mit zwei Knotenlinien und den Hochwasserzeiten 3 Uhr (Golf von Aden und Nordwestaustralische See) und 9 Uhr zwischen den Malediven und der Weihnachtsinsel, und ein südliches von Hakenform mit den- selben Hochwasserstunden, 3 Uhr an der kapländischen und der süd- austrahschen Küste, 9 Uhr südwärts von Kerguelen bis zur Antarktis. Außerdem schwingt in einknotiger Schwankung das Gebiet südlich von Australien mit 6 Uhr im Norden und 12 Uhr am Südpolarland. Besonders naturwidrig sind die beiden pazifischen Schwingungsgebiete ausgesucht: das eine hat eine gabelförmige Gestalt und soll von den Philippinen einer- seits an die kalifornische, anderseits an die chilenische Küste reichen. An der Philippinenseite und im Alaskagolf ist Hochwasser um 9 Uhr, im Zwischengebiet bei den Hawaiischen Inseln um 3 Uhr; die nordäqua- toriale Gabel hat im Golf von Panama um 9 Uhr Hochwasser, während der südäquatoriale Zweig noch eine Knotenlinie mehr erhält, so daß zwischen den Marquesas und der Osterinsel um 9 Uhr, an der chilenischen Küste wieder um 3 Uhr Hochwasser sein soll. Mit diesem System kreuzt sich das zweite, hakenförmige : es reicht von der kalifornischen Küste südwest- wärts bis zu den Neuen Hebriden und Neuseeland mit Hochwasser um 12 Uhr an beiden Enden und 6 Uhr in der Mitte, sodann nach Südosten bis ans Südpolarland, wo wieder um 6 Uhr Hochwasser ist und der Schwingungsbauch durch die Drakestraße hindurch in das Argentinische Becken hinübergreift und mit dem gleichzeitigen Hochwasser an der brasilianischen Küste zusammenklingt, so daß hier vom Südpolarland bis zu den Kapverden gleichzeitig um 6 Uhr Hochwasser sein soll. Man fragt sich angesichts einer solchen die Wassermassen ganz will- kürlich ausschlachtenden Einteilung, wo die Grundlagen aller Seiches- theorieen, nämlich feste Wände als Abgrenzung für gleichartig schwingende Wassermassen geblieben sind. Weder auf die wagerechte Gliederung durch Küsten und Inselreihen, noch auf die senkrechte durch Eücken und Schwellen ist auch nur angenähert Kücksicht genommen, vielmehr alles durch imaginäre Scheidewände abgegrenzt. Eine solche Auffassung ist wohl rein mathematisch möglich, aber von unserem geographischen Stand- punkte aus sind wir genötigt, diese Harrisschen Schwingungssysteme aufs entschiedenste abzulehnen. Lehrreich und unter gewissen Voraussetzungen auch auf die irdischen Meere, namentlich die reicher gegliederten Nebenmeere, anwendbar sind die Untersuchungen von Harris über Interferenzen zwischen stehenden Wellen, die gleichzeitig dasselbe Wasserbecken in Schwingung versetzen. Um den Fall möglichst einfach zu lassen^), nehmen wir an, daß es sich um ein quadratisches Becken mit überall gleicher Tiefe handle und daß zwei stehende Wellen mit senkrecht aufeinander stehenden Knoten- linien, die parallel zu den Seiten liegen, vorhanden sein sollen. Beide Wellen haben einen Phasenunterschied von 2 Stunden, aber die gleiche Periode von 12 Mondstunden und die gleiche Amplitude = 2 Ä. Man wählt für die elementare Analyse dessen, was nun geschieht, am besten ^) Vgl. für die mathematische Ableitung neben Harris' Manual IV b, p. 323, 361 bezw. IV a, p. 586, 596 auch v. S t e r n e c k in Sitzungsber. K. Akad. Wien 1908, Bd. 97, Abt. Ha, S. 170. Amphidromie (nach Harris), 257 Fig. 71. die Zeit, wo eine der Wellen durch ihr Nullniveau hindurchgeht, also die zweite Welle allein die Hochwasserzeit bestimmt. Das Becken sei so orientiert (Fig. 71), daß die Wände genau Ost-West und Nord-Süd liegen. Es mag dann die Ost-West schwingende Welle durch ihr Null- niveau hindurchgehen, dann ist gleichzeitig die Nord- Süd- Welle am Nordrande des Beckens auf ^/g ihrer positiven Erhebung angelangt, während auf der im Süden gegenüber- liegenden Seite Niedrigwasser mit — 7» ^ (unter dem Null- niveau) stattfindet. Zu dieser Zeit, 0 Stunden (oder XII i'), ist also die Flutstundenlinie in der Mitte der Nordhälfte des Beckens zu finden. Nach einer Mondstimde ist die Ost-West- WeUe an der Westküste auf + Va ^ über dem Nullniveau (auf der Ostseite also — Va ^0 angelangt, die Nord-Sü3-Welle hat ihre Maximalhöhe mit -f h am Nordrande, — h am Süd- rande erlangt, es wird die Hoch- wasserlinie nun in denNordwest- quadranten hinein etwas west- lich von ihrer Lage bei XII ^ verschoben sein. Nach 2 Stun- den ist r^ie Ost-West- Welle an der Westküste auf + ^3 A ge- hoben, die Nord- Süd- Welle im Norden wieder auf -f 2/3 ^ gesunken, es wird also die Hochwasserlinie jetzt genau durch den Nordwestwinkel des Beckens verlaufen. Nach 3 Stunden ist die Ost-West-Welle an der West- küste auf die volle Höhe h gehoben, die Kord- Süd-Welle an der Nordküste auf -{- Va Ä gesunken, die Hochwasserhnie hegt also noch immer im Nord- westquadranfcen etwas nördKch von der Knotenlinie der Nord- Süd-Welle. Auf diese Weise fortfahrend, wird man die Hochwasserlinie links herum- schwenkend in 12 Mondstunden um das ganze Becken herumlaufen sehen. Die. genauere analytische Kechnung hat Harris zu dem Bilde geführt, wie es beistehende Fig. 71 darstellt, wo die Flutstundenlinien für jede halbe Stunde eingetragen sind. Man beachte, daß auch in diesem Falle, wie in dem früheren der fortschreitenden Wellen (S. 244), sich die Flutstunden- linien für zwei symmetrisch gelegene Zeiträume (hier zwischen 12 und 4 Uhr, 6 und 10 Uhr) stenochron zusammendrängen, also in der Zeit- einheit sehr langsam fortschreiten, während in den Zwischenzeiten (von 4 bis 6 Uhr und 10 bis 12 Uhr) sie um so rascher vorrücken und den be- treffenden Quadranten in der halben Zeit durchmessen, obwohl dc^!. J!ie Wassertiefe des Beckens überall gleich ist. Die Hubhöhen sind immer entlang den Beckenrändern am höchsten, in der Mitte des Beckens, im Kreuzpunkte der Knotenlinien, aber = Null, hier gibt es also überhaupt keine tidenartige Bewegung. Die Maximalhöhe wird, wie auch die Figur Amphidromie dei- Flutstundenlinien bei Interferenz zweier stehender Wellen von 2 Stunden Phasen- unterschied, aber gleicher Hubhöhe (nach Harris). Die punktierten Kurven sind Isohypsen. Krümm el, Ozeanographie. II 17 258 Auffassung der Gezeiten als stehende Wellen. zeigt an den beiden Ecken in der Diagonale zwischen den Knotenlinien (um 5 Uhr und 11 Uhr) erreicht, wo auch die fortschreitende Geschwindig- keit am größten ist. — Bei anderer Phasendifferenz und bei ungleichen Amplituden der beiden Wellen wird diese Anordnung etwas anders werden, aber doch im allgemeinen von ähnlichem Charakter. Ist die Phasen- differenz 6 oder 12 Stunden, so wird es radial angeordnete umlaufende Flutstundenlinien nicht geben, sondern nur eine 6 Stunden lang in dem einen Quadranten, 6 Stunden lang im gegenüberliegenden Quadranten in der Diagonale ruhende Hoch Wasserlinie. Harris nennt eine solche speichenförmige Anordnung der Flutstunden- linien wie in Fig. 71 amphidromisch, und zwar kann die Amphi- dromie je nach dem Phasenunterschied links- oder rechtsläufig sein. Die Drehrichtung geht immer nach der Seite der früher kulminierenden Welle hin; in dem ausgeführten Beispiel ist die Nord- Süd-Welle der anderen um 2 Stunden voraus, so daß die Amphidromie entgegen dem Uhrzeiger von Norden über Westen nach Süden und Osten führt. — Bei diesen Ausführungen ist keine Rücksicht genommen auf die Erdrotation, die auf Schwingungen von so langer Periode (je 6 Stunden in der einen und der anderen Richtung bei der einfachen Welle) ablenkend einwirken muß. Diesen Einfluß analytisch einzuführen ist bisher noch nicht gelungen ; Lord Kelvin^) hat zwar nachgewiesen, daß die uns bekannten einfachen Schwingimgslinien der Wasserteilchen (S. 158) dann nicht mehr bestehen bleiben können, im übrigen aber hat auch er das Problem nur für die Bewegungen in einem Kanal von unendlicher Länge und geraden parallelen Ufern zu lösen vermocht. Seine Ergebnisse lassen sich in der Hauptsache glücklicherweise ohne Rechnung durch eine einfache Erwägung folgendermaßen ableiten. Die sogenannte ablenkende Kraft der Erdrotation wird uns bei der Darstellung der Meeresströmungen ausführlicher beschäftigen. Für den vorliegenden Zweck genügt es, sich zu vergegenwärtigen, daß ihre Größe G* = 2 (j) v sin ß beträgt, worin to die sogenannte Umdrehungskonstante der Erde 2 tu : 86 184 = 0.00007292, v die Geschwindigkeit des Massenteil- chens (von der Masse == 1) in einer Sekunde und ß die geographische Breite bedeutet. Die Ablenkung ist also Null am Äquator, ein Maximum an den Polen, und auf der nördlichen Hemisphäre nach rechts, auf der südlichen nach links gerichtet. Die Orbitalbewegung der Flutwogen, sei es der fortschreitenden oder stehenden, ist nun zwar im offenen Ozean von sehr geringer Geschwindigkeit; wie wir bei den Gezeitenströmen sehen werden, erreicht sie auch im seichten Küstenwasser wohl meist nicht viel über 0.5 m, selten mehr als 2 m in der Sekunde. Aber die in Rede stehende Ablenkung wird durch einen leisen Druck nach rechts (auf der nördlichen Hemisphäre) doch sowohl das Längsprofil des Flutwellenkammes wie des -tales verändern können. Nehmen wir einen Kanal von beistehendem einfachem Querschnitt (Fig. 72), und es sei der Flutstrom von außen senk- recht auf die Papierfläche gerichtet gedacht, so wird der Kamm der Flut- welle durch die in Rede stehende Ablenkung seitens der Erdrotatibn beim >) Philos. Mag. 1880, 1kl. 10, S. 113; Xature 1879, Bd. 19, p. 571; vgl. auoh Lord R a 1 e i g h in Proc. R. Soc. London 1909, Bd. 82 (A), p. 448. Eingreifen der Erdrotation. 259 Fig. 72. Wiikang der Erdrotation auf die Hubhöhen. höchsten Wasserstande das Profil / /' erhalten. Der entgegengesetzte Ebbestrom wird ebenfalls nach rechts abgelenkt dem Wellental beim niedrigsten Wasserstande die entgegen- gesetzt gerichtete Böschung e e' verleihen. Man sieht, wie an der linken Seite der Wellenbahn in e/ der Tidenhub beträcht- lich kleiner wird als zur Rechten bei e' i'. Als Beispiel vergleiche man die fol- genden Hubhöhen bei Springzeit für einige Hafenorte am britischen Kanal, die so ausgewählt sind, daß sie möglichst genau einander gegenüber liegen. Nordseite: Hub in Met. Südseite 4.9 gegen 6.2 4.6 „ 7.6 2.7 „ 5.3 2.3 „ 5.5 6.0 „ 7,4 6.1 „ 7,9 4,6 „ 5,2 Ouessantinsel, Basinsel, Casquets, Cherbourg, Fecamp Boulogne, Dünkirchen. - Scillyinseln . . Fowey . . . Portland Bill . Needles (Solent) Brighton . . . Folkestone . . Ramsgate . . Der große Unterschied im Tidenhub gerade in der Mitte des Kanals (Nr. 3 und 4) ist, abgesehen von anderen später zu beschreibenden Inter- ferenzvorgängen, auch zu einem gewissen Teil auf die seitliche Ver- engerung zurückzuführen, welche die französische Hälfte des Kanals durch Vorspringen der Halbinsel Cotentin erleidet. — Weitere Beispiele werden uns bei der Darstellung der Gezeiten in den Ozeanen und Nebenmeeren noch auf Schritt und Tritt begegnen. Schon in der dann zu erweisenden Tatsache, daß in allen drei Ozeanen eine den Harrisschen Amphidromieen ähnliche Anordnung der Flutstundenlinien in nördlichen Breiten zumeist linksläufig (entgegengesetzt dem Uhrzeiger), in südlichen aber rechts- läufig ist, zeigt, wie die ablenkende Kraft der Erdrotation die Flutwogen als Ganzes gegen die Festlandränder auch in den offenen Ozeanen drängt. Amphidromieen entstehen also anscheinend nicht bloß bei Interferenz stehender Wellen, sondern auch durch dieses Eingreifen der Erdrotation bei einfach fortschreitenden Wellen. Treffen aber zwei oder mehrere solcher Wellen in verschiedenen Rich- tungen aufeinander, so greift die Erdrotation in sehr merkwürdiger Weise ein, .indem sie allemal unter den Konkurrenten denjenigen Wellenzug begünstigt und für die örtlichen Hafenzeiten maßgebend werden läßt, der sich auf der nördlichen Hemisphäre nach rechts, auf der südlichen nach links an die Festlandsküste anlehnen kann. Diese örtUche Auslese der Tidewellen wird uns geradezu als maßgebend für das Gezeitenbild der Ozeane wie der Nebenmeere in der geographischen Darstellung der Tiden entgegentreten, ist also als eine nicht leicht zu überschätzende Folge der Erdrotation fortan wohl zu beachten. lY. Die harmonische Analyse der Gezeiten. Welchem der theoretischen Standpunkte wir nun auch den Vorzug geben wollen, wir sind immer genötigt, in der Gezeitenbewegung eine 260 I^ie harmonische Analyse. zusammengesetzte Wirkung, eine Kombination von Mond- imd Sonnen- anziehungen verschiedener Art und Intensität, aber bestimmter Periodizität anzuerkennen. Charakteristisch ist nun der keineswegs gleichartige Verlauf, den die Flutkurven in den Aufzeichnungen der Pegel an den verschiedenen Orten aufweisen. Diese Kurven sind es aber, die der Ge- zeitenforscher als sein vorzüglichstes Material zu erhalten wünscht, und wenn es ihm vorliegt, so steht er vor der Aufgabe, aus den oft recht sonder- baren Kurven die örtlichen Abwandlungen der verschiedenen fluterzeugen- den Kräfte herauszulesen und numerisch zu bestimmen. Das beste hierfür dienende Hilfsmittel hat wiederum Lord Kelvin angegeben. Die Methode heißt die harmonische Analyse und ist von ihm zuerst 1868 im Report of the British Association for the advancement of science ver- öffentlicht, seitdem aber namentlich von dem bereits öfter genannten G. H. Darwin weiter ausgebildet und von Borgen mit Zugrunde- legung der Kanaltheorie umgearbeitet worden. An diesem Orte kann es sich nur darum handeln, das Verfahren ganz im allgemeinen darzulegen, für die (sehr umständlichen) Einzelheiten mag auf die unten ^) genannten Abhandlungen verwiesen seih. Unter einer einfachen harmonischen Schwingung versteht die mo- derne Physik eine periodische geradlinige Bewegung eines Punktes, welcher um eine mittlere Lage in der Weise oszilliert, daß sein Abstand von dieser Mitte stets dem Cosinus eines Winkels proportional ist, der im Verhältnis zur Zeit wächst. Rotiert z. B. ein Punkt auf einer Kreisbahn um ein Zen- trum, so sieht das Auge, wenn es in der Ebene dieser Bahn, aber außerhalb derselben in einigem Abstände davon sich befindet, scheinbar den Punkt sich in gerader Linie hin und zurück bewegen in der Form einer solchen einfachen harmonischen Bewegung. Den größten von der Mittellage, sei es nach der positiven, sei es nach der negativen Richtung, erreichten Abstand nennt man die Amplitude {A), der ganze einmal zwischen den beiden extremen Lagen zurückgelegte Weg ist also die doppelte Am- plitude {2 A); Periode {T) und Phase der Bewegung bedürfen nicht erst einer Definition. Epoche oder Argument (x) nennt man den vom Beginn der Rechnung bis zu dem Augenblick verstrichenen Zeit- raum, wo der bewegliche Punkt zum ersten Male die größte Entfernung von seiner Mittellage nach der als positiv angenommenen Richtung hin erreicht, oder als Winkelgröße gefaßt denjenigen Winkel, der während des eben als Epoche begrenzten Zeitraums vom Radius vector in einem Kreise beschrieben wird. Die Geschwindigkeit, mit welcher der Körper tSeine Bahn durchmißt, ist am größten, wenn er die Mittellage passiert, 360^ und nimmt ab, je näher den extremen Lagen nach der Formel v = ;=— /360® \ . ^ sin y — A — y-|, so daß also v abnimmt bei wachsendem Sinus. Daher sagt man auch, für eine einfache harmonische Bewegung gelte „das ^} B ö r g e n in Ann. d. Hydr. 1885 (auch in Sonderabdruck). P. van der S t o k, Wind and Weather, Currents, Tides and Tidal Streams of the East Indian Archipclago, Batavia 1897, p. 174 f. Dies ist die beste mir bekannte Einführung, die auch im folgenden vielfach wörtlich wiedergegeben ist. Am ausführlichsten ist Harris, Manual of Tides part II (U. S. Coast S. Report 1897, App. 9) mit vielen Hilfstabellen. Symbole der Partialtiden. 261 Gesetz der Cosinus und Sinus". Wenn eine Keihe von Punkten, die bei der Ruhelage in einer geraden Linie liegen, in gleichen Zeitintervallen nacheinander eine solche einfache harmonische Bewegung von bestimmter Periode und Amplitude beginnen, so werden nach einiger Zeit, wie man leicht einsieht, dieselben in einer Wellenkurve gelegen erschemen, welche aus Wellen von gleicher Periode, Länge und Amplitude besteht. Man stelle sich nun vor, dieselben Punkte seien darauf gleichzeitig noch einer zweiten Wellenbewegimg unterworfen, welche in Periode, Länge, Ampli- tude und Epoche verschieden sein mag: dann werden die Punkte eine Kurve liefern, welche nach dem Gesetz der Superposition der Wellen gestaltet ist. Man kann nun sehr viele und verschieden hohe Wellen miteinander Interferenzen bilden lassen: es wird immer eine Kurve ent- stehen, welche nach mehr oder weniger langer Zeit die gleichen Formen periodisch wiederholt. Man kann nun die Gezeitenkurven, wie sie vom Pegel aufgezeichnet oder aus Pegelablesungen in kurzen und gleichen Zeit- intervallen leicht erhalten werden^), sich als zusammengesetzt aus vielen Einzelwellen von verschiedener Periode und Amplitude, die in Interferenzen übereinander liegen, denken. Zunächst also die Hauptgruppen der oben (S. 237) gegebenen Formel (3), nämlich von hinten angefangen: 1. die halbtägigen Gezeiten des Mondes und der Sonne; 2. die eintägigen Ge- zeiten; 3. die halbmonatlichen, die einmonatlichen, die einjährigen Ge- zeiten. Man kann nun auch die Einwirkung der hierin noch nicht ent- haltenen Ungleichheiten ebenfalls als Wellen von entsprechender Periode und Amplitude betrachten. Was nun die von Lord Kelvin angegebene harmonische Analyse Srusführt, ist weiter nichts, als das umgekehrte Verfahren der eben dargelegten Synthese: aus der komplizierten Flut- kurve den Wert der zahlreichen Einzelgezeiten abzuleiten; die Bedeutung der Einzeltiden, als Cosinus eines von der Zeit abhängigen Winkels aus- gedrückt, kennt man aus der Theorie; Amplitude A und Argument /. aber muß man durch Beobachtung bestimmen. Um uns von dem Verfahren im einzelnen eine Vorstellung zu bilden, denken wir uns zunächst, daß der Mond allein als fluterzeugendes Gestirn in Betracht käme, und zwar als ein ideeller Mond, der sich stets in der Ebene des Äquators um die Erde bewegt, bei stets gleicher Geschwindigkeit und gleichem Abstände von der Erde während seines ganzen Umlaufs. Es wird daim eine regelmäßige Tide welle nach je 12.42 Stunden auftreten, also mit zwei Hochwassem in 24.84 Stunden ; wir bezeichnen diese bedeutendste der Partialtiden mit dem Symbol M^. Diese so entstandene Wasserstands- kurve wird die Gestalt einer regelrechten Sinusoide erhalten, deren Gleichung ist: y = A cos {nt — x); hierin bedeutet y den senkrechten Abstand des Wasserteilchens vom Mittelwasser zu einer Zeit = t, A die Amplitude und n die sogenannte Geschwindigkeit der Tide, d. h. den Teil der ganzen Periode, der in der Zeiteinheit durchmessen wird. Als Zeiteinheit nehmen wir eine Stunde mittlere Sonnenzeit. Im vorliegenden Falle beträgt eine volle Periode 12.42 Stunden, also ist die Geschwindigkeit n = 360712.42 ^) Man kann hierfür nicht nur in kurzen Fristen wiederholte Ablesungen benutzen, sondern, wie die Erfahrungen in Niederländisch-Indien und in Kamerun erweisen, genügen schon drei tägliche Terminablesungen um 9 Uhr, 2 Uhr, 6 Uhr; vgl. C. B ö r g e n in Ann. d. Hydr. 1903, S. 341 und 483. 262 Die harmonische Analyse. = 28.984°. Man kommt auch zu demselben Ergebnis, wenn man von dem vollen Mondtage =^ 24.84 Stunden ausgeht ; alsdann durchläuft die Wasser- standskurve zweimal ihre Phasen und n wird = 720^24.84 = 28.984". Der größte Wert von y wird erreicht, wenn nt — x — 0 oder t = //n, und y wird dann = A. Hieraus ergibt sich, daß das Argument x oder die Epoche diejenige Zeit bedeutet (und zwar wird sie ausgedrückt in Graden), die verstrichen ist vom Beginn der Zählung der Zeit (wo t = 0) bis zum Augenblick des Hochwassers. Wir erkennen in dem Ausdruck t = x/w leicht den gleichen Begriff wieder, den man als Hafenzeit be- zeichnet, wobei das Gestirn zur Zeit < = 0 den Meridian passiert. Die Zeit des Niedrigwassers ergibt sich aus der Formel zu njt — x = 180° oder t — {-K -\- 180°) : n mit dem Wasserstand = — A. Wenn in einigen älteren Handbüchern x oder auch x/n als „Verzögerung der Tide^* bezeichnet wird, so enthält das eine Vorstellung, die nur im Sinne der einfachen Gleichgewichtstheorie zutreffend ist, aber der dynamischen Auffassung widerstreitet. Für das weitere bedürfen wir nun einer Keihe von Konstanten, die der Bewegung der Erde und des Mondes zukommen. 1. Die Geschwindigkeit, mit der die Erde eine Umdrehung von 360° vollendet, d. i. ein Sterntag ist = 23.9345 Stunden, also die Geschwindig- keit in einer Stunde: g= 360°/23.9345 = 15.0411°. 2. Der Mond braucht für einen vollen Umlauf um die Erde 27.3216 Tage (eine tropische Periode), was für eine Stunde eine Geschwin- digkeit ergibt s = 360°/(24 x 27.3216) = 0.5490°. 3. Die große Achse der elliptischen Mondbahn bewegt sich in 8.85 Jah- ren um 360° herum, und demgemäß wird die Zeit von einem Perigäum bis zum anderen, die anomalistische Periode, ein wenig von der tropischen Periode abweichen, und die Winkelgeschwindigkeit dieser Abweichung ist j) = 360°/(8.85 x 24 x 365.24) = 0.0046°. 4. Die Erde bewegt sich in 365.2422 Tagen um die Sonne, also mit einer Winkelgeschwindigkeit von e = 360°/365.2422 X 24 = 0.04107°. Die gewählten Buchstaben sind aus den griechischen Worten g = yata, 8 — ryzK-qvri, p = TcspiYaio?, e = TJXto? entnommen und danach leicht zu merken. Hierdurch lassen sich dann die relativen Bewegungen der drei Himmelskörper in bequemer Weise durch algebraische Summation aus- drücken. So ist die Winkelgeschwindigkeit der Sonne mit Bezug auf einen Punkt an der Erdoberfläche : g — e = 15 °, ebenso für den Mond g — .s = 14.4921°; ferner die Geschwindigkeit des Mondes in Bezug auf die Achse der Ellipse s — p = 0.5444° und für einen Umlauf von Peri- gäum zum Perigäum oder die anomalistische Periode = 360°/24(s — p) = 27.5546 Tage, endlich die Winkelgeschwindigkeit des Mondes im Ver- gleich zur Sonne vom Erdmittelpunkt aus betrachtete — s = 0.5490°, und die synodische Periode zwischen zwei gleichen Phasen des Mondes 360°/24(e — s) = 29.5306 Tagen. Um nun die verschiedene Stärke der fluterzeugenden Kraft des Mondes in der Erdnähe und der Erdferne zu berücksichtigen, wird es nötig, außer dem mittleren oder ideellen Mond, der in einer vollkommenen Kreisbahn über dem Äquator hinläuft, noch mehrere ideelle andere Monde einzuführen, von denen der eine stets im Abstände des Perigäums, der Geschwindigkeit der Partialtiden. 263 rweite im Abstände des Apogäums in gleichmäßiger Geschwindigkeit die Erde umkreisen mag. Die vereinigte Wirkung dieser beiden Gestirne muß dann in einer anomalistischen Periode von 27,5546 Tagen den gleichen Wert erreichen und ihre Winkelgeschwindigkeit 360727.5546 = 14.4920 « im Tag oder 0.544° in der Stunde sein. Die Geschwindigkeit der Tide des mittleren Monds war 28.984°, die beiden ideellen Monde werden also ihre Hochwasser zweimal während eines Umlaufs liefern mit den Winkelgeschwindigkeiten für iV = 28.984° — 0.544« = 28.440» und für L = 28.984° + 0.544° = 29.528°. Wenn wir die obigen Signaturen ein- führen, ist iV = 2 (gr — s) — (s — p) = 2g — 36- +p = 28.440° und L=2{g — s)-\-{s — 'p) = 2g — s — f = 29.528°, und die Perioden die- ser Teiltiden, die man auch als elliptische bezeichnet, sind N = 720°/28.440 = 25.3167 Stunden und L = 720°/29.528° = 24.3832 Stunden, jedesmal verstanden von einem Durchgang des ideellen Gestirns durch den oberen Meridian bis zum nächsten Durchgang. Bei praktischer Prüfung kontinuierlicher Gezeitenkurven oder stündlicher Wasserstands- ablesungen pflegen diese elHptischen Teiltiden jedesmal zum Vorschein zu kommen, wenn man die stündlichen Werte nach Perioden von 25.3167 Stunden und 24.3832 Stimden ordnet; es wird aber L dabei meist recht klein, während N die eigentliche elliptische Mondtide vorstellt. Neben dem Mond müssen wir nun auch die Sonne einführen. Ganz analog dem vorher eingenommenen Standpunkte denken wir uns zunächst eine mittlere Sonne, die sich mit gleichmäßiger Geschwindigkeit scheinbar um die Erde bewegt, und weisen die Abweichimgen von diesem Verhalten wiederum den Einwirkungen von fiktiven Hilfssonnen zu. Für die mittlere halbtägige Sonnentide gilt die Formel S ^ cos, {nt — x), wo w = 30° ist, imd die Winkelgeschwindigkeit 15° in der Stimde. Nun ist die scheinbare Sonnenbahn mit ihrer Ebene um 23 Va*' gegen die Ebene des Äquators geneigt, und außerdem fällt die Ebene der Mondbahn nicht mit der Ekliptik zusammen, sondern kann bis zu 5° darüber oder darunter liegen, welche extremen Stellungen sich in einer Periode von 18.7 Jahren wiederholen. Die Wirkungen der wechselnden Mond- und Sonnendeklination auf die tägliche Ungleichheit sind uns bekannt; wir führen für die harmonische Analyse fiktive Gestirne ein, die täglich einmal Hochwasser liefern. Die von ihnen ausgehenden Wirkimgen müssen eine volle Periode von 13.66 Tagen (= der halben tropischen Periode) und das Maximum ihrer Amplitude in den Zeiten der extremen Deklination besitzen. Eine größte nördliche oder südliche Deklination des Mondes wiederholt sich alle 27.3206 Tage und die Winkelgeschwindigkeit dieser Bewegung ist = s, die des Mondes selbst mit Bezug auf einen Punkt der Erde = g — s, also ergibt sich für die Winkelgeschwindigkeit der zwei fiktiven Gestirne, die zusammen die gestellten Bedingungen erfüllen sollen: Ki = g — s -\- s = g= 15.0411 ° und 0 = g — s — s = g — 2 s = 13.9430°. Zu den bisher erhaltenen Ausdrücken Mg, S^, N und L treten also zwei von der Form K^ cos {nt — x) -\- 0 cos (n' t — x'), wo n = 15.041 1 ° und n' = 13.9430°, und die Perioden der betreffenden fiktiven Gestirne Kl = 360°/n=: 23.9345 Stunden und 0 = 360 °/n' = 25.8194 Stunden sind. Ordnet man die Wasserstandsablesungen gemäß diesen Perioden, so sieht man auch diese Partialtiden Ki und 0 deutlich zum Vorschein kommen. 264 I^ie harmonische Analyse. Analog findet man unter Einführung der Sonnendeklination zwei Eintagstiden liefernde ideelle Sonnen, von denen die eine die gleiche Geschwindigkeit wie K^ hat {g — e + e = gr = 15,0411°), so daß die solare mit der lunaren . Wirkung vereinigt von einem ideellen Gestirn ausgehend gedacht werden kann. Die zweite vom ideellen Gestirn P herrührend, hat die Geschwindigkeit g — e — e = g — 2e= 14,9589 ®, und P vollendet einen Umlauf in 3607 in Cochin, — 11 ° in Trincomalee (Ceylon), 2° in Vizagapatam, 3° in Honolulu. Ebenso angenähert gilt auch nur die Regel, daß die Tide K^, der die hohen Äquinoktionaltiden zuzuschreiben sind, gewöhnlich fast die gleiche Kappa- zahl wie S^ hat, wobei das Verhältnis der Amplituden KJS^ um 0.3 liegt, freilich auch hier nicht ohne erhebliche Ausnahmen. Den Gegensatz zum Halbtagstypus gibt der eintägige, wo der Index, d. h. das Verhältnis {K^ + 0) : {M^ + 'Sg), weit über 1.5 hinausgehen kann. Aus der Javasee, dem Mexikanischen Golf und anderen Küsten- stellen seien hier folgende Beispiele aufgeführt: Pulu Langkuas (Gasparstr.) . . 30.81 Vera Cruz ........ 4.50 Bawean-I. (Javasee) .... 8.07 Freemantle (Westaustralien) . . 3.44 Cat Id (^üs8issippi) 5.17 Ratan (Botn. Wiek) 6.10 Als Hauptmerkmal der Orte dieses Eintagstypus ist zu betonen, daß in ihnen die Hochwasserzeit nicht dem Meridiandurchgang des Mondes nach einer konstanten Frist folgt, es also für sie keine eigentliche Hafen- zeit gibt und überhaupt ein einfacher Zusammenhang zw'schen dem Mond- ort oder den Mondphasen und den Tiden verloren gegangen scheint. Da die Phase der Haupttide K^ nach Sternzeit läuft, kann man dafür in erster Annäherung die Regel setzen, daß Hochwasser in einem konstanten Zeit- abstand vom Meridiandurchgang eines fingierten Fixsterns eintritt. Der Einfachheit wegen nimmt man dafür einen solchen Fixstern an, der am 21. Juni mittags durch den Meridian geht, also zu der Zeit, wo die Sonnen- deklination im Maximum ist. Dann gibt für den 21. Juni die Kappazahl von Kl die Uhrzeit des Hochwassers an, für jeden folgenden Tag aber sind 4 Minuten abzuziehen, also für jeden folgenden Monat 2 Stunden, 80 daß, immer in ungefährer Annäherung, das Hochwasser an Orten dieser Art im Laufe eines Jahres nacheinander an jeder Stunde des Tages eintritt und, wenn es am 21. Juni z. B. um 2 Uhr nachmittags stattfindet, es am 21. Dezember um 2 Uhr vormittags zu erwarten ist. Dies wäre genau der Fall, wenn nicht die Eintagstide 0 periodisch abschwächend oder verstärkend auf K^ einwirkte; 0 steht also in einem ähnlichen Verhältnis zu üTi, wie unter den Halbtagstiden S^ zu M^, und deshalb tritt ein Gegen- satz von Spring- und Nipptiden auch an Orten mit Eintagstiden in die Erscheinung. An dem Tage, wo der Mond seine größte Deklination besitzt, gehen die fiktiven Sterne von K^ und 0 gleichzeitig durch den Meridian; setzen wir ihre Kappazahlen = K^^ und 0", also die Phasendifferenz Kj°— 0", so ist die relative Geschwindigkeit der beiden : 15.041 »— 13.943« = 1.098« in der Stunde oder 26.3528« im Tage, und ihre Springtide ent- steht in (/iCiO — O«): 26.3528« = (ÜLiö — O«) 0.038= a Tagen nach der größten Dekhnation des Mondes, welche Größe im System der Ein- tagstiden eine ganz analoge Bedeutung hat, wie „das Alter der Gezeit" im System der Halbtagstiden. Springtiden treten also alle 13.66 Tage (360«/26.353) ein, somit 26.74mal in einem Jahr; während sie im Bereich des Halbtagstypus je nach 14.765 Tagen oder 24.74mal im Jahr vorkommen, 268 I^ie harmonische Analyse. SO daß z. B. die Javasee zwei Springtiden mehr hat als die Nordsee. Die Tide 0 bewirkt, daß die rückläufige Verschiebung der Hochwasserstunde nicht immer 4 Minuten täglich beträgt, was im einzelnen vom Verhältnis der Amplituden von K^ und 0 abhängt; dieses aber ist von Ort zu Ort ebenso verschieden, wie für die Amplituden S^:M^. Das Verhältnis der Amplituden 0 : K^ soll normalerweise bei 0.7 liegen, ist aber in Südgeorgien 1.94, im Helder 1.60, in Singapore 1.0, in Amboina 0.72, aber in Point de Galle nur 0.28, bei Karimon Djawa 0.17, dagegen im Kattegat über 3.0, in Kopenhagen sogar 4.0. Zur Springzeit addieren sich die Amplituden von Kl und 0, bei Nipptide ist ihre Differenz maßgebend; d. h. der Unter- schied zwischen dem Spring- und iJjripptidenhub ist gleich dem Vierfachen der Amplitude 0, denn 2 (Aj^ + ^o) — 2 (^k — ^o) = 4 Äq. — Eine weitere Komplikation bringt nun noch die Tide P : sie hat ihr Hochwasser jeden Tag 4 Minuten später, ihre relative Bewegung in bezug auf Kj^ (das sein Hochwasser jeden Tag^ Minuten früher liefert) ist also 8 Minuten im Tage und 4 Stunden im Monat. Da nun P und K^ zur Zeit des Sommer- solstitiums mit ihrer Phase zusammenfallen, verstärken sie sich gegen- seitig; dasselbe tritt aoer auch im Wintersolstitium ein, wo die Phasen- difierenz 6 X 4 = 24 Stunden ist, während im März und September, wo der Phasenunterschied — 12 Stunden ist, beide Tiden gegeneinander wirken. Diesem Eingreifen der Tide P ist es also zuzuschreiben, daß im Bereiche der Eintagstiden nicht die Äquinoktien die höchsten Fluten liefern, sondern gerade die Solstitien,''Vas ein bedeutsames Merkmal dieses Typus gegenüber den Halbtagstiden ist. Ein weiteres unterscheidendes Merkmal zwischen beiden T;^en besteht endlich darin, daß die Halbtagstiden keine wesentlichen Änderungen in der 19jährigen Mondperiode aufweisen (ausgenommen K^), während die Eintagstiden sehr erheblich dadurch beeinflußt werden (ausgenommen P) und ihr Hub viel größer zur Zeit maximaler "Monddeklination (S = 28°) wird als zur Zeit des Minimums (5= 18°). Rein ausgeprägte Beispiele für die beiden extremen Gezeitentypen sind nicht eben häufig; die weitaus größte Zahl von Küstenorten gehört dem gemischten Typus an mit einer unübersehbaren Fülle von verschiedenen Kombinationen der lunaren und solaren Halbtags- und Eintagstiden. Dabei werden die Amplituden der einzelnen Teiltiden von der M^- und der Ä^i" Gruppe bedeutsam; sie sind durch Interferenzen bei Ablenkungen und Reflexionen der Teiltiden an Küsten oder Inselgruppen örtlich sehr verschieden groß. Häufig tritt hervor, daß im Juli und Dezember infolge des Synchronismus der Tiden Ki und P und der einander entgegengesetzten Phasen von S^ und K^ eine sehr starke tägliche Ungleichheit herrscht, während zur Zeit der Äquinoktien die halbtägigen Mg und S2 maßgebend werden, verstärkt durch K2, und die eintägigen durch Gegenwirkung von P verlieren ; obendrein haben dann die halbtägigen Teiltiden ihre Springzeit, wenn die eintägigen in der Nippzeit sind. Dann kann sogar an einigen Orten im Juli und Dezember nur e i n Hochwasser des Tags sich ausbilden, während im März und September regelrecht zwei Hoch- wasser vorhanden sind. — Um wenigstens ein Beispiel für den gemischten Tjrpus zu geben, mag auf die Gezeiten in San Francisco hingewiesen sein. Für diesen Ort ist der Index (Äj + 0) : [Mo. + S^) = 0.96. Nach Gemischter Tidentypiis. 269 den deutschen Gezeitentafeln ist bei Springtiden um Neujahr 1909 der Hub vormittags 0.55, nachmittags 1.55 m, Anfang Juli vormittags 1.83, nach- mittags 0.86 m, also mit stark ausgeprägter täglicher Ungleichheit. Zur Zeit der Äquinoktien sind die Hubhöhen weniger verschieden, im -Herbst z. B. vormittags 1.35 und nachmittags 1.71 m. Bei Nipptiden ist das Verhalten umgekehrt: daim wird Anfang Januar und JuH die tägliche Ungleichheit schwach (so sind die Hubhöhen im Juli z. B, vormittags 1.10 gegen nachmittags 1.03 m) und im Frühling oder Herbst groß (z. B. Ende März vormittags 1.52 gegen nachmittags 0.24 m!). — In ähnlicher Weise lassen sich die verschiedenen örtüchen Merkmale der Tiden leicht beschrei- ben, was vor Einführung der harmonischen Konstanten nicht möglich war. Die harmonische Analyse ist auch dazu bestimmt, uns eine deutlichere Vorstellung von den Interferenzen zu verschaffen, die in den Ozeanen wie in den Nebenmeeren von so außerordenthcher Bedeutung sind. Wenn man für einen größeren Meeresteil die Partialtiden , vornehmlich M^, S2, Kl und 0, nach Amplitude und Kappazahl genau kennt, wird es naöglich, für jede dieser Einzel tiden eine besondere Karte der Flutstundenfinien (aus den Kappazahlen) zu entwerfen; man kann alsdann die Richtung erkennen, nach welcher die einzelne Tide fortschreitet, und beurteilen, wo etwa Reflexe auftreten oder eine zweite Tidewelle gleichen Symbols mit ihr zusammentrifft. Freilich ist zurzeit die Zahl der genauer unter- suchten Stationen namentlich in den offenen Ozeanen sehr gering und noch nicht genügend, Karten mit derartigen Flutstundenlinien zu konstruieren. Dagegen hat P. van der Stok einen solchen Versuch für das Australasia- tische Mittelmeer tatsächlich durchgeführt (für M^ und ^1), worauf bei der Beschreibung der Tiden des genannten Gebiets zurückzukommen sein wird. Die bisher üblichen Karten der cotidal lines für die wesentlich von M2 beherrschte ordinäre Hafenzeit (vgl. S. 201) verHeren außerhalb der nordatlantischen Ozeanküsten oder einigen Strecken der indischen ihre Unterlage; in Gebieten vom Eintagstypus gibt es, wie wir gezeigt haben, gar keine sogenannte Hafenzeit mehr, und überall, wo' nur die tägliche Ungleichheit eine große Rolle spielt, wie an den pazifischen Küsten, kommt man gleich auf unüberwindliche Schwierigkeiten i). Hier mangelt es zur- zeit noch an geeigneten Beobachtungen von den zahlreichen Inseln, und es wird wohl noch längere Zeit dauern, bis diese Lücken ausgefüllt sind. Wenn die praktischen Seeleute, die ihre Ausbildung zumeist in den nord- atlantischen Gewässern genossen haben, sehr geneigt sind, diese Tiden mit starker tägb'cher Ungleichheit einfach als „unr-.^gelmäßig" zu be- zeichnen, so vergessen sie, daß ganz genau bestimmbare astronomische Vorgänge dabei im Spiel sind \md sich diese Tiden ebensogut im voraus berechnen lassen, wie die einfachen Halbtagstiden unserer heimischen Meere. Viel eher berechtigt wäre man, nach allem vorher Dargelegten zu sagen , die westeuropäischen Tiden seien nicht bloß ungewöhnUch, sondern (mit G. H. Darwin) geradezu verkrüppelt wegen des Fehlens oder der Schwächlichkeit wichtiger Teiltiden. Eine dritte Bedeutung haben die harmonischen Konstanten noch- dadujch, daß es mit ihrer Hilfe möglich ist, den Verlauf der Gezeiten im *) Hieran ist der Versuch des Dr. W. Kreidel 1889 gescheitert: Unter- suchungen über den Verlauf der Flutwellen in den Ozeanen. Frankfurt a. M. 1889, ^ ^° 270 ^^^ harmonische Analyse. voraus zu berechnen, was für die Aufstellung der Gezeitentafeln füt den Gebrauch der seefahrenden Kreise nötig ist. Freilich bringt das eine gewaltige Kechenaufgabe mit sich, und um sie möglichst zu ersetzen, hat Lord Kelvin ^) eine Maschine erfunden und ausführen lassen, die diese Rechenarbeit übernimmt, wie man ihm auch einen ebenso kunstvoll erdachten Apparat verdankt, der die harmonische Analyse auf mecha- nischem Wege ausführt 2), Es befinden sich drei solcher Tidal Predictors im Besitze der Regierungen von Großbritannien, Frankreich und Britisch- indien; es hat sich aber ergeben, daß ihr Gebrauch keineswegs billig kommt, und deshalb werden sie für die Berechnung der einfach aufgebauten euro- päischen Tiden nicht gebraucht 3). Wohl aber sendet alljährlich die in- dische- Regierung die neueste Revision ihrer harmonischen Konstanten für 37 Hafenorte des Indischen Ozeans nach London, wo die Maschine dann die Kurven für ein volles Jahr aufschreibt, aus denen nachher die Zeiten und Höhen der Hoch- und Niedrigwasser ausgemessen und in Tabellenform gedruckt werden, Dr. Bell Dawson*) hat noch ein anderes Hilfsmittel mit Erfolg verwendet, um die Zahl der Stationen mit harmonischen Konstanten möglichst zu beschränken und doch genaue Gezeitentafeln zu erhalten. Schon lange ist in den europäischen und amerikanischen Gezeitentafeln üblich, ausführliche Angaben für die täglich zu erwartenden Hochwasser nur für wenige ausgewählte Plätze zu berechnen und zu drucken, während für die Nachbarorte nur Differenzen in Zeit und Amplitude gegeben werden, die man als kpnstante Größen betrachtet, um welche das betreffende Hochwasser von dem des Referenzortes verschieden ist. Solche Orte sind für die heimischen Gewässer Cuxhaven, Dover, Brest u. a. Es hat das zur Voraussetzung, daß der Typus der Tiden auf dem Referenzgebiet ungefähr derselbe ist. Dawson zeigt nun, daß man mit sehr wenig Normal- stationen auskommt, also für große Referenzgebiete noch praktisch ge- nügende Angaben erhält, wenn man nicht konstante Differenzen in Zeit und Amplitude einführt, sondern gewisse mit der Mond- und Sonnen- bewegung (Deklination oder Entfernung) veränderhche Differenzen. Da gewöhnlich eine Veränderliche so stark hervortritt, daß die anderen da- neben verschwinden, wird die Mehrarbeit des Rechners nicht sehr erheb- lich. Dawson hofft, daß wenn in dieser Art berechnete Gezeitentafeln für den größten Teil der Meere vorliegen, es leicht sein werde, einige wenige Haupttypen der Gezeiten herauszuheben, die dann von Ort zu Ort wieder- kehren. Wenn in den amtlichen Gezeitentafeln die wesentlich von M^ abhängige ordinäre Hafenzeit oder wie in den amerikanischeri die mittlere oder verbesserte ^) Min. of Proceed. of the Inst, of Civil Engineers, London 1881, Bd. G5, p. 15. Auch Populär Lectures and Addresses, Bd. 3, London 1891, p. 184. Ein anderes Instrument der Art gab L. G r a b o w s k i an: Ber. K. Akad. Wien 1901, Bd. HO, 2 a, S. 717 ff. Auch die von A. Sommerfeld nach W iecherts Angaben her- gestellte Integriermaschine ist brauchbar: Schriften der Phys.-Ök. Ges. Königsberg 1891, Bd. 32, S. 28. 2) Vgl. R o b e r t s in Nature 1879, Bd. 20, p. 281. ») G. H. D a r w i n, Ebbe und Flut, Leipzig 1902, S. 218 und in der Enzyklop. math. Wiss. VI. 1, 6, § 31. *) Journal of the R. Astronom. Society of Canada, Juli-August 1907. Vorausberechnung der Gezeiten. 271 Hafenzeit (das arithmetische Mittel aus allen während einer halben Lunation beobachteten Zeitintervallen zwischen den einzelnen Mondkulminationen und darauffolgenden Hochwassern) aufgeführt wird, so haben, wie bereits bemerkt, diese Zahlen nur für die vorher erwähnten Küstenstrecken mit vorherrschenden Halbtagstiden einen eigentlichen Sinn. Der Praktiker benutzt sie, um für einen beliebigen Tag daraus die Hochwasserstunde voraus zu berechnen in Fällen, wo keine ausführlicheren Gezeitentafeln sie ihm fertig ausgerechnet darbieten. Er muß dazu außer der Hafenzeit auch die halbmonathche Un- gleichheit in Zeit kennen, deren Auswertung zuerst Bernoulli lehrte (vgl. seine Anleitung bei W e y e r, Nautische Astronomie, Kiel 1871, S. 170 ff.), und welche als eine Korrektion algebraisch zur Hafenzeit addiert werden muß, um für den betreffenden Tag das „Mondflutintervall " zu erhalten; dieses zu der letzten Kulminationszeit des Mondes, die (Jen Ephemeriden zu entnehmen ist, hinzugefügt, gibt die gesuchte Hochwasserstunde (vgl. dafür die Tabellen bei Weyer a. a. 0., oder in den Handbücher]^ der Navigation). Die so gefundene Hochwasserstunde ist aber auch nur angenähert zu- treffend; in den flacheren, buchten- oder inselreicheren Meeren bewirkt außer- dem der wechselnde Barometerstand und der "Windstau solche zufälligen Ab- weichungen, daß diese erste Annäherung dem Praktiker meist genügt. Darum wird auch der täglichen Ungleichheit in Zeit meist nicht Rechnung getragen, obwohl durch dieselbe der gesuchte Hochwassereintritt bis zu + 15 Minuten verschoben werden kann. Auf den Einfluß, den der Luftdruck auf den Niveaustand des Meeres ausübt, ist bereits früher (Bd. I, S. 60) hin- gewiesen ; hierauf wie auf den Windstau ist übrigens später in der Theorie der Meeresströmungen ausführhch zurückzukommen. Dagegen ist es für den Praktiker wichtig, die zur betreffenden Hochwasser- stunde vorhandene Wassertiefe, etwa vor dem anzulaufenden Hafen, wenigstens angenähert zu kemien. Zu dem Zwecke enthalten die Gezeiten- tafeln oder die Segelhandbücher Tabellen, welche den Tidenhub bei Spring- und Nipptiden für die wichtigeren Häfen der Welt angeben. Nun beziehen sich die Tiefenangaben der Seekarten fast ausnahmslos auf das Niveau des Niedrig Wassers der Springzeit ^). Für die Springtide ist also die Fahrwassertiefe leicht zu finden: bei Niedrigwasser ist sie die Tiefe, wie die Seekarte sie angibt, p Meter; bei Hochwasser aber gleich der zu dieser Tiefe p hinzugefügten, der Tabelle zu entnehmenden Hubhöhe, also ^= p + s. Für Nipptide aber liegt das Niveau des Niedrigwassers schon über dem Nullpunkt, von dem die Seekarte rechnet, und zwar um einen Betrag, der, wemi der Hub bei Nipptide = t gesetzt wird , sich, wie eine einfache Über- legung zeigt , zu V2 (* — 0 ergibt. Die Hochwassertiefe ist alsdann bei Nipptide — p + t + V2 (* — 0- ^^^ allgemeinen rechnet der Praktiker, daß der Tidenlmb bei Nipptide die Hälfte desjenigen bei Springtide ausmacht. Die Bestimmung der Fahrwassertiefe für einen zwischen Spring- und Nipptide liegenden Tag ist durch Interpolation leicht ausführbar, indem man, für alle praktischen Zwecke genau genug, die Änderung zwischen höchstem und niedrigste»! Tidenhub als eine stetige aimimmt. Kennt man die Hoch- wasserzeiten und den Hub am betreffenden Tage, wie das z. B. bei Küsten- vermessungen der Fall sein wird, so reduziert man die Lotungen nach der Formel P = R + rcos (180° . t/D), wo Ä die Niedrigwassermarke (das Karten- niveau), r die halbe Hubhöhe am betreffenden Tage, D die Dauer der be- treffenden Tide und t die Zeit seit dem letzten Hochwasser bis zur Lotung bedeutet. Bei solchen Wasserstandsberechnungen ist für die meisten außereuro- päischen Küstenstriche die tägliche Ungleichheit nicht mehr zu vemach- M Vgl. hierzu Bd. I. S. 67. 272 Di© Gezeitenströmungen. lässigen; es handelt sich für den Schifisführer oft darum, von zwei aufeinander- folgenden Hochwassem das höhere auszuwählen, \md diese Korrektion des Tidenhubs kann z. B. selbst für Cuxhaven auf 21 cm ansteigen. Für die west- europäischen Häfen formuliert das „Segelbandbuch für die Nordsee" die ein- fachen Regeln: 1. das höhere Hochwasser ist dasjenige, welches der bzw. — 7 Kulmination unmittelbar folgt oder kurz vorangeht, wenn die De- klination des Mondes bzw. . ,.. , ist; und 2. das r-^^ Hochwasser folgt höhere sudhch klemere ** auf das -p—? — Niedrigwasser. Hierbei wird dann die oben besprochene, lokal 80 verschiedene Verspätung dieses EfEekts der Deklination fühlbar. y. Die Gezeitenströmungen. Wenn wir mit A i r y die Gezeiten als eine Wellenbewegung auffassen, so müssen sie eine Reihe von Erscheinungen zeigen, wie wir sie (oben S. 105) für Wellen auf flachem Wasser beschrieben haben. Das bestätigt auch die Beobachtung. So die Einwirkung der abnehmenden Wassertiefe auf die Lage der Wellenkämme zur Küste, was, auf die Welle übertragen, bedeutet, daß diese mit ihrem Kamm in ganzer Breite auf die Küste auflaufen wird, eine Eigentümlichkeit, aus welcher einst D o v e und Fitzroy schließen wollten, daß die Gezeiten stehende Wellen seien; ferner, daß die Wellen p e r i o d e bei jeder Änderung der Konfiguration des Beckens immer unverändert bleiben muß ; drittens, daß die G e- schwindigkeit und Wellenlänge sich entsprechend der La- grangeschen Formel verringert, während viertens die Wellen höhe sich vergrößert, und zwar nach A i r y angenähert im umgekehrten Verhältnis zur vierten Wurzel aus der Wasser tiefe und zur Quadratwurzel aus der Breite der Wasserfläche. Aber auch die jeder WeUe eigene Orbitalbewegmig der Wasserteilchen muß sich zeigen, und zwar bei der großen Länge der Welle als Strom fühlbar werden. In der Tat ist dies die Erklärung der Gezeitenströme, welche von jeher für die Schiffahrt von großer Bedeutung gewesen sind, zumal in den westeuropäischen Gewässern. Beistehende Fig. 73 möge die Bahn eines Oberflächenteüchens unter Einwir- kung einer durch tiefes Wasser sich be- ^ , ., ,^ ^ , wegenden Hochseewelle vorstellen. Letz- Orbitalbahn einer Hochseewelle von - i i • t» • j iov.o,im j r.- 12 h 24 m Periode. tere habe eine reriode von Iz'i 24'^, und für die Bewegungen des Teilchens wollen wir uns folgender Terminologie bedienen. Die Welle bewege sich nach rechts. Bei Beginn der Bewegung sei Hochwasser, dann wird Mittelwasser (franz. mi-maree) um 3^ 6°^ passiert, um 6^ 12°^ ist Niedrigwasser, um 9^ 18™ wieder Mittelwasser, und 12^^ 24"^ wieder Hochwasser. Von 0^ bis 6^^ 12"» bewegt sich das Teilchen aus seiner höchsten Lage in die tiefste: diesen Terminologie der Stromphasen. 273 Abschnitt seiner vertikalen Bewegung nennen wir Ebbe (früher auch Fallendwasser, franz. perdant, engl, fall); von 6^ 12°^ bis 12^ 24"^ erhebt sich das Teilchen von seiner tiefsten bis zur höchsten Lage, und dieser Abschnitt heißt Flut (früher auch Steigend- wasser, franz. gagnant, engl. rise). Vertikale Bewegungen werden als Strom nicht gefühlt, immer nur die horizontalen: und zwar heißt die mit der Fortpflanzungsrichtung der Welle gehende horizontale Verschiebung des Wellenkammes der Flutstrom (franz. flot), der, wie die Zeichnung ergibt, so lange herrscht, als das Teilchen eine Lage über Mittelwasser besitzt, also von 3,1 Stunden vor Hochwasser bis 3.1 Stunden nach dem- selben. Dagegen ist Ebbestrom (franz. jusant), solange die Bahn des Teilchens unter Mittelwasser liegt; also von 3^ 6^ bis 9^ 12°^, d. h. von 3.1 Stunden vor Niedrigwasser bis 3.1 Stunden nach diesem. Der Ebbe Strom ist der Fortpflanzungsrichtung der Welle stets entgegen gerichtet. Wie man sieht, ändert der Strom seine Kichtung, tritt Strom- wechsel oder Umsetzen des Stroms ein, oder kentert der Strom, oder ist Sl^illwasger (franz. les etales de flot ou de jusant, engl. slack water), jedesmal in dem Augenblick, wo das Teilchen das Mittel- wasser passiert. Befindet man sich aber am Meeresstrande, so wird man ganz ab- weichend von den Angaben dieser Figur stets wahrnehmen, daß das Kentern des Stroms nicht 3.1 Stunden nach dem Hoch- oder Niedrigwasser erfolgt, sondern mit diesen Phasen zusammenfällt. Gerade wo das Wasser am höchsten „aufgelaufen" ist, hört jeder Strom auf, ist „S t a u w a s s e r"; dann beginnt mit fallendem Wasser der Ebbestrom, er entführt das Wasser seewärfc" und fährt damit fort, bis Niedrigwasser erreicht ist, wo dann der Strom abermals kentert und als „Flutstrom" sich auf das Land zu bewegt. Hier scheinen also Theorie und Tatsachen im Widerspruch. Aber es wäre doch übereilt, darum dem Gezeitenphänomen seine Natur als Wellenbewegung abzusprechen. Es sind nur diese Tatsachen nicht solche, daß man sie zur Prüfung der Theorie anwenden darf. Das Kentern des Stroms tritt keineswegs überall bei Hoch- oder Niedrig- wasser ein. Schon in der Elbemündung bei Cuxhaven tritt der Stromwechsel 1^ 30™ nach Niedrigwasser und 1^ 25"^ nach Hochwasser ein: dort läuft also noch bei fallendem Wasser anderthalb Stunden lang ein Flut- strom die Elbe hinauf, und fast ebenso lange bei steigendem Wasser ein E b b e s t r o m die Elbe hinab. Ebenso kann, wer sich mitten auf die berühmte Themsebrücke in London {London Bridge) stellt, beob- achten, daß unter der Mitte der Brücke der Flut ström noch immer stromaufwärts läuft, auch nachdem das Wasser schon 2 engl. Fuß g e- fallen ist. Und in der Mündung der Themse bei Mouse Leuchtschiff kentert der Strom 2 Stunden nach Hoch- und Niedrigwasser. Seit lange ist es den Seefahrern geläufig, daß in der Mitte des engüschen II...--ls der Strom noch nahezu 3 Stunden nach Hochwasser kanalaufwärts, d. h. nach Dover hin läuft und noch 3 Stunden nach Niedrigwasser kanal- abwärts : hier also genau nach der Theorie. Ebenso zeigt ein Blick m irgend eine der britischen oder deutschen Küstenbeschreibungen eine Menge ähnlicher Beispiele, so auch schon das deutsche „Segelhandbuch für (fie KrUmmel, Ozeanographie. II. 18 274 I^iö Gezeitenströmungen. Nordsee" (nach dem North Sea Pilot), daß in der Pentlandföhrde zwischen Stroma und Swona der Strom genau 3 Stunden nach Hoch- und Niedrig- wasser kentert. Dasselbe ist u. a. auch vor dem Eingang zur Magellan- straße und noch inmitten der Straße der Fall, während an den flacheren Stellen der Ufer der Strom gleichzeitig mit Hoch- und Niedrigwasser umspringt^). Am meisten einleuchten dürfte folgendes Beispiel, welches C o m o y ') bringt. Am 1. und 23. März 1877 wurden in Port-en-Bessin (Calvados) sowohl am Hafendamm wie an zwei Punkten in See gleichzeitig Strombeobachtungen angestellt, welche ergaben, daß der Flutstrom kenterte: 1. M ä r z (S p r i n g t i d e) 23. M ä r z (N i p p t i d e) im Hafen 10 h 7 m a. m. im Hafen 2 h 45 m p. m. in 400 m Abstand . . 11 h 15 m a. m. in 300 m Abstand . . 3 h 30 m p. m. in 1000 m Abstand . 11h 50 m a. m. in 1000 m Abstand . 4 h 50 m p.m. Ebenso war es mit dem Ebbestrom am 23. März, der im Hafen um 9^ 5°^ abends, in 200 m Abstand vom Hafendamm um 10^ 5™, und in 1500 m Abstand um 10^ 45 "^ kenterte : also je weiter ins tiefe Wasser hinaus man kam, desto später kenterte der Strom; im Hafen selbst erfolgte dieses genau gleichzeitig mit Hochwasser, oder wie im letzten Fall mit Niedrigwasser. — Ähnhch be- richtet W. H. W h e e 1 e r von Sunderland, daß der Tidestrom 1 mile (1.6 km) von der Küste 1 Stunde nach Hoch- und Niedrigwasser, 4 bis 5 miles (6 bis 8 km) vom Lande 3 Stunden nach Hoch- und Niedrigwasser kentert, während dies am Strande mit diesen extremen Wasserständen zusaöimenfällt. W^enn also am Badestrand in Sylt oder über den Watten der friesi- schen Küste das Kentern des Stroms gerade mit Hoch- oder Niedrig- wasser zusammenfällt, so muß letzteres auf irgend einer Störung der normalen Wellenbewegung beruhen. In der Tat bezieht sich unsere schematische Zeichnung auch auf solche Wellen, die bei gleichmäßiger, wenn auch geringer Wassertiefe über eine sonst unbegrenzte. Wasserfläche dahinlaufen, welche also in ihrer Bewe- gung und Fortpflanzung keine Hindernisse finden. Sobald aber Hinder- nisse auftreten, namentlich durch Verringerung der Wassertiefe, so werden die Orbitalbahnen andere werden müssen, da ja die äußere Gestalt der Welle sich ändert und das letztere natürlich nur die Folge einer veränderten Art der Orbitalbewegung ist. „Diese Modifikationen", sagt B ö r g e n 3), „bestehen darin, daß die vorher symmetrische Welle (symmetrisch mit Bezug auf eine durch ihren höchsten Punkt gedachte Vertikale) nun un- symmetrisch, nämlich an der voranschreitenden oder vorderen Seite steiler, auf der hinteren flacher wird. Die Folge ist, daß bei ungeänderter Periode das Steigen dos Wassers kürzere Zeit, das Fallen längere Zeit in Anspruch nimmt als in der ungestörten Welle, wo beides gleich lange dauert. Gleich- zeitig wird die Welle höher und nimmt mit der Steigerung der Hindemisse an Höhe immer mehr zu. Endlich, was für uns das wichtigste ist, ver- schiebt sich die Zeit, wo die Wasserteilchen ihre Bewegung umkehren, die Zeit dos Stromwochsels, mit steigenden Hindernissen immer näher ^) Pet. Mitt. 1898, L .-Ber. Xr. 616 nach Roncagli und Fitzroy. Vgl. auch die Seekarten. *) F.tudc pratiquc sur les raarees fluviales, Paris 1881, p. 382. ») Annal. d. Hydrogr. 1880, S. 6. Zeitpunkt des Stromweclisels. 275 nach Hoch- und Niedrigwasser, so daß das Zeitintervall zwischen Hoch- wasser und dem nachfolgenden Stroniwechsel immer kleiner wird und in gewissen Fällen gleich Null werden kann. Letzteres, das Zusammentreffen von Hochwasser und Stromwechsel, tritt dann ein, yirenn die Welle auf eine feste Schranke trifft." Dieses geschieht nun an allen Küsten, und so erklärt sich die weit verbreitete, aber unrichtige Ansicht, daß Hoch- wasser und Stillwasser immer zusammentreffen, und Ebbestrom und Ebbe, Flutstrom und Flut identische Begriffe seien. Daher auch die ver- kehrte, aber an der Elbe- und Themsemündung nicht selten zu hörende Bemerkung, daß in der Mitte des Stromes Hochwasser viel spä- ter stattfinde als am Ufer. Die Änderung in der Orbitalbewegung bei abnehmeudei- Wassertiefe läßt sich vielleicht' in folgender Weise graphisch verdeutlichen. Die Ver- schiebungen der Wasserfäden über den Boden hin sind sehr beträchtlich'. bei einem Knoten stündhcher Geschwindigkeit werden in 6.2 Stunden ebenso»- viel Seemeilen oder 11.3 km zurückgelegt, und nach der Theorie der Wellen- bewegung in flachem Wasser hat diese horizontale Verschiebung der Wasser- fäden von der Oberfläche bis zum Boden hin ziemhch den gleichen Betrag. Wenn nun die Tiefe in der Richtung auf das Land abnimmt, wird das hori- zontal auf dieses hinflutende Wasservolu- men ein stetig kleiner werdendes Durch- flußprofil vorfinden, was zur Folge hat, daß die große Achse der elliptischen Bahn nicht mehr wie im Wasser von gleichblei- bender Tiefe horizontal liegt, sondern sich in der Richtung auf das flachere Wasser zu erhebt. Die Fig. 74 übertreibt diese Wirkung (die Ellipse würde aber in Wirk- lichkeit noch größere Exzentrizität haben, da der kleinen Achse derselben etwa 2 bis 3 m, der großen aber viele Kilometer zu- kommen) , zeigt aber deutUch , wie nun nicht mehr das Kentern des Stromes in a und o', den beiden Enden der großen Achse der EUipse, erfolgt, auch'nioht der höchste Wasserstand am oberen, der niedrigste am unteren Ende der kleinen Achse, in h und 6', stattfindet, sondern in den Punkten H und N der Bahn. Flutstrom aber läuft, solange das Teilchen von a über b und H nach a' geht, und Ebbestrom, solange es von a' überi> und N nach a zurückkehrt. Je steiler die große Achse sich aufrichtet, de»to näher kommt H an a' und iV an a zu liegen. Mittelwasser wird dann immer vom Strom in voller Stärke passiert. Die Theorie (Formel XXVIII S. 21) gestattet übrigens für eine ge- gebene Wassertiefe und Wellenböhe die zu erwartende Maximalgeschwin- digkeit der horizontalen Verschiebung der Wasserteilchen, d. h. also des Stromes, zu berechnen. Borgen^) führte dies aus und fand für Tiefen von 30 m und einen Tidenhub von 3 m den Strom zu 1.7 Knoten, bei einem Hub von 4.5 bis 6 m aber im Maximum 3.4 Knoten. Für die doppelte Wassertiefe von 60 m sind bei sonst gleichem Hub die, berechneten Strom- stärken 1.2 bis 2.4 Seemeilen in der Stunde. Nun schwanken in der Mitte Orbitalbahn einer Tidewelle in abnehm der Wassertiefe. ») Annal. d. Hydrogr. 1880, S. 9. 276 ^^® Gezeitenströmungen. des englischen Kanals die Tiefen zwischen 30 und 60 m, und in der Tat hat man die Stärke der Gezeitenströme innerhalb der nach der Theorie berechneten Grenzen gefunden. An einzelnen Punkten, z. B. in der Bucht von St. Malo, werden zwar erheblich größere Stromstärken beob- achtet, aber daselbst steigt auch der Hub auf 10 bis 12 m, für welchen Wert (bei 30 m Wassertiefe wie vorher) die stündliche Stromgeschwindig- keit zu 5.1 bis 6.7 Seemeilen sich ergibt, was ebenfalls den Beobachtungen entspricht. — Die aus der Wellentheorie für den offenen Ozean sich ergebende Strömung berechnet Borgen, bei einer Wassertiefe von 5000 m und einem Hub von 1.3 m, zu 65 m in einer Stunde: also eine praktisch ganz unmerkliche Strömung, welche ein Wasserteilchen während der halben Flutperiode (in 6.2 Stunden) im ganzen nur um 400 m verschieben kann, daher denn auch die Meeresströmimgen durch diese Form der Gezeiten- bewegung in keiner fühlbaren Weise beeinflußt werden können. Die Abhängigkeit der mittleren Stärke der Gezeitenströme von der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Welle und der gegebenen Wassertiefe ist von C o m o y ^) in folgender ganz elementaren Weise abgeleitet worden. Wenn p die Wassertiefe, c die Geschwindigkeit der Welle, v diejenige des Gezeiten- stroms und 2 h die ganze Wellenhöhe (den Hub) bezeichnet, so wird in einer Fig. 75. M' 77Vy r f :v n. ^■ve jc i yN N' '«-' M K-^^ ^^^^-T^ ^ i. >. '^ ^^-^'^ \-^' M' Verschiebung der Wasserteilchen in einer normalen Tidewelle (nach Comoy). kleinen Zeit t der Flutstrom ein Wasservolum verschieben, welches Q =^ vpt anzusetzen ist. Konstruieren wir uns nun, nach Laplaces Vorgang als Symbol einer Flutkurve, eine vollkommen symmetrisch gestaltete Sinuskurve, wie beistehende Fig. 75 sie zeigt, so bedeutet die ausgezogene Linie die Lage der Welle vor Beginn des Zeitraumes t, die punktierte Kurve die Lage derselben am Ende dieser Zeit. Da, wie die Wellentheorie zeigt, die Wasserteilchen sich während der Lage unter dem Mittelwasser (im Wellental) der fortschreiten- den Richtung der Welle entgegen, im Wellenkamm aber mit dieser fortbewegen, ist es nötig, daß während der Zeit t ein Quantum Wasser vom Querschnitt MM' LN nach links, ein gleiches Quantum mm' FL' sich nach rechts ver- pflanzt. Das Kentern des Stromes erfolgt bei Mittelwasser. Das obige Quan- tum Q ist auf der Figur also repräsentiert durch die Fläche mm' FL' = L'fqq' usw. Diese Fläche ist aber sehr nahe gleich derjenigen des Vierecks FKkf. Denn die große Fläche FKq' ist einmal zusammengesetzt aus dem Viereck FKkf und dem sinusoidalen Halbsegment fkq' und zweitens aus der Fläche L'fq'q und dem Halbsegment FKq, wozu hier noch das kleine Dreieck FL^f kommt. Also: FKkf -f fkq' = FKq ■{■ FL'f + L'fq'q, Da die sinusoidalen Halbsegmente fkq' und FKq gleich sind und das kleine Dreieck FL'f vernachlässigt werden kann, finden wir, wie oben behauptet, das Viereck FKkf nahe gleich der Fläche L'fq'q. In diesem Viereck ist die Seite Kk gleich derjenigen Strecke, um welche die Welle in der Zeit t fortgeschritten ist, *) Etüde pratique sur les mar6es fluviales, Paris 1881, p. 95. Richtung der Gezeitenströme. 277 also et, während die Seite FK gleich der halben Wellenhöhe ist, also = h. Die ganze Fläche wird danach = cth. Nun fanden wir schon das Quantum Q oben = vtp. Aus cth = vtp ergibt sich das Verhältnis v:c = hif, d. h. die Stärke des Gezeitenstroms verhält sich zur Geschwindigkeit der Flutwelle wie der halbe Tidenhub zur Wassertiefe: ein Resultat, welches genau mit Hagens Formel XXVIII (oben S. 21) übereinstimmt. Man kann nun c, mit Hilfe der Lagrangeschen Formel durch p ausgedrückt, hier einsetzen, da es sich um sehr lange Wellen bei geringer Wassertiefe handelt, und erhält alsdann V == h \/g/p oder 3.13 h/[/p m.p. S., oder, da gewöhnhch die Stärke des Stroms in Seemeilen pro Stunde ausgedrückt und der ganze Tidenhub 2h = H gesetzt wird, V = 3.04 H/\/ p Knoten, wo H und p in Metern gegeben sein müssen. Nehmen wir also wieder, wie oben für den Kanal, p = 30, Ä = 1.5 m, so er- gibt sich V zu 1.66 Seemeilen in der Stunde, was dem oben von Borgen be- rechneten Wert genau entspricht. Für den offenen Ozean, wo p = 5000, h = 0.65, wie oben, anzunehmen, würde v = 0.029 m pro Sekunde werden, was einen in der Stunde zurückgelegten Weg von 103.6 m er^bt, während die früher (S. 15) erwähnte genauere Formel 65 m liefert. Die ganze vom Wasserteilchen durchmessene Strecke wird für eine halbe Tide nur 400 m betragen, da die Geschwindigkeit nicht auf der ganzen Strecke der elliptischen Orbitalbahn gleich ist. Die normale Richtung der Gezeitenströme wird senkrecht zu den Wellenkämmen der Flutwogen liegen, wäre also auf Karten der Flut- stundenlinien senkrecht gegen diese zu zeichnen, so daß in Landnähe der Flutstrom 6 Stunden aui das Land zu, der Ebbestrom 6 Stunden genau entgegengesetzt vom Land hinweg führt. In den meisten Fällen wird in den Strandgewässern diese Regel be- stätigt. Aber es gibt auch viele örtlich - keiten, wo in der Richtung wie in der Zeit- dauer der beiden Ströme sich Abwei- chimgen einstellen. Wenn vor und in Flußmündungen der Ebbestrom an Dauer und Stärke den Flutstrom überwiegt, so Fig. 77. Fig. 76. !!• v«: B Richtung der Gezeitenstiöme in der Bucht von Quiberon (A) und von Concarneau (B) ; nach der französischen Seekarte. Richtung des Gezeitenstvoms beim Weserfeuerschiflf (nach der deutschen Oezeitentafel). wird dies leicht erklärt werden können. Anders aber ist es, wenn die Rich- tungen sich regelwidrig anordnen. Die beistehenden Figuren zeigen zwei Beispiele von der westfranzösischen Küste : wenn der Flutstrom in der Bucht von Quiberon (Fig. 76, A) auf seiner Höhe ist, geht er nach Nordosten, I 278 ^^'^ Gezeitenströmungen. bei Hochwasser- ist keirte Stromstille, sondern Strom nach Ostsüdosten, der Ebbestrom führt nach Südsüdosten, und bei Niedrigwasser herrscht wieder keine Stromstille, sondern Strom nach Südsüdwesten; der Winkel zwischen Flut- und Ebbestrom ist nicht 180°, sondern nur etwa 110** und die Richtungen wechseln so, daß der Strom links dreht wie der Zeiger der Uhr. Südlich von Concarneau (Fig. 76, B) ist ebenfalls linksdrehender Strom und der Winkel zwischen Ebbe- und Flutstrom etwa 135®, Die nächste Fig. 77 zeigt die Stromrichtung und Stärke, wie sie am Weser- feuerschifP (12 km nordnordwestlich von Wangeroog) in einer Tide wech- selt; hier dreht der Strom entgegen dem Uhrzeiger, doch liegen Ebbe- und Flutstromrichtung ungefähr normal 180° voneinander: der Flutstrom setzt auf die Jade- und Wesermündung hin, der Ebbestrom seewärts aus ihr hinaus; auf einige auffällige Einzelheiten wird später zurückzukom- men sein. Um nun auch ein Beispiel außerhalb der heimischen Gewässer zu wählen, sei auf die Drehströme vor der Yangtsemündung hingewiesen : bei der Insel Schaiweischan, 35 km vom Land, beginnt der Flutstrom in südlicher Richtung (Süden zu Westen, 0.5 Knoten), dreht dann nach Westen (nach 4 Stunden Westen zu Süden, 3 Knoten), dann nach Norden (Hpchwasserj 0.5 Knoten) und so weiter über Osten (Südosten zu Osten, 2V2 bis 4 Knoten) wie der Zeiger der Uhr zurück nach Süden i). — Mitten iji der südlichen Nordsee unter 53° N. B., 3° bis 4° 0. L., etwa 50 See- meilen von Texel und von Cromer entfernt, ändert der Gezeitenstrom stetig seine Richtung und hier wiederum wie der Uhrzeiger, also von Osten durch Süden, Westen und Norden zurück nach Osten, nur aus der etwas größeren Stromstärke des Nordost- und Südweststroms im Ver- gleich zu den anderen Richtungen ist zu schließen, daß der Flutstrom nach Nordosten, der Ebbestrom nach Südwesten setzt. Hier kann man nicht wohl an irgend eine Einwirkung der Küstenbuchten oder sonst der Küstenformen überhaupt denken, wie vielleicht in den vorher genannten Fällen. Damit sind aber die Unregelmäßigkeiten der Tideströme noch nicht erschöpft. Im Irischen Kanal bei der Insel Man gibt es einen hohen Tidehub (5 bis 7 m), aber gar keine Gezeitenströme, obwohl wir solche von 3 bis 5 Knoten Stärke nach der Formel XXVIII erwarten müßten. Dagegen fand Kapitg.n H e w e 1 1^). einen Punkt in der südlichen Nordsee (52° 27.5' N. B., 8° 14.5' 0. L.), wo der Tidenhub ganz unmerklich war, die Gezeitenströme aber kräftig und regelrecht zwischen Nordosten und Südwesten (magn. mißweisend) alterriierend auftraten. Endlich wird aus den javanischen Gewässern berichtet, daß in Sembilangau (Surabayastraße) trotz der dort herrschenden Eintagstiden doch die Gezeitenströme alle 6 Stunden wechseln, während umgekehrt in der Sundastraße Halbtags- tiden von allerdings geringem Hub mit 12stündig wechselnden Gezeiten- strömen verbunden sind^). Auch diese zunächst rätselhaft erscheinenden Vorgänge hat schon A i r y auf Grund seiner Wellentheorie der Gezeiten und den dabei auf- tretenden Interferenzwirkungen zu erklären gelehrt. Sowohl P. van h Ann. d. Hydr. 1900, S. 413. 2) A i r y, Tides and Wavea, § 528. ') P. V. d. S t 0 k, Indian Archipelago etc. p. 181 b. Drehströme an Küsten. 279 der Stok*) wie C. B ö r g e n 2) haben seine Andeutungen dann auch analytisch weiter entwickelt, so daß einige dieser Abnormitäten rechnerisch haben aufgelöst werden können. Auch in diesem Falle werden wir gut tun, das anschaulichere graphische Verfahren anzuwenden. Wir geben zunächst (Fig. 78) die Erklärung der rotatorischen oder Drehströme in der Nähe der Küsten eines breiten, erst langsam, dann schneller nach der Mitte zu tiefer werdenden Kanals. Eine von links (W) kommende Flutwelle wird nach der Theorie bewirken, daß ihr Kamm in dem tiefen Wasser schnell voreilt, an den Ufern stark zurückbleibt. Im tiefen Wasser wird also der Strom allemal der Küste parallel setzen, der Fig. 78. Flutstrom nach rechts (0), der Ebbestrom nach links (W), und das Um- setzen des Stromes wird normal etwa 3 Stunden nach Hoch- oder Niedrig- wasser erfolgen. An den Küsten aber wird der Strom allemal gleichzeitig mit diesen extremen Wasserständen kentern. Ein zwischen der Küste und der Mitte des Kanals verankertes Schiff wird nun folgende Strömungen haben. Bei Hochwasser ist am Ufer gerade Stauwasser, also kein Strom, aber im Tiefwasser der Flutstrom in seinem Maximum: der letztere wird also seine Herrschaft näher der Küste zu ausdehnen und das Schiff mit der Kiellinie parallel zu dieser, und zwar auf Westkurs, legen (Stadium I der Fig. 78). Beim nachfolgenden Mittelwasser ist nun in der Kanalmitte Strom- Btille, dagegen an den Küsten der Ebbestrom im Maximum. Dieser legt das Schiff nunmehr an der Nordküste auf Nordkurs, an d*r Südküste auf Südkurs (Stadium II). Bei Niedrigwasser ist am Strand kein Strom, in der Kanalmitte aber Ebbestrom in vollster Stärke, so daß dieser das Schiff nach Westen herum- schwaien läßt; sowohl das an der Nord- wie an der Südküste des Kanals verankerte Schiff liegt auf Ostkurs (Stadium III). ^) Etudes des Phenom^nes de Maree sur les Cotes Xeerlandaises, II, Utrecht 1905. «) Ann. d. Hydr. 1908, S. 415. 280 Die Gezeitenströmungen. Endlich wird bei nun folgendem Mittelwasser Stromstille in der Mitte des Kanals, Strommaximum und zwar Flutstrom an den Küsten sein. Die Schiffe werden letzterem folgen, das nördliche wird Südkurs, das süd- liche Nordkurs anHegen (Stadium IV). Beim hierauf folgenden Hoch- wasser wird die Sachlage wieder dieselbe wie im ersten Stadium sein, in 12.4 Stunden haben darum beide vor Anker liegende Schiffe eine volle Drehung nm 360^ ausgeführt, denn man sieht leicht ein, wie in den Zwi- schenzeiten auch die Zwischenlagen sich einstellen werden. Ebenso zeigt die Figur, daß das ap. der Nordküste, links vom Flutstrom der Kanal- mitte, liegende Schiff sich gedreht hat wie der Zeiger der Uhr, das rechts von dem Flutstrom der Kanalmitte verankerte Schiff dagegen im um- gekehrten Sinne. Diese von Airy angegebene Erklärung könnte vielleicht auf die beim Feuerschiff Weser oder in den westfranzösischen Buchten angegebenen Stromvorgänge passen; sie versagt aber für den Fall von Drehstrom mitten in der Nordsee unter 53° N. B., wo das Land 50 Seemeilen entfernt ist. Hier müssen wir auf Interferenzen zurückgreifen^) und werden ebenso wie bei den eigentlichen Wasserstandsschwankungen (oben S. 239 f.) nicht nur auf den Winkel, unter dem sich die Wogen durchkreuzen, sondern viel mehr noch auf den Phasenunterschied zu achten haben. Wir denken uns zunächst zwei Wellen, die sich unter einem rechten Winkel kreuzen, von denen aber die nach A laufende Welle. (Fig. 79) Stromrichtung als Resultierende von zwei unter 90« sich kreuzenden Tidewellen. einen doppelt so hohen Hub besitzt, wie die zweite nach B laufende, und der Phasenunterschied zwischen beiden sei 6 Mondstunden. Wir konstruieren uns ein Koordinatenkreuz (wie in Fig. 79) und lassen die ii -Welle ihr Strommaximum bei Flutstrom um 12 Uhr, die J5-Welle um 6 Uhr (Mondstunden) haben; dann werden die in den übrigen vollen Stunden vorhandenen Stromgeschwindigkeiten (gemäß Fig. 7 S. 14) sich so darstellen, wie in der Figur mit arabischen Zahlen angegeben ist: die ^) Die im folgenden gegebene Darlegung habe ich bereits in meinem „Orean.", Atifl.. Prag und Leipzig 1902, S. 235 — 2.37 in den Grundztigen vcröflfentlicht. Drehströme infolge von Interferenzen. 281 Stromstärke der -4-Welle ist durch die Länge von 3 bis 12 um 12 Uhr, 3 bis 1 um 1 Uhr, 3 bis 2 nm 2 Uhr ausgedrückt, um 3 Uhr ist Stromstille, dann ist Ebbestrom der ^-Welle mit der Stärke 3 bis 4 um 4 Uhr, 3 bis 5 um 5 Uhr und um 6 Uhr hat der Ebbestrom sein Maximum, um darauf wieder abzunehmen bis zur Stromstille um 9 Uhr, worauf Flutstrom einsetzt. Für die 5-Welle sind die Stromstärken nur halb so groß: sie hat um 6 Uhr Maximum des Flutstroms (6' in der Figur), um 12 Uhr Maximum des Ebbestroms (12' der Figur) und um 3 Uhr und 9 Uhr Strom- stille. Nunmehr suchen wir die Kesultierende aus beiden Stromwirkungen jedesmal für die gleiche Stunde imd bemerken sofort, daß das Parallelo- gramm der Kräfte für alle Stunden zwischen 10 Uhr und 2 Uhr die gleiche Richtung und für 4 Uhr bis 8 Uhr die um 180^ entgegengesetzte Richtung ergibt. Wir entnehmen also der Konstruktion, daß bei einem Phasen- unterschied von 6 Stunden kein Drehstrom entsteht, sondern genau entgegengesetzt alternierende Flut- und Ebbeströme mit Stillwasser dazwischen. Die Richtung a der Resultierenden ist abhängig von dem Verhältnis der Wellenhöhen H^-.H^, indem für einen Schnitt- winkel von 90° sin a = H^H^, hier = BjA wird. Anders wird es, sobald ein Phasenunterschied von weniger oder mehr als 6 Stunden auftritt. Die Konstruktionen geschehen in derselben Weise, wie soeben in Fig. 79 durchgeführt wurde. In Fig. 80 ist der Phasenunter- Fig. 81. JRA MA Orehstrom aus Interferenz zweier ungleich hoher Wellen. Schnittwinkel 90«. Drehstrom aus Interferenz zweier gleich- hoher Wellen. Schnittwinkel 90". schied 3 Stunden bei einem Schnittwinkel von 90° und gleichen Hubhöhen bei beiden Wellen: es entsteht ein ganz regelmäßig ohne jede Stromstille in 12 Mondstunden rund umlaufender Drehstrom und zwar linksdrehend entgegen dem Uhrzeiger. In Fig. 81 vi^rhalten sich bei einem Schnitt- winkel von 90° imd Phasenunterschied von 3 Stunden die Hubhöhen wie 1 : 2, auch hier ist ununterbrochener Strom linksdrehend ohne Strom- stille. In der folgenden Fig. 82 aber ist der Phasenunterschied = 4 Stunden, der Schnittwinkel 30°, das Verhältnis der Hubhöhen A:B = 2:1; aber wir sehen den Strom rechtsherum drehen wie der Uhrzeiger; die .4 -Welle hat ihr Strommaximum bei Flutstrom um 5 Uhr, die 5- Welle um 1 Uhr, 282 Die Gezeitenströmungen. also 4 Stunden früher ak die J -Welle, während in den vorigen Beispielen (Fig. 80 und 81) die 5-Welle ihr Strommaximum 3 Stunden später hatte als die ^-Welle. Wir entnehmen daraus die Regel, daß der resultie- rende Strom nach der Seite der später ihr Maximum erreichenden Kom- ponente hindreht. Hier ist also die Links- oder Rechtsdrehung nicht mehr bestimmt durch die Lage des- betreffenden Kreuzungspunktes zur Drehstrom aus Interferenz zweier ungleich hoher Wellen mit schrägem Schnittwinkel (800). Küste, wie in der Darstellung von Airy (Fig. 78 S. 279). Da nun überall, namentlich in den Nebenmeeren Interferenzen der Flutwogen an der Tagesordnung sind, werden Drehströme der dargelegten Art leicht auf- treten. Wenn der Schnittwinkel 180° wird, also die interferierenden Wogen genau entgegengesetzt einander durchdringen, und dabei der Phasenunter- schied 6 oder 12 Stunden beträgt, kommt es zu sehr auffälligen Er- scheinungen bei den Strömen. Wir setzen den FaU einer Phasendifferenz von 6 Stunden und die beiden Wellenhöhen nahezu gleich; dann werden die Orbitalbewegungen der beiden Wogen sich schematisch (und zwar in seitlich sehr verkürzter) Darstellung durch Fig. 83, A ausdrücken lassen. Auch hier sind die Stel- lungen eines Wasserteilchens für jede Mondstimde bei der einen Welle, die von links kommt, durch gestrichelte Zahlen, die Stellungen der anderen Welle durch Stundenzahlen ohne Strich angegeben. Man bemerkt, daß die eine Welle gerade dann Hochwasser hat, während die andere im Niedrig- wasser ist (12 und 12' gegen 6 und 6'), woraus unter der Voraussetzung gleicher Hubhöhen bei beiden Wellen folgt, daß keine Niveaustörung eintritt: die Strömungen dagegen sind zu den gleichen Stunden gleich gerichtet, werden sich also mächtig verstärken, es setzt von 4 Uhr bis 8 Uhr ein kräftiger Strom nach rechts, von 10 Uhr bis 2 Uhr ein ebenso starker Strom nach links, um 9 Uhr und 3 Uhr ist Stillwasser. Also starke Gezeitenströme ohne erkennbaren Tidenhub, wie in dem Falle, den Kapitän Hewett aus den Hoofden beschrieben hat. Bei einer Phasendifferenz von 12 Stunden (Fig. 83, B) fällt das Hoch- wasser der einen mit dem der anderen Welle zeitlich genau zusammen (um 12 Uhr), ebenso finden die Niedrigwasser gleichzeitig statt (um 6 Uhr), es werden sich beide Wellenhöhen addieren und ein verdoppelter Tidenhub zustande kommen. Die Orbitalbewegungen der beiden Wellen sind sich aber in allen Stunden genau entgegengesetzt: um 12 Uhr strebt die eine Andere Wirkungen der Interferenzen. 288 Welle nach rechts, die andere nach links, ebenso um 1 Uhr oder 11 Uhr oder 6 Uhr. Die Folge davon wird sein, daß kein Strom eintritt. Dies ist also derselbe Fall, wo, wie bei der Isle of Man, trotz hohen Tidenhubs jeder Gezeitenstrom fehlt. Wir dürfen darnach auch umgekehrt schließen, daß wo Derartiges beobachtet wird, zwei ungefähr gleich hohe Tidewogen in genau entgegengesetzter Richtung mit einem Phasenunterschied von 12 Stunden einander durchdringen, was, wie wir sehen werden, in der Irischen See tatsächlich geschieht. Nun wird es wenig Schwierigkeiten mehr bereiten, auch die sonderbaren Tideströme von Surabaya und der Sundastraße durch Interferenzen zu erklären. In Surabaya verschwindet der Tidenhub der beiden Halbtags- wellen, weil beide mit einem Phasen- -^^ß* ^^• unterschied von A 6 Stunden unter ^ einemSchnittwinkel von 180" aufeinan- der treffen , der Strom aber wird verstärkt wie im Hewettschen Falle (Fig.83,A) und zwar so sehr, daß er die Orbitalbewegung der Eintagswelle, die den örtüchen Tidenhub allein lie- fert, fast ganz zu- rückdrängt. In der Sundastraße treffen die (übrigens schwa- chen) Halbtagstiden mit 12 Stunden Phasendifferenz von Norden und Süden her zusammen und verstärken zwar ihre Hubhöhe, so daß diese für die Wasserstandshöhen maßgebend wird; aber die halbtägigen Tideströme löschen sich gegen- seitig aus, so daß die aus der Javasee mit den Halbtagswellen zugleich eindringende Eintagstide für die Gezeitenströme entscheidend eingreift. Wir werden bei der Beschreibung der Gezeiten im Australasiatischen Mittelmeer sehen, daß in der Tat die Dinge so liegen. — Nach der oben (S. 277) abgeleiteten Formel ist die Stärke des Gezeiten- stroms direkt proportional der Hubhöhe und umgekehrt proportional der Quadratwurzel aus der Wassertiefe, solange es sich nicht um Inter- ferenzen handelt. Einen großen Einfluß haben in den Gebieten zwischen Inseln, in Meeresstraßen und Flußmündungen auch die seitUchen Ver- engerungen der Bahnen, die die. Wasserteilchen strömend in einer Halb- tide zu durchmessen haben. Bei seitlioher Zusammendrängung der Strom- Orbitalbewegungen bei Interferenz zweier Wellen mit Schnittwinkel = 180 0 und. Phasendifferenz = 6 Stunden in A; Pbasendifferenz von 13 Stunden in B. 284 I^i® Gezeitenströmungen. fäden kommt es zu sehr großen Stromstärken. Zwisclien und bei den Klippen derPentlandföhrde hat der unter dem Namen des Äoos^ gefürchtete Tidestrom eine Geschwindigkeit von 10 bis 11 Knoten, und selbst starke Dampfer, die mehr als 11 Knoten laufen, vermeiden es, gegen diesen Strom anzugehen, wenn der Wind seine Wellen ihm entgegenschickt (vgl. S. 105). Stromstärken von 8 bis 10 Knoten sind nach Angabe der Segelhandbücher auch sonst in den Straßen zwischen den Orkneyinseln und an der West- küste Schottlands bei Springtiden an der Tagesordnung. Die größte bisher verbürgte Stromstärke scheint in dem Trichtergolf von Hangtschou an der chinesischen Küste (30 Vz" N. B.) beobachtet zu sein, wo Kapitän Collinson am 28. Januar 1842 11 V2 Knoten maß ^). Wo in den insel- imd klippenreichen Zugängen der Fjorde hohe Tiden herrschen, bilden sich im eingeengten Tidestrom Wirbel aus, die für die Schifiahrt ein großes Hindernis bedeuten; wie z. B. der Saltström am Eingange des Saitenfjords den von Bodo kommenden Küstendampfem die Einfahrt meist nur bei Stromstille gestattet, bei voller Entwicklung in der Springtide aber in den erzeugten Strudeln die Fische an die Wasseroberfläche wirbelt, so daß die Seevögel danach stoßen. Nordenskiöld 2) erwähnt vom Auleitsivikfjord an der Küste Westgrönlands, daß er sich mit seinem; Schiffe „Sofia" dort längere Zeit eingesperrt fand, weil der mächtige Tidestrom Treibeis und Eisbergtrümmer in der engen Einfahrt in Strudeln hin und her führte. In der Kegel steigern sich freilich die Tideströme nur zu mäßigen Kraft- leistungen : in der deutschen Bucht der Nordsee halten sie sich bei höch- stens 2 bis 3 Kiioten, und selbst in der Elbemündung kommt der Flut- strom selten über 5, der Ebbestrom über 6 Knoten^). Der auf den älteren Karten Jahrhunderte hindurch regelmäßig dar- gestellte und als eines der Weltwunder betrachtete Malström bei Mosken und Värö auf den Lofoten ist keineswegs eine an Ort und Stelle so gefürchtete Erscheinung wie der Saltström; nur wenn im Winter, sagt Leop. v. Buch*), dem seewärts auslaufenden Ebbestrom ein heftiger Sturm entgegenweht, bilden sich gefährliche Strudel und kurze brechende Seen. — Auf die seit dem homerischen Altertum berühmten Stromwirbel in der Straße von Messina und andere ähnUche Abarten der Grezeitenströme wird in der speziellen Dar- stellung des Tidenphänomens später ausführlich zurückzukommen sein. Entsprechend dem langgestreckt elliptischen Verlauf der Orbital- bahnen bei den Tidewellen ist der Gezeitenstrom am Boden nicht erheblich schwächer als an der Oberfläche; doch liegen erst sehr wenige zuverlässige Messungen hierfür vor. Von dem Feuerschiff Geniusbank in der Jade berichtet v. S c h 1 e i n i t z ^), daß in einer Tiefe von 2 bis 5 V2 m über dem Boden, je nach der Phase der Gezeit, der Flutstrom etwa 12 Prozent, der Ebbestrom etwa 20 Prozent langsamer lief, als der Oberflächenstrom, doch war die gesamte Wassertiefe nur 12 m bei Niedrigwasser. Bei größeren Tiefen wird der Unterschied größer. So ergaben Messungen des deut- schen Forschungsdampfers „Poseidon" nördlich von der Doggerbank ^) China Sea Directory Bd. 3, 1874, p. 339 und brit. Adm.-Kart« 1199. «) Grönland, S. 325. ») Ann. d. Hydr. 1888, S. 461. *) Reise durch Norwegen und Lappland. Berlin 1810, Bd. 1, S. 349. ») Ann. d. Hydr 1879, S. 210. Örtliche Verstärkung der Tideströme. 285 (auf Station D 3, 55° 58' N. B., 3» 20' 0. L., 73 m Tiefe) am 12. und 13. Mai 1906 in der Oberschicht von 10 m Tiefe nacheinander in sechs- stündigen Zwischenräumen die maximalen Stromstärken von 15.9, 20.4 und 20.1 cm in der Sekunde, dagegen in 70 m (3 m über dem Boden) die gleichzeitigen Stromwerte von 8.9, 13.2 und 10.2 cm p. S. ^). Der Tiden- hub selbst war nicht groß genug, um im Seegang durch Lotungen fest- gestellt zu werden, jedenfalls nicht wesentlich über 1 m hoch ^). Tiefwasser- wellen von 1 m Höhe würden in 70 m Tiefe schon verschwindend kleine Orbitalbahnen besitzen (vgl. Tabelle S. 10), während hier die Tideströme noch 56, 65 und 51 Prozent der Geschwindigkeit an der Oberfläche er- reichten. Eine Tideströmung wird also am Meeresboden wenigstens im Bereiche der Schelfe eine bedeutende transportierende Kraft besitzen und, wo sie durch hohen Hub oder seitliche Einengung beschleunigt wird, geradezu ausfurchend auf den Meeresboden einwirken ^). So zeigen denn auch die Seekarten aus den von starken Tideströmen durchflossenen Gewässern Westschottlands zahlreiche Fälle, wo tiefe Rinnen von 150 bis 200 m inmitten sandiger Flächen eingefurcht sind und wo der Boden und die steilen Flanken der Rinne aus unbedeckten Felsen bestehen. Ähn- hches ist an allen Verengerungen der Fundybai, zumal an den wie Buhnen in das tiefere Wasser hineinragenden felsigen Halbinseln, wahrzunehmen. Ja nach den Erfahrungen der Kabeltechniker, die J. Y. B u c h a n a n *) ausdrücklich bestätigen konnte, sind auf den isolierten Kuppenbergen zwischen den Kanarischen Inseln imd der Bucht von Cadiz beim Ankern deutlich alternierende Strömungen vorhanden, deren Stärke zwischen 0.2 und 0.47 Knoten gemessen wurde. In den Straßen zwischen den Kanarischen Inseln haben sich beim Verlegen der Kabel felsige Schwellen gefunden, die aus 4000 m bis zu 1800 und 2000 m aufsteigen und vom Strom ganz frei von Globigerinenschlamm geputzt sind, was ebenfalls den bis in diese Tiefen reichenden Tideströmen zugeschrieben wird. Am deuthchsten äußern sich diese erosiven Leistungen der Gezeitenströme im Bereiche der weichen Diiuvialküsten : die ganze Bodengestaltun'g zwi- schen den Friesischen Inseln mit ihren tiefen Gats imd verzweigten Baijen und Prielen ist ohne die Gezeitenströme überhaupt nicht zu verstehen. So ist u. a. im Lister Tief nördlich von Sylt bei Niedrigwasser die größte Tiefe 34 m: — eine Tiefe, die in der offenen Nordsee westwärts von Sylt erst in 34 Seemeilen Abstand wieder erreicht wird. Auch Klippen und Inseln aus weichem Kreidegestein erliegen noch hevXe wie in der Ver- gangenheit sehr leicht der Unterwaschung und schließlich der Wegspülung durch Gezeitenströme, wie das bei früherer Gelegenheit schon hervor- gehoben ist, wo von den eigenartigen Bänken in den Hoofden und in der ') Bulletin trimestriel etc. 1906/7, B, p. 37 und 1905/6, B, p. 114. ^) Reebnen wir aus der Formel v == ?.03 h/\/p mit v = 0.2 m und 2' = 70 m, 60 erhalten wir h = 0.55 m, also 2 h = 1.1 m. ') Für das Folgende vgl. meine Abhandlung über Erosion durch Gezeiten-,, ströme in Pet. Mitt. 1889, S. 130 fP. und MellardReade, Philos. Magaz. 1888, Bd. 25, p. 338 ff. *) Proc. Roy. Soc. London 1888, Bd. 43, p. 343 f. Vgl. die ähnlichen Schlüsse, die Stanley Gardiner für das Gebiet zwischen den Seychellen und den Saya da Malhabänken ausgesprochen hat, wo 10 Lotungen bis zu Tiefen von 1700 m harten Grund ergaben. Geogr. Journ. 1906, Bd. 28, S. 331. 286 T^^^ Gezeitenströmungen. Straße von Dover die Rede war (Bd. I, S. 110). Man wird keineswegs etwas allzu Gewagtes behaupten, wenn man die Entstehung der Straße von Dover selbst und damit die Loslösung Großbritanniens vom europäischen Festland zu einem wesentlichen Teile den Gezeitenströmen zuschreibt. Als an der Stelle der Straße noch eine Kalkplatte von Grisnez nach Dover hinüber bestand, mußten wegen der Trichterform sowohl des westlichen Kanalgolfs wie des nach Nordosten hin sich verbreiternden Hoofdengolfes die Hubhöhen ganz besonders hoch sein und die des Bristolgolfs und der Fundybai noch in den Schatten stellen. Nach den Untersuchungen von G.Lennier^) sind noch heute die alten Strandlinien mit ihren Lagern von Feuersteingeschieben bei St., Adresse unweit von Havre, bei Fecamp und Dieppe in Höhen von mindestens 7 m über der gegenwärtigen Hoch- wassermarke erkennbar; d. h. da der heutige Tidenhub hier 8 m beträgt ipid das Niedrigwasser damals ebensoviel unter die heutige Niedrigwasser- marke hinabreichen mußte: es herrschte hier die gewaltige Hubhöhe von 22 m mit den dazugehörigen Tideströmen! Besonders bemerkenswerte Wirkungen entstehen bei diesen tief- gehenden Tideströmen durch das Eingreifen der Erdrotation: sie wird, wie wir dargelegt haben (S. 258 f.), die ganze bewegte Wassermasse jedesmal nach rechts (auf der südlichen Halbkugel nach links) abdrängen und, wo Küsten oder Inseln dieser Ablenkung einen Widerstand entgegensetzen, eine Anstauung des Niveaus und damit eine verstärkte Erosion am Boden und an den Flanken des Strombettes zur Folge haben. Auf diese Weise kommt an weicheren Küsten eine eigentümliche Anordnung der Fahr- wasserrinnen zustande : an den friesischen Küsten führt eine tiefe Flut- rinne von der See aus längere Strecken parallel mit den Inseln in die Flußmündungen und Ästuarien hinein. So geht die Einfahrt zum Helder durch das Schulpe Gat hart an der Dünenküste von Süden her entlang, die Einfahrt nach der Ems nahe an Schiermpnnikoog und Rottum, die nach der Jade und Weser an Wangeroog, die in die Elbe an Scharhöm dicht entlang. In der Unterelbe ist der Flutstrom an der Südseite des Fahrwassers ausnahmslos stärker als an der Nordseite, das Umgekehrte gilt für den Ebbestrom''): dieser drängt an der Nordseite auffallend stark nach rechts und führt beim Eintritt in die Nordsee, sobald er die ihn an seiner Rechten stützenden Bänke verliert, deutlich nach Nord- nordwösten '). Die Flutrinne schließt häufig mit einer Binnenbarre, wäh- rend der Ebbestrom in See eine Außenbarre aufbaut, wofür sich ebenfalls die Seegats der friesischen Inseln und die Merseybucht, auch die Laperouse- straße nach Makaroff*), ferner in südlichen Breiten mehrere Beispiele an der Ostküste Patagoniens beibringen lassen (u. a. Gallegos- und Sta. Cruz- bucht); ob auch die ähnliche Anordnung der JBänke in der Lindibucht (100 S. B.) hierauf zurückzuführen ist, bedürfte noch weiterer Nachprüfimg ^) A. B u r a t, Voyage sur les Cotes de la France, Paris 1880, p. 14 und 68. *) Genau so ist es im St. T^orenz bei Quebec. Pet. Mitt. 1898, Lit.-Ber. Nr. 61ö. ') Zu den von mir in Pet. Mitt. 1889, S. 134 erwähnten Beobachtungen sind noch neuere gekommen: Kapitän Schacht in Mitt. des Deutschen Seefischerei- vereins 1908, Bd. 24, S. 276, auch D a h 1 im 6. Bericht der Kieler Komm. z. Untere. d. deutschen Meere 1891, S. 155. *) Le Vitiaz et l'Oc^an Pacifique Bd. 1, p. 163. Die Flußgeschwelle. 287 (vgl. die deutschen Seekarten 125 und 131). — Sehr deutlich wird übrigens auch die ablenkende Wirkung der Erdrotation im Diagramm der Tide- ströme beim WeserfeuerschifE (Fig. 77 S. 277) erkennbar : wenn der Flut- strom sein Maximum erreicht (um 8 Uhr), ist die normale Drehung nach links völlig kompensiert durch die Rechtsablenkung, die die Erdrotation verursacht; beim Ebbestrom ist sogar eine Überkompensation vorhanden, denn zwischen 2 Uhr und 3 Uhr wird die normale Drehung völlig umge- kehrt und erst zwischen 3 Uhr und 4 Uhr wieder aufgenommen. — Tl. Die Flufigeschwelle. In Flußmündungen, die sich breit gegen den Ozean öffnen, kann die Flutwelle mit wenig geschwächter Energie eindringen imd nicht nur den Strom des Flusses zur Flutzeit landeinwärts umkehren, sondern weithin stromaufwärts den Wasserstand halbtägig auf und nieder schwanken lassen. Die Stelle, wo dann jede Tidewirkung unmerkhch wird, nennt man Flutgrenze, das ganze Gebiet von hier abwärts zur Mündung das Flußgeschwelle (S. 203). Das längste Flußgeschwelle würde nach dieser Definition dem Ama- zonenstrom zukommen; in ihm fand schon La Condamine bei Obidos die Flutgrenze zur Zeit der Springtiden, was dann später durch Martius be- stätigt wurde : das sind 850 km bis zur Mündung. WaJlace hat dann bemerkt, daß die Tiden stets bei Santarem, d. i. 700 km von der See, wahrnehmbar sind ; sein Gefährte Bates aber war überrascht, am Cupari, einem kleinen Neben- fluß des bei Santarem mündenden Tapajoz, noch deutliche Tiden festzu- stellen, wodurch die Länge des Flußgeschwelles auf 870 km zu bemessen ist *). — Unter den übrigen Riesenströmen ist der Kongo schon allzunahe an seiner Mündung durch Stromschnellen abgeschlossen; bis zu diesen hinauf sind aber die Tiden noch erkennbar, d. i. 170 km vom Ozean. Im November 1875 maß E. Pechuel-Lösche *) trotz hohen Oberwassers noch bei Borna (105 km) einen Tidenhub von 5 cm. — Der Y a n g t s e ist nur im Winter, wo er auf den niedrigsten Wasserstand sinkt, den Tiden weit hinauf zugäng- lich, doch auch dann nicht viel über Wuhu hinaus, also rund 500 km vom Ozean; im Sommer aber unterdrückt hier der hochaufgeschwollene Strom die Gezeiten völlig'). Die in den Fluß eingedrungene ozeanische Tidewelle zeigt nun alsbald ein in vieler Hinsicht abweichendes Verhalten. Leider sind.auch hier Theorie sowohl wie Beobachtung der Tatsachen noch nicht bis zur wünschenswerten Sicherheit entwickelt, und nur bei wenigen europäischen Flüssen kann das Flußgeschwelle als systematisch erforscht gelten. Das Auf- fallendste ist bereits früher (in der Übersicht S. 203) kurz berührt. Hier möge eine ausführlichere Erörterung folgen, bei der wir uns im wesent- lichen an die vortrefflichen Untersuch ongen von M. C o m o y *) an- schließen 1) M a r t i u 8 Reiae Bd. 3, S. 1358. H. W. Bates, The Naturalist on the Amazons. London 1863, Bd. 2, p. 133. Vgl. auch Schichte 1, Der Amazonen- strom (Diss., Straßburg 1893), S. 100. 2) Pet. Mitt. 1877, S. 301. ») Ann. d. Hydr. 1901, S. 370 und 387. *) Ktude pratique sur lea mar6es fluviales, Paris 1881. 288 Die Flußgeschwelle. C 0 m 0 y unterscheidet in der Entwicklung einer fluviatilen Flut- welle drei Perioden: die erste beginnt mit Niedrigwasser an der Mündung und erstreckt sich bis zu dem Augenblicke, wo Hochwasser daselbst ein- getreten ist. Während der zweiten Periode hat der Scheitel der Welle einen bestimmten Weg stromaufwärts zurückgelegt, an der Mündung ist Ebbe, aber noch Flutstrom. Wenn dieser kentert, endet die zweite und beginnt die dritte Periode, welche den Ebbestrom bei weiter fallendem Wasserstand bis zu dem Zeitpunkte umfaßt, wo die nächste Welle vor der Mündung erscheint. Um nun die Vorgänge während der ersten Periode zu übersehen, denke man sich an einer geradlinig verlaufenden Küste, einen rechten Winkel mit dieser bildend, einen Fluß einmünden. Beistehende Fig. 84 gibt ein Längsprofil des letzteren, die Mündung liegt bei B, die Linie Bh gibt die Oberfläche des Flusses bei Niedrigwasser, A a das Bett des Flusses an: beide Mäße Fig. 84. FhusatniÜLcLuJtg . Einlauf der Tidewelle in eine Flußmündung (nach Conioy). natürhch in stark verkürzten Ver- hältnissen ausge- drückt. Beginnen wir mit Niedrig- wasser an derFluß- mündung, so wird hier beim Fort- schreiten der Flut- welle auf die Küste zu der Wasser- stand steigen. Im Momente des Niedrigwassers hatte die Welle das normale Profil /SB. Nach einer Zeit t ist der Scheitel der Welle von S nach s vorgerückt, ihr Fuß liegt dann an der Mündung höher als B in «Z', reicht nun aber in den Fluß selbst hinein bis (?", nicht bis d, wohin die normale Kurve führen würde, falls es sich um einen einfachen Meeresarm und keinen Fluß han- delte. Dieses Profil s d' d" ist nach oben hin konvex, wärend das normale sd' d nach oben konkav sein würde. Das ist ein eistes und sehr wichtiges Kennzeichen der fluviatilen Flutwelle, welches die Beobachtungen schon früh ergeben haben i). — Bei weiterer Annäherung der Flutwelle rückt diese auch weiter stromaufwärts vor, bis ihr Scheitel S' gerade über der Mündung steht. Die Vorderseite der Welle zeigt dann das Profil S' G. Die Erscheinungen, welche sich währenddem vollzogen haben, sind doppelter Natur. Es ist nicht nur eine Welle von der See in den Fluß eingetreten, welche den gewöhnlichen fortschreitenden Wellen zuzuzählen ist, sondern es ist dabei von See aus ein Quantum Wasser in den Fluß hineingedrängt worden, welches vorher dort nicht vorhanden war. Dies gibt namentlich Anlaß zur Ausbildung einer sogenannten Übertra- gungswelle (s. oben S. 22), denn es ist hier dasselbe geschehen, wie in Scott Russells Wellenrinne, als dieser aus einem seitlichen Be- hälter ein Quantum Wasser in seine Wellenrinne eintreten ließ. Es besteht allerdings der nicht ganz unwichtige Unterschied, daß im Experiment 1) W i e b e k i n g bei B e r g h a u 8, Allgem. Länder- und Völkerkunde II, 208. Entwicklung der Flußtidea in drei Perioden. 289 die Zuführung des Wasserquantums schnell, hier in der Flußmündung aber ziemKch langsam erfolgt; indes kann man sich in diesem Falle die Zu- führung in kurzen Intervallen stetig wiederholt vorstellen, solange die Flut dauert, und jede dieser kleinen partiellen Übertragungswellen wird, von der nächsten höheren eingeholt, die ganze hohe Übertragungswelle zusammensetzen helfen. Letztere bewegt sich nach der oben S. 22 gegebe- nen Formel XXX : c = \/g {p + h), wo h die Erhebung dieser Welle über das Niveau der ungestörten Wasserfläche bedeutet. Daraus folgt, daß sich der Fuß der Welle, wo die Höhe der partiellen Übertragungswelle klein ist, langsamer vorwärts bewegt als die dem WeUenscheitel näheren Teile, und das gibt die Veranlassung für eine Verkürzung der vorderen Hälfte der Welle mit steigendem Wasser, gegenüber der hinteren fallenden Hälfte, eine Wirkung, die sich stetig stromaufwärts steigert, bis endlich der Wellenscheitel den Fuß der Welle eingeholt hat, was am oberen Ende des Flußgeschwelles, der sogenannten „Flutgrenze", der Fall sein wird. Der während der Flut herrschende Flutstrom hat also hier eine zweifache Ent- stehung: erstlich gehört er einer fortschreitenden Welle an, und zweitens bedeutet er den Abfluß der aus dem Meer in den Fluß hineingedrängten Wassermenge, die Vorderseite des Wellenbergs hinunter, in Gestalt einer Übertragungswelle. Comoy findet nun die Vorderseite der Welle, die Flut mit steigendem Wasser, zusammengesetzt aus zwei Hälften, die er als Vorderflid und HinterfliU unterscheidet. In dem Teile der Welle nahe der Mündung findet sich das Seewasser, welches bei seinem Eintritt in den Fluß das Wasser des letzteren stromauf gedrängt hat, das ist die Hinter flvt. Dagegen am vorderen Fuß der Welle ist nur Flußwasser vorhanden, teils solches, das schon bei Niedrigwasser am Orte war, teils anderes, welches vom Seewasser stromauf gedrängt wurde, und endüch solches, das der -^S" ^^' Fluß stetig von oben her zuführt , das sogenannte „Oberwasser": das ist die Vorderflut. Die Grenze bei- der hegt immer an der Stelle, wo gerade die vordersten von der See her in den Fluß eingeführten Wasserteilchen sich befinden. In einem gegebenen Augenbhcke (siehe die bei- stehende Fig. 85) habe die Vorderseite der WeUe das Profil HC, nach der Zeit t aber die Lage H'C. Ferner habe sich der Pankt, wo der Ebbestrom des Flusses in den Flutstrom der einlaufenden Welle übergeht, von J nach J' verschoben. Man sieht leicht ein^ daß diese Punkte sich um so weiter nach H bzw. H' hin finden werden, je mehr Oberwasser der Fluß führt; das in der Zeit« dem Vorderabhang der Flutwelle von solchem Oberwasser zugeführte Quantum ist auf der Figur in dem Vertikalschnitt CC JJ' angedeutet. Es handelt sich nim darum, Krümmel, Ozeanographie. II. 19 Vorderflut und Hinterflut im Flußgeschwelle in der ersten Periode (nach Comoy). 290 5^i® Flußgeschwelle. die Vorgänge in demjenigen Gebiet der Welle darzulegen, welches auf der Figur durch die Fläche HW JJ* repräsentiert wird. Wie wir oben (S. 276) sahen, ist dasjenige Volum, um welches die Flut in einer kleinen Zeit wächst, dem Volum gleich, um welches die Ebbe in der gleichen Zeit abnimmt. Nennen wir nun die mittlere Stärke der Flutströmung an der Mündung v, und S den Querschnitt des Wassers an der Mündung, der im Mittel während der Zeit t benetzt wird; endlich A die mittlere Höhe des Wasserstandes an der Vorderseite der Welle während der Zeit t, D den mittleren Abstand des Wendepunkts der Ebbe (J) von der Mündung während derselben Zeit t, und L die mittlere Breite des Flußbettes auf diesem Abstand D, so findet die Gleichung statt Svt = DLA. Dies Volum kommt zu dem schon vorher aus dem Meer in den Fluß gedrängten Wasser und bildet mit diesem zusammen die Hinterflut. Bei Beginn der Zeit t nämlich scheidet sich die letztere von der Vorderflut bei PQ, am Ende der Zeit t aber bei P'Q', und das Volum QQ' PR re- präsentiert in der Form RP' JJ' den gleichzeitigen Zuwachs der Vorder- flut , während der hierfür nötige Ersatz in dem Volum HH' P' R von dem Meere aus zugeführt wird. Das aber ist durch obige Gleichung ausgedrückt. Man sieht, die Vorderflut steht unter dem ausschließhchen Einfluß der „fortschreitenden" Welle, die Hinterflut dagegen zeigt außerdem auch noch die Wirkung der „Übertragungswelle". Bei diesem Vorgange wird die regelmäßige Gestalt H' P'J' der Vor- derseite der Flutwelle sich aber nur dann ausbilden können, wenn das Flußbett selbst seine Gestalt nicht ändert. Im anderen Falle wird die Welle umgestaltet, und zwar sind nun wieder zwei Fälle denkbar. In dem einen ist das Quantum Svt zvt. groß für das gegebene, sich plötzlich ver- schmälernde oder verflachende Bett: die Hinterflut erhält alsdann die Oberfläche H' P". Oder das Bett erweitert sich plötzlich, dann wird die Oberfläche zu H'P'". Im ersteren Falle hat also die Hinterflut noch einen Extradruck gegenüber der Vorderflut, welches dem Flutstrom eine ebenfalls außerordentliche und zunehmende Geschwindigkeit verleihen wird, während im anderen Falle der Flutstrom sich abschwächt. Der erste Fall tritt nun bei weitem häufiger als der zweite ein, und daher der normal steilere Abfall der Flutwelle an ihrer Vorderseite. Wie wir später (S. 303) zeigen werden, liegt in einer extremen Steigerung dieser Be- dingungen auch die Ursache für die Flutbrandung oder die Sprungwelle {Bore, Mascaret), die in gewissen Flußgesch wellen auftritt. Die zweite Periode der Flutentwicklung umfaßt die Zeit zwischen Hochwasser an der Mündung und dem. Kentern des Flutstroms ebendort, also einen Teil der Ebbe, während das Wasser fällt (Fig. 86). Fassen wir wieder die Veränderungen im Profil der WeDe ins Auge, wie sie sich während einer kleinen Zeit t ergeben, in welcher der Wellenscheitel von S nach S' und der Fuß derselben von C nach C" sich verschoben hat {A, a, B, h, J und J' haben dieselbe Bedeutung wie bei Fig. 84 und 85). Die Flut ist dabei um das Volum OS' CG' gewachsen, wovon indes hier das Quantum JJ' CG' auf das Oberwasser allein zurückzuführen ist, der Rest OS' JJ' aber auf die Zufuhr von der Mündung her, und zwar aus zwei Quellen. Einmal hat sich die Rückseite der Welle, seit der Scheitel von // nach S' vorrückte, um das Volum HH' SO vermindert, und zweitens ist wieder Entwicklung der Flußtiden in drei Perioden. 291 ein Quantum Wasser von See aus in den Fluß hineingelangt durch eine Öffnung, deren Höhe eine mittlere Lage zwischen AH' und AH besitzt. Es haben nun für diese Periode die Symbole t, v und S die ent- sprechende Bedeutung wie vorher in der ersten Periode; D bezeichne den Abstand des Wellenscheitels von dem Punkte, wo der Ebbestrom an der Vorderseite kentert, und L die mittlere Breite des Flußbettes auf der Fig. 86. Die Flutwelle im Flußgeschwelle in der zweiten Periode (nach Comoy). Strecke D ; ferner D'den mitt- leren Abstand des Scheitels von der Mündung während der Zeit t, L' die mittlere Breite des Flusses auf der Strecke D', und A' die mitt- lere Höhe, auf welche die Ebbe während der Zeit t ge- sunken ist. Alsdann besteht für die zweite Periode die neueGleichimg :Svt-\-I)' L'A = DLA. Je weiter der Wel- lenscheitel vorrückt , desto kleiner wird (wegen Vermin- derung von D) das Volum DLA, aber desto größer D' L' A. Schließlich werden diese Volumina gleich und damit Svt = Null. Da nun S immer einen endUchen Wert behält, muß v = Null werden, d. h. es tritt kein Meer- wasser mehr in den Fluß hinein, und damit schließt die zweite Periode der Flußtide. Nunmehr beginnt der Ebbestrom an der Mündung und somit die dritte Periode. Die Welle sei, in dieser Phase bereits befindlich, von DSC nsichD'S'C ioTtge- ^' schritten. Am Beginn der ^'^''^ hierfür nötigen Zeit t ♦ y^ herrscht der Flutstrom zwi- schen F und J, am Ende zwischen F' und J'. Die Flut ist wiederum gewach- sen um das QuantumOCC^', dessen Zusammensetzung ausJJ'-S'O+CCVJ'kei- ner Erörterung mehr be- darf. Anderseits hat sich bei fortschreitender Ebbe der Wasserstand vermin- dert um das Quantum FF' OS, Auch hier muß das Volum JJ'S'O = FF' OS sem. Das ergibt, wenn wir mit Z)', L' und A' die analogen Stücke der Ebbe wie bei der Gleichung für die zweite Periode bezeich- nen, D'L'A' = DLA. Auch hier vermindert sich D an der Vor- derseite der Welle sehr stetig, L und L' dagegen ändern sich ebenso wie A und A' viel langsamer. Um nun obige Gleichung zu erfüllen, muß D, d. h. der Abstand des Wellenscheitels oder Hochwassers von dem Punkte der Rückseite, wo der Flutstrom in Ebbestrom umsetzt, sich Die Flutwelle im Flußgeschwelle in der dritten Periode (nach Comoy). 292 Die Flußgeschwelle. ebenfalls progressiv verkleinern, also erfolgt das Umsetzen des Flutstroms in den Ebbestrom um so früher nach; Hochwasser, je weiter die Welle den Fluß hinaufläuft. Wir sahen, wie der Flutstrom nur in der ersten Periode in der Hinter- flut einen Charakter trägt, der nicht ausschließhch auf der Orbitalbewegung der Wasserteilchen in der Welle beruht; in der Vorderflut der ersten Periode, wie während der ganzen zweiten und dritten ist der Flutstrom nur eine Folge der Wellenbewegung. — Anders der Ebbestrom. Dieser war sowohl vorhanden am Fuße der Vorderseite der Flutwelle, wie auch an der Kück- seite derselben. Vor dem Fuß der Welle fanden wir das Oberwasser des FJusses in einer Bewegung, welche die Wellennatur dieses Ebbestroms klar zeigt. An der Kückseite der Flutwelle aber existiert ein Ebbestrom nur in der dritten Periode, wo er, je länger diese andauert, von um so größerer Bedeutung wird und bei den meisten Flüssen, in denen immer nur eine Flutwelle gleichzeitig vorhanden ist, am Ende der dritten Periode das ganze Flußgesch welle beherrschen kann. C o m o 7 spricht diesem Ebbestrom jede Abhängigkeit von der Wellenbewegung ab und deutet ihn lediglich als einen seewärts gerichteten Gefällestrom; ob mit Recht, kann bezweifelt werden. Halten wir zunächst ein, um die Tatsachen mit diesen Forderungen der Theorie zu vergleichen. Die vordere Böschung der Flutwelle fällt in der Tat in allen Flüssen ziemlich steil ab, überall rechnet man auf die Flut eine kürzere Zeit als auf die Ebbe. Wir geben in der nachstehenden Tabelle eine Reihe von hierauf bezüglichen Daten, für die Gironde und Garonne nach C o m o y, für Elbe und Weser nach L. Fr anzius^). Steigend Flut 1. Elbe (am 1. und 2. August 1854): Cuxhaven Brunshausen Nienstedten Hamburg 2. Weser (am 25. Dezember 1877): Bremerhaven Vegesack . Bremen (Börsenbrücke) 3. Gironde (Springflut am 19. September 1876): Pointe de Grave (Mündung) Pauillac Bordeaux (Garonne) ' . Castets (Flutgrenze der Garonne) .... Stunden 5.7 5.5 4.9 4.4 5.3 4.2 3.5 6 h 10 m 4 h 41m 3 h 45 m 2 h 10 m Fallend Ebbe Stunden 6.7 6.9 7.5 8.0 7.2 8.2 8.9 6h 8m 7 h 37 m 8 h 33 m 10 h 8 m Ebenso sind wir in der Lage, für diese drei Flußgeschwelle die Ge- schwindigkeit, mit welcher der Scheitel der Welle (Hochwasser) und der *) Sonne und F r a n z i u s, Der Wasserbau, Leipzig 1879, Taf. 48, und zum Teil Pfet. Mitt. 1880, S. 299. Form der Flußtiden in der Elbe, Weser und Gironde. 293 vordere Fuß derselben (Niedrigwasser) stromauf fortschreiten, für die gleichen Tage nach denselben Quellen beizufügen. Die Zahlen bedeuten Meter pro Sekunde. 1. Elbe: Zwischen Cuxhaven und Brunsbüttel „ Brunsbüttel und Glückstadt „ Glückstadt und Bniushausen „ Brunshausen und Luhe . . „ Luhe und Hamburg . . . „ Hamburg und Buntehaus (Norderelbe) 2. W e s e r: Zwischen Bremerhaven und Brake . . . . . . „ Brake und Farge „ Farge und Vegesack . „ Vegesack und Bremen „ Bremer Sicherheitshafen u. Börsenbrücke 3. Gironde undGaronne: Zwischen Pointe de Grave und La Marechale . . „ Bec d'Ambes und Bordeaux .... „ Langon und Castets Sekundliche Geschwindigkeit des Scheitels Fußes (H. W.) (N. W.) m m : 7.45 6.02 6.59 6.59 5.41 4.58 8.02 5.73 6.30 4.58 1 *■'' , 2.29 9.50 4.30 7.02 2.55 6.66 2.81 2.73 1.77 LOO 0.90 15.70 5.72 7.66 4.85 3.25 2.36 Wohl sind die Geschwindigkeiten desselben Wellenscheitels variabel, und zwar entsprechend der wechselnden Wassertiefe, aber durchweg sind sie beträchtlich größer als die Geschwindigkeit, mit der das Niedrig- wasser denselben Fluß hinaufläuft. Nur für die Elbe zwischen Bruns- büttel und Glückstadt besteht eine Ausnahme, die vielleicht auf unvoll- kommene Beobachtimg zurückzuführen ist. Die Geschwindigkeit des WeUen f u ß e s folgt nach C o m o y in den französischen Flußgeschwellen dem Gesetze: c = \/^gp — U, worin p die Wassertiefe bei Niedrigwasser und U die Geschwindigkeit des Flußwassers (Oberwassers) stromabwärts bedeutet (vgl. oben S. 29). Alles dies gilt für normale Flutwellen. Bei Spring- oder Nipptide aber ändern sich die Verhältnisse insofern, als bei Nipptide der Wellenfuß im unteren Teil des Geschwelles schneller stromauf läuft als bei Springzeit. So war die betreffende Geschwindigkeit am 26. September 1876 in der Gironde zwischen Pointe de Grave und La Marechale 17.95 m (gegen 5.72 bei der Springflut vom 19, September), doch verlor sich diese Diffe- renz schnell stromaufwärts, bei Bordeaux war die Geschwindigkeit bei Nipptide nur 4.51 m, also schon etwas geringer als bei Springtide (4.85). Dieser Unterschied beruht darauf, daß bei Nipptidenhub auch das Niedrig- wasser nicht so stark ausgebildet ist wie bei Springzeit, so daß die Wasser- tiefe p an demselben Orte bei Nipptide einen größeren Wert hat als bei Springtide. Dementsprechend schwankt auch c. Dies führt uns weiter zu folgenden Bemerkungen Comoys. 294 Die Flußgeschwelle. Die Beobachtungen an den französischen wie deutschen Flüssen zeigen, daß der Scheitel der Flutwelle durch das ganze GeschweUe hindurch nahezu dieselbe absolute Höhe behält von der Mündung bis zur Flut- grenze hinauf, oder doch im oberen Teil des Geschwelles sich nur wenig erhebt. Im übrigen wird das Verhalten der Höhen durch die örjilichen Ver- breiterungen oder Verengerungen des Flußbettes von Ort zu Ort beeinflußt. Um zu einer Übersicht zu gelangen, ist es nötig, diese Höhen von einem gemeinsamen Normalniveau aus zu messen, welches nicht etwa das Mittel- wasser an den verschiedenen Punkten des Flusses sein darf. Comoy gibt z. B. folgende Erhebungen des Wellenscheitels (Hochwassers) über Normahiull des französischen Generalnivellements für die einzelnen Punkte entlang der Gironde und Garonne; wir fügen, um den Unterschied zu zeigen, auch den Tidenhub bei. Alle Angaben beziehen sich auf die Springflut vom 19. Sep- tember 1876. (Die neben den Orten eingeklammerten Zahlen geben den Ab- stand von der Mündung in Kilometern.) Gironde Höhe des Hochwassers über Normalnull Hub Garonne Höhe des Hochwassers über Normalnull Hub Pointe de Grave (0) La Marechale (38) Pauillac (51) . . Blaye (61) . . . Bec d'Ambes (72) . m 2.80 3.22 3.35 3.40 3.52 m 4.75 4.97 5.06 5.26 4.97 Bordeaux (95) Portets (116) . Cadillac (131) Langon (142) . Castets (149) . m 3.72 4.02 4.16 4.42 4.98 m 4.78 4.12 2.48 1.04 0.24 Wir sehen hieraus, wie zunächst die Wellen- oder Hub höhe von der Mündung flußaufwärts' langsam anwächst, entsprechend der allmählichen Verengerung des Flußbettes, bis dann von der Dordognemündung ab das Oberwasser so kräftig wird, daß zunächst langsam, dann bei zunehmender Verengerung und Verflachung des Bettes sehr schnell die Wellenhöhe ab- nimmt und rund 150 km von der Mündung gan^z verschwindet. Dagegen hebt sich die Verbindungslinie der absoluten Höhen der Wellenscheitel über Normahiull ganz langsam, aber kontinuierlich von der Mündung bis an die Flutgrenze um etwas mehr als 2 m, was, auf 150 000 m verteilt, eine ganz geringe Erhebung genannt und wohl dem starken Gefälle des Oberwassers zugeschrieben werden muß. Bei den anderen französischen Flußgeschwellen ist die Niveaulinie der Hochwasser vielfach an der Flutgrenze niedriger als an der Mündung, immer aber streckenweise bald niedriger, bald höher. Nach- stehend die aus Comoy entlehnten Zahlen. (Für die Seine bedeuten die eingeklammerten Werte die Höhen des zweiten Hochwassers, vgl. Havre unten in Fig. 95.) Charente: H.W. An der Mündung 3.21 m 19 km oberhalb 3.24 „ 68 „ „ 2.71 „ 80 „ , 2.82 „ H.W. An der Mündung .... 3.92 m (3.46) 24 km oberhalb .... 4.33 „ (3.61) 96 „ „ .... 3.21 „ (3.50) 136 „ , 3.71 „ (3.93) Loire: a.w. An der Mündung . . . 3.480 m 13.5 km oberhalb . . . 3..307 „ 35.5 „ „ . 3.657 „ 51.5 „ „ . . . 3.237 „ 55.5 „ „ . 3.267 „ Seine: Form der Flußtiden in der Elbe, Weser und Gironde. 295 Für Elbe und Weser mögen die nachstehenden Höhenangaben nach L. Franzius^) die entsprechenden Verhältnisse verdeutlichen; sie be- ziehen sich auf Tiden von mittlerer Größe und zeigen, wie sich das Niedrig- wasserniveau zur Flutgrenze hinauf stetig und rasch erhebt, während das Hochwasserniveau dem nur sehr abgeschwächt folgt. Ort 1. £lbe I Ab- I stand km N.W.IH.W. I m m Ort Cuxhaven Brunsbüttel . Glückstadt . Brunshausen Lühemündung Blankenese Hamburg Buntehaus Hoopte . Eibstorf . . . 0 0.03 1 28.1 0.16 ; 46.9 0.14 i 70.7 0.29 i 80.3 0.87! 1 91.8 1.18 1102.2 1.36 115.2 2.59 1 126.3 3.49 i 135.6 i 4.17: 2.89 Bremerhaven 2.87 Nordenham 3.01 Brake . . 3.06 Elsfleth . 3.10 Farge . . 3.15 Vegesack 3.24 Hasenbüren 3.35 Bremen (Freihafen 3.69 „ (Gr. Weserbr.) 4.17 Habenhausen . . 4.12 4.26 4.40 4.43 4.44 4.44 4.54 4.62 4.68 5.80 Bemerkung. Die Höhen für die Elbe beziehen sich auf „Cuxhavener Null", die für die Weser auf ein ^villkürliches Niveau, das 5 m unter „Bremer Null" liegt. Die Ziffern für die Weser sind nach der graphischen Darstellung geschätzt. Der Abstand des Wellenfußes oder Niedrigwassers von Normalnull dagegen weicht von der Horizontalen erheblich ab. Eine durch sämt- liche Punkte, welche dieses Niedrigwasser bei seinem Wege stromauf- wärts einnimmt, gelegte Linie zeigt im oberen Teil des Geschwelles ein starkes Gefälle stromabwärts, womit dann die dort sehr kräftige Ebbe- strömung bei Niedrigwasser ihre Erklärung findet. Doch ist hier ein Unterschied zwischen Spring- und Nipptiden wahrnehmbar, ebenso wird diese Linie durch hohes oder niedriges Oberwasser stark beeinflußt. Setzen wir letzteres zunächst als konstant und geringfügig voraus, so ergibt sich, daß diese Niedrigwasserlinie bei Springtide im unteren Teil der Flußgeschwelle tiefer , im oberen dagegen höher liegt als bei Nipp- tide. Folgende Tabelle zeigt dieses Verhalten wiederum für Gironde- Garonne. Abstand des Abstand des Gironde Niedrigwassers von Normalnull bei bei Garonne Niedrigwassers von Normalnull bei 1 bei Spring- j Nipp- tide tide Spring- ' Nipp- tide j tide Pointe de Grave La Marechale . Pauillac . . . Blaye .... Bec d'Amb^s . m 1.96 1.76 1.72 1.89 1.48 m — 0.05 — 0.45 — 0.56 — 0.66 — 0.73 Bordeaux Portets . Cadillac . Langen . Castets . m m 1.04 — 0.81 0.10 — 0.38 1.68 -■- 0.99 3.38 -2.81 4.74 -^4.11 ^) a. a. 0. Tafel VII und VIII. 296 Die Flußgeschwelle. In dieser Hinsicht unterscheiden sich also die Flußgezeiten erheblich von den ozeanischen, denn diese haben doch immer und überall die tiefer liegenden Niedrigwasser bei Springtide. Als Ursache dieser Erscheinung gibt Comoy an, daß die Flutwelle bei Springtide ein so sehr viel größeres Wasser volum von der See aus weit den Fluß hinauf befördert hat, welches dann nach Eintritt des Ebbestroms in der gegebenen Zeit nicht vollständig wieder abwärts hinausfließen kann, also im oberen Teil des Geschwelles noch zum Teil wenigstens sich erhalten muß. Dadurch wird das Niveau des Niedrigwassers hier höher als bei Nipptide, wo das vom Ebbestrom hinauszuführende Wasser an Volumen so sehr viel kleiner ist. Übrigens wiederum ein Anzeichen dafür, daß die Flußtidewelle wirklich gewisse Merkmale einer Übertragungswelle besitzen kann. Stellt man obige Zahlenreihen graphisch dar, so bemerkt man, wie die Verbindungslinie der Niedrigwasser der Springtide diejenige der Nipptide im oberen Teil des Geschwelles schneidet; bei der Garonne geschieht dies an einem Punkte zwischen Bordeaux und Portets. Hier liegt der Schnitt- punkt aber nur dann, wenn das Oberwasser zur Springzeit von gleicher Kraft ist wie bei Nipptide. Falls aber das Oberwasser bei Springtide groß ist, wird dieser Schnittpunkt weiter stromabwärts gedrängt; ist die Oberwasserführung aber geringer als normal, dann rückt dei- Schnitt- punkt noch weiter ström aufwärts. Es kann sogar bei großer Dürre und demgemäß sehr kleinem Oberwasser vorkommen, daß die Verbindungs- linie der Niedrigwasser der Springtide und der Nipptide sich überhaupt nicht schneiden. Aus diesem Verhalten ergibt sich die für die Flußgeschwelle sehr wichtige Folgerung, daß der mittlere Wasserstand hier ganz anders ge- artet ist als im Gebiet ozeanischer Gezeiten. Im Meer bedeutet Mittel- wasser, definiert als die Mitte zwischen Hoch- und Niedrigwasser, nahezu, aber doch nicht ganz genau, für denselben Ort stets dasselbe Niveau. Im Flußgeschwelle aber ist eine Verbindungslinie der örtlichen Mittel- wasserstände eine von Ort zu Ort denselben Fluß hinauf sehr variable Kurve, und allgemein liegt das Mittelwasser der Springtide absolut höher Als das der Nipptide, wie folgende Tabelle wiederum für die Gironde- Garonne zeigen mag. Lage des Mittel- Lage des Mittel- wassers über wassers über Gir 0 nd e Nonnalnull bei 1 bei Garonne Nonr bei lalnull bei Spring- Nipp- tide tide Spring- tide Nipp- tide m m m m Pointe de Grave . 0.42 0,12 Bec d' Ambfes . . 1.03 0.54 Jja Mar6chale . . 0.74 0.60 Bordeaux . . . 1.33 0.67 Pauillac .... 0.82 0.58 Portets .... 1.96 0.96 Blaye 0.76 0.51 Cadillac .... 2.92 1.72 Die Verbindungslinie der Mittelwasser ist dabei weder bei Springtide noch bei Nipptide eine kontinuierlich ansteigende Kurve (vgl. La Mar6- Gezeitenströme in Flüssen. 297 chale und Blaye). Ein entschiedenes Gefälle stromabwärts entwickelt sich erst in der oberen Hälfte des Geschwelles. — Die Gezeitenströme im Flußgeschwelle sind ohne Frage dasjenige Merkmal, welches dem Binnenländer im Mündungsgebiet der Flüsse am meisten auffällt; wird doch für mehrere Stunden der Fluß tat- sächlich stromaufwärts fließend gefunden. Wir sahen schon, wie die Breite derjenigen Zone, welche vom Flut- strom beherrscht wird, stromaufwärts stetig abnimmt, während sich umgekehrt die Ebbestromzone ebenso stetig verbreitert. Wir haben ebenfalls bemerkt, daß das Kentern des Ebbestromes an der Vorderseite der Welle immer einige Zeit nach Niedrigwasser, also schon bei Flut erfolgt, und zwar scheint sich diese Verspätung stromaufwärts ziemlich in gleichem Betrage zu erhalten. Sie beträgt nämlich nach L. Franzius in der Elbe bei Cuxhaven 1 Stunde 20 Minuten, bei Bnujshausen 20 Mi- nuten, bei Nienstedten ebenfalls 20, bei Hamburg sogar 25 Minuten. Nach C o m o y kentert der Ebbestrom in der Charente bei Taillebourg 30 Mi- nuten und 12 km stromaufwärts bei Saintes sogar 40 Minuten nach Niedrig- wasser. Im Adour ist die betreffende. Verspätung bei Urt 25 Minuten, und 13.4 km weiter stromauf bei Lannes 30 Minuten. Es geht also hieraus hervor, daß das Oberwasser durch sein, je weiter stromauf wir kommen, desto stärker wirksames Gefälle d6n Ebbestrom länger ernährt, als es infolge der sich vollziehenden Wellenbewegung allein zu erwarten ist. Der Flutstrom dagegen kentert immer näher an Hochwasser, je weiter stromauf man kommt. So (nach Franzius) in der Elbe bei Cuxhaven 1 Stunde 30 Minuten nach Hochwasser, bei Brunshausen und Nienstedten 30, bei Hamburg 12 Minuten nach Hochwasser. Die Geschwindigkeit des Flutstromes pflegt nahe an der Mündung im allgemeinen stärker zu sein als die des Ebbestroms, entsprechend seiner doppelten Entstehung. So beträgt in der Elbe nach L. Franzius: die Greschwindigkeit des Flutstroms: des Ebbestroms: unterhalb Brunsbüttel . . . 0.591 m 0.566 m p. S. oberhalb Brunsbüttel . . . 0.650 m 0.585 m p. S. bei Brunshausen ...... 0.478 m 0.413 m p. S. bei Luhe . . . . . . . . 0.328 m 0.311 m p, S. bei Hamburg ...... 0.171m 0.350 m p. S. Also erst bei Hamburg macht sich das Gefälle des Oberwassers deutlich geltend. In der Weser dagegen: Flutstrom : Ebbestrom : bei Bremerhaven 0.760 m 0.627 m p. S. bei Dedesdorf 0.770 m 0.553 m p. S. bei Brake 0.548 m 0.361 m p. S. bei Elsfleth 0.735 m 0.507 m p. S. bei Vegesack 0.195 m 0.596 m p. S. Oberhalb Vegesack ist überhaupt kein Flut ström mehr vorhanden, nur noch eine Erhebung des Wasserspiegels durch den Aufstau der Flutwelle von etwa 1 bis 2 m, während der Ebbestrom bis zu 0.7 m Stärke ansteigt. Wie wir oben (S. 293) festgestellt haben, beträgt die Geschwindigkeit, mit welcher der Scheitel der Flutwelle stromaufwärts läuft, in der Unter- 298 Die Flußgeschwelle. elbe etwa 6 m p. S. : davon macht also die Flutströmung meist noch nicht 7 10 ^^s. Auch für die Flutwelle im Flußgeschwelle ist es angenähert möglich, den Weg zu berechnen, welchen ein Wasserteilchen während einer Flut zurücklegt ; den interessanten Spezialfall, die Strecke zu berechnen, bis zu welcher salziges Seewasser den Fluß hinauf gelangt, hat Comoy in folgende Formel gefaßt: Vv V — V Darin bedeutet T die Zeit, während welcher an der Mündung Flutstrom herrscht; V die mittlere Geschwindigkeit, mit welcher das Stillwasser am Ende des Flutstroms während der Zeit T stromaufwärts vorrückt, und v die mittlere Geschwindigkeit des Flutstroms. Für die Gironde wird T = 22 200 Sekunden, F = 12, v = 1,9 m und S = 50,2 km, beobachtet ist das äußerste Vorkommen von Salzwasser im Winkel bei Pouillac, 51 km von der Mündung. Für die Elbe von Cuxhaven ab sind nach den Gezeitentafeln die betreffen- den Werte: T= 5^30^ oder 19 800 Sekunden, F= 7.45, v= 1.08, woraus S zu 25 km sich ergibt, d. h. einen Punkt noch unterhalb Bnmsbüttel. Genauere Beobachtungen hierüber liegen nicht vor, doch verdanke ich Herrn Wasserbauinspektor L e n t z in Cuxhaven die Mitteilung , daß bei nor- malem Oberwasser und Tidenhub die Elbe bei Niedrigwasser noch bei Bnmsbüttel, zur Hochwasserzeit bei Glückstadt noch völlig süß ist, im übrigen aber bei Sturmfluten salziges Wasser viel weiter stromaufwärts, bei hohem Oberwasser das süße dagegen bis über Cuxhaven hin abwärts herrschen kann. Nach den vereinzelt gebliebenen älteren Beobachtungen von F. K i r c h e h- pauer (1858) uni Fr. Dahl^) (1888) ergibt sich, daß beim Feuerschiff Elbe III nördUch von Neuwerk die Flut 30, die Ebbe 7 Promille Salzgehalt bringt. Nahe bei Cuxhaven in der südUchen Fahrrinne (der Flutbahn) betragen die entsprechenden Werte 19 und 7 Promille, bei Otterndorf 15 und 4 Pro- mille. Aber noch bei Brunsbüttel am Oster Riff hat die Flut 6, bei Glückstadt 7 Promille gebracht. — Bemerkenswert ist der schon früher hervorgehobene Gegensatz der Nord- und Südseite der Elbemündung. Nördlich vom Medem- sand, gegenüber von Cuxhaven, also in der Ebberinne (oben S. 286) fand Dahl auch am Boden bei Flut nur 8, bei Ebbe 4 Promille, also kaum halb so viel wie bei Cuxhaven; selbst weiter seewärts, nördlich vom Gelbsand und süd- lich vom Trischen ging in 16 m Tiefe der Salzgehalt nicht über 9 Promille: eine sehr deutliche Folge der Rotationsablenkung. Die Flußgeschwelle zeichnen sich häufig durch eine abnorme Aus- gestaltung der Tidekurven aus: in 12 Stunden erscheint ein doppeltes Hochwasser, ja in selteneren Fällen sogar ein dreifaches. Letzterer Fall wird unter dem Namen Leahj im Forth River bis nach Stirling hinauf beschrieben; ebenso zeigt auch die Tidekurve von Southampton drei sekundäre Schwellungen der Hauptwelle, worauf später zurückzukommen sein wird. In der Mündung des Sao Francisco und des Paranagua an der Ostküste Brasiliens'^) gibt es vier Hochwasser in 24 Stunden, und zwar zwei höhere und zwei niedrigere, die man als „halbe Tiden" {meias mares) bezeichnet. Die Erscheinung, die nur zur Zeit der Nipptiden ein- ^) Zusammengestellt von Dahl im -6. Bericht der Kieler Komm, zur Unters. d. deutschen Meere 1891, S. 152. Kirchenpauer erhielt den Salzgehalt durch Abdampfen, Dahl mit S t e g e r sehen Glasaräometern, in beiden Fällen konnte die Genauigkeit kaum 1 Promille erreichen. — Für das Topographische ist der kleine Seeatlas von Justus Perthes Nr. 13 schon ausreichend. 2) Ann. d. Hydr. 1882, S. 30; 1884, S. 124; 1898, S. 51. Flutbrandung oder Bore. 299 tritt, spielt sich so ab, daß das Wasser zuerst ziemlich schnell steigt und dann für 2 Stunden stehen bleibt oder um ein Geringes fällt (etwa um 0.3 bis 0.6 m), worauf das eigentliche Hochwasser sich noch 1 bis 2 m über diesen Stand erhebt und dann rasch zum tiefsten Niedrigwasser absinkt. Ähnlich kommen solche Verdopplungen der Tidewelle in Guaymas an der "Westküste Mexikos vor^). — In allen diesen Fällen handelt es sich um Seichtwassertiden und tritt die von Airy und Lord Kelvin untersuchte Erscheinung der Obertiden und Kombinationstiden (vgl. S. 248) auf; Obertiden von 6 Stunden Periode geben täglich viermal, solche von 4 Stun- den sechsmal Hochwasser, die sich den normalen Halbtagstiden auflagern. Durch harmonische Analyse haben sich diese Komponenten in einigen Fällen deutlich nachweisen lassen. — Die letzte Eigentümlichkeit der Flußgesch welle betrifft die Flu t- brandung oder Sprungwelle oder den Stürmer (franz. Mascaret, Barre, engl. Bore). Diese Erscheinung ist wesentlich durch die Untersuchungen an französischen Flüssen klargestellt worden 2). Der Stürmer oder, wie A n d r i e s sie zu nennen vorschlägt, die Sprungwelle ist nur in einigen Flußgeschwellen vorhanden, in den deutschen fehlt sie gegenwärtig so gut wie ganz, während sie nach L. Franzius noch vor 50 Jahren in der Ems vorkam und dort „auch jetzt noch nicht ganz verschwunden ist" In der Leda bei Leer hat sie A. B r e u s i n g ^) im Herbst 1848 beobachtet; sie war den Schiffern unter dem Namen der Bare bekannt und sollte sich bei Leer „vor nicht langer Zeit zuerst" gezeigt haben. Eiblotsen, die ich darüber befragen ließ, haben durchaus bestätigt, daß sie in der Unterelbe fehlt, und wenn Berghaus*) das sogenannte Rastern, d. h. „das brausende Geräusch, welches man zuweilen unter ähnlichen Verhältnissen an den Mündungen der Elbe und Weser vernimmt", zuerst als Sprungwelle gedeutet hat, worin ihm seitdem die meisten Handbücher gefolgt sind, so beruht das auf irgend einem Miß- verständnis. — Im Bereiche der französischen Flußgeschwelle zeigt sich die Sprungwelle unter dem Namen Mascaret oder Barre in der Seine, namentlich früher sehr stark bei Quillebeuf und Caudebec, wo sie schon L. J. Waghenaer in seinem „Spiegel der Seefahrt" erwähnt, und wo sie noch am 20. September 1887 als ein 4 bis 5 m hoher Wasserschwall einen Dampfer zum Kentern gebracht hat^); ferner in der Orne bei Caen, im Couesnon (als Barre, in der Bucht von St. Malo), in der Vilaine und Cha- rente, auch in der Gironde, aber nicht in- der Loire und im Adour. — Von englischen Flußgeschwellen besitzt sie der Severn, woher sie schon Airy imd letzthin Vaughan Cornish beschrieben haben ^); ferner der ^) Deutsche Seewarte: Segelhandbuch f. d. Stillen Ozean S. 3.35. *) Vorzugsweise durch P a r t i o t (Annales des ponts et chauss^es 1864, l*;!" sem. p. 21), Bazin (M6moires pr^s. k l'Acad^mie, vol. XIX, Paris 1865) und zuletzt durch C o m o y (vgl. auch das klare Referat von Andriesin Zeitsohr. f. wissensch. Geogr. V, 1883, S. 265). ') Monatsschr. für den deutschen Seemann 1852, S. 180 (laut brieflicher Mit- teilung Breusings). Über das Wort Bare {bore, harre) vgl. oben S. 172, Anm. 2. *) Allg. Länder- und Völkerkde. II, S. 206. ") Hansa 1887, S. 177. Vgl. Annales hydrographiques 1892, Bd. 14, p. 44. 8) Airy, Tides and Waves, § 514; Cornish, Nature 1900, Bd. 62, p. 127 mit Abb. Cornish hat auch kinematographische Aufnahmen und Vorführungen veranstaltet. 300 ^^^ Flußgeschwelle. Trent, in dessen Lauf sie von der Mündung in den Humber an bis über Torksey hinauf vorkommt und bei Gainsborough als eine Folge von zahl- reichen kurzen aber bis 2 m hohen Wogen auftritt^); sie heißt dort the eager oder aeger, worin man den nordischen Meergott Ägir sofort wieder erkennt. In Nordamerika kennt man 'eine Bore im Codiacfluß bei Monoton am Nordende der Fundybai^) und in der Mündung des Colorado in den Golf von KaHfömien^). In Südamerika hat die Erscheinung schon seit La Condamine aus dem Mündungsgebiet des Amazonenstroms mit Recht eine große Berühmtheit erlangt; sie wird dort Pororoca, d. h. krachendes Wasser, genannt und kommt nicht nur in der eigentlichen Mündung des Hauptstroms vor, wo sie den Canal do Norte völUg unpassierbar macht und auch starken Dampfern sehr gefährHch ist, sondern auch m zahl- reichen Nebenflüssen: von den in das Tocantinsästuar mündenden nennt Martins*) den Capim und ,GuamÄ, die Bios Mearim, Marapani, Mojü, und von Norden her in den Ganal do Norte laufend die Rios Jary, Anauira- pucü, Aruary, Macarary und Aricary, wo die Woge sich bisweilen auf 6 m Höhe erheben soll, wie im Canal do Norte selbst. Ferner besitzen auch im brasilischen Guayana noch mehrere Flüsse, darunter der Vincent Pin9on, der bei Maraca mündet, eine Bore ^). Endlich beschreibt R. A b e r- c r o m b y ^) aus dem Hafen von Rio Janeiro das Einlaufen der Flut in Gestalt mehrerer heftiger Roller, die in vieler Hinsicht an eine Bore er- innern. — Aus Afrika ist anscheinend nur ein Beispiel bekannt; Oskar Lenz') fand eine sehr heftige Bore oberhalb von Quilimane im Quaqua- fluß nahe am Zambesidelta. — Häufiger ist die Flutbrandung in asiatischen Flußgeschwellen. Schon der Pefiflus maris Erythraei^) beschreibt eine verheerende Woge von der Mündung der Narbada in den Golf von Barygaza (Cambay), wo sie auch heute noch vorkommt, während die Bore im unteren Indus, die der Flotte Alexanders so gefährlich wurde ^), geschwunden scheint. Sehr ausgeprägt ist die Bore im Hugli bei Kalkutta und auch in der Megna^"). Im 16. Jahrhundert wird die Erscheinung als macareo von einem vene- zianischen Kaufmann Federigo im Golf von Martaban beschrieben, als 1) W. H. Wheeler in Brit. Ass. Report 1903, p. 652 und Nature 1905, Bd. 73, p. 30 (Abb.). F. M. B u r t o n, The Shaping of the Lindsey by the Trent, London 1907, gibt p. 49 und 54 sehr schöne Abbildungen. 2) Nature 1899, Bd. 60, p. 161; National Geogr. Mag. Washington 1905, p. 71, Abbildung. 8) F. R a t z e Ij Die Vereinigten Staaten I, S. 227.' *) Reise II, S. 829; III, S. 857, 961. Vgl. auch C. S o h i c h t e I, Der Amazorien- strom (Dissert., Straßburg) 1893, S. 100 das Zitat aus La Condamine, und J. C. B r a u e r in Science 1884, Bd. 4, p. 488. ^) Berghaus, AUg. Länder- und Völkerkde. II, S. 206, nach N o y e r. ®) Seas and Skies in many latitudes p. 167. ') Pet. Mitt. 1889, S. 198. *) Geogr. graeci min. ed. M ü 1 1 e r, I, p. 292. Auch von B a r r o s, Decad. IV, L. V, c. 1 dort erwähnt. Segelhandbuch für den Indischen Ozean, Hamburg 1892, S. 358. 9) Arrhian, Exp. Alex. VI, 19; Curtius IX, 9. *") Findlay, Indian Ocean, p. 1085; Der Pilote, Hamburg, Seewarte 1909, Heft 54, S. 207. Flutbrandung oder Bore. 301 er den Sittangfluß nach Pegu hinauffuhr^). Im östlichen Sumatra er- wähnte kürzlich M. Moszkowski borenartige Springtiden für die geröll- reichen Mündungen des Rökan und Kampar, während der zwischen beiden liegende Flachlandstrom Siak sie nicht besitzt 2). Weiter kennt man sie an der Nordküste von Borneo im Sadong und Batang Lupar^), imd besonders berühmt ist dann wieder ihr Auftreten im Tsien-tang-kiang, dem breiten Ästuar, das sich südlich von der Jangtsemündung nach Hangtschou hinaufzieht: hier ist nach den sehr dankenswerten und ge- nauen Untersuchungen von Moore*) die Sprungwelle bei Haining am großartigsten entwickelt, indem sie nicht selten 8 m Höhe erreicht und von den hohen Uferdeichen gesehen sich als ein mehrere Kilometer langer Wasserfall mit der Geschwindigkeit von 12 bis 13 Knaten (oder 6.5 m p. S.) stromauf bewegt, wobei in der Nacht das Brausen bis auf 22 km Abstand gehört wird. Die täglich mit großer Regelmäßigkeit wiederkehrende Bore wird von den Chinesen chau, d. i. Tide, oder chau-dau, große Tide, genannt; die Europäer, die von Schanghai aus Haining auf Binnenwasser- straßen bequem und zum Genuß dieses seltenen Naturschauspiels gern zur Zeit der Äquinoktien besuchen können, nennen sie wie amTrent eng- lisch den Eager. Eine lebendige Schilderung einer Pororoea entwirft Martins (Reise III, 957) von dem Guamä, einem bei Boavista in den Capim mündenden Zu- flüsse des Tocantins, ungefähr so weit von der Mündimg des letzteren, wie Hamburg von Cuxhaven gelegen. „Die Pororoea mußte, der gesetzmäßigen Periodizität in Ebbe und Flut zufolge, da der Mond an diesem Tage (28. Mai 1820) eine Minute vor Mitter- nacht durch den Meridian zu gehen hatte, nach Mittag eintreten, imd ich ver- ließ daher keinen Augenblick eine niedrige Erhöhimg dem Flusse gegenüber, von wo aus ich sie übersehen konnte. 30 Minuten nach 1 Uhr hörte ich ein gewaltiges Brausen, gleich dem Tosen eines großen Wasserfalls; ich richtete meine Augen den Fluß abwärts und nach einer Viertelstunde erschien eine etwa 15 Fuß hohe Wasserwoge, mauerähnlich die ganze Breite des Flusses ein- nehmend, die unter furchtbarem Gebrause in großer Schnelligkeit aufwärts rückte, indem ihre von der Spitze wirbelnd herabstürzenden Fluten stets wieder von der hinteren Anschwellung ersetzt wurden. An einigen Orten gegen das Ufer hin tauchte das Wasser bisweilen in der Breite von 1 oder 2 Klaftern unter, erhob sich aber bald wieder weiter oben im Flusse, worin die Gesamtwelle ohne Stillstand vorwärts trieb. Indem ich starr vor Er- staunen dieser gesetzmäßigen Empörung der Gewässer zusah, ve"^sank plötz- lich zweimal die ganze Wassermasse unterhalb der Vereinigung des Capim mit dem Guamä in die Tiefe, indem breite und seichte Wellen und kleine Wirbel einmal die ganze Oberfläche des Flusses überfluteten und anschwellten. Kaum aber war das Getöse dieses ersten Anlaufs verschollen, so bäumte sich das Gewässer wieder auf, stieg unter gewaltigem Brausen und strömte, eine lebendige Wassermauer, die bebenden Ufer in ihren Grundfesten erschütternd, stets vom schäumenden Gipfel überschlagend, fast ebenso hoch als es ge- ^) Harris, Manual of Tides pari I, p. 396 (nach Hakluyt Coli.). 2) Zeitschr. Ges. f. Erdk. 1909, S. 588. 3) Crockerin Proc. R. G. Soc. 1881, p. 195. *) Journal China brauch Asiatic Soc. Shanghai 1888, Bd. 23, p. 183 und Further Report on the Bore of the Tsien-tang-kiang, London, 1893 mit Abb. Vgl. auch Pet. Mitt. 1890, Lit.ber. 1188; 1893, Nr. 606; 1907, Nr. 453. G. H. Darwin, Flut und Ebbe, S. 59 und Krümmel, Der Ozean, 2. Aufl. 1902, S. 240. 302 Die Flußgesch welle. kommen war, in zwei Äste geteilt, in beide Flüsse hinauf, wo es alsbald meinen Blicken entschwand. — Die ganze Erscheinung war das Werk von kaum einer halben Stunde gewesen; die beunruhigten Gewässer, welche jedoch ebenso wie die "Wellen der Pororoca selbst keineswegs von aufgeregtem Schlamm auf- fallend getrübt erschienen, befanden sich jetzt im Zustande der höchsten Fülle, kehrten allmählich zur Ruhe zurück und fingen nach einer ebenso kurzen Frist mit Eintritt der Ebbe sich sichtbar zu entleeren an. " — Weiter heißt es von der Pororoca: „An mehreren Stellen, die immer von beträchtlicher Tiefe sein sollen, versinkt sie und erhebt sich weiter oben wieder in angeblich seich- teren Teilen des Flußbettes. Diese ruhigen Orte werden esperas (, Warte- stellen') genannt. " Es wird in ihnen eine Auffüllung des Wassers beobachtet, aber keine Pororoca. — Die Kanus der Indianer machen sich bei Heran- nahen der Sprungwelle auffallenderweise hoch an Bäumen fest, nicht mit einem Wurfanker im Strom. Charakteristisch ist überall für die Sprungwelle : die wallartige Front, mit der sie stromaufwärts läuft, das Überströmen des Wassers von rück- wärts nach vom, das Branden an den flachen Ufern und über Sandbänken des Flusses. Die Höhe der Welle wird für den Tsien-tang zu 8 m, für den Amazonenstrom und Ganges zu 5 bis 6 m, für die Seine und den Batang Lüpar von Borneo zu etwa 2 m, für den Trent 1^/2 bis 2 m, für den Codiac und die Dordogne zu V2 bis 1 m, und für die übrigen französischen Flüsse zu einigen Dezimetern angegeben. — In der Zeit ihres Auftretens scheint sie in der Mehrzahl der Fälle an die Syzygien gebunden; daß die Bore im Tsien-tang-kiang bei jeder Tide auftritt, ist schon erwähnt. In der Dordogne und Garonne tritt sie außer bei Springtiden auch bei sehr kleinem Oberwasser auf, also im Sommer bei jeder Flut, dagegen im Ganges nur in der Kegenzeit von Juli bis September, also bei größtem Oberwasser, und Springtide; im Amazonenstrom wird sie am großartigsten bei den Aquinoktionalspringtiden. Nach C o m o y ist bei einigen französischen Flüssen ein bestimmter Minimalhub erforderlich, damit der Mascaret sich ausbildet, aber nicht bei jeder gegebenen Hubhöhe wird die Welle gleich groß, bisweilen fehlt sie auch ganz, was mit Variationen des Ober- wassers zusammenhängen dürfte. Bei einigen Flüssen tritt die Sprungwelle erst ein gut Stück oberhalb der Mündung auf (Ganges, Seine, Ome, Garonne und Dordogne, Vilaine, Charente, Batang Lupar), bei anderen, und das ist der seltenere Fall, gleich über der Mündungsbarre (Couesnon). Immer aber entsteht sie über einer ausgeprägten Verringerung der Wasser tiefe im Flußbette oder einer sehr starken seitlichen Verengerung, verbunden mit einer scharfen Biegung des Bettes (Hugli bei Diamond Point). — Die Welle läuft mit breiter geradliniger oder nach vom sogar konkaver Front den Fluß hinauf, eilt also an den Ufem, wo sie brandet, vor, während in der Mitte bei sonst normaler Wassertiefe die Welle keine Brandimg zu zeigen pflegt. Die von der brasilischen Pororoca beschriebenen esperas oder „Wartestellen" über starken Austiefungen des Flußbettes kommen auch in anderen Flüssen vor und sind ein deutlicher Beweis für die Ab- hängigkeit der ganzen Erscheinung von der Wassertiefe. Im Ganges und sonst halten die Flußfahrzeuge die Regel fest, sich der SprungweUe möglichst in der tiefsten Fahrrinne und mit dem Bug der Welle entgegen- zustellen, niemals aber sich von dieser quer gegen die Seite des Boots Flutbrandung oder Bore. 303 trefien oder am Ufer überraschen zu lassen. In der Seine, wo vor der Regulierung des Fahrwassers unter Napoleon III. die Sprungwelle viele Boote scheitern ließ, war ihre Bewegung gemäß der sehr gewundenen Fahrrinne unberechenbar. Die Bore des Tsien-tang behindert die Schiffahrt zwar .fühlbar, indem die Stromstärke nur unmittelbar nach dem Vorübergang der Bore einen Ver- kehr von Haining stromauf nach Hangtschou und nur zwei Stunden nach Hochwasser wieder stromab mit der ersten Ebbe möghch macht. An den Deichen sind für die Dschunken besondere Liegestellen vorgesehen; die Fahr- zeuge machen bei Hochwasser am Kajen fest und sobald das Wasser um 1 m gefallen ist, ruhen sie auf einer gemauerten 6 m breiten Stufe, welche sich bühnenartig über dem Niedrigwasserniveau erhebt und wo sie liegen bleiben, bis die nächste Bore sie wieder flott macht. Sehr schwierig ist die Einfahrt in den Tsien-tang-Trichter von der See her wegen der außerordentlich starken Gezeitenströme (S. 284) und der mit diesen stetig veränderten Fahrwassertiefen. Die Ursache der ganzen so merkwürdigen Erscheinung wird man mit C o m o y wohl in dem eigenartigen Verhalten der Flutwelle in ihrem ersten Stadium betrachten können, wo eine scharf ausgeprägte Verflachung oder Verengerung (oder beides zugleich) des Bettes das Durchflußprofil für die aus der See flußaufwärts gedrängte Wassermasse plötzHch ver- kleinert. W^ir sahen bereits (S. 290), wie dadurch die Hinterflut ein Extra- gefälle erhält. Alsdann fließt das hier überschüssige Wasser mit vermehrter Geschwindigkeit über die Vorderflut hinüber bis an den Fuß der Welle, wo es eine steil abfallende und von hinten nach vorn sich überwälzende Wassermauer bildet. B a z i n hat die ganze Erscheinung experimentell Fig. 88. < SjirufiffvreUe. Profll durch eine Sprungwelle (nach Comoy), dargestellt, indem er zeigte, wie eine große Übertragungswelle, in einen Kanal mit vorher ruhigem Wasser, aber variabler Tiefe gebracht, sich genau ebenso verhält : sie brandet, sobald ihre Höhe 2/3 der Wassertiefe erreicht. Daß die brandenden Partieen einer jeden Welle eine größere Orbitalgeschwindigkeit (v) erlangen als ohne Brandung stattfände, haben wir bei früherer Gelegenheit (S. 110) schon rjezeigt. Es wäre aber ein Irrtum, darum den brandenden Teilen der Sprungwelle eine größere Fortpflan- zung s geschwindigkeit (c) zuzuschreiben. Dem entsprechen die Tat- sachen doch nicht, denn alsdann müßten die beiden Spitzen der seitlichen Brandung am Ufer, je weiter stromaufwärts die Welle läuft, desto mehr der Mitte vorauseilen, so daß das Bild der ganzen Sprungwelle von oben her gesehen, eine sehr starke Konkavität der Front ergeben würde. Diese 304 I^ie Gezeiten des atlantischen Gebiets. Konkavität ist aber immer sehr mäßig und steigert sich stromaufwärts nicht, was beweist, daß nur eine Vergrößerung der relativen Bewegung oder Orbitalbewegung {v) in den brandenden Randteilen gegenüber der nicht brandenden Mitte vorhanden ist. — Auch die im Amazonenstrom, Ganges und der Seine beschriebenen sekundären Wellen, welche der eigentlichen Sprungwelle mit etwa 1 bis 2 m Höhe nachfolgen (vgl. Fig. 88 nach Comoy) und in der Seine les eteuks, im Trent the tvhelps' heißen, zeigten sich bei Bazins Experimenten. Die Geschwindigkeit nun, mit der das Mascaret die französischen Flußgeschwelle hinaufläuft, entspricht nach Comoy sehr nahe der für Übertragungswellen geltenden Formel: c = yg {p -\-h) — XJ, wo f die Wassertiefe bei Niedrigwasser, h die Höhe der Sprungwelle und U die Stromstärke des Flusses bedeutet, und da sich der Fuß der Flutwelle nur mit der Geschwindigkeit c = \/^q p — ü bewegt, so ergibt sich hieraus, wie die Sprungwelle diesen Fuß überholt und sich ihm vorlagert. Wir haben also danach in der Spnmgwelle nur eine besonders groß und lebhaft entwickelte Übertragungswelle vor uns. VII. Die Anordnung der Gezeiten im einzelnen. Wenn im folgenden der Versuch unternommen wird, die örtlichen Gestaltungen und Abwandlungen der Gezeiten in den verschiedenen Meeresräumen zu beschreiben und soweit möglich auch zu erklären, so muß von vornherein zugestanden werden, daß hierbei sehr große Schwie- rigkeiten zu überwinden sind. Bei der Unvollständigkeit der Beobach- tungen, beim absoluten Mangel von solchen aus der eigentlichen Hochsee Tind insbesondere bei dem Fehlen von harmonisch analysierbaren Pegel- aufzeichnungen aus der Mitte des größten der Ozeane muß zurzeit ein solcher Versuch nur sehr lückenhaft bleiben. Der Augenblick, das geo- graphische Bild der irdischen Gezeiten zu zeichnen, ist noch nicht ge- kommen. Dennoch darf das vorUegende Material nicht achtlos beiseite gelassen werden, zumal nämenthch für einige Nebenmeere unsere Kennt- nisse schon recht weit vorgeschritten sind. 1. Die Gezeiten des atlantischen Qebiets. Als ein Hauptmerkmal der atlantischen Gezeiten haben wir schon mehrfach das entschiedene Überwiegen der Halbtagstiden hervorgehoben. Wenn die von diesen abhängigen Hafenzeiten von möglichst freigelegenen Küsten- und Inselorten auf eine Einheitszeit (von Greenwich) umgerechnet und in eine Karte oder auch nur in eine Tabelle übersichtlich eingetragen werden, wie das hieneben (S. 305) geschehen ist, so zeigt sich alsbald ein für den Atlantischen Ozean charakteristischer Verlauf der Tidewellen. Namentlich die an der Ostseite des Beckens gelegenen Punkte kennzeichnen sich durch ein Vorrücken der Tidewoge von Süden nach Norden, so daß es eine Anzahl von Orten gibt, die, je um 60 bis 70 Breitengrade voneinander abstehend, angenähert gleichzeitig Hochwasser erhalten^). Das ist bei- ^) C. Borgen im Segelhandbuch für den Atlantischen Ozean , Hamburg 1886, S. 291. (Vgl. auch oben S. 241.) Hafenzeiten an den atlantischen Küsten. 305 spielsweise der Fall bei der Tafelbai und Madeira 1 bis 2 Uhr, St. Helena und Kap Finisterre SVa Uhr, Ascension und den Vestmannainseln an der Südküste von Island 6 V2 Ulir. Damit haben wir aber nur ein Merkmal von sehr allgemeiner Geltung, das eine spezielle Nachprüfung, wie wir sehen werden, schlecht verträgt. Überdies besteht ein ausgesprochener Gegensatz zwischen der west- lichen und östlichen Seite des Ozeans. Entlang der Westseite haben recht lange Küstenstrecken fast zu gleicher Zeit Hochwasser, so die Orte von Sandy Hook südwärts bis Anegada zwischen 12 und 1 Uhr (s. oben S. 250), von der Orinokomündung bis Jericoacoara um 8 Uhr; das sind beidemal Homochronieen über mehr als 3000 km. Entlang der Ostküste Brasiliens wird nun wieder eine Verspätung der Hafenzeiten von Süden nach Nor- Übersicht der Hafenzeiten im Atlantischen Ozean (Greenwiohzeit). Ort Breite Länge Hafen- zeit Ort Breite Länge Hafen- zeit Tafelbai . Lüderitzbucht Benguela . Loangobai Kap Lopez Sao Thom6 Kap Palmas Monrovia . Kap Verde Pto. Praya Gran Canaria II. Funchal (Mad.) Lagos (Port.) . Oporto . . . Kap Finisterre Socoa . , . Ouessant . . Trescow(Soüly) Valentia . . Rockall . . Kap Wrath . Sumburgh Head Myggenäs (Färöer) Vestmanna I. (Isl.) ... Nanortalik (Grönl.) . . Webek (Labr.) IIL Kap Raoe . . Sable Id. . . Sandy Hook . 33.9» S. 26.6" S. 12.6° S. 4,6° S. 0.6« S. 0.2 °N. 4.4 »N. 6.3 »N. 14.8 "N. 14.9 «N. 28.2 »N. 32.6 «N. 37.1 »N. 41.2 "N. 43.1 °N. 43.4 »N. 48.5 °N. 50.0 °N. 51.9°N. 57.6 «N. 58.6 ON. 59.8 "N. 62.1 ON. 63.40 N. 60.1 ON. 54.9 ON. 46.6 ON. 43.9 ON. 40.5 ON. 18.4 00. 15.200. 13.400. 11.800. 8.700. 6.6 00. 7.7 ow. 10.8 OW. 17.6 OW. 23.5 OW. 15.4 OW. 16.9 OW. 8.6 OW. 8.7 OW. 9.20 W. 1.7 OW. 5.1 0 W. 6.4 OW. 10.3 OW. 13.7 OW. 5.0 OW. 1.3 OW. 7.6 OW. 20.3 OW. 45.3 OW. 58.00 W. 53.1 0 W. 60.0 OW. 74.0 OW. Ih 26 m Ih 27 m 2 h 51m 3 h 26 m 3 h 55 m 2 h 59 m 5h 00m 6 h 43 m 8 h 53 m 7 h 34 m 2 h 07 m Ih 56m 2 h 23 m 3 h 04 m 3 h 10 m 3 h 35 m 4 h 06 m 4 h 48 m 4h 23m 4 h 25 m 7h 50m 9h 50m 9 h 30 m 6h lim 9h 00m 10 h 13 m 10 h 32 m 10 h 30 m Oh 39m Hatteras Inlet Kap Canaveral Turks Id. . . Anegada . . Barbados . . Waini . . . Surin. Feuersch. Cayenne . . Sta. Anna RiflE Jericoacoara . Fernando Nor. IV. Pernambuco . Bahia . . . Abrolhos . . Porto Frio Sao Francisco do Sul . . Kap S. Antonio Rio Negro Pto. Sa. Elena Pto. Deseado . Staaten I. . . Falkland Sd.N. Süd- Georgien . V. Tristan da Cunha . . Martin Vas . St. Helena Ascension . . Sta. Maria (Az.) . . . Corvo . . . 35.2 ON. 28.5 ON. 21.4 ON. 18.8 ON. 13.1 ON. 8.4 ON. 6.1 ON. 4.9 ON. 2.30 s. 2.80 S. 3.80 S. 8.10 s. 13.00 S. 18.00 S. 23.00 S. 26.20 s^ 36.30 s. 41.00 S. 44.50 s. 47.80 S. 54.80 S. 51.40 S. 54.50 s. 37.10 s. 20.50 S. 15.90 S. 7.90 s. 36.9 ON. 39.5 ON. Krttmmel, Ozeanographie. II. 75.7 OW. 80.5 OW. 71.20 W. 64.4 OW. 59.6 OW. 60.0 OW. 55.2 OW. 52.3 OW. 43.6 OW. 40.5 OW. 32.4 OW. 34.9 OW. 38.5 OW. 38.7 OW. 42.0 OW. 48.5 OW. 56.8 OW. 62.8 OW. 65.4 OW. 65.9 OW. 64.0 OW. 59.1 OW. 36.0 OW. 12.3 OW. 28.9 OW. 6.7 OW. 14.4 OW. 25.2 «W. 31.1 OW. 20 Oh 17 m Ih 41m Oh 25m Ih 18 m 6 h 58 m 8 h lOm 8 h 41m 8 h 01m 8 h 39 m 7 h 57 m 6 h 10 m 7h 00m 6 h 49 m 6 h 05 m 5 h 28 m 5h 44m Ih 47m 3 h 10 m 8 h 22u^ 4 h 34 m 8 h 46 m 10 h 51 m 10 h 02 m Oh 49m 5 h 41m 3 h 34 m 6 h 28 m Ih 56m 2h 24m 306 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. den hin erkennbar (Kap Frio 5^ 28^, Pernambuco 7^ 0""). Nicht ohne Einschränkung heße sich eine solche auch für die Westküste Südafrikas behaupten (von der Tafelbai mit 1^ 26«^ bis Monrovia mit 6^ 43«^), be- sonders ausgeprägt aber wird sie erst für die europäischen Küsten (Madeira 11^56^, Finisterre 3^ 40«^, Valentia 4^1 23^); sie läßt sich sogar über Is- land und Grönland nach Labrador hin verfolgen (Vestmannainseln 6^ ll"», Nanortalik 9^ 0™, Webek 10*^ 13"!). Im übrigen aber sind auch auf den im ganzen regelmäßig sich darstellenden Strecken die auffallendsten Sprünge bei nahe aneinander gelegenen Orten vorhanden: so von Porto Praya 7^ 34"i nach Gr. Canaria 2^^ 7^1; ganz zu schweigen von den Ver- hältnissen bei den Kleinen Antillen von Anegada 1^ 18"^ nach Barbados 6^ 58°!, oder südlich von Sao Francisco do Sul bis zur Staateninsel mehr- fach, wie die letzten Zahlen der Gruppe IV in der umstehenden Tabelle ausweisen. Die anfangs erkannte Kichtung von Süden nach Norden für den Verlauf der Gezeitenwogen hat also keineswegs allgemeine Gültigkeit, und wenn wir die Hafenzeiten im einzelnen auf ihre Orthochronie hin prüfen, zeigen auch die sonst günstigen Strecken keineswegs überall einen ungestörten Verlauf der Wogen nach Norden hin. Am besten ist dies noch der Fall entlang den westeuropäischen Küsten. Indem wir die Lagrangesche Formel unter denselben Vorsichtsmaßregeln wie für die großen Dislokationswogen (s. oben S. 154) verwenden i), können wir an der Hand der ziemlich ausführlichen Tiefenkarten die nordostatlan- tischen Hafenzeiten entweder- untereinander oder noch besser mit einem an der Südgrenze des Gebiets liegenden willkürlich gewählten Ausgangs- punkte in Beziehung setzen. Wir nehmen eine Lotung von 5582 m in 31.1 "N,, 24.7° W., etwa 420 Seemeilen westsüdwesthch von Madeira, und rechnen, auf diesen Punkt zurückgehend, die Reisedauer und Abgangs- zeiten entlang folgenden Strecken aus. 1. Von Madeira . . . Reisedauer = l^^ 21i^, Abgangszeit = 0^ 35^ 2. „ Oporto ... „ =2^501», „ =01^14^ 3. „ Valentia . . „ = 4*^ 13^ „ =0^ 10^ 4. „ Vestmanna I. . „ = 6^ 5^ „ = o^^ 6»» Die Hafenzeiten der drei letztgenannten Orte stehen also ersichtlich in einem guten Zusammenhange mit den Meerestiefen ; für Madeira ist das Ergebnis schon weniger günstig. Noch weniger ist dies für Rockall der Fall, wo die Welle um 5^ 20™ sein sollte, aber schon 4^ 25°^ ist. Ebenso- wenig passen die Hafenzeiten von K. Wrath und den Färöer. Rechnen wir weiter entlang der beim ersten Anblick aus den Hafenzeiten zu er- schließenden Richtung der Tidewogen von Island nach Südgrönland und Labrador, so hört die Übereinstimmung vollends auf. Wir erhalten, immer auf die genannte Lotungsstelle 5582 hinbezogen: 5. Von Nanortalik . . Reisedauer = 6*^ 41™, Abgangszeit = 2^^ 29™ 6. „ Webek ... „ =8^ 32™, „ == 1^ 48™ ^) Da Dr. W. K r e i d e 1 in seinen Untersuchungen über den Verlauf der Flut- wellen in den Ozeanen, Frankfurt 1889, nur mit den mittleren Tiefen gerechnet und die Schelfstrecken nicht sorgfältig genug beachtet hat, sind seine Ergebnisse meistens unhaltbar. Hauptwellen der Ostseite. 307 Hieraus dürfen wir schließen, daß im Nordwestteil des Nordatlantisclien Ozeans keine einzelne Welle mehr stark vorherrscht, wie an der europäischen Seite, sondern daß Interferenzen vorliegen. Lassen wir die Woge von der genannten Lotungsstelle um 0^ 10°^ abgehen, so müßte sie in Nanortalik um 6^ 51^ sein, beobachtet ist die Hafenzeit um 9^ 0^, also über 2 Stunden später; in Webek sollte die Welle 8^ 42™ sein, die Hafenzeit liegt aber IQh 131x1^ etwa IV2 Stunden später. Lassen wir nun versuchsweise mit dieser Welle eine andere gleich hohe so interferieren, daß deren Hoch- wasser in der Davisstraße etwas nach 12 Uhr eintrifft, so erhielten wir wohl angenähert die beobachteten Hafenzeiten. Aber es ist nicht möglich, anzugeben, woher eine solche Welle mit der geforderten Epoche kommen soll, da wir sonst kaum ihren Spuren begegnen. Übrigens verliert auch die Lage der Dinge an den westeuropäischen Küsten ihren einfachen Charakter, sobald wir noch ein anderes Hilfsmittel heranziehen, das uns die Gezeitenströme darbieten, die nicht nur in der nächsten Nähe der Küsten, sondern auch an. einigen Stellen in größerem Abstände vom Lande beobachtet worden sind. Eine erste Keihe verdanken wir J. Y. B u c h a n a n ^) auf der Dacia- bank am 3L Oktober 1883 (in 31» 10' N., 13» 14' W.); leider erstreckten seine Messungen sich nur auf ein paar Stunden: Ortszeit l'i 55m 2^ 15«^ 2^ 40"! S^^ 30^ 4^» 6^ nachm. Stromrichtung NzO NzO NOzO ONO OSO Geschwindigkeit ... — 0.47 0.30 0.26 0.30 Knoten. Es ergibt sich eine Drehung im Sinne des Uhrzeigers, die Buchanan selbst in der Weise deuten will, daß der beobachtete Strom sich aus zwei Komponenten zusammensetze, einer ständigen Strömung nach Südosten zu Osten und einer normal alternierenden Gezeitenströmung von Nord- nordwesten und Südsüdosten. Aber die Reihe ist doch wohl zu kurz, um eine einwandfreie Erklärung zu erlauben; es fehlen noch weitere 10 Stunden fortgesetzter Beobachtung, — Unzureichend ist auch der Ver- such von Dr. R. N. Wolfenden geblieben, auf der Gettysburgbank (36° 32' N., 11" 55' W.) den Strom zu messen; er fand eine volle Drehung im Kreise (anscheinend gegen den Uhrzeiger), aber mit Bevorzugung der Richtungen Südwesten und Nordosten 2). Ungleich umfassender sind die systematischen Messungen im West- gebiete der Gründe vor dem Englischen Kanal, die von Kapitän P e 1 h a m A 1 d r 1 c h ^) vom Juni 1889 bis September 1890 insgesamt auf 72 Stationen westwärts von 7V4° W. L. und nordwärts von 4873° N. B. ausgeführt worden sind. Aldrich hat alle Beobachtungen zu Mittelwerten für jede volle Stunde vor oder nach Hochwasser in Dover vereinigt; sie sind um- gerechnet für Greenwichzeit in umstehender Fig. 89 verdeutlicht. Hier- nach findet überall eine vollständige Umdrehung statt wie beim Zeiger ^) Proc. R. Soc. London 1888, Bd. 43, p. 344. ^) R. Norris Wolfenden, Scientific and Biological Researches in the North Atlantic (Memoire of the Challenger Society Nr. 1). London 1909, p. 48. ^) Notes on the Tidal Streams at the Entrance of the English Channel by ]H. M. S. Research. London, Hydrogr. Office 1891. Übersetzung in Annales bydro- graphiques, Paris 1892, p. 59. Aldrich hat für die Darstellung teilweise eine sehr sonderbare graphische Form gewählt. 308 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. der Uhr; dabei sind die Schwankungen in der Stromstärke nur mäßig: das Hauptmaximum mit 0.80 Knoten findet um 9 Uhr und 10 Uhr statt, ein zweites zwischen 3 Uhr und 4 Uhr mit 0.70 Knoten; die Minima hegen kurz nach 12 Uhr mit 0.47 und um 6 Uhr mit 0.45 Knoten; der Durch- schnitt ist == 0.58 Knoten. Die an Intensität überwiegenden Richtungen sind also Nordosten und Südwesten. Nach der Airyschen Erklärung der Drehströme müßten •^^S- 89. ^jj, |j^ tiefem Wasser die maßgebende Tide- woge nach Süden laufen lassen (vgl. S. 279 Fig. 78), wo- gegen aber die beob- achteten Hafenzeiten sprechen. Nehmen wir eine Interferenz an, so erhalten wir durch eine höhere Woge nachNordosten und eine zweite um etwa 60° davon ab- weichende und etwas niedrigere Woge ein passendes Bild, wobei die mehr rechts He- gende etwa 4 Stunden später Hochwasser haben müßte (vgl. S. 282 Fig. 82). Das würde also auf eine zu den Hafen- zeiten passende Hauptwelle nach Nordosten (Hafenzeit zwischen 3 Uhr und 4 Uhr) und eine Nebenwelle nach Nordnordwesten oder Ostsüdosten (mit einer Hafenzeit um 12 Uhr oder nach Ostsüdosten um 8 Uhr) schließen lassen. Der Charakter dieser Drehströme ist auf allen Stationen derselbe, auch an der am weitesten nach dem Tiefseerande hin vorgeschobenen Station (Nr. 19 in 48" 55' N., 10» 42' W., 146 m Tiefe, etwa 25 Seemeilen NzO von der isoHerten Kuppe 199 auf der Karte Bd. I, S. 108, Fig. 19). Hier ankerte das Vermessungsschiff „Research" bei gutem Wetter volle 24 Stun- den, wobei der Strom zwei ganze Umläufe vollendete ; ein dem herrschenden Nordwestwind entsprechender schwacher Triftstrom nach Süden hin machte sich insofern geltend, als er den normalerweise um 1 Uhr nord- wärts drängenden Tidestrom ganz aufhob, so daß Stromstille eintrat, während er in der entgegengesetzten Phase zwischen 7 Uhr und 8 Uhr den normalen dann nach Süden gehenden Tidestrom mächtig verstärkte. Betrachten wir nunmehr die bereits früher (S. 277 Fig. 76) erwähnten Drehströme an der westfranzösischen Küste in den Buchten von Quiberon und La Forest, die ebenfalls im Sinne des Uhrzeigers umlaufen, so haben wir anscheinend noch dasselbe System vor uns, wie nach Fig. 89 auf den Gründen südlich von Irland. Hier wäre aber auch zulässig, den von Westen her in den Biskayagolf einlaufenden Flutstrom vom vorgelagerten Lande mit seinen Halbinseln und Inseln so abgelenkt zu denken, daß er Drehstrom am Westrande der Gründe vor dem Englischen Kanal. Hauptwellen der amerikanischen Seite. 309 an den in Frage kommenden Stellen in der Tat die Richtung nach Südosten nimmt; dann würde hier aber die Airysche Erklärung für den Drehstrom einer einfachen Welle, die sich mit ihrer linken Seite an die Küste anlehnt, ausreichen. Schwierigkeiten durch Hafenzeiten, die nicht zu den Wassertiefen passen wollen, erhalten wir dann auch südlich von Madeira nach den Kap- verden und dem Äquator hin. Gehen wir wieder von der vorher benutzten Lotungsstelle 5582 m aus und rechnen nach der Kapverdeninsel St. Anton (Tarafalbai) hin, so ergeben die Meerestiefen eine Laufzeit von genau 2 V2 Stunden ; um die beobachtete Hafenzeit in Tarafal zu erhalten (8^^ iO^), müßte die Woge aber 3 V2 Stunden brauchen, d. h. statt der den Meeres- tiefen angemessenen Flutstundenlinien von 12, 11, 10 Uhr südhch von Madeira müssen wir noch eine frühere von 9 Uhr in dem gegebenen Raum unterbringen, so daß sich die Linien im Widerspruch mit den Wasser- tiefen hier stenochron zusammendrängen. Von Porto Praya nach Mon- rovia tritt wieder die entgegengesetzte Abweichung ein. Die Tiefen- karten lassen eine Reisedauer von S'^ 6"^ erwarten, während die DiiTerenz der Hafenzeiten (7^ 34"^ bis 6^ 43"^) nur 51 Minuten ausmacht; daraus wäre vielleicht zu schließen, daß die Richtung der Flutwellen hier nicht bloß parallel zur afrikanischen Küste nach Nordwesten verlaufen kann, sondern daß sie mehr von Süden oder auch Südwesten kommen mag. Bemerkenswert ist dabei, daß die in der zentralen Enge des Atlantischen Ozeans gelegenen Orte sehr nahe bei einander liegende Hafenzeiten haben : Monrovia 6^ 43^", Fernando Noronha 6^ 10"^, der Tiefseerand vor Pernam- buco 6^ 5™, vor Jericoacoara 6*^ 16"^. Rechnet man aber von Tarafal, Kap Verde, Porto Praya zurück zum Äquator (und zwar in 25° W. L.), so ergeben sich als Hafenzeiten nach den Meerestiefen: von Tarafal her 5^ 32"i, von Porto Praya 5^ 15"^, von K. Verde 6i^ 20»», so daß für die Orte weiter südlich vom Äquator z. B. nach Pernambuco viel zu frühe Hafenzeiten herauskämen. Unter allen Umständen sind hier also irgend welche Störungen durch Interferenzen vorhanden. Auf den ersten Blick noch verwirrter liegen die Dinge auf der ameri- kanischen Seite. Hier ist aber zunächst festzustellen, daß die schon mehr- fach erwähnte Homochronie, d. i. Gleichzeitigkeit der Hochwasser entlang der atlantischen Küste der Vereinigten Staaten in der Hauptsache verloren geht, sobald wir versuchen, die verzögernde Wirkung, die die vorgelagerten Schelfflächen auf die heranlaufenden Tidewellen haben müssen, auf Grund der Spezialkarten auszuschalten, also eine Schelf korrektion anbringen. Die imkorrigierten Hafenzeiten erwecken den Eindruck, als wenn die Tiden einfach von Osten her auf die Küste zulaufen. Indem man aber über den Schelf hinweg bis zu Tiefen von 3000 m hinab zurückrechnet, erhält man für den Tiefseerand (in etwa 3000 m) als Hafenzeiten: vor K. Race (südlich)- 8^ 391», vor Sable I. 9^ 56"^, vor Sandy Hook 9^ 53'", vor Hatteras Inlet 11^ 34™, vor Bermudas 11^10°^, vor Canaveral 11^^46"^ (immer nach Green wichzeit umgerechnet): also Andeutungen für eine Verspätung der Hochseetiden südwärts. Auch die Fortsetzung nach Südosten fehlt nicht, und zwar geben wir hier die Zeiten ohne Schelfkorrek- tion, die bei dem sehr tiefen Wasser sehr klein sein muß: Turks I. 12** 25»», S. Juan de Portorico 12^ 26*", Anegad^ 1^ 18™ passen gut zu einer solchen 310 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. Richtung. Das nimmt aber ein jähes Ende bei Guadeloupe, wo die Ge- zeitentafeln für Point ä Pitre zwar 2^ 6"^ angeben, aber Grand Cul de Sac schon mit einem Male 6 Stunden später Hochwasser empfängt (8*^ 6"^); Dominica hat 5^ 35"^, Havre de Robert an der Ostküste von Marti- nique wieder 8^4™, Barbados 71^0^, St. Vincent 7^ 4^ Tobago 7^ 3™, Maracas an der Nordküste von Trinidad 7^ 36"*, Guayaguayare an der Südostecke derselben Insel 8^ 26^, dann Waini 8*^ 10"* und so fort an der ganzen Nordostküste Südamerikas, wie die Tabelle S. 305 zeigt. ^Beseitigen wir aber auch hier die Wirkung des breiten und sehr seichten brasilianischen Schelfs, so tritt das Phänomen in noch ungetrübterer Reinheit hervor: von Barbados im Nordwesten bis Pernambuco im Süd- osten auf einer Strecke von 4000 km (2100 Seemeilen) ist überall am Tiefseerand des Schelfs in voller Homochronie wenige Minuten nach 6 Uhr Hochwasser, bei den Bahamainseln und Kleinen Antillen ist das nahezu um 12 Uhr der Fall. Wir haben es also im wesentlichen, wie zuerst R. Harris^) richtig erkannt hat, mit einer stehenden Schwingung zu tun, deren Knotenlinie in der Nähe von Guadeloupe liegt und die an- scheinend so entstanden ist, daß je eine Welle von Nordwesten und von Südosten genau gegeneinander laufen und beide fast gleich hoch sind (vgl. Fig. 08, S. 244). Diese Schlußfolgerung wird dadurch unterstützt, daß die Hubhöhen in der Nähe der Knotenlinie ein Minimum werden; die Theorie verlangt eine Hubhöhe = Null an der Knotenlinie selbst, die beiden interferierenden Tiden sind aber wohl nicht genau gleich hoch und wahrscheinlich liegen noch andere Tidewellen vor, was einen kleinen örtlichen Hub auftreten läßt. Die Springtiden haben nun nach den Gezeitentafeln eine Hubhöhe von 1.3 m bei Canaveral, 0.9 m bei Turks I., 0.5 bei S. Juan de Portorico, 0.2 bis 0.6 in Guadeloupe, 0.5 in Dominica, um südwärts wieder anzusteigen in Martinique (St. Robert) auf 0.8, Bar- bados 0.9 (bei sehr geringer Schelf Wirkung), Tobago 1.2, Maracas 1.5 und zuletzt, durch geringe Wassertiefen noch mehr erhöht, in Waini 2.2 m. Um nun eine stehende Schwingung mit den symmetrisch sich gegen- überstehenden Hafenzeiten von 12 und 6 Uhr zu erhalten, dürfen wir annehmen, daß die beiden in entgegengesetzter Richtung aufeinander zulaufenden Wellen auf der Höhe von Guadeloupe um 3 Uhr und 9 Uhr (Greenw.) ankommen, und zwar die 3-Uhrwelle von Nordwesten, die 9-Uhr- welle von Südosten; dabei müssen sich die Wellenkämme zwischen Kap Hatteras und Pernambuco so begegnen , daß die resultierenden Hafen- zeiten nordwestlich von der Knotenhnie um 12 Uhr herum, südöstlich davon um 6 Uhr herum fallen, etwa wie folgendes Schema angibt. ! Aus Nordwesten . . . Aus Südosten .... Ih 11h 2h 10 h 3h 9h 4h 8h 5h 7h 6h 6h 7h 5h 8h 4h Hafenzeit 1 12 h (Baha 12 h raa In.) 12/6 h (Guad.) 6h (Gu. 6h lyana) 6h (B 6h lasilien) 6h ^) Manual IVB, p. 370; doch hat Harris keine Schelfkorrektion an den Hafenzeiten der brasilischen Plätze angebracht, rechnet also mit 2 Uhr und 8 Uhr, WAS z\i großen Schwierigkeiten führt. Interferenz einer Nord- und Siidwelle. 311 Die Feststellung dieser absoluten Zeiten ist auch sonst wichtig für das Verständnis der atlantischen Tiden; wir können nun wenigstens einige tastende Versuche wagen, um die beiden interferierenden Wellen gemäß den vorhandenen Wassertiefen rückwärts und vorwärts weiter zu ver- folgen. Zunächst ergibt sich, daß eine Gezeitenwelle von Island (Vestmanna- insel) bis Guadeloupe 10 Stunden Laufzeit erfordert, d. h. wenn sie um 3 Uhr in Guadeloupe ist, war sie um 5 Uhr südlich von Island. Um diese Zeit ist nun in der Tat hier die uns für die Westküste Europas als maß- gebend bekannte Welle, so daß wir als sehr wahrscheinlich annehmen dürfen, daß sie von dort nach Westen und Südwesten herumschwenkt und so einen Umlauf entgegen dem Uhrzeiger um den ganzen Nordatlan- tischen Ozean vollendet bis zum Kap San Koque und darüber hinaus. Eine solche Welle würde um 8 Uhr an der Mündung der Baffinbai und bei der Flämischen Kappe stehen, um 9 V2 ^r südlich von der Neufundlandbank, um 12 Uhr östlich vor Neuyork, um 1 Uhr vor Bermudas und um 3 Uhr vor Guadeloupe. Anderseits wird die andere aus Südosten gekommene Welle, die um 9 Uhr vor Guadeloupe liegt, um 10 ^/a Uhr vor Bermudas und um 11 V2 Utir vor Kap Hatteras anlangen, worauf sie in breiter Front auf den Schelfrand aufläuft. Die dabei resultierenden Hafenzeiten sollten dann zwischen denen der einzelnen Wogen liegen, was bei Bermudas (beobachtet 11h 33m) paßt. Die Interferenzen in den Küstengewässern Neuenglands müßten sich durch Drehströme verraten. Solche werden in den ameri- kanischen Küstenbeschreibungen auch erwähnt, indem bei den Nantucket Shoals, wo der Flutstrom nach Nordosten geht und 4 Knoten Stärke erreicht, umlaufende Ströme im Sinne des Uhrzeigers durch alle Kompaß- striche hindurch imd schwächere Drehströme auch weiter südlich bis Kap May hin verzeichnet werden. In dem breiten Zugange zur Fimdybai aber setzt der Flutstrom überwiegend in den Trichter hinein nach Norden, bei der Georgebank nach Nordnordwesten. Doch kommen auch im tieferen Wasser südlich von Neuschottland schwach entfaltete Drehströme vor, die dem Uhrzeiger entgegen wenden. Möglicherweise wird die von Süden kommende Teilwelle an der Neuenglandküste partiell reflektiert und läuft dann nach Osten weiter hinüber zu den Azoren, wo sie etwa um 3 bis 4 Uhr anlangen kann. Geht sie aber auch weiter nach Nordosten, so wäre sie vor Kap Farvel etwa um 5 Uhr, an den Gründen vorm Kanal um 8 Uhr, wo wir sie in der Tat in den dortigen Gezeitenströmen wieder- finden könnten. Von den Azoren liefe die Welle auch südöstlich zu den Kapverden (4V2 l>is 5 Uhr) und nach Senegambien hinüber (5 bis 6 Uhr); jedoch werden dadurch die Hafenzeiten in Tarafal, Porto Praya, Cabo Verde nicht erklärt, ebensowenig wie die der Baffinbai. Es läßt sich nicht genau sagen, ob diese entlang der Nordküste Bra- siUens und der Guayanas nach Nordwesten verlaufende WeUe dieselbe ist, die auch aus dem Südatlantischen Ozean von Süden her eindringend an den westafrikanischen und westeuropäischen Küsten nach Norden geht. Versucht man sich einen solchen Vorgang nach den Tiefenkarten ' zu vergegenwärtigen, so wird gemäß der geringeren Wassertiefe über der großen atlantischen Schwelle (vgl. Bd. I, S. 117) eine solche Welle in der 312 Di© Gezeiten des atlantischen Gebiets. Mitte des Ozeans merklich zurückbleiben, in den tiefen Randbecken aber stark voreilen müssen, ja es werden schon vorher im tiefen Wasser des Südatlantischen Ozeans die beiden Flügel einer solchen nach Norden gehenden Welle weit voraus gelaufen sein; diese Flügel werden übergreifen und über der Schwelle sich begegnen und durchkreuzen. Die dadurch entstandenen Komplikationen lassen sich allerdings nur schwer übersehen. Wegen dieser retardierenden Wirkung der großen atlantischen Schwelle darf man nun auch nicht ohne weiteres die Hafenzeit von St. Helena (3 h 34 ra)^ (Jag jn (jer Mitte der tiefen südafrikanischen Mulde liegt, mit der von Ascension (6^ 28"") in eine einfache Beziehung bringen wollen, weil bei Ascension Interferenzen von Westen und Osten her kommender Tiden unvermeidlich sind. Entlang der südamerikanischen Küste südlich von Sao Francisco do Sul bis zum Kap Hörn hin sind die Hafenzeiten besonders schwer ver- ständhch (s. die Tabelle S. 305). Die großen Sprünge bleiben bestehen, auch wenn wir etwa eine Schelfkorrektion anbringen, was übrigens hier wenig Zweck hat, da die Flutströme durchweg an der ganzen Küste nord- wärts von der Magellanstraße bis zur Laplatamündung nach Norden setzen, also die Richtung der maßgebenden Welle die gleiche nach Norden gerichtete bleibt. Dennoch liegen hier sicherlich Interferenzen vor, da die Hubhöhe entlang der patagonischen Bank von Süden nach Norden hin so auf- fallend abnimmt. Während bei der Magellanstraße Hubhöhen von 11 bis 13 m (Kap Virgines), bei Puerto Gallegos sogar von 14 m, bei Pto. Sa. Cruz und in der Coybucht von 12.2 m bei Springzeit verzeichnet werden, sind sie in der Trichtermündung des Laplata so gering, daß man in Montevideo kaum von Tiden etwas spürt. Käme vom Tiefseerand her einfach eine Woge von 1 m Hub in 180 m Tiefe in den Laplatatrichter hinein, so müßte sie in 6 m Tiefe im Verhältnis von |Xl80 :lK6^ also auf 2.3 m gewachsen Sein und bei Verengerung der Beckenbreite von 120 auf 30 Seemeilen im Verhältnis von 1/^120 :l/"30, also auf das Doppelte steigen, folglich zusammen über 4 m messen; nach den Gezeitentafeln sind bei Riachuela aber nur 0.8 m, bei Porto la Plata höchstens 2.7 m bei Springzeit vor- handen. Dabei geben die englischen Seekarten Drehstrom beim Leucht- schiff Punta Piedras an, leider aber nicht den Sinn der Drehung. Gerade vor dem Trichter des Laplata muß also ein Knotenpunkt für eine stehende Schwingung liegen, der sich wohl noch andere fortschreitende Tidewogen überordnen. Aus den Gezeitentafeln und Seekarten ist übrigens noch zu entnehmen, daß in den höheren Südbreiten eine Haupttide von Südosten her auf die Falklandinseln aufläuft, wo sich der Flutstrom vor Livelyinsel (52» 10' S., 58 0 10' W.) kurz vor 9 Uhr spaltet und im Nordwesten der Inselgruppe etwa 3 Stunden später wieder vereinigt, um seinen Weg nach Nordwesten hin fortzusetzen. Ebenso kommt um Kap Hörn und durch die Le Mairestraße eine pazifische Woge nach Norden und Nordwesten an der Feuerlandküste entlang herauf, wie die ganz regelmäßige Folge der Hafenzeiten hier erkennen läßt. Durchaus nicht einfach sind auch die Verhältnisse an der gegenüber- liegenden Westküste Südafrikas. Obschon eine Verspätung der Hafen- zeiten von Süden nach Norden hin, wie eingangs bemerkt, unleugbar j Andere Interferenzen. 313 hervortritt, entspricht diese doch nicht den vorhandenen Entfernungen und Wassertiefen. Vor der Tafelbai {l^ 26"!), Port NoUoth (1^ 28^) und Lüderitzbucht (1^ 29"*) haben wir die gleiche Hafenzeit, also auf einer Strecke von 8 Breitengraden; dann wieder von der Walfischbai (2^ 20°^) her über die Gr. Fischbai (21^ 12™), Elefantbai (2^ 20^), Benguela {2^ 51^) nach St. Paulo de Loanda (2^ 54™) eine überaus geringe Verspätung; von der Kongomündung bis zum Golf von Benin noch weniger (Sharks Point 3^ 40™, Loango 3^ 26™, Kap Lopez 3^ 55™, Kap Formosa 3^ 43™) und die Guineainseln haben fast gleichzeitig Hochwasser (Annobon 3^ 23™, S. Thome 3^ 0™, Principe 3^ 15™, Fernando Po 3^ 25™), wobei die beiden äußersten durch einen breiteren Seichtwassersockel sich ein wenig gegen die mittleren verspäten. Merkwürdig ist auch die Folge entlang der Oberguineaküste und zwar keine einfache Verspätung nach Westen: Lagosbarre 4^ 46™, Voltamündung 4^ 18™, Kap der Drei Spitzen 4^^ 9™, dann Kap Palmas 5^ 0™, Monrovia 6^ 43™. Die Schelfwirkung dürfte alle diese Zahlen nur wenig gegeneinander verschieben (sie würden um 20 bis 30 Minuten früher fallen). Um diese Anordnung zu deuten, genügt eine einfache von Süden kommende Welle nicht. Rechnet man vom Äquator bis 34" S, B. vor der Tafelbai nach den vorhandenen hier jetzt genügend bekannten Meerestiefen, so findet man eine Reisedauer von 4V2 Stunden; eine vor Annobon um 3 Uhr aus Süden ankommende Tide müßte also um 10 V2 Uhr die Höhe von Kapstadt passiert haben; die Hafenzeit westlich vor der Südspitze Afrikas ist aber auf 1 Uhr anzusetzen. Wir müssen auch hier Interferenzen annehmen, und zwar sehen die Zahlen so avis, als wenn neben zwei von Norden und Süden kommenden und entlang der Niederguineaküste eine stehende Welle (etwa 1 Uhr) bildenden Tiden noch eine kräftige von Süden her mit anderer Epoche nach Norden wan- derte und dann in den nördlichen Breiten die Oberhand gewänne. Aber es fehlt hier an jedem besonderen Anhalt, um den Dingen so beizukommen, wie an der Ostseite der Kleinen Antillen. Man wird das Endergebnis dieser Durchmusterung der atlantischen Hafenzeiten nur unbefriedigend finden können. Aber gewiß ist, daß meh- rere Flut wogen das atlantische Becken durchlaufen. Von diesen erscheint in dämmerhaften Umrissen eine Hauptwelle von Süden her aus dem indisch-antarktischen Gebiet einzudringen und entlang der ganzen West- küste Afrikas, namentlich aber Europas nordwärts zu wandern,. An der nordamerikanischen Seite taucht daneben in deutlicher Interferenz bei den Kleinen Antillen eine von Norden kommende Welle aus dem undurch- sichtigen Nebel auf, und man kann zwischen der Vermutung schwanken, ob diese letztgenannte Welle ein selbständiges Erzeugnis des Nordatlantischen Ozeans sei und sich durch die Wirkung der Erdrotation an ijirer rechten (hier: amerikanischen) Seite stärker ausbilde, ebenso wie die zuerst ge- nannte von Süden gekommene Welle in Nordbreiten, vornehmlich entlang den europäischen Küsten rechts gedrängt an Höhe zu gewinnen scheint; oder ob nicht vielleicht diese europäische Welle selbst es ist, die rings um das nordatlantische Becken einen Rundlauf entgegen dem Uhrzeiger vollziehe, so daß dann die Möglichkeit gegeben wäre, in den westindischen Gewässern diese umgebogene von Norden herbeilaufende Tide mit der direkt aus südatlantischen Breiten gekommenen ursprünglichen Welle 314 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. zusammentreffen zu lassen, um jene wunderbare Interferenz zu bilden. Eine Entscheidung zwischen beiden Hypothesen läßt sich zurzeit nicht treffen, wie auch durch eine derselben allein durchaus noch nicht die beob- achteten Hafenzeiten in eine Ordnung gebracht werden können, wie wir bei der Einzelbetrachtung gesehen haben. Es treten offenbar noch andere Wellen auf, deren Ursprünge und Richtungen aber schwer festzustellen sind; nur ihre Spuren hinterlassen sie in allen möglichen Verschiebungen der Hafenzeiten, Vielleicht daß in Zukunft einmal ein genialer Kopf hier den erleuchtenden Gedanken findet; zurzeit ist noch alles wie im Nebel verhüllt. Dieses resignierte Urteil müssen wir auch festhalten gegenüber den be- reits früher erwähnten Anstrengungen, die Rollin Harris gemacht hat, um die atlantischen Tiden als ein System mehrerer miteinander Interferenzen bildender stehender Wellen hinzustellen (vgl. S. 255). Die tatsächhch beob- achteten Hafenzeiten hat Harris allerdings äußerheh mit seiner Hypothese in Einklang zu bringen verstanden. Die beigegebene Karte (Fig. 90) seiner Flutstundenlinien für die Halbtagstiden wird das bei näherer Prüfung be- stätigen, wenn man ledighch die Küstenstrecken ins Auge faßt und seine mittleren Hafenzeiten in ordinäre umwandelt, was durch Addition von 20 bis 30 Minuten geschehen kann. Wie aber schon früher zu betonen war, hat er Schelf korrektionen, wenn überhaupt, dann nur Ungenügend angebracht, so daß er tatsächhch nicht mit Schwingungszeiten des offenen Ozeans, sondern der seichten Strandzonen operiert. Gehen wir auf se;n Kartenbild im einzelnen ein, so sehen wir im Nord atlantischen Ozean eine gtoße Amphidromie entgegen dem Uhrzeiger von den Kapverden an nordwärts entlang den europäischen Küsten über Island, Grönland bis Neufundland hin herrschen; der Dreh- punkt wird in 40 " N. und 40 " W. angenommen. Die Flutstundenlinien stehen hierbai natürlich in gar keinem Zusammenhang mehr mit den Meerestiefen. Die Lage der 6^- und 7^-Linie in der Mitte des Ozeans entspricht aber auch so sicherüch nicht den Tatsachen. Im Südatlantischen Ozean ist je eine größere partielle Amphidromie östhch von den Falklandinseln imd von Porto Alegre angenommen, und zwar beide Male wieder entgegen dem Uhrzeiger; eine An- zahl kleiner Amphidromieen auf der Patagoniabank mußten wegen Kleinheit des Kartenmaßstabs unterdrückt werden. Im übrigen ist ein allgemeines Vorschreiten der Flutstunden von Süden nach Norden auch bei Harris für den ganzen Südatlantischen Ozean maßgebend. — Bemerkt sei noch zum Abschlüsse dieser Analyse, daß die Deutung der atlantischen Tiden ausschUeßlich aus freien oder stehenden Wellen heraus wahrscheinlich zu einseitig sein wird: man wird doch dabei wohl auch ge- zwungene Wellen in Betracht ziehen müssen. In diesem Sinne ist bemerkens- wert, daß wir (S. 309) in der äquatorialen Mitte des Ozeans die Hafenzeiten um 6 Uhr liegend fanden. Wir werden dabei an das Postulat der von Laplace entwickelten Theorie erinnert (S. 231), wonach für die erzwungene Schwingung einer Meeresdecke von weniger als 22 km Tiefe eine Umkehrung der Flutwellen am Äquator und Pol in der Weise eintreten soll, daß unter dem fluterzeugenden Gestirn am Äquator ein Wellental, unter dem Pol aber ein Wellenkamm er- scheint, d. h. unter dem atlantischen Äquator wird Hochwasser etwas nach 6 Uhr Greenw., am Polarkreis um 12 Uhr emtreten. Ich bin weit davon entfernt zu behaupten, daß man in den (mit Schelfkorrektion versehenen) Hafenzeiten von Pemambuco 6^ 5"^, Cearä 6^ 16^^, Fernando Noronha 6^ 4:^, Ascension et 20"^, Monrovia 6^ 18°^ ohne weiteres einen schlagenden Beweis oder in der früher vermuteten Welle um 12 Uhr in der Grönlandsee (S. 305) ein Indizium für die Richtigkeit jener Annahm^ ableiten solle. Solche gezwungenen Wellen Hypothesen von Harris. 315 müssen sich gemäß der Theorie alsbald in freie verwandeln, und wir sollten ihren Spuren dann auch sonst begegnen, namentlich im Südatlantischen Ozean, wo sich durch ihren Einfluß die Hafenzeiten nach Süden hin stark verspäten müßten, wovon aber, wie wir sahen, recht wenig zu verspüren ist. Ebenso fehlen alle weiteren Einwirkungen einer 12- Stundenwelle im nördlich- sten Teil des Atlantischen Ozeans. 316 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. Zur qualitativen Charakteristik der atlantisclien Gezeiten dienen die harmonischen Konstanten für eine ausgewählte Zahl von Küsten- orten, die nach den sehr ausführlichen Listen bei R. Harris^) in der nachstehenden Tabelle vereinigt sind. Die Orte verteilen sich sehr ungleich. Von der Ostküste Nordamerikas stehen sie sehr reichlich zur Verfügung, so daß eine Auswahl geboten war; dafür sind die vorhandenen Beob- achtimgen aus Südamerika, Westafrika und Westeuropa vollständig auf- genommen. Gänzlich fehlen Angaben von allen ozeani- schen Inseln, welche Tatsache allein schon unsere noch sehr mangel- hafte Kenntnis der atlantischen Tiden kennzeichnet. Die Tabelle gibt nur die fünf wichtigsten Konstanten nach Amplitude (Zentimeter) und Kappazahlen (Grad); sie soll im folgenden entsprechend den früher all- "geraein entwickelten Regeln (S. 266) erläutert werden. Harmonische Konstanten ans dem Atlantischen Ozean. Ort 31, Amplituden (cm) i S, I N, I K^ ij Kappazahlen (Grad) 1. Godthaab . . . 136 47 26 21 9 i 193 229 188 127 81 2. St. John (N.Fdl.) 1 36 15 7 8 7 1 210 254 195 108 77 3. Halifax . . . i 62 14 14 10 5 i 224 258 205 60 38 4. St. John (N.Br.) 305 49 70 15 11 325 4 295 129 109 5. Boston .... 135 22 31 13 11 335 14 304 141 120 6. Sandy Hook . . 68 13 15 10 5 218 246 201 102 98 7. Philadelphia . . 75 10 13 11 8 44 82 20 214 195 8. Baltimore . . . 16 2 3 4 3 190 225 163 299 321 9. WUmington (N.K.) 35 3 6 8 5 292 344 288 130 169 10. Savannah . . . 99 18 21 10 7 210 235 190 114 120 11. Fernandina . . 87 15 19 10 7 223 245 203 120 126 12. Nassau (Bah.) . 38 6 9 9 6 213 237 191 120 124 13. Cayenne . . . 79 28 10 7 118 142 199 181 14. Pemambuco . . 76 27 13 4 5 134 151 126 289 149 15. Rio Janeiro . . 31 18 — 5 10 83 75 — 161 101 16. Montevideo . . 6 1 2 2 1 34 318 354 318 256 17. Buenos Aires 25 5 10 8 14 185 266 149 18 211 18. Moltkehafen (S. Georgien) . . 23 12 5 5 10 213 236 199 52 18 19. St. Louis (Falkl.) 47 15 10 11 14 157 195 130 37 4 20. Kapstadt ... 49 20 10 6 2 45 88 22 127 243 21. Dakar .... 47 17 6 4 224 264 328 226 22. Lissabon . . . 117 46 30 6 6 59 83 41 39 309 23. Socoa .... 133 48 28 6 7 1 89 121 68 66 317 24. Brest . . . . 206 75 42 6 7 99 139 80 69 324 Als Totalintensität der Gezeiten bezeichnet P. van der S t o k ') die Summe der Amphtuden der beiden vornehmsten Halbtags- tiden Ma -f- ^2 vermehrt um die Summe der beiden Eintagstiden K^ -f 0; 1) Manual of Tides IV A und IV B^ ') Studien over Getijden in den Indischen Archipel, Nr. XIV, Batavia 1896, p. 12. Hubhöhen. 317 diese Summe steht in einem bestimmten Verhältnis zum Springtidenhub, und zwar stellt sie, wie auch nicht anders zu erwarten, nicht ganz die Hälfte, genauer nach der Theorie 0.48 desselben vor. Wir können also auch statt der Totalintensität die Springhubhöhen selbst einführen, die uns die Gezeitentafeln in reichster Auswahl darbieten, nicht bloß für Orte mit bekannten harmonischen Konstanten. So auch für die landfernen ozeanischen Inseln. Unter diesen haben als kleinsten Springhub Ascension 0.6 und St. Helena 0.9 m. Etwas über 1 m weisen die westlichen Azoren auf: Flores, Pico, S. George, Fayal 1.2 bis 1.3, dagegen die östlicheren S. Miguel und Sa. Maria 1.8 m. Noch größer sind die Tiden von Madeira und Po. Santo mit 2.1 m und die der Kanarischen Inseln, wo Lanzarote und Tenerife auf 2.4, Gran Canaria bis zu 3.0 m ansteigen. Dagegen haben die Kapverden wieder Hubhöhen wie die Azoren: Porto Grande 1 m, die anderen Inseln 1.5 m. Diesen gleicht auch Bermudas mit 1.2 m. Die Hubhöhen von Fernando Noronha sind unbekannt, die der westhch davon gelegenen Rocas sollen angeblich 3 m betrafen, was sich unwahrscheinlich anläßt. Die Inseln im Guineagolf bleiben meist hinter Madeira zurück (Annobon 1.5, SaöThome 1.4, Principe 1.8), nur Fernando Po, in seichterem Wasser gelegen, hat 2.1 m. Klein sind auch die Springtiden von Tristan da Cunha (1.2 bis 1.8 m), noch kleiner im Moltkehafen von Südgeorgien mit nur 0.7 m, während die Falklandinseln an den äußeren Küsten 1.5 bis 2 m, in den spitzen Buchten bis 3.4 m kommen. Wie bei früherer Gelegenheit dargelegt (S. 245), sind diese Hubhöhen der landfernen Inseln durch Interferenzen beeinflußt; immerhin bleibt die Zunahme der GesamtampHtude von Corvo und Flores über Sao Miguel, Madeira nach Gran Canaria hin auf mehr als das doppelte Maß eine be- merkenswerte Tatsache. Man könnte infolgedessen sehr wohl geneigt sein, wenigstens für den Nordatlantischen Ozean eine Bevorzugung der Ostseite gegenüber dem Westen anzunehmen. Entlang der ganzen portu- giesischen, nordspanischen, westfranzösischen und irisch-schottischen Küste sind die Hubhöhen fast durchweg über 3 m, und sie nehmen nord- wärts zu von den Plätzen an der Algarve mit 3.1 m nach Coruna imd Socoa mit 3.8, Corduan 4.3 bis Ouessant mit 6.2 m, während sie nordwärts wieder etwas abnehmen: Valentia 3.4, C. Clear 2.7 m, um an der schottischen Küste nahe bei 4 m zu liegen. Demgegenüber haben wir an der gegenüber- liegenden Ostküste von Nordamerika, von der Fundybai abgesehen, auf- fallend kleine Hubhöhen, die selten über 2 m hinausgehen: St. John (N.F.) und Halifax haben 1.8 m; die Häfen an den seichten und trichterförmig sich verengernden Limanbuchten Neuenglands zeigen durchaus nicht die zu erwartende Steigerung des Hubs: Neuyork hat nur 1.8 m, Philadelphia nur 2.0, Baltimore gar nur 0.5, Wilmington (N.C.) 1 m und Charleston 1.9 m. Erst in Savannah hebt sich die Springtide auf 2.4 m, nimmt süd- wärts aber gleich wieder ab in St. Augustine auf 1.5 und Kap Canaveral auf 1.3 m, und weiter nach den Antillen hin macht sich die Nähe der Knoten- linie, wie früher dargelegt (S. 310) noch deutlicher bemerkbar. Dabei liegt vor der Käste ein breiter und stellenweise recht seichter Schelf, wie er der portugiesisch-spanischen Küste fehlt, wo doch die Tiden doppelt 80 hoch sind, während sie sich auf dem Biskayaschelf auf das drei- und vierfache der amerikanischen Seite erheben. Man vergleiche insbesondere 318 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. den durch ähnliche Schelfwirkungen beeinflußten Tidenhub bei den Nantucketbänken von nur 1.2 m mit dem bei Ouessant von 6.2 m. Ein solcher Unterschied in der Gesamtintensität des Gezeitenphänomens kann nur durch Interferenzen von Wellen verständlich werden, die in dem einen Falle ihre Komponenten mit entgegengesetzten, im anderen mit gleichem Vorzeichen algebraisch addieren. Die Gezeiten der F u n d 7 b a i sind als die höchsten der "Welt bekannt *). Die Bai setzt sich nach Nordosten an den breiten und in der Mitte über 200 m tiefen Golf von Maine an und wird von hohen felsigen Steilufern begrenzt, die zunächst nahezu parallel verlaufen. Durch die Advocate-Halbinsel wird das innerste Stück in den Chignectokanal und die östlicher angesetzte Minenbai gegliedert. Die Wassertiefen betragen zwischen der Gr. Mananinsel und ßrierinsel am Eingange der Bai in unregelmäßiger Anordnung zwischen 100 und 190 m, werden dann aber ebenmäßiger, gehen zwischen St. John (N. Br.) und Digby Gut auf 80 m, binnenwärts von Quaco Ledge RifE und der Hohen Insel unter 50 m Tind nehmen, abgesehen von den Verengerungen am Eingang der Minenbai, langsam auf 20 m und weniger Tiefe ab ; an den äußersten Enden liegen wattenartige Sande und Felsflächen. Der Springtidenhub ist in der Mainebai noch nicht erhebhch: im Osten bei Kap Sable 2.6 m, im Westen an der Mündung des Kennebecflusses (69.8° W. L.) 3.3 m. Mit der raschen Ver- engening des Golfs steigt auch der Hub rasch an : bei Yarmouth auf 4.9 m, und gegenüber bei Machias Seal Leuchte auf 5.5 m. Am Eingang der Fundybai selbst hat Petit Passage 6.4, Seal Cove Id. (südöstlich von Gr. Manan) 6.1, Digby Gut 8.4 und ihm gegenüber St. John 8.2 m; Port George 9.8 und Quaco Head 9.1 m, die Hohe Insel 10.1 m. Weiter am Eingang zur Minenbai hat Blackrock 11.0 m, Spencerinsel (im Norden) 11.9 m, und in der Minenbai selbst am Avonfluß Horton Bluff 14.8 und weiter östhch Noel 15.4 m als nor- malen Springtidenhub. Am Chignectokanal läuft die Tide nicht ganz so hoch auf: die Spicer Cove (Ostseite) hat 11.3 und Sackville am Nordende des Cumber- landbeckens 13.8 m, am Eingang zum Petit Coudiacfluß bei Bennetts Wharf 13.7 m. Die Springtide braucht vom Kap Sable ab gerechnet 4 Stunden bis nach Noel (die genauen Hafenzeiten sind 0^ 49"^ und 4^ 55"'^ Greenw.) und 3 V2 Stun- den nach Sackville im Cumberlandbecken hin (Hafenzeit 4^ 13"^ Greenw.). Das ist eine zu große Geschwindigkeit, die aber in der Hauptsache auf die eigenthche Fundybai fällt. Denn während die Strecke von Kap Sable nach der Machias Seal Leuchte = 150 Seemeilen in 2^ 44°^ durchlaufen wird, braucht die Tide von Gr. Manan nach Sackville auf 135 Seemeilen nur 50 Minuten. Die erste Zeitdauer würde eine Meerestiefe von 81, die zweite von 710 m voraus- setzen; letzteres ist aber ganz unmögUch. Auch auf den Teilstrecken ergeben sich Schwierigkeiten. Wir prüfen zunächst das Stück von Digby Gut — St. Johns im Südwesten bis zur Hohen Insel im Nordosten von 83 km Länge und einer mittleren Tiefe unter Mittelwasser von 70.1 m und berechnen, indem wir den Gezeitenstrom (nach H. Möller, s. oben S. 29) mit 1.03 m p. S. einsetzen, eine selnuidliche Geschwindigkeit von 27.23 m, und danach eine Reisedauer von 51 Minuten: beobachtet aber sind nur 18 Minuten, Ähnlich ergibt die ganze Länge der Fundybai vom Digby Gut bis nach Sackville am Ende der Cumber- landbai, auf einer Strecke von 185 km mit einer mittleren Tiefe von 50 m, eine Reisedauer von 131 Minuten, während die Tide nur 50 Minuten braucht. Für solche Abweichungen von der Lagrangeschen Formel gibt es nur die Er- 1) Vgl. W. M. D a V i 8 in Nat. Geogr. Mag. 1905, p. 71 ; R o b. C h a 1 m e r s, Report on the Surface Geology of East. New Brunswick etc. (Official Nr. 566, M.) Ottawa 1895, p. 15 f. Beide mit sehr lehrreichen Abbildungen. Vgl. auch meine Karte Pet. Mitt. 1889, Tafel 8. Hubhöhen der Fundybai. 319 klärung, daß mit der fortschreitenden Tide sich eine stehende Welle verbindet Dieses ist in der Tat bereits von den Japanern Honda und Genossen^) ver- mutet worden. Indem sie den Golf von Maine mitsamt der Fundybai schwingen lassen, erhalten sie (nach Formel XL S. 163) mit l = 460 km, f = 141 tn eine Periode von 13Stunden; für den Teil binnenwärts von Yarmouth — Machias aber 11.6 Stunden. Noch besser paßt die eigentliche Fundybai nordöstlich von Gr. Manan bis nach Sackville hin ; hierfür beträgt l = 250 km, p = 70 m, hjl = 0.23 und daraus mit Mündungskorrektion t = 12.46 Stunden; die Periode von Ifa beträgt 12.42 Stunden. Die entlang der Fundybai beobachteten Hafenzeiten sind also eine Kombination aus der gleichzeitigen stehenden Schwingung der ganzen Bai mit der in stetiger Verspätung einlaufenden Tide- welle, und der abnorm hohe Hub an den äußeren Zipfeln der Bai ist zum größten Teil der stehenden Schwingung und nicht bloß der binnenwärts zu- nehmenden Verengung und Verseichtung des Beckens zuzuschreiben. — Be- merkenswert ist noch, daß die Hubhöhen an der südlichen (Neuschottland-) Seite der Bai allemal etwas höher werden als an den korrespondierenden Orten der nördlichen (Neu-Braunschweig-) Seite, obwohl die Wassertiefen an der Südseite größer sind; man darf darin wohl eine Einwirkung der Erdrotation (vgl. S. 258) erblicken: Seal Cove 6.1 und Petit Passage 6.7 m, St. John 8.2 und Digby Gut 8.4, Quaco 9.1 und Port George 9.8 m stehen sich als solche Paare gegenüber, die bei voller Gleichheit der Wassertiefen diesen Unter- schied noch deutlicher zeigen würden. — Endlich sei auch in diesem Zusammen- hange noch einmal erwähnt, daß die in den Petit Coudiacfluß und in den Macan- fluß (Südseite des Cumberlandbeckens) hineingeworfene Tide eine Bore bildet (S. 300). Dieses, wie schon die Riesenhubhöhen an sich, erschweren die prak- tische Benutzung des Fahrwassers und machen sehr kostspielige Uferbauten an den Landungspunkten nötig. Denn bei starken Südweststürmen kann sich das Wasser noch beträchtlich höher anstauen und den normalen Springtidenhub um 2 m und mehr übertreffen. Berühmt ist in dieser Hinsicht die sogenannte Saxbytide vom 5. Oktober 1869, wo bei einer Sturmflut der Wasserstand im Coudiacfluß 8,9 m über und 7.2 m unter Mittelwasser lag, also der Hub = 16.1 m war, wobei alle Deiche um 1 m überflutet wurden^). Wieweit ältere Angaben, wonach im Coudiacfluß Hubhöhen von 21.3 m, nach J. Herschel^) sogar von 36.5 m beobachtet sein sollen, richtig sind, Ijedarf noch ernsthcter Nach- prüfung; nach Bell Dawsons Urteil sind sie arg übertrieben. — Die südatlantischen Festlandsküsten weisen verbältnismäßig geringe Unterschiede in der örtlichen Intensität der Gezeiten auf. An der West- küste Afrikas sind die Hubhöhen von Kapstadt nordwärts überall zwischen 1.2 und 1.8 m, nur in den wenigen seichten und kaum ins Land ein- greifenden Buchten etwas höher gemessen: so Lüderitzbucht 2 0, Porto d'Ilheo 2.4 bis 3.0, Kamerun 2.6, Benny 2.3 m. Erst in Nordbreiten, wo der seichte und breitere Schelf nördlich von Monrovia wirksam wird, wachsen die Hubhöhen stärker an: Sherboro hat 3.4, Sa. Leone 4.1, Los- inseln 4.4, Bissao- und Nunezfluß 4.5 m. Doch hat Gore wieder nur 1.5 m, bis dann noch weiter nordwärts am Saharagestade sich schon die Nähe der bevorzugten westeuropäischen Tiden bemerkbar macht: bei Kap Bojador finden wir 2.4, in den marokkanischen Küstenplätzen 3 bis 4 m. — Ent- lang der südamerikanischen Küste haben wir den auffallenden Gegensatz zwischen den sehr hohen Tiden des südlichen Patagoniaschelfs (Porto 1) In dem S. 161, Anni. 2 erwähnten Werke S. 106. 2)BellDaw8onin Nature 1902, Bd. 66, p. 85. ») Outimes of Astronomy 1875, § 756. 320 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. Gallegos 14 m) und den abnorm schwachen des Laplatatrichters (Monte- video 0.8 m) schon früher erörtert (S. 312). An der brasilischen Küste ist der Hub ganz ähnlich dem der gegenüberliegenden afrikanischen be- messen auf 1.5 bis 2 m und nur in den Buchten auf 2 bis 2.5 m. Ein Gegensatz, wie er im Nordatlantischen Ozean zwischen der Ostküste Amerikas und der Westküste Europas auffiel, ist hier nicht wahrzu- nehmen. 2. Als das vornehmste qualitative Merkmal der Tidekonstanten haben wir das Verhältnis (-ß^i + 0): {M^ +'§'2) i^s Auge zu fassen. Nach der Gleichgewichtstheorie soll dieser Quotient = 0.68 sein; es ist uns bereits bekannt (S. 266), daß die atlantischen Tiden vorherrschend einen viel kleineren Index besitzen. Gemäß den Daten unserer Tabelle ergibt sich fast überall der Halbtagstypus als maßgebend. Verhältnis {K^ + 0): {M^ + S^). Godthaab . . . 0.17 St. John (N.-Fdld.) 0.21 Halifax 0.20 St. John (N.-Br.) . 0.08 Boston 0.16 Sandy Hook . . .0.19 Philadelphia . . . 0.22 Baltimore .... 0.42 Wilmington Savannah . Fernandina Nassau (Ba.) Cayenne Pernambuco Rio Janeiro Montevideo (N.-C.) 0.33 . 0.15 . 0.18 . 0.34 . 0.16 . 0.09 . 0.40 . 0.30 Buenos Aires . . 0.71 Moltkehafen (S. G.) . 0.45 St. Louis (Falkl.) . 0.40 Kapstadt . . . .0.10 Dakar ..... 0.16 Lissabon .... 0.07 Socoa 0.07 Brest 0.05 Über 0.25, also in den Bereich des gemischten Typus, erhebt sich dieser Index nur in Baltimore, Wilmington, Nassau und entlang der südameri- kanischen Küste südHch voni Wendekreis bis zu den Falklandinseln, wobei in Buenos Aires mit 0.71 das Maximum erreicht wird^). Die west- afrikanischen und westeuropäischen Orte bleiben noch ganz beträchtHch unter 0.2 zurück: d. h. die tägliche Ungleichheit ist verschwindend klein. Das gilt aber nur für die ozeanischen Küstenplätze; in den angelagerten Nebenmeeren werden wir andere Verhältnisse finden. Jedoch zeigt die Tabelle sehr deutlich, daß die ozeanischen Tiden im atlantischen Gebiet, wie sich G. D. Darwin ausdrückt, „abnorm sind in ihrer Einfachheit". 3. Ein zweites qualitatives Merkmal liefern die harmonischen Kon- stanten in dem Verhältnis der beiden Halbtagstiden S^ :M^ das nach der Theorie = 0.46 (S. 265) sein soll. Dieser wichtige Index erreicht aber an den nordatlantischen Küsten nirgends seine normale Größe und überschreitet sie auch in den Südbreiten nur in Kio Janeiro und Südgeorgien um ein Weniges. Ein Maximum geben die Süd-Orkneyinseln mit 0.59. Mit einer Erklärung solcher starken örtlichen Unterschiede haben wir uns schon früher beschäftigt (S. 246). An den europäischen Plätzen ist die Sonnen- tide relativ doppelt so groß (Index =0.36 bis 0.39) als an den nord- amerikanischen (Index = 0.09 bis 0.22), wie die folgende Tabelle im ein- zelnen zeigt. Das bedeutet einen sehr gemilderten Gegensatz der Spring- tiden zu den Nipptiden auf der nordamerikanischen Seite. Schon ^) Den Tiden auf Südgeorgien sind die der Süd-Orkneyinseln nach den Beob- achtungen der „Scotia" selu: ä&üioh; der Eintagsindex ist = 0.44. G. H. Da r- win, Soient. Papers I, p. 387 gibt die harmonischen Konstanten außer JVg. Verschiedene örtliche Qualität der atlantischen Tiden. 321 W. FerreP) hat auf diesen bedeutsamen Unterschied zwischen den nordamerikanischen und westeuropäischen Tiden hingewiesen. Indenoi er für je 10 Orte der Vereinigten Staaten und Westeuropas Mittelwerte bildete, fand er die halbmonatliche Ungleichheit in Höhe, ausgedrückt in Bruchteilen des mittleren Tidenhubs, an der amerikanischen Seite = 0.17, an der europäischen = 0.32, und dementsprechend in Zeit = 24 und 42 Minuten. Die Extreme geben: in Höhe Philadelphia mit 0.13 imd Kilbaha (Shannonmündung) mit 0.40, in Zeit Charleston mit 18 Minuten und Brest mit 43 Minuten. Man darf aber dieses Merkmal nicht auf die ganze atlantische Küste Amerikas ausdehnen, wie leider öfter in Handbüchern geschieht. Verhältnis der Teiltiden 5. M^, N, Ma und 0 : K^. S.. M„ N^ Mo O K, Jf, N, O M._ K^ Grodthaab . . . St. John (N.-Fdld.) Halifax . . . St. John (N.-Br. Boston . . . Sandy Hook . Philadelphia . Baltimore . . Wilmington (N.-C.) Savannah . . Fernandina Nassau (Bah.) 0.35 0. 0.42 0. 0.22 0. 0.1610. 0.16:0. 0.19i 0. 0.1410. 0.16 0.09 0.18 0.17 0.17 0. 0. 0. 0. 0.24! 0.75 0.44 0.92 0.47 0.74 0.82 0.52 0.74 0.85 0.64 0.71 0.71 Cayenne Pernambuco Rio Janeiro Montevideo Buenos Aires I Moltkehafen (S. Georg.) I St. Louis (Falkld.) ; Kapstadt ; Dakar . j Lissabon j Socoa ' Brest !0.36 0.35 0.57 10.21 i0.21 iO.51 :o.32 0.42 0.36 0.39 0.36 0.37 0.18 0.32 0.42 0.22 0.22 0.21 0.26 0.21 0.21 0.70 1.31 2.06 .0.40 1.80 1.94 1.25 0.28 0.65 1.06 1.20 1.06 4. Sehr gleichmäßig ist überall das Verhältnis der elliptischen Mond- tide iVg zur halbtägigen Tide M^, das normal =0.19 sein soll; nur in Buenos Aires erhebt es sich auf das doppelte Maß, so daß also hier die Hubhöhen im Perigäum merklich größer werden als sonst und der Mond- abstand von der Erde gegenüber der halbmonatlichen Ungleichheit (Spring- gegen Nipptide) sich zu einer gewissen Bedeutung erhebt. 5. Dagegen weist das Verhältnis der beiden eintägigen Teiltiden, . der lunaren 0 und der von Mond und Sonne zusammen gebildeten K-^ um so größere Unterschiede auf. Normal sollte 0:^1 = 0.71 sein; es wird aber in Kapstadt mit noch nicht der Hälfte (0.28) erreicht, erhebt sich dafür an der südamerikanischen Küste auf das Doppelte, in Rio Janeiro sogar auf 2.06, und ist auch an den europäischen Plätzen stark übemormal (Socoa 1.20), wo dann also der lunare Einfluß den solaren überwiegt, während es im Indischen Ozean, wie schon Kapstadt im Über- gange dazu zeigt, meist umgekehrt steht. 6. Neben den Amplituden gewinnen auch die Kappazahlen der Teiltiden ihre Bedeutung; in der nachstehenden Tabelle haben wir die Differenzen S^ — M^, M^ — N^ und Ky — 0 zusammengestellt. *) Tidal Researohea, p. 240. Krttmmel, Ozeanographie. II. 21 322 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. Differenzen der Kappazahlen (in Graden). 05 ^ fc< Godthaab . . . St. John (N.-Fdld. Halifax .... St. John (N.-Br.) Boston .... Sandy Hook . . Philadelphia . . Baltimore . . . Wihnington (N.-C. Savannah . . . Femandina . . Nassau (Bah.) 36 44 34 39 39 28 38 35 52 25 22 24 5 15 19 30 31 17 24 27 4 20 20 22 46 ! Cayenne 31 j Pernambuco .... 22 I Rio Janeiro .... 20 i; Montevideo .... 21 1 Buenos Aires .... 4 Ij Moltkehafen (S. Georg.) 19 St. Louis (Falkid.) . . 221: Kapstadt 39 [[Dakar ...... - 6 Ij Lissabon - 6 i Socoa -4:iBrest !! 24 17 '284 !j 81 ji 23 { 38 43 40 24 32 40 40 36 14 27 23 18 21 19 18 140 60 62 167 34 33 116 102 90 109 105 Die erste Differenzenreihe ilf 2 — Sl ergibt, wenn wir sie durch 24.38" divi- dieren oder mit 0.041 multiplizieren, das sogenannte Alter der Gezeit oder richtiger das Halbtagstidenalter, d. h. den Zeitpunkt, wo die halbtägige Sonnen- und Mondtide phasengleich zusammentreffen, also das Hochwasser der Springtide eintritt. Dieses Alter der Halbtags- springtiden beruht auf den für uns noch undurchsichtigen Interferenzen der Sonnen- und Mondwellen, wenn wir an den atlantischen. Küsten so auffällige Unterschiede wahrnehmen, die selbst bei nahe aneinander gelegenen Orten beträchtlich sein können. Während im allgemeinen der Ostküste von Nordamerika das Tidenalter von 1.4 bis 1.8 Tagen zukommt, finden wir für Sandy Hook nur 1.1 Tage, Wilmington aber 2.1 Tage und Fernandina nur 1 Tag ; ebenso weicht Lissabon mit nur 1 Tag gegen Brest mit 1.6 Tagen ab, und hier sieht es aus, als ob das Tidenalter nach Norden hin wachse, da Socoa mit 1.3 Tagen sich recht in die Mitte einfügt. Aber welche Unordnung im Südatlantischen Ozean! In Rio Janeiro ist die Phasengleichheit um 0.3 Tage zu früh, in Montevideo um 11.6 Tage ver- spätet, während Buenos Aires ganz nahebei doch nur ein Tidenalter von 3.3 Tagen hat. Die Falklandinseln stellen sich neben die neuenglischen Orte, Südgeorgien und die Süd-Orkneyinseln mit 1.5 Tagen neben Lissabon. 7. Die zweite Differenzenreihe Ml—Nt ist der vorigen in vieler Hinsicht analog, indem sie für diese lunaren Tiden den Phasenunterschied angibt und zeigt, wie sich die elliptische zur Hauptmondtide zeitlich stellt. Man erhält das Alter der elliptischen Gezeiten durch Division der (Ml—Nl) durch 13.07° oder Multiplikation mit 0.077 in Tagen. Die zeitlichen Differenzen sind in diesem Falle lange nicht so groß wie im vorigen. An der nordamerikanischen Küste ist im Mainegolf und in der Fundybai eine stärkere Verspätung erkennbar. Zusammen mit der schon erwähnten Wirkung der relativ hohen Amplitude an dieser Küstenstrecke wird dadurch der Unterschied zwischen Spring- und Nipptidenhub noch mehr gedrückt gegenüber dem zwischen Perigäum und Apogäum. Bell Gezeiten des arktischen Mittelmeers. 323 D a w s o n ^) hat diese Dinge einmal näher untersucht, indem er die Monate August und September ins Auge faßte, wo Perigäum und Apogäum mit VoU- und Neumond zusammenfallen. Er fand so für St. John, N.Br., als Hubhöhen in Meter: Springtiden des Perigäum 8.26 ^y^«: _ o oß „ Apogäum 6.20 / i • — • Apogäum 6.20 im Mittel 7.23 ) j^.^ = i 92 Nipptiden bei mittlerem Wasserstand .... 5.31 j Das gleiche Verhalten fand sich bei Sackville im Cumberlandbecken am Nordostende der Fundybai, wo die beiden Differenzen 14.69 — 10.84 = 3.85 und 12.76—9.07 = 3.69 m wurden. 8. Die dritte Differenzenreihe der Kl — 0° gibt für die Eintags- tiden die Verspätung, oder bei negativem Vorzeichen: Verfrühung an, um welche die Eintagsspringtide der größten Monddeklination folgt. Dieses Eintagstidenalter erhält man durch Multiplikation der {Kl — O') mit 0.038 oder Division durch 26.35". Welche großen Unter- schiede zeigen in dieser Hinsicht die einzelnen Orte der nordamerikanischen Küste: vom grönländischen Godthaab mit 1.8 Tagen südwärts zunächst eine langsame Verminderung dieses Alters bis auf fast Null in Neuyork, dann eine Verfrühung, die in Wilmington 1.5 Tage erreicht; in Per- nambuco wieder eine sehr starke Verspätung um 5.3 Tage, die in Kio Janeiro und Montevideo abnimmt auf 2.4 Tage, aber in Buenos Aires nochmals auf 6.3 Tage anwächst: was bedeutet, daß die Eintagsspringtide mit dem Durchgang des Mondes durch den Äquator fast zusammenfällt, wo die Deklination also Null wird. In Südgeorgien und den Falklandinseln ist die Verspätung wieder nur 1 V4 Tage, auf den Süd-Orkneys gar nur 0.6 Tage. In Kapstadt haben wir die sehr beträchtliche Verfrühung von 4.5 Tagen, an den europäischen Küsten hält die Verspätung sich bei 4 Tagen. Alle die in dieser Charakteristik aufgeführten örtlich so sehr schwan- kenden zeitlichen Verschiebungen lassen sich dem Verständnis nur so näher führen, daß wir Interferenzen annehmen, die auf Reflexen und Durchkreuzungen gleichphasiger Teiltiden beruhen. Wie alle Nebenmeere, so nehmen auch die atlantischen in Hinsicht auf ihr Gezeitensystem im wesentlichen eine unselbständige Stellung ein. Wenn auch sicherlich die drei größeren Mittelmeere des atlantischen Gebiets ihre eigenen Tiden entwickeln, so treten diese doch an Intensität zumeist stark zurück gegenüber den aus dem benachbarten Ozean emp- fangenen; immerhin wird es sich empfehlen, solchen Spuren selbsterzeugter Tiden in den Nebenmeeren mit besonderer Sorgfalt nachzugehen, soweit dies zurzeit überhaupt möglich ist. Im Mittelländischen Meer werden wir sie sogar sehr beträchtlich entwickelt finden. Aber auch die Tiden ozeanischen Ursprungs zeigen hier mannigfache örtliche Abwandlungen, und diese näher zu kennzeichnen, ist schon eine weniger schwierige Aufg-^?. Wie weit in dem größten der atlantischen Nebenmeere, dem Ark- tischen Mittelmeer, eigene Tiden auftreten, ist zurzeit noch nicht zu sagen. Die sehr unzureichenden Beobachtungen lassen die arktischen ^) Journ. R. Astron. Soc. o£ Canada 1907, p. 216. 324 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. Gezeiten als wesentlich atlantisch erkennen. Eine Hauptwoge tritt durch die breite Öffnung zwischen Grönland und Schottland, eine zweite durch die Davisstraße ein; die Beringstraße ist zu eng und seicht, als daß sie eine genügend merkliche Tidenenergie nach Norden hin weitergeben könnte. In das Europäische Nordmeer wird die ozeanische Haupttide an drei Stellen eintreten: durch die Dänemarkstraße zwischen Grönland und Island, sodann zwischen Island und den Färöer, und drittens zwischen den Färöer und der Nordseebank. Die eingelagerten Inselflächen Islands und der Färöer werden die Wogen von allen Seiten her auf sich zulenken, so daß nicht zu verwundern ist, wenn infolge der dabei entstandenen Inter- ferenzen die Hafenzeiten ein sehr verwirrtes Bild darbieten. Von den anscheinend schwachen isländischen Tiden haben die Gezeitentafeln nur ganz unzureichende Angaben. Aber die sehr viel ausführlichere Liste der Färöer zeigt eine solche, auf den ersten Blick ganz unverständliche An- ordnung, und jegliche Beziehung zu den gegebenen Wassertiefen ist in die Brüche gegangen. Wenn wir die Unterschiede in den Hafenzeiten (stets nach Greenwichzeit) von Nolsöfjord bei Thorshavn (4^ 2ß^) bis ?:um Skopenfjord (5^ 27"^) und weiter nach Nordwesten zum Hestöfjord (6^ 58™) und Vaagöfjord (6^^ 28»») benutzen, um daraus die Geschwindig- keit und aus dieser die zugehörige Wassertiefe zu berechnen, so erhalten wir: zwischen Nolsö- und Skopenfjord 8 Seemeilen stündlich, also 2 m Tiefe, zwischen Skopen- und Hestöfjord 5 Seemeilen oder 3 m Tiefe, und vom Skopen- zum Vaagöfjord 12 Seemeilen oder 4 m Tiefe, während doch überall mehr als 50, stellenweise über 100 m gelotet sind, also 40 bis 50 Seemeilen in der Stunde durchlaufen werden sollten. Hierin haben wir den deutlichen Beweis dafür, daß die Hafenzeiten der Färöer Resultanten aus mehreren Komponenten einander durchkreuzender Tiden sind; sie im einzelnen aufzulösen, erscheint aber sehr schwierig, zumal schon aus dem Ozean mehrere Wellen herüberkommen. Nach Harris soll hier ein Drehpunkt für eiine linksläufige Amphidromie liegen, woraus sich eine Stenochronie von selbst ergibt. Einer anscheinend ganz regelmäßigen Folge der Hafenzeiten begegnen wir erst entlang der norwegischen Küste bis in die Barentssee hinauf: Kumlesmid am Korsfjord (60.2" N., 5.1° 0.) hat 9b 53™, Christiansund lO^^ 38™, Fröien (Titran, 63.7« N.) 10^ 49™, Vaerö am Südende der Lofoten 11^ 38™, Andenäs (Vester Aalen) 11 ^^ 47™, Hammerfest 12^ 53™, Vadsö 4:^ 24™, was sich ungefähr im Einklang mit den Wassertiefen anordnet. Dasselbe gilt auch noch für die Murmanküste (Teribersk 4^ 59™, Yukansk 6^ 22™, Turna 7^ .11°^), bis dann die unregelmäßige Gestaltung des Weißen Meers in Umriß und Bodenform wieder mehr Schwierig- keiten für das Verständnis darbietet. Wenn K. Orlof um 8 Uhr Hoch- wasser hat und am. Anfang des Schlunds (Gorlo) Sosnowetz um 9*^ 1™, so, ergeben sich für diese Strecke von 45 bis 50 Seemeilen Mitteltiefen von 55 bis 65 m, was auch der Seekarte entspricht. Dagegen wächst weiterhin, und zwar bei denselben Wassertiefen, die Hafenzeit an der Nordseite von Sosnowetz (9^ 1™) nach Tetrina (0^ 44™) auf 75 Seemeilen um 33/4 Stunden, imd an der Südseite von Kap Intzi (9^ 13™) bis Kap Karetz (Ih 23m) auf 55 Seemeilen um 4 Standen, was an der Nordseite eine stünd- liche Geschwindigkeit von 20, an der Südseite von 14 Seemeilen ergäbe Gezeiten des Arktischen Mittelmeera. 325 und damit rechnungsmäßig nur Wassertiefen von 11 und 5 in. Hieraus geht unzweifelhaft hervor, daß sich im Gorlo eine Knotenlinie für eine stehende Schwingung von Halbtagsperiode befindet, die sich mit der eindringenden fortschreitenden Tide weiterhin kombiniert. Denn daß die letztere jedenfalls vorhanden ist, erweist sich aus der Verspätung der Hafenzeiten nach Süden und Südwesten hin: so hat Shishginsk 2^ 48™, Kern 3^ 5™, Sumsk 5^ 8"^ und Onega 6*^ 45i", wogegen am ganzen Nord- ufer fast gleichzeitig Hochwasser eintritt (Tetrina 0** 44™, Kusomen 1^ 2™, Umba 0^ 12™, Kandalakscha und Kovda 1^^ 15™). Zerlegen wir nun die ganze Strecke von der Mitte des Gorlo in 39° 0. L. bis zur Onegabarre in 24 gleiche Teile von 10 Seemeilen, so ergibt die Rechnung, daß eine um 0 Uhr aus dem Gorlo abgegangene Woge nach 6 V2 Stunden vor der Onegabarre anlangt, was in der Tat der dort beobachteten Hafenzeit nahekommt: ein solches Becken aber, das etwa in einer halben Tide einmal durchlaufen wird, empfängt einen günstigen, Impuls für eine stehende Schwingung von der doppelten Periode. Die Gleich^itigkeit des Hoch- wassers an der Nordseite bleibt allerdings noch aufzuklären; es kommen dabei die großen Wassertiefen (bis 345 m) in Betracht, vielleicht aber auch noch Schwingungen in ein^i; anderen Richtung. Der weitere Verlauf der Flutwogen vom Europäischen Nordmeer her über die Ostgrönlandschwelle in das eigentliche Nordpolarbecken hinein ist in einer ganz hypothetischen Form von R. Harris^) dargestellt; mangels geeigneter Beobachtungen hat auch die Kritik wenig Handhaben. Nach Harris läuft die Tide nördlich um Spitzbergen und Franz-Josephs- Land herum (Hafenzeit der Teplitzbai 2 Uhr), biegt sodann mit einem Teil rechts in die Karische See ein, während sie sonst am sibirischen Schelf entlang ostwärts bis zur Beaufortsee weiter vordringt. Bei Point Barrow läuft der Flutstrom, also auch die Woge selbst, nach Osten, ebenso noch östlich von der Mc-Kenziemündung; doch tritt in den Hafenzeiten bei Kap Demarcation (an der Grenze von Alaska gegen das britische Nord- amerika) ein Sprung um 7 Stunden auf, was auf eine hier maßgebende Knotenlinie hinweist. — Ein Teil der Tide, der über die Ostgrönland- schwelle nordwärts gegangen ist, wendet sich auch nach Westen und gelangt an der Nordküste Grönlands von Nordosten her in den Robeson- kanal hinein. Im Bereiche des Parryarchipels und der übrigen Inseln des arktischen Nordamerika begegnet sich diese Welle sowohl mit den Ausläufern der aus der Sibirischen See angekommenen als auch mit denen der atlantischen Tide von der Baffinbai her. Die Abgrenzung dieser Wellen im einzelnen ist schwierig, zumal der Tidenhub allgemein nur klein ist 2). So ist im Süden im Coronationgolf (110° W. L.) von Gezeiten praktisch nichts zu spüren, während in der, Dolphin- und Unionsträße eine Woge aus der Beaufortsee her, in der Deasestraße eine andere von Osten her einläuft; auch die letztere kommt wohl aus der Beaufortsee um Viktorialand herum von der Banksstraße her. Durch die Barrowstraße aber dringt auch die atlantische Welle bis zur Melvilleinsel vor und ver- einigt sich mit ihr. In den von Sverdrup durchforschten Fjordstraßen *) Manual of Tidea IV B, p. 383 und Tafel 24—28. •) Einzelheiten bei Harris a. a. 0. S. 387. 326 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. treffen sich ebenfalls mehrere Wogen, von denen Harris die wichtigste nicht aus Westen, sondern aus der Nordgrönlandsee kommen läßt, während ein zweites System durch den Jonessund aus der Baffinbai eindringt. Auf die von Harris angenommene Absperrung des inneren Pol'arbeckens durch ein großes Inselland zwischen dem Pol, dem Gebiete der Jeanette- trift und der Prinz- Gustaf -Adolf -See näher einzugehen, liegt hier keine weitere Veranlassung vor, zumal die neuesten Lotungen Mikkelsens seiner Hypothese nicht günstig sind^). Für die qualitative Untersuchung der arktischen Tiden haben wir einige Pegelstationen zur Verfügung, die mit ihren harmonischen Kon- stanten in der beistehenden Tabelle verzeichnet sind. Harmonische Konstanten ans dem Arktischen Mittelmeer^). Ort Amplituden 1 1 Kappazahlen in Zentimeter [1 in Graden M^ s. N,\K^ 0 iiilf^o 5^0 N^^\K^^ 00 10.4 5.6 1.7 4.3 7.3 187 204 178 135 46 35.0 16.7 7.6 8.7 9.3 337 28 312 65 35 44.0 16.0 8.5 3.4 1 3.1 298 334 270 170 18 86.6 29.9 17.4 10.4 4.0 357 35 334 208 32 100.3 28.0 22.0 11.6 3.1 164 208 130 286 92 14.3 5.2 2.7 1.5 168 230 — 11 354 59.7 27.1 11.6 8.5 2.7 335 19 309 222 199 60.8 20.9 12.8 27.5 14.9 347 34 315 243 162 Thorshavn (Färöer) . . . . Scoresby-Sund (Ostgrönland) . Bergen Bodo Vardö Teplitzbai (Franz-Jos.-Land) . Discoveryhafen (Robes. Kan.) Beechey I. (Barrowstr.) . . Nach der Theorie kann in diesen hohen Breiten die Intensität der Tiden nur ganz gering sein und das wird auch durch alle vorliegenden Beobachtungen bestätigt: an den isländischen und norwegischen Küsten steigt der Tidenhub auch bei Springzeit nur auf 2 bis 2.6 m, in den spitzen Buchten der Murmanküste kommt er wohl auch auf 4 m, in der Mesen- mündung sogar bis 6.7 m. Dageoen sind die Hubhöhen in der Teplitzbai nur 30 cm, ebenso entlang den sibirischen Küsten, auch in den Flußmün- dungen der südlichen Karasee. Bei der Bennettinsel fand De Long nur 60 cm, Nordenskiöld bei Pitlekaj gar nur 6, und auch bei Kap Sheridan am Robesonkanal sind es nur 60 cm. Die atlantische Qualität der Tiden tritt in dem Eintagsindex (0 -f iCj) : (Ma + 6*2) deutlich hervor Insbesondere besitzen die nor- wegischen Orte typische Halbtagstiden : Bergen 0.11, Bodo 0.12, Vardö 0.11. Auch Franz- Josephs-Land folgt diesem extremen Typus (die Teplitzbai hat 0.22), ebenso Discoveryhafen 0.13. Dagegen hat die dänische Station im Scoresbysund schon 0.3-5, und Thorshavn sogar 0.73, auch Beechey- insel noch 0.52, .ebenso dem letzteren nahe benachbart Port Leopold 0.51. Hier gewinnt die tägliche Ungleichheit schon einige Bedeutung, aber nirgends sind Eintagstiden maßgebend. Nach der ganzen Gestaltung des Arktischen Mittelmeers will Harris eine eintägige Schwingung begünstigt finden; in der Tat aber ergibt die Rechnung für eine Strecke von den 1) N a n s e n im Geogr. Journ. 1907, Bd. 30, S. 481 und Pet. Mitt. 1908, S. 48. •-) Nach Harris a. a. O. und Ad. P a u 1 s e n, Rapport sur les Travaux du Service Mar^ographique I et II, Copenhague 1907. Gezeiten der Hudsonbai. 327 Färöer zur Beringstraße (= 6000 km) als hierfür günstige Mitteltiefe 1940 m, was dem mutmaßlichen Werte (1170 m) nicht allzu nahe kommt. Wenn dabei der Eintagsindex klein bleibt, so beweist das die in diesen hohen Breiten stets nur minimale fluterzeugende Kraft. Auch die übrigen Merkmale folgen dem atlantischen Typus. Die Sonnentide ist fast genau normal sowohl im Scoresbyfjord, wo »Sg : Mg = 0.48, wie auch in Reykjavik mit 0.47, und im Discoveryhafen (0.45), etwas übernormal in Thorshavn (0.54), dagegen nahe verwandt dem westeuro- päischen Verhältnis zu klein in Bergen 0.36, Bodo 0.35, Vardö 0.28 und Teplitzbai 0.36, auch in Pitlekaj 0.30. — Das Verhältnis der beiden Halb- tagstiden N^: M 2 bietet wie an den europäischen Küsten nichts Auffallen- des, nur Thorshavn mit 0.15 bleibt unter dem Normalen (0.20). Inter- essanter sind wieder die beiden Eintagstiden 0 und K^ Wie an den west- europäischen Ozeanküsten übersteigt der Quotient O/K^ die Einheit im Scoresbysund und in Thorshavn (hier abnorm hoch = 1.70!), nimmt dann aber an der norwegischen Küste ins Innere des Polarmeers hin stark unter den Normalwert von 0.71 ab: Bergen 0.91, Bodo 0.38, Vardö 0.26; aucn der Robesonkanal hat 0.32, dagegen ist Teplitzbai mit 0.56 und Beecheyinsel in der Barrowstraße mit 0.54 wieder höher. Das Alter der Halbtagstiden (Sg** — M^^) nimmt in regelmäßiger Ver- spätung von den Färöer an ins Innere zu : Thorshavn hat 0.7 Tage, Bergen 1.47, Bodo 1.6, Vardö 1.8 und Teplitzbai 2.5 Tage. Dagegen ist die Verspätung größer im Scoresbysund (2.1 Tage) und kleiner als zu erwarten im Robeson- kanal (1.8) und der Barrowstraße (1.9 Tage). Das Alter der Deklinations- tiden 0.038 {Ki° — 0*) ist auch hier örtlich sehr verschieden. Im Scoresby- sund nur wenig über einen Tag (1.14) betragend, steigt es in Thorshavn schon auf 3.4 Tage, sodann in Bergen auf 5.8, Bodo 6.7, Vardö 6.3 Tage — hier sind also auch die Deklinationstiden dann am größten, wenn die Deklination des Mondes ein Minimum wird. In der Teplitzbai finden wir wieder nur 0.65 Tage und am Robesonkanal 0.9 Tage, dagegen in der Barrowstraße 3.1 Tage Verspätung. — Auch die Differenz der Kappazahlen (Mj" — A'^2") ist stark schwankend: von 9° in Thorshavn bis 34 <* in Vardö. Bodo, Bergen, Scoresbysund und Robesonkanal halten sich zwischen 22° und 26''. In den Hauptzügen bleibt also eine ausgesprochene Ver- wandtschaft der arktischen Tiden mit den nordostatlantischen unver- kennbar. Neben das Arktische Mittelmeer stellt sich die H u d s o n b a i als ein ähnlicher Anhang des Nordatlantischen Ozeans dar : die Gezeiten treten aus der Davisstraße durch die Hudsonstraße ein, wo sie etwas nach 11 Uhr (Greenw.) anlangen, in 3 Stunden die Straße durchlaufen und in weiteren 3V2 Stunden die Westküste der Bai erreichen ( York-Faktorei 5^ 25"^). Im Foxkanal besteht nach Harris wahrscheinlich eine linksläufige Amphi- dromie, wobei die Woge rechts ans Land gelehnt an der Ostseite nach Norden, an der Westseite nach Süden fortschreitet. Bemerkenswert hoch und durch Verseichtung wie Verengung des Weges wohl im wesentlichen erklärbar sind die Hubhöhen der Ungawabai, wo an der Koksoakmündung 11.7 m Springtidenhöhe beobachtet werden. Auch schon in den West- zipfeln der Davisstraße sind die Hubhöhen beträchtlich: im Cumberland- sund bei Kingua (66° 36' N.) 6.2 m und im Ananitohafen (20 Seemeilen 32S Die Gezeiten des atlantiseben Gebiets. südlicher) 4.5 m. — Die Qualität der Tiden wird durch drei Stationen in der Hudsonstraße gekennzeichnet, denen zum Vergleich auch die Kon- stanten für Kingua beigefügt sein mögen ^). Die Werte der Halbtags- tide N^ (36.7 cm und 144°) sind nur für den letzteren Ort bestimmt. Harmonische Konstanten ans der Cnmberlandbai und Hndsonstraße. Ort Amplituden (cm) Jf 2 I ^2 I Xi I 0 Kappazahlen (Grad) Ä, ^i" 0« Kingua . . Port Burwell . Äshe Inlet Nottingham I. 226.4 217.0 335.3 144.6 81.3 71.0 121.3 64.0 8.2 14.6 15.9 6.7 2.7 5.8 6.4 7.6 169 263 234 260 202 305 296 321 32 114 108 91 47 157 349 17 Das Verhältnis der Sonnen- zu den Mondtiden ist so wie in Westeuropa, nicht wie an den Neuenglandküsten, nämlich 0.33 bis 0.37. Ebenso wie in Westeuropa ist auch der Eintagsindex sehr klein: 0.04 in Kingua, 0.07 in P. Burwell und Nottingham, 0.06 iii, Ashe Inlet. Das Ver- hältnis 0 : Kl ist in Nottingham I. übernormal (1.14), in den anderen stark darunter (0.3 bis 0.4). Das Alter der Halbtagstiden beträgt 1.7 Tage inP. Burwell, 2.5 Tage in Ashe I. und Nottingham I., das Alter der Eintags- oder Deklinationstide ist in Kingua 0.6 Tage, Ashe I. 4.5 Tage, Notting- ham I. 2.8 Tage, aber in P. Burwell — 1.6 Tage, also hier wird ihr Maximum schon 1 2/3 Tage vor dem Maximum der Deklination erreicht. In den Hauptmerkmalen sind die Hudsonstraßentiden also deutlich westeuropäisch und nicht amerikanisch. Sollen wir darum annehmen, daß auch die maßgebenden Tidewellen von. den europäischen Küsten hier herüberkommen? — •Der Sankt Lorenz-Golf empfängt seine Gezeiten aus dem Ozean durch die nur 56 Seemeilen breite Cabotstraße; die außerdem von Norden her durch die Belle-Isle- Straße eindringende Welle äußert sich nicht wesentlich über den Bereich dieser Straße hinaus westwärts. Im Golf selbst erleidet die Tide eine sehr interessante Umwandlung; wie schon E. Harris erkannt hat, büdet sich dort eine gegen den Uhr- zeiger drehende Amphidromie. Urteilt man ausschließlich nach den Hafenzeiten (vgl. die Tabelle S. 330), so kann man wohl zu der Auffassung kommen, daß die Welle von der Cabotstraße aus sich spalte: ein erster und hauptsächlicher Teil, geht an der Westküste Neufundlands nach Norden und trifft dann die gegenüberliegende Festlandsküste in breiter Front, um nördlich um Anticosti herum in den St. Lorenz-Trichter einzu- treten und diesen dann bis über Quebec hinauf zu laufen, wobei aber ein Flügel der Welle beim Kap Gaspe nach Süden geht und die Prinz-Edward- Insel von Nordwesten her erreicht. In der diese Insel vom Festland (Nova Scotia) trennenden Northumberlandstraße begegnet sich dieser Wellenteil mit einem zweiten von der St. Paul-Insel westlich von Kap Breton-Insel nach Südwesten gelaufenen Zweige, ebenso auch noch mit einem dritten Zweig, der von St. Paul gerade westwärts nach der Magda- ») Proc. R. Soc. London 1889, Bd. 45, p. 570. Gezeiten des St. Lorenzgolfs. 329 leneninsel gegangen ist. Aber die Hafenzeiten sind, abgesehen vom eigent- lichen St. Lorenz-Trichter, nirgends im Einklänge mit den Wassertief en : so ist es ganz unverständlich, wie die um 0 Uhr Greenw. bei St. Paul stehende Welle volle 5 Stunden brauchen soll, um die Entfernung von 130 Seemeilen zum Ostkap von Anticosti durch Wassertiefen von meistens über 400 m Z.U durchmessen, was doch einer Geschwindigkeit von 26 Seemeilen pro Stunde und damit einer Wassertiefe von nur 18 m entspricht. Ebenso sieht man nicht ein, weshalb nördlich von Anticosti die Welle vom Natash- quanhafen nach dem Betchewim für 55 Seemeilen 38 Minuten, dagegen vom letztgenannten Orte nach Mingan für 35 Seemeilen 1^ 37«^ brauchen soll, ohne daß die Wassertiefen sich unterwegs wesentlich geändert hätten. Fig. 91. 70° wost I, V drcpnw \^.-F.> t)u !• r I'^uiullaiui 43' Amphidromie im Golf von St. Lorenz. Eine solche Zusammendrängung der Flutstundenlinien begegnet dann wieder südlich von der Chaleurbai nach der Prinz-Edward-Insel hin, welche Insel dann selbst an ihrer Nordküste praktisch zur gleichen Zeit ihr Hochwasser empfängt. Das sind deutliche Kennzeichen stehender Schwingungen: wahrscheinlich durchkreuzen sich zwei solcher stationärer WeUen in den beiden Hauptachsen dieses Nebenmeeres, woraus dann eine Amphidromie entstehen muß (vgl. S. 257), deren Zentrum irgendwo zwischen der Ostspitze von Anticosti und den Magdaleneninseln liegt. Harris setzt den Drehpunkt westlich von den letztgenannten Inseln an, vielleicht liegt er aber noch nördlicher als auf beistehender Skizze (Fig. 91) angegeben ist. In der Tabelle (S. 330) sind als Belege dafür die Hafenzeiten und Hubhöhen der Springtiden für eine Auswahl der Küstenpunkte 330 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. zusammengestellt^). Auch die Hubhöhen beweisen die Nähe des Dreh- punkts bei den Magdaleneninseln, wo der Nipptidenhub auf 60 cm sinkt. Hafenzelten (nach Grw.) nnd Ilnbhöhcn für Springtide (in m) Im St. Lorenzgolf Ort N.B. W.L. Hafen- Hubhöhe 0 0 zeit m ^Cape North . . . 47.1 60.4 Oh 2m 1.2 Cabotstraße . . < St. Paul Id. . . . 47.2 60.2 Oh Om 1.5 [PortBasque (N.-F.) 47.6 59.2 Oh 51m 1.8 Westküste von Neufundland . (Codroy Cow Head ... . 48.9 49.9 59.6 57.8 Ih 13 m 2 h 39 m 1.8 1.9 [st. Genevi6ve B. . 51.1 56.8 2 h 30 m 1.5 Belle-Isle-Str. . fPistolet Bay . . . (Red Bay .... 51.5 51.7 55.8 56.5 11h 21m 11h 31m 1.0 1.0 /Bonne Esp^rance . 51.6 57.7 Ih 06m 1.5 Little Mecattina 505 59.3 2 h 28 m 1.5 Wapitagun . . . . 50.2 60.0 2 h 30 m 1.5 Norcilriifltft Hftfl Natashquan . . . 50.2 61.8 3 h 07 m 1.5 Golfs ... Betchewun . . . 50.2 63.2 3 h 45 m 1.5 Mingan .... 50.3 64.0 5 h 32 m 1.8 Seven Islands . . 50.2 66.5 6 h 06 m 2.7 Egg Islahd . . . 49.7 67.2 6 h 29 m 3.4 Point de Monts 49.3 67.4 6h 40m 3.7 Cape Chatte . . . 49.1 66.7 6h 40m 4.0 Bershnis Point . . 489 68.6 6 h 34 m 3.7 St. Lorenzstrom Father P. . . . . 48.5 68.5 6 h 48 m 4.0 Green Island . . 48.1 69.4 7 h 23 m 4.9 Grosse Isle . . . 47.0 70.6 10 h 06 m 5.8 Quebec .... 46.7 71.2 11h 23 m 5.5 West Cape . . . Southwest Cape 49.9 64.5 6 h 18 m 1.8 Anticosti . . . 49.4 63.6 5 h 44 m 1.8 East Cape . . . Bear Bay .... 49.1 61.7 5 h 07 m 1.5 49.5 62.4 5 h 21m 1.5 Cape Magdalen . . 49.2 65.3 5 b 36 m 2.2 W^ftsflriisf.i» Cape Gasp6 . . . 48.7 64.2 6 h 43 m 1.5 T T 90 UJX 1,113 LC • • ' Miscou 48.0 64.5 6 h 45 m 1.5 Escouminac Pt. 47.1 64.8 8 h 29 m 1.2 Magdalen Island: Amherst . . . . 47.2 62.0 Oh 28m 0.9 Prinz-Edward-I. Cascumpeque . . 46.7 64.0 9 h 56 m 0.9 Richmond . . . 46.6 63.7 10 h 15 m 0.9 Nordküste . . St. Peters . . . . • 46.5 62.7 10 h 41 m LI East Point . . . 46.5 62.0 Oh 38m LI Egmont Bay . *. 46.6 64.2 7 h 14 m 1.2 Crapaud .... 46.2 63.5 2 h 14 m 2.4 Northimiberland- Bay Verte . . . 46.0 64.0 2 h 16 m 2.7 sund .... Charlottetown . . 46.2 63.1 2 h 57 m 2.9 Picton 45.6 62.5 2h lim 1.8 Port Hood . . . 46.0 61.5 Ih 06m 1.4 ^) Die Angaben der Gezeitentafeln und der britischen Seekarte Nr. 2516 sind er- gänzt und berichtigt nach Bell Dawson, Survey of Tides and Currents in Canadian Waters, Ottawa 1902, p. 8 £. Gezeiten des St. Lorenzgolfs. 331 Im Northumberlandsund scheint die direkte Welle (vom Cape North her) bis nach Crapaud hin zu überwiegen, erst am Nordausgange der Straße macht sich die Amphidromie geltend. — Im St. Lorenzstrom selbst läuft die Tide mit einer den Wassertiefen angemessenen Geschwindigkeit strom- aufwärts, erreicht bei Grosse Isle ihre größte Hubhöhe (5.8 m bei Springtide) und dringt noch über Quebec hinaus in 4^4 Stunden 67 Seemeilen oder 135 km weiter bis zum St. Peter-See; in Trois Eivieres am unteren Aus- gange des Sees sind noch 30 cm Springtidenhub. Die qualitative Untersuchung der laurentischen Gezeiten wird später sehr erleichtert werden, wenn die von Bell Dawson seit vielen Jahren eingeleiteten Registrierungen der Tidekurven an zahlreichen Küsten- punkten abgeschlossen und die harmonischen Konstanten veröffentlicht sein werden. Die in der folgenden Tabelle enthaltenen Angaben sind einer handschriftlichen Mitteilung dieses verdienstvollen Gezeitenforschers ent- nommen. Harmonische Eonstanten ans dorn St. Lorenzgrolf. (Die Kappazahlen beziehen sich bei St. Paul und Forteaubai auf 60" W. L., bei Father Point und Quebec auf 75 ° W. L. Ort Amplituden (cm) Kappazahlen (Grad) M, S2 N, Ky 0 \M^ s,' A'a" Z,o 0» St. Paul Id. . . . 31.0 10.0 6.7 8.4 9.5 246 286 221 236 205 Forteaubai (Belle- Isle-Str.) . . . ! 40.8 14.1 8.3 10.4 8.4 285 308 260 180 162 Father Point . . . Ü26.4 42.2 28.1 22.5 21.6 i 49 88 23 202 178 Quebec .... 1180.0 43.0 30.7 22.7 21.0 178 226 150 269 241 Das Verhältnis der halbtägigen Sonnen- zur Mondtide ist in Quebec nur 0.24, in den anderen Orten 0.32 bis 0.35, also stark unter normal. Der Eintagsindex läßt St. Paul unter den gemischten Typus (0.44) ein- reihen, dagegen Quebec unter den echten Halbtagstypus (0.19). Die Halbtagstiden N^ und Mg stehen sich überall ziemlich normal {N,^ : M^ = 0.17 bis 0.20), die beiden Eintagstiden durchweg übernormal gegenüber (0 : Äi = 0.80 in Forteaubai, 0.92 in Quebec, 1.13 in St. Paul und 1.25 in Father Point). Das Halbtagstidenalter ist 1.6 Tage in Father Point und St. Paul, 2 Tage in Quebec und nur 0.9 Tage in Forteaubai; das Eintagstidenalter nur in Forteaubai 0.7 Tage, bei den anderen ungefähr 1 Tag, das der elliptischen Tide wenig verschieden bei 2 Tagen. Nach Bell Dawson^) ist im Northumberlandsund die tägliche Ungleichheit sehr gesteigert, und zwar nimmt sie von Osten nach Westen stetig zu: in Charlottetown, wo der Hub fast bis 3 m steigt, ist der Unterschied der beiden Tiden innerhalb 24 Stunden größer als der zwischen Spring- und Nipptide. Eine ähnliche Ungleichheit zeigen auch die Tideströme im Sund: das Zeitintervall zwischen dem Kentern des Stroms und dem Hoch- oder Niedrigwasser ist örtlich sehr verschieden groß, und die Ver- spätung des Kenterns kann bis zu 2 Stunden erreichen, was sich dann ebenfalls nach der Monddeklination richtet; nicht nach den Phasen, denn 1) Journ. R. Astron. Soc. of Canada 1907, p. 219 f. 332 I^iö Gezeiten des atlantischen Gebiets. die maximale Deklination kann sowohl in die Springtiden wie in die Nipp- tiden fallen. Bisher schrieben die praktischen Seeleute diese Unregel- mäßigkeiten einfach dem Winde zu, bis die genauere Beobachtung die genannte kosmische Beziehung aufdeckte. — Als einen weiteren kennzeich- nenden Zug an den laurentischen Tiden erkannte Dawson die Umkehrung der täglichen Ungleichheit zwischen dem Eingang in der Cabotstraße und der im Westen gegenüber liegenden Küste, d. h. wenn an einem ge- gebenen Tage im Osten die Morgentide höher ist, wird es im Westen die Abendtide, was mit der stehenden Welle zusammenhängt. Das Amerikanische M i 1 1 e 1 m e e r ist mit seinen Tiden nur rudimentär entwickelt. Gegenüber dem Arktischen, das die große Zugangsbreite von 16.5 Prozent besitzt, während es selbst nur auf 7.5 Pro- ,zent kommt ^), ist es schon stärker gegen den Atlantischen Ozean ab- geschlossen, und überdies liegt, wie wir sahen, an seinem relativ breitesten Tor bei den Kleinen Antillen eine Knotenlinie mit ganz kleinem Tidenhub (S, 310). So kommt "fts wohl, daß in diesem ganzen Mittclmeer die Tiden überhaupt und allgemein geringfügig sind: meist liegen sie zwischen 0.3 und 0.9 m, im ganzen Golf von Mexiko erheben sie sich nirgends über 0.7 m, auch im Seichtwasser südlich von Kuba nur bis 0.8 m, und nur iri den Verengungen zwischen den Bahamainseln wachsen sie auf 1.2 und 1.4 m an. Auch entlang der Nötdküste Südamerikas ist der Tidenhub unter 1 m, imd man hat seit alters den Gegensatz zwischen den beiden Seiten der Landenge von Darien mit Recht so auffallend gefunden, wo doch an der pazifischen Seite ein Tidenhub von 3 m ganz verbreitet ist, und im Golf von Panama selbst ein solcher von fast 6 m gemessen wird. Ein zweites Merkmal der Verkümmerung liegt in dem Zurücktreten der Halbtagstiden gegenüber den eintägigen. Im ganzen Amerikanischen Mittelmeer ist, ganz abgesehen vom geringen Tidenhub an sich, der Begriff der Hafenzeit praktisch entbehrlich und widersinnig: denn an Stelle der halbmonatlichen, sonst den Ozean beherrschenden Schwankung von den Spring- zu den Nipptiden tritt hier die Wirkimg der extremen Monddekli- nationen, d. h. es herrschen die Eintagstiden, und nur wenn der Mond in der Nähe des Äquators steht, wird etwas von den gewöhnlichen Halb- tagstiden erkennbar. Nur mit dem rechnerischen Hilfsmittel der har- monischen Analyse kann man Amplitude und Epoche der partiellen Tiden Mg und Sg aussondern und zeigen, wie sie von den ozeanischen Toren her in das Innere vordringen. Aber ihre Amplituden sind überall geschwächt und die eintägigen Partialtiden Ä^^ und 0 gewinnen die Ober- hand. Die nachstehende Tabelle (S. 333) bringt das gegenseitige Ver- halten der Teiltiden deutlich zum Vorschein. Indem wir den Haupt- index {Kx + 0) : (Ufa + 'Sg) bilden, sehen wir insbesondere an der Nord- seite des Mexikanischen Golfs die Eintagstiden in vollster Herrschaft; schon m der Floridastraße gegenüber Havanna und an der Westseite von Florida hat sich der nordamerikanische Halbtagstypus (vgl. Fetnandina mit 0.18 oben S. 320) begonnen abzuschwächen zu einem gemischten Typus von fast normaler Größe (= 0.71) und an den Golfküsten zu beiden Seiten der Mississippimündung rasch zu einem erstaunlichen Maximum ^) Ozeanographie ßd. I, S. 32. Gezeiten des Amerikanischen Mittelmeers. 333 Harmonische Konstanten ans dem Amerikanischen Mittelmeer. Ort II Jf , Amplituden (cm) O Kappazahlen (Grad) Jtf/ «2» iV/ Ki'^ O« Key West Tortugas . . Cedar Keys . Saint Marks . Pensacola . . Mobile . . . Cat Island Mississippi South Galveston . . Veracruz . . Colon . . . Ponce . . . San Juan Portor Culebra . . St. Thomas . 17.1 14.6 32.3 34.1 1.8 2.1 3.7 1.8 6.7 6.1 8.2 0.9 14.9 8.8 3.7 5.2 5.2 12.8 13.4 0.9 1.2 2.1 1.2 1.2 1.8 0.9 0.6 2.1 1.2 0.9 3.7 3.0 4.9 4.6 0.3 0.9 0.6 1.5 1.8 0.3 3.4 1.5 8.2 11.3 16.2 17.7 12.5 11.6 15.9 13.4 10.7 16.5 12.3 7.3 8.2 7.6 9.1 8.8 11.0 14.9 15.5 12.5 11.3 14.6 10.1 10.1 19.2 6.1 5.5 7.3 5.8 7.3 260 278 24 44 317 301 11 317 125 75 8 280 246 241 208 280 292 51 73 315 313 24 298 134 355 195 264 267 266 243 232 271 23 27 318 33 341 111 67 160 232 223 274 275 314 319 320 318 325 321 321 282 158 186 163 162 171 273 271 309 308 310 308 3J5 312 312 32b 160 175 161 155 153 Eintagsindex {K^ + 0) : (i/, + S^) im Amerikanischen Mittelmeer. Key West . . 0.77 Tortugas . . . 1.12 Cedar Keys . . 0.69 St. Marks . . 0.70 Pensacola . 9.11 Mobile 6.82 Cat Island . . . 5.26 Mississ. South P. . 7.70 Galveston . . . 2.62 Veracruz .... 4.50 Colon ..... 1.90 Ponce 8.40 San Juan Portor. . 0.91 Culebra .... 1.33 St. Thomas . . . 3.60 des Eintagstypus zu erheben. An der Südseite des Golfs und des Kari- bischen Meeres sind die Eintagstiden nicht mehr so extrem, soviel wir aus den spärlichen Beobachtungen entnehmen können. Doch ist der Gegensatz der ozeanischen und der inneren Küste von Portorico ganz sprechend: Ponce 8.40 gegen San Juan 0.91! — Zur Erklärung dieser Eintagstiden wird man sowohl an Verlöschung der Halbtagskomponenten durch Eeflex wie auch an eine stationäre Schwankung von 24stündiger Periode mit dem Knoten bei den Kleinen Antillen (nach K. Endrös) oder doch wenigstens im Golf von Mexiko (nach G. Wegemann) denken können. Indem er die Strecke von Pensacola bis zu den Kleinen Antillen = 4120 km, als größte Tiefe 5860m setzt, findet K. Endrös^), mit der parabolischen Beckengestalt rechnend, eine halbe Periode von 12.8 Stunden, und nach einer konvex-parabolischen Annäherung, mit einer mittleren Tiefe am Knoten von 1000 m, eine ganze Periode von 21.8 Stunden, was der ver- langten Periode schon sehr nahe kommt. G. Wegemann 2) setzt für die Eintagsschwingung im Golf von Mexiko von Cuba nach Veracruz l = 1650 km und als mittlere Tiefe 875 m und erhält nach Formel XXXIX (S. 163) die ganze Periode = 19.8 Stunden und mit Mündungskorrektion 24.8 Stunden, was dem Mittel aus der Perioden der Kj und 0 entspricht. Es mag sein, daß auf die eine oder andere Weise eine Eintagsschwingung begimstigt wird, was aber zu erklären ist, besteht in zweierlei: erstlich in dem starken Anwachsen, der Eintagstiden K^ und 0 gegenüber den 1) Pet. Mitt. 1908, S. 88. 2) Ann. d. Hydr. 1908, S. 541. 334 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. kleinen Amplituden, die sie an der ozeanischen Außenseite der Antillen aufweisen, nämlich nur 8 bis 10 cm für Kj, 5 bis 7 cm für 0, während sie im Bereiche dieses Mittelmeers von außen nach innen rasch und kräftig auf mindestens das Doppelte ansteigen : St. Marks hat Zj = 18, 0 = 16, Veracruz K^ = 17, 0 = 19 cm. Zweitens aber ist nicht minder das Ab- fallen der Halbtagstiden bemerkenswert, indem an der Floridaküste in Cedar Keys und St. Marks M^ noch doppelt so groß ist wie K^, aber an der Nordküste des Golfs auf V5 bis Vio von Kj^ hinabgedrückt wird, und zwar am meisten zwischen St. Marks und dem Mississippidelta, während weiter westlich an der Texasküste der Eintagsindex wieder etwas abnimmt. Es wird diese örtliche Steigerung der Eintagstidenbildung am besten aus einer älteren von Terrel ^) gegebenen Tabelle ersichtlich , worin von Osten nach Westen fortschreitend das Verhältnis der Eintags- und Halb- tagskomponenten aufgeführt ist. Hubhöhe der ^^ „ ^ - — tide an der Nordküste des Golfs von Mexiko. Halbtags - Ort N. B. W. L. Eintg. HäTbtg Ort N.B. W.L. Eintg. Halbtg Cape Florida Indian Key Key West . Tortugas Egmont Key Cedar Keys St. Marks . St. Georges . Pensacola 250 40' 24052' 24027' 24034' 27036' 280 58' 300 00' 29035' 300 18' 800 9/ 80 044' 810 53' 820 59' 820 46' 820 57' 840 11' 850 12' 870 15' 49 18 58 21 34 46 73 55 67 49 6 34 Mobile ... 300 9> 880 0' Cat Island . . 300 ß/ 880 38' South West P. . 280 56' 890 22' Dernidre Isle . 280 58' 900 58' Calcasieu . . 290 40' 930 21' Galveston . . 290 18' 94041' Aransas . . . 280 15' 960 31' Brazos Santiago | i 1 1 260 6' 970 10' cm 34 3L 9 ^7 6 49 12 46 40 15 40 15 24 Man sieht hier sehr deutlich, wie aus einem örtlichen Grunde auf der kurzen Entfernung von St. Marks nach St. Georges I. die Halbtagstide plötzlich auf 7ii ihrer Größe abnimmt, dann aber westlich vom Mississippidelta wieder etwas ansteigt, und in Calcasieu den normalen Wert wie bei Key West erreicht, um sich dann abermals nach Südwesten hin abzuschwächen. Das deutet auf Interferenzen hin, die in dem einen Falle, der Eintagstide, die Summen, im anderen, der Halbtagstiden, die Differenzen der Amplituden hervorbringen. Damit soll dieses interessante Problem künftiger eingehen- ^) Tidal Researches p. 245. Gezeiten des Irischen Kanals. 335 derer Untersuchung überwiesen bleiben. Allerdings wäre es auch sehr erwünscht, wenn die Beobachtungen dadurch ergänzt würden, daß man die harmonischen Konstanten auch von möglichst vielen Orten aus dem Bereiche des Karibischen Beckens kennen lernte, wobei sich herausstellen würde, ob an der colombischen oder venezolanischen Küste ebenfalls extremere Eintagstiden wiederkehrten oder nicht, und wo die vermutete Knotenlinie zu suchen wäre; auch fehlt es noch sehr an geordneten Beob- achtungen der Gezeitenströme, so schwach sie auch nur auftreten werden. Bei der Verkümmerung der Halbtagstiden wird das Verhältnis zwi- schen Sonnen- und Mondtide wohl große örtliche Schwankungen auf- weisen können, da schon geringe Änderungen der Amplituden die Relation stark verändern. Stark unternormal ist die Sonnentide am Mississippi (0.18), in Galveston (0.18), Colon (0.11), San Juan und Culebras (je 0.14);. auch in St. Thomas (0.25) und an der Floridastraße (Key West 0.30) ist sie zu klein. Übemormal entfaltet sie sich in Mobile (0.56), Cat Island (0.58) und in dem zwischen beiden gelegenen Biloxi (0.80!), sodann wieder in Ponce (0.67), was ebenfalls Interferenzen vermuten läßt. Das Ver- hältnis der beiden Eintagstiden 0 : K^ ist bei Portorico ungefähr normal (St. Thomas 0.80, Culebras 0.76, Ponce 0.75); stark unter der Norm in Colon (0.44), sonst ist immer 0 fast gleich oder auch größer als K^', in Veracruz wird 0 : iCj = 1.17. — Bemerkenswert ist noch das gelegent- lich kräftige Hervortreten der elliptischen Tide N^ gegenüber M^: in Veracruz wird das Verhältnis iVg : M 2 = 0.30 , in Ponce 0.33, was deut- lichere Einwirkungen des Perigäums und Apogäums auf den Tiden- hub als an anderen Stellen erwarten läßt, zumal auch die Kappazahl in Veracruz einer wirksamen Superposition der Amplituden günstig ist; M^^—N^^ = 8» gibt als Alter dieser Tide «/ig = 0.6 Tage. — Das Alter der Springtiden, charakterisiert durch die Differenz S^ — M^, weist große Unregelmäßigkeiten auf. An der Westküste von Florida finden wir nordwärts zunehmende Verspätung (Tortugas 0.6 Tage, St. Marks 1.2 Tage), an der Nordküste des Golfs beträgt sie aber nur einen halben Tag; da- gegen zeigt Veracruz eine Verfrühung um 3.3, Colon sogar um 7.1 Tage, während Portorico an der Binnenküste 0.7 Tage Verfrühung, an der Außen- küste 0.9 Tage Verspätung aufweist und diese in St. Thomas noch auf 1.5 Tage zunimmt. In Veracruz finden wir auch das Alter der Eintags- springtide {K-^ — 0) 0.038 = 1.4 Tage vor der größten Monddekli- nation, sonst zumeist nur gelinde verspätet. Alles in allem sind die Tiden dieses Mittelmeers örtlich in hohem Grad differenziert und eines der inter essantesten Objekte für künftige Spezialstudien. Wenn wir uns nun wieder der europäischen Snite des Nordatlantischen Ozeans zuwenden, so finden wir im Britischen Randmeer zwar deutlich abgeleitete Gezeiten des Atlantischen Ozeans; aber die besondere Gliederung dieses Meeresraumes bringt hier wieder in eigenartiger Weise eine örtliche Umgestaltung der ozeanischen Wogen zustande. Betrachten wir zunächst den Irischen Kanal. Während an der Westküste Irlands die Richtung der maßgebenden Flutwoge vom Ozean her nach Nordosten hin geht, ist sie an der Nordküste nach den Hafenzeiten schon fast aus Nordwesten: wie Slyne Head 5^ 11"™, Innishturk 5^ I61", 336 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. 16 • .U Blacksod Bay 5^ 27 na, Broadhavn Bay 5^ 40™; dazu weiter im Norden St. Kilda 6^ 4^, Barrahead 6^ 15™, Titee 6^ 6™ ergeben. Sehr auffallender- weise verzeichnen aber die Gezeitentafeln naher an die schottische Küste und an den Nordkanal heran eine Verfrühung der Hafenzeiten: lona hat b^ 37«i, Colonsay 5^ 43"», Port Ellen auf Islay 5^ 25™, während die Nord- küste ^ Irlands eine Stunde später ihr Syzygienhochwasser empfängt: Culdaff Q^ 22™, Port Rush 6^ 34™, Ballycastle Bay 6^ 50™. Noch auf- fälliger aber ist im Nordkanal selbst ein rascher Sprung der Hafenzeiten um mehr als 4 Stunden: Red ^^' Bay, nur 10 Seemeilen von Bally- castle entfernt, hat 10^^ 55™ und ihr gegenüber Mull of Cantyre 10^ 58™ Hochwasser. Die nun weiter nach Süden in die Irische See hinein folgenden Hafenzeiten sind dagegen nur wenig verändert : am Maidensriff 1 1 ^ 9 ™ und diesem gegenüber Port Patrick 11^30™; Donaghadee 11^ 35™ und Mull of Gallo way 11 ^^ 39™; Ardglass 11h 22™ und Calf Sound an der Südwestspitze der Insel Man 11 ^^ 36™; Dundalkbay 11^ 21™ und Fleetwood in der Morecambe Bay, 11 h 24™ — alle haben praktisch" züt gleichen Zeit ihr Hochwasser. Weiter nach Süden hin fallen die Hafenzeiten wieder früher. So Holyhead 10^ 29™, Arklow Bank 8^24™ und Bardsey I. 7^ 59™; Tuskar 6^ 10™ und Smalis 6^ 22™. Die hieraus abzuleitenden Flut- stundenlinien sind aus beistehen- der Skizze (Fig. 92) zu entnehmen, wo man den großen Gegensatz der Homochronie bei der Insel Man zu den stenochronen Zu- gängen im Norden und Süden so- fort erkennen wird. Auch weiter im Süden ist noch stetige Ver- frühung vorhanden: die Hafen- zeiten für Morte Bay b^ 59™, New Quay 5^ 2™, C. Cornwall 4^ 54™ beweisen, daß die Flutwoge hier nach Norden vorrückt. Aber dieses Vorrücken geschieht keineswegs, wie es gemäß den Wassertiefen zu erwarten wäre. So berechnet man aus der Differenz der Hafenzeiten für die Strecke von Tuskar nach Arklow Bank 14 Seemeilen pro Stunde, also nur 6 m Wassertiefe, während 25 bis 40 m vorhanden sind, ebenso die gleiche Geschwindigkeit und formelmäßige Wassertiefe von Bardsey nach Holyhead, wo sogar 40 bis 50 m gelotet Flutstundenlinien (Greenw. Zeit) im Irischen Kanal. Die aufrechten Zahlen sind Hubhöhen in Meter. Gezeiten des Irischen Kanals. 337 sind. — Spricht schon hieraus, wie aus dem Gesamtanblick der Flutstunden- linien alles für eine stark hervortretende stehende Schwingung, so wird diese zur Gewißheit erhoben, wenn wir die Hubhöhen und auch die Gezeiten- ströme vergleichen (s. Fig. 92). Im Schelfgebiet nördlich von Irland erreicht der Springtidenhub allgemein über 3 m; Barrahead 3.4, lona 3.6, Colonsay 3.4 m übertreffen die entsprechenden Werte an der Nordküste Irlands, wo nur Ballyness Bay 3.5 m hat, weiter östlich aber Culdalf nur 2.7, Port Rush 1.6 und Ballycastle gar nur 0.9. Ähnlich zeigt gegenüber im Norden Port Ellen 1.5 und Mull of Cantyre 1.2 m, während wir für eine aus Nordwesten in den Nordkanal einlaufende Welle im Gegenteil eine sehr erhebliche Erhöhung erwarten müßten, da die Wasserbreite auf Vg abnimmt und so eine Vergrößerung des Hubs auf das 2.4fache (= 1/^6), also auf 8.5 m eintreten sollte, was durch gleichzeitige Zunahme der Wasser- tiefen auf das Doppelte nur wenig gemildert wird, da sich hierdurch die Hubhöhen nur um 20 Prozent (=1 — 1/^2) verkleinern. Dafür wachsen aber die Hubhöhen in das breite Innere der Irischen See hinein sehr be- deutend an, wobei jedoch die Ostküste Irlands durchweg erheblich hinter den Orten der englischen Seite zurücksteht: die Maidens haben 2.1, Donaghadee 3.4, Ardglass 4.9 (hier das erste Maximum), Kingstown 3.4, Arklow Bank 1.1, Courtown höchstens 0.5 m (hier das Minimum), Tuskar 2.4 m und Saltees 4.0 (zweites Maximum), während die englische Seite an den Enden der Buchten durchweg über 8 m kommt: im Solway Firth an der Mündung des Annanflusses auf 8.7 m, in der Morecambe Bay Piel- hafen 8.5 m, Liverpool 8.4; auch Holyhead hat 6.4, und die Isle of Man in ihren verschiedenen Häfen 5 bis 6.5 m. Besonders groß wird dann der Springtidenhub im Bristolgolf (Fig. 93 S. 341), wo zunächst wieder die süd- liche Seite gegenüber der nördlichen den Vorrang hat : die Smalls haben 6.4 und Milfordhaven 6.6, im Süden dagegen Bude 7.0, Morte Bay 8.2 m. Im Innern des Golfs erhebt sich Nash Point auf 10.1, Bridgewater Bay 10.7, CardifE 12.0, Weston Bay 11.3, Chepstow auf 11.6 m; die mit einer Bore auftretende Tide läuft den Sevorn noch über Gloucester hinauf, wo noch 1.5 m Hubhöhe verzeichnet wird (vgl. oben S. 299). Um die größeren Hubhöhen an der Ostseite des Gebiets zu erklären, werden wir nicht bloß die wagrechte Gliederung in tief und spitz eingreifende Buchten von geringer Meerestiefe heranziehen dürfen, denn auch die vorspringenden Orte (wie Holyhead, Smalls) sind merklich bevorzugt, sondern vornehm- lich die Erdrotation, die eine durch den breiten St. Georgskanal einlaufende Welle rechts an die Ostseite drängt und so die Hubhöhen vergrößert. Nach Borgen^) soll die aus Südwesten vom Ozean her kommende Woge gegen die Küste laufend sich aufbäumen und dann reflektiert werden. Schon A i r y 2) kam auf Grund einer eingehenden Analyse der im Sommer des Jahres 1842 entlang den irischen Küsten erfolgten Pegel- ablesungen zu der Überzeugung, daß neben je einer von Süden und Norden in die Irische See eindringenden fortschreitenden, aber nur schwachen Woge eine starke stehende Schwingung ausgebildet sei, die einen ihrer Knoten auf der Höhe von Courtown liegen habe. Aus unserer Karte *•) Segelhandbuch des Irischen Kanals, Einleitung. ») Trans. R. Soc. London 1845, I, p. 121. Krttnimel, Ozeanographie. II. 22 338 ^^^ Gezeiten des atlantischen Gebiets. (Fig. 92) ist ersiclitlicli, daß ein noch ausgeprägterer Knoten im Nordkanal vorhanden ist. Da der Unterschied der Hafenzeiten im Innern der Irischen See gegenüber denen in den nördlichen und südlichen Außengewässern ungefähr eine Halbtide beträgt, ist gleichzeitig im Innern des Beckens zu beiden Seiten der Isle of Man (genauer auf einer Linie von der Carling- ford Bay im Westen nach der Morecambe Bay im Osten) Hochwasser, wenn die Außengebiete Niedrigwasser haben, imd umgekehrt. Die stehende Schwingung werden wir uns durch Interferenz entstanden denken dürfen, wobei die Dimensionen der Irischen See selbst sie begünstigen: von der Rathlin I. im Norden bis zu den Smalls im Süden liegt, wenn wir die Schwingungsachse ostwärts um die Insel Man herumlaufen lassen, eine Entfernung von rund 500 km, was für ^ = 44 714 Sekunden mit der hier maßgebenden Formeln = 2 Z: |X ö^p eine mittlere Tiefe von 51 m gibt, gut der Karte entsprechend; eine hypsographische Kurve lieferte für das ganze Gebiet 54 m. Dabei begegnen sich die erste vom Nordkanal und die zweite vom Georgskanal gekommene Woge etwa bei der Isle of Man und bringen dort das bemerkenswerte Verschwinden der Gezeitenströme hervor, das uns schon früher beschäftigt hat (S. 283). Selbst in der More- cambe Bay sind trotz des hohen Tidenhubs von 8 m nur 2 Knoten Strom ; nach der Formel wären für H = 8 und 50 = 9 m nicht weniger als 8 Knoten zu erwarten (vgl. S. 277). Dagegen sind in der Nähe des nördlichen Schwin- gungsknotejis im Nordkanal und etwas abgeschwächt auch wieder beim zweiten Knoten im St. Georgskanal um so stärkere Gezeitenströme ent- wickelt^). Am Mull of Cantyre, Tor Point und Mull of Galloway erreichen sie 4 bis 5, im Rathlinsund.sogar über 6 Knoten, weit über das Maß hinaus, welches die kleinen Hubhöhen erwarten lassen; die Ströme im St. Georgs- kanal bleiben bei 3 Knoten, wobei aber allemal im Westen an der irischen Küste die Stromstärke viel geringer ist als an der Ostseite. Es steht dies alles in vollem Einklänge mit den Bewegungen der Wasserteilchen in einer stationären Wellenschwingung (s. Fig. 41 S. 158), ebenso wie die allen Seeleuten so auffällige Tatsache, daß im ganzen Irischen Kanal der Strom immer zu derselben Zeit kentert und zwar zur Zeit des Hochwassers oder Niedrig Wassers am Schwingungsbauch entlang der vorher erwähnten Linie von der Morecambe nach der Carlingford Bay. Auch die in der Tiefe so starke Erosionswirkung im Nordkanal, 'von der früher die Rede war (S. 285), entspricht den theoretisch zu fordernden Wasserbewegungen unter dem Schwingungsknoten. Aber wir haben noch einen anderen sehr anschaulichen Beweis für diese Interferenz in den ebenfalls schon früher einmal erwähnten Tiden von Cour- town (S. 247). Hier überwiegen die Sonnentiden die lunaren, so daß es keine Hafenzeit für Courtown gibt. Die Beobachter, die im Sommer 1842 die Wasser- stände und Zeiten von Hoch- und Niedrigwasser aufzuschreiben angewiesen waren, merkten bald, daß sie nicht nach dem Wortlaute ihrer Instruktion arbeiten konnten. Indem sie zu kontinuierlichen Beobachtungen übergingen, fanden sie die Tiden durchweg nur sehr klein, die zur Zeit der Syzygien schein- ^) Einzelheiten geben die deutschen Gezeitentafeln im dritten Teil, Abschnitt IV. Vgl. auch die Stromkarten im Anhang dazu oder den Atlas der Gezeiten und Gezeitenströme für das Gebiet der Nordsee und der britischen Gewässer, herausgegeben von der Deutschen Seewarte 1905. Gezeiten der Irisch-schottischen See. 339 bar halbtägig, aber immer mit beträchtlichen Unregelmäßigkeiten behaftet auf- traten, in den Zwischenzeiten aber in eine kleine Vierteltagstide übergingen. Die Uhrzeiten der Hochwasserstände wuchsen dabei nicht kontinuierlich wie sonst, sondern nur angenähert so in der Zeit der Syzygien und zeigten ein Hin- und Herschwanken um größere und kleinere Intervalle. So verspätete sich das Abendhochwasser am 22. Juli 1842 gegen das des Vortags um 47 Mi- nuten und dauerte die Verspätung ähnlich bis zum 28. Juli an, während das Hochwasser am 29. abends um 65 Minuten früher und am 30. um abermals 80 Minuten früher eintrat; am 12. August (zwischen Spring- und Nipptide) war die Verspätung gegen den 11. volle 2^^ 16"^ und am 13. August gegen den 12. wieder eine Verfrühung um 3^ 49^, der noch zum 14. wieder eine neue Verfrühung um 45 Minuten folgte: das Abendhochwasser, das am 11. August um 11^1 51^ stattfand, lag infolge dessen am 14. August um 8^ 41^1; darauf (zur Nippzeit) am 15. um 9^^ 33™, am 16. um 10^ 6^^, am 17. aber wieder .:m Qh 3om^ hatte also in 6 Tagen eine Kückwärtsbewegung (Verfrühung) von fast 5V2 Stunden erhtten. Leider liegt keine harmonische Analyse dieser doch sehr auffallenden Tiden vor; aber man wird Airy zustimmen, wenn er sie dahin deutet, daß die Knotenlinie der Sonnentide mit der der Mondtide nicht zusammenfällt, was wir bei der verschiedenen Länge der Tideperioden leicht erwarten dürfen, und zwar daß der Eaioten der Mondwelle dichter bei Courtown liegt, so daß wir für diese einen kleineren Hub erhalten als für die Sonnentide. Die harmonischen Konstanten sind aus dem eben betrachteten biete nur von Liverpool und Greenock bestimmt. Harmonische Konstanten ans der Irisch-schottischen See. Ge- Ort Amplituden (cm) ilf, Liverpool Greenock 304.1 132.9 S, 96.3 31.7 iV, 57.9 21.6 K^ ILO Ö.8 O 11.3 7.3 Kappazahlen (Grad) M, 321 337 S, 6 42 299 309 Zi" I O« 192 224 38 54 Daß wir es mit extrem entwickelten Halbtagstiden zu tun haben, ergibt der Eintagsindox, der für Liverpool 0.06 und Greenock 0.08 lautet. Selbst für europäische Verhältnisse klein ist das Verhältnis der Sonnen- zur Mondtide: im ersten Ort 0.32, sinkt es im zweiten auf 0.24. Das Spring- tidenalter ist wie allgemein an den westeuropäischen Küsten unweit von 2 Tagen: in Liverpool 1.8 Tage, in Greenock 2.6 Tage. Groß ist die Verspätung der eintägigen Springtide {Ki° — 0^); diese tritt in Liverpool 5.8 Tage, in Greenock ganz invers sogar 6.5 Tage nach der maximalen Monddeklination auf, also gerade wenn der Mond am Äquator steht. — Die Tiden im Englischen Kanal werden gewöhnlich in den Handbüchern und Karten nicht ganz den Tatsachen entsprechend dar- gestellt; erst durch die neueren Arbeiten von C. Borgen^) und Roll in Harris^) ist es möglich geworden, ein richtiges die Beobachtungen ir^'^ der Theorie in völligen Einklang setzendes Bild zu entwerfen (vgl. die Kartenskizze Fig. 93, S. 341). Wie Borgen dabei erwiesen hat, sind die ») Ann. d. Hydr. 1908, S. 410. «) Manual of Tides IV B, Fig. 21. 340 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. Tiden des Englischen Kanals in einem engen genetischen Zusammenhang mit denen des südwestlichen Teils der Nordsee. Wir müssen sie daher auch zusammen behandeln. Die Flutstundenlinien zeigen große Abstände voneinander im west- lichen Teil des Kanals und dann, sehr unvermittelt, eine stenochrone Zu- sammendrängung an der Enge zwischen der Halbinsel Cotentin im Süden und den südenglischen Vorsprüngen bei St. Albans und der Insel Wight im Norden. Weiter östlich aber werden die Abstände wieder größer. Während aber die Hafenzeiten von Westen nach Osten hin ununter- brochen gewachsen sind, machen sich östlich vom Nullmeridian allerhand Unregelmäßigkeiten bemerkbar und eine Abhängigkeit der Flutstunden- linien von den Wassertiefen besteht hier noch weniger als im westlichen Gebiet. In der nachstehenden Tabelle sind die Hafenzeiten und die Springhubhöhen für eine größere Anzahl von Orten verzeichnet, aus denen diese Tatsachen im einzelnen entnommen werden können. Hafenzeiten und Hubhöhen im Britischen Kanal. No r c Seite Südseite Ort ' Hafen- Spring- Ort Hafen- Spring- i zeit tidenhub zeit tidenhub Scilly-Inseln . . ; 4 h 47 m m 4.9 i ! Ouessant . . . 4h 6m m 6.2 Landsend . . . 4 h 58 m 6.1 Ile Bas . . 5 h 5m 7.6 Lizard .... 5 h 21m 4.3 Ile Brehat . ; 6h Om 9.5 Eddystone . . . 5 h 32 m 4.9 St. Malo . ii 6 h 18 m 10.7 Plymouth . . . 5 h 54 m 4.7 Les Minquiers il 6 h 15 m 10.9 Start-Point . . . 1 5 h 55 m 4.6 i Granville Ü 6 h 19 m 11.7 Dartmouth . . . 6 h 30 m 4.3 1 Jersey, St. Heller 6 h 37 m 9.6 Lyme Regis . . 1 6 h 33 m 3.5 1 Guernsey, St. Pierre 6 h 47 m 7.9 Portland Bill . . ' 6 h 45 m 2.7 1 Casquets . . . 6 h 54 m 5.3 Portld. Breakwater i 7h 11 m 2.1 Alderney 6 h 55 m 5.3 Poole 1 8 h 58 m 2.0 Omonville . 7 h 45 m 5.4 Christchurch . . 9h 7m 1.5 Cherbourg . 8h 4m 5.5 Needles .... : 9 h 52 m 2.3 Barfleur . . 9h Om 5.4 Southampton . . llOh 36 m 4.0 La Hogue . 8 h 53 m 5.8 Portsmouth . . (11 h 45 m 4.1 CourseuUes . 9 h 20 m 6.2 Selsea Bill . . . 11 h 48 m 5.0 Havre . . 9 h 18 m 6.8 Brighton ... illh 15 m 6.0 Fecamp . . 10 h 43 m 7.4 Beachy Head . . 11 h 19 m 6.1 i Dieppe . . llh 4 m 8.5 Hastings . . . 10 h 51m 7.3 ; Treport . . jjllh 6 m 9.3 Dungeness . . . 10 h 41 m 6.6 Cayeux . . llOh 56 m 8.8 Folkestone . . . 11h 3 m 6.1 Boulogne s. M. 11 h 20 m 7.9 Dover .... 11 h- 7 m 1 5.7 C. Grisnez . ! 11 h 21 m II 6.6 Man beachte das rasche Voreilen der Hafenzeiten zwischen Lyme Regis und Portsmouth auf der Nordseite, wie zwischen Alderney und CourseuUes auf der Südseite; sodann die verfrühte Hafenzeit in Hastings und Dungeness gegenüber dem benachbarten Folkestone und Beachy Head im Norden, und ähnlich in Cayeux im Vergleich zu Treport und 15oulogne an der Südküste des östlichen Kanals. Wir müssen hiernach als erwiesen annehmen, daß ein Schwingungsknoten von der Halbinsel Gezeiten im Englischen Kanal. 341 ^^^^^ 342 I^iö Gezeiten des atlantischen Gebiets. Cotentin nordwärts nach St. Albans und den Needles hinüber besteht. Dem entsprechen auch die Hubhöhen, die an der ganzen englischen Seite ihr Minimum an dieser Stelle haben (Christchurch nur 1.5 m), wie auch an der Spitze der Halbinsel Cotentin trotz der Verengerung der Wellenbahn die relativ kleinsten Hubhöhen verzeichnet sind: nur halb so viel wie weiter westlich bei Brehat und östlich bei Treport. Allgemein sind dabei die Hubhöhen an der französischen Seite erheblich größer als an der gegen- überliegenden englischen — eine Tatsache, die uns schon früher beschäf- tigte, wo wir bereits die Erdrotation dafür verantwortlich gemacht haben (S. 259). Dem Minimum an der Knotenlinie steht weiter im Osten ein Maximum der Hubhöhen zwischen Hastings (7.3) und Treport (9.3) gegen- über, wie wir auch an der anderen Seite zum Atlantischen Ozean hinaus die Tiden höher werden sehen, wobei freilich die Riesentiden des Golfs der Normannischen oder Kanalinseln als eine besondere Erscheinung für sich dastehen. Eine solche Anordnung der Hafenzeiten und Hubhöhen läßt sich nicht anders deuten, als daß zwei Hauptwellen in entgegengesetzter Eichtung im Bereiche des Kanals einander durchdringen, wobei die eine Welle, die wir die atlantische nennen wollen, die höhere ist und durch die Erdrotation nach rechts an die französische Küste gedrängt wird, während die zweite, die wir als Nordseewelle bezeichnen, ebenfalls rechts, d. h. an die englische Küste gedrängt wird, aber durchweg niedriger auftritt. Dies ist auch nicht anders zu erwarten, da eine aus der Nordsee durch die schmale Doverstraße eindringende Welle in dem rasch sich verbreiternden Bett des Kanals an Höhe verlieren muß. Nach Borgens Ansicht wäre diese Nordseewelle noch unbedeutender, wenn nicht ein Teil der atlantischen Welle von dem nordsüdlich streichenden Ufer des Pas de Calais zwischen Cayeux und K. Grisnez an die englische Küste zurückgeworfen würde und sie so mit der Nordseewelle vereinigt nach Westen weiter ginge. Wie stets bei solchen Interferenzen sind daher die Flutstundenlinien auch im Britischen Kanal ohne Beziehungen zu den örtlichen Wassertiefen. Auch das bei Hastings und Cayeux beobachtete Zurückspringen der Hafenzeiten entspricht einem von P. van der Stok theoretisch untersuchten Vor- gange, nämlich dem Falle, wo die einander durchdringenden Flutwogen auf ihrem Wege stetig an Höhe einbüßen. Verfolgen wir nun zunächst die Hubhöhen in der südwestlichen Nordsee in der beistehenden Tabelle (8.343), so sehen wir sie von derDover- enge aus an der englischen wie an der Festlandseite stetig abnehmen bis zu einem Minimum bei Yarmouth im Westen (1.8) mid beim Helder im Osten (1.4), aber dann weiter nach Norden und Osten wieder wachsen: dem Schwingungsknoten von Cotentin- St. Albans steht also hier ein zweiter auf der Linie Yarmouth-Helder gegenüber, und der dazu gehörige Schwin- • gungsbauch liegt am östlichen Ende des Englischen Kanals zwischen Hastings und Treport. Auch die Hafenzeiten unterstützen eine solche Auffassung; sie führen zu einer Zusammendrängung zwischen Lowestoft und Cromer ebenso wie zwischen Ijmuiden und Texel, während dem Schwipgungsbauch ein weiter Abstand der Flutstundenlinien zukommt (vgl. Fig. 93). In der südwestlichen Nordsee ist die an der englischen Küste nach Süden laufende, hier durch die Erdrotation rechts an Land Gezeiten im Englischen Kanal. 343 gedrängte und verstärkte Welle sehr viel kräftiger als inj Kanal nach ihrem Durchgang durch die Doverenge, während die atlantische Welle, die so sehr hoch an der französischen Küste aufgeschwollen war, ost- wärts von Calais an Höhe etwas verlieren muß; aber auch sie wird durch die Erdrotation rechts ans Festland gedrängt und folglich hier vorherrschen. Wir haben also in diesem südwestlichen Teil der Nordsee zwei Wogen, von denen die eine nach Süden und die andere nach Osten und Nordosten fortschreitet; das sind Bedingungen, die eine Amphidromie der Flutstunden- linien herbeiführen werden (s. oben Fig. 71 S. 257). Auf diese Weise erklärt sich alsdann die Anordnung der Hafenzeiten an der britischen Seite, wo sie von Norden nach Süden wachsen, und an der festländischen, wo sie sich umgekehrt nach Nordosten hin verspäten, in der einfachsten Weise. Es ist das Verdienst von Harris, diese Deutung ausgesprochen zu haben, während man bisher mit den eigentümlich verlaufenden Hafenzeiten hier nichts Rechtes anzufangen wußte. Nördlich von 5372° N. B. setzt dann ein anderes Wellensystem ein, das wir später bei der Tidenbeschreibung der Nordsee zu behandeln haben werden. Hafenzeiten und Hubhöhen in der südwestlichen Nordsee. Westseite Ort Hafen- zeit Spring- tidenhub Ort Ostseite Hafen- zeit Spring- tidenhub Deal . . Ramsgate Nore . . Gravesend The Naze Orfordness Lowes toft Gr.- Yarmouth Leman Bk. F. S Cromer . . . Lynn Deep Grimsby . . Spum Point . Flamborough Hd 11h llh : Oh Ih llh 10 h 9 h 9 h 7 h 6 h 5h 5 h 5h ;; 4 h 9m 58 m 27 m 4m 45 m 59 m 41m Om 7 m 55 m 58 m 36 m 26 m 30 m 4.9 Calais . . . 4.6 Dünkirchen 4.7 Nieuport . . 5.6 Ostende . . . 3.8 Vlissingen . . 2.4 Westkappelle . 2.0 West Hinder F. S 1.8 Noord Hinder F. S 2.7 Hoek van Holland 4.5 Katwijk . . . 7.0 Ijmuiden . . 5.9 Helder Außehgat 5.7 Ameland „ 4.9 \'< Borkum . . . llh llh Oh Oh Oh Oh Oh llh Ih 2h 2h 5 h 8h 10 h 42 m 58 m 8 m 13 m 30 m 26 m 2 m Om 53 m 12 m 42 m 41m 8m 23 m m 6.9 5.2 5.0 4.6 4.7 4.5 4.0 3.5 2.0 1.5 1.8 1.4 2.3 3.0 Auffallend große Hubhöhen sind an drei Stellen des hier betrachteten Gebiets vorhanden und im wesentlichen auf Abnahme der Wassertiefe und Beckenbreite zurückzuführen. So zunächst in der Bucht von St. M a 1 o, in deren Hintergrund der berühmte Mont St. Michel inmitten eines Watts liegt, das sich bei Hochwasser in der Springtide fast 12 m, bei Nipptide fast 6 m hoch mit Wasser bedeckt, bei Niedrigwasser aber mit Wagen befahrbar ist. Die Breite der Bai von St. Michel beträgt nicht ganz 1/3 der Entfernung von Jersey nach Brehat, so daß hiernach die Wellenhöhe um \/ Z — 1.74:mal größer werden sollte als am Eingang, also 16 m und nicht bloß 12 m, wie beobachtet: wir erkennen hierin den Einfluß des am einen Schenkel des Winkels bereits wirksamen Schwin- gungsknotens. Die Woge läuft stets rechts an das Land gelehnt durch 344 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. Fig. 94. M v si -m -wi Ti xaai i JUBTsr '.■-■'■ '■'~ \ ..-' . ,- ■• , ••' -H :^ Flutkurve von Christchurcü. diese Bucht: von Heaux nach St. Malo also ostwärts, dann schwenkt sie nach Norden um, wie die Hafenzeiten deutlich erkennen lassen. Auch die Geschwindigkeit der Woge ist durch den nahen Schwingungsknoten beeinflußt, denn für die 36 Seemeilen lange Strecke von Brehat nach St. Malo werden nur 18 Minuten gebraucht, was unter normalen Verhältnissen einer Wassertiefe von 400 m entspräche, wo doch tatsächlich nur etwa 35 m vorhanden sind. — Eine zweite örtliche Erhöhung des Tidenhubs bringt der Themsetrichter, wo die Springtide in London selbst (bei London Bridge) 6.3 m hoch aufläuft; eine dritte Steigerung findet sich im Wash- busen (Boston 6.7 und Lynn 7.0 gegen 5 m in See). Sehr bemerkenswert sind sodann die abnormen Tidekurven, die im östlichen Teil des Kanals unweit des Schwingungsknotens auftreten. In den beistehenden Fig. 94 und 95 geben wir (nach Airy) die betreffenden Kurven für Christchurch , Poole und Weymouth, sowie (nach Comoy) für fünf Orte der Seinebucht wieder. In den eng- lischen Orten bemerken wir teils ein dop- peltes, teils ein dreifaches Hochwasser, was in Southampton den für den See- verkehr besonders erwünschten hohen Wasserstand drei volle Stunden andauern läßt. Auch in der Seinebucht zeigt sich vom Schwingungsknoten an ostwärts zu- nehmend die Ausbildung eines zweiten, bei Isigny und Havre auch eines dritten Hochwassers. Havre selbst genießt den gleichen Vorteil wie Southampton; das Hochwasser bleibt für volle 3 Stunden innerhalb einer kleinen Schwankung von 0.4 m unverändert stehen, und in seinen nur durch Schleusen zugänglichen Hafen können in dieser Zeit 15 oder 16 große Seeschiffe ein- oder auslaufen. Ge- wöhnlich wird das doppelte Hochwasser bei der Insel Wight dem Um- stände zugeschrieben, daß die Tide von beiden Seiten dieser Insel in den Solent einläuft; aber schon Lord Kelvin^) hat demgegenüber darauf hingewiesen, daß sich die ganz ähnliche Erscheinung in der Seinebucht, weit außerhalb jeder Einwirkung der Tidenbewegung bei der Insel Wight, abspielt; er erblickt darin Obertiden von 6 Stunden Periode (mit dem Symbol M^), die sich hier im Seichtwasser ausbilden. In Portland ent- spricht dem doppelten Hochwasser des Solent ein doppeltes Niedrigwasser, und ebenso finden wir an der anderen Seite des Schwingungsgebiets an der niederländischen Küste ein doppeltes Niedrigwasser in Hoek van Holland und Ijmuiden, sowie ein doppeltes Hochwasser im Helder (Fig. 96)2); die kleine Schwellung, die die beiden Niedrig wasser trennt, heißt -dgger (was augenscheinlich mit dem Meergott Ägir zusammenhängt) ; 1) Populär Lectures and Addresses, Bd. 3, London 1891, p. 201 — 205. *) Genau beschrieben in den amtlichen Getijtafels, herausgegeben vom De- partement van Waterstaat; auch in der Einleitung zu den deutschen Gezeitentafeln. ▼ « nr-sanorj^aJB I I H BT 7 a j ,^ " S i ^ /' -• e ^ , , ^ Flutkurve von Poole. T-JITlMItllllir I JIKirVH = = ^ 1 ^ i s ^ 1 s Flutkurve von Southampton. Gezeiten im Englischen Kanal. 345 sie tritt nur zur Zeit der Springtiden auf und hängt außerdem von der Monddeklination und der Entfernung des Monds von der Erde ab. Auch die in den Seegaten der Provinz Zeeland gelegenen Häfen haben ähnliche Tideformen: Zieriksee hat doppeltes Hochwasser, Brouwershaven dop- Fig. 95. ^».mS t S 7 8 0 10 n C^fBl 2 3 4 5 6 7 8 Ba rfleur PoJxUe t\. 10 V. O'^Jiil MMsAsUb fflr dif üähea :^ 4- 4" Tidenkurven in der Seinebucht. peltes Niedrigwasser mit dem Agger zwischen beiden, und in Hellevoetsluis finden wir sogar je ein doppeltes Hoch- und Niedrig wasser. Die hierfür verantwortlichen Obertiden sind von P. van der Stok^) für Hoek van Holland imd den Helder durch harmonische Analyse nachgewiesen: beim ') Handelingen von het 8. Neerl. Natuur- en Geneeskundig Congres, Rotter- dam, April 1001. 346 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. Tidenkurven vom Helder. Helder ist das Verhältnis der Amplituden von M 4 zu M^ = 11.2 : 52.9 cm oder 0.21, beim Hoek wie 17.0 : 77.5 = 0.22, bei den zwischen beiden gelegenen Ijmuiden = 0.281 und Katwijk sogar ^-^ 0.306. während der gleich^ Quotient für das im tiefen Wasser gelegene Feuerschiff Haaks nur 3.8 : 67-.6 = 0.056 und für Noord^Hinder 9.4 : 120.0 cm == 0.078 beträgt. Die Einheitlichkeit des Fig. 96. hier untersuchten Schwin- gungsgebiets kommt be- sonders im Charakter der Gezeitenströme zum Aus- druck. Da diese für die praktische Seefahrt von • großer Bedeutung sind, be- steht eine ausgedehnte Lite- ratur darüber, und zahl- reiche Spezialuntersuchun- gen namentlich von den LeuchtschifTen vor der lüe- derländischen Küste haben sich als besonders wertvoll auch in theoretischer Hin- sicht erwiesen. Aber die wesentlichen Grundzüge der Tidenströme hat schon F. W. B e e c h e j ^) richtig gezeichnet. Hiernach tritt auf der ganzen 360 Seemeilen oder 670 km langen Strecke zwischen den beiden erwähnten Knotenlinien bei Cotentin und Texel oder Portland und Cromer allerorten der Übergang des Flutstroms in den Ebbestrom gleichzeitig ein, und zwar zur Zeit des Hochwassers bei Dover, d. h. um 11 Uhr Greenw., und ebenso das Kentern des Ebbestroms überall gleichzeitig zur Zeit des Niedrigwassers bei Dover. Während der Dauer des Flutstroms strömt das Wasser sowohl im östlich von Cotentin gelegenen sogenannten oberen Kanal, wie in der südwest- lichen Nordsee nach Dover hin, während des Ebbestroms aber fließt das Wasser beiderseits von Dover hinweg. In der Mitte der Straße von Dover, wo die beiden Kanalströmungen, wie Beechey sie nannte, sich begegnen, kommt es nun noch zu einigen Komplikationen. Der Strom wechselt nämlich hier, obwohl er zuerst der einen, dann der anderen Kanalströmung gehorcht, nicht gleichzeitig mit diesen seine Richtung, sondern er läuft noch, wenn bei Hoch- oder Niedrigwasser am Ufer die Kanalströmungen schon aufgehört haben, eine Zeitlang weiter nach Osten oder Westen, so daß die Straße von Dover zu keiner Zeit in ihrer ganzen Breite Stillwasser hat. Deshalb nannte Beechey diesen Strom den Zwi^schenstrom [intermediate stream). Auch die Linie, auf welcher sich die Kanalströmungen begegnen, ist nicht stationär, sondern verschiebt sich langsam von Westen nach Osten (was in den Gezeitentafeln und besonderen Kartenwerken ^) mehr oder weniger ausführlich dargestellt ^) Philosophical Transactions, London 1851, p. 7037. *) H 6 d o u i n, Cartes des Courants de la Manche et de l'entree de la mer du Nord. Paris 1891. CarlH. Seemann, Zwölf Stromkarten für jede Stunde der Tide bei Dover, umfassend das Gebiet der südlichen Nordsee, des Englischen Kanals, Gezeitenströme des Englischen Kanals. 347 wird), und zwar an der englischen Seite zwischen Beachy Head und North Foreland, an der französischen zwischen St." Valerie (zwischen Fecamp und Dieppe) und Nieuport (östlich von Dünkirchen). Bei Dover-Hoch- wasser liegt sie in der westlichen Position und ist dann eine Scheide für die Trennung und Divergenz der Ströme; bei Dover-Niedrigv/asser aber liegt sie in der östlichen Position und ist dann eine Linie der Begegnung oder Konvergenz der Ströme. Die Scheidelinien sind so scharf ausgeprägt, daß zwei Schiffe, bei einer Seemeile Abstand voneinander verankert, den entgegengesetzten Strömungen gehorchen, also auf entgegengesetzten Kursen liegen können. Auch die äußeren Grenzen dieser Kanalströmungen verschieben sich gleichzeitig und zwar merkwürdigerweise so, daß sie im Kanal allmäh- lich von Westen nach Osten,« in der Nordsee von Norden nach Süden vorrücken und zu den Zeiten, wo Hochwasser oder NJedrigwasser bei Dover eintritt, ihren Ort plötzlich um mehr als 60 Seemeilen nach Westen bzw. nach Norden zurückschnellen, um dann die frühere Bewegung auf Dover hin bis zum nächsten Hoch- oder Niedrigwasser wieder aufzunehmen. An diesen äußeren Grenzen, also auf der Strecke zwischen Start Point und Kap La Hague im Westen, und zwischen Cromer und Texel im Osten, treten Drehströme auf. Dabei gilt dann die Regel, daß an der englischen Küste des Kanals und der niederländischen Nordseeküste die Drehung im Sinne des Uhrzeigers, an der französischen Kanalküste und englischen Nordseeküste aber umgekehrt wie beim Uhrzeiger erfolgt. Das sind aber nur die allgemeinen Grundzüge der Stromvorgänge. Im einzelnen finden sich namentlich entlang den Küsten sehr erhebliche Abweichungen, die zu kennen und auszunutzen geschickte Schiffsführer sich stets mit Vorteil angelegen sein lassen. Wesentlich ist sodann noch das verschiedene Zeitintervall zwischen dem örtlichen Hochwasser und Niedrigwasser einerseits und dem Umsetzen des Stroms anderseits. Im westlichen Kanal nach dem Atlantischen Ozean hin findet der Stromwechsel ganz normal 3 Stunden vor den Extrem- phasen statt; dieses Zeitintervall wird nun aber immer kleiner, je weiter wir nach Osten kommen, und beträgt auf der Strecke südlich von Wight nach Cherbourg hinüber nur 1^4 Stunden. Ostlich von dieser Knotenlinie aber wächst dieser Zeitunterschied rasch wieder an bis auf nicht weniger als 5 Stunden, nimmt dann wieder ab, so daß er auf der Linie Hastings- Treport 3 Stunden und östlich von der Themsemündung nur eine bis eine halbe Stunde beträgt. Weiter nach Norden hin wächst er wieder bis auf 5 Stunden. Ganz im Norden des Gebiets vor der Humbermündung aber liegen zwischen Hoch- und Niedrigwasser und dem vorhergehenden Stromwechsel wieder 3 V2 Stunden. An den von Drehströmen beherrschten des Bristolkanals usw. Hamburg 1897. — Deutsche Se.ewarte, Atlas der Gezeiten und Gezeitenströme für das Gebiet der Nordsee und der britischen Ge- wässer, Hamburg 1905. — Meteor. Instituut, De Stroomen op de nederlandsche Kust. Utrecht 1890; danach Ann. d. Hydr. 1891, S. 306. — M. P e t i t, Etudes sur les courants de la Mer du Nord, Bruxelles 1891. — P. vanderStok, Etudes des ph6nom6nes de mar6e sur les cotes Neerlandaises Nr. I — III, Utrecht 1905. — A.F. H. D a 1 h u i s e n, Publication de Circonstance Nr. 36, Kopenhagen 1907. — Die Ergebnisse hat C B ö r g e n in den Ann. d. Hydr. 1898, S. 418 f. übersichtlich zusammengefaßt. 348 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. Gebieten näher an den Küsten setzt der Strom natürlich niemals ganz aus, und statt der Stromstille kann nur durch genaue Messungen ein Strom- minimum festgestellt werden; dieses tritt z, B. am West-Hinder-FeuerschifE 2^4 Stunden vor Hochwasser ein. Für die Stromstärke gilt die Regel, daß sie entlang der Knotenlinie zwischen Wight und Cotentin viel größer ist (3 Vg bis 5 Knoten) als östlich und westlich davon, und nächstdem in der Enge bei Dover wieder beträcht- lich wird, während sie im Bereiche des maximalen Tidenhubs oder Schwingungsbauches zwischen Hastings und Treport 3 Knoten nicht übersteigt. Dabei ist der Strom an der französischen Seite des Kanals und an der englischen Seite der Nordsee immer um etwa 1 Knoten kräftiger als an der gegenüberliegenden Seite. Im Gebiete der Kanalinseln kommen besonders starke Ströme vor, die entsprechend der Fortpflanzungsrichtung der Tiden bei Jersey und Guernsey mit der Flut nach Norden, mit der Ebbe nach Süden setzen und namentlich in der Ebbeströmung Schifien, die sich jzu nahe an Kap La Hague und Alderney heranwagen, oftmals sehr gefährlich geworden sind, da sich zwischen den Inseln und Klippen Stromwirbel von gewu,ltiger Stärke (7 bis 8 Kröten) ausbilden. Alle diese Erscheinungen lassen sich nach Borgen mehr oder weniger einfach aus der anfänglich schon dargestellten Interferenz der beiden Hauptwogen, der atlantischen und der Nordseewelle erklären. Im Westen des Kanals zwischen Lizard und Ouessant treffen die beiden Wellen mit gleicher Phase aufeinander, die atlantische ist aber ganz erheblich höher und infolgedessen beherrscht sie den Stromwechsel fast ungestört, so daß er der Theorie gemäß etwa 3 Stunden nach den Extremphasen auftritt. Weiter ostwärts bei der Knotenlinie St. Albans-La Hague ist der Phasen- untersctied beider Wellen etwa 6 Stunden; auch hier ist die atlantische Welle noch sehr hoch im Vergleich zur Nordseewelle ; wenn sie beide gleich wären, würde der Stromwechsel mit den extremen Wasserständen zu- sammenfallen, so aber wird das Kentern des Stroms um 1^/4 Stunden verschoben. Noch weiter östlich nach dem Schwingungsbauch zwischen Hastings und Treport hin wächst schrittweise der Phasenunterschied der beiden Wellen auf 12 Stunden an, wodurch die Zeit des Stromwechsels wieder weiter von den Extremphasen abrückt und unweit vom Greenwich- meridian ihre Maximal Verschiebung um 5 Stunden erlangt usf. Bemerkt sei dann weiter noch, daß, entsprechend der Entstehung der Gezeitenströme in der Doverenge im Bereiche stehender Schwingungen, das Kentern des Stroms in der Tiefe genau zu derselben Zeit vor sich geht wie an der Oberfläche. Gelegentliche Behauptungen von Tauchern, wonach am Boden der Strom bei weitem früher kentern sollte als an der Oberfläche, "haben sich bei exakter Nachprüfung als ganz unbegründet erwiesen; ebenso war eine Beobachtung des Kapitän W. U. Moore, der in der Tiefe Stillwasser wahrgenommen haben wollte, wenn an der Oberfläche starker Strom lief, jedenfalls verfehlt^). Die Gleichzeitigkeit des Stroni- wechsels auf jener ganzen, über 360 Seemeilen langen Strecke von Kap La Hague bis Cromer erklärt Borgen mit Hilfe einer gewiß nicht ge- ^) Report on Observations of the Tidal Currents and Undercurrents in the Strait of Dover, by M. F. J. W i 1 s o n and Captain A. M o s t y n F i e 1 d (H. 0. Nr. 186), London 1902. Gezeitenströme des Englischen Kanals. 349 Fig. 97. Schematische Erklärung des Stromwechsels zwischen Kap La Hague und Cromer. wagten Hypothese, „daß nämlich die Verkleinerung des Zeitintervalls zwischen Hochwasser und Stromwechsel an aufeinander folgenden Orten gleich ist der sukzessiven Verspätung der Hochwasserzeit an denselben Orten". Folgende schematische Zeichnung eines solchen Doppeltrichters mag dies verdeutlichen. An der äußeren schema- tischen Grenze , sowohl bei a wie a', von wo aus die Welle auf D zuläuft, mag der Theorie gemäß das Kentern des Stroms normal gerade 3 Stunden nach Hoch- resp. Niedrigwasser erfolgen. Alsdann ist es bei der gegebenen Konfiguration der Trich- ter recht wohl denkbar, daß h und h' gerade 2 Stun- den, c und c gerade 1 Stunde nach den extremen Wasserständen Stromwechsel haben, während an der engsten und flachsten Stelle, bei D, der Strom just bei Hoch- und Niedrigwasser kentert. Dann wird also in dem ganzen Doppeltrichter der Strom gleichzeitig umsetzen, trotzdem die Wasserhöhen selbst von Ort zu Ort nicht der gleichen Phase angehören. Aus dieser Erklärung folgt von selbst, daß die Gleichzeitigkeit des Strom wechseis sich in die Weitungen des Trichters nach Westen oder Osten hinaus nur bis zu solchen Orten erstrecken kann, welche bis zu 3 Stunden früher wie Dover Hoch- oder Niedrigwasser haben, denn letzteres ist das In- tervall, um welches der Stromwechsel bei der normalen Welle den extremen Wasserständen folgt. Dieser Umstand gibt in der Tat die Erklärung für die merkwürdige Verschiebung der äußeren Strom§cheiden, namentlich das Zurückspringen derselben zur Zeit der extremen Wasserstände bei Dover. Die Drehströme in der Nordsee an der englischen Seite vor der Themse und niederländischen Küste im Bereiche der Hoofden sind durch die fast in einem rechten Winkel sich durchschneidenden beiden Tidewellen hervorgerufen, wie uns bereits bekannt ist: die Drehrichtung ist an der englischen Seite wie beim Uhrzeiger, an der niederländischen entgegen- gesetzt. Auch die Stelle, wo Kapitän Hewett starken alternierenden Strom, aber keinen Tidenhub fand, wo also der Phasenunterschied 6 Stunden be- trägt, hat uns bei früherer Gelegenheit schon beschäftigt (s. S. 282). Harmonische Konstanten ans dem Englischen Kanal und der südwestlichen Nordsee. Ort ^2 Amplituden (cm) St. Malo .... Cherbourg . . . Portland Breakwater Ilavre Dover London Bridge . . Ostende .... Hoek van Holland . Ijmuiden .... Helder 380.0 146.3 187.8 68.9 62.5 32.6 266.4 88.1 219.5 63.1 253.3 50.0 180.4 54.9 77.4 19.8 i 67.1 17.7 ; 53.0 15.2 72.5 9.1 39.2 9.1 14.6 i 9.1 51.8 j 9.1 41.5! 4.S 44.8 j 9.1 30.51 5.5 13.1 i 7.6 10.7 I 7.6 7.9 I 5.5 o Im Kappazahlen (Grad) 0 ^i» iVa» ^1« I 0« 8.8 li 174 6.4 ü 225 4.9 ': 189 4.9 5.8 12.2 9.8 10.7 11.0 7.6 286 336 55 12 72 113 171 225 269 239 333 28 110 64 131 180 238 155 206 180 262 320 25 1 44 89 151 95 104 112 119 48 41 354 345 350 343 351 361 7 186 220 173 182 185 356 I 196 350 I^iö Gezeiten des atlantischen Gebiets. Der Charakter der Tiden ist der allgemein westeuropäische. Das Verhältnis der Sonnen- zu den Mondtiden ist fast durchweg und meistens erheblich unter dem normalen: nur Portland mit 0.52 ist etwas darüber, St. Malo mit 0.39 hat den nächst größten Quotienten, London Bridge mit 0.20 den kleinsten. Der Eintagsindex ist überall sehr klein und weist auf die für Westeuropa so typischen Halbtagstiden hin; nur Portland (0.14) und die niederländischen Häfen (Ijmuiden 0.22) gehen über 0.1. Das Ver- hältnis der elliptischen zur Halbtagsmondtide N 2'- M^ ist fast normal oder etwas darunter (bis 0.15 im Helder). Der Quotient der beiden Eintagstiden 0 : Jf 1 ist stets übernormal und an den Nordseehäfen 1.4 und darüber. Das Alter der Springtiden ist im Westen 2 Tage, im Nordseeanteil etwas größer, an den holländischen Orten 2^/4 Tage; das Alter der elliptischen Tide (If 2** — ^"2°) 0.077 ist nur in Portland und Ostende klein (0.7 Tage und 0.9 Tage), sonst 1 V2 Tage, in London 2.3 Tage; das von der Monddeklination bestimmte Alter der Eintagsspringtide ist ähnlich wie in der Irischen See sehr groß und im Englischen Kanal 4 bis 4 V2 Tage, an den Nordseeplätzen 6 bis 7 Tage teils zu spät (an den niederländischen Orten), teils zu früh (in Dover, London und Ostende), aber stets invers, d. h. bei der kleinsten Deklination im Maximum. Die Gezeiten der eigenthchen Nordsee nördlich von 53 ° N. B. zeigen längs der schottisch-englischen Küste einfache Verhältnisse: die Hafenzeiten, die in der Pentlandföhrde und bei den Orkneyinseln zwischen 974 und 9V2 liegen, wachsen zunächst sehr rasch bei Duncansby Head auf 10^ 26"^ und Wick auf 11^ 59°^; von da ab jedoch nehmen sie den Wassertiefen ungefähr entsprechend nach Süden hin regelmäßig zu, so daß Peterhead O^^ 42^, Aberdeen 1^ S^n, Dunbar 2^ l^, West Hartlepool 3h 33m^ Flamborough Head 4^^ 30^ und Spum Point 5^ 26^ haben. Dabei wachsen die Hubhöhen langsam südwärts an : Wick hat bei Springzeit 3.0, Peterhead 3.5, Dunbar 4.4, Flamborough Head 4.9, Spurn Point 5.7 m. Es besteht hiernach kein Zweifel, daß an der britischen Westseite der Nordsee für die Tiden eine von Norden nach Süden verlaufende Welle maßgebend ist. Wir wollen sie nach ihrer Herkunft die schottische Welle nennen. Außerhalb der die südliche Nordsee beherrschenden Amphidromie (s. oben S. 343), d. h. an der ostfriesischen und cimbrischen Küste entlang, nehmen die Hafenzeiten im allgemeinen nach Osten und Norden hin zu: Borkum hat 10^ 23"^, Wangeroog IP 16«^, Helgoland 11^ 26™, Horns Eiff 11h 29m, Thybo Ron Z^ 5"^. Zu beiden Seiten des Skagerrak sind die Hafen- zeiten wenig verschieden: Hirshäls an der jütischen Seite hat 3^^ 22"^, ihm gegenüber Oxö 3^ 46"^, dann Arendal 3*^ 531», Oster Risör 3^ 40«*, Frederiksvärn 4^ 4"^ und endlich Skagen 4*^55*», was wie eine Homochronie aussieht, mit kleiner Verzögerung nach Osten hin. Dabai sind die Hub- höhen an der ganzen Ostseite der Nordsee erheblich kleiner als an den gegenüberliegenden britischen Küsten : Borkum hat bei Springtide nur 2.5, Cuxhaven 3.1, Helgoland 2.8, Blaavands Huk 1.6, Thybo Ron 0.6, Hirshals mit den anderen Plätzen am Skagerrak nur 0.3 bis 0.4 m, was besonders für die deutsche Bucht mit ihren geringen Wassertiefen auffallend wenig ist. Weiter ist zu bemerken, daß die südnorwegische Küste westwärts Gezeiten der Nordsee. 35 1 von Oxö so kleine Tiden hat, daß sie kaum wahrnehmbar mid darum in den Gezeitentafehi überhaupt nicht verzeichnet sind; erst am 59° N. B. haben wir Angaben für Tananger (Hafenzeit 9^ 24"i, Hubhöhe 0.5 m) und Skudenäs (101^2"^ und 0.6 m). Solche Verhältnisse bieten der Deutung wesentliche Schwierigkeiten dar. Überschauen wir die ganze Konfiguration der Nordsee, so wird sich für eine aus dem Nordatlantischen Ozean eindringende Flutwelle der Weg zu beiden Seiten der Shetlandinseln darbieten. Die Welle wird im all- gemeinen die Richtung nach Südost einhalten, aber doch bald durch das Bodenrelief abgelenkt werden. Entlang der norwegischen Küste sollte sie schnell in der meist 250 m und mehr tiefen Rinne nach Süden vorschreiten, dann in das Skagerrak einlenken und also für dessen b e i d ^ Ufer die Hafenzeiten bestimme^n. In der Tat aber stehen sich die Hafen- zeiten von Tananger und den Skagerrak platzen mit ungefähr 6 Stunden Intervall gegenüber, so daß wir für die Norwegische Rinne eine stehende Welle mit der Knotenlinie etwa bei Lindesnäs annehmen dürfen; freilich nicht als einzig maßgebende Tidenform, denn sonst müßte die bohuslänsche Küste ungleich stärkere Gezeiten und Hubhöhen empfangen, als sie tat- sächlich aufweist. Dafür werden wir in der Nähe der mutmaßlichen Knotenlinie starke Gezeitenströme erwarten dürfen, die namentlich auch die tieferen Gewässer erf assien ; worüber aber noch nichts Näheres bekannt ist. Denn die vom deutschen Forschungsdampfer „Poseidon" auf der internationalen Station D 11 (bT^l7' N. B., 7° 48' 0. L. zwischen Lindesnäs und Hirshals näher der jütischen Küste mit 58 m Wassertiefe) am 21. No- vember 1907 von 5 ^4 morgens bis 6 ^/^ ^^^ abends bei Südwind gemessenen starken Ströme von 40 bis 49 cm p. S. in 20 m", und 30 bis 42 cm p, S. in 55 m Tiefe können damit nicht zusammenhängen, denn es fehlt jeder erhebliche Wechsel der Stromrichtung, die in 20 m durchschnittlich aus Westen (zwischen S. 81 « W. und N. 81° W.) her lief i). Verfolgen wir nunmehr die Tidenwoge von den Shetlandinseln nach Süden in die Nordsee hinein, so wird ihr Vorschreiten sich langsamer gestalten als in der Norwegischen Rinne wegen der zunächst im Norden nur 150 m betragenden und schnell nach Süden weiter abnehmenden Wassertiefe, östlich von den Orkneyinseln und Schottland ist die Tiefe überdies immer beträchtlicher als in der Mitte der Nordsee, daher im Westen der Kamm voreilen, in der Mitte zurückbleiben wird. Ein erheb- liches Hindernis bietet dann die weniger als 40, vielfach weniger als 20 m Tiefe darbietende Doggerbank, indem sie sich gerade quer der Flutwelle vorlagert, so daß sie von dieser an den Flanken durch größere Wassertiefen umgangen werden kann. Die Flutstundenlinien wölben sich also zwischen Flamborough Head und der Doggerbank stark nach Süden aus. Der Südrand der Doggerbank v/ird dementsprechend seine Flutwelle von Westen (nicht von Norden) her erhalten. Durch die südöstlich von der Dogger- bank liegende, vielfach über 60 m tiefe, schmale „Silberrinne" kann die Welle dann schneller nach Osten vorschreiten, etwas langsamer nach Südosten und Süden, wo ein unregelmäßig gestalteter Boden den Wellen- ^) Bull, trimestriel des Resultats etc. - Ann6e 1907/08, Copenhague 1908, Teil C, p. 11. 352 1^16 Gezeiten des atlantischen Gebiets. kämm mit zahlreichen Aus- und Einbiegungen versehen wird. Dieselbe Welle ist es, die dann mit ihrer rechten Flanke an der Ostküste Englands südwärts weiter schreitend mit der Kanalwelle die vorher (S. 343) beschrie- bene Amphidromie erzeugt; sie wird aber auch in der Achse der Silberrinne weiter nach Osten laufen und hier vor der holländischen und friesischen Küste die gleiche Richtung einnehmen, die der Rest der Kanalwelle in diesem Teile der Nordsee besitzt. Gleichzeitig wird aber auch die Dogger- bank von Norden her eine aus der Norwegischen Rinne herkommende Welle erhalten, die hier teilweise der aus der Silberrinne hervorgetretenen schottischen Welle entgegenlaufen, im übrigen aber auch ihren Weg nach Südosten hin in die Deutsche Bucht hinein finden muß. In diesem Gewebe miteinander interferierender Wogensysteme, der Kanal welle, der schotti- schen und der norwegischen Welle müssen sich die örtlichen Hafenzeiten und Stromvorgänge inmitten der Nordsee naturgemäß aufs äußerste komplizieren ^). Immerhin gestatten uns vereinzelte Beobachtungen der Gezeiten- verhältnisse aus der südlichen Nordsee ein gewisses Urteil über die Natur derjenigen Welle, welche am gegebenen Orte den überwiegenden Einfluß besitzt. Am Südrande der Doggerbank beobachtete Kapitän Holzhauer 2) an zwei Stationen genügend lange, um die Hafenzeit danach genähert er- mitteln zu können; Station 1, unmittelbar nördlich von der Mitte der Silberrinne in 28 m Tiefe, und Station 3 nordöstlich vom östlichen Ende der letzteren in 44 m Tiefe. Die Hafenzeiten (nach Greenwichzeit) vnirden aus den Beobachtungen angenähert berechnet für: Station 1: 54» 10' N. B., 2» 10' 0. L. = 5h 37m 3: 540 12' N. B., 20 57' 0. L. = 6^ 4°^. Daraus ist deutlich zu ersehen, daß die schottische Welle hier von Westen nach Osten läuft. Die Hafenzeit läßt sich angenähert übereinstimmend berechnen,, wenn man die Welle von Fairainsel (zwischen der, Orkney- und Shetlandgruppe) nach Süden und auf der Höhe von Whitby nach Südosten und Osten fortschreiten läßt. Die Gezeitentafeln geben als Hafenzeit für Fairainsel 11^ 6"^ (welcher Wert allerdings insofern auf- fallend ist, als die beiden benachbarten Inselgruppen zwischen 9 und 10 Uhr Hochwasser bei Springzeit haben, aber in Ermanglung jeden An- halts für eine Verbesserung benutzen wir diese Hafenzeit als Basis). Die Entfernung von Faira bis Station 1 beträgt 715 km, die mittlere Tiefe nach der Seekarte genau 100 m, woraus sich nach der Lagrangeschen Formel eine Reisedauer der Flutwelle von 6^ 21"^ berechnet, damit eine Hafenzeit von 5^ 27"^, also nur 10 Minuten weniger, als Kapitän Holz- hauer angibt. Nach Station 3 beträgt die Distanz 770 km, die mittlere Tiefe ist ebenfalls 100 m, daraus die berechnete Hafenzeit 5^ 56™, 8 Mi- 1) Vgl. die Skizze Fig. 8 in den Veröffentl. des Inst. f. Meereskunde Heft 6, S. 20. *) Die Ergebnisse der Untersuohungsfahrten S. M. Kanonenboot „D r a 0 h e", Kommandant Korvettenkapitän Holzhauer, in der Nordsee 1881/84, veröffent- licht vom hydrographischen Amt der Admiralität, Berlin 1886; auch in den Annalen der Hydrographie 1886. Unsere Darstellung der Flutstundenlinien für 6 h und 7 h im Bereiche der Doggerbank auf Fig. 93 S. 341 ist mit obigen Angaben für die Stationen 1 und 3 nicht ganz im Einklang und entsprechend zu verbessern. Gezeiten der Nordsee. 353 nuten zu wenig. Danach ist es wohl nicht unwahrscheinlich, daß der Süd- rand der Bank von der schottischen Welle beherrscht wird. Es paßt dazu auch die Hafenzeit der Station 2 Holzhauers, etwas nördlich von 1 in sehr flachem Wasser {18 m) gelegen (54 « 33' N. B., 2» 11' 0. L.), nämlich 5^ 49"». Dagegen ist eine weiter nordöstlich (in 26 m Tiefe) gelegene Station 4 (55" 2' N. B., 3" 7' 0. L.) mit ihrer Hafenzeit von 5h 56m nur dann zu verstehen, wenn Inan auch hier noch die schottische Welle als bestimmend gelten und sie recht von Westen her kommen läßt. Denn eine direkt von Faira nach Station 4 gehende Welle (Distanz 605 km, Tiefe 107 m) würde 4^ 17™ als Hafenzeit ergeben. Die norwegische Welle würde noch früher eintreffen; von Skudesnäs ist eine Entfernung von nur 450 km bei 110 m Durchschnittstiefe zu durchmessen, und daraus würde die Hafenzeit 1^ 48°^ sein. Lassen wir die schottische Welle von der Silberrinne aus nun zu- nächst nach Südosten weiter fortschreiten, so ist von Station 3 nach der Höhe von Terschelling eine Entfernung von 204 km bei 39 m mittlerer Tiefe zu durchmessen, woraus sich eine Reisedauer von 2*^ 54i», also eine Hafenzeit von 8^ 58™ für Terschelling ergibt; beobachtet ist sie zu 8^ 37™. Daraus können wir sehen, daß auch an den westfriesischen Inseln wiederum die schottische Welle von überwiegender Bedeutung ist. Kapitän Holzhauer beobachtete noch an folgenden Stationen, für die jedoch die erhaltenen Wasserstandsmessungen nicht ausreichen, um eine genauere Hafenzeit zu, berechnen. Station 5: 54» 44' N. B., 3» 25' 0. L. Hafenzeit ö^i? 6: 55» 3' N. B., 5» 55' 0. L. „ 10 V4^? 7: 54° 48' N. B., 7» 00' 0. L. „ ll^i? Die für Station 5 beobachtete Hafenzeit ist um reichlich 1 Stunde bis 1 V2 Stun- den zu früh, wenn wir sie mit den westlicher gelegenen vergleichen. Rechnen wir von Station 3 ab nach Station 6, so erhalten wir eine Reisedauer von 3.4. Stunden, also eine Ankunftszeit von 9^ 26™, und ebenso nach Station 7 eine Reisedauer von 4.1 Stunden, also eine Ankunftszeit von lO'^ 10™. Um so bemerkenswerter ist, daß sich die Reisedauer von Station 3 nach Helgoland = 5 Stunden, also die Ankunftszeit = 11*^ 4™ berechnet, während ll*^ 26™ als Hafenzeit beobachtet ist, was doch wohl als genügende Stütze für die Be- hauptung gelten darf, daß hier nur die von der Silberrinne kommende Welle maßgebend sein kann. Die direkte schottische Welle von Faira her würde in Station 7 um 6 bis 67« Uhr, in Helgoland um etwa 8 Uhr sein; die Kanal- welle in Helgoland um 9 Uhr, eine direkte Welle aus der norwegischen Rinne um 4 Vi Uhr, von denen jede einzelne nicht paßt. Ziehen wir ihre partiellen Einwirkungen in Betracht, so müssen die Kanal- uiid Fairawelle verfrühend, die direkte norwegische Welle verspätend auf die aus allen kombinierte Hafen- zeit einwirken; was dann auch wohl der Fall sein dürfte. — Die genannten Reisedauern sind übrigens so berechnet, daß der Weg in Stücke von 15 See- meilen Länge zerlegt, für jeden dieser kleinen Teile die Laufzeit gesondert bestimmt und das Ganze aufsummiert wurde. Dieses Verfahren ist auch für ähnhche Rechnungen im folgenden stets eingeschlagen worden, woiern nicht sehr gleichmäßige Wassertiefen in Betracht kamen. Wie verhält sich entlang der hoUändisch-deutschen Küste die Kanal- welle? Von Dover auf die Höhe von Texel hat sie 315 km in 33 m Tiefe zu durchmessen; sie würde 4^ 32™ Reisedauer haben und um 3^ 37™ vor Kr ttmmel, Ozeanographie. II. 23 354 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. Texel ankommen. Beobachtete Hafenzeit ist aber 6^: nun sahen wir eben die schottische Welle um 8^ 6"" vor Terschelling anlangen; die für Texel beobachtete Hafenzeit liegt nun gerade zwischen den beiden aus der schottischen und Kanalwelle berechneten (das genaue Zeitmittel wäre ö'i 52"i), hier scheint also der Punkt zu liegen, wo beide Wellen sich in nahezu gleicher Kraft begegnen und nach der Theorie eine neue Welle von der Hafenzeit ö''^ 52™ bilden müßten; beobachtet ist aber 6^ Weiter nach Osten überwiegt dann die schottische, nach Südwesten hin die Kanalwelle, denn da die letztere in einen stetig sich verbreiternden Seeraum vordringt, wird sie an Höhe und überhaupt an Kraft nordwärts schnell verlieren. Ähnliche Erwägungen, wie sie hier zum Ausdruck ge- langen, haben auch offenbar einst Lord Kelvin zu der Behauptung bestimmt, daß die tatsächlichen Gezeitenvorgänge in der Nordsee nördlich von 53 ^ N, B. nicht wesentlich andere sein würden, wenn die Straße von Dover durch eine feste Schranke gesperrt wäre. Leider ist dieser an sich zutreffende Ausspruch mißverständlich dahin gedeutet worden, daß nach Kelvin auch die ganze südwestliche Nordsee in den Hoofden von der Straße von Dover aus keine Gezeitenwirkung empfinge, was zu behaupten ihm ganz fern lag^). Die aus der Silberrinne kommende Welle ist nicht nur maßgebend für die Helgoländer Bucht, sondern auch noch weiter nördlich bis 551/2° N. B., wo die Hafenzeit des Feuerschiffs Horns Riff mit ll^i 29™ sich den Wassertiefen genau entsprechend an Holzhauers Station 3 an- schließen läßt : die Reisedauer ist 5.5 Stunden. Anders aber die Westküste Jütlands. Hier folgen sich nordwärts von Horns Riff bis Thybo Ron die Flutstundenlinien enger gedrängt, als den Wassertiefen angemessen ist. Eine auf geradem Wege diese Strecke durchlaufende Welle würde 2.4 Stun- den gebrauchen, also um 1^ 54*» in Thybo Ron ankommen, beobachtet sind aber 3*^ IS"", also fast 1 V2 Stunden mehr, so daß wir hier Einwirkungen jener von Kap Lindesnäs her südwärts sich herüberziehenden Knotenlmie spüren. Die Gezeitenströmungen 2) entlang der ostenglischen Küste sind normal insofern, als der Flutstrom eine südliche bis südöstliche, der Ebbestrom die entgegengesetzte Richtung zeigt. Wenn auf den merk- würdigen (in der Stromrichtung sich hinziehenden) Bänken Ower und Leman, auf der Höhe von Cromer nach englischen Quellen der Strom dabei sich dreht im Sinne des Uhrzeigers, so ist das als ein Beweis dafür zu betrachten, daß der stärkste Strom zwischen diesen Bänken und der Küste hindurchgeht, gemäß der oben (S. 279) aufgestellten Regel. Ebenso fand auch Kapitän Holzhauer auf seinen Stationen 1, 2, 3, 4 den Strom im gleichen Sinne drehend: auch hieraus wäre also zu schließen, daß die Hauptwelle südlich von der Doggerbank nach Osten setzt. Dagegen machte seine Station 5 auch wieder insofern eine Ausnahme, als der Strom abwechselnd links und rechts herum drehte; bei der nur 28 Stunden um- ^) Sir W. Thomson (Lord Kelvin) , Populär Lectures and Addressea, Bd. 3, London 1891, p. 201, § 1. *) Vgl. dazu: Atlas der Gezeiten und Gezeitenströme für das Gebiet der Nordsee und der Britischen Gewässer, herausgegeben von der Deutschen Seewarte, Hamburg 1905. Gezeitenströme in der Nordsee. 355 fassenden Beobachtungszeit ergaben sich ak vorherrscliende Richtungen Ostnordosten nach Westnordwesten, wobei allerdings zu beachten sein dürfte, daß ständige, wenn auch schwache südliche und südöstliche Winde herrschten. — Das Kentern des Stroms erfolgt nach den Angaben der Stromkarten am Ostrande der Doggerbank, d. h. im Räume zwischen Station 4 und 3 einerseits, 5" 0. L. anderseits, eine Stunde vor Hochwasser bei Cuxhaven, also etwa 11 V4 Utr, was nach der Theorie eine durch- schnittliche Hochwasserstunde von rund 8 Uhr ergeben würde, ungefähr zu den Beobachtungen passend. Die Gezeitenströme der Helgoländer Bucht sind in zwei Gruppen zu teilen: eine nördliche, die Erscheinungen bei Sylt und in Station 7 Holz- hauers umfassend, und eine zweite größere südliche Gruppe. Im Bereiche der letzteren haben wir eine Kombination der Ströme der beiden schottischen Wellen. Vor der Emsmündung, bei Borkum-RifE- Feuerschiff, sind die herrschenden Richtungen: Flut nach Ostsüdosten, Ebbe Westnordwesten. Liefe der Strom parallel zur Küste, so wären um vier Striche abweichende Richtungen zu erwarten (Ostnordosten bzw. Westsüdwesten). Dabei dreht der Strom sich, entgegen dem Sinne des Uhrz^gers, ein Zeichen, daß die maßgebende Welle nördlich von dem Feuerschiff nach Osten vorüberläuft, also im wesentlichen die indirekte schottische Welle ist, während vielleicht die nicht ganz machtlose direkte Welle den Flutstrom ein wenig südlicher als Ost werden läßt, als ohne ihr Eingreifen der Fall wäre. Die beiden Hauptstromrichtungen weisen jedoch auf das Südwestende der Doggerbank hin,, von dorther also kommt die stärkere Welle. Man kann im übrigen wohl annehmen, daß die Ein- wirkungen der norwegischen und der Kanalwelle beide nur sehr schwach sind und sich, bei der nahezu entgegengesetzten Richtung gleicher Strom- phasen, gegenseitig aufheben können. Das Kentern des Stromes erfolgt zur Zeit der Syzygien um 11*^ 21°^; eine Hochwasserstunde ist in den Ge- zeitentafeln leider nicht angegeben. Vor der Weser und Elbe^) setzt der Ebbestrom nach Nordwesten, die Flut nach Südosten. Dieses ist ebensowohl der Einwirkung der schot- tischen Welle, wie der Konfiguration des nahen Landes zuzuschreiben. Ebenso die Hauptrichtungen von Helgoland ONO zu WSW und der Eidermündung WNW zu OSO. Die Ströme beim Feuerschiff Weser haben uns in anderem Zusammenhang schon früher beschäftigt (S. 287 und Fig. 77). Bei Sylt setzt der Ebbestrom nach NzW, der Flutstrom nach SzO, also nahezu parallel der Küste, und damit konform auf Station 7 des Kanonenboots „Drache" der Strom mit der Ebbe nach Norden bis Nordwesten, mit der Flut nach SOzO. Kapitän Holzhauer, der vom 11. bis 14. August 1882 hier vor Anker lag, fand an der Oberfläche, noch deutlicher aber in 30 m Tiefe eine vollständige Drehung nach links (also entgegen dem Uhrzeiger) ausgeprägt; nach den Gezeitentafeln ist eine solche auch auf der Höhe von Sylt anzunehmen, da der Strom von semer nördlichen zur südlichen Richtung durch Westen herumgeht. Dasselbe wird von Homs Riff gemeldet. Diese Drehung links herum würde nach 1) Vgl. Einzelheiten in Ann. d. Hydr. 1888, S. 461. 356 I^i^ Gezeiten des atlantischen Gebiets. unserer bekannten Regel bedeuten, daß der Hauptflutstrom den Beobach- tungspunkt zur Rechten liegen läßt. Ist nun unsere obige Terminologie richtig, so müßte der Hauptflutstrom nicht nur östlich von Station 7 nach (Süden vorübergehen, was möglich wäre, sondern auch zwischen dem Beob- achtungspunkte der Gezeitentafeln bei Sylt und dieser Insel selber, oder gar zwischen Horns Riff und der Küste, was beides unmöglich ist. In der Nähe von Station 7 liegt auch keine Bank oder irgend eine submarine Stufe im Sinne einer „Küste" jener obigen Regel, das nächste Land, eben Sylt, ist 85 km entfernt, darum scheint es geraten, die Ursache für jene Art der Drehung in einer Interferenz zu suchen. Schon der Bericht Kapitän Holzhauers macht darauf aufmerksam, daß, wenn man hier zwei Flutwellen, eine von Nordwesten, die andere von Südwesten her, sich kreuzen ließe, und deren Stromphasen um .4 Stunden auseinanderlägen, so daß die nach Nordosten schreitende 4 Stunden später ihr Strom- maximum zeigt als die nach Südosten laufende, alsdann, wie bereits früher (S. 281) gezeigt wurde, der Strom sich auch fem von jeder Küste kon- tinuierlich links drehen kann. Nun sahen wir bereits, daß die (indirekte) schottische Flutwelle von der Silberrinne her in Station 7 um etwa 10 Uhr aus Westsüdwesten eintreffen würde, während die direkte von Faira kommende Welle etwas nach 6 Uhr anlangt. Wir haben also hier die gesuchte vierstündige Zeit- differenz in den Hochwasserstunden, während die norwegische Welle, in Station 7 um etwa 3 Uhr, also 3 Stunden vor der direkten Faira- welle anlangt; überdies fehlt hierbei der nötige Unterschied in den Rich- tungen (etwa 90*^), da infolge der Bodenkonfiguration die norwegische WeUe nicht ganz auf der kürzesten Linie von Skudesnäs nach Station 7 (die übrigens NzW bis SzO führt) gelangt, sondern ebenso aus Nordwesten herankommen wird, wie eine von Faira direkt ausgegangene Welle, da sie eine Reihe flacher, in der Verlängerung der Doggerbank nach Nord- osten liegender Bänke zu umgehen hat. Wir sehen also in Station 7 höchst wahrscheinlich die umgebeugte schottische und die direkte Faira- welie sich durchkreuzen und sich nahezu in gleicher Stärke bei einer Phasendifferenz von 4 Stunden geltend machen. Man muß aus den Stromvorgängen in der nächsten Nähe Sylts an- nehmen, daß ungefähr dort die schottische Welle sich teilt, indem sie einesteils nach Norden, andernteils nach Süden umschwenkt. Nach einer Bemerkung in den Gezeitentafeln fand Kapitän Holzhauer auf der Höhe von Westerland, aber nur in der bis etwa 4 Seemeilen von der Küste abliegenden Zone, eine Trennung des Flutstroms in zwei Arme, von denen der eine südlich, der andere nördlich lief. Dasselbe, nur umgekehrt, wurde vom Ebbestrom beobachtet. Zum Schlüsse sei noch auf die Strömungen auf der Höhe von Texel kurz eingegangen. Da, wie wir sahen, die schottische Welle etwa bei Texel auf das Südufer der Nordsee stößt, so müssen wir hier den Flutstrom sich ebenso teilen sehen wie westlich von Sylt. Das wird in den Gezeiten- tafeln in der Tat ausdrücklich bezeugt: der nach Süden abbiegende Teil pulsiert entsprechend den vorher (S. 347) für die Hoofden und den Dover- trichter angegebenen Regeln, der andere wendet sich nach Osten. Die Richtungen des Stromes auf der Höhe des Helder gehen bei der Flut Gezeitenströme der Nordsee. 357 von Nordosten (bei Springzeit von 4 bis 8 Uhr) schnell kenternd herum nach Südsüdwesten bis Westen (8 bis 2 Uhr), dann wieder rechts herum durch Nordnordwesten (3 Uhr) nach Nordosten. Das Kentern des Stroms erfolgt 2 Stunden nach den extremen Wasserständen. Diese Drehung läßt sich ebenfalls sehr genähert auf die Kombination zweier Flutwellen zurückführen, welche, wie hier die Kanalwelle und die schottische, etwa um 4 Stunden in der Phase auseinander liegen. Wir erhalten nämlich als Strömungen: ührzeit (Greenw.) 1 6 h ji 7h 8h 9h 10 h 11h Nach der Gezeiten- tafel .... Nach der Theorie !! ONO 1 *NOzO ONO ONO SSW SSO SWzS SSW SW *SWzS WSW *SW ührzeit (Greenw.) 1 Oh Ih 2h 3h 4h 5h Nach der Gezeiten- Ü tafel .... WSW WSW I WzS NNW NO NOzO Nach der Theorie *SWzW 1 WSW ! NNW NNO *NOzN 1 »NOzO (Die Richtungen sind auf ganze Striche abgermidet; als Richtung des Flutstroms der schottischen Welle ist nach ihrer erfolgten Ablenkung Südsüdwesten, der Kanalwelle aber Ostnordosten angenommen, und die besonders starken Ströme mit * bezeichnet.) Die Übereinstimmung von Beobachtung und Theorie der Gezeitenströme kann nicht wohl vollkommener erwartet werden ; übrigens scheint das schnellere Wenden des Stroms um 8 Uhr nach der Gezeitentafel auf die Nähe der Küste zurückzuführen, welche einen Strom in der Richtung zwischen Osten und Süden nicht zuläßt. Durch diese seitliche Stauung ließe sich vielleicht auch die nach den Gezeitentafeln doppelt so große Stärke (3 Knoten) des Südstromes gegenüber dem Nordstrom (1.3 Knoten) erklären, denn der erstere führt in die Verengerung eines Trichters hinein, der andere in einen schnell sich verbreiternden Raum hinaus. — Die aus den harmonischen Konstanten abzuleitende Qualität der Nordseetiden bleibt im ganzen die uns schon bekannte nordatlantische (s. Tabelle S. 358). Das Verhältnis der Sonnen- zur Mondtide ist nur in Stavanger normal (0.46), sonst ist überall die Sonnentide zu klein : an der ostenglischen Küste und am Skagerrak 0.31 bis. 0.34, in der deutschen Bucht unter 0.28, am kleinsten in Esbjerg mit 0.24. Der Eintagsindex ist überall sehr klein, um 0.1 herum, so daß also typische Halbtagstidf^n vorliegen. Das Verhältnis der elliptischen Tide iVg zur halbtägigen Mond- tide M^ ist in West-Hartlepool normal (0.19), kleiner in Hüll und in der deutschen Bucht (Esbjerg hat nur 0.14), dagegen beträchtlich übernormal im Skagerrak, wo N^, : M^, für Eürshals = 0.31, Oscarsborg 0.26 und Arendal 0.29 wird. Der Quotient 0: K^ der Eintagstiden ist nur in Hüll nahezu normal (0.77), sonst beträchtlich darüber, in Hirshals bis 1.86. 358 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. Das Alter der (halbtägigen) Springtiden ist in West-Hartlepool 1.7, in HuU 2,1, an deir Weser und Jade 3 Tage, nimmt dann nordwärts wieder ab in Helgoland auf 2.75, Esbjerg 2.67, Stavanger 2.05 Tage; während die Skagerrakstationen eine anormale Verfrühung der Springtiden auf- weisen, die in Oscarsborg — 1,6, in Arendal — 1.3 Tage beträgt. Be- sonders hohe Werte erreicht das Alter der elliptischen Tide; berechnet aus (Mb«— iVa») 0.077 wird es für Hüll =0.85, West-Hartlepool 1.92, Wilhelmshaven 1.85, Weser 2.30, Helgoland 2.62, Esbjerg 2.32, Hirshal^ 4.16, Oscarsborg 3.08, Arendal 2.77, Stavanger 1.38 Tage. — Die.Ein- tagsspringtide hat überall wie in der Irischen See imd in der südwest- lichen Nordsee ein hohes Alter an der britischen Küste (6.2 Tage und in der deutschen Bucht 5.7 bis 5.8 Tage), wird also bei der kleinsten Dekli- nation maximal; nur für Hirshals beträgt dieses Intervall 2.65 Tage; für die Plätze an der norwegischen Küste ist es unbekannt. Harmonische Eonstanten ans der Nordsee nördlich von 53° N. B. Ort Amplituden (cm) Kappazahlen (Grad) M^ S, N, K, 0 il/a° s^' N^<> Z^o 0» West-Hartlepool 157.3 53.0 30.2 11,6 13,1 96 137 71 246 84 HuU .... 230.4 71.3 38.1 17.1 13,1 176 228 164 282 119 Weser- Rotersand 121.9 33.2 20.7 6.7 8,2 339 53 308 26 233 Wilhelmshaven . 162.8 41.2 24.4 7.0 9.5 358 71 334 44 253 Helgoland . . 94.5 24.0 14.7 6.3 7.3 333 40 299 35 243 Esbjerg 60.0 14.4 8.4 4.6 7.4 57 122 27 78 289 Hirshals 10.8 3.5 3.4 0.7 1.3 116 70 62 333 263 Oscarsborg 14,3 4.9 3.7 — — 129 90 89 — — Arendal 8.4 2.8 2.6 — 1.7 100 68 64 — 281 Stavanger .. 14.6 6.7 3.0 — — 283 332 264 — — Die Ostsee wird als ein sich landeinwärts von der Nordsee tief ins Binnenland erstreckendes „Hintermeer" von vornherein nur geringe Einwirkungen des Ozeans in der Ausbildung ihrer Gezeiten erwarten lassen; dazu kommt, daß einerseits diese an ihrem Tor selbst, im Skagerrak, schon auffallend geschwächt sind, anderseits die dänischen Inseln die Zugangs- breite und -tiefe im Sund und in den beiden Belten stark vermindern, so daß nach dem Hindurchgang der Welle nur noch ein minimaler Rest von Gezeitenenergie für die nun wieder breiter und tiefer werdende eigent- liche Ostsee übrig bleiben kann. Die sinnHche Wahrnehmung der Gezeiten selbst wird sodann machtvoll gestört durch den im, seichten Wasser überall verstärkten Windstau, und endlich lagern sich noch über die ge- schwächten Flutkurven hinweg stehende Schwingungen, was aUes eine regelmäßige Tidenschwankung der Wasseroberfläche in der Regel gar nicht aufkommen läßt, es sei denn bei besonders ruhigem und beständigem Wetter. Das Studium der Ostseetiden ist darum sehr schwierig, und selbst die rechnerische Analyse verspricht erst unter Benutzung sehr langer Jahres- reihen einen gesicherten Erfolg. Der gegenwärtige Stand unseres Wissens läßt aber leider noch sehr viel zu wünschen übrig; insbesondere sind die langjährigen Aufzeichnungen selbsjtregistrierender Pegel von der deut- schen Küste (Kiel, Marienleuchte, Travemünde, Wismar, Wamemünde, Gezeiten der Ostsee. 359 Arkona, Swinemünde , Pillau und Memel) bedauerlicherweise unver- arbeitet^). In die Enge zwischen Skagen und Marstrand tritt die aus dem Skagerrak kommende Tidewelle mit einer Hafenzeit von etwa 4^4 Uhr und mit einer Hubhöhe von nur 30 cm ; durch die größeren Tiefen der schwedischen Seite des Kattegat eilt sie soweit vor, daß sie Varberg um 6^ 43™ (mit noch 10 cm Hubhöhe), dann Hombäk am Eingange des Sunds um 7^ 46™ und Kopenhagen-Prövesteen um 8^ 54™ erreicht; hier kann sie sich bei Springtide noch auf 18 cm Hubhöhe erheben. An der Westseite des Katte- gat ist sie langsamer: in Hals ist die Hafenzeit 7^ 51™, Aarhus 9^ 29™, am Eingang zum Odensefjord 9^ 57™, in Fredericia 10^ 32™ und erreicht der maximale Springhub 30 cm und darüber. In der Mitte des Großen Belts ist an der Ostseite die Hafenzeit in Korsör ll'^ 2G™, an der Westseite in Slipshavn 11^ 33™ mit einem Maximalhub von 28 und 32 cm. Diesen niedrigen Hubhöhen entsprechen die beobachteten überall schwa- chen Tideströme. Nach der Theorie (S. 277) berechnet sich für einen Tidehub von 0.25 m: bei einer Wassertiefe = 20 30 40 50 m ein Grezeitenstrora von 8.8 7.2 6.2 5.5 cm p. S. Da ein kleiner Tidehub verbunden mit großem Tidestrom nur vorkommen kann, wo Wellen in genau entgegengesetzter Richtung gegeneinander laufen (S. 282), hier aber solche Interferenzen unmöglich vorliegen, so werden wir schheßen, daß die von Otto Pettersson aus dem Großen Belt beschriebenen starken alternierenden Ströme nicht mit den Gezeiten zusammenhängen, sondern mit stehenden Schwingungen oder noch wahrscheinlicher mit internen Wellen (S. 195). Denn rechnet man die von ihm in der Oberschicht bei Ebbe gemessene mittlere Stromstärke mit 69.2 cm als Summe und die bei Flut gemessenen 8.0 cm p. S. als DijEEerenz zwischen dem aus der Ostsee auslaufenden Dichtestrom und dem Gezeitenstrom, so erhält man für den ersteren 38.6 cm nach Norden und für den anderen 30.6 cm nach Norden oder Süden. Einem Tidestrom von solcher Stärke entspräche aber die große Hubhöhe von 1.4 m für 50 m Wassertiefe oder 8.7 m für 20 m Wassertiefe; die erstere ist schon 5mal zu groß, die zweite ganz unannehmbar. Nach dem Austritt aus dem Langelandbelt kann die Tide sich zunächst durch die Kieler Bucht ausbreiten; die Hafenzeit in Kiel 2) beträgt nach einer vorläufigen Auswertung 3^ 19™ mit nur 7 cm mittlerer Hubhöhe, so daß also der Weg von Korsör nach Kiel reichlich langsam in nicht ganz 4 Stunden durchmessen wird. Noch stärker verspätet tritt die Hafenzeit für Marienleuchte auf mit 5 Uhr, während weiterhin für Gjedser hierzu besser passend 5*^ 52™ aus dänischen Registrierungen berechnet ist. FürTravemünde wird nach älteren Angaben die Hafenzeit zu 6 Uhr angegeben, während die Berechnung Paschens 3) für Wismar jedenfalls unzutreffend i^ 47™ ergab, ^) Eine gute Übersicht gibt C. C r o n e im Rapport sur les travaux du Service Mareographique II, Cbpenhague 1906; auch in Oversigt over det Danske Vidensk; Selsk. Förhandl. 1890/91, p. 39 fl. Von älterer Literatur ist noch immer wichtig: G. Hagen, in Mathem. Abh. Kgl. Akad. d. Wissensch. in Berlin 1857 und 1859. Eine Bearbeitung des deutschen Materials ist vom Kgl. Preuß. Geodätischen Institut Beit 1899 in Aussicht gestellt. 2) Ann. d. Hydr. 1883, S. 268. ') Archiv für Landeskunde in den Großherzogtümern Mecklenburg, 6 Bd. 1856, S. 148. 360 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. wofür etwa 6^ 45"^ zu erwarten sind. In Wismar sind nach den von A. Westphali) veröffentlichten Pegelkurven starke Seichtwassertiden vor- handen (s. Fig. 98), die eine Bestimmung der normalen Hochwasserzeit sehr erschweren müssen. Barhöft am Eingang zum Strelasund hat 6^ 35™, Arkona 7^ 41»*, Thiessow 9^ 23^, Swinemünde nach älteren Beobachtungen IQh 2xm^ nach den neueren 10^ 33^; während West-Dievenow mitll^^ 20"^, Kolbergermünde 11^ 26"^, Eugen waldermünde 11^ 11^, Neufahrwasser Ih 28m, piiiau llh im^ Memel 0^ 46™ untereinander nicht wohl in Über- Pis. 98. Tidekurven aus der Ostsee bei stillem Wetter (nach Westphal). einstimmung stehen und durch neuere Berechnungen ersetzt werden sollten. i)ie Hubhöhen sind überall minimal: für Kiel werden, wie bemerkt, als Durchschnittsmaß 7 cm gegeben, für Marienleuchte 6, Arkona und Swine- münde 2 cm, für Neufahrwasser 6.7 mm und Memel 4.5 mm — zuletzt also nur noch mikroskopische Werte. Die beigegebene Fig. 98 zeigt jedoch, daß aii ruhigen Tagen auch größerer Tidenhub auftreten kann und Spring- fluthöhen vom doppelten Betrage nicht selten sein werden. So ist ins- besondere für Travemünde bekannt, daß zur Springzeit ein Niveauunter- schied von 15 cm und mehr auftritt und dann der Strom aus der Ostsee in den Fluß hinaufläuft. Sonst sind außerhalb der dänischen Gewässer Gezeitenströme in der Ostsee nirgends bekannt geworden. Während also diese Ostseetiden an den deutschen Kaisten sehr klein sind, haben sich im Finnischen und Bottnischen Golf wieder größere nachweisen lassen. In einer sorgfältigen Analyse der Wasserstandsauf- zeichnungen von vier Orten sind die Hafenzeiten und Hubhöhen von Dr. Eolf Witting^) kürzlich wie folgt angegeben: 1) Verh. des 7. intern. Geogr. -Kongresses, Berlin 1901, Bd. 2, S. 64, Tafel 1. Aus dieser Kurve vom 5. bis 11. Juni erhalte ich eine mittlere Hafenzeit von 6.7 Uhr Grw. 2) Finnländische hydrographisch-biologische Untersuchungen Nr. 2, Helsingfors 1908, S. 205. Gezeiten der Ostsee. 361 Ort N.B. 0. L. Hafenzeit (Greenw.) Hub mm Hangö Björn . . Draghällan Ratan 59049' 600 38' 620 20' 640 00' 22058' 17 0 58' 17 0 28' 100 55' 6.0 h 1.4 h 0.1h 11.1h 50 33 27 36 Die Laufzeit zwischen Memel und Hangö von 5^/4 Stunden entspricht einer durchschnittlichen Wassertiefe von 75 m, was zu beiden Hafenzeiten sehr wohl paßt. — Selbst noch in St. Petersburg hat A m e 1 u n g ^) eine Tidenbewegung aus den Aufzeichnungen des Limnigraphen des physi- kalischen Zentralobservatorjums ableiten können : er erhielt eine Hafenzeit von 1^ 30"^ und einen Springtidenhub von 5 cm, ähnlich wie in Hangö. Ein besonderes Interesse bieten die kleinen Ostseetiden in qualitativer Hinsicht dar, und zwar weichen sie in mehrfacher Hinsicht von den Nordsee- tiden ab. Nur dem Umstand, daß die Gezeiten als solche gar nicht sinn- fällig ausgebildet sind, ist es zuzuschreiben, daß so auffallende Eigenschaften wie die Eintagstiden an den finnischen und bottnischen Küsten oder die merkwürdige Verfrühung der Springtiden des Kattegat vor den Syzygien bisher wenig Beachtung gefunden haben. Die nachstehende auf den Arbeiten von Crone und Witting beruhende Tabelle mag dazu dienen, diese Verhältnisse näher zu erläutern. Harmonische Konstanten ans der Ostsee. Ort ilf. Amplituden (cm) I '^^2 -^a ■^i Kappazahlen (Grad) JI/jOJ 5^0 I ^^0 l^^o 00 Frederikhavn Varberg Hornbäk . Kopenhagen Aarhus . . Fredericia . Korsör . . Slipshavn . Gjedser Hangö . . Björn . . Draghällan Ratan . . !] . . ; 12.2 3.4 . . . jl 3.8 1.0 . . . 6.8 2.3 . . . i 6.0 2.7 . . . !jl3.6 ■ M 4.2 . . . 11.6 3.3 . . . 10.7 3.3. . . . !il2.0 4.1 . . . 1 3.6 0.8 . . . 1.31 0.47 . . . : 0.69 0.43 . . . ;i 0.71 0.34 . . . 1 0.25 0.16 ii 3.7 2.1 1.8 3.8 3.5 3.3 3.6 0.8 0.2 0.8 j 2.6 0.8 0.5 0.9 0.8 0.9 0.9 1.6 2.9 2.0 3.2 161 229 260 278 305 1.6 J 335 1.5 1; 10 2.1 I 2 1.8 il 192 0.68 1.25Ü 217 0.60 0.55 i; 74 0.55 0.33' 38 1.38 1.11 i 13 113 183 224 250 271 117 213 236 256 296 276 349 312 337 299 207 132 244 145 118 2 191 282 347 38 80 241 228 217 180 6 139 123 7 296 337 8 339 0 20 19 143 39 53 169 324 Das Verhältnis der Sonnen- zur Mondtide S^ : M^ ist mit 0.26 bis 0.34 im Kattegat imd in den Belten stark zu klein, erhebt sich dann in Kopenhagen fast auf den Normalwert mit 0.45 und geht in den bottnischen Plätzen über den theoretischen "Wert noch hinaus : in Hangö zwar finden wir noch 0.36, dafür in Björn 0.62, Draghällan und Ratan 0.48. Be- ^) Nach Repertor. für Meteorol, 1883, Bd. 8. 362 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. merkenswert ist auch der aus den deutschen Arbeiten bekannt gewordene hohe Wert für Arkona (0.55) und St. Petersburg (0.67) , während Gjedser nur 0.22, Travemünde 0.33 und Marienleuchte 0.38 haben. Besonders bezeichnend für die Ostseetiden ist der ganz vom west- europäischen abweichende hohe Eintagsindex. Während im Kattegat und Großen Belt noch typische Halbtagstiden herrschen {[K^ + 0] : [M^ + Äg] für Korsör = 0.17, Fredericia =0.16), treten am Sund schon gemischte Typen auf; Kopenhagen hat 0.29, Hornbäk 0.40, was sich dann in der Mecklenburger Bucht sehr steigert: Gjedser hat 0.77, und die obige Fig. 98 (S. 360) erweist ebenso eine sehr starke tägliche Ungleichheit für Wismar, Warnemünde und Arkona. Das gleiche läßt sich aus West- phals Proben der Tidekurven für Pillau und Memel ablesen, zumal wenn sie in einem stark überhöhten Maßstab umgezeichnet werden. Dem ge- mischten Typus gehören auch noch Hangö und Björn (1.08 und 1.03), abgeschwächter auch Draghällan (0.84) an; während Eatan in der Bott- nischen Wiek mit seinem Index von 6.07 in europäischen Gewässern als Eintagstypus völlig allein dasteht. Ebenso heißt es von St. Petersburg, daß zur Zeit der Quadraturen die dortigen Gezeitenkurven häufig den reinen Eintagstypus aufweisen. Wie in ähnlichen anderen Fällen liegt es auch hier nahe, in den Dimensionen des Beckens gewisse, eine Eintags- schwingung begünstigende Eigenschaften aufzusuchen. Für die Bottnische Wiek ergibt nun in der Tait die Rechnung nach der Formel t = 4: L/\/^gp mit L = 320 000 m, j? = 46 m, zusammen mit der Mündungskorröktion (6 = 70 000 m) eine Schwingungsperiode von 24.3 Stunden, und wenn wir den ganzen Bottnischen Golf als Becken mit konvex-parabolischer Normalkurve auffassen (s. oben S. 163, Formel XXXVIII), so erhalten wir mit X = 720 000 m, h' = 25 m, T = 0.603 L/[^F= 24.1 Stunden. Ähnlich liefert der Finnische Golf für L = 370 000 m (Abstand Jussarö- St. Petersburg), p = 35.6 m (nach E. Piccard) und b/L = Vs die günstige Periode von 24.4 Stunden. Alles Beziehungen, die sicherlich Beachtung verdienen, wenn wir diese innerbaltischen Eintagstiden dem Verständnis näher bringen wollen. Die elliptische Tide iVg ist (im Verhältnis zu Mg) überall, außer in Hangö (0.15) beträchtlich zu groß (meist 0.30); die schon in der Nordsee auffällige Größe des Quotienten 0: Zj, der beiden Eintagstiden, nimmt im Kattegat noch erheblich zu: Aarhus hat 3.55 und Hornbäk 3.62; Kopenhagen sogar 4.00, also mit einem ausnahmsweise starken Mond- einfluß. In den Finnischen Schären tritt wieder der Nordseewert auf (Hang$ 1.84) und die drei bottnischen Stationen sind darin ungefähr normal (Draghällan 0.60, Ratan 0.81). S^hr bemerkenswert ist das aus den Kappazahlen abzuleitende Alter der bezeichnenden Tiden. Im ganzen Kattegat und in den Belten tritt die Springtide 1 bis 2 Tage vor den Syzygien ein ; also ganz wie das schon im Skagerrak der Fall ist, aus dem die Tide welle herüberkommt. Die einzelnen Daten sind: Frederikshavn — 1.97, Aarhus — 1.39, Fredericia — 1.60, Slipshavn —1.30, Körsör —0.86, Varberg — 1.93, Hornbäk — 1.48, Kopenhagen — 1.15 Tage! Dagegen ist in der eigentlichen Ost- see wieder einige Verspätung: Gjedser -^- 0.62, Hangö + 1.11, Björn 2.91, Draghällan 3.28 Tage, aber Ratan mit — 0.45 Tage wieder zu früh. — Das Gezeiten des Mittelländischen Meeres. 363 Alter der elliptisclien Tiden ist ähnlich wie im Skagerrak auch im Katte- gat sehr groß und liegt um 4 Tage, in Kopenhagen nur 3.23 Tage, in Hangö 2 Tage. Das Eintagstidenalter ist von rasch wechselnder Größe : in Frederikshavn nur 0.5 Tage, steigt es in Aarhus auf 3.84, im Großen Belt bei Korsör auf 7.90 Tage und in Fredericia sogar bis 9.16 Tage, während Kopenhagen wieder nur 1.14 Tage hat. Im Bottnischen Golf ist dieses Alter negativ in Hangö mit — 1.25, in Björn — 3.27 Tage, Ratan aber wieder + 1.82 Tage. Man sieht, wie interessant die kleinen Ostseetiden für den Gezeitenforscher sind. Auch für die richtige Beurteilung der Gezeiten des Mittelländi- schenMeeres mangeln gegenwärtig noch ausreichende Pegelmessungen auf langen Strecken der Küsten mid Inseln; die spanische Mittelmeer- küste einschließlich der Balearen, die ganze nordafrikanische Küste mit Ausnahme einiger Punkte der Kleinen Syrte, die kleiijasiatischen und griechischen Gestade lassen meist jegliche Messung vermissen, und die vereinzelt vorhandenen erscheinen noch obendrein sehr unzuverlässig. Am besten steht es um die südfranzösische Küste und den Umkreis des Tyrrhenischen wie des Adriatischen Beckens, wo Begistrierkurven von sehr zahlreichen Küsten- und Inselpunkten vorliegen. Das vorhandene Material ist namentlich von Giulio Grablovitz, sodann von R. V. Sterneck, G. P. Magrini und Luigi d e M a r c h i gesammelt und dargestellt worden^). Die vorgetragenen Auffassungen sind aber von einem befriedigenden Abschluß noch weit entfernt. Nach den älteren Darstellungen, die noch von Hermann Berghaus in seinem Physikalischen Atlas wiedergegeben sind, sollten die Mittel- meertiden im wesentlichen aus dem Atlantischen Ozean stammen: man ließ eine um etwa 2 Uhr (Greenw.) vor Gibraltar anlangende Flutwelle durch die 14 km breite und hier über 500 m tiefe Straße eintreten und sodann wesentlich rechts an die afrikanische Küste gelehnt nach Osten fortschreiten ; in mehr oder weniger deutlichem Zusammenhang hiermit sollte im Tyr- rhenischen Meer an der Festlandsküste entlang eine von Süden kommende Tide so vorrücken, daß sie bei Neapel um 10 Va Uir (Greenw.), bei Elba um 12 Uhr, sodann weiter, entgegen dem Uhrzeiger das westliche Becken um- kreisend, um 1 Uhr Genua, 2 Uhr Bordighera und um 3 Uhr Toulon berührte. Zwar ist dieser Versuch , die Mittelmeertiden im wesentlichen als unselbständig und aus dem Atlantischen Ozean stammend zu deuten, insofern mit den Tatsachen im Einklang, als die Hubhöhen in solchem Falle sehr klein werden müssen, da sich die Energie der Gezeiten nach dem Durchgang durch die Gibraltarenge über ein rasch sich verbreiterndes und vertiefendes Becken verteilen muß, wozu kommt, daß auch die Ge- stade meist sehr steil in die Tiefen abfallen, also eine Seichtwasserver- stärkung fehlt. Wenn man daher für Gibraltar noch eine Hubhöhe von ^) Grablovitz in Rendiconti dell' Acc. dei Lincei 1891, Bd. 7, p. 136 und Memorie Geografiche 1909, Nr. 9 (Suppl. alla Rivista Geogr. Ital.), p. 191 (konnte nur für die Fig. 99 benutzt werden) ;v. Sterneck in Mitt. k. k. Militärgeogr. Inst. Bd. 22 und Sitzungsber. K. Akad. d. Wissensch. 1908, Bd. 117, S. 151; Magrini in Rivista Maritt. 1905, III, p. 290; deMarohiin Rendio. dell' Accad. dei Linoei 1908, Bd. 17, I, p. 12. 364 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. 1.2 m und für Ceuta 0.94 m angegeben findet, braucht man nicht ver- wundert zu sein, weiterhin nur Bruchteilen hiervon zu begegnen. So für San Remo nur 11 cm, für Genua 13.9, Livorno 22, Neapel 22.5, Lipari 29.8cm, und weiter für Messina nur noch 2.4, Catania 11.0, Korfu 6.0 cm; erst wieder im seichten Wattenmeer der Syrten begegnet eine Steigerung in Djerba auf 1.83 und Sfax 1.22 Meter, sowie etwas gelinder an den syri- schen Plätzen mit 30 bis 40 cm. Prüfen wir aber die Idee eines atlantischen Ursprungs der Mittelmeer- tiden an den uns bekannten Hafenzeiten, so treffen wir auf unauflösbare Widersprüche. Zwar scheint eine Hafenzeit für Tanger und Gibraltar mit 2*^ 5^ und 2^ 8"^ mit jener alten Annahme im Einklang; bemerkens- wert aber bleibt sofort, daß Ceuta mit 2^ 27»» und Tetuan mit 2^ U^ eine in den Wassertiefen nicht begründete Verspätung aufweisen, während eine neuere Angabe für Malaga mit 2^ 48"^ wieder eine imverständliche, weil mit Tetuan (2*^ 44"^) fast gleiche Hafenzeit verzeichnet. Für Algier gab einst Aime als Hafenzeit 5^ 48™, neuere Quellen aber erhöhen sie auf 7^ 13"^; beide Zahlen entsprechen jedenfalls nicht den von Gibraltar her durchlaufenen Wpssertiefen, die etwa 4 Uhr erwarten lassen. Die südfranzösischen Küsten zeigen nach den neueren Messimgen ganz ent- gegen den älteren eine fortschreitende Verspätung nach Osten hin, die aber auch den Wassertiefen nicht angemessen ist: Port Vendres 6^ 59"^, Cette 7^ 24™, Toulon 7^ 49™, San Remo 7^^ 59™. Aber Po. Maurizio 7^ 44™, Fig. 99. Übersicht der Hafenzeiten (Greenw.) im Mittelländischen Meer. Genua 7^ 41™ (nach neueren Messungen) deuten eher auf eine angenäherte Gleichzeitigkeit des Hochwassers im Ligurischen Meer. Ungefähr gleich- zeitig wird auch der ganze Umkreis des Tyrrhenischen Meeres vom Hoch- wasser betroffen. Livorno 7^ 48™, Po. Ferrajo auf Elba 7^ 29™, Civita- vecchia 7^ 1™, Neapel 8^ 11™, Ischia 7^ 56™, Lipari 8»^ 10™, Palermo 8^ 25™, Cagliari 8^ 17™, Maddalena 7^ 45™ lassen dies als sehr wahr- scheinlich hervortreten. Auch an der Außenseite von Sardinien ist etwa gleichzeitig Hochwasser: Po. Torres im Norden hat 8^ 6™, Carloforte im Südwesten 7^ 43™, sodann auch Biserta 7^ 20™! Eine von Gibraltar Gezeiten des IVIittelländischen Meeres. 365 um 2.1^ abgegangene freie Welle würde nach den gegebenen Wasser- tiefen Carloforte etwa 4.7^, Toulon 4.9^, Genua 5.2^, Neapel 53^ (Greenw.) erreichen — also zu ganz anderen Zeiten! Noch bemerkenswerter aber ist, daß die Hafenzeiten an der West- seite des Ionischen und Syrtenmeers wiederum sehr nahe beieinander liegen: die Insel Djerba hat 2^ 26"^ (nach den britischen Gezeitentafeln aber 3^ 39^), Malta 2^ 30^, Po. Empedocle 2^ 31^, Catania 2^ 8^, Keggio Cal. 2^ 12«!, Tarent 2^ 43^ (ältere Zahl 2^ 2«^), Gallipoli 1^^ 30^, Korfu 2^ 52°^ (ältere Angabe 3^ 7^) und Patras 3^ 331»: es sind das Zeiten, die ungefähr um 6 Stunden von denen des Tyrrhenischen Schwingungsgebiets abstehen. In der Straße von Messina drängen sich die Hafenzeiten dann ganz eng aneinander, um den Übergang zu vermitteln, wie folgende Reihe zeigt: Lipari 8^ 10°i, Torre di Faro 9^ 3^, Messina 12^ 35^, Reggio Cal. 2h 12m und Catania 2^ 8™. Aus dem ägäischen Gebiet haben wir nur Angaben aus Kanea 12^ 39"^, Negroponte 3^42^» und Volo (Vromo) 7^57«^; weiter folgen im syrischen Tarabulus 7^ 57^, Jaffa 7^ 57«i, Port Said V bl^, Alexandria 8^5™, sodann Famagusta auf Cypern 7^ 44"^ — wie man sieht, wiederum ähnliche Zahlen wie im Tyrrhenischen Gebiet und fast eine halbe Tideperiode später als im Westen. Eine Tidewelle von Gibraltar kommend aber würde in Malta um 7.1^, in Tarabulus um 11.1^ sein müssen. Der Eindruck ist etwa derartig, als ob wir es im gan?en Mittelmeer mit zwei unabhängig voneinander schwingenden Becken zu tun hätten: dem orientalischen, das im Osten bei etwa 8 Uhr, im Westen bei 2 Uhr Hochwasser hat, so daß eine Knotenlinie von Kreta nach Barka hinüber bestünde, während wieder zwischen Gibraltar und der italienischen West- küste ganz analog im Osten um 8 Uhr-, im Westen um 2 Uhr Hochwasser auftritt, mit einer Knotenlinie vielleicht bei Menorca, aber hier zugleich doch auch eine Interferenz der . stehenden Schwingung mit der von Gibraltar her eindringenden atlantischen Tidewelle. Besonders bemerkens- wert in dieser Hinsicht ist für die Straße von Gibraltar eine von Kapitän G. S. Nares^) im Jahre 1871 festgestellte, aber bisher nicht genügend gewürdigte Tatsache: nämUch daß in der genannten Straße der Flut- strom mit steigendem Wasserstand von Osten kommt und etwa 3 Stun- den nach Niedrigwasser seine größte Stärke erlangt, d. h. den an der- Oberfläche einfließenden atlantischen Strom entsprechend verlangsamt, während der Ebbestrom nach Osten setzt (also den atlantischen Strom beschleunigt) : nach der alten Auffassung müßte es gerade umgekehrt sein und der Flutstrom von Westen kommen. Da nun in Malaga und Tetuan imgefähr zu gleicher Zeit Hochwasser ist (2^ 48"^ und 2^ 44^1 Hafenzeit), würde dieses also dem Auflaufen einer stehenden Welle gegen den West- rand des Beckens entsprechen. Aber im übrigen ist auch dieser Ge- dankengang nicht so ohne weiteres z". beweisen, indem die gegebenen Dimensionen der beiden Mittelmeerbecken, wenn wir jedes für sich schwin- gen lassen, eine viel zu kurze Periode ergeben; nach Formel XXXIII (S. 159) berechnet sich eine solche für das orientalische Becken zu nur 4^/4 Stunden, für das westliche zu 3.6 Stunden, da es sich um große 1) Eroe- R. Soc. London 1872, Bd. 20, p. 366 l^iö Gezeiten des atlantischen Gebiets. Meerestiefen (1900 und 2000 m) handelt. Vielleicht daß die Chrystalschen Formeln hier günstiger ausfallen, oder auch daß ein Versuch, das ganze Mittelmeerbecken von Gibraltar bis Syrien hin als Einheit in Betracht zu ziehen und eine mehrknotige Schwingung (die Knoten südlich von Kieta, bei Pantellaria und bei Menorca sind angedeutet) einzuführen, noch besseren Erfolg verspricht; und zwar wäre eine Formel zu diesem Zwecke neu zu entwickeln, da die Normalkurve zwei konvexe Biegungen zeigeii wird. Ehe aber nicht die großen Lücken in unserer Kenntnis der Hochwasser- zeiten, namentlich an der nordafrikanischen Küste zwischen Alexandria und der Kleinen Syrte, beseitigt sind, lohnt eä kaum, diese mühsamen Rechnungen aufzunehmen. Von einer maßgebenden eigenen Tideschwingung der einzelnen Mittel- meerbecken sind auch die meisten der neueren Forscher überzeugt, wobei sie wesentlich R. v. Sterneck folgen. Dieser denkt sich die Wassermassen jedes Teilbeckens zerlegt in lauter senkrechte dünne Prismen, die gemäß den verschiedenen Wassertiefen verschieden lang sind. Die fluterzeugenden Gestirne bewirken nun mit ihrer der Schwerkraft entgegengesetzten vertikalen Komponente eine periodisch wechselnde Vergrößerung und Verkleinerung des spezifischen Gewichts dieser Prismen, so daß sie periodisch länger und kürzer werden. Und zwar wird diese Wirkung da am ergiebigsten sein müssen, wo die Wassertiefen am größten sind. Bei der vollkommenen Regelmäßigkeit, mit der die Impulse sich folgen, sollen diese Oszillationen sich summieren und schheßhch eine konstante AmpHtude annehmen. So läßt Sterneck die ganze Fläche des Wasserbeckens von der tiefsten Stelle aus in Schwingungen geraten, die sich als Wellen gegen die Küsten fortpflanzen, wo wir dann ihr gleichzeitiges Eintreffen wie im Tyrrhenischen und Ionischen Meer wahrnehmen. Auf die Verhältnisse in der Adria, die hiervon abweichen, ist nachher noch besonders zurückzukommen. De M a r c h i findet nun mit Recht in dieser auf den ersten Blick sehr einfach sich anlassenden Erklärung große Schwierigkeiten. Wir wissen bereits (S. 214), daß überhaupt die vertikale Komponente der fluterzeugenden Kräfte stets außerordentlich klein ist und ihr Effekt sich für 4000 m Wassertiefe, was der größten des Ionischen und Tyrrhenischen Beckens nahe kommt, nur auf 0.4 mm berechnet. Sterneck hat diesen Einwand vorweg damit beseitigen wollen, daß er eine periodische Wiederholung der Impulse annimmt, was zu einer Verstärkung der Amplitude führen soU. Das ist aber doch nur zulässig, wenn die Periode der Eigenschwingung der betrachteten Teilbeeken der Periode der Tidenkräfte sehr nahe kommt; solches aber ist, wie wir sahen, nicht ohne weiteres zu erweisen. Diese von Sterneck aufgestellte, von Grab- lovitz u. a. geteilte Deutung steht also auf schwachen Füßen. De Marchi selbst erblickt den Weg zur Lösung des Problems in der beckenartigen GUederung des Meeresbodens, der die aus der horizontalen Komponente der fluterzeugenden Kräfte entstehenden Wasserschiebungen in eigenartiger Weise ablenkt. Wenn der Mond, sagt er, sich dem Meridian des Ostrandes eines solchen Teilbeckens nähert, wird er mehr imd mehr das Wasser auf sich zu ziehen, und da die bewegte Masse von den größeren Tief en der Mitte her von größerem Volumen ist, wird sie sich gegen die Randschwelle hin aufstauen und als Welle auftürmen, und zwar aus der Richtung der größten Tiefen her am meisten. De Marchi macht nun den keineswegs einleuchtenden Versuch, den Unterschied von 6 Stunden in den Hafenzeiten der italienischen Küsten am ionischen und tyrrhenischen Gestade zu erklären. Das Tyrrhenische Becken, sagt er richtig, ist im Osten völlig, im Süden und Norden so gut wie ganz geschlossen und allein nach Südwesten zwischen Sardinien und Sizilien Gezeiten der Syrien und der Straße von Messina. 367 geöffnet. Nun sollen die fluterzeugenden Kräfte, wenn der Mond sich dem Meridian der Straße von Messina nähert, keinen merklichen Strom und keine Schwellung nach Osten hin hervorrufen, sondern solche sollen sich erst ent- wickeln, nachdem der Mond viel weiter nach Westen vorgerückt ist und das Wasser gegen die öfinung südlich von Sardinien hin zieht. Da die hier liegende Schwelle tief ist (800 bis 1000 m) und nach Osten sanft abfällt, soll sich zunächst auch hier die Wasserstauung nur schwach entwickeln und- so weit verspäten, daß der Mond sozusagen erst bei seinem Untergange, also um 8 Uhr Greenw., recht wirksam wird. Hierbei ist zunächst völlig vergessen, daß zwischen den äußersten Meridianen im 0 und W des ganzen Mittelmeers überhaupt kein Zeit- unterschied von mehr als 2^4 Stunden besteht. Sodann sieht man nicht ein, weshalb das breite und tiefe Tor südlich von Sardinien gera(ie verzögernd wirken soll, während doch die geschlossene Landschranke im Osten und Süden den Mond befähigen müßte, im Tyrrhenischen Becken von seinem Aufgang bis zur Kulmination hin eine besonders hohe und frühe Welle aufzu- türmen. — Die von Rollin Harris^) versuchte Ausgestaltung der Flutstunden- Unien beruht nicht auf empirischer Unterlage, sondern ist nur ein Phantasie- gebilde. Für das westliche Becken ist für ihn die aus der Gibraltar straße kom- mende Welle maßgebend, wobei er aber doch eine Zusammendrängung der Flutlinien südlich von Cartagena annimmt, wogegen östHch von den Balearen bis zur itaUenischen Festlandsküste nur 1 Stunde Flutintervall Hegt. Im orientalischen Becken erscheint eine Amphidromie, die, dem Uhrzeiger fol- gend, um das westliche Kreta als Drehpunkt herum die Flutlinien anordnet und auch das Ägäische Meer in den Kreislauf hineinzieht. Zu beiden Seiten von Kreta drängen sich die Flutstundenlinien dabei wieder stenochron zu- sammen, im ionischen und noch mehr im syrisch-zyprischen Gebiet spreizen sie sich eurychron auseinander. Um zu einem solchen Bilde zu gelangen, war es nötig, die Hafenzeiten im Ägäischen Meer und an der nordafrikajiischen Küste ganz hypothetisch einzusetzen. Gezeitenstrome gewinnen bei der allgemein so schwachen Tidebewe- gung im Mittelmeer nur an wenigen Stellen Bedeutung. So zunächst gleich am Eingang, in der Straße von Gibraltar. Der dort herrschende ins Mittelmeer hinein gerichtete Meeresstrom wird nach Angabe der Segel- handbücher von den Gezeitenströmen periodisch nicht nur geschwächt und verstärkt, sondern inmitten der Straße kaijn bei ruhigem Wetter der Flutstrom (nach Westen) in der Regel volle 6 Stunden allein herrschen, wenn auch nur mit der Geschwindigkeit von 1 Seemeile stündlich, während er an der Küste 2 bis 3 Knoten stark werden kann. Der Ebbestrom (nach Osten) har dagegen meist die doppelte Geschwindigkeit und bildet in der Nähe der Küsten dann allerhand Wirbel und sehr starke Stromkabbe- lungen, die kleinen Fahrzeugen gefährlich werden können. Wir werden später noch auf diese Komplikation der StraUenstrÖme zurückkommen. — Ein Hauptschauplatz deutlicher Gezeitenströme ist sodann das Watten- gebiet der Kleinen Syrte, namentlich um die Insel Kerkenah, wo die Hubhöhen über 1 m, bei Springtide 1.6 m, mit höchstens 2 Knoten Strom, erreichen und schon die Alten erschreckten; nach Sallust sollten die Strö- mungen, vom Winde verstärkt, nicht nur Schlamm und Sand, sondern selbst große Steine bewegen können, was natürlich eine arge Übertreibung 1) Manual of Tides IV B (1904), Tafel 19. 368 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. ist^), wie denn überhaupt für die heutige Schiffahrt die Kleine Syrte ihren alten üblen Ruf verloren hat 2). Noch populärer sind seit dem Altertum die dem Rhythmus der Ge- zeiten folgenden Strömungen in der Straße von M e s s i n a geworden; knüpfte sich doch an diese Stelle die homerische Schilderung der furcht- baren Scylla und Charybdis. Schon zur Zeit des Aristoteles^) war der Zusammenhang dieser Ströme mit dem Gezeitenphänomen wohlbekannt. Wie wir sahen, vermittelt diese Straße den Übergang der Tiden des Tyrrhenischen zu denen des Ionischen Meeres und haben die Hochwasser beider fast genau 6 Stunden Unterschied, so daß Hochwasser im Nor- den der Straße mit Niedrigwasser im Süden davon (und umgekehrt) zusammenfallen muß. Der entstehende Niveauunterschied wird durch Strömungen ausgeglichen, die alle 6 Stunden ihre Richtimg wechseln. Man bezeichnet den nach Norden gerichteten Strom als den „aufsteigenden" {retna montante), den nach Süden laufenden als den „absteigenden" {rema scendente) *) ; das erstere mit Flut-, das zweite mit Ebbestrom zu über- setzen, ist nach der eben gegebenen Erklärung nicht angängig, denn für die ionische Welle ist der Nordstrom die Flut-, für die tyrrhenische aber die Ebbeströmung, und für den nach Süden gehenden Strom ist es umgekehrt. Nach der italienischen Seekarte und den Segelhandbüchern setzt der Süd- strom am Nordeingang der Straße bei Cabo Peloro etwa 4 Stunden und in Messina 2 Stunden vor der Mondkulmination ein; steht der Mond im Meridian, so läuft das Wasser "in der ganzen Straße als rema scendente nach Süden. Um 2 Stunden nach der Kulmination wendet der Strom beim C. Peloro nach Norden und wieder 2 Stunden später ebenso auch in Messina, so daß dann 6 Stunden nach der Kulmination das Wasser überall als rema montante nach Norden läuft. Nach G. Grablovitz liegt ''das Hoch- wasser beim C. Peloro 2 V* Mondstunden vor der Kulmination, in Messina aber 1 Mondstunde nach derselben. Nennt man für Messina die Zeit des steigenden Wassers Flut, so dauert diese 4^ 10"^ (Mondzeit), dagegen die Ebbe 7^ 50"^, und zwar wird die Tidekurve trotz ihres geringen Ge- samthubs von 29 mm (im Durchschnittswert) durch eine deutliche se- kundäre Schwellung 3 bis 4 Stmiden nach Hochwasser gekennzeichnet, während welcher also die Ebbe aussetzt. Dieses doppelte Hochwasser, das besonders nach der oberen Kulmination des Mondes ausgeprägt ist, wird nach Grablovitz auf die beiden hier zusammentreffenden TideweUen zurück- geführt und wäre danach dem bei der Isle of Wight auftretenden zur Seite zu stellen. L. Marini aber ist geneigt, darin weiter nichts als eine Stauwirkun^ des in den engen Hafen von Messina hineindrängenden Stroms zu erblicken, so daß hier nur eine ganz örtliche Störung der Flut- kurve vorliegt. Der Gezeitenstrom verstärkt sich zur Springzeit erheblich, die größte beobachtete Stärke überschritt aber 5 Knoten (2.6 m p. S.) ^) Sallust lug. 78; wenn er dazu bemerkt: Syrtes ab tractu nominatae (nämlich von aupjtv), so ist das, wie Kiepert sagt, kindische Volksetymologie. Weitere Hinweise der Alten vgl. Plin. H. N. 2, 218; 5, 26, und die bekannten Stellen bei Horaz (carm. 1, 22, 5; 2, 6, 3; ep. 9, 31). 2) Segelhandbuch für das Mittelmeer, Bei'lin 1905, III, S. 352 (vgl. oben S. 202).- ') De mirab. auscult. §§55 und 130. *) Schon Eratosthenes nannte die nach Süden gehende Strömimg xaTtovia, die andere fe^iovxa (Strabo I, p. 65 Gas.). Das dialektische rema ist = griech. ^söua. Strömungen in der Straße von Messina. Fig. 100. 369 ßrük Stund» der .außteigmdm' ütroms. IE IhvUf Stunde, des .iobitagendaC Stroms. K Sechste, Stunde des , ^ .abstauenden! Stroms. Strömungen in der Straße von Messina mit Strora^renzen und Strorakabbelungen (nach Ribaud und Marini). Krammel, Ozeanographie. II. 24 370 I^iß Gezeiten des atlantischen Gebiets. nicht. Nahe unter Land bilden sich Neer- oder Gegenströme aus, die hier hastardi heißen und von den Küstenfahrern genau beachtet werden (vgl. Fig. 100). Da sich eine submarine nur 90 bis 100 m tiefe Schwelle von der Punta Pezzo aus nach Nordwesten auf Ganzirri hinüber zieht und den die ganze Wassermasse bewegenden Tidestrom aufstaut, bilden sich Wirbel, die das kältere und salzigere Tiefenwasser und mit ihm aller- hand Tiefseetiere (so u. a. die Larvenform des Aals, Leptocefhalus) an die Oberfläche hinaufreißen. An einigen Stellen sind nun diese Strudel aber sehr kräftig, so südlich vom C. Peloro und östlich von der sichelförmigen Landzunge, die den Hafen von Messina bildet, aber auch sonst mehr oder weniger stark an allen Vorgebirgen der Enge. Die Seekarten bezeichnen gewöhnlich den Wirbel südlich vom C. Peloro als Charybdis, und wir wissen aus Berichten deutscher Schiffsführer, daß hier bei schönstem Wetter auch stärkere Dampfer schon steuerunfähig geworden sind^). Die beim heutigen Orte Scilla vorkommenden Wirbel werden dagegen als unbe- deutend bezeichnet. Eine genaue auf gleichzeitigen und gut um die Straße verteilten Pegel- und Strombeobachtungen beruhende Analyse der eigentümlichen Tidebewegungen dieser Meeresstraße ist leider noch zu wünschen^). — Von den Abgliederungen des Mittelmeerbeckens ist das Schwarze Meer gänzlich ohne Gezeitenbewegung; im Ägäischen sind diese an den fast überall steilen Gestaden schwer zu bemerken und sehr schwach. Die von G. Wegemann'') bearbeiteten Pegelkurven von Isthmia am Ostausgange des Isthmuskanals ergeben als Tidenhub dort etwa 18 cm; darum sind dort die stehenden Schwingungen von kurzer Periode augen- fälliger (s. S. 180). Herodot (7, 198) weiß von Gezeiten, im Malischen Golf zu berichten, wo sie in der Tat leicht bemerkt werden konnten, da der Busen seicht ist und sich der Boden sanft gegen die Anschwemmungen des Spercheios erhebt^); ebenso auch unter ähnlichen Verhältnissen bei Potidaea (Herod. 8, 129). Auch im Adriatischen Golf sind die Tiden kein großartiges Phänomen, aber jedem Besucher Venedigs bald sehr deutlich, da er, wie Sir George Darwin sagt , die Tidewirkungen nicht nur sehen , sondern ') Ann. d. Hydr. 1899, 8. .568 und Segelhandbuch für das Mittelmeer, Berlin 1905, II, S. 257. -) Die obi<,'e Darstellung stützt sich im wesentlichen auf Giov. Platania in Rivista Marittiraa 1904, agosto-sett., wo die ältere Literatur vollständig aufgeführt ist, und auf L. M a r i n i in derselben Zeitschrift Mai 1907. Die neuere ausführliche und die Beobachtungen des J; hres 1908 erläuternde Abhandlung von L. Marin i im Ergänzungsheft 10 der Rivista Geograf. Ital. 1909, p. 279 ff. gibt auch in 12 Tafeln für jede Mondstunde das l^ild der .Stromvorgänge in wesentlicher Anlehnung an Ribaud: Trattuto teorico, pratico, istorico delle correnti ed allre particolarita e sui fenomcni che hanna luogo ne! canale di Messina. Napoli 1824; in Fig. 100 sind vier derselben wiedergegeben. Vgl. außerdem: Lohmann in Int. Revue d. ges. Hydrobiologie u. Hydrographie 1909, Bd. 2, S. 505; Herm. Keller in Ann. d. Hydr. 1891, S. 299 f.; ferner Ann. d. Hydr. 1893, S. 505 und G. Schott, Globus 1894, Bd. 05, S. 176. Unter den Seekarten ist die italienische Nr. 47 eine gewichtige Originalquelle. =>) Ann. d. Hydr. 1907, S. 364. *) C. Neumann und .1. Bartsch, Physika!. Geogr. von Griechenland. Breslau 1885, S. 149. Nach den Seekarten ist der Tidenhub 75 cm bei Springzeit um die Lithadainseln mit Tidestrom von 2 Knoten. Gezeiten der Adria. 371 auch riechen kann ; nach G. Grablovitz beträgt hier der mittlere Tidenhub 47.6 cm, die Springtide 1 m (am Lido). Ebenso groß ist zur 'Springzeit der Hub bei Grado mit 88 und Pirano mit 98 cm. Sonst übersteigt dieser Wert bei Springtide nirgends 40, meist bleibt er bei 30 bis 33 cm an den dalmatinischen Küsten, und 20 cm an den italienischen südlich von Ancona. Nach den sehr eingehenden Untersuchungen, die der Generalmajor Robert vonSterneckin den letzten Jahren ausgeführt und kürzlich zusammen- gefaßt hat^), zeigen die Flutstundenlinien eine besonders interessante Anordnung. Während der sehr tiefe (bis 1645 m abgesunkene) Südteil der Adria eine aus der Straße von Otranto eindringende fortschreitende Welle aufweist, die in Brindisi 1^ 29"^, Bari 2^ 6™, Durazzo 3^ Hafenzeit ergibt, tritt nordwärts von der Gargano-Pelagosaschwelle ganz deutlich eine entgegen dem Uhrzeiger verlaufende Amphidromie hervor (Fig. 101). Jedenfalls sind die beobachteten Hafenzeiten durchweg ganz außer Zu- sammenhang mit den Meerestiefen verteilt. Pelagosa hat 3^ 8™, ebenso Fig. 101. Flntstundnnlinien (Greenw.) und Amphidromie im Adriatischen Meer (konstruiert nach R. V. Sterneck). Ragusa 3^ 8»». San Andrea 3^^ 27"^ und Spalato 3^ 31 m; Sestrice aber 4^ 17"^, das nahebei nach Nordwesten gelegene Eso b^ 25'" und Punte bianche an der Nordwestspitze von Grossa schon 6^ 15"^, Premuda 7^ 12*", Unie 8^ 7"^ und Porer an der Südspitze Istriens 8^^ 38™, ebenso wieder Rovigno 8^ 38^, sodann Pirano 8^ 50^, Grado 9^ 15™, Tricst 9h 29™. Vor den Lagunen und dem Podelta ist ziemlich gleichzeitig Hochwasser: Chioggia hat 9^ 27™, Venedig 10^ 17™, Porto Corsini bei Ravcnna 9^ 52"'. In Ancona soll nach Sterneck die Hafenzeit 11^ (Greenw.) sein ; nach älteren italienischen Angaben wären es aber 9'' 28™. San Benodetto del Tronto (in 42 0 53' N. B.) hat aber schon 2^, Ortona 2^ 25™ und Manfredonia 3^ 2™, so daß also in der ganzen nördlichen Adria die Hochwasserzeiten in 12 Stun- den einen Umlauf vollziehen. Den Ursprung der Amphidromie ist Sterneck geneigt in der Interferenz zweier Schwingungen zu erblicken, die mit 2 Stunden Phasenunterschied sich ungefähr unter rechtem Winkel durch- 1) Sitzungsber. Kais. Akad.-Wien 1908, niathem. natw. Kl. Bd. 117, II a, S. 151. Die Mondstunden der Karte sind für unsere Figur 101 in Greenw. luittl. Zeit um- gewandelt. 372 Die Gezeiten des atlantischen Gebiets. kreuzen. Der Drehpunkt der so entstehenden Amphidromie dürfte etwa 25 Seemeilen nordöstlich von Ancona liegen; die eine Knotenlinie läßt Stemeck von Sestrice aus genau nach Westen verlaufen, die andere aber nordsüdlich von Porer aus nahe an 14® 0. L. entlang. Man würde sich in der Tat sehr wohl vorstellen können, daß die dalmatinische und die italienische Küste die von Südosten her einlaufende Flutwelle in der ver- langtet! Weise reflektieren. Im Anschluß . hieran sei über, die Qualität der Adriagezeiten gleich bemerkt, daß innerhalb der dalmatinischen Inseln stellenweise stark an Eintagstiden erinnernde Unterschiede der beiden täglichen Hochwasser hervortreten. Während in Ragusa zur Zeit der Solstitien die Hubhöhen der beiden sich ungefähr normal wie 1 : 2 verhalten, wird der Unterschied nach Norden stetig größer und erreicht bei Zara ein Verhältnis von 1: 43; auch Zengg hat noch 1 : 23, Fiume 1 : 17. Entsprechend können auch die Zeitintervalle zwischen Mondkulmination und Hochwasser leicht um 1 V2 bis 2 Stunden,- in Einzelfällen bis 3 V2 Stunden verschieden groß werden. Es mag auch dies mit der Umbiegung und Reflexion der TideweUen zwischen den dalmatinischen Inseln zusammenhängen, wobei die Interferenzen in der früher (S. 247) angegebenen Weise wirken. Übrigens sind die von mehreren Punkten der Adria vorliegenden stündlichen Wasserstands- ablesungen noch keiner harmonischen Analyse imterzogen. Die wenigen für Küstenpunkte des Mittelmeers bestimmten har- monischen Konstanten sind in der nachstehenden kleinen Tabelle ver- einigt^). Harmonische KoaBtanten ans dem Mittelmeer. Ort Amplituden (cm) Kappazahlen (Qrad) -af. s^ N^ Kl *0 Jlfa» Ä.o jY,» Z,o 0» Toulon ..... 6.08 2.72 1.61 3.29 1.61 247 250 227 188 118 Marseille . . .' . 6.87 2.37 1.36 3.29 1.85 230 247 223 188 97 Malta ..... 6.99 3.66 0.94 1.04 0.76 95 100 116 52 72 Isthmia .... 1.69 1.44 0.28 4.35 1.38 69 80 93 24 308 Posidonia . • . . . 26.02 19.57 C1_ 6.62 2.31 9.11 129 128 360 ;„ Uli 68 327 klein (0.34), fast normal in Toulon (0.45), zu groß in den anderen Plätzen (Malta 0.61, Isthmia 0.74, Posidonia 0.75). Der Index der Eintagstiden ist nur in Malta klein (0.18), das also westeuropäischen Halbtagstypus besitzt, während Posidonia (0.25), Toulon (0.41) und Marseille (0.55) zum gemischten Typus hinübergehen. Isthmia (1.84) gehört schon zu den echten Eintagstiden, und diesen dürften sich, wie bemerkt, die dal- matinischen Plätze zur Seite stellen. Das Verhältnis der beiden Halbtags- tiden N2 : M2 ist fast normal in Marseille (0.19) und Isthmia (0.17); unter- normal in Malta (0.12), übemormal in Toulon und Posidonia (beide 0.25). — Die beiden eintägigen Teiltiden stehen sich in fast normaler Größe gegenüber in Malta (0: Ä^j = 0.73), sonst ist K^ zu groß in Toulon (Quo- ^) Für Malta, Marseille und Toulon {Mittel aus 3 Reihen) nach Sir Will. Thomsonin Natura 1878, Bd. 18, p. 670 ; für Posidonia und Isthmia nach G. W e g e- mann, Ann. d. Hydr. 1907, S. 358 u. 363. Die Gezeiten im'Indisohen Ozean. 873 tient = 0.49), Marseille (0.50), Isthmia (0.32); dagegen ist Oj viel zu groß in Posidonia (Quotient = 3.96!). — Die Verspätung der Springtiden ist nirgends groß: in Toulon 0.12, Malta 0.2, Marseille 0,7, in Isthmia 0,5 Tage, dagegen in Posidonia fast Null). Das Alter der elliptischen Tiden ist nur in Toulon positiv (1.5 Tage), sonst negativ, in Malta — 0.7, Marseille — 0.5, Isthmia — 1.9, Posidonia sogar — 9.9 Tage. Das Alter der ein- tägigen Springtiden ist in Toulon 2.7, Isthmia 2.9, Marseille 3.5, Posidonia 3.8 Tage, dagegen tritt in Malta eine Verfrühung ein ( — 0.8 Tage). Auch hierbei zeigt sich wieder, daß die Mittelmeertiden, so schwach sie sind, dennoch die interessantesten Probleme einschließen. — 2. Die Gezeiten des indischen Gebiets. Nach unseren früheren Darlegungen (S. 267) dürfen wir nicht erwarten, wenn wir den Atlantischen Ozean mit seinen vorwiegend halbtägigen Tiden verlassen und in die anderen Ozeane übergehen, eine leichte Ordnung in die Hafenzeiten zu bringen, deren Beobachtung und richtige Feststellung bei dem nunmehrigen Hochkommen starker täglicher Ungleichheit sehr erschwert und stellenweise beim Auftreten der Eintagstiden einfach unmöglich, ja sinnwidrig wird. Immerhin geben Tidemessungeh zur Zeit, wo die Monddeklination Null ist, doch einen gewissen Anhalt, so daß nicht etwa alle in den Gezeitentafehi aufgeführten Hafenzeiten für unsere Zwecke unbrauchbar sind \md gewisse Hauptmerkmale im Verlauf der Flutwellen für uns erkennbar werden^). Ein solcher überaus auffälliger Charakterzug an den indischen Tiden ist die Homochronie, oder doch angenäherte Gleichzeitigkeit des Hoch- wassers entlang der ganzen Ostküste Afrikas. Wie die nächstehende Ta- belle ergibt, tritt vom Nadelkap im Süden bis zum Somaliland im Norden, also aiuf einer Strecke von über 4000 km oder 2200 Seemeilen, bei Voll- oder Neumond das Hochwasser zwischen 1 V4 und 1 ^1^ Uhr ( Green w.) auf; wobei an Orten im Innern von seichten Buchten eine größere Verspätung erklärlich ist. B [af enz eil ten nnd Hnbböh^n an der OstkOste Afrikas. Hafen- Hub i Hafen- Hub Ort zeit 0 r t . I zeit (Greenw.) m : (Greenw.) 1 V m Tafelbai .... Ih 26 m 1.5 Kilwa Kisiwani . , Ih 7m 3.6 Kap Agulhas Ih 30 m 1.5 Daressalam . 1 h 43 m 4.0 Plettenberg B. Ih 36 m 1.8 Sansibar < 1 h 39 m 4.5 Pt. Elizabeth . Ih 38m 1.8 Tonga . . Ih 23m 3.6 East London Ih 65m 1.5 Malindi . . Ih 25m 3.4 Pt. Natal . 2 h 26 m 1.8 Pt. Durnford Ih 37m 3.7 Delagoa B. 2 h 18 m 4.6 Juba Fl. . Ih 40m 3.0 Inhambane Ih 53m 3.0 Brawa . . Ih 14 m 2.4 Sofala Fl. . Ih 41m 6.7 Mogadischu Ih 29m 2.4 Kilimani Fl. Ih 47m 3.7 Ras Hafun i! 2 h 49 m 1.2 Mozambique Ih 32m 3.7 ^) Für das folgende vgl. auch C. Börgenim Segelhandbuoh für den Indisohea Ozean, herausgegeben von der Deutschen Seewarte, Hamburg 1892, S. 351 und R. H a r r i 8, Manual of Tides IV B, p. 356. Wie das Obige zeigt, komme ich vielfach zu anderen Auffassungen. 374 ^^^ Gezeiten des indischen Gebiets. Ungefähr um dieselbe Zeit hat auch die Süd- und Westküste von Madagaskar Hochwasser: Fort Dauphin (25« S., 47 » 0.) hat 1^ 22™, Kap Ste. Marie (in 25.6" S.) 1^ 30™, Nosi Hao Ankerplatz (in 22.1 " S., 43.2o 0.) 2^ 7™, Morondawa (in 20.3« S., 44.3 0.) l^^ 39™, Nosi Mavony (in 18.3" S., 43.8" 0.) jh 4gin^ während andere tiefer, in den Buchten gelegene Orte erst nach 3^ oder 4^^ Hochwasser verzeichnen. Dagegen liegen an der Ostküste Ma- dagaskars die Hafenzeiten anscheinend um eine Stunde früher : Tamatave Oh 57™, Port St. Mary 0^ 41™, Port Choiseul (15.5" S., 49.8" 0.) 0^ 40™, Diego Suarez 0^ 15™. Ganz anders aber verhalten sich die weiter im Osten und Norden gelegenen Inseln. Auf Mauritius hat Port Louis 8^ 58™, auf Eeunion St. Pierre 8^ 18™ und St. Denis 8^ 40™, St. Paul sogar 9^ 26™. Dem ähnlich auch Kodriguez 8^ 16™, die Cargado Carajos 8^^ 1™, die Inselchen des Chagosarchipels 8^ 40™ bis 8^ 48™, und sogar die südlichen Malediven schließen sich hier noch an: Addu (0.7" S., 73.1" 0.) hat 8^ 8™, Sua- diva 8^ 6™. Dagegen richten sich die westlicher gelegenen Gruppen wieder mehr nach den ostafrikanischen Hochwasserzeiten : die Seychellen haben in Mähe 0^ 50™, auf Curieuse I. 1^ 26™, die Amiranten ebenfalls 1^ 26™; etwas früher, ähnlich der Nordspitze Madagaskars Aldabra 0^ 5i™, Cos- moledoinseln 0*^ 50™, und einige der Comoren. Hieraus folgt, daß sich zwischen den Maskarenen und Chagosinseln im Osten, Madagaskar und den Seychellen im Westen die Flutstunden- linien eng aneinander drängen und hier eine wichtige Stenochronie oder eine Knotenlinie des indischen Tidensystems festzulegen ist. Die Rechnung bestätigt, daß zwischen Reunion und Tamatave, wo die Tiefen durch neuere Lotungen des französischen Kreuzers „D'Entrecasteaux" gut bestimmt sind, die Tide etwa 1 Stunde Laufzeit erfordert, während die Differenz der Hafenzeiten 3V2 Stunden beträgt. Anderseits erhält man zwischen den Maskarenen und den mitten im Ozean gelegenen Inseln St. Paul und Amsterdam aus den Meerestiefen eine Reisedauer von rund 3 Stunden, was zu den beobachteten Hafenzeiten nur teilweise paßt, insofern St. Paul und Amsterdam nach den Beob- achtungen von Denham b^ 50™ haben ; dagegen gibt die Novaraexpedition ^) die sehr abweichende Hafenzeit von 8^ 12™ für St. Paul an, so daß man nicht ohne weiteres annehmen darf, eine Haupttidewoge komme aus dieser Richtung an die Westseite des Ozeans. Nach der Seekarte setzt der Flut- strom bei St. Paul auch nach Südosten. Aber die offenbare Identität der ostafrikanischen Hafenzeiten läßt sich so überhaupt nicht erklären; vielmehr kann hier ein ähnlicher Fall vorliegen, wie an der nordbrasilischen und Guayanaküste (S. 310), d. h. wir dürfen eine Interferenz zweier Wogen vermuten, die sich, die eine von Süden, die andere von Norden kommend, in solchem Phasen Verhältnis kreuzen, daß überall im tiefen Wasser die resultierenden Hafenzeiten um P Green w, fallen. Eine solche Ansicht erfährt nun, sobald wir die weiteren Folgerungen daraus ziehen, eine gewisse Stütze. Im Norden *) Novaraexpedition. Nautisch-physikal. Teil S. 54 f. Die verschiedenen Hafenzeiten sind nach v. VV ü 1 1 e r s t o r f 1 h 18 m, nach Denham 11h Om, T i n o t 0 h 47 m Ortszeit, welche Widersprüche für uns unlösbar sind. Hauptflutwogen des Indischen Ozeans. 375 von Somaliland angelangt, wird die aus Südwesten gekommene Welle nach Osten umschwenken, und dann müßte die Phasendifferenz mit der anderen ihr entgegenlaufenden Welle in der Weise wirken, daß die Hafen- zeiten nun sehr rasch wechseln. Wir sehen in der Tat, wie vom Ras Hafun und K. Guardafui (2^ 50™) nach Nordosten hin vorübergehend eine sehr rasche Zunahme erfolgt: Abd-el-Kuri hat schon 5^ 1"\ und weiter besitzt nicht nur die Südostküste Arabiens Hafenzeiten zwischen 5 und 5V2^> sondern auch für die Südküste von Belutschistan und die Westküste Vorderindiens bis fast 10 •^ N. B. hinab sind ähnliche Zeiten maßgebend, sobald wir die möglichst frei gelegenen Orte ins Auge fassen und von den inneren Teilen der Buchten absehen. So haben wir: in Gwatar (25.1° N., 61.6° 0.) 5^ 24™, Karatschi 5^ 51™, Mangrol (21.1° N., 70.1° 0.) 5h 50™, Rajpuri Fl. (18.3° N., 72.9° 0.) 5^ 55™, Goa 5^ 44™, Calicut 5^ 53™, bis dann im südlichen Stück der Malabarküste und nach Ceylon hin die Hafenzeiten mit einem Male v/ieder rasch wachsen, so daß K. Comorin schon 7h 20™, Colombo 8^ 31™, Point de Galle 8^ 42™ haben, und wir so auf den gleichen Flutstundenlinien stehen, wie sie von den Maskarenen und Chagosinseln herüberkommen. Die (wohl wegen starker täglicher Ungleichheit nicht ganz zuverlässigen) Angaben der Gezeitentafeln für die Malediven ergeben ein sehr ungeordnetes Bild, indem hier Hafenzeiten von 4h 38™ bis 10h (jm bunt miteinander abwechseln. Doch scheint es, als ob die Lakkadiven etwa 5 Y^ Uhr, die südlicheren Malediven um 10 Uhr (Mulaku in 3° N. und Häddummati in 1.9° N.: beide 10h ßm)^ sodann die südlichsten, wie Suadiva und Addu wieder früher (um 8h 6™ und 8h 8™) ihr Hochwasser empfingen; immerhin spricht solche Unregelmäßigkeit am ehesten für Einfluß einer durch Interferenz erzeugten Knotenlinie. Die von Harris versuchte Deutung der hier dargelegten Vorgänge scheint mir nicht überall den beobachteten Tatsachen zu entsprechen (vgl. die Fig. 90 auf S. 315). Die Zusammendrängung der Flutstunden- linien zwischen den Mdüäkarenen und Madagaskar ist ihm nicht entgangen. Die Verhältnisse im Arabischen Meer bis nach Madagaskar und Ceylon hin erklärt er durch eine uhrzeigergemäß sich bewegende Amphidromie mit dem Drehpunkt in etwa 2° S. B. und 65° 0. L. ; aber die wirren Verhält- nisse im Bereiche der Malediven hat auch er nicht zu ordnen verstanden. Ein lehrreicher Führer wird uns dann Harris für den Golf von Bengalen, den er zusammen mit dem Andamanischen Randmeer etwa nördlich von 5° N. B. in stehender Schtvingung so üden läßt, daß die ganze Nordseite zwischen 3 und 4 Uhr ihre Hafenzeiten empfängt. Es ist das in der Tat eine sehr bemerkenswerte Erscheinung: wir finden verzeichnet: Negapatam 3h 41™, Madras 3h 40™, Masulipatam 3h 50™, False Point 3h 32™, vor dem Hugli 3h 7™, Akyab 3h 25™, Alguada BilT vor Bassein 2h 56™, Tavoy B. (13.5° N., 98.2° 0.) 3h 54™, Salang odoi' Junkseylon (8° N., 98.4° 0.) 3h 36™, Atschin Reede 3h 39™; ebenso auf den Inseln Naukauri (8° N., 93.6° 0.) 3h 1™, Kar Nikobar 3h 49™, Port Blair 3h 25™. Dem gegenüber an der Knotefilinie eine Stenochronie entlang der Ostküste von Ceylon: Dondra Head (6° N., 80.6° 0.) 8h 58™, Kirindi 10h 501^ Batticaloa 11h 33m und Trincomali schon 3h 58™! Die mittlere Tiefe des Golfs von Bengalen ist nicht unbeträchtlich; man darf sie auf mindestens 2900 m setzen. Hiermit rechnend und eine Mün- 37(5 I^iß Gezeiten des indischen Gebiets. dungskorrektion (für hjL == 0.7) von 1.29 anfügend, erhält man für L = 1600 km (nach Formel XL S. 163) eine Periode von 13.6 Stunden, also eine Stunde zuviel. Immerhin liegt diese Periode der erforderlichen von 12.42 Stunden nahe genug, um eine ergiebige Schwankung des Golfs um eine Knotenlinie an seinem Eingang noch merklich zu begünstigen. Die großen Hubhöhen an den Nordenden des Golfs sprechen ebenfalls für Einwirkung einer stehenden Welle : während wir an der Ostküste von Ceylon nur 0,8 bis 1 m angegeben finden, steigt dieser Wert nordwärts stetig an, bei False Point auf 2.1 m, vor dem Hugli auf 4.8, ebenso Chittä- gong auf 4.3 bis 4.9 m; Kangun hat 7.3, Martaban 6.4, Amherst 6.1, der Merguiarchipel 5.0 bis 5.5 m, aber Junkseylon wieder nur 2.7, Atschin nur 1.5 und Kar Nikobar 1.5 m, sämtlich bei Springtiden. Die Flutwelle läuft in die Malakastraße hinein und gebraucht den geringen Wassertiefen entsprechend etwa 12 Stunden, um Singapore zu erreichen (Hafenzeit daher wie in Atschin 3^ 39"^). Ebenso ist auch an der ozeanischen Küste von Sumatra der Verlauf der Flutwellen nach Osten gerichtet. Zunächst drängen sich zwischen Atschin und Nias die Flutstundenlinien ganz eng zusammen, gemäß dem von der Ostküste von Ceylon herüberreichenden stenochronen Knotenband, so daß auf der kurzen Strecke bis Baros und Sitoli ein Unterschied von 7 Stunden ent- steht. Weiter nach Südosten bleiben dann die Hafenzeiten bis über Bengkoelen hinaus unverändert bei 11 bis 11 Va^» ^^^ dann etwas nach 0^ die Sundastraße und um 1^ 24™ Tjilatjap an der Südküste Javas zu erreichen. Vor der Lombokstraße scheint die Hafenzeit etwa '3^ und vor der Sumbastraße 4^ zu sein; wenigstens ist dies die Auf- fassung van der Stoks für das Eintreffen der halbtägigen Mondtide Mg, worauf übrigens später noch zurückzukommen ist (s. Fig. 102 S. 386). Wenig in Übereinstimmung hiermit stehen die Hafenzeiten auf der Weih- nachtinsel (II.50S., 105.5« 0.),. die nach den Gezeitentafeln 3^ i2^, und Äuf den Keelingsinseln, wo nach einer neueren Aufnahme Port Kefuge 11^ 2*" hat; Harris scheint diesen Angaben keinen Wert beizulegen, da nach seiner Karte die Keelingsinseln etwa 10 V4 und die Weihnachtinsel 1274*^ Hafenzeit erhalten. Überhaupt beginnen nunmehr die größten Schwierigkeiten, wenn wir den Verlauf der Tiden um die australische Festlandsküste erläutern sollen. Leider sind gerade die Hafenzeiten an den wichtigsten Punkten, als welche wir die der KiLste vorgelagerten, dem breiten Schelf aufgesetzten Riffe und Inselchen betrachten, nur unvollkommen bekannt. Für Scotts Riff in 14" S., 122° 0. wird eine Hafenzeit von angenähert 11^ Ortszeit, also 2h 5Qm Greenw. angegeben, was reichlich früh liegt, wenn wir die hier maß- gebende Welle etwa von Java herüberkommen lassen ; übrigens wird für dieses an den Schelfrand weit vorgeschobene Riff der überraschend hohe Tidenhub von 4 m (bei Springzeit) verzeichnet. Die Hafenzeiten an der benachbarten australischen Festlandsküste liegen in der Umgebung von Port Darwin bei 8 bis 9 Uhr, mit Tidenhüben von 5 bis 7 m; die Flut- stunden wachsen dann rasch nach Westen: Vansittard B. in 14.0° S., 126.3° 0. hat schon 12^ 50^, aber nur noch 1.8 m Hub; dabei wird Dreh- strom bei den Holothuriabänken mit der Flutstromrichtung nach Süd- westen verzeichnet. Weiter nach dem Nordwestkap hin fallen die Hafen- Hauptflutwogen des Indischen Ozeans. 377 Zeiten nach 3 Uhr, wobei sie sich nach Südwesten hin verfrühen, so daß Hermite I. (20.5° S., llö.ö» 0.) nur 2^ IS^», das Nordwestkap selbst 2h 54m aufweist; wobei hier jedoch der Flutstrom nach Nordosten. ver- läuft. Solche Angaben erwecken den Eindruck starker Interferenzen; es ist, als ob sich hier Wogen aus Südwesten, Osten und vielleicht auch Nordwesten begegneten, wobei sich südöstlich von Scotts Riff die Wellen- kämme zu dem erwähnten hohen Hub summieren. Doch ist alles einzelne noch völlig unklar. Ein ähnliches Auf- und Abschwellen der Hafenzeiten würden die vorhandenen Angaben der Gezeitentafeln und Seekarten auch für die Westküste Australiens vom Nordwestkap nach K. Leeuwin hin ergeben, wenn sie ihrer Mehrzahl nach bei der nun stärker werdenden täglichen Ungleichheit als zuverlässig betrachtet werden dürfen. Wir finden nämlich bei allgemein kleinem Tidenhub: vor Maud Landing (23.0« S.) 3^ 7«^, vor dem Naturaliste Kanal {25 A^ S.) 4^ 13«^, bei den Houtmans Rocks (28.8 0 S., 113.6 0 0.) 3^^ 56«^. aber mit der letzten Angabe im Widerspruch in Champion B. (28.8« S.) um 1^ 22°^, ebenso Jurien B. (30.2« S.) l^^ 20«!, und Rottnest I. sogar nur 0^ 18"^. Südwärts von hier hat, wenig zu seinen Nachbarn passend, Hamelin B. am K. Leeuwin 2^ 9™, sodann West Cape Howe (35.2« S., 117.6« 0.) l^^ 10^ und, offenbar durch seine Sonnen- und Eintagstiden überhaupt unbrauchbar, King Georges Sound 3h 11m (vgl. unten S. 381). In der Großen Australischen Bucht liegen die Hafenzeiten so, als ob die Tide hier gegen 3 Uhr von Süden her breit aufliefe: Eucla Reede (129« 0.) 2^ 29in, Fowler B. (132.4« 0.) 3^ 7«». Zwar hat Gambier I. vor dem Spencer Golf 4^ 54°^, dafür aber weiter südöstlich Kingston (139.8« 0.) nur 2^ 47™, Rivoly B. (37.6« S., 140.1« 0.) gar nur 0^^ 40«^. Die An- ordnung der Meerestiefen aber läßt vermuten, daß am Kontinentalsockel (über 1000 m) zwischen 120« und 14Q« 0. L. die Hafenzeit aUgenein bei etwa 11 Uhr liegen dürfte. — Wenig verständlich sind wieder die Hafenzeiten am westlichen Eingang der Baßstraße, wo King I. 3^ J™', dagegen die Nordküste Tasmaniens zwischen 0 und 1 Uhr, die Westküste nach 9 Uhr Hafenzeit hat. Die Zeichnung der Flutstundenlinien bei Harris (s. Fig. 90 S. 315) scheint sich für dieses ganze Gebiet ziemlich weit von den Beobachtungen zu entfernen. — Indem wir auf die dargelegten Tatsachen zurückblicken, vermögen wir zur Zeit nicht zu einem klaren Bilde der indischen Tidebewegungen vorzudringen. Es liegen Anzeichen dafür vor, daß eine von Süden oder Südosten kommende halbtägige Welle an der afrikanischen Küste nach Norden geht, dann im nordhemisphärischen Teil des Ozeans nach Osten umschwenkt und an der australischen Küste nach Süden hin sich ver- liert; ebenso aber scheint auch eine zweite Welle in umgekehrter Richtung den Ozean zu umkreisen, indem sie von Südwesten her auf die Westküste Australiens zukommt, dann nach Nordwesten auf Ceylon und den Ara- bischen Golf hin läuft und hier entweder reflektiert oder auch nur umschwen- kend an der afrikanischen Küste nach Süden weiter geht. Aber die hieraus entstehenden Interferenzen sind noch keineswegs genügend durchsichtig, obwohl sie auch theoretischer Analyse zugänglich sein dürften. — Über die Qualität der Gezeiten des Indischen Ozeans orientiert uns 378 Die Gezeiten des indischen Gebiets. die nachstehende Tabelle; sie beruht im wesentlichen wie die für den Atlantischen Ozean auf den Zusammenstellungen von Sir G. Darwin und K o 1 1 i n Harris; für die Küsten der Sundainseln auch auf denen P. van der S t o k s. Von besonderem Interesse ist aber die genaue Analyse der von der deutschen Gazelleexpedition in Betsy Cove auf Ker- guelen angestellten Gezeitenbeobachtungen durch C. Borgen, die in der Tabelle an der Spitze steht. Harmonische Konstanten ans dem Indischen Ozean. Orte Amplituden (cm) Betsy Cove (Kerg.) Durban . . . Pt. Louis (Mauritius R6union Tamatave Majunga Djibuti . Aden Maskat . Karatschi Port Albert Victor Bombay Goa . . Cochin . Colombo Minicoy Trincomali . Madras . False Point . . Dublat (Hugli) . Akyab .... Rangun . . . Mergui 1. . . . Port Blair (And.) Baros (W.-Sum.) Padang . . . Javas 4 a Tagen K ^ 0^ Jf 2 + -^2 13.07° i Mauritius . . . . j 0.76 0.50 0.58 0.12 0.97 R^union i 0.50 0.37 0.62 — 0.08 2.12 Tamatave .... 0.42 0.16 1.43 0.74 — 0.65 Majunga 0.52 0.11 0.50 1.97 0.00 beträgt hier 1 : 8, gegen 1 : 3 normal. Während Majunga seine halbtägigen Springtiden mit fast 2tägiger Verspätung empfängt, sind die Eintags- springtiden ganz pünktlich; in Reunion dagegen ist beides umgekehrt. Für den Arabischen und Bengalischen Golf bieten uns zahlreiche und sorgfältige Registrierungen der Indischen Landesaufnahme ein reich- liches Material; die Tabelle S. 378 kann nur eine Auswahl daraus bringen; die nachstehende Übersicht wird ihre Deutung erleichtern. Orte 's, ~ K^ + 0 0 ':. ?2"— il/a" il/2« — iVa» ^1»— O" -Sj-hsM 24.38» 13.07» 26.36» Djibuti . . . 0.43 0.80 il 0.49 i 0.78d — 0.19(i Aden .... 0.43 0.86 0.27 0.51 ii 0.82 0.39(i — 0.07 Maskat . . . 0.38 0.67 0.25 0.52 1.23 1.39 — 0.07 Karatschi . . 0.37 0.56 0.24 0.50 1.15 — 7.24 — 0.04 Pt. Albert Victor 0.41 0.56 0.26 0.45: 1.07 1.62 0.00 Bombay . . . 0.40 0.36 0.25 0.47 1.35 1.31 — 0.11 Goa .... 0.35 0.63 0.24 0.51 1.31 1.39 — 0.11 Cochin . , . . 0.36 0.91 0.22 0.53 2.46 2.39 — 0.23 Colombo . . . 0.67 0.32 0.11 0.38 !' 1.90 1.23 — 1.14 Minicoy . . . 0.41 0.85 0.21 0.49; 1 2.10 2.08 — 0.30 Die Sonnentiden sind ih allen Orten zu klein außer in Colombo, wo sie viel zu groß werden und ähnliche Folgen haben wie auf Mauritius. Nir- gends mehr ist der atlantische Halbtagstypus gewahrt, vielmehr herrscht 380 Die Grezeiten des indischen Gebiets. der gemischte mit meist ziemlich hoher täglicher Ungleichheit. Die elliptische Tide ist durchweg stark übemormal, außer in Colombo; das Verhältnis der beiden eintägigen Teiltiden bleibt dagegen erheblich unter- normal. Die Verspätung der halbtägigen Springtiden ist sonderbarerweise am größten in dem frei gelegenen Minicoy, am geringsten im innersten Winkel des Ozeans, im Golf von Aden. Die elliptische Tide zeigt sehr wechselndes Verhalten; die eintägigen Springtiden aber treten fast aus- nahmslos ein wenig vor der maximalen Deklination ein, am meisten ver- früht in Colombo. Von abweichender Ausbildung sind dann wieder die Gezeiten des Bengalischen und Andamanischen Golfs, wie folgende Übersicht der .Ver- hältniszahlen erkennen lassen wird. Auch hier kann nur eine Auswahl aus dem reichen vorliegenden Material geboten werden. O r f A J/a K^ + 0 N, 0 Äa«— ü// il//— A^a« Z/— 0» S, M^ + 82 M, Kr 24.38" 13.07» 26.35» Trincomali . . 0.35 0.35 0.24 0.29 0.98, die zumeist 72 his 2 Tage nach der maximalen Monddeklination erscheint; in der Javasee aber haben Karimon Djawa 3.6 Tage, Semarang 5.0 Tage und in der Floressee Bonerate 6.3 Tage Verspätimg, was im letzteren Orte mit der minimalen Monddeklination zusammentrifft. — Auch das Alter der elliptischen Tiden zeigt vielfache Unregelmäßigkeiten; ihre ganze Periode beträgt 27.5 Tage, so daß eine Verspätung von 4 bis 5 Tagen wie in Pulu Besar am Südeingange der Bankastraße und in Bima, oder gar in Karimon Djawa mit 15;7 Tagen bemerkenswert ist, so daß hier also paradoxerweise die elliptische Tide ihr Maximum beim mittleren. Harmonische Konstanten ans dem Anstralasiatischen Mittelmeer; Orte Amplituden (cm) 1. Singapore . . . . . 2. Tandjong Buton (Lingga) . . . . 3. Tandj. Kalean (Banka) 4. Pemangkat (W.-Born.) 5. Pontianak (W.-Borneo) 6. Sukadana „ 7. Pulu Basar (Bankastr.) 8. Ondiepwater-I. . 9. Tausend-Inseln . 10. Edam-I. . . . 11. Tandjong Priok 12. Boompjes-I. . . 13. Karimon Djawa-I 14. Semarang . . . 15. Bawean-I. . . 16. Surabaja . . . 17. Meinderts Droogte 18. Pulu Sapudi . . 19. Sembilangan ^) . 20. Karang Kleta^) 21. Bonerate^) . . 22. Saleyer . . . 23. Bonthain . . . 24. De Bril RifiE^) . 26. Makassar 26. Kotta Baru (O.-Born.) 27. Bulungan „ 28. Samarinda „ 29. Balik Papan „ 66 19 25 26 12 11 23 8 1 6 5 12 2 5 4 44 25 26 18 59 14 39 20 21 8 37 31 42 68 27 13 12 5 5 11 7 6 7 6 6 5 3 5 26 11 13 17 29 6 10 6 5 11 49 17 26 60 11 4 5 7 3 1 6 3 1 2 2 3 1 2 3 9 5 5 3 16 2 9 4 5 3 4 6 24 62 95 14 33 61 74 53 28 27 27 16 23 18 43 47 36 37 47 45 11 32 27 29 28 41 14 18 17 24 46 55 16 27 36 42 28 7 8 14 7 4 4 25 27 21 24 25 27 9 21 9 18 17 14 10 22 16 Kappazahlen (Grad) ilfa»! Ä/ liVT^o i^^o 300 34 186 111 173 328 167 66 266 294 352 323 246 283 72 351 326 339 356 341 358 4 357 19 70 160 228 209 163 348 124 216 177 175 350 53 42 11 308 291 219 344 160 16 355 335 342 5 346 131 67 115 155 194 216 291 261 204 272 15 166 86 152 345 112 69 314 322 317 293 42 256 116 337 312 318 348 317 353 339 317 348 347 126 100 151 159 54 147 141 153 144 165 142 143 102 357 26 326 318 303 306 318 304 42 300 299 296 300 339 330 300 203 00 63 / 74 93 8 73 98 107 99 138 129 119 116 262 254 300 284 272 279 277 275 236 281 275 276 278 313 266 271 267 Qualität der australasiatisohen Tiden. 898 Harmonische Konstanten ans dem Anstralasiatischen Mittelmeer (Fortsetzung). n r t fl Amplituden (cm] i Kappazahlen (Grad) il/g S, N, Kl 0 iJ//| Sj» -Ä^s" K,^ 0» 30. Bima^) 29 14 3 33 12 8 42 304 316 253 31. Amboina 44 17 10 30 21 25 90 5 314 304 32. Banda 57 22 10 29 19 36 101 2 310 299 33. Dammer 47 22 6 31 14 29 92 359 315 288 34. Donggala (Nordwest- Celebes) .... 47 40 4 22 11 159 208 108 277 239 35. Tontoli (Nordwest- Celebes) .... 42 35 6 14 14 161 199 131 285 227 36. Kema (Minahassa) 21 30 2 18 11 161 192 186 254 252 37. Gorontalo 15 1 21 2 25 12 117 173 78 293 237 38. Temate 31 23 4 16 11 163 197 143 247 237 39. Batjan 8 14 2 21 9 79 172 117 261 213 40. Gamsungi^) .... 13 17 1 16 8 140 189 151 274 210 41. Galelai) 41 23 5 11 10 181 210 173 217 196 42. Labuan 27 12 6 41 1 33 321 354 299 315 266 43. Sandakan 37 15 6 36 27 309 345 292 323 281 44. IloUo 41 20 6 35 31 333 18 306 326 294 45. Cebu 42 23 7 30 28 334 22 324 330 294 46. Tacloban . . . . . 16 4 4 15 18 221 269 199 301 276 47. Santa Elena i) ... 15 10 — 22 20 312 30 — 316 270 48. Halseyi) 24 10 7 30 30 311 4 289 318 276 49. Manila 17 5 3 32 26 326 356 310 321 288 60. Bolinao 10 4 — 26 21 278 313 — 313 275 öl. Santacruz 12 2 3 26 22 271 324 274 313 267 62. Sual 9 3 3 27 22 276 311 250 325 274 63. Tabacoi) 53 24 9 16 12 175 199 150 203 190 64. Toko (Formosa) . . 18 7 18 16 243 233 294 256 66. Gyo-oto (Pescad.) . . 90 23 — 24 23 332 20 — 271 245 66. Amoy 187 41 24 27 20 1 57 332 274 252 67. Swatau 41 10 7 29 23 23 86 358 292 254 68. Hongkong .... 44 17 8 36 26 266 292 255 297 248 69. Nautschou .... 79 32 — 41 37 303 345 — 345 276 60. Haiphong 4 4 — 69 70 83 121 — 81 32 61. Quinhon 17 7 — 30 29 305 344 — 295 2^2 62. St. Jacques .... 80 32 — 70 44 54 95 — 309 274 ^) Von Ortslagen sind die folgenden schwierig oder gar nicht in den Atlanten (Stieler 66) zu finden: 17. Meinderts Droogte, nahe am östlichsten Ende Javas in 7.6" S. B., 114.4° O. L. — 19. S e m b i 1 a n g a n in der Surabayastraße 7.1 •* S. B., 112.7" 0. L. — 20. K a r a n g K 1 e t a in der Madurastraße 7.3« S. B., 112.8» O. L. — 21. B o n e r a t e in der Floressee 7.4» S. B,, 121.2» O. L. — 24. D e Bril nördlich von den Postill oninseln 6.1» S. B., 118.9 0. L. — 30. Bima auf Sumbawa 8.4 S. B., 118.7 0. L. — 40. G a m s u n g i an der Gilolostraße 0.2» N. B., 128.8 0 O. L. — 41. G a 1 e 1 a an der Nordspitze von Halmahera 1.8 » N. B., 127.8 O. L. — 47. S a n t a E l.e n a an der San Juanicoatraße zwischen Leyte und Samar in 11.4» N. B., 125.0» 0. L. — 48. H a 1 B e y auf Calamian in 11,8° N. B., 119.9» O. L. — 63. T a b a c o an der San Bemardinoetraße in 13.4» N. B., 123.7» O. L. 394 ^^3 Gezeiten des pazifischen Grebiets. Mondabstand hat. Noch auffälliger aber sind wieder die Orte der Java- see mit ihren starken Verf rühungen : auf Edaminsel um — 2.2 Tage, auf Tausendinseln — 3.7 Tage. Auch weiter im Osten hat Bawean eine Ver- frühung um — 3.4 Tage, Batjan im Molukkenmeer um — 2.9 Tage und ihm gegenüber liegend Kema (Minahassa) um — 1.9 Tage. 3. Die Gezeiten des pazifischen Gebiets. Der ungeheuren Größe des ein Drittel der. ganzen Erdoberfläche in geschlossenem Wasserraum umspannenden Pazifischen Ozeans entspricht keineswegs eine besondere Intensität des G-ezeitenphänomens. Inmitten des Ozeans auf den zahlreichen darüber hingestreuten Inseln erreichen die Hubhöhen meist nur 1 bis 1 V2 i^ bei Springzeit, und wir müssen uns in die angeschlossenen Nebenmeere begeben, um einem Tidenhub zu begegnen, wie er im Nordatlantischen Ozean sehr häufig verzeichnet wird. Nur vereinzelt in der japanischen Inlandsee wie in der Bucht von Panama, und verbreiteter in den Fjordbuchten des südlichen Chile imd des britischen Columbia wächst der Springtidenhub auf 5 m und darüber an; ja in dem die neue politische Grenze zwischen Columbia und Alaska bildenden Portlandkanal verzeichnen die Gezeitentafeln ein Maximum von 8 bis 8.2 m bei Springzeit, und noch 6.1 m bei Nipptide. In diesen engen Fjordstraßen allein kommt es auch zu kräftigen und stellenweise erstaunlich starken Gezeitenströmen. Schon östlich von der Insel Van- couver in der Georgiastraße haben diese eine Geschwindigkeit von 4 bis 6 Knoten, in den Seymourengen aber (50 •> N. B., 125.4"' W. L.) erreichen sie 9, ja vereinzelt 10 bis 12 Knoten bei Springflut, 6 bis 8 bei Nippflut. Ebenso große Stromstärken werden aus der reich gegliederten japanischen Inlandsee, dem Straßenmeer Seto-utschi erwähnt^). So in der Kuruschimastraße an der Nordseite von Schikoku solche von 5, in der Sayatomostraße östlich von Schimonoseki von TVs Knoten. Ja, in der Straße Naruto, zwischen Schikoku und Awaschi beim Vorgebirge Naruto- zaki (134° 40' 0. L.), das von den Schiffern als Awa-no-ruto, „das Donnernde Tor von Awa" seit alters gefürchtet und gleich Scylla und Charybdis in japanischer Sage und Dichtung gefeiert wird, sind Geschwindigkeiten von 7 bis 8V2 Knoten ganz gewöhnlich; bei Springzeit aber steigen sie auf 10 bis 11 Knoten an, wobei sich das Kauschen der Strudel auf einige Kilometer hin hörbar macht. — Sonst sind nur noch im Bereiche der Ko- ralleninseln, zumal in den engen Straßen zwischen den wattenartig ent- wickelten Riffplatten, die Gezeitenströme für die praktische Schiffahrt meistens beachtenswert. Trotz der überall mehr oder weniger deutlich entwickelten täglichen Ungleichheit behalten die Tiden auf großen Strecken noch eine vorherr- schend halbtägige Ausbildung, so daß man den Begriff der Hafenzeit für die Ostküste Australiens, die Umgebung Neuseelands und der japanischen Inseln, sowie an der ganzen Westküste Amerikas vom Kap Hörn bis zum nördlichen Wendekreise hin noch mit einigem Vorteil verwenden kann. ») N. Y a m a 8 a k i in Pet. Mitt. 1902, S, 263. Hauptflutwogen des Pazifischen Ozeans. 395 um sicli den allgemeinen Verlauf der Tidewogen zu vergegenwärtigen, wenigstens soweit die Küsten selbst in Betracht kommen. Wie die Dinge im offenen Ozean liegen, ist noch unklar, und da die meisten in den Ge- zeitentafeln vermerkten Hafenzeiten nur auf flüchtigen, oft nur ein paar Mondflutintervalle umfassenden Beobachtungen beruhen, wird diese Ungewißheit uns noch lange im Wege stehen. Trotz dieser Schwierigkeiten hat Rollin A. Harris auch für den Pazifischen Ozean ein Bild der Halb- tagstiden entworfen (s. Fig. 105 S. 398), das jedoch außerhalb der Fest- landsküsten des Problematischen mehr als genug enthält; daß die von ihm angenommenen Schwingungsstreifen in ihren Gabelungen und Durch- kreuzungen uns physikalisch unannehmbar erscheinen, haben wir bereits früher (S, 256) ausgesprochen. Eine aus den Beobachtungen für die Ostseite des Ozeans unzweifelhaft hervorgehende Tatsache ist die angenäherte Gleichzeitigkeit des Hoch- wassers in dem Küstenbogen zwischen dem Golf von Tehuantepec und dem von Guayaquil: von Acapulco im Norden bis nach Payta im Süden, von den Galdpagosinseln bis in den Golf von Panama hinein haben wir überall Hafenzeiten, die an den frei gelegenen Küstenpunkten zwischen 8 ^4 und 9 Uhr liegen. Von dieser äquatorialen Homochronie aus nehmen die Hafenzeiten nun sowohl nach Norden wie nach Süden hin zu; entlang der südamerikanischen Küste einigermaßen regelmäßig, wie folgende kleine Tabelle zeigt. Ort S. B. i Hafenzeit Ort S. B. Hafenzeit Payta Callao Quilca Iquique 5.1" 12.0 0 16.7° 20.2" 8 h 44 m 10 h 66 m Oh 40m Ih 26 m Valparaiso Valdivia . Evangelistas Kap Hörn I 33.0° 1 39.8" il 52.4" jl 56.0" 2 h 18 m 4 h 28 m 6h 00m 7 h 59 m Die Fortschritte der Tidenwelle entsprechen aber hier keineswegs den Wassertiefen, wie der Zeitvergleich zwischen Quilca und Valparaiso auf den ersten Blick erkennen läßt. Während sich an der südamerikanischen Küste die Flutwoge dem südhemisphärischen Gesetz folgend links anlehnt, wird sie an der nord- amerikanischen wiederum der Regel gemäß durch die Erdrotation rechts ans Festland gedrängt, so daß die Hafenzeiten sich nach Norden hin ver- späten. Doch ist, wie Harris ganz richtig zeichnet, an der mexikanischen. Küste ein Schwingungsknoten mit Stenochronie wirksam. Die Flut- stundenlinien drängen sich hier so dicht zusammen, daß Acapulco 9^ 20™ und die nur 360 Seemeilen nordwestlich davon gelegene Chamelabai (19.6« N., 105.2» W.) schon 3^ 8«^ Hafenzeit hat, auf dieser Strecke also ein Sprung von fast 6 Stunden erfolgt. Das Kap San Lucas hat 3^^ 48°^, ebensoviel die Magdalenenbai. Die weiteren Fortschritte nach Norden hat Harris nach den Hafenzeiten für die Mg- Welle verfolgt; die ordinäre Hafenzeit ist dann in der Alaskabucht erst wieder weniger durch starke tägliche Ungleichheit gestört, wo die Yacutatbai (59.7 <> N., 139.5 « W.) gh 43m iiat. Des weiteren verläuft die Tidenwoge immer rechts an Alaska 396 Die Gezeiten des pazifischen Gebiets. und die Aleuten gelehnt nach Westen, wo sie in der Awatschabai Kam- tschatkas 4^ 56"^ anlangt und dann mit allmählich trotz der großen Wasser- tiefen enger aneinander geschlossenen Flutstundenlinien an den japanischen Inseln entlang nach Südwesten geht: die Akischibai auf Yezo (43.0® N., 144.8" 0.) hat 6^ bl«^, Same im Nordosten von Hondo (in 40.6 <> N., 141.50 0.) 7^ 14«i, Simoda (34.7» N., 138.9" 0.) .8^ 40^. Nach dieser anscheinend einem Schwingungsknoten zuzuschreibenden gelinden Be- schleunigung tritt nunmehr eine Verzögerung auf, die ein westpazifisches Gegenstück zu dem homochronen Gebiete im Osten der Galäpagosinseln bildet. An der Ostküste von Schikoku hat Urado eine Hafenzeit von 9^ 6°^, die Bonininseln und Marianen zeigen übereinstimmend 8V2 bis 9*^, Yap 10^ 3"^, der Norden von Halmahera 872^» der Osten von Formosa und die Riukiuinseln, ebenso die Ostseite der Philippinen etwa 10 bis 10 Va^. Entlang den Küsten von Neuguinea und den ostwärts anschließenden Inseln sind brauchbare Hafenzeiten wegen der bis zu Eintagstiden ent- wickelten Stärke der täglichen Ungleichheit nicht zu beobachten. Erst an der australischen Festlandsküste tritt die schon häufig erwähnte Gleichzeitigkeit der Hochwasser von 10" bis 40" S, B. hinab auffällig hervor; dabei scheint die Woge in diesem Falle recht nach Westen in breiter Front auf die Küste zuzulaufen : für die Kermadecinseln wird eine Hafenzeit von 6*^ angegeben, für das Nordkap von Neuseeland und die Insel Norfolk 8^331»; für Lord Howeinsel und das MiddletonrifE (29.4" S., 159.2" 0.) 911 54m für die Catobank (23.2" S., 155.6" 0.) 91138^ und zuletzt für die Festlandsküste wie folgt: Ort S. B. Hafenzeit Ort S. B. Hafenzeit Sandy Cape . . Brisbane .. . . Port Stephens . 24.70 27.5" 32.8" 10 h 38 m 11h lim' 10 h 22 ml Port Jackson Twofold Bay . Port Arthur 33.8" 37.1» 43.2° 10 h 10 m 10 h 15 m 10 h 28 m Hierbei ist die geringe Wassertiefe vor Brisbane an der erheblichen Ver- zögerung schuld; sonst ist aber bis nach Tasmanien hin das Hochwasser bei Springzeit an der ostaustralischen Küste um 10 bis 1072^ Greenw. zu erwarten. Auch in der Richtung auf die queensländische Küste und die Torresstraße hin tritt dann eine leicht erklärliche Verzögerung ein. Port Denison hat 11^ 38^ (in 20" S.), Kap York l^ 46^ Hafenzeit. Der Verlauf der Tidenwelle entlang den neuseeländischen Küsten richtet sich im allgemeinen nach der südhemisphärischen Regel der Linksanlehnung. Daher nehmen die Hafenzeiten an der Westseite nach Süden, an der Ostseite nach Norden hin zu, und zwar auf einigen Strecken langsamer, auf anderen sehr viel rascher, als den Wassertiefen entsprechen würde. So liegen an der ganzen Westseite der Nordinsel die Hafenzeiten bei 10^ Greenw., während das Nordkap und die Three Kingsinseln 8*^ 30°^ und das Kap Farewell der Südinsel 9^ 29"" haben, und dann die West- seite der Südinsel eine Verspätung erst langsamer, dann rascher bis 12^ Hauptflutwogen des Pazifischen Ozeans. 397 (vor Chalky Inlet, 46°'S.) aufweist. Das Südkap der Stewartinsel hat dann X2b ^O"", die Ruapukeinsel 1^ 46"^, sodann nur 25 Seemeilen nordöstlich davon Waikawa schon 3^ 14™, Banks-Halbinsel 3^ 53™ und Kap Palliser, das Südende der Nordinsel, 6^ 20™, das Ostkap bei Hicks Bai (in 37.6» S., 178.4° 0.) 9^ 6™ : dieses also später als die Nordspitze der Nordinsel. Wie- viel im einzelnen noch durch die hier offenbar maßgebenden Interferenzen verschoben wird, zeigt die Verfrühung der Hafenzeit der Gr. Barrierinsel vor dem Haurakigolf, wo sie angeblich 6^ 43™ sein soll. Auch die Ge- zeitenströme lassen eine Deutung dahin zu, daß die Flutwelle sich bei die- ser Insel teilt und nach Nordwesten und Südosten weiter geht. In der Cookstraße werden die Hafenzeiten durch die hier ja ganz unvermeid- lichen Interferenzen sehr verwickelt; sie bedürfen noch einer ins einzelne gehenden Analyse, für die aber die in den Gezeitentafeln enthaltenen Daten noch nicht ausreichen. Nach der Auffassung von Harris hätten wir es in diesem Teile des großen pazifischen Gebiets mit einer Amphidroinie zu tun (s. Fig. 105), deren Drehpunkt er südöstlich von der Antipodeninsel liegen läßt. Ebenso soll eine größere Amphidromie westlich von den Paumotuinseln (in 13° S., 153° W.) für die Hochwasserzeiten der Inseln zwischen der Samoagruppe im Westen und Pitcairn im Osten maßgebend sein, wie im Nordostteil des Ozeans mittenwegs zwischen Hawaii und Kalifornien (in 31 ° N., 142° W.) eine andere Amphidromie für die Hafenzeiten von K. San Lucas an bis zu den Aleuten und Hawaii-Inseln hin. Wie weit diese Auffassung den Tat- sachen entspricht, wird die Zukunft entscheiden. Einstweilen kann man nur sagen, daß sich ebenso viel dafür wie dagegen vorbringen ließe. Immerhin ergibt sich, so;veit man zur Zeit sehen und deuten darf, der Anschein, als ob, ähnlich wie in den anderen beiden Ozeanen, min- destens zwei große den Ozean umkreisende WeUensysteme sich hier durchkreuzen, wobei im nordhemisphärischen Teil der aus Südosten nach Nordwesten und Südwesten, im südhemisphärischen Gebiet wenig- stens an der amerikanischen Küste der nach Süden laufende Wellenzug an Größe der Amplitude die Oberhand gewänne. Im homo(5hronen Um- kreise der Galäpagosinseln im Osten, der Westkarolinen im Westen haben wir Schwingungsbäuche mit weit auseinander gerückten Flutstundenlinien, an der stenochronen mexikanischen Küste, in den Ostkarolinen und wohl auch bei Neuseeland die dazu gehörigen Schwingungsknoten. Wieweit hier auch an Reflexe oder andere Störungen der einfachen freien Wellen zu denken ist, entzieht sich einstweilen der Beurteilung. Es ist dringend zu wünschen, daß wir von den zahlreichen Inselgruppen dieses größten der Ozeane nicht nur bessere Bestimmungen der Hafenzeiten, wo solche überhaupt angängig sind, erhielten, sondern außerdem und vor allem auch die Unterlagen für die Berechnung der harmonischen Konstanten. Hierzu sind durchaus nicht registrierende Pegel d^s einzige Hilfsmittel ; P. van der Stok hat durch die großen Erfolge im Bereiche Inselindiens erwiesen, daß Wasserstandsablesimgen dreimal des Tages (9, 2, 6 Uhr) völlig ausreichen, wofern sie nur mindestens ein Jahr hindurch lückenlos durchgeführt werden (s. S; 261). Man sollte meinen, daß europäische Ansiedler auf den pazi- fischen Inseln auch innerhalb der Tropen zahlreich genug vorhanden wären, um diese verhältnismäßig einfache Arbeit auf sich zu nehmen. 398 Die Gezeiten des pazifisohen Gebiete. Die bisher bekannt gewordenen harmonischen Konstanten des pa- zifischen Bereichs hat E oll in A. H a r ri s vollständig gesammelt; sie sind aber räumlich sehr ungleich verteilt. Überreich in ihrer Fülle von Stationen treten die japanischen Küsten auf; genügend vollständig finden wir sie auch im Gebiet der Vereinigten Staaten; auch für Alaska und die ^ 1 ^ ^ <=>. ^, ^ ^ 1 ^ 1 ^ 'A/4^ 9 ^•. «-:, ^;-.44^ gr^ ^ V - s Y /l iaL - "vT ' i^v * - L^P^ ;t ^.^'e -^ 2 ■N.^ ■ *~ — -~» — r*— ' ^*K \ N. s A>K 1 0 1 1/ '^ ■r "^^""^ — -^ i?~ — -— . <•/ / r^ ^ ^ ^ &t/ y<^^?N\ ^ f / /^ ^tX "* *( \ ^ ■* 1 a a "^k (. /j / B 3 ^ A i -- — / y y., ^ $ ^f^^ _° 1 ^ L / / 7 / ^ & ^ W/ /^ y •/f tCIA ^ 0 ^ "■^/f^ o 11 \ 1 '?'< s. ~-tfs^ .^T^ ^ x"^ n\ / O-' , w o f. CO CD o 5 1 ^ s^ \ r 1 -7^ ^^1^. ^>; "Sä >y \ -^ f :m n OD ^' i 4y _>K^s^ o tte^ s§ s 1 % % ^ ' H ^ '4 n ^ ^ ^ ^ Aleuten ist hinreichend gesorgt. Für die Küsten von Britisch-Columbia verdanke ich dem freundlichen Entgegenkommen von Dr. Bell Dawson die in der folgenden Tabelle enthaltenen Angaben für Sand Heads, Victoria und Clayoquot. Desto spärlicher wird uns Belehrung von der Festland- küste Australiens und Südamerikas. Daß wir von den Inseln bei weitem zu wenig haben, ist schon gesagt. In der nachstehenden Tabelle ist eine Aus- wahl der wichtigsten und bezeichnendsten Plätze gegeben. Qualität der Tiden des Pazifischen Ozeans. 399 Harmonische Konstanten ans dem Pazifischen Ozean. Orte Amplituden (cm) Kappazahlen (Grad) 1. Kap Hörn 2. Valparaiso 3. Panama . . 4. Mazatlan . . 6. Magdalena-Bai 6. San Juanico-Bai 7. San Diego . . 8. Sausalito . . . 9. Astoria . . . 10. Sand Heads . . 11. Victoria Harbour 12. Clayoquot . . . 13. Seymour Narrows 14. Sitka .... 15. Granit Cove (Gross 16. Kokinhenic 17. Kadiak . . 18. Sanak . . 19. Unalga-Bai Sd) 20. Taraku 21. Akkeschi . 22. Ohatake . 23. Hirataka . 24. Yokohama 25. Schimoda . 26. Hamaschima 27. Susaki . . 28. Yamakawa 29. Nagasaki . 30. Kasarisaki 31. Naka . . 32. Mijakoschima 33. Taketomischima 34. So-o .... 35. Finsch-Hafen 36. Sydney . . . 37. Port Russell . 38. Wellington . 39. Port Chalmers 40. Apia . . 41. Gambier I. 42. Honolulu . 62 43 181 33 49 52 52 48 91 86 38 100 89 109 122 34 98 59 19 24 30 27 30 48 39 48 50 74 87 55 67 50 45 55 7 49 77 49 73 7 9 14 11 51 23 31 31 21 11 24 21 10 29 19 35 39 9 33 22 4 14 13 13 15 22 18 20 22 35 36 24 26 21 20 13 10 13 12 3 8 il 38 I 9 i: 27 1 9 I 16 ! 5 40 7 12 10 13 10 18 19 9 20 18 23 23 8 21 11 17 14 11 14 9 3 17 15 13 20 24 13 33 35 40 83 63 40 90 46 44 13 41 41 32 21 23 18 22 24 24 21 21 26 24 20 21 17 19 20 25 14 6 2 2 3 2 16 13 10 4 14 17 9 21 22 24 46 37 26 49 27 29 10 27 24 22 16 16 15 17 19 20 16 17 21 19 14 15 16 17 17 7 9 1 3 3 2 1 8 105 279 87 265 244 246 277 337 9 161 76 0 71 3 6 12 8 365 105 102 107 109 115 154 162 185 172 205 229 199 198 216 197 185 75 251 216 137 99 186 86 109 148 300 144 254 253 252 275 348 39 180 92 30 100 34 38 51 40 18 304 147 149 144 145 185 186 194 196 233 259 231 222 240 217 209 124 272 276 325 96 184 38 109 72 248 54 264 246 247 267 310 346 122 47 330 37 336 337 348 342 342 67 145 213 120 246 198 104 70 166 98 55 330 340 72 71 93 96 HO 129 166 150 121 147 125 126 157 139 124 148 149 149 144 159 179 169 170 173 195 193 191 195 235 209 217 205 119 205 81 84 264 84 72 345 286 344 75 77 55 79 94 114 143 127 106 137 110 114 178 122 97 131 125 160 142 166 161 163 171 171 178 183 181 193 212 196 207 272 98 140 36 69 248 276 60 NB. Die geographiBohen Koordinaten der aufgeführten Orte sind in den folgenden Texttabellen nachgetragen. Die erste hier zu betrachtende Gruppe liegt an der Westküste Amerikas vom Kap Hörn nordwärts bis zur Kalifornischen Halbinsel mit folgenden Verhältniszahlen. 400 Die Gezeiten des pazifischen Gebiets. Ort^ B. w. l; s, A-, +0 Mi 0 Kl S^o _ .v^o 31^0 _ jv-jO Kl»— 00 4/J+.S2 21. SS» ia.ü7o 26.35 0 0 0 1 d d d 1. Kap Hörn . . 55.8 S. 67.5 0.11 0.43 0.15 0.73 1 1.8 2.5 2.7 2. Valparaiso . . 33.0 „ 71.7 '0.33 0.44 10.26 0.66 0.9 2.4 1.7 3. Panama . . . ; 8.9N. 79.5 0.28 0.08 0.22 0.32 2.3 2.5 —0.2 4. Älazatlan . . 23.2 „ 106.4 ;o.e9 0.60 0.22 0.70 —0.5 0.9 —0.1 6. Magdalena-Bai . 24.6 „ 112.2 10.64 0.50 0.25 0.71 '. 0.4 —0.2 -0.2 6. San Juanico-B. 26.2 „ i 112.5 :o.59 1 0.26 0.20 0.71 0.3 1 —0.1 1.4 Das Verhältnis der Sonnentide Sg zur Mondtide Mg ist am Kap Hörn viel zu klein, auch in Valparaiso und Panama noch stark unternormal. Während hier also der Gegensatz zwischen Spring- und Nipptiden sehr ge- mildert ist, wird er dafür in Mazatlan, Magdalena B. imd San Juanico stärker als normal. Nur Panama und San Juanico haben ausgeprägte Halb- tagstiden ; die anderen Orte zeigen eine stärker hervortretende tägliche Un- gleichheit vom gemischten Typus. Die beiden Eintagstiden stehen in nor- malem Verhältnis zu einander, außer in Panama, wo die lunare Partialtide 0 zu klein ist. Die elliptische Tide ist nur in Kap Hörn zu klein, sonst etwas übemormal im Vergleich zu M^ Das Alter der Springtiden ist in Panama groß (2.3 Tage), sonst gering; in Mazatlan tritt die Springtide einen halben Tag vor den Syzygien auf. Die eUiptische Tide ist nördlich von Panama wenig, südlich davon bis Kap Hörn 2^2 Tage verspätet; die Eintagsspring- tide trifft in Panama, Mazatlan und Magdalena B. ungefähr mit der größten Deklination zusammen, verspätet sich aber in den beiden südhemisphäri- schen Orten. Ganz anders wird der Gezeitentypus an der nordamerika- nischen Küste Kaliforniens und Britisch-Columbias zwischen SC und 500 N. B. Orte N. B. 1 j s, ! 1 A-, 4- 0 1 Kj 0 S^O _ Mc/> -MjO — JV'a" Ä-,0 — 00 ■ ■ : Jf 2 Mi -f Si Mi Kl 24.380 13.070 26 86 0 0 » 1 d d d 7. San Diego . 32.7 117.211 0.41 0.70 0.24 0.66 -0.1 1.6 0.6 8. Sausalito . . 37.8 122.5 !l 0.22 1.03 0.21 0.62 0.5 2.1 0.6 9. Ästoria . . 46.2 123.8 0.26 0.56 0.20 0.59 1.2 1.8 0.6 10. Sand Heads . i 49.0 123.2 0.24 1.20 0.21 0.55 , 1-2 2.2 0.9 11. Victoria Har- Ij- 1 bour . . . 1 48.4 123.4'' 0.28 2.09 0.24 0.58 ' 0.7 2.2 0.8 12. Clayoquot 1 49.1 126.0 1 0.29 0.51 0.20 0.63 1.2 2.3 0.6 13. Seymour 1 1 1 Narrows . . j 50.1 1 125.4 i0.21 i 1.29 0.20 Ü..55 1.2 2.6 0.4 Bei allgemein zu kleiner Sonnentide S^ tritt eine verstärkte tägliche Un- gleichheit hervor, die sich in den Küstenbuchten, namentlich aber innerhalb der Fjordstraßen von Britisch-Columbia bis zum ausgeprägten Eintagstypus entwickelt; an den ozeanischen Küstenpuiikten (Nr. 9 und 12) läßt die tägliche Ungleichheit wieder nach. Das Alter der halb- und eintägigen Springtiden ist mäßig, etwas größer das der ellip- Qualität der Tiden des Pazifischen Ozeans. 401 tischen Tiden. Ein Beispiel für den Charakter der Tiden von San Fran- cisco ist bereits früher (S. 268) gegeben. Die folgende Gruppe von Orten an den Küsten von Alaska ^) und auf den Aleuten zeigt wieder einen gemilderten Typus der täglichen Un- gleichheit, der sich aber in den östlichen Aleuten noch einmal zu aus- geprägten Eintagstiden entfaltet. Die U n a 1 g a b a i liefert überhaupt sehr sonderbare Gezeiten: die halbtägige Sonnentide ist nicht einmal halb so groß wie normal, dafür die elliptische Tide N» mehr als doppelt zu groß, und die Springtiden treten zur Zeit der Quadraturen auf, die elliptischen Tiden fast 3 Tage nach der extremen Deklination. Auch an den übrigen Orten ist die Sonnentide S^ noch zu klein. Orte N. B. W.L. Si Ä-i + o, ^'2 Ol Si" — üfjO ilfjO — A^jO x,o— 0,0 Jz 2 M2 + S2 M2 Kl 24.880 13.07 0 26.3ß<' 14. Sitka ... 0 57.0 0 135.3 0.32 0.51 0.21 0.60 d : 1.3 (1 2.2 d 0.6 15. Granite Cove 58.2 136.4 0.32 0.44 0.19 0.65 ; 1.3 2.2 0.5 16. Kokinhenic-I. 60.3 145.1 0.25 0.53 0.23 0.83 1.6 1.9 —0.8 17. Kadiak . . 57.8 152.4 0.33 0.52 0.21 0.68 1.4 2.0 0.7 18. Sanak Petersen 54.4 162.6 0.38 0.80 0.19 0.57 0.9 1.0 1.0 19. ünalgabai 54.0 166.2 0.21 2.40 0.53 0.68 — 6.6 2.9 0.7 Wieder anders wird der Charakter der Gezeiten an den japanischen Küsten, die rings mit rund 150 Stationen besetzt sind, deren harmonische Konstanten, außer N^, berechnet vorliegen ; die folgende Tabelle bringt sie nur für zehn ausgewählte Plätze an der ozeanischen Seite der Inseln. ^ r ! 'S" 0 + K, 0 S^o^M^" e: 0— o" Orte N. B. 0. L. M, M, + 8, K, 24.38« 26.35" 20. Taraku . . . 0 43.6 0 146.3 0.58 0.94 0.75 d 1.9 d 0.9 21. Akkeschj . . 43.0 144.8 0.43 0.90 0.71 1.7 0.0 22. Ohatake . . . 41.4 141.2 1 0.47 0.85 0.81 1.4 0.1 23. Hirataka . . 36.8 140.8 0.49 0.88 0.78 1.2 0.1 24. Yokohama . . 35.4 139.7 0.47 1.09 0.78 1.3 0.7 25. Schimoda > . . 34.7 139.0 0.46 0.76 0.81 1.0 0.2 26. Hamaschima 34.3 136.7 0.42 0.54 0.76 0.4 0.0 27. Susaki . , . 33.4 133.3 0.43 0,52 0.80 1.0 0.1 28. Yamäkawa . . 31.2 130.6 0.48 0.43 0.83 1.2 0.7 29. Nagasaki . . 32.6 129.8 0.41 0.35 0.78 1.2 0.4 Bemerkenswert ist zunächst, daß sich die Sonnentide S2 (außer für Taraku und einzelne andere Orte, die hier übergangen sind) fast normal verhält, wodurch ein bezeichnendes geographisches Merkmal gegenüber der arnp'-i- kanischen Seite gegeben ist. Die tägliche Ungleichheit ist an der Ost- 1) Auoh für Port Simpson (54.6" N. B., 130.4° W. L.) verdanke ich Herrn Dr. Bell D a w s o ndie neuen, noch ungedruckten Konstanten; sie geben ein Sitka in vielen Merkmalen ahnliches Bild; der Eintagsindex ist auf 0.33 gesunken. Erümmel, Ozeanographie. II. 20 402 Die Gezeiten des pazifischen Gebiete. küste von Hondo noch ziemlich groß und bringt Yokohama beinahe schon Eintagstiden, nimmt dann aber nach dem Süden hin entschieden ab,' so daß Nagasaki schon beinahe gute Halbtagstiden besitzt. Die elliptische Tide iVg, nur für Yokohama bekannt, ist mit 0.15 M^ doch stark unter- normal, während auch die beiden Eintagstiden wieder, wie S^, bemerkens- wert dem theoretischen Verhältnis nahe kommend miteinander verbunden sind. Das Alter der halbtägigen Springtide ist nur in Hamaschima klein, sonst zwischen 1 .und 1^/4 Tagen; das der eintägigen ist überall uater einem Tag, in 6 unter den dargestellten 10 Fällen sogar nur ganz wenig von Null verschieden. Den südlicheren Teilen der japanischen Küsten stehen die Eiükiu- inseln und die Ostküste von Formosa sehr nahe: eine mäßige tägliche Ungleichheit läßt noch gute Halbtagstiden erwarten, die Sonnentide ist nur in So-o stark untemormal, dafür ist 0 in den südlicheren Plätzen größer als der Theorie entspricht. Die Halbtagsspringtiden verspäten sich rund um einen Tag, weniger die eintägigen. Orte ■ N B 0 L S, 0 + K, 0 ASf^«— ilfjO Z,« — 0« M^ M^, + S, K, 24.38° 26.35" 30. Kasarisaki . . 0 28.5 0 129.5 0.43 0.43 0.72 d 1.3 d 0.4 31. Naka .... 26.4 127.7 1 0.46 0.43 0.74 1.0 0.1 32. Mijakoschima . 24.8 125.2 0.42 0.45 0.93 1.0 0.9 33. Taketomischima 24.1 124.1 0.44 0.56 0.90 0.8 0.5 34. So-o . . . . : 24.6 121.9 0.24 0.54 0.89 1.0 0.4 Unter den südlicher gelegenen Oxten hebt sich Finsch-Hafen wegen seiner abnormen Gezeiten besonders hervor^): es herrschen ausgeprägte Sonnentiden, denn S^ ist hier =1.4 M^, und durch das Aufschwellen der Tide K^ tritt nur einmal am Tage Hochwasser auf, wie der Ein- tagsindex = 2 erwarten läßt. Schon bei der ersten Besiedlung dieses seitdem gemiedenen Ortes fand man, daß an jedem Tage nur ein Hoch- wasser morgens etwa um 3 Uhr (Ortszeit) und ein Niedrigwasser um 11 Uhr vormittags herum auftrat. Die hier sehr kleine elliptische Tide N2 ist ungefähr normal zur ebenfalls sehr stark zusammengeschrumpf- ten Mondtide M^ ausgebildet, die lunare 0-Tide dagegen viel zu klein (=0.28 Kj). Während die halbtägige Springtide sich um 2 Tage ver- spätet, verfrüht sich die elliptische Tide um 3V2> die eintägige Springtide um 2 Va Tage. Da auch sonst Eintagstiden aus dem Bereiche dieser Ge- wässer erwähnt werden, ist es dringend erwünscht, hier eine Anzahl von Pegelstationen einzurichten. Eintagstiden in mehr oder weniger ausgeprägter Form beherrschen auch die benachbarten Küsten und Inseln; die Segelhandbücher sprechen von „sehr unregelmäßigen" Tiden oder sehr starker täglicher Ungleichheit bei den Louisiaden, den Salomonen und den Neuen Hebriden. An der i)Dr. Schrader in Nachr. über Kaiser- Wilhelms-Land 1887, S. 27; Dr. K a s s n e r in Ann. d. Hydr. 1891, S. 276. Die harmonischen Konstanten (Nr. 35, S. 399) sind aber nur angenähert richtig. Qualität der Tiden des Pazifischen Ozeans. 403 Nordseite der Insel Guadalcanar wird von Gavuti und Tulagi (9° 7' S., 160® 12' 0.) berichtet, daß zur Zeit des Südostpassats, also im Südwinter, die Hochwasser täglich um 6 Uhr morgens und abends auftreten, in der anderen Jahreshälfte aber um Mittag und Mitternacht, wo also eine Sonnen- tide maßgebend sein muß^). Von den Küsten Ostaustraliens und Neuseelands sind für vier Orte die harmonischen Konstanten bekannt, woraus sich folgende Verhältnis- zahlen ergeben. Orte S. B. 0. L. Mi jr, + o Mi 0 Kl S^O — JtfjO JtfjO — JV2« Ä',«— 0' Mj + Si 24.38 0 13.07 0 26.35 t> 36. Sydney. . . 37. Port Russell . 38. Wellington . 39. Port Chalmers 0 33.8 35.3 41.3 45.8 0 151.3 174.1 174.1 172.5 0.26 0.15 0.06 0.11 0.37 0.08 0.11 0.06 0.19 0.18 0.22 0.20 0.60 0.21 1.25 1.121 d 0.9 2.5 —7.0 —0.1 d 0.4 1.4 2.5 2.2 d 0.8 2.5 1.7 1.0 Die Größe der Sonnentide S^ ist überall viel zu klein. Nehmen wir dazu den sehr niedrigen Eintagsindex, so werden wir fast an nordatlantische Verhältnisse erinnert. Die elliptische Tide N^ ist ungefähr normal. Von den Eintagstiden ist 0 im südlichen Neuseeland stark übemormal im Vergleich zu K^ entwickelt. Während in Sydney das Alter aller dar- gestellten Tiden sehr gering ist, treffen wir in Neiiseeland es sehr ver- schieden davon; die halbtägigen Springtiden erscheinen an der Cookstraße sogar zur Zeit der Quadraturen. Aus der Mitte des Ozeans haben wir nur von drei weit auseinander liegenden Stationen die harmonischen Konstanten, deren Verhältniszahlen hier zusammengestellt sein mögen. Orte B. W. L. M, A'1 + 0 Mj + Sa Ni Mi 0 Kl «■jO _ JlfjO MiO — A-jO Ä-jO - o„ 24.380 13.070 20.350 1 ! 40. Apia . . . 41. Gambier I. . 42. Honolulu . . 1 0 13.8 S. 23.1 „ 21.3N. « 1 171.7 135.0 1 157.8 j 1 0.23 0.34 0.31 0.11 0.09 1.09 0.24 0.17 0.70 0.43 0.54 d —0.1 —2.0 0.0 d 1.5 1.7 d 0.2 —2.5 0.5 Auf den Samoainseln wie auf den östlichen Paumotu haben wir ganz ausgeprägte Halbtagstiden, dagegen in Honolulu wieder eine sehr starke tägliche Ungleichheit, die an volle Eintagstiden herangrenzt. Auf allen drei Inselgruppen ist die Sonnentide S^, zu klein. Bemerkenswert ist für Gambier I. die erhebliche Verfrühung der halb- wie der eintägigen Spring- tiden, ebenso aber auch die mathematische Pünktlichkeit der halbtägigen Springtiden in Honolulu. Leider haben wir keine harmonischen Kc. stanten von Tahiti: hier scheinen die Gezeiten mit einem beträchtlich *) Pacific Islands vol. 1*, London 1908, p. 268. Vgl. im gleichen Bande noch die Angaben für Port Mary p. 248, Nususonga 289, Marovo 305 und Efate 329. Über die Ostküste von Bougainville vgl. Ann. d. Hydr. 1910, S. 377 f. 404 Die Gezeiten des pazifischen Gebiets, zu großen Wert von S^ entwickelt , denn die französischen Gezeiten- tafeln geben an, daß man dort Hochwasser an jedem Tage zwischen 1 und 2 Uhr Ortszeit empfängt (nach den Beobachtungen der Novara- expedition wäre es 0^ 50"^ Ortszeit), wobei allerdings der Tidenhub nur i/g m beträgt. Man sieht auch in diesem Falle, wie notwendig ein dich- teres iNetz von Pegelstationen in der inselreichen Mitte des Pazifischen Ozeans ist. Von den pazifischen Nebenmeeren betrachten wir zunächst das Ostchinesische Kandmeer^). Mit seiner breiten Mündung entlang den Riukiuinseln liegt es im Bereiche der weiten homochronen Fläche, die den Raum zwischen den Japanischen Inseln und den Philip- pinen und Molukken einnimmt. So haben auch die Inseln der Riukiu- kette ungefähr gleichzeitig um 10 Uhr Greenw. ihre Hafenzeiten; im Nord- osten etwas früher, im Südwesten etwas später. Von hier aus aber, wo also ein Schwingungsbauch interferierender Wellen liegt, scheint eine Woge sich nach Norden abzusondern und in das Ostchinesische Randmeer einzudringen. Es werden dabei zwei Richtungen raschesten Fortschreitens erkennbar. Ein Stück des WeUenkamms dringt auf die chinesische Küste der Provinz Tschekiang vor, wo in 28° N. B. die Wöntschoubucht wahrscheinlich mit 1^ 26°^ das früheste Hochwasser (der Syzygien) emp- fängt, und dann die Hafenzeiten nach Südwesten wie Nordosten hin wachsen. Die Hundeinseln vor der Mündung des Minflusses und die Nordspitze von Formosa in Kelung haben fast gleiche Hafenzeiten (2^ 22"^), und, rechts an die Festlandküste angelehnt, wandert die maßgebende Welle weiter nach Südwesten: die Haitanstraße (25.4" N.) hat 3^ IQ^, Amoy 4^^ 15°^, Swatau 7^^ 15°^ Hafenzeit. In der Formosastraße selbst vrird wieder eine Interferenz mit der aus der Südchinesischen See herauf kommenden Tide gebildet, wodurch die Pescadoresinseln die frühe Hafen- zeit von 2*^ 32"^ empfangen. Nordwärts von der Wöntschoubucht lauten die Angaben der Ge- 55eitentafehi und Seekarten vielfach widersprechend: die Hafenzeiten scheinen bei 1 Uhr Greenw. zu liegen, vor der Yangtsemündimg aber sind 3^ 21™ festgestellt. Der hier herrschende Drehstrom läßt im Sinne des Uhrzeigers alle Stromrichtungen nacheinander mit ungefähr gleicher Stärke auftreten 2), woraus die Interferenz, von zwei etwa gleich starken Wellen unter ungefähr rechtem Winkel zu folgern ist. Im Tschusan- archipel und der südwärts davon gelegenen Küste erhebt sich die Tide zu dem Springhub von 4 bis 6 m, in der Hangtschoubucht über 7 m, und hier tritt die schon früher beschriebene Bore (S. 301) auf. In den Yangtse- strom läuft die Tide nur zur Zeit niedrigen Oberwassers^ also im Winter und Frühjahr etwas über Nanking hinauf: hier ist der Tidenhub dann 1) Vgl. dazu Harris, Manual IV B, Tafel 36. 2) Nach China Sea Dkectory vol. 3 (4. ed.), London 1904, p. 397 läuft der Tide- strom iri der ersten Hälfte der Flut in Richtungen, die sich von Süden nach Westen verschieben,^ in der zweiten Hälfte in solchen zwischen Westen und Norden; der Ebbestrom zuerst nach Norden bis Osten, sodann nach Osten bis Süden. Die Stärke schwankt mit dem Mondalter zwischen 1 und 4 Knoten. Vgl. auch die britische Seekarte 1602 und oben S. 278. Gezeiten im Ostchinesischen Randmeer. 406 bis 1.2 m zur Springzeit bemerkbar und die Schiffe schwingen für eine kurze Zeit auf den Flutstrom, was dann sogar noch in Wuhu (250 Sm. oder 460 km oberhalb von Wusung, d. i. 550 km von der See) vorkommt *). Anders im Sommer, wo der regengeschwellte Riesenstrom mit 5 bis 6 Knoten Geschwindigkeit läuft und die Gezeiten beim Cooper Feuer- schiff schon etwa 90 km oberhalb von Wusung (180 km von der See) unterdrückt. Die Flutstundenlinien an der östlichen japanisch-koreanischen Seite liegen für gleiche Zeitwerte nördlicher als an der chinesischen: Nagasaki hat Uli 3im^ Port Hamilton 12^ 46«^; aber der Murraysund (34.2° N., 126.00 0.) schon P^ 53^, Mackau (34.7 » N., 125.4 « 0.) b^ 8^ als Hafen- zeit, was den Wassertiefen nicht entspricht und hier einen Schwingungs- knoten wahrscheinlich macht. Immerhin ist erkennbar, daß die maß- gebende Tide hier rechts gegen die Halbinsel Korea gelehnt nach Norden geht, indem Kokuntau (35.8» N., 126.6» 0.) 6^ 6™, Masanpho 8^ 25^, die Tatungmündung (38.1" N., 125.1» 0.) lO^^ lO»" und die Pingyang- mündung (38.6» N., 125.0» 0.) 11^ 54:^ Hafenzeit haben. Sehr groß sind die Hubhöhen in den westkoreanischen Buchten: am offen gelegenen Murraysund noch 3.0 m bei Springtide, erheben sie sich bei Masanpho auf 9.1 m, bei Nipptiden auf 6 bis 7 m, mit entsprechend starken Ge- zeitenströmen in den klippenreichen Straßen zwischen .wattenumrahmten Inseln. Welter nach Norden hin nimmt der Hub wieder ab und ist vor Pingyang schon auf 4.7 m bei Springflut hinabgegangen. An der gegenüberliegenden chinesischen Küste wird die Ostspitze der Schantunghalbinsel am frühesten von der Tide erreicht : die Sankaubai hat eine Hafenzeit von 4^ 45'", also früher als die Mackauinsel {5^ 8^), woraus wiederum hervorgeht, daß hier keine einfache Tidewoge, sondern eine Interferenz von zwei oder mehreren maßgebend ist. Ein Schwin- gungsknoten scheint auch an dem Schantungvorgebirge zu liegen, indem die Hafenzeiten nach Nordwesten hin sehr rasch zunehmen. Das genannte Kap selbst hat schon 7^ SO»», Weihaiwei 1^^ 21"*, die Miautaustraße 2h 2201^ während an der Nordseite Thorntonhafen (Haiyungtauinsel 39,1 » N., 123.2» 0.) 1^ 181», die Talienwanbucht 2^ 3^^ hat. An der Südseite der Schantunghalbinsel, auf die ehemaligen Hwanghosände hin, nehmen die Hafenzeiten nach Südwesten zu, so daß die Tide hier wieder rechts ans Land gelehnt nach Südwesten verläuft und in Tsingtau 8^ 53 "i, am Yutschuvorgebirge 10*^ 32™ Hafenzeit bringt. — Der Golf von Petschili scheint von einer Tidewelle^ entgegen dem Uhrzeiger umkreist zu werden, denn während die Taubenbucht am Kap Liautischan 3^ 41"^ hat, wird die Hafenzeit für die Reede von Schanheikwan auf 4^^ die Schaluiten- Leuchte auf 6^ 57"", der Takureede auf 7^ 40°^ und die jetzige Mün- dung des Gelben Flusses auf 8^ 15"* angegeben; in den Golf von Liautung aber dringt die Tide nordostwärts ein, so daß sie vor der Liauhobarre 7h 52m Hafenzeit bringt. Die Hubhöhen sind im Golf von Petschili nur in den seichten Flußmündungen auf 3 bis 3V2 ^a bei Springtide aufge 1) Ann. d, Hydr. 1901, S. 370. Nach China Sea Directory vol. 3 (4. ed.), London 1904 ist in Wuhu dann noch ein Springtidenhub von 2 feet (60 cm) vorhanden ; wo der Tidenhub weiter stromaufwärts ganz erlischt, ist nicht gesagt, wäre aber wichtig, zu erfahren. 406 Die Gezeiten des pazifischen Gebiets. schwellt und bleiben sonst bei 1.7 bis 2 m, während im Norden der Korea- bai 3 ^4 bis 4 m die Regel sind. — Im ganzen zeigen also die Tide- bewegungen im Ostchinesischen Meer eine Reihe von auffälligen Kom- plikationen, die näher zu analysieren einmal eine ganz lohnende Aufgabe sein wird. Über den qualitativen Charakter der Tiden sind wir durch japanische Bemühungen an mehreren Stellen von Korea, Formosa und den Riukiu- inseln, abgesehen von den Stationen auf Kiusiu selbst, gut orientiert; eine Auswahl daraus mit einigen älteren Beobachtungen vereinigt, ist in der nachstehenden Tabelle gegeben; auch die Angaben für Nagasaki und die Riukiuinseln in der früheren Tabelle pazifischer Stationen (oben S. 399 Nr. 29 bis 34) sind zur Ergänzung heranzuziehen. Harmonlscbe Konstanten ans dem Ostchinesisehen Randmeer. Orte Amplituden (cm) Kappazahlen (Grad) M, s. N, ^1 0 M, S, N, ^1 0 1. Tamsui .... 102 27 22 18 322 6 240 217 2. Wusung 95 31 12 20 14 30 77 2 207 149 3. Weihaiwei . 63 17 — 23 18 313 2 — 300 271 4. Taku . . 106 16 6 41 29 94 157 74 167 126 5. Pingyang . 204 62 — 37 29 262 308 — 331 306 6. Tschemulpho 287 117 51 24 22 108 187 80 307 239 7. Pigumdo . 117 22 30 24 17 55 — 235 213 OrfA N. B. 0..L. «2 Mi Ki + O >'2 0 Kl SjO _ JfjO JJfjO— JVjO Ä-,»— oo 3fj + Sj 24.880 18.07« 26.360 1. Tainsui . 2. Wusung 3i Weihaiwei 4. Taku. . 5. Pingyang 6. Tschemulpl: 7. Pigumdo 10 0 25.2 31.3 37.6 38.9 38.6 37.5 34.7 0 121.4 121.5 122.2 117.8 125.6 126.6 126.9 0.26 0.33 0.27 0.15 0.31 0.41 0.19 0.30 0.27 0.51 0.57 0.25 0.11 0.39 0.13 0.06 0.18 0.81 0.70 0.76 0.71 0.78 0.89 0.80 d 1.8 2.0 2.0 2.6 1.9 3.2 1.6 d 2.2 1.5 2.2 d 0.9 2.2 1.1 1.2 1.0 2.6 0.8 Aus diesen Daten wird erkennbar, daß wir es hier noch mit überwiegen- den Halbtagstiden zu tun haben, ausgenommen den Golf von Petschili, wo ein gemischter Typ eine größere tägliche Ungleichheit schafft. Die Sonnentide S^ ist nur in Tschemulpho ungefähr normal, sonst erheblich zu klein; das letztere gilt auch für die elliptische Tide N^,, während die Eintagstide eher etwas zu groß ausfällt. Die Verspätung der halbtägigen Springtiden beträgt 2 bis 2V2 Tage, nur in Tschemulpho über 3 Tage. Diese wie die anderen aus den beiden Tabellen ersichtlichen Unterschiede sind zunächst noch nicht so einfach aufzuklären. In das Japanische Randmeer kann die Flutwoge durch die breite und nicht viel über 100 m tiefe Korea- oder Tsuschimastraße und die engeren Wege der Tsugaru- und Laperousestraße eindringen. Gezeiten im Japanischen Randmeer. 407 Es hat aber nicht den Anschein, als wenn diese beiden letztgenannten Zugänge von merklicher Wirkung wären. Bei der rasch eintretenden Verbreiterung und sehr erheblichen Vertiefung der Bahn wird die Höhe der aus Südwesten vordringenden Welle vermindert; in der Tsuschima- gegend hat sie noch eine Hubhöhe von 2V2 bis 3 m bei Springzeit, aber an der Westküste von Hondo nur kaum noch 0.5 m; so in Niigata, auf der vorgeschobenen Sadoinsel aber nur 0.3 m. Nach der Auffassung von Harris liegt im Südweststück des Eandmeers zwischen Okishima und Ostkorea eine Amphidromie mit entgegen dem Uhrzeiger angeordneten Hafenzeiten, so daß diese an der japanischen Seite rasch nach Nordosten, an der koreanischen nach Südwesten hin wachsen, also in beiden Fällen sich die Welle rechts ans Land anlehnt. Im großen offenen Mittelteil des Meeres liegen auf beiden Küsten die Hafenzeiten zwischen 5 und 6 Uhr Greenw. , wachsen dann aber gleichmäßig nordostwärts in den Tatarischen Golf hinein, wobei die Tide an der Ostseite schneller zu laufen und höher zu werden scheint, da Dui eine Hafenzeit von 0^ 32"^ mit 1.8 m und das zwei Breitengrade südlicher an der Festlandseite gelegene Barrakuta O'^ 39"^ mit 1.1 m (Springtidenhub) besitzt. Erst in der seichten Enge vor der Amurmündung ist die Hubhöhe wie- der 2 m. Der Charakter der Tiden wird in diesem Randmeer ausgesprochen verändert gegenüber den ozeanischen Plätzen der japanischen Inseln. Harmonisclie Eonstanten ans dem Japanischen Bandmeer. Orte Amplituden (cm) M., \ S, \ Kl 0 Kappazahlen (Grad) if„ I S, Kl 0 Tsnschima Sund Maizuru . . . Waischima . . Kamo . . . Fxikaura . . Suttsü . . . Wakanai . . 92 7 6 5 6 5 2 46 2 2 2 2 2 2 28 7 5 5 5 5 6 17 4 6 6 5 5 5 276 67 76 88 98 116 81 313 94 106 128 137 168 166 185 328 329 336 338 342 360 167 306 314 328 329 346 322 Orte N. B. 0. L. 8, Ki + 0 0 Äj» — il/jO Zi»-0« M, M, + 8, K. 24.380 26.36« Tsuschima Sund . 0 34.3 0 129.3 0.49 0.32 0.59 d 1,6 d 0.7 Maizuru .... 35.4 135.3 i 0.21 1.27 0.61 1.1 0.8 Waischima . . . 37.4 136.9 0.35 1.11 1.06 1.3 0.6 Kamo .... 38.6 139.6 0.47 1.48 1.06 1.6 0.3 Fukaura . . ; 40.7 140.0,! 0.47 1.32 1.06 1.6 0.3 Suttsu .... 42.8 140.3 ! 0.38 1.41 1.07 1.7 0.2 Wakanai . . . 45.4 140.7 ! 1.00 2.50 0.84 3.1 14 Wie die vorstehenden Tabellen zeigen, gewinnt binnenwärts von der Koreastraße die tägliche Ungleichheit alsbald eine solche Steigerung, daß namentlich an den nördlicheren Strecken der Westküste von Hondo 408 I^i® Gezeiten des pazifischen Gebiets. und Ye2o riolitige Eiiitagstiden herrschen. In Wakanai kommt dazu noch die abnorme Erhöhung der Sonnentide S^, die hier = M^ wird, so daß für diesen Ort der Begriff der Hafenzeit völlig verschwunden ist. Wie nicht selten in ähnlichen Fällen wird auch bei Wakanai das Alter der halbtägigen Springtiden auffallend groß, während es bei den anderen aufgeführten Plätzen merkwürdig gleichartig ausfällt. Ähnliches ist auch bei dem Alter der eintägigen Springtiden der Fall. Der Typus der Ein- tagstiden herrscht auch im sogenannten Tatarischen Golf und im Amür- Liman, wie die Russen ihn nennen^). An einigen Orten sind auch Ober- tiden im Werke, um die Flutkurve und insbesondere deren Hochwasserteil umzuformen. So heißt es von der Gegend zwischen Kap Newelskoi und Kap Murawief , daß dort die Flut 50 Minuten bis 1 Stunde „stehe" und erst dann rasch falle. Für das große Ochotskische Randmeer liegen leider nur wenige ältere Angaben über Charakter und Größe der örtlichen Tiden vor^). Danach ist im äußersten Nordosten iin Gischigabusen eine sehr starke tägliche Ungleichheit vorhanden bei einem Tidenhub, der auf der Tigilreede (58.00 N., 158.2 0 0.) 7.3 m, auf der von Gischiginsk sogar 12 m bei Spring- zeit erreichen soll. In Ochotsk, heißt es, sind gute halbtägige Tiden vor- handen. Ferner wissen wir seit der Zeit, wo der Polarwal in diesen Ge- wässern gefangen wurde, daß sich die westlichste Bucht des Ochotskischen Meeres um die Schantarinseln durch heftige, in der sogenannten Nordost- straße 7 Knoten erreichende Gezeitenströme auszeichnet, die durch das in den Strudeln hin und her geschobene Treibeis nicht ungefährlich werden können. Für das Beringmeer hat Harris *) versucht, den Verlauf der Flutstundenlinien in sehr ausführlicher Weise darzustellen, was aber angesichts der spärlichen und kaum genügend gesicherten Beobachtungen der Hafenzeiten wohl ein verfrühtes Unterfangen bedeutet. Nach Harris schwenkt die an der Halbinsel Alaska nach Westen fortschreitende nord- pazifische Welle in den breiteren Straßen zwischen den Aleuten, insbesondere zwischen 170" und 175 " W. L., nordwärts ein, wobei sich zwischen den Inseln recht kräftige Tidenströme entwickeln, und dringt dann in dem 3 bis 4 km tiefen Teil dieses Randmeers nordwärts vor, so daß die Pro- videncebai (64.4® N., 173.4" W.) um 4^2 Uhr (Greenw.) ihre Hafenzeit emp- fängt, ungefähr gleichzeitig mit der Beringinsel im Südwesten. Ein so rasches Vordringen der Tide entspricht den Wassertiefen auf der langen Strecke von 800 Seemeilen nicht; die Welle braucht nach solcher Auf- fassung vom Seguam- oder Amuktapaß (172" W. L.) bis Providencebai nur 1^ 40"^, während die Wassertiefen (nach Du Boys Methode) 6 Stunden Reisedauer erwarten lassen. Nach Harris gibt dann weiter die St. Lorenz- insel den Ansatz für einen Schwingungsknoten nach Südosten zum Kap Romanzow hinüber, und der breite Nortonsund soll eine Amphidromie ^) S. P. S a m o 0 h w a 1 o w, Anleitung zur Befahrung der. Tartar- oder Sachalin- Btraße. Deutsch von H. J. P a 1 1 i s e n, Hamburg 1871, S. 103. 2) Ermans Archiv für wiss. Kunde v. Rußland 1843, Bd. 3, S. 670 f. 3) Manual IV B, S. 394 und Taf. 34. Gezeiten der Beringsee und des Kalifornischen Golfs. 409 entgegen dem Ulirzeiger, also mit rechts ans Land gelehnter Welle ent- wickeln. Die Beringstraße selbst empfängt schließlich ihre Tide aus Süd- osten zwischen der St. Lorenzinsel und dem amerikanischen Festland, hindurch, wobei allerdings zunächst schwer verständlich bleibt, wie eine Hafenzeit in Port Clarence an der Ostseite der Straße mit 3^ 31 "^ zu einer um 4 Stunden verspäteten gegenüber in der St. Lorenzbai passen soll (7^ 39"^). Hier werden zuküiätige Beobachtungen erst das Ver- ständnis eröfinen. — Aus dem Nortonsund für St. Michael und für den eben genannten Port Clarence kennen wir auch die harmonischen Konstanten. Harmonische Konstanten aas der Beringsee. 1 Orfe 1 M, Ampi ituden (cm) ^1 0 Kappazahlen (Grad) üfj» 5," N^^ Zi» 0» St. Michael . . , Port Clarence . . 16 14 2 1 4 4 40 8 23 4 235 213 216 174 346 133 295 248 115 287 Orte N. B. W. L. K,+0 ^2 Mi 0 SjO — jtfjO 3fjO_JVjO Ä-jO _ 00 .V2 + S2 24.380 13.070 26.35 y St. Michael . . Port Clarence . il 0 1 63.5 i 65.2 il 0 162.0 166.4 0.13 0.06 3.47 0.74 0.26 0.30 0.58 0.48 d —0.8 5.5 d 4.7 6.2 d 1.8 6.5 Wie die allgemein kleinen Amplituden zeigen, sind die Tiden ziemlich schwach, am meisten haben die Sonnentiden S^ verloren, die auch hier wiederum ganz abnorm klein sind. Dafür werden die Eintagstiden Ky^ und 0 im Nortonsund um so kräftiger und liefern uns für diesen eine extreme Eintagstide mit dem hohen Index von 3.5. Auch noch in Port Clarence ist eine starke tägliche Ungleichheit zu erwarten, wie das auch an den südHchen Eingangstofen dieses Randmeers schon der Fall ist (vgl. die Tabelle auf S. 401 unter Nr. 18 und 19), wo die Unalgabai auf Unalaschka den Eintagsindex von 2.4 aufweist. Die elliptische Tide iVg ist über, die Eintagstide 0 unter dem theoretischen Wert. Besonders groß ist das Alter der Gezeiten in Port Clarence, wo sich die Dinge so paradox verschoben haben, daß die halbtägigen Springtiden beinahe zur Zeit der Quadraturen und die eintägigen Springtiden zur Zeit, wo der Mond über dem Äquator steht, auftreten. Das letzte der pazifischen Nebenmeere, der Golf von Kali- fornien, ist in seinem südlichen ofEenen und tiefen Teil wie in physi- kalischer Hinsicht, so auch mit seinen Tiden ganz ein Zubehör des benach- barten Ozeans. Die Flutwelle geht in östlicher Richtung ein imd wendet sich dann nordwestlich den Golf hinauf. Die Gezeitentafeln geben für Guaymas (27.9 ^N.) die Hafenzeit von ?>^ 23™ (Greenw.) und einen Hub von nur 1.2 m an, während an der Spitze des Golfs die Coloradomündung 410 Die Gezeiten des pazifischen Gebiets. 9 h 54m i^at mit dem sehr erheblichen Hub von 8 bis 9 m bei Springtide und 5 bis 6 m bei Nipptide. Der Zeitunterschied von rund 6 Stunden und das Aufschnellen des Tidenhubs im Innern des Golfs, obwohl die Welle durch die Verengung bei der Tiburoninsel hindurch muß und sich nachher auf breiter Fläche ausdehnen kann, legen die Vermutung nahe, daß die innere Hälfte des Golfs von einer stehenden Schwingung beherrscht werde, mit dem Schwingimgsknoten in 2874° N. B. bei den dort liegen- den Inseln Tiburon, San Esteban und San Lorenzo. Die Rechnung gibt in der Tat die erwünschte Bestätigung. Für eine schwingende Länge von 390 km, eine Mündungsbreite von 50 km und eine mittlere Tiefe von 160 m berechnet sich die Schwingungsperiode auf 12.14 Stunden. In den Straßen zwischen den genannten Inseln sind heftige Tideströme ■wohlbekannt, was ebenfalls zur angenommenen Knotenlage paßt; nicht minder die Tatsache, daß das Hochwasser im ganzen Nordteil des Golfs ungefähr gleichzeitig eintritt. — Für den Ort Guaymas selbst wird die Abnormität eines viermaligen Hochwassers in 24 Stunden berichtet, was auf eine starke Seichtwassertide M 4 zurückzuführen sein wird. Leider sind harmonische Konstanten aus dem Kalifornischen Randmeer nicht bekannt. — Rückblick. — Versuchen wir zum Schlüsse, die Anordnung der Gezeiten zu überschauen und allgemeinere Merkmale in ihrem geographi- schen Bilde festzustellen, so ergibt sich etwa folgendes. Zuvörderst zeigen sich anscheinend in den drei großen Ozeanen mehr oder weniger deutliche Anzeichen für je zwei Hauptwogen, von denen die eine im Sinne des Uhr- zeigers, die zweite ihm entgegengesetzt die großen Becken umkreisen und miteinander Interferenzen bilden, die an der Westseite des Atlanti- schen und Indischen Ozeans, wie an beiden Seiten des Pazifischen, inner- halb der Tropen zu sehr weit ausgedehnten Homochronien führen. Des weiteren konnten wir eine gewisse verstärkende oder aussondernde Ein- wirkung der Erdrotation erkennen, indem von den beiden Wogen jeweils diejenige, welche in Nordbreiten dem Uhrzeiger entgegenläuft und sich rechts an Land anlehnt, in Südbreiten dagegen die mit dem Uhrzeiger fortschreitende und das Land zur Linken behaltende deutlicher wird und die Oberhand gewinnt. Es sind aber auch noch andere Wogen im Spiel. Freilich steht einem deutlichen Einblick in diese Vorgänge unsere zurzeit noch allzu große Unkenntnis der Tiden der eigen thchen Hochsee hinderlich im Wege. So ist es noch im einzelnen ein arg verwirrtes Bild, das wir von dem örtüchen Auftreten der Gezeiten haben zeichnen können. In vielen Fällen war es aber doch mögUch, uns wenigstens in qualitativer Hinsicht eine Vorstellung von bestimmten örtlich maßgebenden Ursachen zu bilden, indeia die Wirkung von Interferenzen uns die auffäUigsten Unterschiede sowohl in den absoluten Hubhöhen der Haupttiden wie in der relativen Größe einzelner Partialtiden begreifHch zu machen half. Bemerkenswert könnte in dieser Hinsicht vielleicht befunden werden, daß sehr häufig da, wo einzelne wichtige Teiltiden örtUch mit auffallend zu schwacher oder zu starker (relativer) Ampütude auftreten, alsbald auch die sogenannte Verspätimg der Springtiden erhebliche Abnormitäten auf- Rückblick. 411 weisen kann. So ist, wenn wir die relative Kleinheit der Sonnentiden und die Verspätung der Halbtagsspringtiden kombinieren, leicht eine Liste, wie die folgende aufzustellen. Ort Montevideo . Colon . . . Melbourne Unalgabai Wellington Port Clarence 0.21 0.11 0.12 0.21 0.06 0.06 Alter der Springtiden (Tage) + 11.6 — 7.1 + 3.9 — 6.6 — 7.0 + 5.5 Vgl. Text Seite 322 335 381 401 403 409 Abgesehen davon, daß die Vorzeichen einen ganz willkürHchen Wechsel aufweisen, wäre die Schlußfolgerung, allzu kleine Sonnentiden lieferten eine abnorme Verschiebung der Springtiden, doch etwas über- eilt. Man vergleiche in dieser Hinsicht das Verhalten beider Merkmale an den Neuengland- oder vorderindischen Küsten (S. 321 und 380) oder in Isthmia, wo eine zu große Sonnentide (0.74) ein sehr geringes Tiden- alter (0.5 Tag) begleitet (S. 372), oder man stelle auch Dover und Portlandbill zusammen, wo die Verspätung fast gleich ist (2.1 Tag), trotzdem Dover zu kleine (0.29), Portland zu große (0.52) Äa-Tiden hat (S. 350). Ähnhch wechselnde Ergebnisse erhält man auch für das Alter der eUiptischen Springtiden im Vergleich zum Verhältnis N^ : Mg: Ort Alter der ellip tischen Springtiden (Tage) Vgl. Text Seite Adelaide Hirshals ........ Korsör ........ Gjedser . Kerguelen . . . ... . 0.53 0.31 0.31 0.22 0.17 — 9.7 + 4.2 + 4.5 + 4.6 + 3.0 381 368 361 361 379 Endhch könnte es den Anschein gewinnen, als ob die Eintagstiden mit Vorhebe an den entlegeneren Randmeer- oder Mittelmeerteilen auf- träten, wo also ein Verlöschen der halbtägigen Teiltiden in Reflexen oder auch das Auftreten stehender Schwingungen von 24stündiger Periode am leichtesten durch eine günstige Konfiguration der TeUbecken er- möglicht wird. Solche Stellen fanden wir im Bereiche der europäischen Gewässer im Innern der Ostsee (S. 362) wie des Romanischen Mittel- meers (Adria S. 372) und besonders verbreitet im Amerikanischen imd Australasiatischen Mittelmeer, im Persischen Golf, im Bereiche der melanesischen Inseln , im Japanischen Randmeer (S. 407) , vereinzelt auch im Beringmeer (St. Michael S. 409). Aber es finden sich auch ganz freie ozeanische Lagen, wie Freemantle mit einem Index von 3.36 412 Die Gezeiten. (S. 381); auch Yokohama (S. 401), Honolulu (S. 403) und Victoria Har- bour (S. 400) geben zu denken. Daß nur geographische, d. h. in der Konfiguration der Meeresbecken liegende Ursachen diesen scheinbaren Unregelmäßigkeiten zugrunde liegen, kann nicht bezweifelt werden. Doch muß es der Zukunft über- lassen bleiben, sie im einzelnen wie im ganzen aufzuklären, nachdem einmal die quahtative Erforschung der Partialtiden durch harmonische Analyse auf einer ungleich breiteren Basis fortgeführt sein wird, als sie uns heute zur Verfügung steht. Drittes Kapitel. Die Meeresströmungen. I. Einleitung und Übersicht. Während die Wellenbewegung des Meeres, sowohl in der Form der Seen, wie als Brandung am Strande, oder als Dislokations welle oder end- lich als Ebbe und Flut, Wirkungen äußert, die auch dem Neuhng schon nach einer auf wenige Stunden sich erstreckenden Bekanntschaft mit dem Meere in der einen oder anderen Richtung auffallend entgegentreten, sind die Meeresströmungen eine Erscheinung, die dem aufmerksamen Schiffer nur gelegentlich in Landnähe oder in engen Meeresstraßen zum unmittel- baren Bewußtsein gelangt, während in offener See sie nur aus einem zu ganz anderen ^wecken aufgesetzten Rechenexempel sich gewissermaßen nebenher ergibt, wenn sie nicht überhaupt aus bloßen Indizien durch eine Kette von Schlußfolgerungen abgeleitet wird. Immer haben die Meeresströmungen darum für den praktischen See- mann an Bord, wie für den spekuherenden Gelehrten am Studiertisch etwas Geheimnisvolles und Anziehendes, aber auch etwas Großartiges behalten; ja man kann sagen, je sorgfältiger das Phänomen beobachtet und studiert wird, um so imponierender erscheint es im ganzen. Handelt es sich doch am Bewegungen, die kontinuierhch, wenn auch langsam und im Augenblick unsichtbar wirkend, dennoch einen sehr ergiebigen Kreis- lauf durch die gesamte Meeresmasse ins Werk setzen, indem sie hier das Polarwasser dem Äquator, dort das Tropenwasser den Eismeeren zu- führen, so daß Maury sie in seiner phantasievoll übertreibenden Art einem System von Arterien und Venen im wogenden Schöße des Ozeans ver- gleichen wollte. Brauchbare Übersichten über das irdische Totalbild de? Meeres- strömungen sind nunmehr in allen modernen Schul- und Handatlanten zu finden. Nimmt man ein solches Blatt ziir Hand, so zeigt sich auf den ersten Blick, daß die Bewegungen in den drei großen Ozeanen einen be- merkenswerten Parallehsmus entfalten, so daß es nicht schwer hält, rein schematisch das System der Meeresströme für einen ideellen Ozean zu konstruieren, der ein Kugelzweieck, also einen zwischen zwei um etwa 90" voneinander entfernten Meridianen gelegenen Raum erfüllend, sich von Pol zu Pol erstreckt. Das Bild würde ein fast vollkommen symmetrisches werden: in tropischen Breiten eine sowohl nördlich wie südlich vom Äquator vor- 414 Die Meeresströmungen. handene allgemeine Strombewegimg nach Westen hin, getrennt durch eine nach Osten gerichtete, zwischen die beiden „Äquatorial- ströme" eingeschaltete „Äquatorialgegenstfömun g", welche an der Ostseite in die Westströmungen zurückführt. Letztere biegen beide an der Westseite des Ozeans polwärts um, verlassen aber in 40° bis 50** Breite das Ufer, um nunmehr nach Osten abschwenkend als „Ver- bindungsströme" der Gegenküste zuzustreben, wo eine weitere Teilung in zwei Hälften erfolgt, von denen die eine polwärts strömt, um aber dann wieder nach Westen umbiegend bis in den Kaum zurückzufließen, den die Verbindungsströmung bei ihrem Abschwenken von der Küste in 40° bis 50° zwischen sich und der letzteren gelassen hat; während die zweite Hälfte an der Ostseite des Ozeans dem ^^' Äquator sich zuwendet, um die „Äquatorialströmung" der gleichen Hemisphäre zu speisen.Beistehende Fig. 106 mag dieses ideelle Bild verdeuthchen. Sechs Stromkreise wären in einem so gestalteten Ozean vor- handen, je zu zweien symmetrisch gelegen; das erste Paar polwärts von 50 •* Breite ; ein zweites Paar zwischen 50 •* und 10 •* Breite und ein drittes Paar zwischen 0" und 10 ^ Breite . Die Drehung erfolgt bei dem südhemisphärischen immer im entgegengesetzten Sinne we beim analogen nordhemisphäri- schen Umlauf. Bei genauerem Ver- gleich mit den Übersichtskarten der Meeresströmungen wird sich freilich ergeben, daß wegen ande- rer Konfiguration der irdischen Meeresbecken in den höheren süd- lichen Breiten (von 30" S. B. an) das Schema nicht so klar hervor- tritt wie in den nordäquatorialen Zonen der Meere; im nördlichen Teile des Indischen Ozeans ist natürhch das Schema noch weniger wiederzufinden. Es ergibt sich daraus aber im allgemeinen, daß an der Westseite der Ozeane zwischen 40 " N. und 40 ° S. B. sich tropisch warmes Wasser an- häufen wird, welches polwärts in sehr nahe und schroffe Berührung mit dem sehr viel kälteren, den Polarräumen entstammenden Wasser gelangt. An der Ostseite der Ozeane dagegen wird nahe dem Äquator die Wasser- temperatur am höchsten sein, weiter polwärts immer niedriger werden als an der gegenüberliegenden Küste, bis dann endlich von 50^ Breite an im Gegenteil das Wasser wieder sehr viel höher erwärmt ist als im Westen unter gleicher Breite. — Schema der Meeresströmungen in einem ideellen Ozean. Geschichtliches. 415 Obgleich man annehmen muß, daß schon den Alten Meeresströ- mungen, in dem modernen Sinne des Wortes genommen, also eine kon- tinuierliche, horizontale Bewegimg der Wasser teilchen nach einer be- stiumiten Richtung bedeutend, nicht unbekannt geblieben sein können, so ist es doch auffällig, wie späyUch ihre Erwähnung in alten Schrift- stellern überhaupt ist, während die besseren geographischen und naturwissenschaftlichen Autoren sie gar nicht berühren. Indes mag auch hier das Nichterwähnen noch kein Nichtkennen beweisen. Indem Eustathius in seinem Wörterbuch das Wort Okeanos fälschUch von tüx^w? vdetv, ,schnell fließen', ableitete, muß er an Meeresströmungen gedacht haben , wie ja auch die Odyssee mehrfach von dem ,F 1 u s s e OÄ:eawos' redet (11, 157 und 638, vgl. 20, 65). Theophrasti) sagt einmal, daß durch die Straße von Gibraltar abgerissener Seetang durch den Strom ins IMittelmeer hineintreibe. Auch die Segelhandbücher der Alten erwähnen Strömungen an besonders hervorstechenden Punkten gewissenhaft, wie beispielsweise im Bosporus. Besonders deuthch ver- zeichnet unter anderem der Periplus Maris Erythraei die beim Nordost- monsun stark nach Süden setzende Strömung an der Somahküste vom Kap Guardafui an zwischen Tabae und Opone (xa^' 6v töjtov xal 6 poöc iX'/.s'. § 13). Noch in mittelalterhchen' Zeiten, wo die Kunst des Schiffers unvollkommen war, stand man solcher Stromwirkung ratlos und staunend gegenüber; man suchte dahinter irgend eine ebenso ge- heimnisvolle wie furchtbare Naturkraft. Auf diese Weise entstand im fernen Orient jene wohlbekannte Sage vom Magnet berg, unter dessen unbegreifHcher Anziehung das Schiff trotz günstigen Windes auf die KHppen gedrängt wird, ' o die Brandung es zum Wrack zerschlägt. Wie diese südchinesischen Ströme, so muß auch der Mosambikstrom den Arabern auf ihren ostafrikanischen Fahrten seit alters fühlbar ge- worden sein. Denn AI Biruni sagt darüber, daß ein Schiff nicht über Sansibar südwärts hinausgehe, weil der starke Meeresstrom alsdann die Rückkehr verhindere. Das gleiche erfuhr Marco Polo^) von den Arabern über die Fahrt südlich von Madagaskar. Das Zeitalter der Entdeckungen machte dann auch die Seefahrer Westeuropas mit den atlantischen Meeresströmungen bekannt. Den Guineastrom an der afrikanischen Küste fanden die Portugiesen schon im 15. Jahrhundert, und Vasco da Gama lernte den Mosambikstrom als ein so bedeutsames Hindernis für sein Vordringen an der Küste entlang nach Norden kennen, daß er nach Madagaskar hinüber auswich. Die „große Westströmung" inmitten der tropischen Ozeane erkannte schon Kolumbus, der die Gewässer sich con los cielos (mit den Gestirnen) nach Westen bewegen sah. Den Floridastrom in seinen „Engen" westhch von den Bahamainseln fanden 1512 Ponce de Leon und Antonio de Alaminos, den kalten Labradorstrom Sebastian Cabjt vielleicht schon 1497, und über den. kalten Peruanischen Strom verwunderten sich schon die ersten Ent- decker, wie er denn auch in den ältesten holländischen Segelanweisungen ») rhpl (f ÜTüjv IV, 6, 4, ed. S c h n e i d e r I, S. 138 u. 141 (vgl. Peterm. Mitt. 1891, S. 129). *) Die Reisen des Venezianers Marco Polo im 13. Jahrhundert, heransgeg. von Dr. H. L e m k e, Hamburg 1907, S. 490; H. Y u 1 e, Marco Polo II, S. 404, Anm. 4. 416 Die Meeresströmungen. für diese Küsten bereits erwälint wird. In der ,Hydrograpliie' (richtiger Steuermannskunst) von Fburnier (Paris 1643) und der „Allgemeinen Geographie" des in Hitzacker an der Elbe geborenen deutschen Geo- graphen Bernhard Varenius (1650) findet man die eben erwähnten Strömungen umständhcher beschrieben; auch des AguUiasstroms, sowie der halbjährhch umsetzenden Monsunströme von Ceylon wird gedacht. Isaac Vossius in seiner Monographie „Über die Bewegung der Meere und der Luft" vom Jahre 1663 ist schon wieder um ein Erkleckhches über Varenius hinausgekonmien. Die große Westströmung der Tropen kennt er in allen drei Ozeanen ; sehr viel ausführlicher als der andere beschreibt er die Monsunströme der indischen Gewässer, im Atlantischen Ozean kon- struiert er einen richtigen Stromring zwischen dem Äquator und 50° N. B. in einer Auffassung, wie sie die neueren Karten nach Eennell bis tief ins 19. Jahrhundert hinein noch zeigen, wo die Guineaströmung ein GUed des- selben ausmacht; ähnhche Zirkulationen an der Oberfläche deutet er aber auch in den anderen Ozeanen an, ferner, wohl als der erste, auch für das Mittelländische Meer im allgemeinen, wie für die Adria im besonderen. Wenig später zeichnete Athanasius Kircher in seinem Mundus subterraneus (1678) die erste Strömungskarte und Ueferte damit das erste physikahsche Weltgemälde überhaupt. Der Golfstrom, wie ihn Renneil 150 Jahre später entwarf, erscheint schon bei Kircher: entspringend an der Westküste Afrikas verläuft er entlang dem Äquator als die „große Westströmung" westwärts, die dann, am Osthorn Brasiliens geteilt, mit der einen Hälfte ins Karibische Meer und den Mexikanischen Golf ablenkt, wo der Strom dann durch die Floridaengen seinen Ausweg sucht ; es scheint aber, als wenn Kircher in dieser ganzen Auffassung nur Vorschlägen von. Sir Humphrey Gilbert (1570) gefolgt ist, wie Humboldt (Krit. Unters. II, 74) meint. Die von Vossius erkannten Stromkreise legte Kircher noch nicht kartographisch nieder,, vielmehr endigen viele seiner Meeres- ströme inmitten der Ozeane in mysteriösen Strudeln, die das Wasser hier ins Erdinnere hinein, dort wieder heraus leiten sollen. Dieser Standpunkt der Kenntnis bUeb fast unverändert derselbe bis zu der zweiten Periode großer maritimer Entdeckungen, die mit Cooks Weltumsegelung begann. Ein BUck in Buffons Naturgeschichte wird das bestätigen. James R e n n e 1 1 trat dann am Ende des 18. Jahrhunderts zuerst mit dem exakten Versuch hervor, aus den wirkHch von den See- fahrern beobachteten Stromversetzungen eine mittlere örthch vorhandene Stromriöhtung zu berechnen, und wurde so der Schöpfer der statistischen Methode in der Ozeanographie ; während Romme mit großem Fleiß ein inhaltreiches Sammelwerk über Luft- und MeeresstrÖmimgen .ver- faßte (Tableaux des vents, des marees et des courants, Paris 1817). Als nächster Nachfolger Rennells aber ist Heinrich Bergbaus zu be- zeichnen, dessen Strömungskarten für die drei Ozeane im Physikalischen Handatlas eine bis auf den heutigen Tag beachtenswerte Verarbeitung des seinerzeit vorhandenen, von ihm sehr vollständig gesammelten Mate- rials vorstellen. NamentHch die für die Physik der Meere so bedeutsamen französischen Weltumsegelungen aus dem zweiten imd dritten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts finden hier zuerst eine angemessene Verwertung, und mit Recht hat dann auch Berghaus die sehr sorgfältig, man kann sagen Methoden der Strombeobachtung. 417 musterliaft geführten Schiffstagebücher der preußischen Seehandlungs- schiffe bei jener Gelegenheit für die Wissenschaft fruchtbar gemacht. Eine weitere Stufe der Erkenntnis repräsentieren die engUschen Segelhandbücher für die großen Ozeane, unter denen namenthch die von A. G. F i n d 1 a y bearbeiteten einen hohen wissenschafthchen Rang einnehmen : bei Findlay erscheinen zuerst in voller Klarheit die tropischen Äquatorialgegenströme aller drei Ozeane. M a u r y s Bestrebungen auf dem Gebiete der exakten Ozeanographie waren nicht immer erfolgreich, wie überhaupt der Schwerpunkt seiner Leistungen in das Gebiet inter- nationaler Organisationen zugunsten der praktischen Schiffahrt fällt. Eine sehr selbständige und vielfach recht erfolgreiche Tätigkeit in diesem Zweige der Meereskunde entfaltete auch Dr. A. M ü h r y in einer ganzen Reihe größerer und kleinerer Arbeiten seit 1858, gleichzeitig mit Dr. A. P e t e r m a n n und Dr. Hermann Berghaus (dem jüngeren). Unter den neueren Arbeiten müssen die kartographischen Übersichten der Meeresströmungen, welche vom britischen Hydrographischen Amt heraus- gegeben worden sind, als besonders wertvoll hervorgehoben werden: Monthly Current Charts for the Indian Ocean (1896), for the Atlantic Ocean (1897) und Quarterly Current Charts for the Pacific Ocean (1897). Sehr ins einzelne gehende Informationen Hefern die zahlreichen Küstenbeschrei- bungen und Kartenwerke, welche dieselbe britische Behörde fortschreitend für fast alle Meere der Erde veröffentUcht hat und denen sich gleiche Arbeiten der Deutschen Seewarte und des Nautischen Departements des Reichsmarineamts ebenbürtig zur Seite stellen. Die drei Segelhandbücher für jeden der drei großen Ozeane, welche die Deutsche Seewarte heraus- gegeben hat, insbesondere auch die dazu gehörigen drei Atlanten, sowie die von G. Schott mit den Hilfsmitteln der Seewarte bearbeitete „Welt- karte zur Übersicht der Meeresströmungen" (3. Aufl. 1909), sind wichtige Quellenwerke für unsere Kenntnis der ozeanischen Oberflächenströmungen. Vieles von anderen Quellen wird im folgenden noch am gehörigen Orte nachzutragen sein. II. Methoden der Strombeobachtung. Bevor wir in eine ausführHche Darlegung der Meeresströmungen ein- treten, haben wir uns Rechenschaft abzulegen über die Methoden, mit deren Hilfe die Kenntnisse von diesen ozeanischen Bewegungen erlangt werden. Wir erhalten erst dann einen gesicherten Standpunkt, von dem aus die überheferten Daten für die örtUchen Stromrichtungen und -stärken kritisch sich würdigen lassen. Das gewöhnhchste Verfahren, Meeresströmungen im offenen Ozean zu beobachten, beruht auf der sogenannten Schiffsrechnung. Jeder Schiffs- führer ist gesetzUch verpflichtet, alltägHch des Mittags die geographische Position seines Schiffes nach Breite und Länge in das Tagebuch einzu- tragen. Bei hellem Wetter wird durch Beobachtmig der Sonne urr* des Chronometers dieser Schiffsort leicht gewonnen. Gleichzeitig aber läßt sich aus den seit dem letzten Mittag notierten Angaben über den gesteuerten Kurs und die Fahrtgeschwindigkeit des Schiffes durch eine einfache Rech- nung oder mit Benutzung geeigneter Tafeln der gesteuerte nuttlere Kurs Krümmel, Ozeanographie. II. 27 418 Methoden der Strombeobachtung. und die auf diesem zurückgelegte gerade Distanz seit dem vorigen Mittage schnell finden. Diese aus der Schiffe- oder Loggerechnung sich ergebende zweite Position, auch das „gegißte Besteck" (gissen — schätzen) ge- nannt, wird sich nun gewöhnUch nicht vollkommen decken mit dem „astro- nomischen Besteck". Indem man nun die Richtung, in welcher das astro- nomische Besteck vom gegißten Hegt, als „Stromrichtung", die zwischen beiden Punkten vorhandene Distanz als Stromstärke während des „Et- mals", das ist der Zeit von einem Mittag bis zum anderen, ansieht, erhält man die sogenannte „Stromversetzung", welche dann meistens ebenfalls im Schiffstagebuch eingetragen wird. Es wird sich empfehlen, an einem einfachen Beispiel diese Operation, der wir viele Tausende von Strombeobachtimgen verdanken, im einzelnen vorzuführen. Der Dampfer „National" der Planktonexpedition befand sich am 6. September 1889 am Mittag in 1" 31.3' N. B., IT» 2.0' W. L. (Fig. 107, Punkt A). Von hier aus wurde Fig. 107. 17* 16' IS" E 17* 16' 15' Berechnung einer Stromversetzung. ein Kurs gesteuert in der Rich- tvmg nach S 55 ° 0, und bis zum folgenden Mittag nach der Messung mit dem Logg eine Strecke von 180.0 See- meilendurchlaufen; die Strecke war nicht groß, da der Damp- fer wissenschaftlicher Arbeiten wegen dieFahrt zweimal unter- brochen hatte. Am 7. mittags ergab die astronomische Beob- achtung als Schiffsort O" 6.9' S. B., 15 » 0.0' W. L. (Punkt^B). Nach dem gesteuerten Kurs hätte aber ein anderer Ort jB' erreicht sein sollen , dessen Position man erhält, wenn man in dem rechtwinkhgen Dreieck A F'B', worin A der Kurswinkel bei = 55 " und die Hypotenuse A B' = 180 bekannt sind , den Breitenunterschied mit 180 . cos 55 " = 103.3' oderl» 43.3' und den Längenunterschied mit 180'. sin 55» = 147.5' oder 2 " 27.5' berechnet. Wir können hier so nahe am Äquator Bogenminuten und Seemeilen gleichsetzen. Als gegißtesBesteck erhält man darnach für den 7. September 0° 12.0' S. B. und 14» 34.5' W. L. Nach den Beob- achtungen liegt aber das astronomische Besteck in Breite um 12.0' — 6.9' = 5.1' nördHcher und in Länge um 15» 0' — 14» 34.5' = 25.5' westlicher. Der Dampfer hat also auch nicht, wie das Logg angab, einen Weg von 180 Seemeilen durchmessen, sondern nur 156.6 Seemeilen, wie man nach Pythagoras leicht findet. Damit dies zustande kommt, nimmt man an, daß der Dampfer auf seinem Wege von A in der Richtung auf B hin durch eine stetig wirkende Kraft aufgehalten und aus seinem Kurse abgedrängt worden ist, so daß er in J5 ankam und nicht in B'. Diese Abdrängung, die durch die Linie B B' repräsentiert wird, ist die Stromversetzung. Ihre Rich- tung und Stärke entnehmen wir dem kleinen rechtwinkligen Dreieck E B B', worm die Katheten bekannt sind. Den Winkel bei B erhalten wir aus tang ß = 5.1'/25.5' mit ß= 11.3», und die versetzte Strecke B B' entweder nach Pythagoras oder trigonometrisch aus 25,5 . sec 11.3» übereinstimmend zu Die Strom Versetzung. 419 26 Seemeilen. Wir sagen also, die Stromversetzung in dem Etmal vom 6. zum 7, September 1889 habe 26 Seemeilen nach einer Richtung, die um 11" nörd- licher als West lag, also nach N 79 ° W oder WzN betragen. — Hat man es mit Kursdreiecken in einer höheren Breite zu tun, so muß man die Längen- minuten erst in Seemeilen imirechnen, was aber durch bequeme Hilfstafeln in den Handbüchern der Navigation sehr erleichtert wird; in diesen finden sich auch die sogenannten Koppeltafeln, mit deren Hilfe man jedes Kursdreieck ohne weiteres auflösen kann, so daß die im obigen Beispiel ge- gebene weitläufige Rechnung in der seemännischen Praxis kaum je ausgeführt wird ^). Wenn man den Begriff der Strom- oder Besteckversetzung nun der Stromwirkung während des Etmalä gleichsetzt, so jst das nur cum grano saUs als zulässig anzuerkennen. In Wahrheit enthält die Stromversetzung die Summe aller Fehler, welche bei der Loggerechhung zusanmien mit der Ortsbestimmung untergelaufen sind. Diese Fehler setzen sich zusammen einmal aus der wirklichen Strömung, zweitens aus den Irrtümern im ge- steuerten Kurs und in der gemessenen Distanz und den Fehlem der beiden astronomischen Ortsbestimmungen am Mittage des ersten und des zweiten Tages, die wieder wesentlich vom Gange der Chronometer abhängen. „Wie groß diese Fehler," bemerkt dazu P. Hoffmann 2) auf Grund eigener Erfahrung, „unter Umständen, namentlich beim Kreuzen und Beiliegen werden können, ist schwer zu schätzen. Schon der Umstand, daß verschiedene Knotenlängen für das Logg in Gebrauch sind, beweist die Unsicherheit der Messung. Beispielsweise würden die geloggten Di- stanzen eines englischen und eines deutschen Kriegsschiffes bei einer Ge- schwindigkeit von 10 Seemeilen pro Stunde eine Differenz von 4,7 See- meilen iiach Ablauf von 24 Stunden ergeben. Da femer von ersteren die stündlichen Notierungen (der Fahrtgeschwindigkeit) auf Achtel, von letzteren auf Zehntel eingetragen werden, so wird der Unterschied schwan- kend und kaum scharf zu erkennen sein. Zwischen den Loggabmessungen der Kauffuhrteischiffe bestehen noch viel größere Differenzen." Das gilt von dem gewöhnhchen Logg; das Pateritlogg mag diesen Bedenken nicht im gleichen Maße anterhegen, verliert aber dafür bei geringer Fahrt- geschwindigkeit sehr leicht seine Verläßlichkeit. Der gesteuerte Kurs ist abhängig von der Annahme, die man über die sogenannte Abtrift macht, welche bei Seitenwind ein Segelschiff immer, ein Dampfer unter gewissen Umständen erleidet. Man erkennt' die Abtrift daran, daß das Kielwasser oder die ausgelaufene Loggleine mit der Längsachse des Schiffes einen Winkel macht, den man aber seiner Unbestinmitheit wegen nicht messen, sondern nur schätzen kann. „Diese Schätzung," sagt P. Hoffmann, „entzieht sich jeder Kontrolle und ist lediglich individuell." Dazu kommen Fehler im Steuern, beruhend auf widrigem Seegang, oder andere Fehler, die auf nicht gehörig erkannter Deviation der Kompasse auf eisernen oder armierten Schiffen beruhen. ^) P. H e i d k e hat in Ann. d. Hydr. 1903, S. 145 und Taf. 7 ein graphisohes Verfahren angegeben, das sehr bequem ist, wo viele solche Rechnungen auszu« führen sind. ') Zur Mechanik der Meeresströmungen an der OberQäohe der Ozeane. Berlin 1884, S. 26. 420 Methoden der Strombeobachtung. Endlich darf auch die astronomische Position nicht als absolut genau an- gesehen werden; nach einer neueren Diskussion dieses Gegenstandes von Professor Rogers berichtet HofEmann, daß der mittlere Fehler einer ein- zelnen Beobachtung auf See gewöhnhch nahezu 3 Seemeilen beträgt (vgl. auch Bd. I, S. 83). Aus alledem ergibt sich, daß Stromversetzungen von weniger als 10 Seemeilen im Etmal schon als sehr unsicher erscheinen und nur dann Interesse gewinnen, wenn die Besteckführung an Bord eine über allen Zweifel sorgfältige ist, was unter anderem schon eine Ausrüstung mit mindestens drei guten Chronometern voraussetzt, deren Gang genau be- kannt ist und stetig kontrolhert wird. Überhaupt aber wird eine Strom- versetzung von weniger als 6 Seemeilen mit Recht immer als „kein Strom" notiert. Außerdem wird bei sehr großen, während eines Etmals zurück- gelegten Strecken, wie bei den modernen Dampfern, die erhaltene Strom- versetzung auf das ganze durchmessene Gebiet sich beziehen, was der Ermittelung von Stromgrenzen und örtUchen Strömungserscheinungen überhaupt ungünstig ist. Da man nun aber mit Admiral Fitzroy annehmen darf, daß die meisten der eben aufgezählten Irrtümer der Ortsbestimm ung und Logge- rechnung zufälhge sind, d. h. ebenso oft nach der einen, wie nach der anderen Richtung fallen können, so würden sie sich von selbst eHminieren, wenn man für eine und dieselbe Stelle im Meer eine sehr große Anzahl von solchen Strömversetzungen sammeln könnte: denn dann sollte die wirkHche Strömung zutage kommen, wenn aus sämthchen Einzelfällen ein Mittelwert für Richtung und Stärke berechnet wird. Das setzt aller- dings voraus, daß die Strömung an sich etwas Konstantes ist, während doch sehr viele Strömungen bekanntermaßen gewissen Änderungen nach Richtung wie Stärke mit den Jahreszeiten unterhegen, die zum Teil in eine völhge Umkehr des Stroms übergehen können: dann würde eine „mittlere jährHche Stromrichtung" für solchen Raum etwas ganz Ab- straktes, in WirkHchkeit niemals Vorhandenes ergeben. Daher muß bei solchen statistischen Zusammenstellungen auf die Jahreszeit oder den einzelnen Monat zurückgegangen werden. Will man dieses statistische Verfahren einschlagen, so steht man vor der neuen Schwierigkeit, wie denn der mittlere Strom nach Richtung und Stärke aus einer großen Zahl von Einzelfällen zu berechnen sei. Eine hierfür wirkHch alle Bedenken vermeidende Regel ist noch nicht gefunden worden. In vielen Fällen empfiehlt sich als das einfachste eine karto- graphische Verwertung der einzelnen Stromangaben, indem diese ent- sprechend der Mittagsposition für das Ende des Etmals (bisweilen auch nach dem Schifeort um Mitternacht) in die Karte eingezeichnet werden. Es läßt sich dann meist am einfachsten eine mittlere Stromrichtung von der Karte ablesen, wofern es sich um Gebiete handelt, die in dem unter- suchten Monate einigermaßen konstanten Strom aufweisen. Zu letzterer Verwendung geeignet und bestimmt sind die Strombeobach- tungen, welche in den von der Deutschen Seewarte herausgegebenen Heften „Resultate meteorologischer Beobachtungen von deutschen und holländischen Schiffen für Eingradfelder des Nordatlantischen Ozeans" enthalten sind. Auf eine Mittelberechnung ist ausdrücklich daselbst verzichtet (Aus dem Archiv Berechnung einer mittleren Stromrichtung. 421 der Deutschen Seewarte, I. Jahrg. 1878, S. 76, 6). Indes geht bei dieser Methode völlig ein Urteil darüber verloren, wie oft in dem betreffenden Eingradfelde kein Strom beobachtet wurde. Sehr unvollkommen muß das Verfahren der einfachen arithmetischen Mittel genannt werden, Haben wir beispielsweise in irgendeinem Eingradfeld die vier Stromversetzungen: NW 10 Seemeilen, SW 8 Seemeilen, NO 4 See- meilen, SO 6 Seemeilen, so erhalten wir zunächst als mittlere Strom stärke 7 Seemeilen. Die mittlere Richtiing finden wir am bequemsten, wenn wir die Striche der Kompaßrose numerieren (rechts herum zählend, also NzO mit 1, Nord mit 32 bezeichnend) imd dann die jedem Strich zukommende Nummer in die Summe einfügen, also hier V4 (28 -f- 20 + 4 + 12) = 16, also = Süd. Das rohe arithmetische Mittel aus obigen vier Stromversetzungen wäre also S 7 Seemeilen, gibt also eine Stromrichtung an, die tatsächlich gar nicht beobachtet ist. Außerdem kommt nicht zum Ausdruck, daß die beiden Stromversetzungen mit westlicher Komponente die kräftigeren waren, am kräftigsten aber die erste der aufgeführten, welche sogar eine Komponente nach N, also der mittleren Strömung entgegengesetzt, enthält. Darima hat man vorgeschlagen, ein mechanisches Mittel in der Weise zu finden, daß man die Residtante oder den Vektor aus einem System von Kräften aufsucht, welche mit der Richtung und Stärke der einzelnen Stromversetzungen auf einen Punkt einwirken, was also eine einfache Koppel- rechnung bedeutet, wofür die Handbücher der Navigation bequeme Hilfs- tafeln ^) darbieten. Obiges Beispiel würde sich danach so gestalten: NW 10 Seemeilen gibt N 7.1 W 7.1 SW 8 „ „ .... S 5.7 ..... W 5.7 NO 4 „ „ N 2.8 0 2.8 ... . SO 6 „ „ .... S 4.2 . 0 4.2 ... . Summe: N 9.9 S 9.9 0 7.0 W 12.8 Nord- imd Südzug heben sich auf, und der Körper wird mit einer Geschwindig- keit von 12,9 — 7,0 = 5,9 Seemeilen in 24 Stimden nach Westen bewegt. — Hieran ist wieder auszusetzen, daß die mittlere Stromstärke kleiner aus- fällt, als in 3 von den 4 beobachteten Fällen, und um so kleiner sich heraus- stellen wird, je größer bei stark divergierenden Richtungen die Zahl der ver- koppelten Einzelfälle ist. Dem Seemann aber liegt sehr daran, zu erfahren, mit welcher durchschnittlichen Stärke überhaupt Stromversetzungen in dem betreffenden Gebiete zu erwarten sind. Darum schlug 1859 Strachan vor, zwar die Strom richtung durch Koppelrechnung zu ermitteln, aber als mittlere Strom stärke das rohe arithmetische Mittel aus allen einzelnen beobachteten Stromstärken einzuführen. Letzteres Verfahren ist denn auch mehrfach befolgt worden, so in den Currents and Surface Tempera- tures of the North Atlantic, herausgegeben vom Meteorological Committee 1872. Daselbst sind aber auch in Gebieten stark wechselnder Stromrichtungen zwei oder mehrere Gruppen aus der großen Zahl der Einzelfälle gebildet worden, um aus ihnen dann wieder gesondert zwei oder mehrere mittlere Stromrich- tungen zu berechnen. P. Hoff mann findet auch an diesen Methoden den großen Nachteil, daß die Fälle, wo kein Strom beobachtet ist, nicht ersichtlich werden. „Die beste Art", meint er, „aus einer großen Zahl von Einzelbeobachtungen zu einem Überblick über die tatsächlichen Verhältnisse zu kommen, dürfte sein: alle Beobachtungen zusammenzustellen, der Richtung nach getrennt nach Quadranten; aus den Quadranten das arithmetische Mittel für die Qe- ^) Sehr handlich sind die Koppeltafeln bei A. B r e u s i n g, Nautische Hilfs- tafeln, Taf. VII (Gradtafel) oder VIII (Strichtafel). 422 Methoden der Strombeobachtung. scliwindigkeit zu berechnen und die Stromriclitung nach, vier Quadranten neben den Stromstillen anzugeben nach Prozenten aus der Gesamtzabl der Beobacbtungen (welche aufzuführen ist). Die in der Sammlung der oft er- wähnten ,Nine ten-degree Squares' befolgte Methode nähert sich dieser An- ordnung 1) und läßt an Übersichtlichkeit der Resultate, unbeschadet der weiteren Verwendbarkeit der Einzelbeobacbtungen, nictts zu wünscben übrig." In den meisten Fällen, auch wo stark divergente Strom Versetzungen vorkommen, ist die von der Deutschen Seewarte ursprünglich in ihren Atlanten zu den Segelhandbüchern für die drei Ozeane zur Darlegung der mittleren Windverhältnisse (mit Beachtung der Stillen) gebrauchte, graphische Methode mindestens ebenso übersichtlich. Nur unter besonderen Umständen sind noch einige andere Methoden zu verwenden, um Strombeobachtungen zu erhalten; liegt ein Schiff in. flachem Wasser vor Anker, so kann die Strömung durch Auswerfen des Loggs oder eines anderen .Treib- körpers, der dem Winde keine merkÜche, über das Wasser hervorragende Fläche darbietet, gefunden werden. In offener See hat man früher wohl bei Tieflotungen die bis zum Meeresgrunde reichende, mit einem mehirere Zentner wiegenden Lote beschwerte Leine einem ausgesetzten Boote übergeben, von dem aus man dann ebenfalls die Strömung ' beobachtete, wie von einem verankerten Schiffe aus. Schon sehr früh, vermutUch schon vor Beginn der großen überseeischen Entdeckungen im 15. Jahr- hundert, scheint den Seeleuten bekannt geworden zu sein, daß Meeresströmungen nicht mit gleicher Ge- schwindigkeit in der Tiefe sich bewegen wie an der Oberfläche. In der Lebensbeschreibung des K o 1 u.m- b u s von seinem Sohne findet sich die Tatsache über- liefert, daß der Entdecker Amerikas auf seiner ersten Fahrt nach Westen am 13. September 1492, etwa in 27» N. B. und 40« W. L. sich mit Hilfe des Senkbleis überzeugt habe, daß die Strömungen daselbst nach Südwesten setzten. Schon Sir Humphrey Gilbert beschreibt ausführhch ein solches Experiment, als zu seiner Zeit (um 1570) etwas sehr Gewöhnhches; nur daß statt des einfachen Bleilotes ein schwerer Körper (ein großer Kessel oder zwei an den Zipfeln eines Segels befestigte Kanonen- läufe od. dgl.) an der Leine in die Tiefe hinabgelassen wurde, während man das freie Ende der Leine einem ausgesetzten Boote übergab. Natür- lich kann so nur die Differenz zwischen der unteren und der ober- flächlichen Stromstärke zur Wirkung kommien, doch reichte sie wohl vielfach aus, die Leine in eine schiefe Stellung zu bringen, woraus dann die Kichtung des Stromes sich entnehmen Heß^). 1) Meteorological Office: Charts of Meteorological Data for Square 3, lat. 0 <* to lO" N., long. 20 " to 30" W. Ix)ndon 1874, und Charts of Met. Data for nine Ten- Degree Squares, lat. 20» N. to 10« S., long. 10« to 40» W. London 1876. Zu jedem Atlas ein Textband. >) Vgl. Kohl, Geschichte des Golfstroms, Bremen 1868, S. 25. Treibboie der ChaUenger- Expedition. Strombojen. 423 Einen besonders für Strombeobachtungen sowohl an der Oberfläche wie in irgend einer beHebigen Tiefenschicht bestimmten Treibkörper zeigt die in beistehender Fig. 108 abgebildete Stromboje, welche ursprünghch von der Eaeler Kommission zur Untersuchung der deutschen Meere und später mit unwesentUchen Änderungen von der „Challenger"-Expedition systematisch angewendet worden ist^). Eine aus Eisenblech gefertigte doppelkonische Boje trägt an einer Leine unter sich den eigenthchen, mit dem Bleilot beschwerten Treibkörper, zwei einander durchdringende, mit geöltem Segeltuch überspannte Kahmen, welche sich, während der Apparat nicht in Gebrauch ^ist, zusammenklappen lassen. Indem man die Leine zwischen der Boje und dem Rahmen entsprechend lang nimmt, kann man auch die Strömung in der Tiefe beobachten, die, wenn ihrer Kg. 109. Fig. 110. Kleine Treibboje nacli MitcheU. c::. Stromweiser für Tiefseegebrauch von Aim^. Richtung nach vom Oberflächenstrom verschieden, sich aus einer einfachen Rechnung finden läßt, da ja die Boje der Resultierenden aus den beiden auf das Ganze einwirkenden verschiedenen Strömen folgt. Da indes bei diesem Apparat die Flächen der beiden Treibkörper, der Boje und des Rahmens, nicht gleich sind, also auch der Druck der Strömungen auf beide verschieden ausfällt, so empfahl Sigsbee^) die in Fig. 109 ab- gebildete Abänderung von Professor Mitchell. Als Gewicht dient ein oben offenes Gefäß aus emaiUiertem Eisenblech von 20 cm Durchmesser und 30 cm Höhe; als Schwimmer eine Flasche von gleichen Dimensionen in ihrem zyhndrischen Teil, nur daß darüber ein Kegel von 8 cm Höhe den Slaschenhals bildet, der durch einen Kork verschlossen wird. Das 1) Sir W y V. T h o m B o n, The Atlantic I, 363. ') Deep Sea sounding and dredging, Taf. 6. 424 Methoden der Strombeobachtung. untere Geffl,ß, an eineni -entsprechend langen Drahte aufgehängt, wird so lange mit Schrotkömern beschwert, bis (im Seewasser) der Schwimmer ganz mit seinem zyUndrischen Teil eingetaucht ist. Mit diesem Apparat erlangte Sigsbee im Floridastrom und im Golf von Mexiko sehr befrie- digende Resultate. Um die Stromrichtung in größeren Tiefen auf hoher See zu messen, hat Ai m e^) eine andere Vorrichtung konstruiert (Fig. 110). Der Apparat besteht im wesentlichen aus einer Art Windfahne V, die fest an einer zyHndrischen Büchse B ^ befestigt ist und welche, durch ein Lot L an der Leine versenkt, sich unter der Einwirkung des Stroms einstellt wie eine Wetterfahne zum Wind. Die Büchse enthält an ihrem Boden eine Strich- rose, in deren Mitte die Kompaßnadel AÄ auf einer Spitze schwebt. Nachdem der Apparat, in die Tiefe versenkt, sich zum Strome eingestellt hat, gibt die Achse der Fahne im Verhältnis zur Nordrichtung der Magnet- nadel die Richtung des Stromes an, die nun fixiert werden muß, bevor man den Apparat aufholt. Zu diesem Zwecke ist über der Kompaßnadel ein Reif D mit 32 Zähnen angebracht, der durch eine Führung mit einem Stab verbunden ist, welcher nach oben hin aus der Büchse herausragt und sich oben zur Fläche T verbreitert. Läßt man nun an der Lotleine ein Gewicht L ^ hinabgleiten, so drückt dieses den Zahnreif auf die Kompaß- nadel hinab und arretiert diese in ihrer jeweihgen Stellung. Durch die mit einem Deckel N verschlossene Öffnung der Büchse wird diese Richtung nach dem Aufholen des Apparates abgelesen. — Das Instrument gibt nur die Richtung, nicht die Geschwindigkeit eines Tiefenstroms. Eine gute Messung setzt volle UnbewegUchkeit des Schiffes voraus, was aber auch bei Windstille nicht erwartet werden kann, sobald ein Oberflächenstrom das Schiff selbst versetzt. Man muß also dieses auch in hoher See vor Anker legen, und das ist eine umständliche und sehr zeitraubende Sache ; J. E, P i 1 1 s b u r y hat auf Grund seiner Erfah- rungen mit Strommessungen im Floridastrom eine ausführHche Anleitung dafür gegeben 2). Es läßt sich aber leicht erweisen, daß man mit einem Anker ein Schiff nicht in tiefem Wasser gegen Strom und Wind festlegen kann, da das sogenannte Gieren und Schwaien des Schiffes nur dann sicher verhindert wird, wenn man drei Anker nach drei möglichst ver- schiedenen Richtungen von drei entsprechend gewählten Punkten des Schiffskörpers ausfährt und die Ankertaue gleichmäßig steif holt. Schon zwei in der Schiffsachse nach vorn und nach hinten ausgebrachte Anker können meist zum Ziele führen. Das vor einem Anker allein an langem Ankertau Hegende Schiff wird vom Wind und Oberflächenstrom in unregelmäßig pendelnde Bewegungen versetzt, die nicht bloß in der Richtung vom Ankerpunkt hinweg und wieder darauf zu führen (was man als Gieren bezeichnet), sondern auch seithche Drehungen des Schiffs- körpers zur Folge haben, da die Ankerklüse seitUch am Vorderschiff an- gebracht ist und dadurch Wind und Strom immer mit einem Teil ihrer Kraft den Schiffskörper seitwärts treffen und drehen oder, wie der See- ^) Annales de chimie et phys., 3me s6r., Bd. 13, S. 461, Paris 1845; auch Ir- in i n g e r in Zeitschr. f. allgem. Erdkunde, Berlin 1854, Bd. 3, S. 170 und Tafel 13. « ) U. S. Coast Survey Report for 1890, Washington 1891, App. 10, p. 516 bis 537, und danach: Annalen der Hydrographie 1896, S. 279. Fehler durch Gierbewegungen. 425 mann sagt, zum Schwaien bringen können; diese Art der Bewegung wird man am Kompaß verfolgen können, aber nicht das Gieren. Je länger das Ankertau und je schwächer der Oberflächenstrom ist, um so länger wird die Periode dieser Pendelungen werden und recht wohl große Bruchteile einer Stunde, ja unter Umständen mehr als eine Stunde erreichen, während eine Messung mit dem Strommesser nur 10 — 15 Minuten dauert. "Wo kein Peilobjekt in Gestalt eines Landpunkts oder besser zwei solcher in Sicht- weite vorhanden sind, kann die Amplitude dieses Gierens überhaupt nicht bestimmt werden; auch Markbojen, die man neben dem Schiff verankert, können nur dann zum Anpeilen benutzt werden, wenn sie selbst dreifach verankert sind^). Diese Schwierigkeiten gelten für alle exakten Strom- messungen vom Schiffe aus in tiefem Wasser und erst recht auf hoher See, ^uch fiir die modernsten sonst sehr fein erdachten Instrumente, wie sie im folgenden beschrieben werden. Die beistehende Fig. 111 mag einen allerdings etwas übertriebenen Fall solcher Störung durch das Gieren des Schiffes der Anschauung näher bringen. Fig. 111. ?F fim Oierbewegung eines in tiefem Wasser verankerten Schiffes. Das Forschungsschiff habe für 4500 m Tiefe ungefähr die dreifache Länge, also 13 000 m Ankertau ausgesteckt. Durch die "Wirkung des Windes und Oberflächenstroms wird das Schiff so stark leewärts abgedrängt, daß die ganze Länge des Ankertaus vom Anker A an vom Meeresboden abgehoben wird und in einer Kettenlinie im Wasser steht. Die Spannung des Seils und auch sein Gewicht (2000 — 3000 kg im Wasser, wenn ein Drahtseil benutzt wird) ist jetzt zu stark, als daß das Schiff weiter nach Lee gieren könnte, es wird vielmehr durch Spannung und Gewicht des Taus gegen Wind und Strom auflaufen, was anfänglich in langsamem, später beschleunigtem Tempo ge- schieht, bis dann ein so großer Teil des Seils auf dem Meeresboden liegt, daß das Schiff nur noch schwach und zuletzt gar nicht mehr luvwärts voran- kommt (Stellung A B Sz der Figur). Nun haben Wind und Strom wieder die Oberhand erlangt und drängen das Fahrzeug leewärts nach Si, worauf das Spiel von neuem beginnt. Nehmen wir an, die Zeit, in welcher die Strecke S1S2 = 2000 m zurückgelegt wird, betrage 2 Stunden (was eine willkürliche Annahme ist, da Beobachtungen fehlen), so erhält das Schiff dadurch eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 28 cm p. S. oder rund 0.5 Knoten in der Stunde. Hat der Meeresstrom an der Oberfläche 1 Knoten Stärke, so ^) Vgl. die hierbei gemachten Erfahrungen von RolfJ. Wittingin Publ. de Circonstance Nr. 31, Kopenhagen 1905. 426 Methoden der Strombeobachtung. wüfd eine Messung 1 ± 0.5 Knoten ergeben, je nach der Phase der Gierbewegung, Mißt man in der Tiefe, wo der Strom schwächer werden wird, so kann der Fall eintreten, daß der vom SchifE mitgeschleppte Strommesser eine der wirk- lichen gerade entgegengesetzte Kichtung oder eine viel zu große Geschwindig- keit in der wahren Kichtung angibt. Werden die Messungen durch mehrere Stunden in verschiedenen Tiefen fortgesetzt, so kann eine wirre Anordnung der Stromrichtungen und -stärken vorgetäuscht, ja bei gewissen Lagen der Beobachtungszeiten zur Schwingungsphase eine periodische Änderung der Stromrichtung und eine Zu- und Abnahme der Stärke gefunden werden, worüber sich dann die Theoretiker ihre Köpfe zerbrechen mögen. Die Schwin- gimgen werden noch besonders stark angeregt, wenn, wie J. E. Pillsbury tat, der Strommesser am Ankertau entlang in verschiedene Tiefen hinabgelassen wird. Wenn wir später auf seine Messungen einzugehen haben, wird sich auch herausstellen, daß der .Strom gewöhnlich in den obersten Schichten ziemlich gleichmäßig lief, aber um so unregelmäßiger wurde und desto mehr zu periodischen Schwankungen in seiner Richtung (weniger in der Stärke) neigte, je tiefer der Strommesser am Tau versenkt worden war. Man könnte meinen, daß sich durch erhebliche Verkürzung des Ankertaus die Pendelungen vermindern ließen, aber dann besteht die Gefahr, daß der Anker nicht ge- nügend festhält; beim jbischen am Grunde, wo also das Netz zwar schleppen, aber nicht halten soll, gibt man gewöhnlich in Tiefen unter 1000 m die doppelte Länge Seil, bei größeren Tiefen das 1 V2- bis 1 Vsfache der Wasser- tiefe, mindestens aber 1000 m Überschuß^). Nimmt man für das oben dar- gestellte Beispiel an, daß die ausgesteckte Seillänge nur 6000 m betragen hab.e, so würde sich die Gierbewegung mit nicht ganz dem halben Betrage an störendem „Schiffsstrom" geltend machen; aber da wir über die Periode dieser Schwingungen nichts wissen, ist Sicheres nicht weiter auszusagen. Der Fall scheint mir übrigens der analytischen Behandlung nicht ganz unzugäng- lich zu sein. — Die modernen Apparate zur Strommessung und -registrierung in den Tiefen zerfallen in zwei Gruppen : in solche, die durch Umdrehungen §iner Flügelschraube (eines Propellers) den Strom messen, und solche, die durch den Druck des fließenden Wassers ein Pendel leewärts hinwegheben, wobei der Ausschlagwinkel der Stromstärke proportional gesetzt wird. Unter den Propellerstrommessern haben die Apparate von Walfrid Ekman, Otto Pettersson und RoU Witting, unter den Pendelstrommessern die von Fridtjof Nansen und J. P. Jacobson erprobten Formen Anspruch auf besonderes Interesse. E k m a n 8 Strommesser *) hat im Bereiche der internationalen Erforschung der nordeuropäischen Meere eine große Verbreitung gefunden und mag daher an erster Stelle in seinen wesentlichen Teilen kurz beschrieben werden (Fig. 112). Ein windfahnenartiges Blechstück A dreht eine in Kugellagern {K K) laufende Achse mit Rahmen gegen den Strom. Im Rahmen ist ein vierflügeliger Pro- peller {F) angebracht, dessen Umdrehungen auf Zahnräder übertragen und an enteprechenden Zeigern abgelesen werden können. Der Propeller wird durch einen federnden Sperrhebel {R R) festgehalten und so in die au unter- suchende Tiefe versenkt. Ist diese erreicht, so wird an der Leine entlang das Fallgewicht Gi versenkt, das den oberen Arm des Sperrhebels zur Seite ^) V. H e n s e n in den Ergebnissen der Plankton-Expedition Bd. I B (Methodik), S. 53, gibt mehr Einzelheiten. Vgl. anch Rivista marittima 1882, I, S. 449. ■) Beschrieben in den Publications de Circonatance Nr. 24, Kopenhagen 1906; in Nr. 34, 1906, S. 41 ein Nachtrag. Propellerstrommesser. Fig. 112. 427 PropellerBtrommesser von Walfrid Ekman. 428 Methoden der Strorabeobachtung. drückt, wodurch dann die Flügel des Propellers frei spielen können. Nach gegebener Zeit (meist 10 Minuten) wird ein zweites größeres Fallgewicht an der Leine hinabgelassen, das den Sperrhebel noch weiter zur Seite drückt, so daß die Schraubenflügel wieder festgehalten werden. Man kann dann die Zahl der Umdrehungen während der Beobachtungszeit ablesen und aus der Eichungstabelle die Stromstärke in Zentimeter p. S. berechnen. Die Strom- richtung wird in einer sehr ingeniösen Weise gleichzeitig registriert. Unter dem Zahnrad'system befindet sich eine Kompaßdose und in dieser eine dicke Magnetnadel N, deren beide Arme von der Pinne abwärts geneigt sind, der Pinrienkopf und der nach Norden gerichtete Schenkel der Nadel sind an ihrer Oberfläche mii einer Rinne versehen; in diese fällt aus einer mit dem mittelsten Zahnrad verbundenen Kammer bei jeder 30. Umdrehung des Propellers ein Schrotkorn, rollt in der Rinne abwärts und kommt, da der Boden der Kompaß- dose in 36 ana Rande ringsum angebrachte Fächer geteilt ist, in einem dieser Fächer zur Ruhe. Jedes dieser Fächer entspricht also einem Kreissegment von 10". Aus den während der Beobachtungszeit in verschiedenen Fächern angehäuften Schrotkörnern kann dann eine mittlere Stromrichtung berechnet werden. Der Ekmansche Apparat kann in beliebiger, auch sehr großer Tiefe noch, verwendet werden, verlangt aber eine sehr sorgfältige Konstruktion und vorsichtige Behanalung, wenn man sich auf uie Dauer auf ihn verlassen will. Obwohl die Propellerachse in Achatlagern läuft, ist die Reibung so groß, daß Ströme von weniger als 3 cm p. S. nicht registriert werden; bei älteren Instrumenten wird der tote Gang noch erheblich größer. Die Abgabe der Schrotkörnchen in die Kompaßdose ist bei neueren Apparaten gegen die ur- sprüngliche Anordnung erheblich verbessert worden. Otto Petterssons Bifilarstrommesser ^) ist wesentlich für die ge- ringen Tiefen der heimischen Gewässer bestimmt, läßt sich aber verhältnis- mäßig einfach bedienen und kann daher mit Vorteil besonders von Leucht- schiffen aus verwendet werden. Es gehören drei Trommeln von gleichem Umfang dazu, die in etwa 1 m Abstand voneinander an der Bordwand be- festigt sind. Die beiden äußeren Trommeln tragen gleiche Drahtseile, an denen je ein Gewicht von 8 bis 18 kg in die beabsichtigte Tiefe hinabgelassen wird. An diesen beiden Führungsseilen entlang gleitet in zwei Ösen eine eiserne Stange mit dem Meßapparat, der von der mittleren Trommel aus versenkt wird. In der Mitte der Eisenstange befindet sich ein Zahnkranz, dessen Spitzen nach unten gerichtet sind und je 5 ° Abstand voneinander haben. Unter dem Zahnkranz ist ein Flügelrad mit Zählwerk und Stromfahne an- gebracht; daß auch eine "Wasserschöpf flasche mit Thermometer daran hängt, ist hier unwesentlich. Beim Hinablassen der Stange ist das Flügelrad und Zählwerk arretiert; beide rücken in dem Augenblicke, wo die Eisenstange mit ihren beiden. Ösen auf den Seitengewichten aufliegt, noch um etwa 3 cm nach .unten und werden dadurch frei. Die Fahne stellt sich zum Strom ein, das Zählwerk registriert die Umdrehungen. Ist die Beobachtungszeit abgelaufen, so hebt man mit der mittleren Trommel die Apparatur in die Höhe, dabei faßt der Zahnkranz die Stromfahne in ihrer jeweiligen Stellung und stoppt auch das Zählwerk. Ist die Stange über Wasser, so kann man an dem Zahnkranz den Winkel, den die Stromrichtung mit der Schiffsachse im Augenblick der Orientierung gemacht hat, ablesen und aus dem Kurse, den das Schiff selbst nach Angabe des Kompasses anlag, die genaue Himmelsrichtung des Stroms bestimmen. Es ist klar, daß die Schwaibewegungen des Schiffes hier mit besonderer Sorgfalt verfolgt werden müssen. In Tiefen von mehr als 60 m ^) Etwas knappe Beschreibung in Publ. de Circonstance Nr. 25, Kopenhagen 1905. Propellerstrommesser. 429 wird die Bifilaraufhängung namentlich bei Seegang unsicher, da Verdrehungen der Führungsleinen nicht immer auszuschließen sind. Aber Strommessungen gehören mehr als alles andere zu den eigentlichen Schönwetterarbeiten. Im Bereiche der finnischen Gewässer hat Eolf J. Witting einen elek- trisch registrierenden Strommesser mit Erfolg benutzt^). Die Apparate von Ekman und Pettersson müssen nach jeder einzelnen Messung heraufgeholt, abgelesen, neu eingestellt und wieder versenkt werden, was mit erheblichem Zeitaufwand verbunden ist; eine elektrische Registrierung der Propeller- umdrehungen und der Stromfahnenstellung auf Deck soll diesen Übelstand heben. Hierbei aber ist von vornherein, wie bei allen elektrisch registrieren- den Tiefseeinstrumenten, die große Schwierigkeit zu beachten, die die immer sehr dicken Leitungskabel verursachen, denn eine genügende Festigkeit und dauerhafte Isolierung im Seewasser ist schwerlich unter 7 bis 10 mm Durch- messer des Kabels zu erreichen. Dann wird die Eeibungsfläche und das Eigen- gewicht des Kabels im Verhältnis zum Apparat groß und tritt starke Abtrift in der Tiefe ein, ohne daß man sie hinreichend überwachen kann. Dieser Ubel- stand wächst mit der Wassertiefe, in der man arbeiten will; elektrisch regi- strierende Apparate sind daher allgemein nur für geringe Wassertiefen vor- teilhaft. Wittings Apparat trägt zur Angabe der Stromstärke einen Propeller, der nach jeder 10. Umdrehung einen Kontakt schließt, der sich nach oben meldet, dort abgehört werden kann oder auf einer Registriertrommel einen Schreibhebel aufdrückt. Die Stromfahne, die mit ihrer Hülse wie bei Ekman in zwei Kugellagern um die Aufhängungsachse spielt, meldet ihre jeweilige Stellung in etwas komplizierterer Weise. Die Aufhängungsachse trägt an ihrem oberen Ende eine Hartgummischeibe, an der nach unten acht Kontaktstücke befestigt sind. Mit der Hülse der Stromfahne ist ein kleiner Wagen mit zwei Metallrädern verbunden, die von unten her gegen die Kontaktstücke der Hart- gummischeibe gedrückt laufen. Der Abstand der Räderachsen ist dabei 22.5 " oder zwei Kompaßstriche. Von jedem der Kontaktstücke ist ein besonderer Leitungsdraht in das Kabel eingeführt, der zu einer besonderen Schreibfeder vor der Registriertrommel auf Deck führt. Je nachdem nun der Wagen ein oder zwei Metallstücke berührt, schreiben eine oder zwei bestimmte Federn ihre Spur auf der von einem Uhrwerk gedrehten Trommel auf, wodurch es möglich wird, 16 verschiedene Stromrichtungen zu unterscheiden. Witting äußert sich sehr befriedigt von den Leistimgen seines Apparats 2). Eine Umkehr der Propellermessung besteht darin, daß man ein kleines Dampf- oder lotorboot mit dünnem Draht an einem schweren Gewicht ver- ankert und gegen den Strom mit der Maschine so anarbeiten läßt, daß der Draht senkrecht steht; dann Uefert die Zahl der Schraubenumdrehungen ein Maß für die Geschwindigkeit des Stroms. Dieses Verfahren hat aber nur in ruhigeren Gewässern (in Meeresstraßen, Flußmündungen) Aussicht auf Erfolg und ist auch in solchen bisher allein angewandt worden. Durch Kombination mit einem Tiefenschwimmer nach Art des von Challenger benutzten (oben S. 423, Fig. 108) lassen sich so auch Tiefenströme messen, wie die Erfolge von H. E. Purey-Cust^) in der Kongomündung erweisen. Dieses Verfahren leitet hinüber zu der zweiten Gruppe von Meßapparaten, die wir als Pendelstrommesser bezeichnen. Ihre Wirkung beruht auf dem 1) Beschreibung in Publ. de Circoast .nee Nr. 30, Kopenhagen 1905. 2) Einen elektrisch (aber nach einem ganz anderen Prinzip) registrierenden Stromrichtungsmesser hat sich Kapitän z. S. Ad. Meiising patentieren lassen (D.R.P. 102 874, 8. Mai 1899); soweit bekannt geworden, ist der Apparat aber nicht zur praktischen Verwendung gelangt. ') Report on the Undercurrents in the River CJongo. Hydrogr. Departm. London 1900. Auch Geogr. Joum. Bd. 16, S. 349, London 1900. 430 Methoden der Strombeobachtung. Druck, den das fließende Wasser auf eine dem Strom widerstehende Fläche ausübt, wobei sich diese Fläche um eine feste Achse leewärts dreht und der hierbei mit der Lotrichtung erzielte "Winkel der Stromstärke proportional gesetzt wird. Eine Art der Anwendung dieses Prinzips ist sehr alt. Bei Tief- lotungen, die vom ausgesetzten Beiboot vorgenommen wurden, mußte man wahrnehmen, daß, wenn das Lotgewicht den Boden erreicht hatte, ein etwa vorhandener Oberiäächenstrom das Boot mit sich fortzog, so daß schließlich die Lotleine einen Winkel mit der Wasseroberfläche machte, der kleiner al& 90 ° wa;r. Du Petit-Thouars^) hat sich bereits mit dieser Frage rech- nerisch beschäftigt. Für den Fall, daß Klavierdraht verwendet wird, wo man den Unterschied zwischen dem Gewicht des Drahts imd des von diesem ver- drängten Wassers, ebenso wie die Reibung, vernachlässigen kann, bedarf es nur der Messung des Winkels «des Drahts mit der Horizontalen, der ab- gelaufenen Länge L des Drahts, des Gewichts des Lotes P und des Umfangs des Drahts c, um nicht nur die gelotete Wassertiefe % wie auch die Geschwindig- keit V der ganzen Wassermasse zu finden. Nach Du Petit- Thouars soll dann sehr genähert sein: p = Lsin « 1 1 + -ö~cos*«+ -5^cos*a+ . . . | v^ = P : (kc L tang «), worin k eine Konstante, in Metermaß ungefähr 5, bedeutet. — Hier ist der Drehpunkt des ideellen Pendels im Lotgewicht am Meeresboden; in den meisten Fällen wird er aber auf dem Beobachtungsschiff angenommen. Indem V. Hensen^) den Abtriftwinkel der in die Tiefe versenkten Planktonnetze ins Auge faßte, konnte er ebenfalls ein Verfahren angeben, um Richtung und Stärke ozeanischer Unterströme zu erkennen. Seine Methode geht allerdings von der Voraussetzung aus, daß der Unterstrom in der Zeit- einheit gleiche Wassermengen durch sein benetztes Profil befördert wie der in der Richtung meist entgegengesetzte Oberstrom, was die Anwendbarkeit des Verfahrens sehr einschränkt. — Für die geringen Tiefen der heimischen Ge- wässer hat kürzlich J. P. Jacobson^) einen vom gut verankerten Schiff aus leicht zu bedienenden sogenannten Libellenstrommesser an- gewandt. Ein entsprechend geformter und beschwerter Treibkörper hängt an einer dünnen Lotlitze, die über Wasser durch eine enge steife Röhre geleitet ist. Diese Röhre führt durch eine kardanische Aufhängung an der Bordwand und trägt an ihrem oberen Ende eine große Dosenlibelle (es können auch zwei sein), an deren konzentrischer Teüung man den Neigungswinkel der Drahtlitze und auch das Azimut derselben abliest. Die Messungen in den ver- schiedenen Tiefen können rasch nacheinander erfolgen. Nur muß der Treib- körper bei schwachen Tiefenströmen ausgewechselt werden. Jacobsen iat gute Erfolge im Großen Belt zu verzeichnen. In ganz anderer Weise ist Fridtjof Nansen*) bei seinem sogenannten Pendelstrommesser vorgegangen (Fig. 113), wesentlich in der Ab- sicht, auch ganz schwache Ströme noch zu registrieren, die nicht imstande sind, den toten Gang des Ekmanschen und anderer Propellerapparate zu über- 1) Voyage autour du monde sur la Pr6g. La Vdinus, Paris 1844, Bd. 10, S. 168. 2) Wissenschaft]. Meeresuntersuchungen. Abt. Kiel 1898, Bd. 3, S. 1. ^) Publ. de Circonstance Nr. 51, Kopenhagen 1909. *) Zuerst beschrieben von W. E k m a n in Nyt Magazin for Naturvidenskabeme, Kristiania 1901, Bd. 39, S. 163; in der neuen Ausführung in Publ. de Circonstance Nr. 34, Kopenhagen 1906. Im obigen Text ist die Erläuterung nur ganz kurz ge- halten, wegen vieler wichtiger Einzelheiten muß die Originalabhandlung nachgesehen werden. Pendelstrommesser. Fig. 113. 431 IV (EiM t I S) Pendelstrommesser von Fridtjof Nansen. 432 Methoden der Strombeobachtung. winden, wozu nicht nur die langsam laufenden Unterströme von verschiedenster Herkunft, sondern auch die auf der Orbitalbewegung der Wasser teilchen in einer langen Dünung beruhenden horizontalen und alternierenden Schiebungen gehören können. Die Figur zeigt als wichtigsten Teil des Instruments das metallene Pendel P, das unten in einer feinen Spitze endet und darüber mit sechs Flügeln versehen ist, gegen die der Strom wirkt, indem er es je nach seiner Stärke mehr oder weniger weit zur Seite schiebt. Das Pendel hängt mit einer Schraube (a) an einem Hebel (b). Ein Uhrwerk {A), das in der Figur nur zum Teil abgedeckt ist und durch ein Gewicht (B) getrieben wird, welches mit dem Schlüssel {Je) aufgezogen, die Uhr für 5 bis 6 Minuten in Gang setzt, dreht ein Rad (c), das mehrere Zähne {d) besitzt. Jeder dieser Zähne hebt und senkt abwechselnd den kleinen Hebel (b), an welchem das Pendel hängt. Ist der Hebel hochgehoben, so schwingt das Pendel frei und stellt es sich zum Strom schräg ein; senkt sich der Hebel, so wird das Pendel mit seiner unteren Spitze gegen eine flache hohlkugelig geformte Schale (e) gedrückt, die mit einer Wachs- oder Paraffinlösung bestrichen ist, so daß darin die Pendelspitze Eindrücke hinterläßt. Dadurch wird sowohl die Richtung, wie die Stärke des Stroms registriert. Denn die flache Schale (e) spielt wie eine Strichrose über einer Kompaßpinne und wird durch zwei starke Magnetnadeln (in der Figur im Querschnitt nn sichtbar) in der Nordrichtung gehalten; eine Ein- teilung in Gradsegmente an ihrer Oberfläche läßt die Richtung des Pendel- ausschlags erkennen, während konzentrische Kreise die Stromstärke angeben (Fig. 113, II). Durch eine Eichung läßt sich die Amplitude des Pendelausschlags auf absolute Werte in Zentimeter p. S. zurückführen. Das Uhrwerk wird gehemmt in die Tiefe gelassen, aber durch ein Abfallgewicht m, das den Hemm- hebel (h) niederdrückt, in Gang gesetzt und liefert etwa 30 Eindrücke in seiner Laufzeit von 5 bis 6 Minuten; natürlich kann durch entsprechende Abänderung des Uhrwerks auch ein langsamerer oder rascherer Gang hergestellt werden. Das dargestellte Pendel ist für Stromstärken zwischen 2.5 bis 25 cm p. S. bestimmt; für stärkere Ströme sind die Flügel zu verkleinern (Fig. 113, IV), für ganz schwache aber wird ein aräometerartiger Glaskörper (III) verwendet mit nur kleinen Flügeln und einem aufgeschraubten, der Dichte des Wassers angemessenen Gewichtchen (a), womit Nansen noch Strömungen bis zu 0.5 cm p. S. hinab nachzuweisen vermochte. Die Bussole ist durch Bajonett- verschluß in den Rahmen eingelassen, kann also leicht entfernt werden, nach- dem man mit der Schraube (/) die Magnetnadeln samt der Schale (e e) nach oben verschoben hat, bis die Schale gegen den übergreifenden Rand {g g) der Büchse angepreßt ist. Dann ist es leicht möglich, das Pendel auszuwechseln. — Nansen verwendet den Apparat zum Messen von ßodenströmen, indem er ihn in einen Dreifuß einhängt, dessen entsprechend belastete Füße auf dem Meeresboden aufruhen. In Zwischenscliichten zwischen dem Boden und der Oberfläche empfiehlt er die Verankerung einer Leine am Boden, an deren oberem Ende ein Schwimmkörper befestigt ist, der die Leine straff nach oben zieht, auch wenn unter dem Schwimmer in einem weiten Rahmen der Apparat eingehängt ist; dieses geschieht so, daß der Apparat frei schwingen und durch sein schweres Uhrgewicht in eine senkrechte Stellung gebracht werden kann. In den Fjorden und Küstengewässern Norwegens hat Nansen dieses originelle Instrument bereits vielfach mit befriedigendem Erfolg gebraucht. — Vom verankerten Schiff pflegt der Seemann seit alters Stärke und Rich- tung des Oberflächeur oder auch Gezeitenstroms so zu messen, daß er ein an- gefeuchtetes Holz, einen mit Wasser getränkten Twistbausch oder auch einen ebenso behandelten Papierballen am Bug des Schiffes ins Wasser wirft und mit der Uhr die Zeit bestimmt, die dieser Triftkörper braucht, eine Strecke gleich der ganzen Schiffslänge oder einem an der Reling abgesteckten Bruch- Triftkörper. 433 teil derselben zu durchlaufen, er mißt so den Strom mit „Relingslogg". NatürUch kann man auch das gewöhnliche Logg dazu verwenden, wenn der Strom kräftig genug ist, die Loggleine straff zu ziehen. Im Falle, daß man das Patentlogg hierfür verwendet, hat man wohl die einfachste Form des Propellerstrommessers vor sich. Neben diesen mehr oder weniger exakten Methoden sind noch andere weniger zuverlässige zur Verfügung, die aber den erheblichen Vorzug haben, daß sie mit ungleich größerer Häufigkeit angewandt worden sind als die instrumentellen Messungen. Hierzu gehört zunächst die ganze Reihe der Triftkörper aller Art^), die zufäUig, vorübergehend oder dauernd oder auch gewollt durch den Menschen ins Wasser gelangt sind und von den Strömungen fortgetragen werden. Aber nur dann, wenn diese treibenden Körper ganz vom Wasser bedeckt schwimmen, unterliegen sie der Einwirkung des Stromes allein; schauen sie aus dem Wasser hervor, so können auch Wind und Seegang einen Anteil an ihrem Transport gewinnen. Ganz im Wasser leben die wenig beweglichen meist mikroskopischen Planktonpflänzchen und -tiere ; sie sind in der Tat ein sehr wichtiges Kennzeichen für Strömungen, die aus den Tropen- in die kalten Meere oder umgekehrt das Wasser ver- frachten ; leider ist die Kenntnis dieser Planktonformen für solche ozeano- graphischen Zwecke noch wenig entwickelt. Wir werden aber später doch einige Beispiele aus dem atlantischen Gebiet , insbesondere auch aus unseren heimischen Meeren dafür beibringen können. An den Ufern wachsende Algen und größere Seetangbüsche werden von der Brandung losgerissen, und da das spezifische Gewicht dieser Pflanzen nur wenig von dem des Seewassers verschieden ist, können sie weite Wege durch die Ozeane machen. Die Blasentange der kälteren Meere (^. B. Fucus vesi- culosus) sind durch luftgefüllte Blasen, die zahlreichen Sargassoarten {Sargassum bacciferum) durch hohle Beeren, die Riesentange der höheren Südbreiten (Macrocystis fyrifera) durch birnenartige Schwimmblasen für langes Triften im Seewasser geeignet; sie hefefn uns wichtige Finger- zeige für den Zusammenhang gewisser Stromsysteme. Von den Flüssen und Bächen werden bei Hochwasser Zweige mit Früchten, von den Riesen- strömen der großen Kontinente ganze Bäume weggerissen und in See hinausgeschwemmt, wo die Meeresströmungen sie in oft erstaunhche Fernen verschleppen können. Die Riesenschoten einer an den Bachufern der Antillen häufigen Mimosacee Entada gigalobium sind aus den west- indischen Gewässern her nicht nur an den Strand der Azoren oder Ka- narien, Irlands und Islands vertriftet, sondern an den Küsten Norwegens entlang bis nach Nordspitzbergen und Nowaja Semlja. Anderseits ge- langen sibirische Waldbäume als , Treibhölzer durch das zentrale Nord- polarbecken an die Küsten von Nordisland oder Grönland, wie früher westindische Mahagonistämme oder vom St. Lorenzstrom verschwemmte Nadelhölzer auch reichlicher an die Nordmeerküsten gelangt sind, als das heute möglich ist, wo die Ufer der großen Ströme durch starke Abholzung *) Zum folgenden vgl. meinen Vortrag: Flaschenposten, treibende Wracks und andere Triftkörper in ihrer Bedeutung für die Enthüllung der Meeresströmungen. Berlin 1908 (Meereskunde, 2. Jahrg., Heft 7). KrUmmel, Ozeanographie. II. 28 434 Methoden der Strombeobachtung. entblößt sind. Bei diesen Treibhölzern ist gelegentlich die Windwirkung neben der des Meeresstroms nicht zu vernachlässigen; insbesondere gilt das von den arktischen Hölzern, die sich mit den Eisschollen, teilweise auch fest in sie eingefroren, vorwärts bewegen. — Bei vulkanischen Erup- tionen gelangen nicht selten Bimssteinstücke in solchen Massen ins Meer, daß sie viele Monate lang dahin triften und weite Entfernungen zurück- legen können. Eine besonders wichtige Art von natürhchen Treibkörpern hefern die Eisberge. Man hat ihnen eine große Unabhängigkeit vom Winde zugeschrieben, da sie, wie früher von uns dargestellt ist (Bd. I, S. 520), nur mit etwa Vs ihrer Masse aus dem Wasser herausragen, also einen Tiefgang von mehreren hundert Meter haben können, wie die großen antarktischen Eisinseln, Diese reichen sicherhch oft durch die Ober- flächenschicht in solche Tiefen hinab, die- ganz anderen Bewegungsim- pulsen folgen. Die Eisbergtrifte.n werden dann einen Weg nehmen, der die Resultierende aus den einzelnen Stromkomponenten befolgt. Unter diesen ist übrigens der Wind durchaus nicht zu vernachlässigen: nicht allein, daß er unmittelbar die senkrechten Eiswände fassend dem Koloß einen be- stimmten Impuls gibt; sondern auch indirekt unterstützt den Wind die Brandung, die in stetigem Rhythmus jede Minute fünf-, sechsmal gegen die Eiswand donnert. Immerhin tritt diese doppelte Windwirkung gegen- über der Transportkraft des eigentUchen Stromes in den Hintergrund. Auch scheiternde Schiffe können mit ihren Wrackteilen oder mit schwimm- kräftiger Ladung solche Treibkörper hefern. Wo ein SchifEsbrand oder ein starker Orkan ein Seefahrzeug der Masten beraubt oder es sonst so übel zugerichtet hat, daß die Mannschaft es verlassen muß, vermag der wegen seiner Ladung (von Holz, öl u, dgl.) noch schwimmfähige Schiffs- körper ebenfalls den Meeresströmen Gelegenheit zu weiten Verfrach- tungen zu bieten, bis das Wrack ganz wegsinkt oder als ein gefährhches Hindernis der Schiffahrt durch Minensprengung oder gründhches Ver-- brennen beseitigt wird. Bei diesen treibenden Wracks kann meistens auch der Wind noch erhebhch eingreifen und dann zu sehr merkwürdigen Triftbahnen führen. Bei der Darstellung der nordatlantischen Strömungen wird darauf zurückzukommen sein. Ein sehr sonderbarer und auf den ersten Blick gan;z unverständlicher Fall ist die Trift der beiden Hälften des amerikanischen Schoners „Fred Taylor". Der deutsche Schnelldampfer „Trave" kollidierte mit diesem Schiff am 22. Juni 1892 (in 40» 19' N., 68» 33' W.); der Schoner wurde i^ zwei Teile zerschnitten — beide erlitten dann eine gänzlich verschiedene Trift. Das Heck trieb nach Norden und strandete am 7. August an der Küste bei Kap Porpoise, der Bug aber trieb nach Südwesten und versank Ende August auf der Höhe der Delawarebai. Dieses auffällig verschiedene Verhalten der beiden Wrackteile ist einfach auf die verschiedene Windwirkung zurückzuführen: das Heck ragte weit aus dem Wasser und folgte so den Wirkungen der vor-, herrschenden Winde; der Bug aber war tief eingesenkt, der Wind konnte ihm nicht viel anhaben und beeinflußte seinen Weg nur zweimal vorübergehend, am 29. Juni und 28. Juli, wo Südweststürme das Wrack nach Nordosten ab- drängten. Sonst folgte es durchaus dem kühlen Meeresstrom nach Südwesten, dessen Wirkung übrigens auch im Wege des Hecks noch wohl erkennbar ist, da es trotz der damals vorherrschenden Südwestwinde nicht nach Nordosten, Eisberg- und Wracktriften. 435 sondern überwiegend nach Norden getrieben ist. — An keinerlei Windwirkung so einfacher Art ist bei folgendem ganz analogen Schicksal zweier am selben Orte ins Wasser gesetzten Flaschenposten zu denken. Am 24. Februar 1893 wurden nordöstlich vom St. Paulsfelsen (10 44'N. Br., 27"16'W. L.) vom deutschen Schoner „Dona Evelina" zehn Flaschen zugleich ins Wasser ge- Fiz. 114. Trift der Wrackteile des Schoners „Fred Taylor". worfen. Hiervon sind zwei wieder gefunden: eine landete nach 377 Tagen an der Ostküste von Nicaragua, die andere nach 196 Tagen unweit Sierra Leone ^). Der Schilfsort liegt hier nahe an der Grenze des Südäquatorial- stroms gegen den Guineastrom hin. Treibende Wracks oder SchifEsteile können während ihrer Triften oft erkannt und gemeldet werden, so daß man danach ihre Wege auf der Karte eintragen kann. Anders ist das bei den meisten übrigen vorher genannten Triftkörpern, wo man öfter nur in der Lage ist, den Ursprungs- ort sehr allgemein anzugeben, bestenfalls aber nur zwei Punkte sicliCx kennt, den Ausgangs- und den Fundpünkt, zwischen denen dann also durch eine Meeresströmung irgendwie eine Verbindung geschaffen worden sein muß, wobei der Weg im einzelnen nicht ohne weiteres anzugeben sein 1) Ann. d. Hydrogr. 1894, S. 236. 436 Methoden der Strombeobachtung. wird. Diese Schwierigkeit gilt in vollem Umfange bei einem seit 100 Jahren in steigendem Maße angewandten Verfahren zum Studium der Meeres- strömungen, wo es sich nicht mehr um zufälUge Triften, sondern um absichtsvoll ins Werk gesetzte Experimente handelt, bei den sogenannten F r a s c h e n p o s t e n 1). Es ist ein alter ernster Brauch bei Seeunfällen aller Art, Nachricht von gefährhcher Lage, Strandung oder vom Unter- gang des Schiffes auf einem Zettel zu verzeichnen und diesen in einer gut verschlossenen Flasche den Strömen des Meeres anzuvertrauen, damit sie diese Hiobspost an nahes oder fernes Land trügen, von wo aus vielleicht Rettung möglich wäre. Wer dieses Hilfsmittel zuerst zum eigenthchen Studium der Meeresströmungen vorgeschlagen und angewandt hat, ist unbekannt. Die älteste uns bekannte Urkunde derart ist aber vom Jahre 1763 datiert, und wir wissen, daß die Seeleute mit Beginn des 19. Jahr- hunderts erst vereinzelt, dann immer reichhcher an solchen Experimenten Literesse bezeigt haben. So konnte schon Renneil auf seiner 1832 ge- druckten Karte der nordatlantischen Strömungen eine Anzahl von Flaschen- reisen angeben, die dann Heinrich Berghaus in seinem Physikahschen Atlas wiederholte. Der erste, der versucht hat, die ihm reichlich bekannt gewordenen Flaschenposten zu einem Bilde wenigstens für den Nord- atlantischen Ozean zusammenzufassen, ist der namhafte französische Hydrograph Pierre Daussy^). Er legte am 21. Januar 1839 der Pariser Akademie der Wissenschaften eine Abhandlung vor, worin er 97 solcher Flaschenposten aus der Zeit von 1763 bis 1838 in Tabellen und Karten erläuterte. Leider ist seine Abhandlung nur im Auszuge ver- öffentlicht, namenthch sind die Anlagen ungedruckt gebheben. Daussy sagt, daß er zwei Karten vom Nordatlantischen Ozean entworfen habe, eine für das Gebiet zwischen 2^8. B. und 52 ° N. B., eine zweite für den Rest zwischen 48" und 75 °N. B. ; auf beiden habe er die mutmaßhchen Wege der Flaschen oder doch eine möghchst geradhnige Bahn zwischen dem Ausgangs- und Fundorte eingetragen. Die Triftbahnen ordnete er in zwei Gruppen: in den Tropen führten sie alle nach Westen, in den höheren Breiten umgekehrt nach Osten. Daussy besaß noch keine Flaschen- posten, die an der afrikanischen Küste gelandet waren, auch keine von der Ostküste der Vereinigten Staaten. Er schloß daraus, daß der herrschende Meeresstrom sie dahin eben nicht habe führen können, sonst wären sie dort ebenso reichhch zum Vorschein gekommen wie am Strande der westindischen Inseln oder an den Westküsten Frankreichs und Groß- britanniens. — Vier Jahre später erschien in England die erste Flaschen- postkarte im Druck. Die angesehene Zeitschrift „The Nautical Maga- zine" hatte bereits vorher ständig die ihr zugehenden Flaschenposten veröfEenthcht. Die bis zum Jahre 1843 bekannt gewordenen Angaben hat dann ein britischer Seeoffizier, Commander A. B." Becher, in einer Karte zusammengefaßt 3). Sein Material ist sicherhch großenteils identisch mit dem von JDaussy benutzten; es umfaßt 119 Urkunden, davon die älteste vom Jahre 1808, wo eine Flasche, bei den Kapverden ausgesetzt, auf 1) Dieser vortreffliche Ausdruck ist von Georg v. Neumaverim Jahre 1868 geprägt. Peterm. Mitt. 1868, S. 99. 2) Comptes Rendus Acad. Paris 1839, Bd. 8, S. 81. «) The Nautical Magazine for 1843, 8. 181. Flaschenposten. 437 Martinique antrieb. Aus der Zeit vor 1810 hat Becher nur drei Meldungen, für 1810 — 1820 aber schon 16 und für das dritte Jahrzehnt 27; aber 70 für die Zeit von 1830 bis 1843, Ein Best von sechs Zetteln war ungenügend datiert. Das Bild ist ganz wie es Daussy beschreibt: keine Flaschenpost von der atlantischen Küste der Vereinigten Staaten, keine von der West- küste des tropischen Afrika, um so zahlreichere aber von den atlantischen Küsten Frankreichs und Großbritanniens. Einzelne Triften sind sehr sonderbar : so von 7 ° S. B. 12 " W. L. nach den Kanahnseln hin. Da Becher konsequent den Ausgangs- und den Fundpunkt durch eine gerade Linie verband, mußte seine Karte ganz unnatürhche Eindrücke hervorrufen, und daß heftiger Widerspruch laut wurde, ist begreif Uch, obwohl sich Becher wiederholt dagegen verwahrte, daß die Flaschen etwa diese gerad- linigen Wege wirkhch gezogen seien. Der Nordpolfahrer Sir John Boss sprach damals i) das wegwerfende Urteil vom Flaschenpostschwindel {boüle fallacy) aus, was seitdem auch gelegenthch wieder laut wurde. Boss war der Meinung, daß die Flaschen, gleichviel, ob man sie mit Sand beschwere oder nicht, nur dem Winde folgten und über den Strom nichts aussagen könnten. Trotzdem fuhr das „Nautical Magazine" fort, inmier neue Flaschenposten zu erbitten und zu veröffentlichen, und 1852 konnte Becher 2) eine zweite Auflage seiner Boüle chart erscheinen lassen, die noch 61 Triftbahnen mehr enthielt: er blieb dabei, daß man diese An- gaben nur nicht vorschnell deuten dürfe, sondern mit einer gewissen Überlegung vorgehen müsse. Man ist in der Tat in Gefahr, sich in einem Zirkelschluß zu bewegen. Die Flaschenpost, soll den Strom erkennen lassen, wir deuten aber den durchmessenen Weg nach Vorstellungen, die wir uns bereits anderweitig über den Verlauf der Meeresströmungen ge- bildet haben. Aber der Gewinn wird doch deuthch, wenn wir nicht nur die längeren, sondern auch besonders die kürzeren Triften auf denselben Strecken vor uns sehen: so ist doch bei Becher eine allgemeine Strom- versetzung zwischen 40° und 60°N. B. auf die europäische Küste hin ganz deuthch zu erkennen. Mit der Zeit ist man dazu übergegangen, die Triftbahnen nicht mehr durchaus geradhnig einzutragen, sondern so, wie sie wahrscheirhch verlaufen sind. So haben sich in den Archiven der nautischen Behörden viele Hunderte von solchen Urkunden angesammelt, und wir können heute mit ungleich größerer Sicherheit über den Wert dieser Experimente urteilen, als es zu Boss' Zeiten möghch war^). Wir wissen jetzt, daß die Flaschen auch ohne einen besonderen kleinen Ballast von Sand tief genug eintauchen (sie werden meist mit der Zeit immer schwerer durch Be wachsung), um überwiegend dem Strom, nicht einfach dem Winde zu folgen: ganz abgesehen davon, daß in der offenen See die Richtung der herrschenden Luft- und Meeresströmungen nicht eben sehr verschieden zu sein pflegt. Die Seewarte besitzt Zeugnisse von Triften, die gegen den AVind durchmessen wurden, was deutlich nach- zuweisen war an der Hand der synoptischen Wetterkarten imd gleich- ») Naut. Mag. 1843, S. 321. «) Naut. Mag. 1852, S. 569 u. 671. *) Man vgl. u. a. das noch sehr resignierte Urteil August Petermanns in seinen Mitteilungen 1870, S. 240. 438 Methoden der Strombeobachtung. zeitiger Stromversetzungen von Schiffen; wir werden später auf Einzel- heiten zurückzukommen haben. Um die Flaschen der unmittelbaren Wirkung des Windes zu entziehen, hat man, einem Vorschlage von Daussy folgend, immer zwei Flaschen mehrere Meter untereinander gebunden, wobei man die untere Flasche voll Wasser laufen heß ; Leutnant Hautreux in Bordeaux hat sie mit gutem Erfolg in der Biscayabai verwendet^). Ferner sind diese Flaschenposten mit der Zeit den Küstenanwohnern und Fischern eine wohlbekannte Erscheinung geworden; es kommt heute wohl kaum noch vor, daß solche Flaschen wochen- oder monatelang am Strande bewohnter Küsten hegen, und viele werden in See selbst geborgen. Deshalb ist es sogar möglich, sie zur Messung der Stromgeschwindigkeit zu benutzen, was auch wieder schon Daussy etwas verfrüht versucht hat. Aus seinen spärlichen Urkunden wollte er schheßen, daß die mittlere Stromstärke des Aquatorialstromes 9 — 10 Seemeilen täghch betrage; das moderne Material der deutschen Flaschenposten der Seewarte gibt nach G. Schott aber hier einen doppelt so starken Strom. Besonderen Erfolg versprechen Flaschenposten dann, wenn sie in großen Mengen von beschränkten Gebieten aus dem Meere überhefert werden. Das großartigste und eines der lehrreichsten Massenexperimente derart verdanken wir dem Fürsten Albert von Monaco, der auf vier Sommerfahrten 1885 — 1888 im Nordatlantischen Ozean 1675 Treib- flaschen und Treibkörper verschiedenster Gestalt (auch Tönnchen, Metall- kapseln) ausgesetzt hat, von denen 227 Zettel, also Yy bis Vs wieder ein- hefen. Ebenso sind auch .in der westHchen und nordwesthchen Nordsee 1894 — 1897 von der schottischen Fischereibehörde nicht weniger als 3550 Flaschenposten ausgesetzt, von denen 572, also Yg wieder abgeliefert wurden. Wir werden auf diese wie andere Experimente dieser Art später zurückzukommen haben, können aber aus dem Gesagten die Folgerung entnehmen, daß man jedesmal 8 bis 10 Flaschen gleichzeitig aussetzen sollte, wenn man einige Gewähr dafür haben will, daß ein Zettel wieder zum Vorschein komme. Ein letztes, sehr wichtiges Hilfsmittel, auf indirektem Wege Strö- mungen festzustellen, gewähren aber das Thermometer und das Aräo- meter. Der Strom bewegt ja mit den Wasserteilchen auch die ihnen an- haftende Temperatur und gelösten Salze mit nur sehr langsamer Ver- änderung fort, so daß eben dadurch die meisten Meeresströmungen, be- sonders die meridional verlaufenden, auf Karten der Oberflächenisothermen unmittelbar abzulesen sind. Namenthch wo kalte und warme Ströme miteinander in nahe Berührung kommen, ist das Wasserthermometer für den SchifEsführer ein getreuer Berater geworden, wenn auch die großen Hoffnungen, welche einst Franklin und B 1 a g d e n an die thermo- inetrical navigation knüpften, nur übertrieben sein konnten (vgl. Bd. I, S. 372). Unterschiede des Salzgehalts sind an anderen Stellen, insbesondere auch in den heimischen Meeren, ein oft sehr deuthches Merkmal bestimmter Strömungen, so daß Martin K n u d s e n 2) kürzUch den Vorschlag machen ^) Vgl. seinen neuesten zusammenfassenden Bericht im Bulletin de l'Institut Oc6anographique Nr 173, Monaco 1910. 2) Publ. de Circonsfance Nr. 38, Kopenhagen 1907. Vgl. schon die Ergebnisse der Untersuchungsfahrten S.M.S. „Drache", Berlin 1886, S. 7. Benutzung der Wassertemperaturen und -Salzgehalte. 430 konnte, an Nebeltagen in vielbefahrenen Gegenden durch häufige Chlor- titrierungen den Salzgehalt und damit die Stromgrenzen und so den Schiffsort zu bestimmen, was für die Schiffahrt um Island und bei den Neufundlandbänken besonderen Erfolg verspricht. — Für die Benutzung der Temperaturkarten zum Studium der Meeres- strömungen lassen sich keine einfachen Regeln aufstellen, wenigstens zurzeit noch nicht. Es wäre aber denkbar, wenn auch nicht gewiß, daß man vielleicht bei einer systematischen Untersuchung der sogenannten individuellen Tem- peraturschwankung (Bd. I, S. 414) zu gewissen Anhaltspunkten hierfür ge- langte. Die Aufgabe liegt aber doch recht schwierig, und ein auch nur flüch- tiger Vergleich der Stromkarten mit den Isothermen in den Atlanten zu den Segelhandbüchern der Seewarte ergibt sogleich die große Kompliziertheit der hier ineinander greifenden Vorgänge. Auch auf ostwestlichen Strombahnen haben wir sowohl Wärmegewinn durch verstärkte Insolation bei höher steigen- der Sonne, wie auch in anderen Jahreszeiten Wärmeverlust bei niedriger werdendem Sonnenstand. Ferner wirktn Regenfälle während bestimmter Regenzeiten abkühlend. Die aus der Tiefe aufquellenden kühleren Gewässer lassen es auch im offenen Ozean (Bd. I, S. 410) trotz günstigster Insolation zu keiner Erwärmung kommen, vielmehr erniedrigen sie die Temperaturen oft in auffallendster Weise, überall wird der bei allen Wasserbewegungen so wichtige Faktor der Zeit bedeutsam: rasche und langsame Ströme werden sich in ihrer Thermik sehr verschieden verhalten und können daher sehr abweichende Typen von Isothermen erzeugen. So kann es auch keinesfalls etwa einen konstanten Winkel geben, unter dem die Stromlinien und die Isothermen sich schneiden: der Winkel kann zwischen 0" und +90° schwanken. Senk- rechte Stellung der Strompfeile konnten wir auf den vorher genannten Kärt- chen des ostpazifischen Äquatorialgebiets (Bd. I, S. 410) mehrfach feststellen: hier sieht man durch Aufquellen ausgekühltes Wasser erst nach der langen Strecke von 700 bis 800 Seemeilen in einer Zeit von 30 bis 40 Tagen 1 " C. gewinnen; und im Nordatlantischen Ozean wird so die Trift des Nordost- passats im August und November in etwa 40 Tagen schon auf 500 bis 600 See- meilen Weg um den gleichen Betrag wärmer. Schräg gegen die Isothermen stehende Stromfäden sind bei weitem der häufigste Fall. Wo sich die Iso- thermen ganz , ng aneinander schließen, wie bei warmen Strömen, die (als Florida-, Brasilien-, Agulhas- und Kuroschiostrom) aus den Tropen in höhere Breiten vordringen, an ihren Grenzen gegen sehr kalte Nachbargewässer ge- schieht, ist die Zone des stärksten Temperaturgefälles an der Oberfläche bei synoptischer Darstellung mit ihren aus- und einkurvenden Isothermen kaum anders als durch Stromwirbel verständlich. Diese an sich so wichtigen Vor- gänge entbehren zurzeit einer systematischen Darstellung; einzelnes wird bei der Beschreibung der Meeresströme hie und da beizubringen sein. Für die richtige Beurteilung eines geographischen Naturphänomens ist es nicht unwichtig zu untersuchen, wie sich ssin kartographisches Bild entwickelt hat ; leider ist die Geschichte der S t r o m d a r s t e 1 1 u n g noch wenig untersucht^). Auf die noch unklar schematische Zeichnung von Athanasius Kircher (1678, 8. oben S. 416) folgen im 18. Jahrhundert einzelne Strompfeile, ^) Vgl. die sehr fleißige Zusammenstellung von Dr. M a r t h a K r u g - G e n t h e, Die Kartographie der Meeresströmungen in iliren Beziehungen zur Entwicklung der Meereskunde . . ., dargestellt am Beispiel des Golfstroms. Deutsche geographischt Blätter 1901, Bd. 34, Heft 3 u. 4. (Auch Inaug.-Diss. Heidelberg.) 440 Methoden der Strombeobachtung. mit denen besonders früh die Floridastraße ausgestattet wird. James Rennell (1832) hat sie an den Stellen der von ihm zuerst kartographisch gebuchten Strpmversetzungen in seine große Strömungskarte eingetragen, aber daneben auch durch parallele Wasserhnien die Stromgrenzen ver- merkt. Benjamin Franklin in seiner berühmten Karte vom Golfstrom (1770) hat nur solche Stromlinien, die den Meeresstrom gegen das benach- barte dem Auge als ruhend vorgeführte Wasser wie einen erst schmal, dann immer breiter verlaufenden Fluß absetzen. ÄhnHch sind auch die von Alexander von Humboldt gezeichneten Bilder, wie sie uns Heinrich Berghaus in seinem Physikalischen Handatlas erhalten hat, wo der warme Golfstrom und der kalte Perustrom als Gegenstücke einander zur Seite gestellt sind. Die amthchen Karten der britischen Admiralität haben das Symbol des Strompfeils festgehalten, aber nicht als geraden, die Strom- versetzung genau ausdrückenden Pfeil, sondern mehr in gewellter Form, wobei die Stromgeschwindigkeiten (in Seemeilen pro Etmal) in Ziffern daneben geschrieben sind (vgl. unten dje Fig. 130, S. 476 als Beispiel). Wo keine beobachteten Stromversetzungen vorlagen, bheb die Meeres- fläche leer, dagegen ist sie entlang den bevorzugten Segelkursen über- füllt, wobei dann viele wechselnde, oft entgegengesetzte Richtungen sich durcheinander schlängeln. Hierbei entstand der oft verhängnisvolle Nach- teil, daß Zusammenhänge von Strömen an den leeren Stellen nicht er- kannt, an den überfüllten aber unrichtig kombiniert wurden. Diese Me- thode hat aber den Vorteil, daß sie das Schwankende und Unsichere in dem Auftreten der Meeresströme sofort zum Ausdruck bringt, nicht minder auch die größere oder geringere Häufigkeit von Stromstillen oder richtiger sehr schwachen Strömen. Die schematische Form der StromHnien ist be- sonders von den deutschen Kartographen weiter gebildet, und unter diesen hat sich August Petermann, wie auf vielen anderen Gebieten der Karto- graphie, hervorgetan. Schon in seiner ersten hydrographischen Welt- karte^) aus dem Jahre 1850 hat er nicht nur die Stromgeschwindigkeit in Zahlen eingetragen, sondern durch eine schwächer oder stärker ge- haltene blaue Flächenfarbe besser sichtbar gemacht. Später 2) führte er für die relativ warmen Strömungen rote, für die kalten blaue Strom- linien ein, die bei starkem Strom kräftig und nahe aneinander, bei schwä- cherem weiter und zarter eingezeichnet wurden: ein Vorgang, der seitdem von den meisten deutschen Kartographen bis in die neueste Zeit befolgt wird, wobei nur gelegentUch auch die warmen Ströme blau, die kalten grün eingetragen werden. Ein exakteres Verfahren, das an die Lehmann- sche Bergschraffenskala erinnert, ist zur Veranschaulichung der ver- schiedenen Stromstärken auf der Übersichtskarte, die der ersten Auflage dieses Handbuches beigegeben wurde, durchgeführt^). Die Atlanten zu den Segelhandbüchern der Deutschen Seewarte für die drei großen Ozeane geben ebenfalls schematische Stromlinien, sondern aber die Gebiete über- wiegenden Gezeitenstroms in Landnähe auf den Schelfflächen durch eine geeignete Signatur aus. Schott hob zuerst Meeresstriche, wo Stromstillen ') Atlas of Physical Geography, London 1860, Taf. 6. 2) Peterni. Mitt. 1866, Taf. 5. ä) In neuer Bearbeitung in Neumayers Anleitung zu wisBenschaftl. Beob> achtungen auf Reisen Bd. 1, Anlage. 3. Aufl., Hannover 1906. Graphische Darstellung. Stabilität. 441 häu£g verzeichnet wurden, durch kleine Kreisringe hervor. In den amt- lichen Tabellenwerken hat man, ähnlich wie bei der Darstellung der Winde, für die einzelnen Gradfelder (Ein-, Zwei-, Fünfgradfelder) alle vorhegenden Stromversetzungen in Stromsterne zusammengefaßt und, wie schon er- wähnt (oben S. 422), nach der Häufigkeit der beobachteten Richtungen längere oder kürzere Strahlen eingetragen. Hier geht auf dem Karten- bilde naturgemäß zwar jeghcher Zusammenhang zwischen den "Wasser- bewegungen verloren, aber das vorliegende Material wird für den Gebrauch des Praktikers wohl am besten dargeboten: er sieht sofort, ob starke Schwankungen in der Richtung der Ströme auftreten, welche vorherrschend und welche selten sind, und wie sich die einzelnen Gruppen ihrer Stärke nach verhalten. Man kann diese Art von Urkunden kaum noch als Karten bezeichnen, 68 sind vielmehr graphische Tabellen. So ist es dann auch naturgemäß, daß man die Ströme auch tabelliert veröffentlicht. Einen Mittelweg hat in dieser Hinsicht das Kgl. Niederländische Meteorologische Bureau versucht, indem es für die Ein- gradfelder des Guineastromgebiets mechanische Mittel (aus Koppelrechnung, s. oben S. 421) berechnete und auch die Ordinaten des Vektors (Nord und Ost, wobei Süd= — Nord, West= — Ost) tabellierte. Man^) ging dann noch einen interessanten Schritt weiter, indem man die ebenfalls tabelHerte mitt- lere Stromgeschwindigkeit mit der vektoriellen (in nautischer Sprache: mit dem Generalkurs) in Beziehung setzte und damit einen einfachen Ausdruck für die Stabilität der Strömung des betreffenden Feldes schuf. Haben wir z. B. sechs Strom Versetzungen nach genau gleicher Richtung a ", so können wir uns die einzelnen Versetzungen aneinander gesetzt denken und ist das End- ergebnis der Transport eines Wasserteilchens nach dem Azimut u " entlang der Strecke rf = s^ + «2 + • • • • «e- Durchschnittlich entfällt dann auf jede ein- zelne Versetzung der Anteil Ve d, das ist auch zugleich das arithmetische Mittel aus den sechs beobachteten Versetzungen. Dieser Anteil am Vektor (oder am Generalkurs) und die mittlere Stromstärke stehen also im Verhältnis = 1 oder. Um eine bequemere Skala zu haben, = 100. Das ist die größte denkbare Stabilität. Weichen die Richtungen der einzelnen Ströme voneinander ab, so zählen nur ihre auf den Generalkurs projizierten Strecken; dann ist der Bruchteil, der für die einzelne Stromversetzung herauskommt, kleiner als das arithmetische Mittel aus allen in die Rechnung eingehenden Strom- stärken. Der Generalkurs wird um so kleiner, je divergenter die Azimute der einzelnen Stromversetzungen sind, wobei sich die entgegengesetzten Azimute anteilig ganz aufheben. Dann wird der Wert der Stabihtät stark unter 100 sinken. In dem von der Seewarte veröffentHchten Quadratheft XVIII (für das Quadrat 116 im Nordatlantischen Ozean 30 ° bis 40 « N. B., TO«* bis 80 « W. L.) finden sich für den Januar in der Zone 36" bis 37 " N. B., 70° bis 75 " W. L. elf einzelne Stromversetzungen verzeichnet, sämtUch in Azimuten zwischen Norden und Osten mit Stromstärken zwischen 11 und 59 Seemeilen. Als mittleres Azimut des Generalkurses (Vektors) ergibt die Koppelrechnung N 54 ° 0, als vektorielle Strecke 296 Seemeilen. Durchschnitthch üefert also jeder der elf Einzelströme hierzu 27 Seemeilen; das arithmetische Mittel aus den elf Einzelströmen ist 30 Seemeilen, folglich die Stabilität = (27 . 100) : 30 = 90. Dieser Teil des Floridastroras hat also eine hohe Stabilität, aber nur im Januar. In demselben Quadratheft ist für den März in demselben Streifen 36° bis 37* N. B., 70° bis 75° W. L. eine Reihe von 26 Einzelversetzungen aufgeführt, die jetzt aber nach allen vier Quadranten gerichtet und in der Stärke zwischen *) Zuerst das Kgl. Niederländische Meteorologische Institut 1904. 442 Theorie der Meeresströmungen. S und 73 Seemeilen abgestuft sind. Die Koppelrechnung liefert als General- kurs und -distanz N 81 " 0, 313 Seemeilen. Als vektorieller Anteil kommt auf jeden der 26 Ströme also der Betrag von 12 Seemeilen pro Etmal, das arithmetische Mittel aus allen beobachteten Stromversetzungen aber ist 29 Seemeilen, folglich die StabiHtät im März hier nur 41. Wir befinden uns schon am westlichen Randgebiet des Floridastroms und haben es offenbar mit zwei sehr verschieden gerichteten, nebeneinander liegenden und in Wirbeln miteinander verbundenen Strömen zu tun, weshalb eine Scheidung derStrom- versetzungen in eine Gruppe nach Nordosten (= Floridastrom) und eine andere nach Südwesten hin (= kalter Küstenstrom) gerichteter Einzelströme rationeller sein wird. Bas gilt erst recht von einem dritten Beispiel aus dem- selben Quadratheft für eine Zone noch weiter nördlich, schon fast gan^ im Bereiche des kalten Küstenstroms gelegen, 39° bis 40 °N. B. und 70° bis 75° W. L. Hier werden für August 37 Einzelversetzungen aufgeführt, ebenfalls nach allen vier Quadranten hin; ihre mittlere Stärke ist 15 Seemeilen, der Generalkurs S 45 " W, 157 Seemeilen, der vektorielle Einzplanteil also durch- schnittlich für jeden der 37 Einzelströme nur 4.2 Seemeilen, folgUch die Stabi- lität nur 28, Aus diesen Beispielen geht hervor, daß der Begriff der Stabi- lität ein ganz brauchbares Merkmal in der Stromstatistik liefern kann. Verschwiegen werden aber darf nicht, daß in den drei Beispielen die Zahl der Stromstillen nicht genannt war, also auch nicht in die Rechnung eingeführt werden konnte. Andernfalls würde sie sich in einer weiteren Er- niedrigung des vektoriellen Einzelanteils und damit auch der Stabilität fühl- bar gemacht haben. Im ganzen kann man aus den später im speziellen Teil angeführten Beispielen annehmen, daß eine Stabilität von 75 bis 80 Prozent schon als recht beträchtlich, von über 80 als sehr selten zu gelten hat, was beweist, daß man sich die in Gestalt der Meeresströmungen bewegten Wasser- massen nicht als gleichmäßig und gleichgerichtet nach einem bestimmten Azimut fortschreitend vorstellen darf, also in der Natur jedenfalls nicht in Gestalt so schön paralleler Stromfäden, wie sie unsere Übersichtskarten dar- zustellen pflegen. Diese Karten sollen und können, wie das in ihrem Wesen auch sonst liegt, nur eine stark generalisierte Auffassung zum Aus- druck bringen. III. Die Theorie der Meeresströmungen. 1. Geschichte und Überblick. Die Theorie der Meeresströmungen, d. h. die Lehre von den Ursachen und dem Zusammenhang' derselben, hat bis in unsere Tage hinein etwas Fragmentarisches behalten, indem man meist einen einzelnen Gesichtspunkt herausgriff, der wohl als eine aus- schlaggebende Ursache für eine Gruppe gewisser Strombewegungen an- erkannt werden konnte, von den betreifenden Autoren aber vorschnell verallgemeinert und dann als maßgebend für die Gesamtheit aller Strom- vorgänge hingestellt wurde ^). In keinem Gebiet der Meereskunde hat man darum mehr mit dilettantischen Leistungen zu kämpfen, als in dem der Theorie der Meeresströmungen, die eines der verwickeltsten Phänomene sind, die in der ganzen Physik des Erdballs auftreten. Erst in der neuesten Zeit beginnt ein besonnenerer Standpunkt mäßgebend zu werden. Aber .1) Eine gute Übersicht hat A d. P a h d e, Die theoretischen Ansichten über die Entstehung der Meeresströmungen, Krefeld 1888, gegeben. Geschichte der Stromtheorieen. 443 blickt man zurück, so ist das Feld mit Trümmern aufgegebener Theorieen bedeckt. Die frühsten Versuche beschäftigen sich mit der Ursache der damals angenommenen (tatsächhch aber nicht vorhandenen) allgemeinen Be- wegung der Meeresgewässei; nach Westen, welche bei einzelnen Autori- täten geographisch nicht einmal auf die Tropenzone beschränkt wurde, wie z. B. Varenius den Labradorstrom, sowie eine angeblich in der Ma- gellanstraße nach Westen gehende Strömung als Beweise für diese allge- mein tellurische Erscheinung aufführt. K e p 1 e r war wohl der Bedeu- tendste, obschon keineswegs der erste, der (1618) sie auf die Rotation der Erde zurückführte, indem er sagte (Opera omnia ed. Frisch, vol. VI, p. 180), daß der Mond die trägen, zurückbleibenden Gewässer nach Westen zurückzöge , während die Erde sich darunter hinweg nach Osten drehe. Daß nicht bloß der Mond, sondern das Himmelsgewölbe als solches, als das primum mobile dieser Strömung auftrete, indem es das Wasser bei seiner Drehung nach AVesten hin mit sich schleppte, behaupteten schon die großen Entdecker, und noch bei dem sonst sehr gelehrten Jesuiten R i c c i o 1 i (1672) findet sich diese den Satzungen des Kopernikus wider- sprechende Ausdrucks weise. Varenius verzichtete ganz auf eine Erklärung dieser großen Westströmung, da ihm keine der erwähnten Theorieen, auch nicht die Wirbeltheorie des Cartesius, genügte; während der sonst sehr klar bückende Isaac Vossius^) noch eine originelle Modifikation der Keplerschen Ansicht gibt. Eine solche kosmische Erklärung der Äquatorialströmung taucht noch späterhin öfter auf, bis tief ins 19. Jahrhundert hinein, wo 1874 der russi- sche Kapitän z. S. Schilling sogar den Gedanken ins einzelne aus- baute, daß Sonne und Mond keine Flutwelle, sondern einen zu- sammengesetzten Apparat von Strömungen im Meer wie in der Luft er- zeugten. Seine (übrigens vielfach recht dunkle) Theorie ist aber ganz und gar nicht mit den Tatsachen in Einklang zu bringen, insofern doch die starken und verhältnismäßig raschen Änderungen der DekUnation des Mondes sehr erhebhche Verschiebungen solcher AVestströmungen zwischen 28" N. und S. B. zur Folge haben müßten 2). — Anders ist der Standpunkt Ed. Schmidts (Mathem. u. phys. Geogr. II, 137 f.) und M u n c k e s (Art. Meer im neuen Gehler). Beide sind der Ansicht, daß unter dem vom Monde hergestellten Flutelhpsoid eine Ausgleichströmung zwischen den Tropen- und Polarregionen auftreten müsse: an der Oberfläche vom Äquator polwärts (vom höheren nach dem niederen Niveau), am Meeres- boden umgekehrt von den Polen zum Äquator hin. Diese meridionalen Ströme sollen dann durch die ablenkende Kraft der Erdrotation auf der nördUchen Halbkugel nach rechts, auf der südhchen nach links abgedrängt werden und so die äquatoriale Westströmung oder, wie Muncke sie nennt, „den Äquinoktialstrom" erzeugen. Man begegnet bei beiden Physikern zum ersten Male einer Würdigung dieser ablenkenden Kraft der Erd- rotation, welche aUe Bewegungen auf der Erdoberfläche beeinflußt. Doch beschränken noch beide den Eingrift' derselben auf die meridionalen Be- ^) Siehe die Reproduktion in Günther, Geophysik II'', 513. ^) Baron N. Schilling, Die beständigen Strömungen in der Luft und im Meere, Berlin 1874. 444 Geschichte der Stromtheorieen. wegungen, während erst 1859 F e r r e 1 sie bei allen Bewegungen, unab- hängig vom Azimut, feststellte. Das FlutelHpsoid selbst aber bildet sich nur auf einer ganz mit Wasser bedeckten Erdoberfläche so regelmäßig aus, daß von Niveauunterschieden zwischen der Äquatorial- und Polarzone gesprochen werden könnte ; schon im Atlantischen Ozean ist dieser normale Zustand durch einen bis zur Unkenntlichkeit gestörten ersetzt, indem mindestens zwei Flutwellen, wie oben wahrscheinHch gemacht wurde (S. 209), nicht von Osten nach Westen, sondern in meridionaler Richtung gegeneinander fortschreiten und sich durchdringen. Außerdem ist in keinem Falle eine Niveauerhöhung unter den fluterzeugenden Gestirnen die Ur- sache von Druckunterschieden: denn gerade weil die Schwerkraft durch die ihr diametral entgegenwirkende Anziehung der Himmelskörper zu einem Teil verringert wird, entfernen sich die beweghchen Teile der Erd- oberfläche vom. Erdmittelpunkte, worauf dann in jedem AugenbHcke völHges Gleichgewicht zwischen den beiden wirksamen Kräften gegeben, also keine Ursache für einen Druckunterschied und eine daraus folgende Ausgleichströmung vorhanden ist. Besser begründet erscheint dagegen ein von HeinrichHertz^), unabhängig von gleichartigen früheren Versuchen von Ferrel, Chalhs und Abbot, angegebener Weg, kontinuierhche Strömungen, allerdings nur von untergeordneter Kraft, aus der fluterregenden Wirkung der Gestirne abzuleiten. „Infolge der Reibung des Wassers der Meere in sich und am Grunde," sagt er, „erscheint das FlutelHpsoid, dessen Achse ohne das Vorhandensein der Reibung die Richtung gegen das fluterregende Gestirn oder eine zu dieser senkrechte Richtung besitzen würde,, gegen die ge- nannten Lagen um einen gewissen Winkel gedreht. Die anziehende Kraft des Gestirns auf die Kuppen des Flutelhpsoids gibt daher Anlaß zur Ent- stehung eines Kräftepaares, welches der Rotation der Erde entgegen- wirkt. Die Arbeit, welche die stets rotierende Erde gegen dies Kräfte- paar leistet, ist diejenige Energie, auf deren Kosten trotz der Reibung die Flut- und Ebbebewegung stetig unterhalten wird. Die Übertragung des zunächst an der Flüssigkeit angreifenden Kräftepaares an den festen Erdkern wäre indes unnaöghch, wenn die Bewegung der Flüssigkeit gegen den Kern eine rein osziUierende wäre und das mittlere Meeresniveau mit dem mittleren Potentialniveau zusammenfiele; sie wird nur möghch da- durch, daß die Flüssigkeitsmasse beständig hinter dem rotierenden Kern ein wenig zurückbleibt, oder dadurch, daß eine beständige Aufstauung über das Potentialniveau an den westlichen Küsten der Meere stattfindet, oder dadurch, daß eine Kombination beider Vorgänge eintritt." Mit Be- nutzung der Kanaltheorie von Airy gelangt Hertz zu der analytisch be- gründeten Folgerung, „daß im allgemeinen der fortschreitenden Flut- welle eine Strömung in gleichem Sinne folgen muß ; für einen in der Rich- tung eines Breitengrades um die Erde gelegten Kanal wäre dies eine überall von Ost nach West gerichtete Strömung, für einen behebig gelegenen Kanal eine solche Strömung, welche in der Nähe des Äquators von Osten nach Westen, in dem vom Äquator abgelegenen Teil entgegengesetzt ge- richtet ist. Die Strömung ist im allgemeinen schwach; sie kann aber 1) Verhan41. d. Physik. Gesellsch. in Berlin 1883, S. 2. Kosmische Ursachen. 445 sehr merkliche Werte annehmen, wenn die Länge und Tiefe des Kanals solche sind, daß die Dauer der Eigenschwingung des Wassers in ihm gleich der Dauer des Tages ist, wo dann ohne Berücksichtigung der Reibung Ebbe und Flut sogar unendliche Werte annehmen würden" (s. oben S. 198). Führt man in die von Hertz gefundenen Formeln als ReilDungskonstante denjenigen sehr kleinen Wert ein, welcher sich aus der Beobachtung an Kapillarröhren als innere Reibung (Bd. I, S. 281) ergibt, so kommt man zu Fluten von widersinniger Höhe und Strömungen von widersinniger Heftigkeit; setzt man dagegen die Fluthöhen gemäß den tatsächlichen Beobachtungen ein, so ergibt sich nur eine Strömung von lÖO m in der Stimde (gleich 1.3 Seemeilen in 24 Stunden), was also nur einen kleinen Bruchteil, nur V20 der Stärke der Äquatorialströmung beträgt. A posteriori, fährt Hertz fort, kann man aus der unter gewissen Annahmen zu berechnenden Größe der Flutreibung einen Schluß - ziehen auf die Größen- ordnung der Ströme, welche die Gravitation veranlaßt. Die Erde soll in einem Jahrhundert nach Thomson und T a i t 22 Sekunden hinter einem richtigen Chronometer zurückbleiben, was aber nicht im Einklang mit den astronomischen Beobachtungen, z. B. der Finsternisse im frühen Altertum» steht, wonach eine merkUche Verlangsamung der Erdrotation seit 3000 Jahren nicht nachweis- bar ist. Hertz benutzt indes diese von Thomson und Tait berechnete Ver- langsamung, als wenn sie richtig wäre. Um nun eine solche Verzögerung zu bewirken, muß am Äquator beständig eine Kraft angreifen, von Osten gegen Westen gerichtet, von der Größe von 530 Millionen Kilogramm. Diese Kraft, verteilt gedacht auf eine meridional verlaufende, das Meer im Westen be- grenzende Küste von der Länge eines Erdquadranten, bewirkt auf jeden Meter dieser Küstenlänge einen Druck von 53 kg, imd um diesen Druck hervorzu- rufen, muß sich das Meer an dieser westlichen Küste um 0.3 m über die Niveau- fläche des Potentials erheben, mit welcher es an der östlichen Küste zusammen- fällt. Es können also auf diesem Wege nur Strömimgen -entstehen, wie Niveau- differenzen von V4 bis V3 m sie erregen können. „Ohne daß wir die Größe dieser Strömungen anzugeben vermöchten, können wir schließen, daß sie sehr wohl an Stärke denjenigen ähnhch sein können, welche ihren Ursprung in Temperaturdifferenzen haben." — Einen anderen Gesichtspunkt, der schon in Keplers Erklärung mit enthalten ist, haben auch viele andere seitdem vertreten, nämlich die vis inertiae des Wassers, indem das nur locker mit der Erdfeste verbundene Wasser hinter der allgemeinen Rotation der Erdkugel zurückbliebe oder, wie K a n t^) sich ausdrückt, „gleichsam zurückgeschleudert" werde. Von einer derartigen Auffassung hat sich aber Kant später anscheinend befreit, indem er, allerdings von den Luftströmungen sprechend, meinte, „daß, wenngleich uranfänghch der Luftkreis dieser Drehung nicht gefolgt wäre, dennoch vorlängst eine so beständig wirksame Kraft sich ihm habe mitteilen und denselben zu einer gleichen Bewegung mit der Erde selbst habe bringen müssen 2), Unter den Neueren huldigte der so kritisierten An- sicht am reinsten J a r z (Die Strömungen im Nordatlantischen Ozean etc., Wien 1877). Doch hat er erfreuHcher weise weitere Nachfolger nicht gefunden. 1) Roe. u. Schuberts Ausgabe, Bd. 6, S. 490. «) A. a. 0. S. 795. 446 Geschichte der Stromtheorieen. Wie in dieser Erklärung ein ideeller Anfangszustand (eine vorher ruhende mit Wasser bedeckte Erde beginnt eine Rotation !) mit dem längst erreichten stationären Zustand verwechselt ist, so geschieht das auch von einigen Theoretikern, welche die „große Westströmung" inmitten der Tropenmeere als Wirkung einer vertikalen Zirkulation deuten wollten, deren Ursprung in der Zentrifugalkraft gelegen sei. Es sollten danach durch diese Kraft am Boden der Meere je zwei breite Strömungen auf beiden Halbkugeln von den Polen zuni Äquator erzeugt werden, welche dann an diesem zusammentreffend in die Höhe steigen. Indem nun die Wasserteilchen vom Meeresboden ihre langsamere Rotation mit- bringen, sollen sie hinter der allgemeinen Drehung der Erdoberfläche zurückbleiben, was dann eine Westströmung ergeben würde. Aber die Zentrifugalkraft hat eben aus der rotierenden Kugel ein an den Polen abgeplattetes Rotations e 1 1 i p s o i d gestaltet ; nachdem dieser Zustand einmal erreicht ist, können Strömungen durch diese Kraft nicht mehr hervorgerufen oder unterhalten werden. Es braucht nach dem eben Ge- sagten nicht noch umständlicher dargelegt zu werden, daß eine aus solcher Vertikalzirkulation herzuleitende Westströmung doch von so schnell auf- steigendem Wasser genährt werden müßte, daß auch der Oberflächen- strom nach den Polen zu in ganz unwiderstehhcher Stärke sich äußern würde, während anderseits das unter dem Äquator so rapide aufsteigende Wasser die eisigen Bodentemperaturen mit an die Oberfläche bringen müßte, wenn dann nicht die Endwirkung geradezu in einem angenäherten Ausgleich aller Temperatürunterschiede in der ganzen irdischen Wasser- decke bestünde. Diese Auffassung, welche ja auch die Äquatorialgegen- strömungen nicht recht beachtet, haben von neueren Fourier, dann . auch M u n c k e, obschon nicht sehr entschieden , namentHch aber A. M ü h r y vertreten ^). Auch A. v. Humboldt, der übrigens diesem ganzen Problem sehr besonnen gegenüberstand, wie wir sehen werden, scheint etwas ÄhnUches vorgeschwebt zu haben. Die große westHche Strömung der Tropen, die damals noch nicht durch die östlichen Gegen- strömungen. in zwei zerlegt war, bezeichnet er nämlich bei verschiedenen Gelegenheiten als „Rotationsstrom" (unter anderem Kosmos I, 326); falls er nicht etwa diesen, von ihm ganz unaufgeklärt gelassenen Aus- druck im Sinne der von Isaac Vossius erkannten Stromkreise der Meeres- ströme verstanden hat. Zu den Theoretikern, welche in der Erdrotation die maßgebende Ursache für die Meeresströmungen sehen, gehört auch Gabriel B 1 a z e k, dessen „Ent- wurf einer Theorie der Meeresströmungen" (Prag 1876) mit einem großen Apparat höherer Analysis auftritt. Mit Günther (Geophysik II, 514) läßt sich der Inhalt der Theorie kurz als eine Verwertung des Foucaultschen Pendelversuchs bezeichnen; das ganze System steht und fällt aber mit einem kinematischen Hilfssatze, dessen Unhaltbarkeit Zöppritz ebenfalls nach- gewiesen hat. „Blazek denkt sich einen ruhenden, kreisförmigen Wasser- *) Fourier in Annales de chimie et physique 1824, S. 10; Mühry, Lehre von den Meeresströmungen, Göttingen 1869, S. 6 und Peterm. Mitt. 1874, S. 375. Im Anschluß an ihn habe ich auch in meiner Dissertation über die Äquatorialen Meeresströmungen des Atlantischen Ozeans, Leipzig 1877, S. 46, diese Auffassung vorübergehend gebilligt. Die Widerlegung gibt Zöppritz, Gott. Gel. Anz. 1878, S. 513. Erdrotation. Dichteunterschiede. Winde. 447 Zylinder von sehr kleinem Basisdurchmesser plötzlich über einem festen Punkt der Erde von der geographischen Breite ß aufgehängt, unter ihm wird sich die Erde mit einer Geschwindigkeit == oj sin /?, wo ro die Winkelgeschwindig- keit der Erde = 2 ;r/86164 ist, hinwegdrehen, d. h. der Zylinder wird an- scheinend eine Rotation im entgegengesetzten Drehsinne erhalten." Dann heißt es weiter, daß für eine aus imzählig vielen solchen Elementarzylindern zusammengesetzte kreisförmige Röhre, deren jeder sich analog um seine Achse drehe, ganz das nämliche sich ergeben würde: in einem mit unseren idealen Zylindern erfüllten Becken, welchergestalt immer, werden sich geschlossene, der Erdrotation entgegengesetzte Strömungen bilden, deren Zentra :z wischen dem 30. und 35. Breitengrade (nach der Rechnung genauer in 35 ° 16' Breite) liegen, wenn letzteres die geographische Lage des Beckens überhaupt zuläßt. Eine einfache Zeichnung, drei kreisförmige Querschnitte solcher äußerst dünner Elementarzvlinder liebeneinander sich berührend, zeigt, daß eine gleich- zeitige Bewegung dieser drei Zylinder in g 1 e i c h e m Sinne an den Berührungs- linien sich selbst unmöglich macht, indem die Punkte der Oberfläche des Zylinders immer an diesen Berührungsstellen mit dem Nachbarzylinder ent- gegengesetzt sich bewegen. Darum bleibt das ganze System in Ruhe. Die ineinandergreifenden Zahnräder einer Uhr laufen jedes im entgegengesetzten Sinne zum Nachbarrade. — Eine zweite Gruppe von Theoretikern sab in den durch Differenzen in Temperatur und Salzgehalt hervorgerufenen Dichteunter- schieden des Meerwassers die entscheidende Ursache der Meeres- strömungen, wobei eine Analogie mit den Luftströmungen bei den neueren Autoren unleugbar einwirkt; dies gilt von A. Mühry, Ferrel und unter den modernen von Fr. Nansen. Aber diese Theorie ist eine der ältesten, da schon ein Zeitgenosse des Kolumbus, nämlich kein Geringerer als Lionardo da Vinci, sie zuerst aussprach. Wenn irgendwo, so liegt hier eine unzulässige Übertreibung tatsächlich nachweisbarer Vorgänge vor, wie später des näheren zu entwickeln sein wird. Eine dritte Gruppe hat in dem Winde eine Kraft gefunden, welche die Strömungen des Ozeans hervorruft. Der praktische Seemann, der in Landnähe, z. B. bei Westwind an den Hafeneingängen der pommerschen Häfen, einen so stark an der Küste entlang nach Osten setzenden Strom wahrnimmt, daß die Einsteuerung in den engen Eingang zwischen den Molen mit Gefahr für sein Schif! verbunden sein kann, zweifelt nicht an der strombildenden Fähigkeit des Windes. So waren gerade die seefahrenden Kreise, angesichts ihrer fast tägUchen Erfahrung in See, seit alters Ver- treter der sogenannten Windtheorie der Meeresströmungen, und zwar um so entschiedener, je weniger gelehrt sie waren. Auch hier fehlte es dann, auch in der neusten Zeit noch bei eigentUchen Theoretikern, nicht an Übertreibungen ins Extreme, wonach für alle Strömungen nichts als Wind- wirkimg in Betracht kommen solle. Die Physiker und viele nautische Schriftsteller dagegen bezweifelten, daß der Wind die Macht habe, über- haupt dauerhafte Strömungen im Wasser hervorzurufen. Von einer höheren Warte aus überbUckte zuerst Alexander v, Humboldt das Problem. Denkt man, sagt er i), über die Ursachen der Meeresströmungen nach, so zeigt sich, daß ihrer viel mehr in Betracht >) Relation historique Bd. 1, Paris 1816, S. 144 ff. Auch abgedruckt in den Klassikern der Geographie 2. Reihe, S. 12 f. 448 Geschichte der Stromtheorieen. kommen, als man gemeiniglich glaubt. Denn die Meeresgewässer können in Bewegung gesetzt werden, sei es durch einen äußeren Impuls, sei es durch Verschiedenheiten ihrer Temperatur und ihres Salzgehalts, oder auch durch das periodische Schmelzen des Polareises, oder endUch durch das ungleiche Maß der Verdunstung in verschiedenen Breiten. Später er- wähnt er dann noch Unterschiede im Luftdruck. Bald wirken mehrere dieser Ursachen im gleichen Sinne zusammen, bald bringen sie entgegen- gesetzte Effekte hervor. Humboldt ist überzeugt, daß beständig in einem Erdgürtel wehende Winde, mögen sie auch von mäßiger Stärke sein, das Meer vor sich herschieben können mit einer Geschwindigkeit, wie wir sie bei den stärksten Stürmen nicht beobachten, weil deren Wirkung auf ein enges Gebiet beschränkt ist. Für ihn ist aber auch das Auftreten verhältnismäßig niedriger Temperaturen in den Tiefen der Tropenmeere ein Beweis für Bewegungen des Tiefenwassers von den hohen Breiten her, und hier wie überall, wo Dichteunterschiede im Wasser auftreten, erwartet er einen doppelten Strom, einen oberen und einen untere^, die entgegen- gesetzte Kichtung haben. Leider hat Humboldt nicht Gelegenheit gehabt, was bei dem damahgen Standpunkt der Meereskunde auch kaum zu er- warten .war, diesen seiner Zeit weit voraneilenden theoretischen Stand- punkt in kritischer Analyse für einen bestimmten Bereich von Meeres- strömungen durchzuführen. So kam es, daß jede der beiden Hauptrich- tungen, die Vertreter der thermischen wie die der Windtheorie, ihn zu den Ihrigen rechnen wollten. Dem modernen Stand der meereskundUchen Kenntnisse entspricht es in der Tat durchaus, wenn wir vielerlei Ursachen in direkten und in- direkten Wirkungen zur Erklärung der Meeresströmungen heranziehen. Wollen wir sie in ein System bringen, so scheint es mir einen gewissen Vorteil zu gewähren , hier nicht von Ursachen schlechthin zu sprechen, sondern da ein gegebener Meeresstrom von vielerlei Ursachen und anderen örtUch hinzutretenden Kräften gleichzeitig beeinflußt sein kann, empfiehlt es sich, von Stromkomponenten oder, da dies vielleicht ein zu sehr geo- metrisch-mechanischer Ausdruck ist, noch besser von S t r o m k o n s t i- tuenten zu reden. Von solchen Konstituenten unterscheiden wir die primären, aktiven oder eigentUch stromschaf!enden, den Gewässern Be- wegungsenergie zuführenden, und sodann die sekundären, einen gegebenen Strom, umgestaltenden Vorgänge. Unter den aktiven Konstituenten sind es: 1. innere im Wasser selbst vorhandene, me die Unterschiede in der örtHchen Dichtigkeit, hervorgerufen durch Änderungen im Salzgehalt und in der Temperatur, die wieder durch geographisch variierte Sonnen- strahlung, Verdunstung, Kegenfall oder Eisschmelze entstehen können, und 2. äußere, wie die Verschiedenheiten d€S Luftdrucks und die in Wind- stau und Windtrift umgesetzten Bewegungen der Atmosphäre. Es sind das also wesentHch physikaHsche Ursachen. Unter den sekundären Kon- stituenten steht an erster Stelle die Eeibung, die aber je nach dem Ur- sprung der Stromenergie verschiedene Formen annehmen kann, jedoch bei allen Stromkonstituenten bedeutsam wird. Nicht minder gilt das von den beiden anderen sekundären Konstituenten, die recht eigentlich geographischer Art sind : die Drehung der Erde um ihre Achse und, vor allem wichtig, die Wirkung der Konfiguration der Meeresbecken oder Strorakonstituenten. 449 wie man diese Folge der für alle Flüssigkeiten geltenden sogenannten Kontinuitätsbedingung in Anwendung auf den eine zusammenhängende Einheit bildenden irdischen Ozean auszudrücken pflegt, die Kompensation aller durch Strom fortgeführten Wasserteilchen durch andere aus der näheren oder ferneren Nachbarschaft. Bei der tellurischen Universalität dieser letztgenannten sekundären Konstituenten empfiehlt es sich, sie vorweg zu behandeln , da viele Vorgänge bei den primär erzeugten Strö- mungen ganz unverständhch sind, wenn man nicht auf das Eingreifen der Erdrotation und der Kontinuitätsbedingung Bezug nehmen will. Wir stellen also die Darstellung der geographischen Konstituenten ein- schheßlich der Reibung voran und lassen die physischen folgen. 2. Die Wirkung der Erdrotation. Für alle strömenden Bewegungen entlang der Erdoberfläche, sowohl für die der Luft wie für die des Wassers, gilt die Regel, daß jedes bewegte Teilchen auf der nördhchen Hemisphäre nach rechts, auf der südhchen nach links aus seiner Bahn gedrängt wird, und zwar, wenn wjr dem Teil- chen die Masse = 1 geben, nach der Beziehung: F = 2iüvsm(p, worin 0) die sogenannte Umdrehungskonstante oder sekundUche Winkelge- schwindigkeit der Erde = 2 7r/86 164« = 0,00007292, v die Geschwindigkeit des Teilchens auf seiner Bahn (gewöhnlich in Meter pro Sekunde angegeben), und 'f die geographische Breite bedeutet. Die Ablenkung nimmt also mit wachsender Geschwindigkeit zu, ist aber am Äquator. = Null, am Pol dagegen , wo sin cp = 1 , ein Maximum. Die Ablenkung ist aber unab- hängig von der Kompaßrichtung der Bahn, erfolgt also nicht bloß, wie man früher annahm, bei Bewegungen entlang dem Meridian. Es ist dies allerdings am leichtesten verständlich, indem dann, wenn sich in nörd- licher Breite das Teilchen nach Süden bewegt, es aus einer langsamer um die Erdachse bewegten in eine schneller bewegte Breite gelangt, da der in der Zeiteinheit durchmessene Bogen auf den Äquator hin immer größer wird, das Teilchen also hinter der Erddrehung zurückbleibt, wo- durch es nach Westen, das ist nach rechts auf seinem Wege abgelenkt wird. Der Beweis für die Ablenkungsformel läßt sich ganz elementar geben. Auf der Nordhemisphäre bewege sich ein Massenpunkt (Fig. 115) von Ä aus nach D in einem Winkel a zur Nordrichtung {A N ist ein Meridian) mit der relativen Geschwindigkeit — v. Während in einer Sekunde der Weg = v durchmessen wird, hat sich der Ausgangspunkt von A nach A' verschoben. Die Nordrichtung peilt nun nicht mehr im Winkel a von A' aus, sondern im neuen Winkel D'A'N ~ cc -\- Ö, so daß die Bewegung des Teilchens anscheinend um den Winkel ö oder den Bogen s nach rechts abgelenkt ist. Da es sich hier um zwei gleichschenklige und ähnliche Dreiecke handelt, verhält sich s : c = V : A N. Nennt man r den (mittleren) Erdradius, w die geographische Breite von A und A', t die Zeit einer vollen Erdumdrehung (= 1 Siexiiu.*^ = 86 164 Sekunden), so ist für eine Sekunde c = — r cos cp. Für 2;r/r setzen wir die Konstante w. Ferner ist, wie aus Fig. 116 zu ersehen, AN — r cot cp, was, in die vorige Gleichung eingesetzt, uns s = cov sin cp ergibt. Die Ab- KrUmmel, Ozcauogriipbie. II. ^9 450 Die Wirkung der Erdrotation. lenkung nimmt mit jeder Sekunde um den "Winkel ö gleichmäßig zu, ist also eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung, und die Beschleunigung F am Ende der Zeiteinheit wird das Doppelte der zurückgelegten Wegstrecke, also F = 2 CO V sin (f. Wie man sieht, ist Fig. 116. ^ "-• ' ' das ursprüngliche 1 keiner Be- Elementare HerleitunR der ablenkenden Kraft, der Erdrotation. der Winkel a, Azimut , hierbei deutung^). Daß insbesondere auch die an- fangs entlang einem Breitenparallel in Bewegung gesetzten Teilchen durch die Erdrotation abgelenkt werden, läßt sich aus folgender Überlegung entnehmen. Die Erde ist unter der Einwirkung der Rota- tion um ihre Achse ein Ellipsoid geworden, das um seine kleine Achse rotiert; mit diesem Vorgang haben wir uns schon früher be- schäftigt (S. 446). Man gehe nun davon aus, daß, je stärker die Zentrifugalkraft auftritt, desto mehr Masse zum Äquator hinge- schoben, bei einer Abschwächung der Zentrifugalkraft aber wieder zum Pol zurückgedrängt werden muß. Solche Änderungen der Zentrifugalkraft aber treten auf, wenn ein Körper, außer der seiner geographischen Breite zukommenden Rotationsbewegung um die Erdachse, die ja von Westen nach Osten erfolgt, noch eine eigene Bewegung in ostwest- licher Richtung entlang der Erdoberfläche besitzt. Geht er selbst nach Osten, so wird er die Wirkung der Zentrifugalkraft steigern, also auf den Äquator zu gedrängt werden, was auf der nördlichen Hemisphäre eine Ablenkung nach rechts, auf der südlichen eine solche nach links bedeutet. Geht der Körper von Osten nach Westen, so wird er seine Rotationsgeschwindigkeit um den Betrag seiner eigenen Bewegung schwächen, damit auch die Zentrifugalkraft vermindern und polwärts, d. h. nach rechts auf der nördlichen Hemisphäre, abgedrängt werden. Betrachten wir endlich noch einen Körper, der sich mit einer konstanten Geschwindigkeit v über die Erdoberfläche hin bewegt, so wird ihn die Erd- rotation stetig seitwärts ablenken und seine Bahn zu einer Kurve gestalten, deren Krümmungsradius auf der nördlichen Halbkugel nach rechts, auf der südlichen nach links von der Bahn gerichtet ist. Das ist die sogenannte Träg- heitskurve, von der wir bei späterer Gelegenheit noch Gebrauch machen werden. Ihr Krümmungsradius r bestimmt sich aus folgender Betrachtung. Die von der Erdrotation auf der nördlichen Hemisphäre dem bewegten Körper gegebene Tendenz nach rechts ist = 2 av sin (f ; die durch die Drehung um den Krümmungsmittelpuhkt der Kurve entstehende Zentrifugalkraft nach links ist = v^/r. Damit der Körper der Trägheitskurve folgt, muß 2 cov ain cp — v^lr sein, woraus r = vj{2 ro sin ^). Da sich der Krümmungsgrad mit dem Sinus der geographischen Breite ändert, kann eine Trägheitsbahn (außer am Pol) keine geschlossene Kurve sein, sondern sie wird sich in Schleifen anordnen, die den Körper schließlich nach Westen verschieben. Bei den ozeanischen ^) Bis hierher in wesentlicher Anlehnung an Zöppritz in Verhandl. des II. Deutschen Geographentages in Halle (1882), S. 47. Etwas umständlicher ist die Ableitung von A. Sprung, Lehrbuch der Meteorologie, Hamburg 1885, Einleitung S. llf. Beobachtungen auf dem Adlergrund. 451 Wasserbewegungen, wo v immer nur klein bleibt, ist der Krümmungsradius verhältnismäßig kurz, wie aus folgender Tabelle hervorgeht, wo v in Meter p. S., r in Kilometer angegeben ist. K r ümm u ng sradius d er T cägh eitskurve r = v/(2ü) sin (p ) in Kilometern. 9 = 0» SVa" 5» 10 0 20» 30» 40» 50» 60» 70» 80» 90» mp. S. 0.1 oo 15.7 7.9 3.9 2.0 1.4 1.1 0.9 0.8 0.7 0.7 0.7 0.2 CX3 31.4 15.7 7.9 4.0 2.7 2.1 1.8 1.6 1.5 1.4 1.4 0.6 OO 78.9 39.3 19.7 10.0 6.9 5.3 4.5 4.0 3.6 3.5 3.4 1.0 OO 157.2 78.7 39.5 20.0 13.7 10.7 9.0 7.9 7.3 7.0 6.9 2.0 oo 314.4 157.3 79.0 40.1 27.4 21.3 17.9 15.8 14.6 13.9 13.7 Diese ablenkende Kraft der Erdrotation bat eine allgemeine Geltung; es ist gleich, ob die Wasserteilchen durch die Tidewellen bewegt werden (S. 258) oder ob sie einem Gefällestrom folgen, wie das Flußwasser in ge- neigtem Bette, oder ob ein Wind die Wasseroberfläche vor sich her schiebt. Da aber gleichzeitig noch andere Konstituenten wirksam sind, wird es nicht immer leicht sein, diese Rotationsablenkung im einzelnen zu er- kennen. So ist das bei den Flüssen auf dem Lande der Fall, wo das Fluß- bett mit seinen verschiedenen Tiefen, oder die Ufergestaltung in Mäander- schlingen das der Schwerkraft folgende Wasser in bestimmte Bahnen zwingen wird, so daß keineswegs allgemein eine Ablenkung auf der nörd- lichen Halbkugel nach rechts wahrnehmbar ist. Auch die Meeresküsten sind unregelmäßig gestaltet und ebenso die Meerestiefen; aber noch wich- tiger ist die allgemein recht geringe Geschwindigkeit der eigentüchen Meeresströmungen, die nur höchst selten mehr als 2 m p. S. erreichen. In der Meteorologie hat man bei den ungleich lebhafteren Bewegungen der überall hin beweglichen Atmosphäre keine derartigen Schwierigkeiten und ist dieser Ablenkungs Vorgang sehr deutUch zu erweisen. Im folgenden sollen aber auch einige ozeanographische Beweise für die Rotations- ablenkung aus Beobachtungen beigebracht werden. Von systematischen Untersuchungen liegen bisher nur wenige vor. Am günstigsten werden hierfür solche Meeresteile sein, die nicht im Bereiche großer ozeanischer Stromsysteme mit ihren oft weit in die Ferne wirkenden Kom- pensationsforderungen liegen, also an freien Stellen in Mittelmeeren der höheren Breiten, wo wir auch genügenden Wechsel der Stromimpulse, hier der Wind- richtungen, erwarten dürfen. In dieser Hinsicht steht die eigeiitüche Ostsee wohl voran, und aus ihr sind in der Tat zwei wichtige Beobachtungsreihen für den vorliegenden Zweck bearbeitet worden. Nächstdem liegt auch eine Untersuchung für das Mittelländische Meer vor. Wir wollen also auf diese drei Untersuchungen näher eingehen. Zahlreiche andere Beispiele werden uns später begegnen. Die erste Untersuchung, von L. E. Dinklage^) ausgeführt, Lczog sich auf Beobachtungen, die in der Ostsee an Bord des Feuerschiffs auf dem Adlergrunde (zwischen Bornholm und Rügen) an 294 Tagen zwischen dem 16. Mai 1885 und 30. Juni 1886 ausgeführt wurden: alle zwei Stunden 1) Ann. d. Hydrogr. 1888, S. 1. 452 Die Wirkung der Erdrotation. wurde Windrichtung, Windstärke (nach Beaufort), sowie Stromrichtung und Stromstärke in 5 m Tiefe gemessen. Das Feuerschiff selbst lag damals in 12 m Wassertiefe verankert und genügend frei von allen störenden Einflüssen der Küstennähe; eine Gezeitenwirkung konnte völlig vernachlässigt werden (s. oben S. 360). Der Wind ruft an der Oberfläche einen Triftstrom hervor, der die oberen AVasserschichten, wie die Beobachtungen bei Windwechsel er- gaben, in kurzer Zeit bis in 5 m Tiefe hinab in Bewegung setzte. Doch waren einige Tage mit allzu raschen Änderungen des Windes nicht für die Unter- suchung geeignet, und nach ihrer Ausschaltung blieben 226 Tage mit einiger- maßen beständigem Wind übrig. Auch von diesen zeigten die geringen Wind- stärken von weniger als Beaufort 3 (= 4.8 m p. S.) eine sehr unregelmäßige und oft undeutliche Einwirkung auf den Strom. Dinklage hob zuletzt 131 Tagesmittel (aus je 12 Messungspaaren) heraus, wo der Wind über Stärke 3 und der Strom mehr als 6 km in 24 Stunden betragen hatte, die in jeder Weise einwandfrei waren. Ordnet man die Winkel, die zwischen Wind- und Strom- richtung auftraten, nach ihrem Sinne und Betrage von 10° zu 10° an, so er- hält man folgende kleine Tabelle: Ablenkung vomWinde: nach links Grade nach rechts lOmal 0— 10 lOmal 4 „ ■ 10-^20 . 18 „ 1 „ 20—30 24 „ 0 „ 30—40 17 „ 2 „ 40—50 11 „ 60—60 13 „ — 60—70 9 „ — 70—80 3 „ 80—90 ö „ — 90—100 2 „ . — 100—110 2 ;, -:- 110—120 0 „ 120—130 0 „ 130—140 1 „ Gleicht man diese Zahlen aus (nach der Regel Vi (a + 2& + c) und be- rechnet man die Wahrscheinlichkeit nach der Gesamtzahl von 131 Fällen, so erhält man die in Fig. 117 gegebene Wahrscheinlichkeitskurve. Aus dieser entnimmt man, daß die Ablenkung nach rechts durchaus überwiegt. Der mittlere Ablenkungswinkel für die dargestellten Beobachtungen in ihrer Ge- samtheit ergibt sich nach der Kurve =31° nach rechts (in Fig. 117 die aus- gezogene Ordinate) ; als rohes Mittel aus allen Beobachtungen hatte Dinklage selbst 28° gefunden. Der häufigste Wert ist 25° nach rechts. Nehmen wir die Ablenkungen nach links für sich, so ist deren mittlerer Winkel — 12°; die Ablenkungen nach rechts ergeben für sich betrachtet einen solchen von -f 38° (in der Figur die gestrichelten Ordinaten): Man sieht, daß Ablenkungen vpn mehr als 75 ° nach rechts und 15 ° nach links eine sehr geringe Wahr- scheinlichkeit besitzen. Indem wir uns vorbehalten, auf Einzelheiten später zurückzukommen, können wir zunächst nur feststellen, daß auf dem Adler- grund für die in 5 m Tiefe gemessenen, vom Wind erzeugten Triftströme eine Ablenkung nach rechts von der Windrichtung unzweifelhaft er- wiesen ist. In nicht ganz so günstiger freier Lage befinden sich die 10 Statioiien auf Beobachtung auf finnischen Leuchtschiffen. 453 Leuchtschiffen aus der Ostsee, die kürzlich von Dr. R. W i 1 1 i n g *) nach dem Verhalten von Wind zum Strom untersucht worden sind. Es lagen ihm von 7 finnischen Stationen aus dem finnischen und bottnischen Gebiet, zwei schwedischen (Nord Quark und westlich von Aland), einer dänischen aus dem Kattegatt (Kobbergrund) und einer Station auf dem I-adogasee nicht weniger als 5693 Beobachtungspaare vor, die sich aber nur aus einzelnen Messungen, nicht aus Tagesmitteln wie beim Adlergrundfeuerschiff zusammensetzen. Die meisten Stationen liegen sehr nahe am Lande und zeigen eine merkliche Stau- oder Beugungswirkung des Stromes, worunter die Deutlichkeit der auf die 60' io' 20" Fig. 117. 20° iO° €0' 80° 100° 120° . nach Unks o Winde 0.05 nach rechts Dom Winde OS 0.10 0.05 0.00 Ablenkung der Strömungen auf dem Adlerptrundfeuerschiff durch die Erdrotation (Wahrschpinliclikeitskurve). Erdrotation zurückzuführenden Ablenkungen schwer beeinträchtigt wird; denn die Triftströme mußten naturgemäß eine dem Küstenverlauf parallele Richtung bevorzugen. Dennoch fand Witting auf allen seinen elf Stationen die Ablenkung des Triftstroms nach rechts von der Windrichtung, wenn auch bei den einzelnen Stationen von verschiedenem Betrage. So war auf Grund- kallen F. S. (bei Aland) nach den Beobachtungen des JahTes 1904 der Strom im Mittel um 35° nach rechts abgelenkt, wenn der um 8 Uhr vormittags herrschende Strom mit dem gleichzeitigen AVinde verglichen wurde; bezog man den Strom um 2 Uhr nachmittags auf den 8 Uhr vormittags wehenden Wind, so war die Ablenkung etwas kleiner mit 31" nach rechts; das Mittel aus sämtlichen 964 Beobachtungen der beiden Jahre 1904/05 gab ihm nur 24°. Die Ergebnisse sind mit denen der anderen Stationen in der Tabelle auf S. 454 zusammengestellt. Die relativ freieste Lage haben die unter 1, 3, 4, 5, 6, 7, 8 genannten Feuer- schiffe; nimmt man ihre Beobachtungen (2959) heraus und bildet das ent- sprechend dem Gewicht der Beobachtungszahlen berechnete Mittel, so erhält man wie beim Adlergrund als Ablenkungsvs inkol 31° nach rechts, was natür- lich nur zufällig so genau übereinstimmt, indem hier die starke Ablenkung von Sydostbrotten (66°) die schwächere der anderen Stationen kompensiert. Bei allen diesen Stationen ist übrigens mehr als beim Adlergrund ein standiger 1) Ann. d. Hydrogr. 1909, S. 193. 454 Die Wirkung der Erdrotation. (auf DichtedifEerenzen beruhender) Meeresstrom störend wirksam, indem er bei den vorherrschenden Windrichtungen, also bei der größten Zahl der Beob- achtungspaare, der jeweiligen Trift sich als Komponente zugesellt; auf diese Weise und durch die Lage der Feuerschiffe zu den benachbarten Küsten oder Bänken erklären sich die extremen Ablenkungen bei Nahkiainen (2") und Kobbergrund (104°), teilweise wohl auch bei Sydostbrotten (66°). Ablenkungswinkel zwischen Strom und gleichzeitigem Wind nach R. W i 1 1 i n g. Stationsname Wasser- Zahl der und N.B. O.L. tiefe Beobach- Ablenk- winkel Lage m tungen 1. Plevna (Bottenwiek) . . 650 26' 240 22' 20 223 130 r. 2. Nahkiainen (Bottenwiek) . 640 35' 23052' 20 227 20 „ 3. Helsingkallan „ 630 37' 21 0 49' 15 168 120,, 4. Snipan (Nord Quark) . . 630 26' 20044' 20 272 210 . 5. Sydostbrotten „ . . 630 20' 200 14' 65 670 660 „ 6. Storkallegirund (Bottensee) 620 40' 20044' 15 308 240, 7. Grundkallen „ 600 30' 180 54' 65 964 240,, 8. Äransgrund (Finn. Meerb.) 59058' 24055' 40 354 210,, 9. Werkkomatala „ „ 600 17' 280 46' 15 937 ll^. 10. Taipaleenluoto(Ladogasee) 600 36' 300 48' 9 109 n\, 11. Kobbergrund (Kattegatt) . 570 8^ 110 22' 20 1461 1040,, Eine dritte Untersuchung, und zwar eine solche aus dem Mittelmeer, verdanken wir Carl F o r c h^). Er legte ihr eine von der Deutschen Seewarte im Jahre 1905 herausgegebene Übersicht über Wind- und Stromverhältnisse entlang den wichtigsten Dampf erwegen des Mittelmeers 2) zugrunde, wofür die Seewarte ein reiches Material aus 918 Tagebüchern der Jahre 1886 bis 1902 benutzen konnte. Die Beobachtungen sind für Felder von 2° in Breite und 5 0 in Länge geordnet und sehr reich an guten Angaben für den Wind, während d'e Stromrichtungen sich nur auf spärliche Angaben stützen, da entlang den befahrenen Strecken die Stromversetzungen überwiegend so schwach sind, daß stellenweise 7io ^llet Eintragungen Stromstille aufführen mußten. Im westlichen Teil des Mittelmeers ist für unsere Zwecke eine störende Meeres- strömung aus dem Atlantischen Ozean her noch fühlbar; dagegen ist das Orientalische Becken um so besser geeignet, den Beziehungen zwischen Wind und Strom nachzuspüren. Forch hat auf rechnerischem Wege eine mittlere Resultierende aus den verschiedenen für das einzelne Feld gemittelten Wind- und Stromrichtungen für jeden Monat gewonnen. Der leichteren Übersicht wegen ist in der nachstehenden Tabelle nicht nur für den resultierenden Strom, wie üblich, sondern auch für den Wind die Richtung, nach der hin die Be- v^egung geht, eingeführt, und das Azimut in Graden, die von N = Qo über 0 = 90°, S = 1800 und W = 270o umlaufen, ausgedrückt; die Monate sind mit römischen Ziffern bezeichnet. Für jedes der vier dargestellten Felder^) sind dann die Differenzen zwischen Wind- und Stromazimut in der Weise gegeben, daß rechts das positive, links das negative Vorzeichen erhalt. Man kann dann durch algebraische Summierung der einzelnen Ablenkungswinkel der 12 Monate ein Jahresmittel berechnen und zuletzt ein Mittel aus allen 1) Ann. d. Hydrogr. 1909, S. 435. 2) Beilage zu Jahrg. 1905 der Ann. d. Hydrogr. ») Ich benutze dabei die Angaben der Tab. 3 (a. a. O. S. 439) und bilde die 8» eibständig; Tab. 4 zeigt einige Unstimmigkeiten in den 8. F o r 0 h s mittlerer Winkel nter Einführung der Gewichte ist = + 43.20. Beobachtungen aus dem Mittelmeer und dem Indischen Ozean. 455 vier Feldern bilden, als welches sich 41.7° oder abgerundet 42° nach rechts ergibt. Die Zahl der Fälle, wo eine Ablenkung nach links erfolgt, ist nicht groß. Bemerkenswert ist, daß sehr bedeutende Ablenkungen vorkommen, wie in Feld (13) für den Mai Wind und Strom fast entgegengesetzt (-f- 178°) auftreten. Auf die Größe des Winkels, der hier den Ablenkungswinkel aus den Ostseeuntersuchungen um 10° übertrifft, wird später zurückzukommen sein, weim von der Entstehung der Triftströme überhaupt die Rede ist. Azimute f ür Wind und Strom im ös tlichen Mitt 3 1 m e e r. Feld: (12) (13) (14) (16) B. 36— 38°N. 34— 36°N 34 — 360N. 32— 34°N. L. 15— 20°O. 15— 20°O. ' 20 — 26ÖO. 1 25— 30°0. Monat Wind Sti-om h Wind Strom a Wind 1 Strom 8 Wind Strom 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 I. 115 236 + 121 130 196 + 66 146 18a + 34 102 204 + 84 IL 52 149 + 97 102 175 + 73 107 139 + 32 116 138 4- 22 ra. 86 167 + 8i 46 169 + 123 103 125 + 22 139 139 + 0 IV. 52 16 36 271 59 + 148 139 237 + q8 160 167 + 7 V. 144 185 + 41 127 305 + 178 148 253 + 105 135 225 + 90 VI. 125 256 + l^i 130 236 + 106 135 234 + 99 140 252 + 112 YLI. 145 193 + 48 143 155 + 12 148 188 + 40 137 174 + 37 VIII. 150 116 — 34 149 198 + 49 152 145 — 7 147 165 + 18 IX. 132 190 + S8 174 88 — 86 163 213 + ^0 152 173 + 21 X. 23 309 74 322 189 —133 154 85 — 6q 174 144 — 30 XL 23 192 + i6q 324 75 + 111 132 317 + 18SI 151 202 + Si XII. 333 247 — 86 100 122 -f 22 297 106 -191! 104 151 + 47 Jahresmittel = + 38.2° = + 33.1° = + 52.4° = + 48.0° Aber aiich aus dem ofienen Ozean ist es kürzlich gelungen, durch eine geeignete Auswahl von solchen Meeresstrichen, wo nur der Wind allein für die entstehende Strömung maßgebend ist und andere Konstituenten vernach- lässigt werden können, den Nachweis für die theoretisch geforderte Ablenkung des Stroms durch die Erdrotation einwandfrei zu erbringen. P. H. G a 1 1 i hat hierfür das reiche Material benutzt, das sich im Kgl. Niederländischen Meteorologischen Institut für den Indischen Ozean angesammelt findet^). Es genügte, die allein für den Monat November von 1858 bis 1904 eingegangenen Beobachtungen heranzuziehen; zwischen 20° N. und 50° S. B., 10° und 130' 0. L. waren 94 925 Wind- und 13 901 Strombeobachtungen vorhanden, davon 18 052 und 3471 aus Nordbreiten. Nach Zweigradzonen innerhalb eines jeden Zehngradfeldes geordnet und unter Ausschluß solcher Felder, in denen vs^eniger als 10 Windbeobachtuiigen vorlagen, zeigte das Material zunächst allgemein, daß in der nördlichen Hemisphäre in 77 Prozent aller Fälle die theoretisch verlangte Ablenkung nach rechts, in der südlichen in 69 Prozent aller Fälle nach Imks in der Tat vorhanden war. Hierbei wurden alle Strömungen ohne Rücksicht auf ihren Ursprung herangezogen. Um den Ablenkungswinkel selbst zu bestimmen, wurde die Betrachtung auf drei Stellen, das Arabische Meer zwischen Sokotra und den Maldiven, auf den eigentlichen Äquatorial- strom, der vom Südostpassat als ein reiner Triftstrom erzeugt wird, sodann auf die große Westwindtrift der höheren Breiten erstreckt. Die in der nach- 1) „Zur Kenntnis der Meeresatrömungen". Mededeelingen en Verhandelingen 9. Utrecht 1910, 26 S. 456 ^^® Wirkung der Reibungswiderstände. stehenden Tabelle enthaltenen mittleren Ablenkungswinkel ergeben als rohes Mittel aus allen neun Keihen 47"; wenn wir aber die erste Reihe wegen offen- barer Störung durch das nahe Land ausschalten, 45.5 ". Die spätere Dar- stellung der Triftströme wird ergeben, daß dieser Ablenkungswinkel der neueren von W. Ekman entwickelten Theorie für die Oberflächenschicht dieser Ströme sehr gut entspricht. — Andere Beispiele für die ablenkende Kraft der Erd- lotation werden uns in der speziellen Beschreibung der Meeresströmungen noch reichlich begegnen. — Mittlere Ablenkungswinkel zwischen Wind und Strom: T p^o onoM (50»— 60» O. L. = 62" nach rechts 1. ö— /u JM-^ßQO— 70° „ „ =44« TT 100 90 0« i '" **" 11. lU M f>. ^gQo_900 III. 40"— 50«S. 10»— 20" 20»— 30» 30»— 40» 70»— 80» 80»— 90» = 47» nach links = 51 " ,. = 55» „ = 41» „ = 42» „ = 41» „ = 43» „ 3. Die Wirkung der Reibungswiderstände. Die Reibungsoiefe. Eine richtige Würdigung der bei den Meeresströmungen auftretenden Reibungswiderstände ist für das Verständnis der verschiedenen Strom- theorieen von größter Bedeutung. Wir betrachten zunächst den verein- fachten Fall, der allerdings in der Natur nie vorkommt, daß wir eine geradlinige Bewegung einer Wasserschicht in einem Gefällestrom in ihrem Verhalten zur Reibung untersuchen, und schließen daran die wichtigen Vorgange, die für einen gegebenen Strom das gleichzeitige Eingreifen der Reibung und der Erdrotation zur Folge hat. In den theoretischen Erörterungen der Konvektionsströme spielt die Frage andauernd eine große Rolle, welche Strorngeschwindigkeit die aus der stärkeren Erwärmung der äquatorialen Regionen zu folgernde Niveau- erhöhung gegenüber den kühlen Wassermassen der hohen und höchsten ^Breiten hervorrufen könne; von den einen wird die Geschwindigkeit sehr hoch eingeschätzt, während von anderen ihre Vernichtung durch die Reibung als überwiegend hingestellt wird. Anknüpfend an eine gelegent- lich von G. Schott gegebene Schätzung, wonach das Meeresniveau am Äquator um 225 cm höher stehe als am Polarkreis, berechnet E. Witte gemäß den Gesetzen für den Fall auf der schiefen Ebene eine Endgeschwin- digkeit von V = |X2 . 981 . 225 = 664 cm p. S., das ist 13 Seemeilen in der Stunde oder mehr als 300 Seemeilen in 24 Stunden. Solche unge- heuren Geschwindigkeiten können natürlich in den irdischen Meeren niemals vorkommen (das ist auch nicht etwa Wittes Meinung); ebenso- wenig wie der Rhein demselben Gesetz folgt und von seinen Quellen bis zum Meer um 2000 m fallend zuletzt die enorme Geschwindigkeit von 198 m p. S. erlangt, sondern bekanntlich etwa nur 1 bis 2 m. Den Tech- nikern ist dies lange bekannt, und sie wissen ihrem praktischen Bedürfnis durch allerhand empirische Formeln zu genügen. Der kolossale Verbrauch von Energie, der beim Rhein in seinem unregelmäßigen Flußbette im Reibung in einem Gofällestroni. 457 langen Lauf bergabwärts eintritt, zeigt nun allerdings eine Steigerung von Reibungs widerständen, wie, sie im Meer nicht zu erwarten sind. Um einen ersten Schritt zu einer deuthcheren Vorstellung darüber zu tun, denken wir uns die erwähnte äquatoriale Schwellung von der ge- samten Höhe // am Äquator zerlegt in viele dünne Schichten von der kleinen Höhe h, die sich zum Pol hin keilförmig zuschärfen. Dichte unter- schiede zwischen den einzelnen Schichten sollen nicht vorhanden sein. Dann wird jede tieferliegende Schicht eine geringere Fallhöhe haben und damit die Geschwindigkeit v = |/2 g h nach unten hin abnehmen, in der obersten Schicht ein Maximum, in der untersten Null sein. Schichten, die mit so verschiedener (Geschwindigkeit übereinander hergleiten, werden sich gegenseitig behindern: die höherliegenden werden die tieferen mit sich fortreißen, die tieferen werden die höheren aufhalten. Dabei ist es nicht mehr möglich, daß die oberste Schicht mit einer Endgeschwindigkeit von 664 cm am Polarkreis anlangt, sondern jedenfalls mit einer kleineren. Nur für den reibungslosen Fall gelten die bekannten Galileischen Gesetze, nach denen die Geschwindigkeit eines fallenden Körpers nach der Zeit t ausgedrückt wird durch v = gt, der alsdann zurückgelegte Weg s = V2 9' ^ ^> "^^^ wo die am Ende von s erlangte Geschwindigkeit y = [/^2 g s auch für den Fall auf einer schiefen Ebene von der Höhe s gilt. Treten Reibungswiderstände h auf, so werden die Vorgänge gleich sehr verändert. Wie die Lehrbücher der theoretischen Physik^) zeigen, ist alsdann die Geschwindigkeit v nach der Zeit t nicht mehr = gt, sondern es wird v = [gjh) . (1 — e "*■')> ^^^ ^^^ "^ ^^^ 2®it ^ durchlaufene Weg wird s ~ g tjk + {glJi"^) .{e~^' — 1). Die Geschwindigkeit v wird bei großem t, da der Ausdruck 1 — c ~ *' dann der 1 nahe kommt, konstant und zwar = gjh. Beim Fall auf der schiefen Ebene ist g überall mit dem -Sinus des Böschungswinkel zu multipUzieren ; also wird v — {g sin i)lk. Da es sich bei den ozeanischen NiveaudifEerenzen um außerordenthch kleine Ge- fällewinkel handelt, also sin i ein sehr kleiner Bruch ist, wird somit für die Geschwindigkeit v nur ein wmziger Restteil der für den reibungslosen Fall berechneten übrig bleiben. In den genannten Formeln ist der Wider- stand als der Geschwindigkeit einfach proportional angenommen; setzen wir sie aber ihrem Quadrate proportional, so werden die Beziehungen noch weiter verwickelt. Für den senkrechten Fall ist dann " = V-T- C'^~^ = Vir ^"^"9 ^9P-^i/^ ' * e ^^ + 1 so daß auch hier für große Werte von t, wo der hyperbolische Tangens der 1 sehr nahe kommt, v = [/^g/k, also konstant wird. Ferner wird der in der Zeit t zurückgelegte Weg * = (yk) log ©of. ^t)p. t \/ g k. Indem wir überall g sin i für g setzen, sind diese Formeln auch für den Fall auf der schiefen Ebene anwendbar. Leider kennen wir die Größe und Qualität des Reibungswiderstandes Ä: nicht für ozeanische Wasserbewegungen; wir vermögen nicht einmal ^) Oder auch z. B. A. Fuhrmann, Naturwissenschaftliche Anwendungen der Integralrechnung, Berlin 1890, S. 235 f. 458 Die Wirkung der Reibungswiderstände. ZU sagen, ob h, wie in den Formeln vorausgesetzt, eine Konstante ist, oder ob k sich nicht vielleicht selbst mit veränderter Geschwindigkeit v ändert, was übrigens wahrscheinlich ist. In erster Annäherung wollen wir einmal k mit der inneren Eeibung gleichsetzen und als Konstante be- handeln, was eigenthch unzulässig ist, da sie sich mit dem Salzgehalt ein wenig und mit der Temperatur sehr erhebhch ändert; aber wir setzen einmal für ozeanisches Wasser von 35 Promille und 5" jfc = 0.016 (vgl. Bd. I, S. 281). Nehmen wir nun, wie vorher, sin i == h/s = 225/740 Mil- lionen Zentimeter = Vsaooooo» so wird bei einer der Geschwindigkeit ein- fach proportionalen Reibung und für großes t (einige Minuten), also im stationären Zustande, v — 0.2 mm p. S., im zweiten Falle, wo die Reibung dem Quadrat der Geschwindigkeit proportional ist, im stationären Zu- stande V = 1.4 mm — alles sehr geringe Beträge, Wenn wir sie mit den wirkhchen Meeresströmungen vergleichen, die hundertmal größere Ge- schwindigkeit aufweisen. — Wir könnten auch den umgekehrten Weg einschlagen und einmal annehmen, die an der Westküste von Europa pol- wärts ziehende Meeresströmung von 12 Seemeilen im Tage oder 25 cm p. S. sei ausschließUch eine Wirkung der genannten Fallhöhe von 225 cm zwischen Äquator und Polarkreis, so daß also sin i = V3300000 bestehen bleibt. Dann wird nach der ersten Gleichung k = g sin i/v = 0.000012, nach der zweiten aber k = gsm i/v ^ == 0.00000048, also ein anderer, ganz außer- ordenthch kleiner Wert. Diese eben gemachte Annahme ist aber unzu- lässig, da neben dem thermischen Gefälle noch andere primäre Strom- konstituenten von ungleich größerer Energie (z. B. Winde) an jenem Meeresstrom beteiUgt sind, der Gefällestrom also nur einen Bruchteil der Geschwindigkeit v verursacht; ist dieser Anteil ^/n, so wächst dann auch der Reibungs widerstand auf w /c an. Anderseits lassen die Formeln v = g/k oder = \/^g/k erkennen, daß erst für unendhch große Werte von k die Geschwindigkeit v = Null werden kann. Dies bedeutet, daß wo nur die Schwerebeschleunigung g oder g sin i überhaupt vorhanden ist, die Gewässer stets eine wenn auch ganz mini- male Bewegung annehmen müssen, daß es also für das Wasser nicht wie für lockere feste StofEe (Sand, Asche, Schnee) einen Böschungswinkel gibt, bei dem ein Abgleiten der losen Teilchen durch die Reibung ver- hindert wird; einen solchen Ruhewinkel dürfen wir für das Meerwasser nicht anerkennen. Dies ist ein gewichtiger Gewinn der bisherigen Be- trachtung. Über die QuaUtät der Reibungswiderstände im strömenden Wasser können wir gemäß den Untersuchungen von Helmholt z, Boussi- n e 8 q u. a. annehmen , daß die sogenannte innere Reibung nicht damit identisch ist, daß sich vielmehr Flüssigkeitsschichten stets unter Erzeugung von Wirbeln übereinander hinweg bewegen. Auch die von einem Strom beherrschte Meeresoberfläche selbst ist der Sitz zahlreicher Störungen des Gleichgewichts. Die örthche Dichtigkeit auf der vorher erwähnten Gefällestrecke zwischen Äquator und Polarkreis wird vorübergehend durch einen Regenfall oder durch exzessive Verdunstung verändert, da- durch das allgemeine Gefälle auf der breiten Oberfläche hierhin verstärkt, dorthin vermindert, und es folgen seitUche Schiebungen, Stauungen oder Beschleunigungen des Abflusses; dazu treten dann noch die schiebenden Virtuelle Reibung. 459 und stauenden Wirkungen der nach Stärke und Richtung oft veränder- hchen Winde, und die mit all diesen Variationen der Stromstärke ver- schieden stark eingreifende Ablenkung durch die Erdrotation. So wird dann der entstandene gesamte Reibungswiderstand oder die virtuelle- Reibung jedenfalls von einer erheblich höheren Größenordnung sein als die innere Reibung, und beide sind darum streng auseinander zu halten. Die folgende Untersuchung wird uns gelegentUch zu etwas präziseren Vorstellungen von der Größe dieser virtuellen Reibung verhelfen. Da alle Bewegungen entlang der Erdoberfläche der Ablenkung durch die Erdrotation ausgesetzt sind, so muß dies auch bei den durch Kon- vektion wie durch irgend eine andere Kraftquelle entstandenen Strö- mungen der Fall sein, wovon wir im vorigen Abschnitt auch tatsächUche Beispiele kennen gelernt haben. Es ist nun ein erhebhches Verdienst von Fridtjof Nansen^), darauf hingewiesen zu haben, wie die Erd- rotation bei der Übertragung der von den oberen stärker bewegten Schichten ausgehenden Bewegung auf die darunter liegenden Schichten durch die virtuelle Reibung einwirkt: auf der Nordhemisphäre wird jede tiefere Schicht gegenüber der höheren weiter nach rechts abgelenkt, der Ab- lenkungswinkel wird also nach der Tiefe hin wachsen, so daß es schheßUch eine gewisse Tiefe geben muß, wo die so abgelenkte Bewegung der ober- flächlichen genau entgegengesetzt ist. Da gleichzeitig die Bewegungs- stärke mit der Tiefe abnehmen muß, wird also diese Übertragung des oberflächlichen Stromimpulses in die Tiefe hin rasch eine gewisse prak- tische Grenze finden. Von der Oberfläche aus in Bewegung gesetzte Strö- mungen, insbesondere die Windtriften, könnten sich demnach nur in ver- hältnismäßig geringe Tiefen hinein geltend machen. Walfrid Ekman^) hat dann diese Vorgänge einer genauen mathematischen Analyse unterworfen und dabei nicht nur gewisse Über- treibungen berichtigt, in die Nansen verfallen war, sondern eine Anzahl für die allgemeine Theorie der Meeresströmungen sehr wichtiger Gesetze aufgestellt und neue Begriffe gebildet, die eine Verständigung sehr er- leichtern. Haben wir an der Oberfläche eines unendlich ausgedehnten Ozeans von gleichmäßiger Dichtigkeit infolge eines gleichmäßig wehenden Windes oder einer anderen die Oberfläche stetig in gleicher Richtung verschieben- den Ursache eine geradhnig gerichtete Strömung von der Geschwindigkeit = Fo, so wird in den darunter liegenden Schichten mit zunehmender Tiefe sowohl die Geschwindigkeit der Wasserteilchen abnehmen, wie die Stromrichtung auch immer weiter nach rechts (nordhemisphärisch) ab- gelenkt werden in der Weise, daß die beiden Komponenten der in der Tiefe h vorhandenen Stromrichtung gegeben sind durch die Gleichungen: v=Fo.e~" .sin (46" — aÄ) und t* = Fq • ß~" -cos (45° — ah),. . (1) wo V in der Richtung der Y-Achse und zugleich in der des Windes, u senk- recht darauf als Jt"- Achse verstanden ist, und a eine von der geographischen ^) Oceanography of the North Polar Basin, Kristiania 1902, S. 387. Peterm. Mitt. 1905, S. 2. ») Arkiv för Matematik etc. Kgl. Sv. Vetensk. Akad. Stockholm 1905, Bd. 2, Nr. 11; Ann. d. Hydrogr. 1906, S. 426 f. und 1909, S. 79. 460 Die Wirkung der Reibungswideistände. Breite (p .. der Dichtigkeit o, der virtuellen Reibung h und der Umdrehungs- konstantc co bestimmte Größe = -}-[/ (oü> sin (p)//c bedeutet. Man be- merkt sofort aus Formel (1), daß an der Oberfläche selbst, wo h = Null, der Strom um 45 "^ mit der Stärke = Vq nach rechts (südhemisphärisch nach Unks) von der Richtung des Windes abgelenkt ist, daß die Strom- stärke entsprechend dem Extinktionskoeffizienten ah nach der Tiefe hin in geometrischer Progression abnimmt, und daß dabei der Ablenkungs- winkel wächst , wobei je in der Tiefe von 2 ;r/a jedesmal eine volle Um- drehung um 360" erzielt wird, und gleicherweise die Geschwindigkeit auf e~''^" — V535 = 0.00187 der ursprünghchen (vor der Drehung vorhande- nen) abgenommen hat. Man sieht, daß schon in der Tiefe z/a, wo die abgelenkte Stromrichtung um 180 ", also genau entgegengesetzt zur ober- flächlichen gedreht ist, die Stromstärke nur V^e^" — V23 ^0 oder nur 4.32 Prozent der oberflächhchen wird, also praktisch so gut wie be- deutungslos ist. Dieses Niveau bezeich- ^S" net Ekman als die R e i b u n g s t i e f e, und sie bestimmt sich als D = - — = 7c [/kl{o(ü sin rp) (2) Die je in 0.1 dieser Reibungstiefe vor- handenen Stromrichtungen und Strom- stärken sind aus beistehender Fig. 118 ersichthch ; die Verbindungslinie der Pfeil- spitzen gibt eine logarithmische Spirale. Bis zu einer Tiefe von h = 0.5 D sind die dem Oberflächenstrom gleichgerich- teten Komponenten überwiegend, und die Rechnung ergibt, daß das totale Moment des Stroms (bis zur Reibungs- tiefe D genommen) genau um 90 " zur Windrichtung nach rechts abgelenkt ist, was übrigens auch aus dem Wesen der ablenkenden Kraft der Erdrotation folgt. Da nach Formel (2) die Reibungs- tiefe D umgekehrt proportional der Wurzel aus dem Sinus der geographi- schen Breite ist, würde sie sich, wenn sie am Pol = 100 gesetzt wird ceteris paribus verhalten, wie aus folgender Tabelle ersichtlich. Zunehmende Ablenkung der Stromrich- tung mit zunehmender Tiefe unter der Oberfläche (nach Walfrid Ekman). T ist die Richtung des Oberflächenimpul- ses (Windes). Rela t i ve Lag e derReibungat i e f e D. CD . b II . = i 90« . = ! 100 i 80« 101 70» 60« 103 107 50« 114 40« 125 30« 141 20« 171 10« 5« 240 339 1« 757 0» 00 In der Nähe des Äquators sollte sie also unendlich tief liegen, was prak- tisch unmöghch, übrigens auch schon darum ausgeschlossen ist, weil für die Untersuchung stationäre Zustände vorausgesetzt werden, diese Zu- stände aber bei der am Äquator relativ sehr großen Geschwindigkeit der vorhandenen Meeresströme so lange Zeiten voraussetzen, daß sich in- Die Reibungstiefe. 461 zwischen die bewegten Wasserteilchen rasch in höhere Breiten mit end- lichem D verpflanzt finden. Für den Äquator selbst also können die vorher gegebenen Gleichungen (1) und (2) keine Geltung beanspruchen. Die Reibungstiefe D ist weiter proportional der Wurzel aus dem Reibungs widerstände, der selbst wieder keine Konstante, sondern der jeweilig herrschenden Geschwindigkeit irgendwie proportional ist. Hier- nach muß die Reibungstiefe, wenn es sich z. B. um Triftströme handelt, mit der schwankenden Windstärke größer und kleiner werden, also in derselben geographischen Breite verschieden groß ausfallen; es ist später bei den Triftströmen darauf zurückzukommen. Wollten wir hier nun in erster Annäherung den Reibungswiderstand /c gleich der inneren Reibung setzen, also k = 0.016 cg s wie vorher, so erhielten wir mit 3 = 1.026 Z) = 46 cm, also einen unannehmbaren Wert, denn daß z. B. Triftströme noch nicht V2 m in die Tiefe hinab wirken sollten, wird niemand behaupten. Wenn es möghch wäre, umgekehrt Anzeichen für die reale Existenz der Reibungstiefe durch Beobachtungen zu erlangen und D danach wenigstens der rich-tigen Größenordnung nach zu bestimmen, so hätten wir auch ein Hilfsmittel, um den wahren Reibungswiderstand oder den virtuellen Wert von k zu beurteilen. Einen solchen Anhalt gewähren uns in der Tat die Erfahrungen der neueren Tiefseeexpeditionen. Auf der Planktonfahrt im Sommer 1889 fiel es uns schon im Floridastrom, namenthch aber im Bereiche der atlantischen Äquatorialströme auf, daß die Planktonnetze, wenn das Schiff frei im Wasser trieb, besonders stark seitlich vom Schiff hinweggedrängt zu werden schienen, sobald sie in eine größere Tiefe als 120 bis 150 m hinabgelassen wurden ^), Man muß aus dieser inzwischen allgemein bestätigten Wahrnehmung schUeßen, daß der Oberflächenstrom nicht wesentlich tiefer als 120 bis 150 m hinabreichte und daß darunter ganz schwach oder in anderer Richtung bewegtes Wasser lag. Besonders ausgeprägt war diese Erscheinung am 11. Oktober 1889 in rund 8"N. B., 43 " W, L. bei 150 m Tiefe. Setzen wir versuchsweise D = 150 m für 9 = 8 '^j so würden wir aus der obenstehenden Tabelle leicht finden, daß ceteris paribus in cp = 15» D = 109 m, in 20" B. 95, in 40 » B. 69, in 60« B. 60 m und am Pol 55 m werden würde. Nun läßt sich aus der Formel (2) auch k berechnen: 1. ^' • K = — 5- . Oü) Bin -s, was für 10 «B. mit a = 1.024 k = 29.5, und für 60 »B. mit 0 = 1.028 k = 23.7 cgs ergäbe. Diese virtuellen Werte für k übertreffen also ihrer Größenordimng nach die innere Reibung rund 3000mal, ein Er- gebnis, dem wir trotz aller Un-sicherheit, die der angenommenen Größe für D anhaftet, dennoch die größte Bedeutung beimessen dürfen, zu min- desten ist es geeignet, uns ahnen zu lassen, wie sehr die unvermeidlichen Wirbelbildungen die Widerstände vergrößern können. Hier ist jedoch noch eine weitere Einschränkung zu n.' chen. Die Rei- bungstiefe D war für eine homogene Wassermasse mit (abgesehen von der Kompression) überall von der Oberfläche abwärts gleicher Dichtigkeit o verstanden, was aber für ozeanische Verhältnisse meist nicht zutrifft. 1) Reisebeschreibung der Plankton-Expedition, S. 68. 462 Diß Wirkung der Reibungswiderstände. Walfrid Ekman hat durch, eine Keihe von Experimenten festgestellt, daß bei geschichtetem Wasser, also bei einer normal von der Oberfläche nach der Tiefe hin zunehmenden Dichtigkeit, die virtuelle Reibung ab- nimmt: indem die verschiedenen Wasserschichten leichter übereinander hergleiten, werden die Wirbelbewegungen vermindert. Eine ausgeprägte Schichtung durch Differenzen im Salzgehalt haben wir besonders in den Küstenregionen und allgemein durch Differenzen der Temperaturen in den tropischen Meeren im Vergleich zu den Meeren höherer Breiten, wo beispielsweise in 45® bis 50° S. B. nur sehr geringe Dichtigkeitsunterschiede übrig bleiben. Hier wird also die Reibungstiefe die normale Lage haben; in den Tropenmeeren dagegen bei relativ kleinerem k nicht so tief liegen, wie der Formel bei überall konstantem k entspricht. Im ganzen wird also die Reibungstiefe zum Äquator hin langsamer wachsen, als der Quadrat- wurzel aus dem Sinus der geographischen Breite entspricht und die kleine Tabelle S. 460 angibt. — Die von Ekman aufgestellten Formeln (2) und (3) gelten für einen unbegrenzten Ozean von unendlicher oder doch sehr großer Tiefe; er hat aber auch die Ablenkungsvorgänge für endhche Wassertiefen untersucht. Dabei ergab sich, daß wenn diese größer als die Reibungstiefe D sind, die aus Formel (2) ersichtüchen Beziehungen im wesentUchen unverändert bestehen bleiben. Wird die ganze Wassertiefe d kleiner als D, so erhält Ekman den Ablenkungswinkel a für die Oberfläche aus der Formel i): ©infi 8 — sin 8 ^ . ,,^ tang a = -. ' ^ ■ — -. — ;— , wo o == 2 ir d D (4) ^ ©inf) 8 + sm 8 ' ■ ^ ' Die beiden Komponenten der in einem Abstand z von der Oberfläche er- zielten Stromstärke und damit ihre Richtung sind in folgenden für die praktische Rechnung etwas umständhchen Formeln enthalten, wo wieder u die Komponente entlang der Z- Achse, v diejenige entlang der Y-Achse, C = wird a sogar = 45.5**, um dann im d = D wieder auf 45° abzunehmen. Die Fig. 119 Fig. 119. Veränderung der Stromrichtungen nach unten hin hei kleinen Wassertiefen (<*) nach W. Ekman. zeigt außerdem denjenigen Teil der Verbindungskurve für d= 2.5 D als punktierte Linie, soweit er nicht mit der Kurve für d = 1.25 D zusam- menfällt (auch die Pfeilspitzen selbst würden etwas anders liegen als die korrespondierenden Punkte der Kurve für d=1.25D). Für das Ver- hältnis d = '^/qD und = ^8 D sind die Oberflächengeschwindigkeiten und Richtungen durch einzelne Punkte dargestellt. T ist der Vereinfachung wegen überall gleich k n/D angenommen. 464 üie Wirkung der Reibungswiderstände. Die vorher (S. 452) wiedergegebenen Beobachtungen der Ablenkungs- winkel für Windtriften auf dem Adlergrundfeuerschiff gestatten uns bis zu einem gewissen Grade eine Prüfung dieser Formeln. In der Beobachtungs- tiefe von 5 m war die durchschnittliche Ablenkung 28", die Wassertiefe d war =12 m; D würde in erster Annäherung^) für die geographische Breite von 55 ° = 60 m betragen, also d = 0.2 D. Für dieses Verhältnis ergibt die Formel (4) für die Oberfläche a ~ 14.5"; wir werden aber gut tun, die Rei- bungstiefe in Anbetracht der namentlich in der warmen Jahreszeit in der Ostsee auftretenden Schichtung zu verkleinern, und so a größer erhalten; für d = 0.22 B wird a schon 19.1 ", und für die Tiefe Vx2 d = 2^\ was den beobachteten 28" wohl nahe genug kommt, um die ganze Rechnung nicht gleich als völlig belanglos hinzustellen. Für die ganze Untersuchung hat Ekman angenommen, daß die virtuelle Reibung im linearen Verhältnis zur Geschwindigkeit stünde; er hat sodann auch die Änderungen bestimmt, die sich ergeben würden, wenn die Reibungs- widerstände dem Quadrat der Geschwindigkeit proportional wären. Die dann erhaltenen Formeln ändern die Ablenkungswinkel und das Verhältnis der Stromstärken in den verschiedenen Tiefen aber nur wenig; so wird der normale Ablenkungswinkel für große ozeanische Tiefen an der Oberfläche nicht 45", sondern 49.1 ". Die Schwierigkeiten der weiteren Analyse steigerten sich allerdings nicht unerheblich, die Hauptfolgerungen aber bleiben so gut wie unverändert auch für das quadratische Reibungsgesetz bestehen. — Bisher war nur von solchen Stromimpulsen ausgegangen, die eine Energiezufuhr auf die Oberfläche allein ausüben, so daß insbesondere die Wirkungen der Windtriften in den obigen Formeln sehr gut zum Aus- druck gelangten. Etwas anders wird die Erdrotation im Verein mit den Reibungswiderständen ihre Wirkungen beim Ausgleich von Niveau- differenzen äußern, also beim Auftreten von Druckgradienten durch ganze Wassersäulen. Indem Walfrid Ekman auch dieses Problem in Angriff nahm, ging er wiederum von der Annahme aus, daß es sich ujn ein Meer von endlicher und überall gleichmäßiger Tiefe d und von unbegrenzter wagrechter Ausdehnung handle, wobei stationäre Zustände für die Be- wegungen maßgebend bleiben. Ist dann der konstante Böschungswinkel der Oberfläche wieder ^, so wird das Wasser unter dem Einflüsse des Druck- gradienten a g sin i bewegt. Wäre keine Reibung im Wasser, so müßte unter dem Einfluß der Erdrotation die ablenkende Kraft dem Druck- gradienten das Gleichgewicht halten, wenn die Bewegung stationär sein soll. Ist JJ die Geschwindigkeit eines Wasserteilchens, so besteht mit 0 --- 1 die Gleichung 2 [7 co sin ^ = ^ sin *'; dabei wird U senkrecht auf den Druckgradienten (nordhemisphärisch nach rechts) gerichtet sein; d. h. die Stromlinien werden den Isohypsen der Oberfläche mit der Ge- schwindigkeit U = (g^sin i)l{2 cü sin 9) von der Oberfläche bis zum Boden hinab folgen, und von einer allgemeinen äquatorialen Schwellung in einem unbegrenzten (die ganze Erde umgebenden) Ozean kann gar kein Wasser polwärts abgeführt werden, sondern alles muß nach Westen hin die Erde umkreisen: eine sehr bedeutsame Einwirkung der Erdrotation. Anders aber, wenn auch die Reibung eingreift. Wir können uns über die eintretenden Reibungseffekte zunächst einen ^) Die mittlere Windstärke der untersuchten 194 Fälle war 4 V2 bis 5 Beaufort, also etwa 8 m p. S.; nach einer später anzuführenden Formel ergäbe dies Z) = 66 m. Vereinte Wirkung von Reibung und Erdrotation. 465 Rat bei den Meteorologen holen, die es ebenfalls, und zwar fast ausschlieiJ- lich, mit Druckgradienten zu tun haben. Nach den Untersuchungen von Mohn und Guldberg^) ergibt sich dann folgendes. In beistehender Fig. 120 sind J und J^ zwei Isohypsen, wo J^ höher liegt als J; ein Wasser- teilchen A von der Masse = 1 erhält dem vorhandenen Gefälle gemäß eine Tendenz nach A' ; tatsächUch bewegt es sich aber mit der Geschwindig- keit V in der Richtung A S, so daß zwischen dieser Stromrichtung und der des Druckgradienten ^ ^' = G^ ein Winkel tj> besteht, den wir als Ablen- kungswinkel bezeichnen wollen. Wir wissen, daß wenn das bewegte Teilchen ^^' A nur der Erdrotation nachgeben könnte, ^^^"^ es der sogenannten Trägheitskurve (oben ^^^^ S. 450) folgen müßte; diese Kurve TT' würde es in diesem Falle, wo nordhemi- ^^r/^ \\ ^'^' sphärische Verhältnisse in Betracht ge- j^^^ "^^v \^v s^/ -.>""^"*"7" zogen sein mögen, nach rechts von sei- ner Strombahn abführen. Tatsächlich finden wir aber das Teilchen auf dem Wege A S nach hnks aus der Trägheits- kurve hinweggedrängt, entsprechend der Komponente A N der Gradientkraft G. ■ ^ Die Größe dieser Komponente bestimmen "®''^^'*"°^(/u^idb^erg unTK"*"^^^ ^ ""^"^ wir als Differenz der beiden Zentripetal- kräfte sowohl der Trägheitskurve v^r, als auch der Strombahn v^Ti, so daß AN — v^r — v^/r-i wird. Aus früheren Darlegungen kennen wir den Krümmungsradius der Trägheitskurve r<= vßoa sin

= (2 w sin f)/k. Wir sehen hieraus, daß der Ablenkungswinkel t|> mit verstärkter Reibung k kleiner wird und daß er mit zunehmender geographischer Breite tp wächst; die Stromgeschwindigkeit selbst ist von keinem Einfluß auf tj>: Die Meteorologen sind nun in der vorteilhaften Lage, da sie es nur mit Gradientkräften zu tun haben, den Reibungskoeffizienten k empirisch zu bestimmen, indem sie die letzte Gleichung nach k auflösen, also in k = 2 lüsintp . cot ^ den Winkel ^ aus den die Wind- und Gradient- richtungen darstellenden synoptischen Wetterkarten entnehmen. Für alle ozeanischen Strombewegungen sind aber außer den Gradientkrätten noch zahlreiche andere Stromkonstituenten in Betracht zu ziehen; für unsere Zwecke sind also die Stromkarten keineswegs zu benutzen. Mohn ^) A. Sprung, Lehrbuch der Meteorologie, Hamburg 1885, S. 120 f. KrUmmel, Ozeanographie. II. 30 466 Die Wirkung der Reibungswiderstände. ist nun allerdings der Meinung ^), daß abgesehen von den unmittelbar den Meeresstrand und Meeresboden berührenden Wasserteilchen die Reibungs- widerstände völhg unbedeutend und daher ganz zu vernachlässigen seien, woraus er einen Ablenkungswinkel von fast genau 90° folgert und auch in seiner rechnerischen Behandlung der Stromvorgänge des Nordmeers anwendet. Es ist nun bemerkenswert, daß AValfrid Ekman wenigstens für die oberen Schichten der tieferen Meere zu einem ähnlichen Ergebnis ge- langt, während die tieferen Schichten und alle Wassermassen der seich- teren Meere eine erhebliche Einwirkung der Reibungswiderstände auf- weisen , so daß für sie der Ablenkungswinkel (j> kleiner als 90 " werden muß. Ekman verwendet auch für diesen Fall die Reibungstiefe D und setzt zunächst die gesamte Meerestiefe d größer als D. Dann bedient er sich folgenden Kunstgriffs : er geht von der Annahme aus, daß das Wasser ursprünglich in Ruhe und von keinem Druckgradienten beeinflußt sei, daß dafür aber der Meeresboden selbst sich mit einer Geschwindigkeit U, wie vorher, aber in entgegengesetzter Richtung bewege. Dann entsteht durch die Reibung ein Bodenstrom, dessen Impulse sich von unten nach oben hin in derselben Weise fortpflanzen, wie das bei einer Windtrift von der Oberfläche aus in die Tiefe hinab erfolgt; dann haben wir vom Boden aus gemessen im Abstand D die Geschwindigkeit U e"'^ und die Richtung um 180" gegen die Bewegungsrichtung des Bodens gedreht usw. Wird nun der ganzen Wassörmasse die Bewegung U ~ {g sin i)l{2 to sin cp) gegeben, wodurch der Boden wieder bewegungslos wird, so treten keine neuen Reibungskräfte auf, sondern der Ablenkungskraft wird eine Zulage hinzu- gefügt , der vom Druckgradienten o g sin i das Gleichgewicht gehalten wird. Die Verteilung der Stromrichtungen und -stärken im Bereiche des Bodenstroms also bis zum Ab- stände D vom Boden her ist aus beistehender Fig. 121 er- sichtlich ; unmittelbar, über dem Bod'in ist dann der Ab- lenkungswinkel 45 "nach rechts von der Richtung des Druck- jj^ gradienten (0 Y), in zunehmen- U^ ~ dem Abstände vom Boden Verteilung der Stromrichtungen bei einem Gefällestrom wächst dieser Winkel, und im in den verschiedenen Tiefen bei homogenem Wasser, AV.<:,4-ov,,q n T „^1,4- „;^ . wobei rf sin (f ' 1'= 1 (B\rif)2ad -|-8in2ad &o]1^ 2 ad + coa 2 ad* G= 1 (Sinl)2ad — 8in2( ©oft) . 2 ad + cos 2 ( 468 Die Wirkung der Reibungswiderstände. In der Fig. 123, wo der Vereinfachung halber E = l gesetzt ist, sind wiederum die Kurven für die Tiefen d/D = V4, V2) ^i, V2 von Ekman konstruiert; für Tiefen d/D =■ ^/s und ^4 sind wenigstens die Endpunkte des Oberfiächenstroms (von 0 her auszuziehen) angegeben. Auch in diesem Falle wird deuthch, wie die Rechtsablenkung bei relativ größeren Wasser- tiefen immer ausgeprägter auftritt. Dieses Verhalten ist für Konvektions- ströme im freien Meer auch maßgebend, wenn unter der Tiefe = d noch eine zweite Schicht mit Gradienten in entgegengesetzter Richtung aber in sonst gleichen Verhältnissen nach unten wachsend, wie in der Ober- schicht, angeordnet ist (die Fig. 121 wäre dann einfach um 180" zu drehen), Fig. 123. 1 2 3 i S 6 Yerteilung der Stromrichtungen innerhalb eines Gefällestroms bei geschichtetem Wassel- (nach W. Ekman). vorausgesetzt, daß in der Tiefe 2 d keine Reibung die Bewegungen stört. Ist dieses aber der Fall, so komplizieren sich die Gleichungen ungemein. Für diese letztere Bedingung werden wir später bei der Darstellung der Konvektionsströme Hilfsmittel der Rechnung kennen lernen, die uns wenigstens angenähert über die entstehenden Bewegungen ein Urteil er- lauben. Zum Schlüsse sei noch kurz auf eine periodische Änderung hingewiesen, die Walfrid Ekman an allen diesen von der Erdrotation beeinflußten Strö- mungen annimmt. Wie oben (S. 450) erwähnt, bewegt sich unter der ablenken- den Kraft der Erdrotation ein mit der Geschwindigkeit v behaftetes Teilchen auf einer Trägheitskurve, die bei den geringen Werten von v im Meere an- genähert in einem Kreise vom Radius r = vi {2 00 sin r/>) auftritt. Diese Bahn wird mit einer Umlaufszeit iil{co sin cp) durchlaufen, die gleich einem halben Sterntage dividiert durch sin (f ist. Es ist das dieselbe Zeit, in welcher sich die Schwingungsebene eines Pendels im bekannten Foucaultschen Experiment um 180" verschiebt; nach einem Vorschlage von H. Geelmuyden nennt Ekman sie einen halben Pendeltag und teilt sie in 12 P e n d e 1 s t u n d e n. In höheren Breiten ist dann ein Pendeltag von ähnlicher Größenordnung wie ein Sonnentag, gegen den Äquator hin aber wächst er rasch, und am Äquator selbst wird er unendlich groß. Die von den oberen Schichten in die tieferen unter Einfluß der Reibung fortgepflanzten Bewegungsimpulse, z. B. in einem Triftstrom, werden durch die Erdrotation dadurch in einer gewissen Weise periodisch variiert werden, indem die Spitze eines Strompfeils m den Fig. 118 bis 123 eine Spirallinie um die dargestellte endliche Größe und Richtung Die Kontinuitätsbedingung. 4G9 beschreibt und jede Windung in 12 Pendelstunden vollendet. Diese Hodo- graphen sind von J. Fredholm genauer berechnet und auch graphisch dar- gestellt^); sie haben für die praktische Messung der Meeresströmungen viel- leicht insofern eine gewisse Bedeutung, als außerhalb der Wendekreise diese Schwingungen sich mit den Gezeitenströmen kombinieren können. Näher zum Äquator wird die Schwingungsperiode aber sehr groß (in 0<*15' Breite nach Beginn einer Übertragung an der Oberfläche 2748 Stunden Sternzeit oder 3V4 Monat für einen Umlauf), so daß die strömenden Teilchen auch bei einer sehr kleinen meridionalen Bewegungskomponente in höhere Breiten davongeführt, also diesen Einwirkungen entzogen sein werden. — Diese von Ekman ausgearbeitete Theorie für das Eingreifen der Rei- bung und Erdrotation auf Meeresströme steht und fällt mit dem Begriff der Reibungstiefe D. Wie aus der Definition (S. 460) dieser nach den Um- ständen merkwürdig variabeln Größe hervorgeht, hat sie im Grunde nur eine konventionelle Bedeutung, und es wird nicht nur die Aufgabe der hydrodynamischen Theoretiker 2) sein, an der Zulässigkeit eines solchen Begriffes ihre Kritik zu üben, sondern vor allem auch den praktischen Ozeanographen obliegen, durch entsprechend angeordnete Strommessungen festzustellen, wie weit die Erscheinungen im offenen Ozean selbst zu den analytisch gefundenen Gesetzen passen und worin sie abweichen. Dies scheint auch, soweit man bis jetzt urteilen kann, der einzige Weg zu sein, um die virtuelle Reibung bei Strombewegungen im Meer genauer aus- zuwerten. 4. Die Wirkung der Eüstenkonfiguration. Stromteilung. Eompensationsströme. Ganz anders wie die Atmosphäre, die in rings geschlossener Hülle den Erdball umgibt, ist die ozeanische Erfüllung der Meeresbecken seitlich vom Land begrenzt und dadurch in ihren Bewegungen mannigfach be- hindert und eingeengt. Strömungen, die durch irgend eine Ursache hervor- gerufen sind, gleichviel durch welche, werden daher beim Auftreffen auf die feste Umrandung des Meeresbeckens aus ihrer ursprünglichen Bahn abgelenkt, oder durch Halbinseln oder Inseln in Teilströme zerlegt. Dazu kommt, daß das Wasser nicht, wie die gasförmige Atmosphäre, durch entsprechende Verdünnung oder Verdichtung erweiterte oder verengerte Strombahnen ausfüllt, sondern infolge des Zusammenhangs der Wasser- teilchen miteinander seitliche Gegenbewegungen hervorruft, die ver- hindern, daß leere Räume im Wasser entstehen , wenigstens solange die Bewegüjigsimpulse nicht so stark sind, daß turbulente Bewegungsformen auftreten, wie beispielsweise bei überbrechenden Wellenkämmen. Die Wirkungen dieser sogenannten Kontinuitätsbedingung sind in Gestalt der Kompensationsströme überaus wichtig für das ^) Auch in den Ann. d. Hydrogr. 1906, S. 479, sonst in der oben S. 459, Anna. 2 genannten englisch geschriebenen Abhandlung mehrfach. 2) Den bisher einzigen Versuch in dieser Richtvmg hat 0. E. S c h i ö t z (Ann. d. Hydrogr. 1908, S. 429) unternommen. Wie aber W. E k m a n in seiner Replik (ebenda 8. 481) ausführt, gelangt S c h i ö t z teils zu den gleichen Ergebnissen, teils geht er von Voraussetzungen aus, die nicht auf die Verhältnisse im Meer anwendbar erscheinen. Den deutschen Hydrodynamikem liegen diese Probleme leider sehr fem. 470 Die Wirkung der Küstenkonfiguration. Strombild und müssen mit denen der Beckenkonfiguration als die wichtig- sten geographischen Konstituenten der Meeresströmungen anerkannt werden. Soweit ich sehe, hat den Begriff der Kompensation zuerst Varenius formuliert; er sagt geradezu: Wenn ein Teil des Ozeans sich bewegt, so be- wegt sich der ganze Ozean; denn dieser seinen alten Platz verlassende Teil bewirkt daselbst eine Niveauerniedrigung, welche von den Nachbarteilchen ausgefüllt wird durch einen Zustrom, dessen Stärke umgekehrt proportional ist ihrem Abstände von jenem Platze. Varenius hat indes versäumt, daraus die Folgerungen für die Meeresströmungen zu ziehen. Das hat dann aber V 0 8 s i u s nachgeholt. Bei ihm spielen die kompensierenden Bewegungen (auch das Wort compensare ist oft gebraucht) eine bedeutende Rolle, seine oben erwähnten Stromzirkulationen werden durchweg in dieser Richtung ge- deutet {maria in gyrum volvuntur, sie postulante ipsa natura et eonstitutione aequoris). Von den neueren haben eigentlich nur zwei die Bedeutung der Kontinuitätsbedingung für die Meeresströme generell betont : M a u r y (Ex- planations and Sailing Directions etc. 1852, p. 46), ohne indes dieselben prak- tischen Folgerungen daraus zu ziehen, wie I. Vossius getan, und A. Mühry, im einzelnen dann auch F. L. E k m a n und S. Fritz. Seitdem ich in der ersten Auflage dieses Handbuchs (1887) darauf hinwies, ist die richtige Wür- digimg des KompensationsbegrifEs mehr und mehr Gemeingut der Theoretiker geworden. Die durch Stromteilung und das Kompensationsbedürfnis he^ vor- gerufenen Vorgänge sind nur auf empirischem Wege, durch Beobachtung in der Natur und willkürliche Wiedererzeugung derselben Strombilder im Experiment vollständig aufzuklären ; die mit vereinfachenden Annahmen arbeitende mathematische Analysis kann nur den allereinfachsten Vor- gängen beikommen. Den Fall, daß ein Strom mit gegebener Breite und konstanter Ge- schwindigkeit, aus der Unendlichkeit kommend, auf eine geradhnige vertikale Wand stößt , hat Z ö p- Fig. 124. r Symmetrische Stromteilung beim senkrechten Auftreffen auf eine feste Wand. p r i t z ^) in Anlehnung an K i r c h- h o f f untersucht. In gewissen einfachen Fällen läßt sich die Form des Stroms nach dem Stoße berechnen, so zf B. wenn die Wand senkrecht gegen die Rich- tung der Stromachse und symme- trisch zu ihr steht. Der Strom teilt sich in zwei Hälften von gleicher Breite und symmetrischer Lage gegen die Achse. Wenn die Wand X X von unbegrenzter Länge ist, so bewegen sich beide Stromäste in entgegengesetzter Richtung längs der Wand hin fort, und es entsteht eine Strombegrenzung, wie sie beistehende Fig. 124 darstellt, welche auch die vollkommen symmetrische Halbierung der Stromhälften zeigt. ~ 1) Annalen der Physik und Chemie 1878, Bd 8, S. 599; Ann. d. Hydrogr. 1879, S. 155. Kompensationsströme. 47 1 Jede der beiden hat in einiger Entfernung vom Teilungspunkt genau die halbe Breite des Mutterstroms und dann auch die gleiche Geschwindig- keit. Indem man sich die Pfeile der Figur umgekehrt denkt, erhält man dasjenige Strombild, welches beim Zusammentreffen von zwei gleich starken und breiten Strömen entgegengesetzter Richtung, aber parallel entlang der Wandung, zustande kommt. Ebenso kann man sich leicht zwei auf die Wandung senkrecht gerichtete Ströme denken, welche in zwei sehr weit voneinander entfernten Punkten das Ufer treffen, dann sich halbieren und, mit je einer Hälfte an der Wand entlang strömend und in der Mitte zwischen den beiden Mutterströmen aufeinander treffend, einen Gegenstrom zusammensetzen. Das sind, wie man sieht, sehr einfache Bewegimgen. Aber die Meeresbecken sind nach keiner Richtung hin unendlich aus- gedehnt, und die von irgend einer Kraft an einem Orte eingeleiteten Strom- bewegungen rufen darum sehr verwickelte Erscheinungen hervor, wie das Experiment erweist. Die im folgenden beschriebenen Versuche wurden in einer rechteckigen Wanne von 30 cm Breite, 60 cm Länge und 6 cm Höhe angestellt. Zur Er- zeugung des trifterregenden Luftstroms diente ein kleiner Dampfkessel, wie er an Inhalierapparaten sich befindet; in vielen Fällen wird man durch An- blasen eines entsprechend geformten Mundstückes, das in einen Gummischlauch eingesetzt ist, dieselben Leistungen erzielen können. Der Luftstrom traf, wenn das Mundstück passend eingestellt wurde, einen Wasserstreifen von ovaler Fläche mit einer so mäßigen Stärke, daß Wellen niemals entstanden, sondern eine Trift von etwa 0.1 bis 0.25 m in der Sekunde. Die Bewegungen der Oberfläche ließen sich durch aufgestreutes Sägemehl, die der tieferen Schichten durch einen eingeführten Tropfen Tinte leicht und deutlich sichtbar machen. War gleichzeitig noch ein zweiter Luftstrom nötig, so wurde dieser durch Anblasen eines geteilten Mundstücks erzeugt. Durch Ansatz von Gummi- hütchen, in welche passende Löcher eingebrannt waren, ließen sich auch zwßi Luftströme von beliebig divergenter Richtung herstellen. — Wurde nicht die ganze Wasserfläche gebraucht, so konnten beliebige Teile derselben durch aus Blech gefaltete, bewegliche Wände von J_-artiger Gestalt abgeschützt werden, wobei auch gebogene Uferlinien sich durch Einschieben von Blech- streifen in die senkrecht stehende Falte des Schützes beliebig formen ließen. Eine Reihe zu diesem Zwecke angestellter Versuche ergab folgende Resultate. Ein Luftstrom, der über die Beckenwand hinweg von außen kommend das Wasser trifft und es von der Wand in das Becken hineintreibt, erregt mit dem „gezwungenen" Strom, den wir kurzweg die Trift nennen wollen, zugleich ein ganzes System anderer Strö- mungen. Zunächst bewegt sich von allen Seiten in den Rücken der Trift Wasser herbei, um das davongetriebene zu ergänzen. Dieses selbst breitet sich schnell garbenartig aus, indem die äußersten Stromfäden sehr frühe, nach erst kurzer zurückgelegter Strecke, rückwärts umbiegen und in den Rücken der Trift zu gelangen suchen. Die mittelsten Strom- fäden setzen geradünig ihren Weg bis zur gegenüberhegenden Wand fort, wo sie sich teilen, um entlang den Rändern des Gefäßes Gegenströmungen zu bilden, welche ebenfalls in den Rücken der „gezwungenen" Trift ein- lenken. 472 I^iß Wirkung der Küstenkonfiguration. Dieser einfachste Versuch, der in den nachstehenden Abbildungen mehrfach in Variationen wiederkehrt, zeigt also, wie ledigUch durch eine „gezwungene" Trift eine doppelte horizontale Zirkulation an der Wasser- oberfläche zum Vorschein kommt: rechts von der Trift ein Stromring sich drehend in gleichem Sinne mit dem Zeiger der Uhr, hnks von der Trift ein entgegengesetzt drehender Ring. Es ist die Kontinuitätsbedingung, welche das veranlaßt. Wasser ist eben eine zusammenhängende, unelasti- sche Flüssigkeit, für welche das von V a r e n i u s klar vorgeschriebene Gesetz der Kompensation gilt: cum pars Oceani movetur, totiis Oceanus moiielur. Sieht man genauer zu, so findet man auch die Bemerkung des- selben alten Geographen bestätigt, daß die Geschwindigkeit, mit der die Teilchen in Strömung sich versetzen, abnimmt mit dem Abstände von der gezwungenen Trift. So sind da, wo der Luftstrom die Wasserfläche zuerst berührt, die Strömungen von den Seiten her überaus lebhaft, dagegen erfolgen die Bewegungen an der entfernt gegenüberhegenden Wand sehr langsam und betragen nur wenige Milhmeter in der Sekunde. Benutzt man ein breites Mundstück (von 1 mm Öffnung bei 3 cm Breite), so kann man eine entsprechend breite Trift erzeugen und gegen eine der langen Wände der Wanne richten. Die Erscheinungen werden dann von dem Einfallwinkel der Trift an der Wand bestimmt; ist der Winkel =90°, so erhält man eine vöUig symmetrische Anordnung der zwei Stromkreise (Fig. 125, I). Läßt man den Einfallwinkel stufenweise auf 60", 30°, 10° abnehmen, so wird der im spitzen Winkel zwischen Triftband and Beckenrand liegende Stromkreis immer kleiner; aber auch bei 10° ist er noch vorhanden, wie die Fig. 125 unter IV verdeuthcht. Man sieht den Unterschied gegenüber den Lichtstrahlen oder Wasser- wellen, die unter gleichen Winkeln reflektiert werden, während hier der Triftstrom sich spaltet und je einen starken und einen schwachen Ast am Wannenrand entlang sendet. Der Stoß gegen die Wand hat immer eine Komponente senkrecht gegen diese, dadurch wird im Treffpunkte eine Niveauerhöhung bewirkt, die das Wasser von diesem Punkte nach beiden Seiten abfließen läßt, worauf es sehr bald in den Bereich der Kom- pensationsbewegungen im Rücken der gezwungenen Trift hineingezogen wird (das Gebiet der letzteren ist in Fig. 125 durch eine Gruppe von fünf starken parallelen Pfeilen angedeutet^). Dieses Bedürfnis der Kompensation im Rücken der eingeleiteten Bewegung trat am klarsten auf, wenn zwei nur wenig divergierende Luft- ströme gleichzeitig zwei gezwungene Triften erregten. Umstehende Fig. 126 gibt ein Scheina der alsdann in der Wanne eintretenden Bewegungen; wobei hinzugesetzt sein mag, daß hierfür nur die halbe Wanne, durch Ein- setzen passender Blechstreifen, benutzt war. Die beiden starken Pfeile bedeuten die beiden eige;nthchen Triften, die kurzen Pfeile die dadurch erregten Kompensationsströme. Man bemerkt, wie in dem Räume zwischen den zwei nur wenig divergierenden Triften sich eine sehr lebhafte Gegen- strömung entwickelt, die ihre Zufuhr nicht etwa erst von der fernen Gegen- wand leewärts her bezieht, sondern aus den Seitenpartieen der gezwungenen ^) Die in Fig. 125 dargestellten Experimente sind im Sommer 1909 ausgeführt; die übrigen schon im Jahre 1886 und in der ersten Auflage dieses Handbuchs bereits veröffentlicht. Stromexperimente. 473 1 m \^ ' ! ,t'l 474 Die Wirkung der Küstenkonfiguration. Stromsystem bei zwei gesonderten Triften. Trift selbst. An jeder äußeren Flanke der beiden Triften bemerkt man dann wieder die beiden Stromkreise, symmetrisch angeordnet, aber in entgegen- gesetztem Sinne rotierend. Nur die Räume inmitten dieser beiden äußeren Zirkulationen enthielten völlig ruhendes Wasser; ebenso zwei nahe der Ursprungsstelle der eigentlichen Triftströme nach innen zu gelegene zentrale Strecken von geringerer Aus- *^'8* ^^^- dehnung. Sonst war diese ganze, ab- geschlossene Wassermasse überall in Strömung versetzt, die noch minuten- lang andauerte, nachdem die Luft- ströme aufgehört hatten. Durch entsprechend in der Wanne abgeschützte Gliederungen der Was- sermassen ließen sich eine ganze Reihe von Strombildern erzeugen, die aus dem allgemeinen Gesetz der Kon- tinuität auch leicht zu erklären waren. Schon Isaac Vossius hatte die hauptsächhchste Folgerung aus die- sem Gesetze gezogen : daß die Strom- geschwindigkeit im umgekehrten Ver- hältnis stehe zum Querschnitt des Strombettes, und den Satz auf die Meeresströmungen und ihre Verstär- kung in allen Verengungen ihres Bettes, so auch an allen vorspringenden Vorgebirgen und Festlandspitzen angewendet i). Indem die Wanne durch eingesetzte Schütze die in nachstehender Fig. 127 abgebildete Gliederung erhielt (wo die starken Linien die festen Wände bedeuten), Heß sich zwi- schen Ä und b eine Strömung von außerordentlicher Kraft herstellen. Auf dieser bezeichneten Strecke war die Stromstärke übrigens beinahe ebenso groß, wenn die aspirierende Trift bei B ganz fehlte. Diese Figur enthält eine Nachahmung eines Teils des nordatlantischen Strömungs- gebietes und wird uns später noch einmal beschäftigen. Dasselbe gilt von der folgenden Fig. 128, in der man unschwer eine experimentelle Nachahmung des Stromsystems im zentralen Teil des Atlantischen Ozeans wieder erkennt. An der vorspringenden Spitze des an der rechten Seite der Wanne angedeuteten Festlands war die Strom- stärke ebenfalls ganz außerordentlich groß. Endlich wurde auch der Fall untersucht, wo zwei selbständig er- zeugte Strömungen zusammenstießen. Erzeugen wir in Fig 129 einen Oststrom in schmalem Bette, das nur von Norden her im Rücken der Trift eine Kompensation gestattet, so ist durch diese seithche Verengung der Strom ein sehr abgegrenzter, wenn er die südliche Wand ostwärts verläßt. Wird nun an dieser Stelle eine Trift in der Richtung nach NNW erzeugt, so wird der Oststrom abgelenkt, und zwar je nach dem Verhältnis der Stärke dieser beiden Komponenten mehr oder weniger recht nach Norden. Auch hierfür bieten sich mehrere Strömungen der irdischen Meere zum Vergleich dar. ^) Vossius, De motu marium etc. p. 28: Ipsa rerum natura exigit, ut ubi angustior sit canalis, ibi intensior sit aquarum cursus. Neerströme. 471 127. Die Kontinuitätsbedingung, welche verhindert, daß im Wasser leere Räume entstehen, gibt auch die Erklärung für die zahlreichen Gegenströ- mungen, welche in seitUch von Hauptströmen gelegenen Winkeln auf unseren Stromfiguren sehr klar zum Vorschein kom- ^^S- men. Der deutsche See- mann nennt solchen Strom „eine Nee r", ein Aus- druck, der verdient in die wissen schaftUche Termi- nologie aufgenommen zu werden; ich finde densel- ben bereits in dem Ham- burgischen Handbuch der SchifEahrtskunde vom Jahre 1819, S. 394 emp- fohlen ; auch die Gezeiten- tafeln der KaiserHchen Admiralität bedienen sich desselben mehrfach. Eine schöne Neer zeigt Fig. 127 in dem südwesthchen Sei- te nbecken südhcha; auch Fig. 129 zur Linken der die Ablenkung erzeugen- den Trift. Ihr Vorkom- men an den ozeanischen Küsten ist ganz allgemein, sie haben große und kleine Dimensionen, wie später noch vielfach darzulegen sein wird. Fig. 128. Fig. 129. Als anschaulichstes Beispiel nehmen wir die Stromvorgänge um die In- sel Madagaskar schon hier voraus. Fig. 130 verdeut- licht sie in einem Ausschnitt aus der vom Britischen Hydrographischen Amt im Jahre 1900 herausgegebe- nen Übersichtskarte der Meeresströmungen. Die breite Trift des Südost- passats wird durch die ihr unter einem Winkel von 80" sich entgegenstellende Ostküste von Madagaskar geteilt. Ein Hauptast geht südlich um die Insel herum, ein zweiter lun die Nordspitze weiter auf die Ostküste von Afrika hin, wo eine neue Spaltung erfolgt. Man beachte die kräftig entwickelte Neer an Fig. 127—129. ExperimenteU erzeugte Strömbilder. 476 Die Wirkung der Küstenkonfiguration. der Westküste Madagaskars. — Ein vortreffliclies anderes Beispiel kennen wir bereits aus den Gezeitenströmen der Straße von Messina (S. 369, Fig. 100), wo allerdings die Einbiegungen und Übergänge der Hauptströme in die Neeren entlang den Küsten auch im Original weggelassen sind, um die Klarheit des Fig. 130. 30»ösÜX.vOreerovich 40» Stromteilungen und Kotnpensationsströme um Madagaskar; die Zahlen bedeuten Seemeilen in 24 Stunden, die erste Zahl ist das Minimum, die zweite das Maximum der Stromstärke. (Faksimileausschnitt aus der Karte 2640 der brit. Admiralität.) Bildes der Stromgrenzen nicht zu stören: in einem Falle sind noch Neeren zweiter Ordnung, südlich von Messina, erkennbar (Fig. 100, III), die also wieder in der Richtung des Hauptstroms laufen. Die Neerströme in unregelmäßig und die Kompensationsströme in regelmäßig gestalteten Wasserbecken fallen zum Teil zusammen mit den von F. L. E k m a n beschriebenen sogenannten Reaktions strö- men^). Mit hydrotechnischen Untersuchungen an schwedischen Fluß- mündungen beschäftigt, fand er diese seitlichen Kompensations- und Gegenströme in Mündungsbuchten oder in Binnenseen sehr deutlich aus- geprägt. Überdies zeigte sich ihm vor der Mündung der Götaelf in den EKsborgsfjord eine Erscheinung, welche beweist, daß bei starkem Kom- pensationsbedürfnis eine seitliche Zufuhr allein nicht genügen kann, son- dern auch der Au.f trieb von unten her eingreift, so daß dann weiter in See sogar eine dem ausfließenden Flußwasser entgegengesetzte ^) Nova Acta Reg. Soc. Upsal. 1876; öf versigt af Kgl. Vet. Akad. Handlingar 1875, Nr. 7. Vertikae Kompensation. 477 Tiefenströmung vorhanden war. So deutlich war diese Erscheinung, daß sie sich sowohl in der Verteilung des Salzgehalts in den verschiedenen Tiefen, wie direkt mechanisch durch Treibbojen kennthch machte. Das aus der Tiefe innerhalb des Mündungsgebietes geschöpfte Wasser wa nicht nur salziger, sondern auch durchsichtiger als das fast süße, an SinkstofEen sehr reiche Wasser der Götaelf. Aus der Verteilung des Salzgehalts, wie Ekman ihn am 5. August 1875 fand und nachstehendes Profil I sie verdeutlicht, und aus einer am 19. Februar 1890 wiederholten Nachprüfung der Verhältnisse (Profil II, beide von 0. Petterssori) ist dieser stromauf- wärts gerichtete Unterstrom in der IsohaHne von 20 Promille deutlich erkennbar. An beiden Tagen hatte ruhiges Wetter mit leichten östlichen Winden geherrscht; die Bedingungen waren also trotz der verschiedenen Jahreszeiten vergleichbar. Das Auftreten solcher Unterströme stromauf- wärts in Flußmündungen mit erhebHcher Dichteschichtung hat dann später F. L. Ekmans Sohn Walfrid^) einer genaueren mathematischen Unter- suchung unterworfen; es zeigt sich, daß an der Stelle, wo das Bodenprofil in die Böschung nach abwärts übergeht, ' durch Wegführung des Tiefen- Fig. 131. v*<* Searu. ' Senkrechte Verteilung des Salzgehalts in der Mündung der Götaelf, I nach F. L. Ekman, II nach 0. Pettersson. Wassers, das vom Oberstrom mitgerissen wird, sich der Druck erniedrigt, 80 daß in der Tiefenschicht der Druck außen größer ist als binnenwärts, wodurch eine Gegenbewegung des schweren Tiefenwassers eingeleitet und so lange unterhalten wird, als das leichte Oberwasser ausströmt. Makaroff2) ist nun allerdings de". Meinung, daß die in Fig. 131, I, ') Walfrid Ekman, Ein Beitrag zur Erklärung und Berechnung des Stromverlaufs an Flußmündungen: öf versigt af Kgl. Vet. Akad. Förhandl. Stock- holm 1899, Nr. 5, S. 479 f. ^) Le Vitiaz I, S. 222; vgl. auch S. 206 die Verhältnisse zwischen Kronstadt und Petersburg. 478 Die Wirkung der Küstenkonfiguration. Vertikale Kompensationsbewegungen (im Experiment). erkennbare Aufwölbung der Isobaline von 21 Promille, wofür er auch in anderen Flußmündungen Bestätigung fand, niclit ausscliliei31ich in der angegebenen Weise erklärt werden könne ; er denkt sich, daneben auch eine Senkung des Meeresspiegels über der Stelle, wo das Flußbett seinen starken Gefällebruch seewärts erleidet, also ähnlich wie man unterhalb von Wehren den Flußspiegel gesenkt sehen kann. — Eine weitere Komphkation werden die jeweilig herrschenden W^inde je nach Stärke, Richtung und Dauer geben ; hierüber liegen Untersuchungen von F. L. Cronander^) vor, auf die jedoch erst in ^^' ' anderem Zusammen- hange später eingegan- gen werden soll. Wie der Kompen- sationsstrom auch in der vertikalen Ebene ex- perimentell demonstriert werden kann, zeigen meine nachstehenden (ebenfalls schon 1887 veröfEenthchten) Versuche. In dem Wasserbecken wurde durch zwei lange Schütze ein Kanal von 5 cm Breite hergestellt, dessen Boden durch einen entsprechend gebogenen Blechstreifen die in Fig. 132 im, Querschnitt gegebene dach- förmige Böschung erhielt. Wurde nun, nachdem je ein Tropfen Tinte zu beiden Seiten des unter Wasser liegenden Firstes angebracht war, ein Luft- strom über den Kanal hin geführt, so zeigten sich die in der Figur an- gegebenen Stromvorgänge: das Bedürfnis nach Kompensation war lee- wärts (rechts) von. der Bodenschwelle so stark, daß Wasser aus der Tiefe aspiriert wurde. Dieser Auftriebstrom der Tiefe war so" kräftig, daß kleine, auf dem Abhang angebrachte Farbenkörnchen (Preußischblau, Karmin) von der windwärts (Hnks) gelegenen Seite aus bergauf wanderten und den Kamm überschritten, wo t?- iqo ^ siie Wirkung der Dichteunterschiede. zontal verlaufen und darunter mäßig in entgegengesetzter Richtung geneigt, aber untereinander fast parallel sind." Ganz anders liegen die Verhältnisse für das Gebiet zwischen 33" und 60" S., wie auch im ganzen vom Äquator bis in 60 " S. B. : hier sind drei Schichten von verschiedener Richtung der Flächen gleichen Drucks erkennbar. An der Oberfläche bis zu mäßigen Tiefen muß ein Gefälle nach dem Pol hin vorhanden sein, dann folgt eine Schicht mit Gefälle vom Pol hinweg nach Norden, in noch größeren Tiefen wieder umgekehrt ein solches auf den Pol hin: ein Ergebnis, das nicht in allen Punkten mit den tatsächlichen Verhältnissen in Einklang ist (vgl. Bd. I, S. 437), wie später noch näher zu entwickeln sein wird. Aber wenn nun Forch seine aus- führliche Formel in der Weise kürzt, daß er alle mit i] multiplizierten Größen verschwinden läßt und ebenso das ganze zweite Glied gegenüber dem ersten als sehr klein vernachlässigt, so daß schließlich u = \/ g f . (1 — k^/H^) übrig bleibt, so müssen die danach berechneten Geschwindigkeiten übertrieben groß werden, da er jede Reibung ausschaltet. So erhält er dann auch Geschwindig- keiten, die für die Strecke vom Äquator nach 33 " S. B. in 1000 m Tiefe = 0, aber in 2000 m = 1.22 und noch in 2800 m Tiefe 0.44 m p. S. betragen. Das sollen „zweifelsohne nur obere Grenzwerte" bedeuten, die, selbst wenn die Reibung sie auf Vs oder Vio des berechneten Betrages herabsetzte, noch Ge- schwindigkeiten von einer Größe übrig ließen, „daß man nicht achtlos an ihnen wird vorbeigehen dürfen". Gar nicht beachtet ist aber dabei, daß ein auf die große Strecke von 111 x 33 = 3700 km hin durch ein ständiges Druck- gefälle in Bewegung gesetztes Wasserteilchen durch die Erdrotation stetig aus seiner Bahn abgelenkt werden, also dies Gefälle auf dem so vergrößerten Wege erheblich gemildert werden muß. Diese ganze Rechnung hat uns also auch tatsächlich nicht wesentlich weiter gebracht; sie bedeutet gegen die von Ekman (S. 466) dargelegten Vorgänge sogar einen entschiedenen Rück- schritt, Wenige Jahre vorher hatte F o r c h i) einen neuen Weg versucht, um die Geschwindigkeit eines am Boden der Ozeane äquatorwärts gehenden Aus- gleichstroms angenähert zu ermitteln. Er verweist auf eine gelegentliche Bemerkung Gustav Karstens, ob nicht vielleicht die Bodentemperatüren durch Zufuhr von innerer Erdwärme über den, wie er annahm, ursprünglich extrem niedrigen Stand der Temperatur gehoben sein könnten, und findet aus deü Angaben von G. Schott im Valdiviawerk, daß in der Tat die Mitteltemperatur der untersten 1000 m im Indischen Ozean mit der abnehmenden geographischen Breite eine deutlich wachsende Temperatur aufweise, die er so ansetzt: S. B. . . 400 30» 20» 10» 0» Temperatur 1.22» 1.35» 1.62» 1.75» 1.92» Hieraus entnimmt er dann im Mittel einen Temperaturzuwachs von 0.18» für je 10» Breitenänderung. Ähnlich wie an früherer Stelle dieses Werkes 2) geschehen, setzt er die aus 1 qcm Bodenüäche im Jahr austretende Wärme- menge = 57 cal., wodurch also eine Wassersäule von 0.57 m in einem Jahre um 1 » erwärmt werden könnte, und erhält dann für die 1000 m hohe Boden- säule als Zeit für den angegebenen Zuwachs um 0.18 » im ganzen 1000x0.18/0.57 = 316 Jähre, woraus dann eine Geschwindigkeit am Boden entlang von 0.11 mm p. 3. folgt. Hier ist wieder angenommen, daß das betrachtete kalte Wasser- teilchen aus 40» nach 0» geradeswegs wandern soll, während die Erdrotation es jedenfalls nach links ablenken, also den Weg imd damit die Wärmezufuhr aus der Tiefe vergrößern muß. Doch ist auf diese ganze Betrachtung nicht 1) Ann. d. Hydrogr. 1904, S. 172. *) Bd. 1, S. 378, wo 52.5 cal. ausgerechnet sind. Die Bjerknessche Zirkulation. 499 eben ernstlicher Wert zu legen, denn die Bodenwasser der südhemispliärischen Meere haben nicht den einfachen Ursprung, wie ihn das von Karsten ge- staltete Problem annimmt. d) Die Bjerknessche Zirkulation und die Methode der dynamischen Schnitte. Ein anderes Verfahren, um die Konvektionsströme quantitativ aus- zuwerten, ist von V. Bjerknes^) angegeben und namenthch durch die Arbeiten von Fridtjof Nansen, J. W. Sandström und Björn Heiland-Hansen gefördert , also besonders im Be- reiche der skandinavischen Ozeanographen zu großer Wertschätzung ge- langt. Gegenüber dem Verfahren von Mohn bedeutet das von Bjerknes insofern einen Rückschritt, als die Untersuchung sich auf zweidimensionale Schnittflächen bezieht. Denken wir uns zunächst einen senkrechten Schnitt durch eine homogene Wassermasse gelegt, so werden wir in dieser nur die eine Art von Schichtung erwarten dürfen, die aus der Zusammendrückbarkeit des Wassers folgt: jede tiefere Schicht ist durch den Druck der darüberliegen- den dichter als die höheren. So kann man Flächen gleichen Druckes, also im Schnitt Isobaren konstruieren, die unter der Annahme voller Homogenität des Wassers völhg horizontal und einander parallel ver- laufen werden. Indem man als Druckeinheit ein Dezibar (10^ c.g.ö., vgl. Bd. I, S. 287) nimmt, hegen diese Isobaren ziemlich genau 1 m von- einander entfernt. Ist aber das Wasser durch örtHche Unterschiede im Salzgehalt und in der Temperatur nicht mehr homogen, so werden diese Isobaren durch die Einwirkungen, die Salzgehalt und Temperatur auf die Zusammendrückung des Wassers ausüben, diesen Parallelismus verheren; aber, wie sich leicht zeigen läßt, sind die daraus entspringenden Ver- schiebungen der Isobaren so gering, daß sie im Bereiche der Beobachtungs- fehler hegen, die bei der Bestimmung von Salzgehalt und Temperatur unvermeidhch sind. Es darf also in einem gegebenen Schnitt auch nicht- homogenen Wassers dieses Liniensystem von einander parallel verlaufenden Isobaren praktisch bestehen bleiben. Hierzu tritt nun ein zweites System von Linien, das aus den vor- handenen Dichteunterschieden abzuleiten ist. Bjerknes benutzt dazu den sonst in der Ozeanographie wenig gebrauchten Begriff des spezifischen Volums, d.i. des Volums der Gewichtseinheit, also der cc, die 1 g See- wasser darstellt, was der Reziproke der Sil gleich ist. Diese spezifischen Volumina werden in den Vertikalschnitt eingetragen und dann Linien gleichen spezifischen Volums oder Isosteren konstruiert. Legt man dieses zweite Liniensystem über das erste der Isobaren, so erhält man ein weiteres oder engeres Maschenwerk sich durchschneidender Linien ; bei großen DichtedifEerenzen werden die Isosteren eng aneinander und in großen Winkeln gegen die horizontalen Isobaren auftreten ; sind die Dichte- unterschiede gering, so werden die Isosteren auseinandertreten unu wird das Maschenwerk weiter und lockerer erscheinen. 1) Kongl. Svenska Vetenskaps Ak. Handl. 1898, Bd. 31; öfversikt af Kongl. Vetensk. Ak. Förhandl. 1901, Nr. 10; Göteborgs K. Vetensk. och Vitterhets samhalles Handl. 1901, Bd. 3. 500 Die Wirkung der Dichteunterschiede. Man faßt nun in einem gegebenen Schnitt den zwischen zwei Senk- rechten (z. B. Stationen mit Reihenbeobachtungen) und zwei Isobaren, von denen die eine die Oberfläche des Meeres zu sein pflegt, Hegenden Raum ins Auge und wird dann die darin vorhandene Störung des Gleich- gewichts sofort beurteilen können. Das Bestreben, dieses Gleichgewicht wieder herzustellen, wird stärker oder schwächer sein, je steiler oder weniger geneigt die Isosteren gegen die Isobaren gestellt sind. Es wird sich eine Zirkulation einleiten, wobei sich alle Isosteren den Isobaren möghchst parallel zu stellen suchen, d. h. die leichteren Wasserschichten (mit großem spezifischem Volum) werden sich über die schweren, diese unter die leichten schieben, und wenn es sich um stationäre Verhältnisse in einem räumlich begrenzten Becken handelt, wo sich die Dichteunter- schiede immer wieder erneuern, so werden auch die früher dargestellten senkrechten Bewegungen nicht ausbleiben. Die Geschwindigkeit der Aus- gleichströmung wird der Zahl der im betrachteten Raum enthaltenen Maschen proportional sein. Bjerknes nennt nun in Nachahmung analoger Erscheinungen in der Elektrizitätslehre diese Maschen S o 1 e n o i d e, und in der skandinavischen Literatur ist dann von „Bjerknesschen Kräften" oder von großer und kleiner „Feldstärke" die Rede. Einen von Lord Kelvin einst gebrauchten Ausdruck hinübernehmend, berechnet Bjerknes sodann die Zirkulation^ aus einer Formel, die die Zahl dieser Sole- noide A, die ablenkende Kraft der Erdrotation E und die Reibungswider- stände R gesondert aufführt, also von der Form C = Ä — E — R. Für die Praxis haben Sandström und Heiland-Hansen^) ein verhältnismäßig einfaches Verfahren ausgearbeitet, dessen Benutzung Fig. 137. WNW. 109 103 S.O. Dynamischer Schnitt vom Varanger Fjord bis zur jBäreninsel 21.— 26. Oktober 1908. durch eine Anzahl von Hilfstabellen sehr erleichtert ist. Die spezifischen Volumina werden zunächst für alle Schöpftiefen in Einheiten der 5. Dezimale ausgedrückt. Sodann werden die Difierenzen zwischen ihnen und dem spezi- ^) Über die Berechnung von Meeresströmungen: Report on Norwegian Fishery and Marine Invcstigations, Bd. 2, Nr. 4. Bergen 1903. Vgl. auch Peterm. Mitt. 1904, S. 38 und Taf . 4 von L. B r e i t f u ß. Methode der dynamischen Schnitte. 501 fischen Volum für Wasser von 35 Promille und 0», Fo = 97 262, also V—Vo aufgestellt und, mit einer kleinen Korrektion auf Druck (aus Tabellen zu ent- nehmen) im Schnitt eingetragen. Man konstruiert dann hiernach Linien gleicher Abweichung der spezifischen Volumina vom Normalwert für 35 Pro- mille und 0 °, also Volum- oder Isost eranomalen. Nun ist die örtliche Verteilung der Drucke zu bestimmen. Man erhält sie, indem man die mittlere Volumanomalie jeder einzelnen Schicht mit der Schichthöhe (in Meter) multipliziert, bildet wieder die DifEerenzen dieser Partialdrucke E der einzelnen Schichten gegen den Partialdruck E^ einer Schicht gleicher Höhe aus Seewasser von 35 Promille und 0 ", und trägt diese Druckanomalien E — Eq in eine Tabelle ein. Man kann nun den Gesamtdruck innerhalb einer beliebigen Wassersäule von der Oberfläche bis zu einer Tiefe d hin leicht dadurch aus- drücken, daß man die E — Eq der einzelnen Schichten summiert. In der nachstehenden Tabellie sind für einen Schnitt zwischen dem Va- rangerfjord und der Bäreninsel diese Drucke von der Oberfläche bis zu den Schöpftiefen hin (über dem Bruchstrich), sowie auch die örtlichen Volum- anomalien (F — Fo im Nenner) aufgeführt; Fig. 137 veranschaulicht die da- Verteilung der Volum- und Druckanomalien zwischen Bäreninsel und Varangerfjord. Tiefe 110 109 108 111 107 106 106 104 103 0 79 26 "23" 24 38 45 70 67 109 10 787 78 215 17 230 23 250 26 350 32 430 41 700 70 676 68 1090 109 25 — 492 20 576 23 617 23 830 32 1045 41 1705 64 1687 67 2712 108 50 — 967 18 1150 23 1192 23 1542 24 3032 37 r3355-l L 68 J 3275 59 5360 103 100 — 1842 16 2250 21 2317 22 2817 26 4782 33 6105 42 6025 50 10 050 84 150 — 2167 9 3275 20 3417 21 r43l7-j L 34 J 5332 29 7930 31 8325 42 13 625 59 200 — — 4100 12 4317 15 5647 20 6682 26 9305 24 r 10 9251 L 62 J 16 326 49 250 — — 4540 10 4917 9 6047 20 8062 21 10 430 21 12 325 38 18 700 46 300 — — — 5317 7 — — 11353 16 rl5 925l L 63 J — 350 oder — — — 5717 3 — — 12 405 14 — — Boden NB. Einige mit offenbaren Beobachtangsfehlern behaftete Zahlen sind eingeklammert) 502 I^^ Wirkung der Dichteunterschiede. nach konstruierten Isosteranomalen und Isobaren, die Abstände der Stationen voneinander (110 liegt bei der Bäreninsel, 103 beim Varangerfjord), sowie die örtliche verschiedene „Feldstärke", die im Südosten Sehr groß ist. Um die Zirkulation zu berechnen, fassen wir zimächst den Raum zwischen den Stationen 103 imd 104 ins Auge; der Abstand beider beträgt 88 km. Nach Bjerknes erhalten wir die Zahl der Solenoide von der Oberfläche bis 50 m, indem wir die Differenz der Druckanomalien in 50 m bilden, also nach der Tabelle 5350 — 3275 = 2075, und diese Zahl durch den benetzten Umfang der betrachteten Fläche in Zentimeter dividieren. Dieser ist 2 (88 + 0,05) = 176.1. km oder 17 610 000 cm, also die Zirkulation = 0.000118 cm; die Zahl bedeutet die einem Wasserteilchen in 1 Sekunde erteilte Beschleujiigung, die also in 24 Stunden (86 400') auf 10.18 cm p. S. anwächst. Für 100 m Tiefe ist für dieselben Stationen in 24 Stunden diese Beschleunigung = 19.74 cm, in 150 m = 25.95, in 250 m = 31.20 cm (für 200 m ist bei Station 104 ein Beobachtungsfehler unterlaufen). Für ein anderes Gebiet erhalten wir natür- lich andere Zahlen: zwischen den 565 km voneinander entfernten Stationen 103 und 108 für 200 m Tiefe berechnet sich nur eine Akzeleration von 9.35 cm in 24 Stunden. Diese Beschleunigung wächst mit der Zeit stark an; so im vorigen Beispiel für 250 m in einer Woche von 0.00043 cm in der ersten Sekunde auf 218.4 cm in der letzten Sekunde, und die durchlaufene Wegstrecke ist für den ersten Tag (gemäß s = ^/^at'^) = 17 km, nach einer Woche aber 832 km. Die hiernach berechneten „Bjerknesschen Kräfte" sind ako nicht unbedeutend, sobald von der Reibung abgesehen wird. In einer etwas späteren Abhandlung ^) hat Heiland-Hansen ge- zeißt, daß man auch die Differenz der Geschwindigkeit an der Oberfläche und in einer gegebenen Tiefe leicht finden kann aus der Formel »0 — V = Äl{2 CO .10^ .L sin qp) worin A die Differenz der Druckanomalien zweier Stationen a und b, also {E — Eo)a — {E — EQ)b, L die Entfernung der beiden Beobachtungsstationen von einander in Kilometern bedeutet. Den Faktor 2 co . 10^ . sin Ablenkungswinkel für Konvektionsströme gemäß Fig. 138—140 (nach W. Ekman). 506 Die Wirkxing der Dichteunterschiede. wird aber bei Tiefen, wo die Dicke d der Küstenwasserscliicht kleiner als ■die halbe Reibungstiefe ist, auch in den mittleren Schichten schwereres See- Fjg. 142. Stronarichtun^ und -stärke für Eonvektionsströme entlang einer Küste (parallel zur X-Achse), wo die obere Schicht homogen ist, für verschieden bemessene Tiefen <*. Nach W. Ekman. Wasser noch seewärts mitgeführt, wie die Kurven für 0.25 D und 0.1 Z) erkennen lassen. — Ist das Küstenwasser nicht homogen, sondern in sich ge- ^. „ schichtet, so ändert sich *'^- ^*'*' das Bild der Strombe- ^ . J wegungen nicht unerheb- lich (Fig. 143). Es wird nicht sa. viel schweres Meerwasser vom leichten Land Wasser seewärts mit- geschleppt. Je tiefer die Landwasserschicht im Vergleich zu D ist, desto mehr bewegt sie sich parallel zur Küste nach rechts. — Dasselbe wie in Fig. 142 bei in sich geschichteter Ober- schicht. Nach W. Ekman. f) iDie Strömungen in Meeresstraßen. Am deutlichsten werden sich die Dichteunterschiede und die daraus entstehenden Konvektionsströme in den Verbindungswegen zwischen den Nebenmeeren und den Ozeanen, nicht nur der höheren, sondern auch der niederen Breiten entwickeln, so daß man sagen darf, daß für die vorhandenen Straßenströme in der Regel die Dichteunter- schiede zwischen Ozean und Nebenmeer die entscheidenden Konstituenten Hefern. Hier sind nun zwei Gruppen von Meeresstraßen zu unterscheiden: solche der höheren Breiten, wo im Nebenmeer die Zufuhr von Landwasser überwiegt und eine Niveauerhöhung die Folge ist, und solche der niederen Breiten, wo im Nebenmeer die Verdimstung stärker ist als die Zufuhr von Regen- und Landwasser. Zur ersten Kategorie gehören : die Ostsee in den Belten und dem Kattegat; das Schwarze Meer in Bosporus und Dardanellen; aber auch, obschon nicht ganz rein ausgeprägt, der Golf Die Strömungen in Meeresstraßen. 507 von St. Lorenz in der Cabotstraße, und als größtes Beispiel das Nördliche Eismeer mit seinen oberflächlich durch die Dänemarkstraße und durch die Baffinbai abströmenden Land- und Eisschm'elzwassern. Zur zweiten Kategorie stellen wir das Mittelmeer in der Straße von Gibraltar und das Kote Meer im Bab el Mandeb. Vielleicht tritt ihnen auch der Persische Golf zur Seite. An ruhigen Tagen, wo der Wind und Barometerstand keine Störungen bewirken, und zur Zeit der Quadraturen, wo sich mit dem geringen Tiden- hub auch die Gezeitenströme abschwächen, sind in diesen Straßen zwei übereinander gelagerte Strömungen deuthch nachweisbar: die Oberschicht bewegt sich dann allemal nach dem Gebiete des höheren spezifischen Ge- wichtes hin, also in der Straße von Gibraltar und im Bab el Mandeb aus dem Ozean in das Nebenmeer hinein, dagegen im Bosporus, in den Belten, in der Cabotstraße und in den beiden genannten Auswegen des Nördhchen Eismeers in den Ozean hinaus. Alle diese Beispiele Hegen in der nördlichen Hemisphäre; die unvermeidhch auftretende ablenkende Kraft der Erd- rotation drängt alsdann den Strom nach rechts gegen die Küste, und so werden wir den Sund besonders als das eigenthche Ausfuhrtor der leichten Ostseewasser kennen lernen, wie denn dieser Oberflächenstrom auch in der Gibraltarstraße gegen das marokkanische Südufer und in der Cabot- straße ebenso rechts gegen Neusohottland hin drängt, während es an der gegenüberhegenden Straßenseite sogar zu oft gar nicht schwachen Gegenströmen kommen kann. Bosporus und Dardanellen sind wohl zu eng für eine derartige Sonderung, obwohl doch die enge Straße von Kertsch Anzeichen für solche Ablenkungen aufweist. Das Bab el Mandeb ist noch zu wenig erforscht, um in dieser Hinsicht Näheres aussagen zu können. Desto entschiedener ist die Sonderung durch die Erdrotation in den Zu- gängen des Nördhchen Eismeers: dem sich an Ostgrönland rechts an- lehnenden Treibeis- und Landwasserstrom steht die atlantische Ein- strömung an der norwegischen Seite gegenüber; dem arktischen Eisstrom aus der Baffinbai, der sich rechts gegen Baffinland und später gegen Labrador lehnt, liegt auch hier einströmendes atlantisches Wasser an der Grönlandseite gegenüber und kombiniert sich hier in recht paradoxer Weise mit dem eisführenden Ostgrönlandstrom. Auf Einzelheiten wird bei der näheren Beschreibung der Meeresströme später zurückzukommen sein. In den meisten der genannten Meeresstraßen, zumal in den engeren. Toren gegen den Ozean hin, sind kräftige Gezeiten wirksam, und die auf- tretenden Strombewegungen sind daher ohne Eücksichtnahme auf die Gezeitenströme unverständhch. Namenthch gilt das für Strommessungen, die leider nicht überall, wie es doch selbstverständUch sein sollte, min- destens für eine volle Tide oder rund 13 Stunden an derselben Station fortgesetzt worden sind. Es Hegt auf der Hand, daß der Gezeitenstrom, der jedesmal die ganze Wassermasse von der Oberfläche bis zum Boden hin erfaßt, sich als Ebbe- und als Flutstrom hemmend oder fördernd anders mit dem Oberstrom als mit dem Unterstrom verbinden muß. Tereinzelte Strombeobachtungen sind also gar nicht imstande, die vor- handenen Zustände aufzuklären. Es wird gut sein, einmal für einen ideeUen Fall diese recht verwickelten Kombinationen der vier Ströme entlang i08 Die Wirkung der Dichteunterschiede. einer Vertikale rechnungsmäi3ig zu verfolgen ^) ; die gewählte Kombination- ist der in der Gibraltarstraße mutmaßlich, vorhandenen ähnlich, soll aber keineswegs in den Zahlenangaben als damit identisch vorgetragen werden. Wir nehmen an, daß in einer Meeresstraße von 300 m Tiefe die Grenz- fläche in 200 m hege, und daß der Oberstrom in der Fig. 144 nach rechts oder Osten, der Unterstrom entgegengesetzt gerichtet sein möge. Der Oberstrom habe an der Oberfläche eine Geschwindigkeit von 100 cm p. S. und nehme bis zur Grenzfläche hin, wo er Null wird, entsprechend der Quadratwurzel aus dem Abstand von der Grenzfläche ab, so daß also Pig. 144. Isoplethen der Stromstärken (cm p. 8.) und Richtungen innerhalb einer Wassersäule für jede Mondstunde nach Hochwasser bei Kombination von Gezeiten- und Dichtestrom (Typus der Strömungen in der Gibraltarstraße). in erster Annäherung die Formel v = \/2gh angewandt werde. Der Unterstrom sei unterhalb der Grenzfläche mit seinen Geschwindigkeiten symmetrisch zum Oberstrom, aber mit entgegengesetzten Vorzeichen an- geordnet; er hat also am Boden (in 300 m) nur die Stärke, die dem Ober- strom in 100 m Tiefe unter der Oberfläche zukommt. Der Gezeitenstrom ist durch die ganze Wassersäule hindurch gleich stark, ändert aber seine Geschwindigkeit gemäß der früher (S. 14) für alle Seichtwasserwellen aufgestellten Regel so, daß er in der dritten Mondstunde nach Hoch- oder ^) Einen ersten, sehr überschläglich gehaltenen Versuch in dieser Richtung hat E. W i 1 1 e in der Gaea 1909, S. 400 gemacht. Die Knudsenschen Relationen. 509 Niedrigwasser das Maximum mit 86 cm erreicht, dann in den folgenden beiden Mondstunden auf 63 und 23 cm abnimmt; Ebbe- und Flutstrom sind gleich stark, nur mit entgegengesetztem Vorzeichen. Hier sei der Flutstrom nach Westen angenommen. Die hiernach sehr einfache Rech- nung wurde für 12 Mondstunden und je 40 m Tiefenabstand durchgeführt und in der Fig. 144 in Isoplethenform dargestellt. Nach Hochwasser fließt der Ebbestrom ostwärts, summiert sich in der Oberschicht mit dem gleichgerichteten Gefällestrom, auch unterhalb der Grenzfläche ist er in der dritten Mondstunde stärker als der westwärts gehende Unterstrom, so daß sich also um diese Zeit die ganze Wassermasse nach Osten be- wegt. Um 6 Uhr Mondzeit tritt der Flutstrom auf, er schwächt den gegen- laufenden Oberstrom zusehends, so daß er zwar nicht stark genug wird, ihn an der Oberfläche umzukehren, jedoch es vermag, die ganze Wasser- säule von 40 m bis zum Boden hin nach Westen zu verschieben, wobei die Geschwindigkeit mit der Tiefe wächst. Man würde, natürhch auch unter einer anderen Annahme für die sekundHche Geschwindigkeit des Oberstroms, die Vorgänge so abstimmen können, daß der Unterstrom, durch den Flutstrom verstärkt, in der 9. Mondstunde vorübergehend auch die Oberfläche erfaßte. Jedenfalls sieht man sofort, daß Strommessungen, die nicht eine volle Tide hindurch die ganze Wassersäule in Abständen von 1 oder 2 Stunden untersuchen, leicht ein ganz unzutreffendes Bild von der tatsächhchen Stromschichtung geben müssen. Zu diesem Widerspiel der beiden Strompaare kann nun noch die Wirkung des Windes in Gestalt einer Oberflächentrift' und eines in der Tiefe rücklaufenden Staustroms treten, und sodann die Bildung interner Wogen an der Grenzfläche. Beides ist imstande, Mischungen zwischen den verschieden dichten Wassermassen des Ober- und Unterstroms zu erzeugen, so daß dann auch die genaueste Feststellung der spezifischen Gewichte in zahlreichen Schöpftiefen niemals ein zutreffendes Bild (z. B. auch für die Lage der Grenzfläche) gewährt, wenn man auf einer Station nur einmal am Tage arbeitet. Durch diese Schwierigkeiten wird demnach die Aufgabe, die wirkliche Dichte- und Stromschichtung einer tidebewegten Meeresstraße ei- wandfrei darzustellen, ein sehr mühsames, zeitraubendes und kostspieüges Unternehmen. Schon die früher dargelegten Beispiele für den Großen Belt bei Revsnäs (S. 194) und in der Gibraltarstraße (S. 367) lassen das zur Genüge erkennen. g) Die Knudsenschen Relationen. Weniger für die Entstehung der Dichteströme bedeutsam, als für ihre Leistungen bezeichnend sind gewisse Sätze oder Relationen, die Martin Knudsen^) aufgestellt hat, wobei ihm wesenthch die Strom- vorgänge in den Zugängen zur Ostsee vor Augen lagen, und seine Absicht dahin ging, aus den beobachteten Salzgehalten das Verhältnis der im Ober- und Unterstrom bewegten Volumina angenähert zu bestimmen ; auch in diesem Falle sind stationäre Verhältnisse vorausgesetzt. 1) Ann. d. Hydrogr. 1900, S. 316; der Titel „ein hydrographischer Lehrsatz" ist wohl nicht ganz zutreffend, denn es handelt sich um drei Gleichungen. 510 I^ie Wirkung der Dichteunterschiede. A und B sind zwei senkrechte Quersclinitte durcli eine Meeresstraße oder eine Flußmündung; i und i' bedeuten die Wassermengen, die der ausfließende Oberstrom in der Zeiteinheit durch A und B fördert; u und u' habeji die entsprechende Bedeutung für den entgegengesetzten Unterstrom. Der mittlere Salzgehalt des Oberstroms bei A ist s, bei B sei er s' ; ebenso seien die Salzgehalte des Unterstroms bei A=z, bei B aber = z'. Unter der Annahme stationärer Verhältnisse, wo also Schwan- kungen in den während der Zeiteinheit auf dem ganzen Schnitt bewegten Wassermengen ausgeschlossen sind, und bei ebenso konstanter Salzmenge auf der einen Seite der Querschnitte, ergeben sich folgende leichtverständ- Hche Beziehungen: » — i' = u — u'; is = uz; i's' = u'z'. Wenn wir hierin die Salzgehalte s, s', z, z' kennen, so können wir das ge- suchte Verhältnis der Strommengen, d. i. die K n u d s e n s c h e n Re- lationen, danach so ausdrücken : . Z' Z. S .3 , . S' Z — 8 Z Z S' Z Z Z' Liegt der Schnitt A in einer Flußmündung so weit landeinwärts, daß das Salzwasser am Boden fehlt, so ist i die mittlere Wassermenge, die der Fluß in jeder Sekunde ins Meer führt. Dann wird s = 0, also i' — z' i/{z' — s') und u' == s' i/{z' — s'). So ist für F. L. Ekmans Längsschnitt (Fig. 131, S. 477) durch die Götaelf s' = 18, z' = 22 und wird demnach i' = 5.5 i und u' = 4.5 i, also i' :u' = 11 •.9. Da die senkrechte Höhe des Oberstroms nur etwa 3 m, die des Unterstroms aber 9 m beträgt, werden in der Sekunde durch die Flächeneinheit im Oberstrom 11 Raumeinheiten seewärts befördert, gegen 3 im Unterstrom flußaufwärts. Für die eigentliche Ostsee legt Knudsen den Schnitt A rings an den Küsten entlang und durch alle Flußmündungen; B besteht aus zwei Teilen, quer über den öresund und quer durch die Kadetrinne (Gjedser-Darsserort). Dann ist s wieder Null und i bedeutet die ganze Wassermenge, die durch- schnittlich in der Sekunde durch atmosphärischen Niederschlag und Fluß- wasser in die Ostsee gelangt, abzüglich der Menge, die von der Oberfläche verdampft. Indem s' — 8.7 und z' = 17.4 gesetzt wird, erhält Knudsen t' = 2i und u' = i, d. h. es strömt doppelt so viel Wasser durch die genannten Tore der eigentlichen Ostsee aus, als einströmt, imd die im Unterstrom zu- rückgeführte Menge ist so groß wie die Nettozufuhr von süßem Wasser (d. h. Fluß Wasser flus Niederschlag minus Verdunstung). Letzteres ist ganz selbst- verständlich, da sonst eine Auffüllung oder Entleerung der Ostsee im Vergleich zu ihrem normalen Stande erfolgt. Nach den Beobachtungen in der Kadet- rinne legt Knudsen die Grenzfläche etwa in 12 m, dann wird das Verhältnis der Querschnitte so, daß auf den Unterstrom nur Vs entfällt. Ginge alles Salzwasser also durch diesen Schnitt bei Gjedser in die Ostsee hinein und auch der Oberstrom des öresunds hier in der Oberschicht mit hinaus, so brauchte der Oberstrom nur Va der Geschwindigkeit des Unterstroms zu entwickeln. Besonders lehrreich sind noch folgende Ableitungen. Knudsen legt den Schnitt A durch öresund und Kadetrinne, B durch das Kattegat von Fomäs nach dem Skalleriff. Dann ist s = 8.7, z = 17.4, s' = 20, z' = 33, und es Die Knudsenschen Relationen. 511 wird i' = 1,27 i; u' = 0.77 i, also i' : u' = 1.65. Danach ist die Wasser- menge, die im Kattegatprofil nach außen strömt, etwa V4Daal so groß wie die aus der eigenthchen Ostsee durch den Sund und die Kadetrinne eintretende, und etwa 2 ^/iinsil so groß wie die Zufuhr süßen Wassers zur Ostsee. Ferner ist die Menge Salzwasser, die von Süden her in das Kattegat hineinströmt, etwa 1 V2Daal so groß, wie die Menge Salzwasser, die ganz in die Ostsee hinein- kommt; was beaeutet, daß eine Wassermenge, halb so groß wie die ganze von außen in die Ostsee einströmende Menge, zwar in die westliche Ostsee gelangt, aber mit dem Oberstrom wieder hinausgeführt wird, ohne der Ost- see ihr Sal? zugute kommen zu lassen. Da das Salzwasser des ünterstroms im öresund und in der Kadetrinne Mischwasser ist, muß ein Teil davon der Ost- see selbst entstammen. Nehmen wir an, daß das unvermischte Skagerrak- wasser 33 Promille habe, so wird das Mischimgsverhältnis a : b zwischen diesem Wasser und dem Ostseewasser bestimmt sein durch die Gleichung 33 a -I- 8.7 6 = (a -f h) 17.4, woraus a/b = 0.56 oder V2 und a/{a + b) = 0.64 oder Va- Von der Salzwassermenge, die in die Ostsee einströmt, sind alsa etwa Vs von der Ostsee selbst herzuleiten, oder von dem Süßwasser, das die Ostsee verläßt, wird V3 nach der Mischung im Kattegat und in der Beltsee wieder in die eigentliche Ostsee zurückgeführt; und die Wassermenge, die gana von draußen aus der Nordsee kommt, und ganz in die eigentliche Ostsee hinein- dringt, beträgt Ve der Wassermenge i, die in derselben Zeit als baltischer Strom die Ostsee verläßt. Aus diesen Beispielen geht die große Tragweite der Knudsenschen Relationen klar hervor. Eine Verallgemeinerung der Knudsenschen Relationen auch für den Fall,, wo keine Konstanz des Salzgehalts angenommen wird, hat Dr. R. Witting (in Ann. d. Hydr. 1906 S. 416) gegeben. Die Umstände zwingen aber meist doch zur Anwendung der vereinfachten Relationen. Johan Gehrke^) hat später gezeigt, wie mein die von Knudsen aufgestellten Relationen mit ausreichender Genauigkeit auch auf ent- sprechende Probleme an den ozeanischen Küsten anwenden kann, auch wo es sich nicht uin gegeneinander gerichtete Ober- und Unterströme handelt. Gehrke faßt als den einen Querschnitt die Region nordwestlich von Dunnet Head an der schottischen Küste bis zur Isohaline 35.33 Pro- mille seewärts (nach den von M. Knudsen und K. Smith 2) entworfenen Karten der Salzgehaltverteilung) ins Auge; als zweiten die Isohaline 8q = 35.5 Promille westlich vom Britischen Kanal und von Irland. Der senkrechte Schnitt nordwestlich von Dunnet Head hat eine Länge von 211 km und eine Fläche von a = 20.55 qkm, mit einem mittleren Salz- gehalt von s = 35.152 Promille. Die Formel für die Geschwindigkeit: des Stroms in diesem Schnitt lautet dann: Für die Bestimmung des Regenfalls p benutzt er die. Regersche Regen- karte und erhält danach als durchsclmittUche jährHche Regenhöhe der westwärts zum betrachteten Meeresteil entwässerten schottischen, eng- lischen und irischen Landflächen 1.5 m; die Verdunstung schätzt er auf ^) Publ. de Circonstance Nr. 40, Kopenhagen 1907. *) Rapport et Procös Verbaux etc. du C!onseil Perm. Intern, pour TExplor. de la Mer 1906, Bd. 6, S. XXVI. 512 Die Wirkung der Dichteunterschiede. 0.5 m, also den Nettoniederschlag auf 1.0 m^). Das ganze so entwässerte Areal mit dem betrachteten Meeresteil innerhalb der 35.5-Isohaline wird auf 600 000 qkm angenommen, so daß also p — e = 600 cbkm. Hiernach ist i = 2978 km im Jahr oder 9.4 cm p. S. = 4.4 Seemeilen in 24 Stunden. Das durch das betrachtete Profil im Nordwesten von Dunnet Head im Jahre durchströmende Wasser hat also ein Volum von rund 61 000 cbkm, wobei die Geschwindigkeit im ganzen Schnitt gleich groß angenommen wird. An dieser Stromleistung sind sämtHche Konstituenten beteihgt, nicht nur der Dichtestrom des leichten Landwassers nach Nordosten, sondern auch die Windtrift der vorherrschenden Südwestwinde, -iti +i"c h) Die Eisschmelzströme nach 0. Pettersson. Unter den von außen her die Dichtigkeit der Wasserschichten be- einflussenden Vorgängen nimmt die Eisschmelze eine besondere Stellung ein ; den dabei entstehenden Eisschmelzströmen hat Otto Pettersson^) eine große Bedeutung zugeschrieben in der Meinung, daß ihnen nicht nur die Versetzung beträchtlicher Wassermassen vor- nehmlich in den hohen Südbreiten zukomme, sondern auch die Entstehung von starken und permanenten Meeresströmungen, wie des Ostgrönland- stroms im Nordmeer, ja er will sie sogar für die Meeresströmungen all- gemein verantwortlich machen. Durch kalorische Kechnungen und durch Experimente auch in größe- rem Maßstabe , bei denen ihn J. W. Sandström unterstützte, hat er das Wesen dieser Eisschmelz- ^^g- 1*^- ströme aufzuklären versucht. Wenn man einen Block aus gefrorenem Seewasser, wobei das Eis etwas Salz enthält (Bd. I, S. 505), in einen unten und an den Seiten fest anschließen- den Kasten aus ganz dünnem Blech an das • eine Ende einer möghchst langen Experimentierwanne einsetzt, worin sich Seewasser von -f 1 ° C. Temperatur befindet, so wird der Eisblock bis zu einer bestimmten Tiefe L eintauchen ; nur ein kleines Stück, von der Höhe 0.1185 L, ragt aus dem Wasser hervor (Fig. 146). Das Eis beginnt in dem Wasserbade zu schmelzen , das Schmelzwasser sammelt sich in dem Blechkasten an und steigt ein wenig über die ^) G e h r k e rechnet also mit einem Abflußfaktor von 67 Prozent, was doch wohl zu hoch ist. Nach R. Fritzsche (Niederschlag, Abfluß und Verdunstung auf den Landflächen der Erde, Halle 1906, S. 53) ist der Abfluß für das Rheingebiet 44.2, das der Scheide 30.7, der Seine 27.8 Prozent der Niederschlagsmenge. Nur die Garonne hat einen Faktor von 55.3, der Magdalenenstrom von 66.3, der Po von €5.9 Prozent. Für die britischen Flüsse hat Fritzsche keine Faktoren ermittelt. 2) Zuerst in Öfvers. Kongl. Sv. Vet. Akad. Förhandl. 1878, Nr. 2, S. 61 und später Vega Exped. Vetenskap. laktagelser Bd. 2, Stockholm 1883, S. 320; Peterm. Mitt. 1900, S. 84. The Geographica! Journal, London 1906, Bd. 24, S. 285 und 1907, Bd. 25, S. 279. Vgl. auch Ann. d. Hydrogr. 1905, S. 151. c T ■Üc Entstehung der Eisschmelzströme nach 0. Pettersson. Die Eisschmelzströme. 513 freie Fläche des Seewassers in die Höhe (nach Petterssons Berechnung um 0.0278 L). Wird in der Blech wand oben eine Öffnung hergestellt, so kann das Schmelzwasser ausströmen und sich, da es trotz seiner sehr niedrigen Temperatur leichter als Seewässer von 35 PromiUe ist, auf der Oberfläche vom Eisblock hinweg ausbreiten. Wird mm auch der Boden des Blechgefäßes (bei h) geöffnet, so tritt eine lebhafte Zirkulation auf, indem sich Seewasser von unten her mit dem Schmelzwasser vermengt. Fig. 147. Yerteilang des Salzgehalts an einem im Seewasser schmelzenden Eisblock. Nach J. W. Sandström. An der Unterfläche des Eises wird das herangezogene Seewasser abgekühlt und muß, da seine Dichtigkeit dadurch wächst, ohne Änderung seines Salzgehaltes in die Tiefe absinken. Der Wärmeverbrauch ist nach Petters- sons Rechnung dabei sehr beträchtUch; denn das absinkende Seewasser Fig. 148. Anordnung der Stromrichtung und -stärke (vgl. Fig. 146) an einem schmelzenden Eisblock. Nach J. W. Sandström. läßt er sich bis — 1.4^ abkühlen. Für dieses teils in der Tiefe, teils am Eisblock in die Höhe entführte Seewasser wird anderes aus der Ferne herbeigeführt, so daß schheßUch eine doppelte Zirkulation vorhanden ist: an der Oberfläche ein Strom aus leichtem aber kaltem Mischwasser vom Eisblock hinweg ; darunter ein Strom von warmem Seewasser auf den o^iia- block zu; am Boden der Wanne wieder ein Strom kältesten Seewassers in der Richtung vom Eisblock weg. Entsprechende vertikale Bewegungen schließen beide Zirkulationen. Obenstehende Fig. 147 u. 148 nach Sand- Erttmmel, Ozeanographie. II. 33 514 Die Wirkung des Luftdrucks. ström ^) zeigen die Gestalt eines Eisblocks von 1 cbm Größe nach 24 Stunden Dauer der Abscliiaelzung, zugleich, mit der Verteilung des Salzgehalts (Fig. 147) und der Stromstärke und -richtung (Fig. 148). Unmittelbar unter der Eiskante war danach der Strom am stärksten mit 0.22, der Bodenstrora hatte 0.13, der Oberflächenstrom nur 0.03 cm p. S. Pettersson will in der Temperaturschichtung, wie wir sie für den Ostgrönlandstrom und für die hohen Südbreiten kennen (Bd. I, S. 437), den Beweis für die Richtigkeit seiner Auffassung erbracht sehen. Das ist in rein quaUtativer Hinsicht noch zuzugeben, nicht aber in quanti- tativer, d. h. die von der südpolaren Eiskante hinwegströmenden ober- flächlichen Schmelzwasser haben die tatsächlich wahrgenommene Energie nicht ausschließlich dieser Konstituente zu verdanken, sondern es sind auch die antizyklonalen Winde rings um den Südpolarkreis herum eine zweite, mindestens ebenso bedeutende Kraftquelle. Ferner erweist sich schon die Kühlfähigkeit des mächtigen antarktischen Eisgürtels nicht stark genug, das Boden wasser überall unter — 1.0° abzukühlen; auch in der kältesten Region bei der Bouvetinsel kommen nur — 0.3° bis — 0.4° vor. Im nordhemisphärischen Eisgebiet kann das Treibeis nur für die oberste Schicht in Betracht kommen, während die Eisberge zu spärhch und gering an Masse sind, abgesehen vielleicht von einzelnen Wochen an der Neufundlandbank, um die tieferen Schichten noch merkUcli zu beeinflussen. Für den Nordpazifischen Ozean fehlt solche Eiswirkung so gut wie gänzlich. Als Energiequelle für die großen ozeanischen Strom- bewegungen kann also die Eisschmelze nicht eben sehr ins Gewicht fallen. Anders ist es mit gewissen sekundären Wirkungen, und ein Vorgang, der in der Schicht von 800 bis 1000 m Tiefe in den südhemisphärischen Ozeanen bis an den Äquator heran ein Salzgehaltsminimum unterhält (Bd. I, S. 341, Fig. 45), ist auch nicht für ganz gering zu erachten, obschon er nur indirekt wirkt und für die starken Oberflächen Strömungen der niederen und mittleren Breiten sicherlich ohne Bedeutung ist. 6. Die Wirkung des Luftdrucks. Die kräftigsten von außen her auf das Meer einwirkenden und Strom- energie liefernden Vorgänge mechanischer Art haben ihren Sitz in der Atmosphäre, indem diese teils durch ihre örthch wechselnden Druck- unterschiede Druckgefälle im Meer erzeugt, teils durch die Winde eine horizontale Verschiebung der Wasseroberfläche und damit Triftströme hervorruft. Wie bei früherer Gelegenheit bereits bemerkt (Bd. I, S. 60), ist der Ozean ein großes Wasserbarometer, das den Luftdruckschwankungen mit dem etwa 13fachen Betrag der Barometerschwankungen, aber mit um- gekehrtem Vorzeichen, folgt. Wenn an dem einen Ende eines Wasser- beckens das Barometer steigt, so wirkt dies, wie wenn über die ganze be- troffene Wasserfläche hin ein Extragewicht aufgelegt wird ; der Wasserspiegel muß sinken, das verdrängte Wasser sich nach der Gegend des niedrigeren DrucJces hinbewegen. Ist das Barometer zum Stillstand gekommen und ') Ann. d. Hydrogr. 1908, S. 18; wiederholt aus Svenska Hj'drografisk Biologiska' Kommissionens Skrifter II (1905). Bedeutung unperiodischer Luftdruckänderungen. 51^ beharrt es längere Zeit in gleicher Höhe, so bleibt die Niveaudepression bestehen, aber, da nunmehr Gleichgewicht erreicht ist, hören die Be- wegungen des Wassers auf. Erst wenn das Barometer von neuem zu steigen beginnt, wird wieder Wasser nach der Gegend niedrigeren Luft- drucks hin verschoben. — In umgekehrter Folge spielen sich diese Vor- gänge bei fallendem Barometer ab; namentlich ist festzuhalten, daß auch stabil gewordener niedrigerer Druck zwar eine Niveauerhöhung, aber keinen von dieser ausgehenden Druckgradienten hervorruft. Druck- gradienten entstehen nur^ aber auch jedesmal dann, wenn der Luft- druck sich ändert. Darum wird weder der ständig hohe Druck im Gebiet der Roßbreiten, noch der ständig niedrige in der sogenannten isländischen Zyklone oder in der Kalmenzone oder in den hohen Südbreiten entlang 55° bis 60° S. B, Dnickgradienten und daraus folgende Ausgleichströme in Gang setzen. Die von den Monsunen imd den damit zusammenhängenden, halb- jährUch von einem Extrem ins andere schwankenden Barometerständen beherrschten Meeresgebiete werden nur in den Übergangszeiten wirk- same Druckgradienten aufweisen. Wenn im Herbst der Luftdruck im Arabischen und Bengalischen Golf zu steigen beginnt, entsteht ein Druck- gefälle vom südasiatischen Festland hin auf den Äquator, was das Auf- treten der dem winterHchen Nordostmonsun zukommenden Strömungen begünstigen muß ; das gleiche, nur in umgekehrter Richtung vollzieht sich im Frühjahr, wo dann also die nach Nordosten und Osten gerichteten Ströme des sommerHchen Südwestmonsuns begünstigt werden, solange das Barometer über Innerasien fällt. \on verschwindender Kleinheit, wenn auch unzweifelhaft vorhanden, wird die Wirkung der bekannten täglichen Doppelschwankung des Luftdrucks innerhalb der Tropen werden; sie ruft eine Niveaudepression von höchstens 13 bis 14 mm imi 10 Uhr vormittags und abends, eine Schwellung von gleichem Betrage über dem Mittelniveau imi 4 Uhr früh und nachmittags hervor. Wie aber schon Alexander von Humboldt^) richtig bemerkt hat, sind die dadurch erzeugten Transporte von Wasser, die alle 6 Stunden von Osten nach Westen umsetzen sollen, bedeutungslos. Unvergleichhch intensiver wirken die unperiodisch auftretenden Barometerschwankungen, wie sie in den höheren Breiten das Auftreten und die Wanderung der Luftdruckminima und -maxima begleiten. Hier entstehen in kurzer Zeit Druckgradienten von gleicher Größenordnung wie die aus DichtedifEerenzen herrührenden; und wo nicht der offene Ozean mit seiner leicht herzustellenden Druckausgleichung in Betracht kommt, sondern landumschlossene Nebenmeere, die mit dem Ozean durch enge und seichte Meeresstraßen verbunden sind, werden wir recht starke Ströme aus diesen barometrischen Druckdifferenzen erwarten dürfen. Wenn im Winter ein Luftdruckminimum bei den Hebriden erscheint und nach Nordosten oder Osten weiterwandert, entsteht zwischen der deutschen Küste und den Shetlandinseln eine Barometerdifferenz von 1) Relation historique, Paris 1816, I, p. 149 (Ausgew. Stücke a. d. Klassikern der Geogr. 2. Reihe, S. 14). 516 I^iß Wirkling des Luftdrucks. 20 mra und mehr; der im Süden wachsende Druck drängt also in 2 bis 3 Tagen das AVasser der Nordsee nach Norden, und der darauö entspringende Strom, fhirch die Erdrotation rechts abgelenkt, wird sich mit dem aus den allgemein vorherrschenden (dann noch verstärkten) Südwestwinden entstand (uien Triftstrom und dem ebenfalls ein Gefälle nach Norden auf- weisenden Landwasserabfluß vereinigen und so einen recht kräftigen Strom V(tn den Hoofden in die Deutsche Bucht und aus dieser an der Westküf-le Jütlands nach Norden hin unterhalten helfen. Diese Strom- konstituente ist aber nur vorübergehend vorhanden. Daß die besonders im Winter recht starken Barometerschwankungen in der Ostsee den Wasser- anstauscli durch die Belte mächtig beeinflussen werden, ist nicht schwer einzusehen. Fällt das Barometer über der eigentlichen Ostsee und steigt es gleichzeitig über der nördlichen Nordsee, wie das bei Depressionen ge- schieht, die sich auf der sogenannten Zugstraße 4 oder auch 3 der Meteoro- logen fortbewegen, so muß der verstärkte Druck auf der Nordsee deren AVasser cnitgegen dem Baltischen Strom in die Belte hineindrängen und, da dies(^r Überdruck stets bis an den Boden hin wirkt, insbesondere noch den schweren Unterstrom verstärken; die gleichzeitig herrschenden nord- westlichen Winde werden im gleichen Sinne wirken. Umgekehrt kann ein rasches Steigen des Luftdrucks über Westrußland das Wasser aus der Ostsee liinausdrängen, also den Baltischen Strom verstärken, den Unter- strom zurückhalten, wobei die dann sich entwickelnden östhchen Winde wiederum in gleichem Sinne arbeiten, aber als das augenfälligere Phäno- men die Hauptarbeit zu tun scheinen. Nehmen wir an, um an einem Beispiel die Größenordnung der zu er- wartenden Wasserbewegungen ungefähr kennen zu lernen, daß der Luftdruck in 24 Stunden über der eigentlichen Ostsee um Gotland herum, also auf 80 000 qkm, um 22 mm gestiegen sei, so ist von dieser Fläche allein schon ein Wasserquantum von 30 cm :< 80 000 qkm = 24 cbkm aus der Ostsee durch den Sund und über die Darsser Schwelle hinwegzuschaffen; also stünd- lich 1 cbkm. Der Sund hat einen Querschnitt von 0.14, die Darsser Schwelle von 0.65, beide zusammen also von 0.8 qkm, woraus folgt, daß der aus der genannten Luftdruckzunahme zu erwartende Strom 1.25 km in der Stunde oder fast 35 cm p. S. Geschwindigkeit erreichen müßte — also ein ganz respek- tables Maß. Es ist das aber nur ein unterer Grenzwert, denn auch die anderen Teile der Ostseefläche werden an dieser Drucksteigerung, wenn auch in schwä- cherem Grade, teilnehmen. Wir werden später noch andere Berechnungen kennen lernen. Wie ber(!its früher hervorgehoben wurde (Bd. I, S, 61), hat man den theo- retischen Verliältniswert der Niveauänderung, nämlich 13.595/iS, wo & das mittlere spezifische Gewicht der betreffenden Wassersäule bei 15° bedeutet (also /S'40), nur sehr selten gefunden , wenn man längere Beobachtungsreihen daraufhin prüfte. Es ist eben zu schwierig, die Trift- und Stauwirkungen des die Luftdruck Schwankungen begleitenden Windes auszuschalten. Das haben namentlich die .sehr eingehenden Bemühungen von E. Engelenburg ^) und F. L. 0 r 1 1^) lür die niederländische Küste, sowie von Rolf W i 1 1 i n g^) für die finnischen Ge^viisser er^viesen. Nach Engelenburg wird die Halbtide, 1) Ann. d. Hydrogr. 1891, S. 498. 2) Ebenda 1897, 8. 200. 3) Finnl. hydrogr. biolog. Untersuchungen Nr. 2, Helsingfors 1908, S. 219 u. 230. Bedeutung unperiodischer Luftdruckschwankungen. 517 d. h. der mittlere tägliche Wasserstand (befreit von der täglichen und halb- monatlichen Ungleichheit) an der Nordseeküste bei einer LuftdruckzunaLme von 1 mm bei Landwind um 6, bei Seewind um 8 mm erniedrigt; das gäbe also nur den halben theoretischen Wert für diesen Faktor, der bei — 13.3 bis — 13.6 liegen sollte. Zu kleine Größen fand auch Witting für den Bottnischen Golf, wo der Faktor zwischen — 3 bis — 6.5 lag. In beiden Fällen wurde nachgewiesen, daß die "Wasserstände den Luftdruckschwankuugeu im all- gemeinen rascher folgen als den Stauwirkungen des Windes. Die Icompli- ziertere Formel von Ortt, die ursprünglich nur für die Fahrrinne von Ymuiden und Hoek van Holland Gültigkeit besitzen soll, wird uns bei I)arleg\iug des Windstaus noch einmal begegnen; denn sie besteht aus zwei Gliedern, von denen das eine den Wind, das zweite den Barometerstand einführt: C = [KR — w) + i?b (ß — 76.0). Hierin bedeutet C die an den Höhen der Gezeitentafeln anzubringende Kor- rektion in Zentimeter, K einen Koeffizienten, abhängig von der Windstärke, R einen zweiten, abhängig von der Windrichtung, w eine Korrektion, die bei völliger Windstille anzubringen ist (wenn K = 0), R^, einen Koeffizienten für den Luftdruck, der von der Windrichtung abhängig ist, und B den Barometer- stand in Zentimeter Quecksilber. Die Spnderimg der einzelnen Koeffizienten ist jedoch nicht einwandfrei aus dem Material zu erzielen, so daß die Formel wahrscheinlich zu hohe Werte gibt^). In einer sehr eingehenden mathematischen Analyse ist endlich M a r- tin Knudsen^) zum Ergebnis gelangt, daß die Stromstärke in den Zugangstoren der Ostsee direkt proportional den Luftdnicksch wankungen zwischen Nordsee und Ostsee verlaufen müsse. Die Stromstäirke v in Zentimeter p. S. ist danach v = -^^ + c{B-B,), wobei p die Niederschlagsmenge, e die Verdunstung über der ganzen Ost- see (wie vorher S. 511), a den Querschnitt der Ausgangstore (also nach unserer Bestimmung oben = 0.8 qkm), c eine Konstante , Bq den ur- sprünglich gleichen Barometerstand über Nord- und Ostsee, B den neuen Stand über der Nordsee bedeuten soll. Der ausgehende Strom hat als- dann das positive Vorzeichen. Nach seinen Bferechnungen erhält Knudsen für die Konstante c den Wert — 22.1, und er ist überzeugt, daß die Wirkung des Luftdrucks für die Strömungen in den Belten merklich größer ist als die der Winde. Da aber beide in inniger Verkettung stehen, hat Knudsen ihnen noch auf anderem Wege beizukommen versucht. Er besaß für die Zeit von Anfang März bis Ende Dezember 1897 gleichzeitige, alle 4 Stunden erfolgte Beobachtungen der Stromrichtung und -stärke im Sund (Feuer- schiffe Drogden und Lappegrund) bei Gjedser-Kiff-Feuerschifl, im Großen Belt (Westrinne) und im Sam^ö-Belt; indem er den Beobachtungen bei Gjedser doppeltes Gewicht zuteilte, bestimmte er so einen Mittelwert für je einen halben Tag, und konnte er eine Kurve der Stromrichtung und -stärke in der Weise entwerfen, daß er den auslaufenden Strom nach ^) Vgl. die Bemerkungen von W i 1 1 i n g a. a. O. S. 210 und von G. W e g e- m a n n in Ann. d. Hydrogr. 1904, S. 205. *) Beretning fra Kommissionen for videnskabelig Undersögelse af de Dausko Farvande, 2. Bd. Kopenhagen 1899, S. 65. 518 Die Wirkung des Luftdrucks. B tS »•'S o o PS ^ 3 ^- / Vi 1 c *^ 1 1 \. / ^ä > N 7^ ^ r -^ { Si -!S iS' ^ — — -.ä "-^ --- C-- \ ^ ^ !& „„— — ^r-. ---^^ / c ?* O" €^ < ^"\ <* \^*" ■3 ^ \ o JS- l ) -5S ^- J ^ ^'V '^ / r -^ /^ / — — "^ y '. ^ _ c 55- / o ■(*» ■i"" ^ c \ ( 1 J? t^ ^ > ^^'t"^ J o ^ 1- ; V K ^ 1 ■ ^ r-. ""■^^"^^ ?^' V ^s,,^^ '^ ^^^^ » ^ ^ *" ^^ •»_ « ""^N^^^^^-a ^- ) : ^^^^^ X ^"\ -^ / ' r. A /^ \ \^ \ ,'j) \ fe- \ (C ■?R c^ \ 1 1 ^ s \ Z^ ,-0 y ^^ ^^ ^ -. /^ '^ <:i ^- c 2^'" ( «0 ■^ y^ ^' \ (% c ^ \ ^*».^ 5^- \ ^^ > t > -?S Nw c2 \ V ^ \ ^~-~. vs^ X \ \ } ^/ V... ^^ ) ^ ^ > ^ b «s ^ o. © o, S 1 r^ $ 1 ^il^. eilt aus 0> «71. COLS \ ^ Die Wirkung des Windes. 519 oben, den einlaufenden nach unten entsprechend seiner Stärke in Knoten eintrug. Sodann berechnete er für 10 Stellen der Ostsee von Haparanda bis nach S^vinemünde hin den gleichzeitigen mittleren Luftdruck für die genannte Periode, was eine andere Kurve ergab; zuletzt wurden auch die Windrichtungen und Windstärken, wie sie auf den genannten Feuer- schiffen beobachtet waren, je nachdem sie in die Ostsee hinein oder aus ihr hinaus wehten, für eine dritte Kurve verwendet. Aus Knudsens graphi- scher Darstellung dieser drei zusammengehörigen Erscheinungen gebe ich hierneben (Fig. 149) einen Ausschnitt für die Zeit vom 15. August bis 30. Sep- tember wieder, woraus man sich ohne weiteres überzeugen kann, wie eng die Ströme mit Luftdruck und Winden verbunden sind. Indem Knudsen sodann weiter annahm, daß der Strom in einfachem Verhältnis erstlich zu der Differenz zwischen dem herrschenden Luftdruck und dem mittleren Luftdruck der ganzen dargestelljben Periode, und zweitens zu der Wind- stärke stehe, erhält er nach der Methode der kleinsten Quadrate (aus 275 Einzelgleichungen) die einfache Formel: v = 0.39 + 0,43 6 -\- 0.055 ir, worin b die genannte barometrische Differen. in Zentimeter Quecksilber- druck, w die Windstärke in Meter p. S. und v die Stromstärke in Knoten bedeutet. Die danach berechnete Kurve hat er in seiner graphischen Dar- stellung ebenfalls eingetragen (darnach in Fig. 149 die gestrichelte Kurve bei II). Auch hier bleibt für ihn der Eindruck bestehen, daß die baro- metrische Differenz für den Strom wichtiger ist, als der Wind. Jeden- falls ist der Luftdruck als Stromkonstituente uns hier in greifbarer Form vorgeführt. Auch aus anderen Nebenmeeren mag ein Parallelbeispiel beigebracht werden. Den Praktikern war lange aufgefallen, daß der Floridastrom nicht selten bei anhaltendem Nordwind besonders kräftig in der engen Floridastraße nach Norden hef, dagegen auch bei starken Südwinden, die ihn doch fördern sollten, sehr flau befunden wurde. Nordwinde bei Florida treten aber dann auf, wenn sich ein Luftdruckmaximum in Texas und Louisiana oder sonst im Nordteil des Golfs von Mexiko entwickelt, tv'obei dann das Golfwasser aus der Floridastraße hinausgedrängt und so der Floridastrom verstärkt wird. Umgekehrt entsteht hier Südwind, wenn sich über der Mississippimündung ein Barometerminimum ein- findet; dann hebt sich der Niveaustand im Golf und wird also auch durch die Floridastraße Wasser aus dem Ozean herbeigezogen, was den Florida- strom abschwächt. Bei der Darstellung des Floridastroms ist darauf zurückzukommen. 7. Die Wirkung des Windes. Stau- und Triftströme. Wie schon in der einleitenden Übersicht hervorgehoben werden mußte, ist die Einwirkung des Windes auf die Meeresströrae lange bestritten ge- blieben und erst in der neueren Zeit mehr und mehr von den Theoretikern anerkannt worden, während die praktischen Seeleute stets zu der Auf- fassung geneigt haben, daß der Wind im wesentUchen diejenigen Strö- mungen schaffe, mit denen sie im offenen Ozean bei der Schiffsführung zu rechnen haben. 520 I^i® Wirkung des Windes. Gescliiclitliches. — Unter den älteren Theoretikern begegnet man selir früh, schon einer Unterscheidung von eigentlichen Meeres- strömen und von zufällig vom Winde erzeugten Triften. Von diesem Standpunkt aus hat Bernhard Varenius die Strömungen eingeteilt in drei Hauptgruppen : die erste bildet die allgemeine Be- wegung der Ozeane nach Westen; in der zweiten werden alle nicht in dieser Richtung erfolgenden Ströme aufgezählt unter der Bezeichnung der motus moprii sive speciales, die nur an bestimmten Stellen der Meere sowohl dauernd m derselben Richtung fließen, wie auch zwischen zwei entgegengesetzten Richtungen periodisch abwechseln können ; drittens läßt er dann als zufällige Strömungen (motus contingentes) solche folgen, welche bald gespürt werden, bald nicht, und deren Ursache der Wind ist. Diese Triften sind nach Varenius in allen Meeren zu finden. „Denn," sagt er, „da die Luft das Meer berührt, und der Wind nichts anderes ist, als eine kräftige Bewegung der Luft und ihr Druck gegen die Erde, daruin wird die angetriebene und vorwärts gestoßene Luft versuchen, das Meer von der Stelle zu treiben, und da das Meer eine Flüssigkeit ist und nicht imstande, dem Antrieb und Drängen der Luft zu widerstehen, so wird es sich von der Stelle bewegen, und zwar nach der ent- gegengesetzten Richtung (als woher der Wind kommt); es wird dabei anderes Wasser forttreiben und dieses wieder anderes und so fort. Da aber immer Wind in der Luft ist, bald hier, bald dort, und meistens auch in verschiedenen Gegenden verschiedene Winde zu gleicher Zeit, so folgt daraus, daß es immer im Meere einige zufällige Strömungen gibt, die in den dem Winde nächsten Gegenden am fühlbarsten sind, und zwar dies darum, weil das Meer, als eine Flüssigkeit, solchem Angriffe sehr leicht nachgibt." Vielfach, namentlich aber in den nördlicheren Breiten, findet Varenius, daß die Winde sogar die allgemeine Westströmung ändern können; in anderen Fällen werden einige seiner (lokalen) Strömungen der zweiten Klasse direkt auf Wind Wirkung zurückgeführt, wie der peruanische Strom auf den stetigen Südwind und die alternierenden Monsun- ströme bei Ceylon auf den in gleichem Sinne wechselnden Monsun (Geogr. gen. 1650, p. 211, 213). Isaac V o s 8 i u s geht in dieser Beziehung nicht weiter als Varenius. Alle meridionalen Strömungen werden von Windwirkung hergeleitet, aber von der allgemeinen Westströmung unter den Tropen heißt es ausdrücklich, daß sie von den gleichgerichteten Passaten nicht einmal unterstützt werde (De motu marium etc. p. 97), sondern nur mit diesen einen gleichen Ursprung habe; weil das Wasser ein schwererer Körper und der Meeresboden uneben sei, könne dieselbe Kraft in dem Meer nicht eine ebenso schnelle Bewegung erzeugen, wie in der leicht beweglichen und über der ebenen Wasseroberfläche unbehindert dahinströmenden Luft. Der erste , der in den Passaten die Ursache für die tropischen West- strömimgen erblickte und überhaupt in den Winden die Hauptursache aller Strömungen, war wohl. Benjamin Franklin (1775). Gleich nach ihm hat dann James R e n n e 1 1 nach diesem Prinzip eine Einteilung der Meeres- strömungen in zwei Klassen entwickelt: die erste nannte er Drift currents, Triftströmungen, und schrieb er der unmittelbaren Einwirkung der Passate oder der anderen herrschenden Winde zu. Die zweite Art, seine Stream cur- renti6 Wirkung des Windes. werden. Darum also das Gesetz : der Staueffekt ist umgekehrt proportional der Wassertiefe, er ist groß bei geringer, klein bei beträcbtlicher Wasser- tiefe. Das Endresultat wird also eine mehr oder weniger ergiebige Niveau- erhöhung an der in Luv gelegenen Küste sein. Nennen wir h den Niveau- unterschied zwischen den Wasserständen der Luv- und der Leeküste, w die Windgeschwindigkeit (in Metern per Sekunde), l die Länge des Wasser- beckens (in Metern), f die mittlere Tiefe desselben (in Metern) und a den Winkel, welchen die Windrichtung mit der Ebene des Profils macht, längs dem der Niveauunterschied bestimmt werden soll, so erhält man nach Coldingi): h = 0.000000763 — . w^ cos V. P Die Prüfung dieser Formel auf Grund der Stauwirkungen in der Ostsee bei der Sturmflut vom 12. bis 14. November 1872 ergab sehr günstige Ke- sultate, welche bestehen bleiben, auch wenn die von C o 1 d i n g benutzten (nicht einwandfreien) Werte für die Windgeschwindigkeit in neuere (gemäß der Tabelle S. 70) umgewandelt werden. So ergab sich z. B. im Kattegat zwischen dem schwedischen Orte Varberg und dem jütländischen Fornäs am 13. November, 2 Uhr nachmittags, durch Pegelbeobachtungen ein Niveau- unterschied von 6 dänischen (rheinl.) Fuß oder 1.88 m. Die aus der Karte entnommenen Werte sind: l = 105 500, p = 19 m, c; = 15°, und w = 22 m p. S. (bei einem barometrischen Gradienten von 5 mm) anzusetzen , woraus sich Ä = 1.89 m berechnet. Zur selben Zeit betrug der Niveauunterschied zwischen den Hafenorten auf Bornholm (+ 5.0 bis + 6.0 Fuß) und Memel ( — 0.6 Fuß) rund 2 m; setzen wir die Distanz l zwischen dem Ostkap dieser Insel und Memel = 375 000, p = 60 m, w = 21 m und a = S°, so ergibt sich h — 2.06 m. Die richtige Bemessung der Windstärke ist sehr wichtig, da sie im Quadrat auftritt. Für Wasserbecketi von größeren Dimensionen scheint die Formel weniger geeignet. Denn zunächst ist leicht einzusehen, daß auf einer Küstenstufe oder einem flachen, der Küste vorgelagerten Vorstrand der Stauungsefiekt sehr viel bedeutender wird , als wenn der Strand stark abschüssig ausgebildet ist. Für lange Strecken, welche der Wind bestreicht, hat dann diese Aus- bildung der Uferzone nur einen sehr geringen Effekt auf die mittlere Tiefe, welche man für das ganze Profil erhält. Sodann aber wird die Oberflächen- trift von der Erdrotation seitlich abgelenkt und damit auch die Stauhöhe auf der Nordhemisphäre rechts vom Wind größer werden. — Anderseits fehlt auch der Formel ein Glied, welches der horizontalen Gestaltung des Wasserbeckens Kechnung trägt: trichterförmig landeinwärts sich zuspitzende Golfe werden einen größeren Staueffekt aufweisen als eine glatt verlaufende Küste. Einige sehr überzeugende Beweise für die anstauende Tätigkeit auf- landiger Winde enthält auch L e n t z' Werk über „Flut imd Ebbe und die Wirkung des Windes auf den Meeresspiegel"; so gibt er (S. 145 f.) folgende Zusammenstellung der Frequenz der Winde zu Helgoland und der Abweichung der mittleren Wasserstände am Pegel zu Cuxhaven im Jahre 1874: 1) Kgl. Danske Vidensk. Selsk. Skrifter, 5. Reihe 1880—1885, Bd. 1, Nr. 4, S. 272; aus den dänischen Maßen und Seemeilen in metrisches Maß mngerechnet. Die Windstärken berechnete Colding einfach zu 2.5 m für jeden Stärkegrad Beaufort. Der Windstau. 535 Frühling Sommer Herbst Winter WSW- und TF- Winde ... 25 Prozent 27 Prozent 32 Prozent 19 Prozent Wasserstände — 8 cm — 1 cm . + 8 cm +3 cm Der StauefEekt erscheint gering, da die Nordsee nach Norden hin geöffnet ist. Wie groß er aber trotzdem bei Sturmfluten werden kann, dafür liefert die Geschichte der deutschen Nordseeküsten hinreichend beweiskräftige Bei- spiele, worauf hier nicht näher eingegangen werden solP). Bei heftigen und anhaltenden Nordoststürmen ist sogar die Ostküste Englands der Schauplatz erheblicher Überflutungen gewesen; so noch am 7. Januar 1905, wofür aus Boston und London genauere Angaben vorliegen^). Ein klassisches Gebiet des Windstaus ist, wie schon A i m e bemerkt, das A s o w sehe Meer. Mit seiner geringen Mitteltiefe von nur 10 m und der großen Längenachse von 360 km bietet es Dimensionen dar, welche der Wind- wirkung ganz exzessiven Spielraum lassen. Bei einer Windstärke von bei- spielsweise 18 m würde sich bei einer Windrichtung aus ONO oder TF^SIF aus der Coldingschen Formel sogar ein Staueffekt von fast 9 m berechnen, also an der Leeseite eine Aufstauung von -|- 4.5 m über, an der Luvseite eine Depression im gleichen Betrage unter Mittelwasser. Da beide Windrichtmigen häufig und stark auftreten, so ist in der Tat die Taganrogsche Bucht ganz außerordentlich ergiebigen Niveauschwankungen ausgesetzt. B a e r in seiner bekannten Studie über das Asowsche Meer sagt darüber (Bull. Acad. St. Petersb. V, 1863, 89 f.): „Ein ganz anderer Umstand als die (behauptete) Abnahme der Tiefe (des Asowschen Meeres in historischer Zeit) macht aber die Fahrt auf dem nordöstlichen Busen beschwerlich und gefährlich, nämlich der Wechsel in der Höhe des Wasserstandes. Dieser Wechsel ist (schon sehr) bemerklich an den Ufern des großen Beckens und staut das Wasser auf oder drückt es nieder, nach den verschiedenen Richtungen des Windes und nach dem Drucke der Luft. So wurden am 10. November 1831 alle Fischereistationen und Magazine an der flachen Südostküste bei Atschujew weggeschwemmt. Er ist aber ganz besonders groß und gefährlich in dem nordöstlichen Busen, denn es kann ein Schiff, das, um Ladung einzunehmen, vor Anker liegt und noch mehrere Fuß Wasser unter dem Kiele hat, nach wenigen Stunden auf dem Grunde sitzen. Alle Lotsenbücher (z. B. das von 1808 und 1854) sprechen umständlich darüber und trösten nur damit, daß der Boden überall weich ist und meist aus gutem Ankergrund besteht. Ja, das höchst auffallende, kaum glaubliche Sinken des Wasserspiegels um 10 Fuß (3 m) in wenigen Stunden, welches in einem (offiziellen) Bericht erwähnt wird, erzählt der Verfasser des neuen ,Lotsen', der Leutnant Suchomlin, als von ihm selbst am 22. Sep- tember 1850 erlebt. Andere Angaben, die man zerstreut in Reisebeschreibungen und anderen Schriften findet, sind noch auffallender. So sagt C 1 a r k e (1800), daß bei heftigen und anhaltenden Ostwinden zuweilen das Wasser von der Taganrogschen Reede so weggedrängt werde, daß man auf dem trocken- gelegten Meeresboden nach der gegenüberliegenden Seite, 20 km weit, gehen könne (ohne Zweifel übertrieben). Umgekehrt staut sich aber auch das Wasser zuweilen ungemein hoch auf. Man will es im November 1849 bei anhaltendem Südwest bei Taganrog um 18 Fuß (5.4 m) sich erheben gesehen haben." Nach Zeitungsnachrichten fand zwischen dem 10. und 15. Dezember 1903 eine besonders starke Entleerung des Hafens von Taganrog statt. Auch große. Teile des Siwas oder Faulen Meeres fallen bei anhaltendem Westwinde trocken, was schon den Alten sehr wohl bekannt war. (Vgl. S m y t h, Mediterranean, ^) Fried r. Arends, Phys. Geschichte der Nordseeküste, Emden 1833, ist die Hauptquelle für alle späteren Zusammenstellungen (E i 1 k e r, G u t h e u. a.). *) Nature 1905, Bd. 71, S. 258. 536 I^i© Wirkung des Windes. p. 281, auch Beispiele aus dem Schwarzien Meere.) — Nachdem der englische General A. B. T u 1 1 o c h hei Aufnahmen am Menzalehsee das Wasser infolge eines starken ablandigen Windes völlig hinweggetriehen sah, wollte er durch einen ähnlichen Vorgang auch den bibHschen Bericht über den Durchzug der Israeliten durchs Rote Meer erklären (Geogr. Journ. 1896, Bd. 8, S. 310). — Die Zahl derartiger Beispiele ließe sich aus der Literatur noch beliebig vermehren; ein Hinweis auf die Stauwirkungen starker Weststürme im seichten Frischen HafE und insbesondere in der Pregelmündung mag die Reihe schüeßen. Hier wird das Wasser über 1 m hoch aufgestaut, so daß dann der Pregel land- einwärts fließt und seine Gewässer durch die Deime ins Kurische HafE ableitet {0, Braun, Zeitschr. f. Gewässerkunde 1906, Bd. 7, S. 165). — Als notwendige Folge des Windstaus ergab sich uns ein Unterstrom am Meeresboden entlang ; als ebenso unerläßliche Bedingung des Windstaus aber ein Transport von Wasser durch den Wind vorwärts, also ein mit dem Winde gleichgerichteter Öberstrom. Beide Strömungen erzeugen somit eine vertikale Zirkulation, deren aufsteigender Teil an der Rückseite, deren absteigender an der Vorderseite des herrschenden Windes zu suchen ist. Diese auf Ausgleich des Windstaus hinzielende Zirkulation ist nun eine sehr verbreitete und in ihren Folgewirkungen höchst auffällige Erscheinung in den Meeren der Erde. Dafür liefert vornehmlich das Verhalten der Wassertemperaturen einen deutlichen Beweis. Schon in der Ostsee erzeugt namentlich im' Sommer, wenn die Oberfläche verhältnismäßig hoch erwärmt ist, diese vertikale Zirkulation an den Küsten große Unterschiede in den Ober- flächentemperatureii. Nach längere Zeit anhaltenden Ostwinden beob- achtete Kapitän P. Hoffmann an Bord des Kanonenboots „Delphin" bei Memel am 9. August 1875 eine so starke Abnahme der Wasserwärme, daß diese im Memeler Tief im Laufe des Tages von 19° auf 8° fiel imd am jviorgen des 10. August nur noch 6 ° betrug. Einige Stunden später befand sich das Schiff nur 4 bis 5 Seemeilen von der Küste, wo dann die Tem- peratur des Oberflächenwassers plötzlich wieder 18° betrug; und am folgenden Tage, etwa 35 Seemeilen von Land, fand sich bei gleicher Ober- flächenwärme von 18° erst in 70 m Tiefe die Temperatur von 6° (Segel- handbuch für die Ostsee, Bd. I ^, 59). Ähnliche Beobachtungen werden in den Badeorten an der Ostsee in jedem Sönmaer bei ablandigem Winde gemacht, und in der Kieler Föhrde z. B. bewirken Nordwinde im Sommer eine Erwärmung, Südwinde eine sehr fühlbare Abkühlung des Bade- wassers. Ehedem pflegte man bei der Erklärung dieses so auffälligen Temperaturwechsels an kalte Oberflächenströmungen zu denken, welche aus den nördlichsten Teilen der Ostsee Wasser herbei- führen sollten. So z. B. meinte A. v. Humboldt auf seiner Seereise von Swinemünde nach Pillau im Sommer 1834 die starke Abnahme der Temperaturen bei Leba und Rixhöft allein erklären zu können; er fand nämlich (offenbar bei Westwind): bei Swinemünde 23.1", bei Treptow . . . . . . . 20.3», östlich Leba 11.9», bei Rixhöft . 11.3«, östlich H e 1 a wieder 22.2". Kaltes Auftriebwasser. 537 Hagen (Wasserbau, III, 1, 195) hat daran anknüpfend sogar ein Strö- mungssystem der Ostsee konstruieren wollen. Auch an der frei den Winden ausgesetzten Südküste Afrikas, in der Simonsbai, traf die Challenger-Expedition bei ihrem Aufenthalte im No- vember 1873 auf ähnliche Temperaturschwanlomgen ^), welche schon damals auf Windstau oder richtiger davon erzeugten Auftrieb zurück- geführt wurden. Nachdem längere Zeit hindurch beständiger Südost geweht hatte, betrug die Wasserwärme 16.7® bis 17.8°, welche Temperatur auch außerhalb der Bai nahe dem Lande gefunden wurde. Als aber ein heftiger Nordwest einsetzte und das Wasser aus der Bai hinaustrieb, fiel die Temperatur in 6 Stunden bis 10.5®, und zwar herrschte diese nicht nur an der Oberfläche, sondern auch bis zuin Boden in 16 m Tiefe, Auch weiter westüch in offener See hatte der „Challenger" vorher diese Tem- peratur erst in mehr als 90 m Tiefe gefunden. Gerade dieser letztere Um- stand beweist das Aufsteigen dieses niedrig temperierten Wassers aus der Tiefe. Auf denselben Vorgängen beruhen die niedrigen Küstentemperaturen, welche sich im Atlantischen und Pazifischen Ozean an der Ostseite des Passatgebiets, sowie in höheren Breiten umgekehrt an der Westseite des von Westwinden beherrschten Teils dieser Ozeane finden: jedesmal liegen diese Küstenstreifen kalten Wassers an der Leeseite des Gebietes. Die notwendig zu dieser vertikalen Zirkulation gehörende Aufhäufung sehr warmen Wassers an der Luvseite der betreffenden Meeresteile fehlt auch nicht, was in der Verbreitung der riffbauenden Korallen und der Mangroven deuthch zum Ausdruck gelangt, da diese beiden dem kalten Auftriebwasser stets fehlen, und überhaupt findet die Wärmeschichtung dieser beiden Ozeane erst ihre volle Erklärung in dem Bestehen solcher ostwestlichen Vertikalzirkulationen. Hierfür sollen später ausführhchere Beweise bei- gebracht werden. Unter günstigen Umständen kann der thermische Effekt auch um- gekehrt sein : J. H j o r t bemerkte, wie im März 1897 im Kristianiafjord ein heftiger Nordwind das in diesem Falle wärmere und salzigere Wasser an der Küste aufsteigen ließ (Report on Norweg. Fish. Bd. 1 Nr. 2, S. 40). Diese Vorgänge lassen sich auch experimentell leicht nachahmen. Ein mit flachem Rande versehenes Gefäß wird fast ganz mit Wasser gefüllt. Sperrt man alsdann durch hineingelegte, passend geformte Metallstreifen einen schmalen Raum durch die ganze Breite des Gefäßes hin seitüch ab, so läßt sich durch einfaches Darüberhinblasen ein Staueffekt nachweisen, dessen Auf- trieb- und Stauströme leicht durch je einen an den beiden Enden der Rinne in das Wasser gebrachten Tropfen Tinte sichtbar zu machen sind. Es handelt sich hierbei keineswegs um einen Flüssigkeits strahl, wie Zöppritz wollte, sondern um eine kontinuierliche Strombewegung, die gar kerne be- sondere Kraft zu haben braucht; bei meinen Versuchen war ihre Geschwindig- keit etwa 0.2 bis 0.3 m in der Sekunde, wobei der sie unterhaltende Luftstrom durch einen kleinen Dampfkessel erzeugt wurde. Selbstverständhch wurde nicht nur auf diesem vertikalen Wege der Überdruck der Stauseite ausgeglichen, sondern an den Rändern des Beckens zu beiden Seiten des Staustroms auch sehr kräftige horizontale Gegenströme hervorgerufen. Der Staustrom selbst 1) Ann. d. Hydrogr. 1874, S. 84. )38 Die Wirkung des Windes. war vielmal schwächer als diese an der Wasseroberfläche sich vollziehenden Bewegungen. Ganz so verhält es sich auch in der Natur, wo der Transport von kaltem Tiefenwasser an der Leeseite nach oben, wie von stark durch- wärmtem Oberflächenwasser an der Luvseite in die Tiefe ein sich sehr langsam gestaltender Prozeß schon darum sein muß, weil sich sonst jene Temperatur- gegensätze noch viel schroffer ausbilden müßten, als sie ohnehin gefunden werden. Richtiger und mit den Folgerungen, welche aus C o I d i n g s Formel für große Wassertiefen zu ziehen sind, aber auch nur für diesen Fall besser übereinstimmend, sagt Zöppritz dann weiter : „Wenn erfahrungsgemäß der Windstau auch bei andauerndem Winde gewisse , ziemlich enge Grenzen nicht überschreitet, so kann dies wohl nur daran liegen, daß schon die Vor- wärtsbewegung der oberflächlichsten Wasserteilchen in unstetigster, zusammen- hangloser Weise stattfindet. Bei merklichem Wind erheben sich immer W^ellen, auf deren Kämme der Wind stärker einwirkt als auf ihre tiefer gelegenen Teile. Dadurch finden Unterschiebungen und Umkippungen, also unstetige Be- wegungen statt. Bei solchen lokalen Lösungen des Zusammenhangs können aber leicht zwischen und unter den vorwärts geschobenen Massen rückläufige Ausgleichsströmungen entstehen, so daß also, wenn die Stauhöhe ihre Maximal - grenze erreicht hat, der ganze Vorgang des Vorschiebens der Oberflächenteil- chen und des ausgleichen ien Rückflusses gleicher Wassermengen innerhalb einer sehr dünnen oberflächlichen Schicht in unstetiger Weise stattfände, wäh- rend die tiefer gelegenen Schichten ganz in Ruhe blieben." Bedenken erregt nur der letzte Satz, der gegen die Kontinuitätsbedingung verstoßen würde. Die Sachlage, ist wohl am besten so zu formulieren, daß der Staustrom der Oberfläche relativ schnell, aber wenig tiefgreifend zu denken ist, während der ausglei- chende Soogstrom der Tiefe, bei dem vorhandenen großen Querschnitt des gegebenen Durchflußprofils , ganz langsam, aber in allen Wasserscfich- ten wirksam auftreten muß. Nur unmittelbar am Boden und in der Grenzschicht gegen den Oberflächen- wie auf Fig. 161 (nach Carpentet), Stausti-öme nach Carpenter. (Luvseite) Fig. 162. (Leeseite) MMT ^ /- v* Berichtigte Darstellung. Also nicht ström herrscht volle Ruhe sondern wie Fig. 162 zeigt. Aus dem im Beginn dieser Darlegungen Gegebenen ist zu folgern, daß der Staueffekt eines auflandigen Windes bei abnehmender Wassertiefe je näher dem Strande, desto mehr sich steigert, was in der Coldingschen Formel nicht zum Ausdruck gelangt, da diese nur die mittlere Tiefe des vom Winde bestrichenen Wasserbeckens beachtet. In der Tat bestätigte mir auch das Experiment, daß je sanfter das Ufer sich abböscht, auch die Strom« erscheinungen (Auftrieb- wie Staustrom) desto kräftiger auftreten. — d) Trift- und Stauströme in geschichtetem Wasser. Die bisherige Betrachtung betraf die Vorgänge in ganz homogenem Wasser oder in solchem, wo die Dichtigkeit nach der Tiefe hin allmählich und langsam zunimmt. Ist das Wasser ausgeprägt geschichtet, so treten Trift- und Stauströme in geschichtetem Wasser. 539 sehr bemerkenswerte Komplikationen auf, die zuerst von J. W. Sand- ström experimentell untersucht, seitdem auch von E. M. W e d d e r- b u r n bestätigt worden sind ^). Sandström war es in den Fjorden von Bohuslän aufgefallen, daß bei auflandigem Winde sich parallel zu der Küste ein Saum leichten Wassers ausbildete, der sich durch ein Schaum- band gegen das schwerere Wasser der offenen Fjordfläche absetzte, und er bemühte sich, die Erscheinung durch weitere Beobachtung und zuletzt durch das Experiment aufzuklären. Wird in einem Gefäß, am besten in einer sogenannten Wellenrinne, zuerst leichtes (salzarmes oder salzfreies) Wasser und darunter schwereres eingefüllt, so wird, namentlich durch entsprechende Färbung des einen oder anderen, eine wagrechte Grenze oder Scheidefläche zwischen beiden deuthch zu erkennen sein. Wird dann ein Luftstrom über die Oberfläche hingeschickt, so drängt er die leichte Fig. 163. h'ind ^ cL Vertikale Verteilung der Windtrift in ausgeprägt geschichtetem Wasser (bei s das Schaumband), nach einem Experiment von J. W. Sandström. Oberschicht vor sich her und häuft sie an der ihm zugekehrten Wand auf; bei sehr starkem Wind so, daß das leichte Wasser von einem großen Teil der Oberfläche ganz vertrieben und dafür als ein kurzer Keil an der Gegen- wand aufgestaut ist. Hierbei zeigt sich dann, daiJ in diesem Keil das Wasser an der Oberfläche dem Wind entgegenströmt, an der Scheidefläche aber sich in die Tiefe wendet und an dieser wie an einer festen Wand entlang fließt. Sind mehrere solcher ausgeprägten Schichten vorhanden, so zirkuliert das Wasser jedesmal innerhalb jeder einzelnen Schicht, ohne in die darüber oder darunter hegende einzudringen, wie das in der Fig. 163 dargestellt ist. Die Bewegungen im einzelnen sind durch die Reibung vermittelt und in ihren Richtungen nicht schwer zu verstehen. Die Strom- stärke nimmt in den tieferen Schichten gegen die höheren erheblich ab. An der Möghchkeit, daß solche Stromsysteme auch in der Natur in scharf geschichtetem Wasser auftreten können, ist kein Zweifel; in den 1) Sandström in Ann. d. Hydrogr. 1908, S. 7 ff.; Wedderb urn in Proc. R. Soc. Edinb. 1908, Bd. 28, Nr. 1, S. 13. 540 I^iß Wirkung des Windes. Fjorden sind sie sicherlich nicht selten, wie schon das mehrfach beob- achtete Schaumband erweist. Aber schon in den größeren Wasserflächen der Nebenmeere, wo starke Wellenbewegung oder Gezeitenströme die Wasserschichten rasch durchmischen und so scharfe Schichtgrenzen un- möghch machen, werden wir sie kaum erwarten dürfen; am wenigsten im offenen Ozean, wo die hier allein in Betracht kommenden thermischen Sprungschichten doch im Grunde genommen eine sehr theoretische Ab- straktion vorstellen (s, Bd. I, S. 395). Ist in der Ostsee das Wetter einige Tage hindurch ruhig, so bilden sich Schichtgrenzen; dann fehlt aber der Wind, der innerhalb der Schichten die horizontalen und an den Küsten die vertikalen Stromkomponenten hervorbringen könnte. Tritt Wind auf, so vermischt der Seegang in kurzer Zeit die Schichten, und damit werden auch die Stromkomponenten des Experimentalschemas ausbleiben. W. E k m a n hat außerdem darauf hingewiesen, daß die in Fig. 163 am Schaumband S untertauchenden Wassermassen ihre Energie sehr rasch im Keil a aufbrauchen, da von ihnen die Zirkulation in dem Keil a zu be- treiben ist, und nur unter der Bedingung, daß in der Schicht h selbst ein Druckgefälle gegen a hin besteht (durch Dichteunterschiede z. B.), kann die verbrauchte Energie stetig ergänzt werden. Die von Sandström versuchte Anwendung der Schaumbandtheorie auf Verhältnisse im freien Ozean (z. B. rings um Island) ist darum als unzulässig anzusehen. Der von Sandström vernachlässigten Wirkung der Erdrotation auf diese Vorgänge im mehrfach geschichteten Wasser ist Walfrid E k m a n seinerseits nachgegangen^); wir können aber darauf verzichten, uns näher damit zu beschäftigen, da die hierfür als Beispiele anzuführenden Meeresströmungen nicht bekannt sind und schwerlich noch gefunden werden. Im allgemeinen zeigt sich, daß diese Schichtung die Strombewegungen ver- stärkt, außer wo der Wind senkrecht oder ungefähr senkrecht gegen die Küste weht. Wichtiger ist der besondere Fall, wo entlang einer Küste eine keilförmige Schicht von dünnem Landwasser, die in sich selbst ho- mogen sein mag, auf einer Seewassermasse von normalem Salzgehalt ruht und nun der Wind eingreift. Nennen wir den Winkel y die Neigung der Grenzfläche zwischen beiden Schichten, Ap die Dichtedifferenz zwischen beiden, Vq die Geschwindigkeit des vom Winde erregten reinen Triftstroms, a den Winkel zwischen Windrichtung und Küste und po die Dichte der Oberflächenschicht, so wird nach Ekman: 2p.«;v„sin!o - . , , , 0.0000000019 p« w l/ sin 9 ,,. , sinY =—^ -, ^ Ä; sin (c — a) oder —^ — — . k (sin c a), ' (7. Ap Ap nach Einführung von 9^ = 980, w = 0.0000729 und Vq = 0.019 w/l/ sin 9, wo w die Windgeschwindigkeit bedeutet. Hier bedeuten Je und c Kon- stanten, die von der Tiefe der Oberflächenschicht abhängen; wenn wir auch hier die Reibungstiefe einführen, so ist für d = D, k = 2.8 und c = 90°. Als Beispiel gilt die norwegische Küste unter der mittleren Breite ^ = 65 ". Setzt man den Wind ziemlich schwach, also w = 400 cm p. S., a = 45" nach links von der Küstenrichtung und d = 0.5 D, so wird 1) Ann, d. Hydrogr. 1906, S. 578 und Taf. 36. Diese Ausführungen fehlen in der englischen Abhandlung, ermangeln aber noch der Beweise in mathematischer Hinsicht. Trift- und Stauströme im Ozean. 541 k — 2.75 und c = 78"; A f^ ist = 0.001 angenommen. Dann ist sin y = 0.0011, und wenn die Landwasserschicht an der Küste 50 m mächtig ist, wird sie in 45 km außerhalb derselben schon verschwunden sein. Also ein so schwacher Wind genügt, um das Landwasser dicht an die Küste gedrängt zu erhalten, falls es ein Südwind, also a = 45" ist. Hätten wir eine entgegengesetzte Windrichtung angenommen, so wäre das leichte Landwasser weit ins Meer hinausgefegt und durch die Wellenbewegung mit dem darunter liegenden Seewasser wohl in kurzer Zeit vermischt zu denken. e) Trift- und Stauströme der großen Windgebiete im Ozean. Nach dieser Darlegung der vom Windstau allein hervorgerufenen Bewegungen wenden wir uns nunmehr den von den vorherrschenden Winden im offenen Ozean geregelten Trift- und Stauströmen zu ; auch hier- für hat W. E k m a n 1) wiederum die hauptsächlichsten LeitHnien vor- gezeichnet. Es zeigt sich dabei, daß eine numerische Auswertung der Stau- und Triftströme zurzeit, noch auf die größten Schwierigkeiten stößt, vielmehr nur rein quahtative Betrachtungen möghch sind. Wir können uns also ziemlich kurz fassen, wofür wir bei der Beschreibung der Einzel- strömungen noch auf das eine oder andere näher eingehen werden. Der erste Fall, daß ein stetiger Wind über die ganze oder fasi die ganze Fläche eines rings umschlossenen Meeresteils hin herrscht, tritt in den offenen Ozeanen nirgends auf, schon eher in den Nebenmeeren: ich denke dabei unter anderem an den Nordost- oder den Südwestmonsun in der Chinasee nordwestUch von Bomeo. Es ist klar, daß der oberflächüche Triftstrom vor sich her eine Stauung, hinter sich eine Senkung des Wasser- spiegels bewirken wird, was dann auch einen rückkehrenden Kompensations- stTom in der Tiefe verlangt: dieser aber muß dem von der Theorie ge- forderten Tiefenstrom genau entgegengesetzt laufen, so daß sich beide größtenteils aufheben. Hier würde also im wesenthchen nur ein Oberflächen- strom bis zur Reibungstiefe D im Wasser herrschen. Im Rücken des Nord- ostmonsims tritt an def Südküste Chinas kaltes Auftriebwasser auf, wobei die Senkung des Meeresspiegels auch von Norden her durch die Formosa- straße Wasser herbeizieht. Der von Ekman selbst als Beispiel behandelte Nordatlantische Ozean nordwärts von 45 "N. B. bis nach Island hin im Winter scheint mir als Beispiel nicht ganz so geeignet, indem der Land- abschluß im Süden fehlt und der Westen und Norden des Gebiets nicht mehr von den ins Auge gefaßten Süd- und Südwestwinden beherrscht wird. Die Folgerungen Ekmans sind dieselben, wie sie vorher für die China- see ausgesprochen wurden. Ein zweiter typischer Fall betrifft die Wirkung eines Windgürtels mit ungefähr gleichgerichteten Winde u quer über einen Ozean hinüber, wie sie in den Passaten auftreten. Der Triftstrom wird die Oberflächen- schicht nach Westen führen, dabei wird die strömende Wassermasse als Ganzes senkrecht zum Winde, also polwärts abgedrängt, wodurch an der 1) Ann. d. Hydrogr. 1906, S. 527 f. Die mathematische Beweisführung ist auch für diese Vorgänge zunächst nur sehr lückenhaft gegeben. 542 Die Wirkung des Windes. äquatorialen Seite dßr Passate eine Niveausenkung, an der polaren eine Anstauung entsteht. Außerdem erfolgt an der Westseite des Passat- gebiets ebenfalls eine Anstauung, an der Ostseite eine Senkung. Die hieraus abzuleitende Kompensation wird in dem Eaum zwischen den Passaten, also ungefähr in der Kalmenzone, eine oberflächliche Gegenströmung erfordern; sie ist im Atlantischen Ozean als Guineastrom bekannt und wird an der Oberfläche sehr warmes Wasser erhalten, das aber in der Tiefe durch aufsteigendes ausgekühlt wird. Neben den Triftströmen ist nach der Ekmanschen Theorie ein mächtiger Tiefenstrom unter jedem Passat zu erwarten; auch dieser muß sich nach vorn anstauen und unter dem Äquatorialgegenstrom einen ebenso nach Osten gerichteten Tiefenstrom zur Kompensation in Gang setzen. Zum dritten kann man aber auch ringförmige Windgebiete unter- scheiden; so zunächst ein großes antizyklonales System rings um jedes Roßbreitenmaximum herum. Hier werden, wie für den Passat schon soeben ausgesprochen, die Triftströme die Oberschicht, der Erdrotation nach- gebend, ins Innere der atmosphärischen Antizyklone hineindrängen, was besonders anschaulich für die Sargassosee zu erweisen ist. Daneben wird ein Tiefenstrom ringförmig um das Luftdruckmaximum herum die Tiefen beherrschen, also als ein geschlossener Kreislauf. Diese Anordnung tritt im Nord- und Südatlantischen, Südindischen, Nord- und Südpazifischen Ozean auf, und zwar nicht ohne einige örtliche Varianten, mit denen wir uns später zu beschäftigen haben werden. Das in das Innere des Strom- rings hineingedrängte Wasser kommt von der Oberfläche, ist also sehr warm; wir haben es für die Sargassosee bereits bei Darstellung der Tem- peraturen erwähnt (Bd. I, S. 396 und 426), Gegenüber dem kühleren Wasser der Umgebung entstehen also Druckgradienten, und das Solenoid- feld wird in der Sargassosee besonders von der Oberfläche bis etwa 800 m hin sehr kräftig ausgebildet, aber noch bis 2500 m erkennbar sein. Sand- ström ^) hat unter Zugrundelegung eines Temperaturprofils von Schott (vgl. unsre Fig. 173) die Zirkulation in 15 ° N. B. berechnet und die Beschleus nigung (ohne Rücksicht auf die Reibung) zu 12 cm p. S. oder 5.6 Seemeilen in 24 Stunden erhalten. Da der Gradient nach Süden gerichtet ist, wird der hieraus entstehende Strom nach Westen getrieben, was also die gleich- gerichtete Passattrift verstärkt. Da diese an der Oberfläche nach den vorhegenden Beobachtungen 15 bis 17 Seemeilen in 24 Stunden läuft, wäre die Windkonstituente auf mindestens 10 bis 12 Seemeilen zu schätzen, so daß sich hiemach die Dichteströmung (immer abgesehen von dem sie schwächenden Reibungswiderstand) und die Windtrift wie 1 zu 2 ver- hielten. Auch zyklonale Windringe beherrschen kleinere Teile der Meere; so sind die beiden Zyklonen südwestlich und nordöstlich von Island, ähnhch auch im Alaskabusen und wahrscheinhch auch im Ochotskischen und im Schwarzen Meer, die Kraftquelle für Stromringe, die entgegen dem Uhrzeiger umlaufen, wobei die Erdrotation die triftende Oberschicht nach rechts an die Küsten drängt. Diese Küsten sind partiell (wie bei Grön- land) oder ringsum (im Norwegischen Meer) von leichterem Landwasser ^) Svenska Hydr. Biol. Kommissionens Skrifter 1905, Bd. 2. Berechnung der Windrichtung und -stärke. 543 überhöht, so daß sich eine Dichtigkeitsfläche mit einer Windfläche in glei- chem Sinne summieren und die Stromstärke vermehren muß. So weit also diese atmosphärischen Zyklonen als eine ständige oder einen mittleren Zustand vorstellende Erscheinung auftreten, werden sie auch die allge- meine Tendenz der davon abhängigen Strömungen bestimmen, insbe- sondere den von der Ekmanschen Theorie geforderten Tiefenstrom unter- halten. Auf ihren Zugstraßen nach 0 wandernde Zyklonen werden nicht imstande sein, stationäre Ströme zu erzeugen, sondern nur vorübergehend an der äquatorialen Seite des Luftwirbels die dort ohnehin vorhandenen östHchen Triften verstärken. — Zu einer exakten Bestimmung der Triftströme ist natürlich eine ge- nauere Kenntnis der Windrichtung und Windstärke im be- treffenden Meeresgebiet erforderlich; leider trifft man bei praktisch in Angriff genommenen Problemen dieser Art sehr bald auf gewisse Schwierig- keiten, auf die hier näher eingegangen werden muß. In der Regel wird es sich darum handeln, eine mittlere Windrichtung und Windstärke für ein gegebenes Gebiet und für eine gewisse Jahreszeit oder für das Jahresmittel einzuführen. Aus den einzelnen beobachteten Windrichtungen einen Mittelwert zu berechnen, ergibt dieselben Schwierig- keiten, wie sie für den analogen Fall der Meeresströmungen früher schon (S. 420) dargelegt sind. Daher hat H, M o h n einen Kunstgriff angewandt, der aus den theoretisch bekannten Gesetzen für gleichmäßige, geradlinige Luftbewegungen entnommen ist. Bezeichnet man mit ji den Wert 13,6.90. 10- « = 0.00012236, p das Gewicht eines Kubikmeters Luft, G den barometrischen Gradienten oder den barometrischen Druckunter- schied in MilMmetern bezogen auf den Normalabstand der Isobaren von 60 Seemeilen oder 111 km (also G = lH/a), a den Ablenkungswinkel des Windes von der Richtung des Gradienten, ß die geographische Breite, (0 die Umdrehungskonstante 0.00007292, h den Reibungskoeffizienten zwischen der Luft und der Erdoberfläche, w die Windgeschwindigkeit (Meter p. S.), so lauten die von G u 1 d b e r g und Mohn aufgestellten Grundgleichungen: , — Q sin a = 2 (o . u) sin 8 und — O cos u = kw, woraus P P tang a = sin p und w — -^—j~ cos a. Der Reibungswiderstand k wird von den norwegischen Meteorologen bestimmt zu 0.00002 für eine ruhige, 0.000035 für eine bewegte Meeres- oberfläche, während er auf Landflächen über 0.00008 bis 0.00012 bei unebenem Gebirgsland steigt. Für unsere Zwecke empfiehlt es sich Je = 0.000035 zu setzen, obwohl Guldberg und Mohn diesen Wert für die äquatornahen Meere ganz erhebhch, und zwar bis 0.000015 bis 0.00002, er- niedrigen wollten, was aber in der Praxis zu großen Schwierigkeiten führte. Die hiermit namenthch für Landstationen berechneten Windgeschwindig- keiten V- der zweiten Formel zeigten sich überhaupt mit den beobachteten so wenig in Einklang, daß es ratsam erschien, rein empirisch vorzugehen und aus den synoptischen Wetterkarten für die verschiedenen Breiten- 544 Die Wirkung des Windes. Zonen die zahlenmäßige Beziehung zwischen Gradient und Windstärke zu ermittehi, wobei natürlich die geschätzten Beaufortgrade in Meter p. S. umzuwandeln waren (oben S. 70). Dieser Arbeit hat sich Dr. Georg Wegemann ^) unterzogen. Es ergab sich, daß eine vorher von L. E. D i n k 1 a g e 2) wahrscheinhch gemachte Beziehung nicht zutraf, wo- nach die Gradienten, welche gleiche Windgeschwindigkeiten in verschie- denen geographischen Breiten erzeugen, sich wie die Sinus der Breiten verhalten sollten. Wegemann fand vielmehr, daß, wenn man die Produkte aus den einzelnen Windgeschwindigkeiten und den ihnen zugeordneten Isobarenabständen (für je 1 mm BarometerdifEerenz), also a . w bildete und nach den geographischen Breiten ordnete, diese Produkte sich ver- hielten wie die Kosinus der normalen Ablenkungswinkel a. dieser Breiten. Tabelle der Beziehungen zwiach e n geographischer Breite, Ablenkungswinkel und Windstärke der Luftströmungen. ß a a . w ß a a . w ß a o . w 0 0 0 0 0 0 0 — 2164 30 64.3 936 60 74.5 BIS 1 4.1 2159 31 65.0 914 61 74.7 573 2 8.3 2142 32 65.6 893 62 74.8 568 3 12.3 2115 33 66.2 873 63 74.9 563 4 16.2 2079 34 66.8 854 64 75.1 558 5 19.9 2034 35 67.3 835 65 75.2 554 6 23.5 1984 36 67.8 818 66 75.3 530 7 26.9 1930 37 68.2 802 67 75.4 546 8 30.1 1872 38 68.7 786 68 75.5 543 9 33.1 1813 39 69.1 771 69 75.6 539 10 35.9 1754 40 69.5 757 70 75.7 536 11 38.5 1694 41 69.9 744 71 75.8 533 12 40.9 1636 42 70.3 731 72 75.8 530 13 43.2 1579 43 70.6 718 73 75.9 527 14 45.2 1525 44 70.9 707 74 76.0 524 15 47.2 1471 45 71.2 696 75 76.0 522 16 48.9 1421 46 71.5 685 76 76.1 520 17 50.6 1373 47 71.8 675 77 76.2 518 18 52.2 1328 48 72.1 665 78 76.2 516 19 53.6 1284 , 49 72.4 656 79 76.3 514 20 54.9 1244 50 72.6 648 80. 76.3 513 21 56.2 1204 51 72.8 639 81 76.3 511 22 57.4 1168 52 73.1 631 82 76.4 510 23 58.4 1133 53 73.3 623 83 76.4 509 24 59.4 1100 54 73.5 616 84 76.4 508 25 60.4 1069 55 73.7 609 85 76.4 507 26 61.3 1039 56 73.8 602 86 76.5 506 27 62.1 1012 57 74.0 595 87 76.5 506 28 62.9 985 58 74.2 589 88 76.5 505 29 63.6 960 59 74.4 584 89 76.5 505 30 64.3 936 60 74.5 678 90 76.5 505 1) Ann. d. Hydrogr. 1904, S. 410. 2) Der Pilote Bd. 1, S. 19 (Hamburg, Deutsche Seewarte). Berechnung der Reibungstiefe nach W. Ekman. 545 Aus diesen Relationen hat sodann Dr. Gerhard Castens^) eine Tabelle für die normalen Ablenkungswinkel a und die Produkte der a . w für Breiten zwischen 0° und 60 " berechnet, die ich auf 90° erweitert S. 544 wiedergebe. Mit ihrer Hilfe kann man dann leicht die einem gegebenen Isobarenabstand a zukommende Windstärke und die von der geographi- schen Breite in gewisser Weise abhängige Windrichtung berechnen. Wenn •wir beispielsweise in den beiden 5 "-Feldern zwischen 35" und 40" W. L. und 45" bis 35" N. B. westwärts von den A^ioren nach den Angaben der Seewarte im Atlas des Atlantischen Ozeans den Isobarenabstand für 1 mm = 163 km mit einer Gradientrichtung nach Nordnordost finden, so ergibt die Tabelle als Ablenkungswinkel für 40" Breite 69.5", also eine Win(£ichtung von fast genau aus West, mit einer Windstärke von 757/163 = 4.7 m p. S. Der reine Triftstrom dieses 5 "-Feldes würde somit nach Südosten gehen. f) Die Berechnung der Reibungstiefe nach W. Ekman. Zum Schlüsse sei noch auf zwei Methoden hingewiesen, nach denen man, wie Ekman angibt, die Reibungstiefe D berechnen kann. Der erste Weg führt uns zu den Beziehungen zwischen Windstärke und Triftstrom. Aus den früher erwähnten Gleichungen TD j - D^pwsincp ., ^ Tk Vn = 7= und k = — —^ wird D = —= Kk\/2 it« Fo. \/ 2.pu>8in'f Hierin bedeutet Vq die Geschwindigkeit des Öberflächenstromts in Zenti- metern p. S., k ist der Reibungswiderstand, cd die Umdrehungskonstante der Erd«^ (0.0000729), p die Dichtigkeit des Seewassers, (p die geographische Breite und T der Tangentialdruck des Winds auf die Wasseroberfläche. G^mäß den von Colding ermittelten Beziehungen wird T == 0,0000032 w ^, wo w die Windgeschwindigkeit in Zentimetern p. S. bedeutet. Ferner ist nach Mohn und Nansen die durchschnitthche Geschwindigkeit der Trift V = 0.018 w/fX sin (p und 1*0= Va dieses Wertes gesetzt, also Vq = 0.0127 w/l/^ sin (f, ein Vorgehen, dessen Berechtigung Ekman jedoch nicht genügend bewiesen hat. Indem diese Werte, sowie die Zahlen für tu, l/"^ 2, (0 und p = 1.025 in obige Gleichung eingeführt werden, erhält man D = 7.5 w/\/^ sin 9 in Zentimeter, oder wenn w in Metern p. S. angegeben wird, erhält man auch D in Metern. Wollte man 70 = ^ setzen, so erhielte man D = bwl l/^sin er 110 m hinaus ind geben ebenfalls teilweise einander sehr widersprechende Richtungen. ') Die Flaschenposten der Deutschen Seewarte (Aus dem Archiv der See warte 397) S. 14. «) Ann. d. Hydr. 1887, 8. 331. Die Äquatorialströme. Fig. 16.5. 553 Oberfl&chentemperaturen und Strömungen im äquatorialen Atlantischen Ozean. 554 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. Es zeigt sich hieraus die Möglichkeit, daß auch Planktonformen aus der Südhalbkugel in die nördliche übertreten und durch die westindischen Gewässer auch in die höheren nordatlantischen, ja in die arktischen Breiten ihren Zugang finden können. Wir werden noch darauf zurückkommen. Die südliche Äquatorialströmung weist in ihren Temperaturen ■ der Meeresoberfläche eine ausgeprägte Jahresperiode auf, die für ein unmittel- bar am Äquator gelegenes- Meeresgebiet zunächst eine auffallende Er- scheinung bedeutet. Wie auch aus Fig. 165 S. 553 zu entnehmen, ist die Oberfläche im August am Äquator zwischen 10° und 25°W.L. be- trächtlich (um 3*^ bis 4") kälter als im Februar und Mai, und die Luft dann wärmer als das Wasser. Weiter nach Süden hin wächst die Tem- peratur wieder etwas ^), so daß man (in übertriebener Weise) geradezu von einer „Kältezunge" am Äquator gesprochen hat. In verschiedenen Jahren ist in der genannten Gegend die Abkühlung noch stärker als auf unserer Karte hervorgetreten , die Temperatur der Meeresoberfläche erlangte kaum 20 '^ und der Passat flaute ab: man hat es dann mit einer „Kaltwasserinsel" zu tun, wie sie homolog auch im Pazifischen Ozean mit ähnlicher oder stärkerer Intensität ausgebildet wird (vgl. Fig. 55 u. 56 in Bd. I, S. 410). Die Erscheinung ist am atlantischen Äquator so häufig, daß sie in dem englischen Atlas der Oberflächentemperaturen dem Zwei- gradfeld 0°— 2'* S, 18°— 20«' W für den August nur einen mittleren Wert von 21.7° gibt, gegen 22.8° im östlich davon, also luvwärts, 23.9° im westlich gelegenen Nachbarfeld; das nördliche hat 25.6°, das südlich angrenzende 23.3° 2). Wir werden auf diese, wie es scheint, mit einer gewissen Ausschheßlichkeit den Hochsommer kennzeichnende Erscheinung später zurückkommen, wenn wir uns mit der Erklärung dieser äquatorialen Meeresströme beschäftigen. 3. Die karibische Strömung ist die Fortsetzung der Guayana- strömung und des Hauptteils des nördlichen Äquatorialstroms. Schon Hennell beschreibt die lebhafte Trift zwischen den Kleinen Antillen und nennt sie weiter westlich nicht nur einen Meeresstrom, sondern eine ganze See in Bewegung (not a stream, hut a sea in motion). B a r 1 1 e 1 1 berichtet von seinen Aufnahmen in den westindischen Gewässern, daß an den Küsten der Strom stark nach Westen setze, er aber in der Mitte der Durch- fahrten den starken Strom nicht gefunden habe (vgl. jedoch Bd. I, S. 177). ^) Wir konnten das auf der Planktonexpedition noch Anfang September sehr typisch beobachten: Datum 1889 Breite W. L. Mittlere Oberflächen- temperatur Strom- richtung nach Stärke Sm./24_Std. Sept« ;mber 5. 6. 7. 8. 9. 10. 3» 32' N. 1 31 „ 0 7 S. 1 49 „ 4 26 „ 7 1 „ 18» 54' 17 2 15 0 14 44 14 10 14 15 26.0» 25.3 23.4 23.2 24.0 24.1 SO WSW WNW WNW WNW WNW 18 15 32 38 17 6 *) Vgl. Bd. I, S. 409 und die Tab. in Zeitschr. für wiss. Geogr. 1887, Bd. 6, S. 16/17. Die karibische Strömung. 555 Die englischen Stromkarten geben nahe der festländischen Küste eine Geschwindigkeit von 24 bis 72 Seemeilen im Osten, 12 bis 36 weiter im Westen an. Dort trifft der Strom auf die nordsüdlich verlaufende Küste von Honduras, an welcher entlang nach Süden segelnd Kolumbus auf seiner vierten Reise (1502) den hier nach Norden abgelenkten Strom sehr unangenehm empfand; er beklagt sich sogar, daß er zu keiner Zeit mit dem ausgeworfenen Bleilot den Boden habe finden können, weil durch die starke Strömung dasselbe immer vom Grunde aufgehoben worden sei^). In der Bucht von Chiriqui und Darien, wie dann weiterhin im Golf von Honduras (Belize) werden sich der Theorie nach Neerströme entwickeln müssen, die in der Tat auch auf den Karten eingetragen sind. J. E. Pillsbury^) hat sich eingehend mit Strommessungen in der Gegend der Kleinen Antillen, in den Straßen zwischen den Großen Antillen und an den Süd- und Westrändern des Karibischen Beckens in den ersten Monaten der Jahre 1888 und 1889 beschäftigt. Seine technisch anscheinend mit systematischen Fehlern behafteten Messungen (vgl. oben S. 424) ergeben folgendes Bild. Auf seiner Station 32, 60 Seemeilen nördlich von Barbados, also tief und frei außerhalb der Windwardinseln gelegen, ankerte er bei günstigem Wetter 30 Stunden; er erhielt bis 120 m Tiefe einen ziemlich stetigen Strom nach WzS mit 0.8 bis 0.9 Knoten stündlicher Geschwindigkeit; in 240 m Tiefe aber nahm der Strom, wie er sagt, „einen gezeitenähnlichen Charakter" an und vier verschiedene Beobachtungen ergaben NzO 0.51 Knoten, WNW 0.63, SzO 0.53, OSO 0.55 Knoten. In 365 m lief der Strom nach SzW 0.53 Knoten. Wir wissen, daß Gezeitenström«: doch unmöglich allein die unteren Schichten erfassen. Die von Pillsbury im Floridastrom bemerkten, später zu erwähnenden Beziehungen des Stroms zur Deklination des Mondes waren hier gerade mit dem umgekehrten Vorzeichen wirksam und überhaupt nur schwach erkennbar; man kann immerhin Zweifel hegen, ob ihnen überhaupt eine reale Bedeutung zukommt. Es geht das aus einer Überlegung hervor über die Art und Weise, wie die Monddeklination überhaupt hier auf den Meeresstrom einwirken kann. Wir befinden uns in einem Gebiete ausgesprochener Eintagstiden (s. oben S. 332 u. 268) ; die Teiltiden K^ und 0 haben ihre maximalen Hubhöhen nun gerade zur Zeit der extremen Monddeklination (4 28 °), aber dann wird der zugehörige Gezeitenstrom die lange Zeit von 12 Stunden nach Westen und wieder 12 Stun- den nach Osten laufen, also nur im ersten Falle den stetigen Meeresstrom verstärken, im anderen ihn abschwächen. Je nachdem nun zufälüg der Strom überwiegend in der einen oder in der anderen Phase gemessen ist, werden sich angebliche Einwirkungen der Monddeklination in die Beobachtungen ein- schleichen können. Vielleicht ist der einzige, wenn auch noch nicht genügend durchsichtige Weg, eventuellen Einwirkungen der Monddeklination nach- zuspüren, in der von Heinrich Hertz angegebenen Richtung zu suchen (vgl. oben S. 444), wobei wiederum betont sein mag, daß die von Pillsbury veröffentlichten Messungen keine Gewähr dafür bieten, daß sie genügend lange Zeit hindurch fortgeführt worden sind, um solche Zusammenhänge aufzudecken. Auf einer Reihe von Stationen zwischen Barbados und Tobago war das Bild nicht wesentlich anders; die Oberschichten bis 55 m Tiefe bewegten sich nach mehr oder wemger ausgeprägt westlichen Richtungen, aber mit ziemüch großen Geschwindigkeiten (im Durchschnitt in 6.4 m 1.48 Knoten; in 27 m 1.18 Knoten; in 55 m 0.99 Knoten. Die am nächsten bei Tobago gelegene 1) Kohl, Golfstrom, S. 30. 2) U. S. C!oast Sürvey Rep. Appendix 10, 1890, p. 568 f. 556 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. Station hatte Strom nach NNW mit großen Geschwindigkeiten, in den drei genannten Tiefen der Reihe nach 2.46, 1.45 und 1.17 Knoten, worin wir wohl eine Stauwirkung an der Insel und am Küstenschelf erkennen dürfen. Auch in der Passage zwischen S*.a. Lucia und St. Vincent war wiederum nur in den Tiefenschichten von 120 und 240 m eine Art alternierenden Stroms erkennbar, mit dem Maximum der Stromstärke 6*^ 10"^ nach dem Meridian- durchgange des Mondes und 3^^ nach dem Hochwasser, während der Ober- flächenstrom stetig und stark (Maximum 2.28 Knoten) nach WNW lief. — Zwischen Martinique und Dominica wurde auch der Oberfiächenstrom schwächer, die Richtung blieb WNW, jedoch hielten sich hier die Tiefen- ströme beständiger zwischen Westen und Süden. Wenn wir uns auf den Stand- punkt von Endrös (oben S. 333) stellen und eine stehende Schwingung von 24 Stunden Periode durch das Karibisch-mexikanische Becken hin annehmen, so würden wir die Hauptknotenlinie ih die Straßen bei den Kleinen Antillen verlegen müssen, woraus folgt, daß dann in der Tiefe der alternierende Strom besonders kräftig auftreten würde (vgl. oben Fig. 41, S. 158 rechts und links an der Seite). Ob die von Pillsbury gemessenen Perioden hiermit überein- stimmen, ist aber fraglich bei der Kürze der Beobachtungszeit. — Nördlich von Dominica und noch ausgeprägter in der Anegadapassage (östlich von St. Thomas) treten Gezeitenströme auch an der Oberfläche mehr und mehr hervor, leider sind vollständige Beobachtungsreihen auch für diese als Knoten- punkt zweier Haupttide wellen besonders interessante Gegend (s. oben S. 310) nicht gegeben. In der Mona- und der Windwardpassage ist, sagt Pillsbury, „ein stetiger Strom überhaupt nicht zu finden, sondern nur Gezeitenstrom mit Abweichungen bald in der einen, bald in der anderen Richtung gemäß den örtlichen Umständen". Im allgemeinen scheine eine Wasserversetzung in diesen Straßen an der Ostseite in den Ozean hinaxis, an der Westseite ins Karibische Meer hinein zu überwiegen. Seine Strombeobachtungen im April 1888 und März 1889 haben die herrschende Meinung, als ob der Strom überall in diesen Passagen in das Karibische Meer hinein gerichtet sei, und zwar nicht nur an der Oberfläche, sondern auch am Meeresboden, nicht bestätigen können. Die Tabellen zeigen in der Tat nur alternierende Ströme, deren Geschwindig- keiten unregelmäßig zwischen 0.45 und 1.07 Knoten schwanken. Deutsche Schiffsführer haben nicht selten unter Land den Strom entgegen dem mitten in der Straße herrschenden gefunden^). An der Festland seite lieferten die Strommessungen sehr auffallende Resultate. Schon zwischen Trinidad und Grenada lief der Strom in allen untersuchten Schichten im Jahre 1888 nach Osten, ein Jahr später an der- selben Ankerstelle aber nach Westen, außer in 120 und 240 m, wo er (in einer nicht angegebenen Periode) zwischen Westsüdwest und Nordost alternierte; Beziehungen zu den Mondphasen und zur Monddeklination fehlten. Südlich von Cura9ao ging der Oberflächen ström bis 80 m nach Nordwesten, in den größeren Tiefen nach Südosten; näher zum Festland hin, aber noch bei 777 m geloteter Tiefe, hatte der Oberstrom nach Westen die Stärke von 1.87 Knoten in 50 m, dagegen nur 0.88 Knoten in 27 m. — Auch nach deutschen Be- obachtungen scheint der Strom an der venezolanischen Küste nur schwach zu sein*). Im Westteil des Karibischen Beckens fand Pillsbury zwischen Jamaica und Honduras ähnliche Verhältnisse wie bei Barbados. Zwischen der Pedro- und der Rosalindebank (Ankertiefe 1280 m) setzte der Oberflächenstrom nach SWzW bis WSW mit 1.97 bis 1.51 Knoten bis zur Tiefe von 120 m hinab; *) Einige Einzelheiten gibt auch J. S ol e y in Ann. d. Hydr. 1909, S. 360. •) 8. M. 8. „Stosch" in Ann. d. Hydr. 1903, S. 222. Strömungen des Golfs von Mexiko. 567 auch in 240 m ging er nocli nach WzN mit 0.67 Knoten, dagegen in 370 m alternierend nach WzN 0.47 und EzN 0.57 Knoten, was wohl mit den (S. 425) beschriebenen Pendelungen des mit dem Strommesser beschwerten Ankertaus, aber nicht mit der eintägigen stehenden Welle zusammenhängt. Endlich tritt der Strom in die Engen zwischen Yucatan und Kuba ein, welche zwischen Kap San Antonio und Catoche nur wenig über 100 See- meilen Breite besitzen, so daß daselbst seine Bahn auf nahezu 7, ein- geengt erscheint. Eine Zunahme der Geschwindigkeit bis 50 und gelegent- lich noch mehr Seemeilen täglich ist daher die erste Folge, anderseits aber werden südlich unter Kuba Neerströme nicht ausbleiben. Ostströme beginnen schon dicht beim Kap San Antonio, erfüllen mit gefürchteten Wirbeln die benachbarte Ensenada de Corrientes und bewegen sich weiter auf die Fichteninsel (Isla de Pinos) zu. Die englischen Stromkarten kennen solche Ostströme angeblich nur zur Zeit der Svzygien und der Tag- und Nachtgleichen, aber überall entlang den Südküsten der größeren Antillen bis nach Portorico hin. Man wird nicht fehlgreifen, wenn man sie nur als Neerströme auffaßt, obwohl sie im Winter auch als Folge der häufigen und starken Norder im Golf von Mexiko auftreten könnten, welche den Strom bei Kap San Antonio bisweilen ganz nach Süden um- kehren, was indes nur für die Oberfläche gelten dürfte. Nach Pillsbury^) beherrscht der Strom nicht den ganzen Raum der Yucatanstraße einheitlich. Auf der westlich sie begrenzenden seichten Yucatan- bank sind auch Einwirkungen der Gezeitenströme vorhanden: der Strom lief durch 18 Stunden nach Nordwesten mit der Flut, drehte dann über Norden nach Osten mit der Ebbe, und wieder zurück über Norden nach Nordwesten mit der Flut; das Maximum der Stromstärke lag 2^26"^ nach der Mond- kulmination. Die Hauptachse des Stroms war damals etwas nach Westen von der Mitte der Straße nahe an den Ostrand der Yucatanbank verschoben. Näher am Kap Antonio fand sich der bekannte Neerstrom schwach aber stetig in das Karibische Meer hineinsetzend vor, und zwar noch über ganz tiefem Wasser, mit Richtungen zwischen NOzO und Südosten mit durchschnittlich 0.6 Knoten bis 240 m hinab gemessen. Auf den übrigen sechs Stationen des Querschnitts Uef der Oberflächenstrom entschieden nach Norden (im Mittel aus allen Beobachtungen NzO), jedoch bei niedriger Deklination mehr nach Nordosten abweichend. Es erscheint sehr fraglich, ob die Beobachtungen zu derartigen Schlüssen ausreichen, denn die wechselnden Barometerstände ina Golf von Mexiko erwiesen sich von ganz deutlichem Einfluß auf die Strom- richtung, indem bei fallendem Barometer der Yucatanstrom stark nach Norden, bei steigendem mehr nach Nordosten und Osten drängte. Wenn Pillsbury dann weiter angibt, daß erhebüche Variationen der Stromstärke in wenigen Stunden auftraten, indem diese einmal in 5 Stunden fast um 3 Knoten wuchs, um in den nächsten 9 Stunden wieder abzunehmen, ein andermal aber in 3 Stunden um 3 Vi Knoten zunahm, so haben wir es hier wiederum nicht bloß mit Tideströmen oder mit den Schwingungen einer stehenden Welle zu tun, sondern auch mit den störenden Pendelungen des Ankertaus, die bei einfach verankertem Schifi unvermeidlich erscheinen. 4. In den GolfvonMexiko gelangt, biegt die warme karibische Strömung jedenfalls mit der Hauptmasse ihrer Gewässer ostwärts um und strömt unter dem Namen des Florida- oder Golfstroms zwischen 1) A. a. 0. S. 554. 558 I^i^ Strömungen des Atlantischen Ozeans. JFlorida und Kuba zunächst nach Osten, sodann zwischen Florida und den Bahamabänken nach Norden in „den Ozean hinaus; mit diesem Floridastrom werden wir uns an einer späteren Stelle weiter beschäftigen. Die Strömungen im eigentlichen Golf von Mexiko werden nicht immer richtig verstanden, und auch die neueste, scheinbar auf ein großes Material von Strom- und Temperaturbeobachtungen gegründete Darstellung von Leutnant John C. S o 1 e y hat zu Mißverständnissen Anlaß gegeben ^). Nach den älteren, namentlich den englischen Stromkarten sollte der aus der Yucatanstraße heraustretende, tropisch warme Strom sich mit einem Arm auch nach Nordwesten und Westen auf die Campechebank wenden und den ganzen Golf über die Campechebai, bei Vera Cruz und Tampico vorüber, im Sinne des Uhrzeigers umkreisen. Doch war bekannt, daß westlich von der Mississippimündung der vorherrschende Strom gerade umgekehrt nach Westen gerichtet sei; es ist leicht einzusehen, daß die Fülle des ausströmenden leichten Flußwassers, durch die Erd- rotation erfaßt, notwendig diesen Weg im tiefen Wasser (s. oben S. 506) nach Westen einschlagen muß; das hat in der Tat Soley aus den Strom- versetzungen unzweifelhaft erwiesen. Unzutrefiend ist es also, das Fluß- wasser des Mississippi als eine wichtige Wurzel des Floridastroms zu be- zeichnen, wie leider auf Stromkarten geschehen ist. Trotz seiner niedrigen Temperatur, die zur Zeit des Frühjahrhochwassers bis auf 8" sinken und damit um 15®, ja mit dem Südwesten des Golfs vergMchen, um fast 20" unter der Oberflächentemperatur des Golfs liegen kann und alsdann die Zufahrten nach New Orleans in dichten Nebel hüllt, ist das Wasser erheblich leichter als Golfwasser und folgt dem DichtegefäUe. Nach Soley ist dieser Weststrom im Bereiche des breiten Texasschelfs bis auf die Höhe von Galveston das ganze Jahr vorhanden, greift aber im. Herbst und Winter weiter südwärts über die mexikanische Grenze bis nahe an Tampico hinaus. Anderseits ist aber auch der Yucatanstrom nach Soley mit zwei Ästen im Golf wirksam : einer soll über die Campechebank westlich den Golf im tiefen Wasser umkreisen, ein zweiter aber gerade nördHch auf die Mississippimündung hin gehen, wo er sich mit dem eben genannten Arm vereinigt und in scharfem Bogen nach Südosten zum Floridastrom hin zurückwenden soll. Auf der breiten ScheKbank östhch von Florida kennt Soley wieder vorherrschend nördliche (rechts an das Lf^'^d gelehnte) Gegenströmungen. Die Oberflächentemperaturen zeigen, daß in der Tat Abzweigungen des warmen Tropen wassers von der Yucatanstraße her in der beschriebenen Art vorkommen werden; nur mit der Einschränkung, daß die eigentliche Campechebank namentlich in unserem Sommerhalbjahr wegen der dann südlich von Ost liegenden Windrichtung von abgekühltem Auftriebwasser beherrscht ist, was aus Soleys und v. Zahns Material deutlich hervorgeht. Aber jene Warmwasserverzweigungen können nur ganz oberflächlich abgedrängte Schichten erfassen, in derselben Art, wie wir sie im Skagerrak ^) Nach den Pilot Charts des U. S. Hydi'ographic Office aus dem Jahre 1907 (Rückseite der Blätter) übersetzt in Ann. d. Hydr. 1907, S. 84. Vgl. dazu G. v. Z a h n in Ann. d. Hydr. 1907, S. 409 und C. F o r c h, ibid. 1909, S. 172 und meine Aus- führungen in diesem Handbuch Bd. I, S. 459 und Verh. des 17. Deutschen Geo- graphentages in Lübeck 1909, S. 81 f. Der Antillenstrom. 55» kennen lernen werden als eine ganz analoge Windwirkung. Es wird das schon aus der Tatsache erwiesen, daß im Hochsommer mitten im Golf (über dem Sigsbeetief um etwa 24° N. B., 93° W. L. herum) die Ober- fläche bis auf 23.9° kühl bleibt, während dann am Nordrande der Cam- pechebank und selbst südwestlich vom Mississippidelta 27° bis 28° ver- zeichnet werden. Noch entschiecjener spricht aber gegen das Eindringen eines gröi3eren Volumens von warmem Wasser die starke Hebung der Isothermflächen im eigentlichen Golf nach Westen und Norden hin, wie aus den Beobachtungen von Alex. Agassiz und Sigsbee hervorgeht. Es. liegt nämlich (im Mai) im Mittel aus zahlreichen Stationen: die Isotherme von: 20° 15» 12.5« in der Yucatanstraße zwischen Campechebank und Mississippi zwischen Vera Cruz und Galveston i 212 110 88 370 220 160 465 m 305 „ 233 „ Die genauere Rechnung ergibt dann weiter, daß die mittlere Temperatur des Schnitts durch die Yucatanstraße von der Oberfläche bis 700 m hin 16.36°, von der Campechebank zum Mississippi 13.01°, von Vera Cruz nach Galveston 12.00° beträgt, während dagegen nördlich von Havanna 16.54° und in den Beminiengen 16.97° für die gleiche Wassersäule heraus- kommen. Das ist nicht vereinbar mit einem Einbiegen eines wesentlichen Teils des Yucatanstroms in den Golf. 5. Außerhalb der Westindischen Inseln biegt ein großer Ast, wenn nicht die Hauptmasse, der nördlichen Äquatorialströmung nach Westen und Nord'westen um, die Antillenstr ö m u n g unserer Karten. Dieselbe erscheint zwar schon bei Findlay^), hat sich aber auf den Strömungskarten lange nicht recht einbürgern wollen. Ich habe mehrfach seit 1876 auf ihre Existenz hingewiesen -), die sowohl durch direkte Strom- beobachtungen wie durch den Verlauf der Oberflächenisothermen bewiesen ist. Die englischen Stromkarten zeigen zwischen den östhcheren Antillen und den Bermudasinseln zahlreiche Westströmungen, allerdings nur in der Stärke zwischen 8 und 20 Seemeilen; die Challengerexpedition fand auf der Überfahrt von St. Thomas nach den Bermuden im März 1873 folgende Stromversetzungen : 26. März, in IG« 41' N. B., 65» 7' W. L. 27. 28. „ 29. „ 30. „ 31. ,. 1. April, 2. „ 3. „ 21 21 22 49 24 39 26 26 27 49 29 5 29 42 31 49 65 12 65 19 66 25 65 18 64 59 65 1 65 7 64 55 N 37» W N 55 W N 44 N 47 N 30 N 55 N 61 N 8 N 11 W W W 0 O W W 14 Seemeilen 14 24 20 16 14 4 22 5 Als (mechanisches) Mittel aus diesen neun Strombeobachtimgen ergibt sich die Richtung N 23» W oder NNW mit 12 Seemeilen; nehmen wir aber nur die M Journ. R. G. Soc. 1853, S. 220. *) Äquator. Meeresstr. S. 9; hier habe ich auch den Namen Antillenstrom dafür vorgeschlagen. 560 15*6 Strömungen des Atlantischen Ozeans. ersten fünf Tage, wo der Strom sehr regelmäßig sich fühlbar machte, so erhalten wir als (mechanisches) Mittel N39*W mit 17.4 Seemeilen. — Klimatisch äußert der Strom sich in der tropischen Wärme, die er den Bahamainseln bringt, deren Treibhausklima die ganze zivilisierte Welt mit Ananas versorgt. Schon M a u r y ^) und die Mitglieder der Challengerexpedition erkannten in dieser warmen Strömung die Fortsetzung des nördlichen Äquatorialstroms. Daß diese Nordwestbewegung eine sehr tiefgehende ist, hat schon Irminger bewiesen, indem er mit Aimes Stromzeiger in 25^4' N. B., 65° 41' W. L. in 900 m Tiefe (durch wiederholten Versuch bei Windstille) die gleiche Strömung feststellte^). Auch die Challengerexpedition maß am 2. April 1873 auf Station 30 A nicht weit von Bermudas den Strom von einem an der Lotleine verankerten Boote aus und fand ihn in 180 m Tiefe noch wie an der Ober- fläche nach Nordwesten setzend; aber in 550 m war kein Strom mehr be- merkbar. Wenn auf älteren Karten bei den Bahamainseln ein aus Westen kommender kalter Strom eingetragen war, so beruhte das auf Phantasie. Die Beobachtungen zeigen das ganze Jahr hindurch nur warmes Wasser, das auch im Februar nicht unter 23" sinkt. Der Strom ist namentlich entlang den Inseln recht kräftig (1.5 Seemeilen stündlich) und kann bei steifen Südostwinden so stark werden, daß Küstenfahrer zwischen die steil abfallenden. Inseln gedrängt und zum Scheitern gebracht werden; namentlich wird Groß-Abaco sehr ge- fürchtet. 6. Die Fortsetzung des südlichen Stromstrichs der südhchen Äqua- torialströmung ist der entlang der südamerikanischen Küste nach Süd- westen sich bewegende Brasilienstrom. Die Stärke desselben ist immer sehr mäßig und mehr als 24 Seemeilen im Etmal sind selten ge- funden worden, meist bringt er den nach Süden segelnden Kap-Horn- Fahrern nicht mehr als 20 Seemeilen täglich. In der Nähe der Küste, bis zu 200 Seemeilen davon, ist die Strömung außerdem wechselnd und folgt nach Hoffmann den hier monsunartigen Küsten winden mit den Jahres- zeiten. Darlim sind in den Monaten Juli bis September nördlich von Bahia unter Land sogar nördhche Stromversetzungen nicht gerade selten gemeldet worden. Die Hauptmasse des Stroms führt ihr warmes Wasser über den Wendekreis hinweg weit nach Süden, worauf später zurückzu- kommen ist. 7. Die Guineaströmung nimmt zu allen Zeiten denjenigen . Raum ein, welcher zwischen den beiden Äquatorialströmungen liegt. Wir sahen oben, daß F i n d 1 a y sie zuerst so aufgefaßt hat (nach einer vom 4. Oktober 1850 datierten, in der Perthesschen Sammlung in Gotha befindlichen Karte), nachdem schon vorher Heinrich Berghaus die östlichen Stromversetzungen der preußischen SeehandlungsschifEe dahin gedeutet hatte, daß nördlich vom Äquator eine „vorher unbekannte, warme östhche Trift auf die afrikanische Küste zu" vorhanden sei. R e n- n e 1 1 kannte ebenfalls östliche Versetzungen in jener Gegend, wußte sie aber nicht zu deuten. — Gemäß ihrer Lage zwischen den beiden Äquatoriäl- strömen ist die Guineaströmung in ihrer Ausdehnung beträchtHchen Schwan- kungen mit den Jahreszeiten ausgesetzt. Schon Kapitän Koldewey hat indes darauf hingewiesen, daß die von Hermann Berghaus und ») Phys. Geogr. of the Sea § 129 und UL ') Zeit8ohr. f. aUg. Erdk. N. F. III, 1854. S. 172 f. Der Guineastrom. 561 den älteren englischen Strömungskarten angegebene westliche Erstreckung des Guineastromes bis in 51° W. L. (nur 200 Seemeilen von Cayenne abstehend!) übertrieben sei, da selbst im September westlich von 35® L. solche dem Guineastrom zuzuschreibende östliche Stromversetzungen nur sehr selten gefunden würden i). In den „Neun Zehngradfeldern usw." sind in der Tat Beobachtungen für die Monate Juni bis September in diesem von der Schifiahrt sehr wenig berührten Räume westlich von 30*' L. sehr spärhch, so daß sich eine positive Bestimmung derjenigen Stelle, wo die Randgewässer der beiden Äquatorialströme nach Osten abkurven, um das westhchste Ende des Guineastroms zu bilden, dann nicht geben läßt. Doch ist kaum anzunehmen, daß im September die Stelle westlicher hegt als in 40 ° L. In den anderen Monaten ist diese „Wurzel" des Guinea- stroms schon eher festzustellen: sie hegt imNovember etwa bei 33 " W. L. „Januar . „ „ 27 " „ „ im März etwa bei 25 " W. L. „ Mai „ „ 280 Im Einzelfalle mögen natürHch Verschiebungen dieses Punktes erfolgen, der sich ja nach dem Verhalten der beiden Äquatorialströme richtet. Hier- von ist auch die geographische Breite dieser Stelle abhängig, die im Sommer im allgemeinen nördlicher, bis an 8 " bis 10 " N. B. verschoben, im Winter dagegen südhcher, in 4° bis 5" N. B., liegen dürfte. Von dieser „Wurzel" nach Osten wird der von der Ostströmung beherrschte Raum stetig breiter, was an sich ein Beweis dafür ist, daß entlang dem Rande der Äquatorialströmungen überall Wasser nach diesem Innenraume abkurvt. In diesem selbst ist die Stromrichtung nach Osten hin aber keineswegs nach ihrer Häufigkeit so vorherrschend, wie die West- richtung in den beiden Äquatorialströmungen, namentlich der südlichen. Nachstehende Tabelle, von P. Hoffmann aus den „Neun Zehngrad- feldern" zusammengestellt, wird das Verhalten der Guineaströmung in den Längen zwischen 30 ^ und 25 ^ W. verdeutHchen. Februar-März | April-Mai Juni-Juli August- Sept. Okt. -Nov. Nördl. Breite Oststr. St. Oststr. St. Oststr. St. Oststr. St. Oststr. St. Prz. Sm. Prz. Prz. Sm. Prz. Prz. Sm. Prz. Prz. Sm. Prz. Prz. Sm. Prz. 120—100 39 IS 29 28 H 20 100—80 — — ■ • — — — 34 17 24 68 21 17 47 i6 29 80—60 — 12 n 27 53 22 26 75 21 18 46 »7 22 60-^0 23 H 23 20 20 25 58 22 18 46 i6 20 33 i8 23 40—20 — ■ — 15 i8 14 11 17 9 — 11 13 21 Die Häufigkeit des Oststroms ist wie die der Stromstillen (St.) in Prozenten aller Beobachtungen, die Stromstärke in Seemeilen (Sm.) für das Etmal ^) Das war auf der Planktonexpedition der Fall; nachdem wir am 10. Oktober 1889 in 40 43' N., 44 0 29' W. eine Stromversetzung nach N 640 W mit 65 Seemeilen erfahren hatten, verzeichneten wir am folgenden Mittag in 60 53' N., 430 11' W. eine solche nach S 840 0 mit 40 Seemeilen. Auch sonst sind einige Beobachtungen dieser Art bekannt. So vom September 1894 in 6 0 bis 8 0 N. B., 50 0 bis 52 0 W. L. nach den Berichten der beiden Bremer Segler „Katharina" und „Kathinka" (Ann. d. Hydr. 1898, S. 10). Erttmmel, Ozeanographie. II. 36 562 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. angegeben. vVin regelmäßigsten ist danach das Phänomen im Hochsommer zwischen 10° und 6" N. B. ausgebildet, während in den übrigen Monaten auch zwischen 4 ° und 6 ° N. B. Ostströme nicht so häufig gefunden werden, wie etwa westlicher Strom in der nördlichen Äquatorialströmung; unter 4 Fällen ist sogar immer einmal auf gar keine Stromversetzung, zu rechnen^). Dasselbe ergibt sich, wenn wir die in der nachstehenden Tabelle zusammen- gefaßten niederländischen Strombeobachtungen beträchten. Im Fünf- gradfeld zwischen 5" und 10" N. B., 20" und 25° W. L. lagen im ganzen G942 einzelne Strombeobachtungen vor, deren mittlere (mechanische) Richtung einen Strom nach Osten (N 86 ° 0) mit einer mittleren (arithme- tischen) Geschwindigkeit von 15.1 Seemeilen im Etmal gibt, aber verbunden mit der sehr geringen Stabilität 2) von 35 Prozent. Am besten aus- geprägt ist auch in diesem Fünfgradfeld der Oststrom zwischen Juni und November, sowohl nach seiner Stärke wie Stabihtät. Monat Mittlere Strom- richtung Mittlere Stärke Stabili- tät Pfoz. Monat Mittlere Strom- richtung Mittlere Stärke Stabili- tät Proz. Dezember S 32» 0 13.7 10 Jujii . . N 82» 0 17.6 54 Januar . S 11 W 11.0 25 Juli . . N 72 0 22.3 76 Februar . N83 W 12.0 26 August . N 78 0 20.2 80 März . . S 15 W 12.2 25 Septbr. . N 76 0 18.9 77 April • . S 10 0 13.6 22 Oktober . N 84 0 14.0 49 Mai . . S 60 0 12.9 29 Novbr. . N 50 0 12.4 16 In seinem ganzen Bereiche ist der Strom offenbar also mannigfachen Störungen ausgesetzt, mit gelegentlich sehr heftigen Kabbelungen, tritt aber, wenn er normal sich ausbilden kann, in Einzelfällen mit nicht zu unterschätzender Kraft auf. Durchschnittlich mögen 18 Seemeilen, als Maximum 40, auch 50 Seemeilen anzunehmen sein. Ganz besonders kräftig pflegt der Strom an seiner Südgrenze sich zu äußern: Schiffe, welche in südlicher Richtung 3 ° N. B. passieren , pflegen nicht selten an dem einen Tage ebensoviel nach Osten, wie am nächstfolgenden nach Westen versetzt zu werden. Schon Strachan bringt dafür von vielen anderen folgendes Beispiel aus dem Nordwinter: Datum N. B. W. L. Strom im Etmal 1857, Januar 8. 4« 41'; 23« 25' \ g 87» O, 19 Seemeilen, „ 9. 3 56 ; 23 32 { „ 10. 2 0 ; 23 23 } N 87 W, 16. „ Zu einer anderen Jahreszeit durchschnitt der „Challenger" den Güineastrom weiter östlich; die beobachteten Stromversetzungen waren: ^) Wenn ausnahmsweise einmal im März die Kälmenzone von Norden her zum Äquator oder sogar in Südbreite vorrückt, so folgt ihr alsbald der Guineastrom und Ostströme herrschen dann am Äquator. Das geschah u. a. im März 1893 und 1894. Im letzten Jahre hatte die deutsche Bark „Kepler" auf der kurzen Strecke von 1.50 S. B., 27» W. L. nach 2.5» N. B., 24.3» W. L. vom 2. bis 13. März täglich Oststrom von 23 Sm. mittlerer Stärke (Maximum am 4. März 45 Sm.). Vgl. a Puls, Aus dem Archiv der Seewarte 1895, Bd. 18, Nr. 1, S. 29. 2) Vgl. die Definition dieses Begriffes oben S. 441. Der Guineaatrom. 5G3 Strom Tagesmittel der Datum N. B. W. L. im letzten Wasser- Etmal temperatur 1873, August 10. 13" 36' 220 49/ S 270W, 7 Sm. 26.1" ,, 11. 12 15 22 28 S 37 W, 16 „ 25.9 » 12. 11° 59' 21» 12' N 38" 0, 33 Sm. 26.1" ,, 13. 10 25 20 30 S 67 0, 26 „ 25.5 „ 14. 9 21 18 28 S 32 0, 13 „ 25.7 „ 15. 8 25 18 2 S 45 0, 27 „ 25.6 „ 16. 7 3 16 3 S 45 0, 28 „ 26.1 „ 17. 6 44 16 42 N 66 0, 10 „ 26.1 „ 18. 6 11 15 57 N 7 0, 17 „ 26.0 „ 19. 5 48 14 20 N 44 0, 33 „ 26.2 „ 20. 4 29 13 52 N 86 0, 28 „ 26.2 . 21. 3» 8' 140 49/ S 72" W, 9 Sm. 25.6" ., 22. 2 49 17 13 N 38 W, 23 „ 25.8 Die während der neuntägigen Fahrt im Guineastrom erfahrene Strom- versetzung ergibt als mittlere Kichtung (mechanisches Mittel) fast genau Ost (N 86 " 0) und als mittlere Stärke (arithmetisches Mittel) 24 Seemeilen. Am 16. August maß man auch die Geschwindigkeit des Stroms, indem ein Boot mit dem Tieflot am Meeresboden verankert lag^). Es ergab sich Oberfläche : 91 m: 183 m: 366 m: Richtung . Starke . N 70" 0 0.5 N 17" 0 0.45 N 15" 0 0.3 N 17" 0 0.2 Sm. Noch weiter östlich wird die Stromgeschwindigkeit noch größer. Deutsche Segelschiffe haben namentlich auf der Höhe von Kap Palmas (4.5° N. B.) nicht ganz selten Versetzungen von 48, in Einzelfällen noch mehr (bis zu 85) Seemeilen im Etmal notiert, womit auch die englischen Stromkarten übereinstimmen. Diese Beschleunigung des Stroms erklärt sich durch Einengung des nordwärts vom Äquatorialstrom verfügbaren Raumes bis auf 150 bis 200 Seemeilen durch das Vortreten der afrikanischen Küste nach Süden hin. Dadurch wird der Strom von Westen her gleich- sam wie in einen Trichter hineingetrieben, und die Stromstärke muß in demselben Verhältnisse zunehmen, wie die Strombreite abnimmt. — Auch in dem Gebiete östlich vom Kap Palmas ist der Oststrom vorhanden (sein Südrand liegt daselbst in etwa 1 ^2" N. B.), wenn er sich auch erheb- lich abschwächt und östlich vom Greenwich-Meridian sogar nicht selten ganz vermißt wird, östlich von etwa 3 ° 0. L. reicht er südlich über den Äquator. Bei Fernando Po sind nach Strachan starke Wirbelbil- dungen, in den flach einschneidenden Buchten der Zahn- und Sklaven- kÜBte sind Neerströme nach Westen festgestellt 2), welche indes zum Teil auch auf dem Abfluß das Flußwassers aus dem Niger und den anderen mehr oder weniger wasserreichen Flüssen von Oberguinea beruhen dürften. 1) Narrative Bd. I, S. 192. «) Ann. d. Hydr. 1882, S. 263, 316; 1885, S. 424, 495. 564 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. Nach Buchanan nämlich nimmt der Salzgehalt des Seewassers stetig bei Annäherung auf die Küste hin ab, und zwar ist diese Erscheinung im Westen der Küste bis nach Monrovia hinauf besonders deutlich ausgeprägt. Das leichte Landwasser sollte in der Tat durch die Erdrotation nach Westen abgelenkt werden, indem es nach der offenen See hin abströmen will. Nach den Beobachtungen von E. Pechuel-Lösche reicht der letzte Ausläufer dieses klaren, warmen, blauen Tropenstroms an der Küste entlang nach Süden sich wendend regelmäßig bis Kap Matuti (372" S. B.), vielfach bis zum Kuillu (öVg" S. B.), ja bisweilen über den Kongo hinaus, dort scharf an den trüben, kalten, grünen Benguelastrom angrenzend^). Bei dem Anlauf des Guineastroms auf das afrikanische Festland biegt aber, wie das aus der dreieckigen Gestalt der von diesem Strome eingenommenen Stillenregion nicht anders zu erwarten, ein Ast auch nach Norden um. Schon Strachan^) hat sehr früh diesen Umstand hervor- gehoben, ich selbst ^) habe mehrfach darauf aufmerksam gemacht, und daß dies in den Sommermonaten, also zur Zeit der großartigsten Entfaltung des Guineastroms, der Fall ist, darf jetzt als allgemein anerkannt gelten. Bestritten wird ein gleiches Verhalten der Strömungen nur noch für den winterlichen Zustand für die Zeit von Januar bis April, wo dann die seit Athanasius Kircher an der westafrikanischen Küste entlang über Sierra Leone und Liberia hin nach Südosten gerichtete Fortsetzung der Kanarien- strömung sich mit dem kleinen von Westen kommenden liest der Guinea- strömung vereint um Kap Palmas herum nach Osten bewegen soll. Diese Auffassung wird auf einem Teil der englischen Stromkarten und nament- lich auch auf den von G. Schott entworfenen Stromzeichnungen noch heute aufrecht erhalten, und vom letzteren auf Grund der vorliegenden Stromversetzungen als allein berechtigt hingestellt *). Eine umfassendere, objektive Nachprüfung des gesamten vorliegenden Materials führt uns zuletzt allerdings zu einer anderen Auffassung, als Schott sie vertritt, wie im folgenden gezeigt werden mag. Die Stromversetzungen in dem kritischen Gebiet zwischen dem Grünen Vorgebirge (15 <* N. B.) und der Breite der St. Annabänke (8" N. B., vor Sierra Leone) und zwar östlich von 20 " W. L. sind sehr spärlich und sehr ^) Loangoexpedition, Abt. III, 1, 17 und 49. „Im Jahre 1882 waren die Klagen über ungewöhnliche Hrtze im Küstengebiet der Kongoländer allgemein. Ich fand, daß statt der kühlen südatlantischen Strömung die ungleich wärmere Guineaströmung sich an der Küste entlang wälzte. Anfang März verfolgte ich sie bis zum Kongo,, während des April noch weiter südwärts bis nach Muserra und Kinsembo (bei Ambriz). Alle Küstenfahrer bestätigten mir einstimmig, daß dieser ungewöhnliche Zustand schon seit Monaten herrsche und daß also statt der sonst von Süden kommenden nun eine mit einer Geschwindigkeit von 1 V2 ^^is 2 km pro Stunde von Norden kom- mende Strömung an der Küste herrsche." Daher sind die Mitteltemperaturen ver- schiedener Jahre an denselben Küstenorten oft sehr verschieden (H a n n, Klimato- logie II ^ 1910, S. 79). 2) Currents and Surface Temperatures of the North Atlantic Ocean, London 1872, Karte für März. ') Die äquatorialen Meeresströmungen usw. (1876) S. 24 und Zeitschr. f. wiss. Geogr. 1883, Bd. 4, S. 154. *) Peterm. Mitteil. 1899, S. 175^ Valdiviawerk S. 124. Auch,Ami. d. Hydr. 1897, S. 350. Der Guineastrom. i6J ungleichmäßig über die Fläche verteilt. Aus der neuesten niederländischen Veröffentlichung^) ergibt sich, daß von den für die 4 Monate Januar bis April in Betracht kommenden 32 Eingradfeldern nur 11 in allen 4 Monaten Be- obachtungen haben, wobei im ganzen deren 165 zur Verfügung stehen. Es handelt sich hier um ein stets wenig von der großen Segelschiffahrt berührtes Gebiet, während auf den weiter im Westen gelegenen Hauptsegelrouten zehn- ^) Kon. Ned. Met. Inst. Nr. 96: Observations oc6anogr. et m6t. dans la r^gion du Courant de Quinte 1855—1900, Utrecht 1904, mit Atlas. 566 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. mal mehr Beobachtungen vorliegen. In Ermanglung besseren Materials müssen wir uns mit diesen lückenhaften Stromversetzungen begnügen; sie ergeben als Mittelwerte : für den Januar aus 21 Eingradfeldern S 6 " O, „ „ Februar „ 19 „ S 10« W, „ „ März „24 „ S 23« W, „ „April „26 „ S 30« O, alle vier Monate aus 90 Eingradfeldern S 6« O. Die Stromstärken sind sehr mäßig und betragen im Durchschnitt 11 See- ' meilen. Die Zahl der Stromstillen ist in dem genannten Werke nicht an- gegeben^ doch sind Versetzungen von weniger als 6 Seemeilen mehrfach auf- geführt, selbst solche von 1 Seemeile finden sich, was sonst als Stille gerechnet wird. Die Generaldistanz würde 556 Seemeilen sein, was auf die Strom- resultanten der 90 Eingradfelder verteilt als vektoriellen Anteil 6.2 Seemeilen, also eine Stabilität von 56 ergäbe (s. oben S. 441). Hiernach ist die aus den Stromversetzungen der Schiffsjournale zu entnehmende wahrscheinliche Stromrrchtuiig in dem vorliegenden Gebiet zur kritischen Zeit nach Süd ge- richtet. Auch in dem südlich anschließenden Streifen zwischen 8 « und 6 « N. ß. ist das Ergebnis noch nicht wesentlich verschieden, indem die Gesamtresul- tierende für die 4 Monate ebenfalls eine südliche wird (S 32« 0, Durchschnitt- stärke 12.7 Seemeilen, Stabilität aber nur 38); erst mit dem Monat April fangen im genannten Streifen rein östliche Versetzungen an bedeutsamer zu werden. Dies ist also die Grundlage, auf die sich Schott beruft. Es wäre aber sehr erwünscht, wenn die auf den modernen Dampferlinien (namentlich auch auf den direkt von den Kanarischen Inseln zum Kapland führenden) registrierten Strombeobachtungen, deren eine große Zahl im Archiv der See- warte ruht, eine geeignete Verarbeitung fänden. Die Flaschenposten aus dem kritischen Gebiet sind nicht minder spärlich; auch aus einer größeren Zahl, als vorliegt, können streng genommen nur solche Triften in Betracht kommen, die sich in der Zeit zwischen Dezember und April im fraglichen Gebiet bewegt haben und aufgefunden sind, nächstdem kämen auch noch Triften in Frage, die, von einem südlicher gelegenen Ausgangs- orte herkommend, in den genannten Monaten die Küste nördlich von 8« N. B. erreicht haben. Diesen Voraussetzungen genügt aus dem veröffentlichten Material der Seewarte nicht eine einzige. Die in vorstehender Fig. 166 ent- haltenen Flaschenposten fallen sämtUch in den Sommer. Nur in der Gegend von Liberia und Kap Palmas oder östlicher sind einzelne Triften als gelandet bekannt geworden, die auch für die ersten Monate des Jahres eine allgemeine Trift nach einer Richtung nördlicher als Ost erkennen lassen. Es sind in der folgenden Tabelle Nr. 1 bis 4; wozu noch zwei aus der amerikanischen Pilot Chart für Juli 1891 gefügt sind. Abgegangen Aufgefunden Trift Name des Vgl. Ann. d. Hydrogr. Schiffs Datum B. W.L. Datum N.B. W.L. Tage Strecke (Sm) Rich- tung 1. „Poncho" 26. 3. 1887 8,60 N. 28.20 20. 6. 1888 6 90 11.60 422 1015 OzN 1888, 469 2. „Carl" 9. 1. 1898 0.70 S. 27.0 0 24. f.. 1898 5.0" 2.80 125 1479 ONO 1899, 289 8. „Pindos" 31. 8 1899 2.10 N. 19.80 11. 2 1900 4.9" 8.8" 163 678 ONO 1901, 39 4. „Niagara" 4 12. 1901 2.3« N. 2620 1. 4. 1902 4.40 7:8 0 118 1100 0 1902, 457 Pil.Chart 5. „Zirai" 9. 1 1891 5 DON. 20 5 0 4. 4. 1891 6.80 11.40 116 668 ONO 6. „Duc D'Aumale" U. 1. 1891 3 30 N. 1800 13. 4. 1891 6.80 11.40 IH 448 NOzO B n Der Guineastrom. 567 Man wird ihnen für die Aufklärung der Streitfrage nur eine bedingte Be- deutung zuschreiben dürfen, denn daß südlich von 8 " N. B. der Strom an der Festlandküste vorherrschend nach Südosten geht, ist unbestritten. Ungleich wichtiger aber ist schon ein negatives Merkmal in den Listen der Flaschen- posten: es ist noch keine Trift bekannt geworden mit einem Ausgangspunkt in der Nähe der Kanarischen Inseln oder nordöstlich von den Kapverden, die ihren Weg an die afrikanische Küste bei Bissagos, Sierra Leone, Liberia oder weiter nach Osten hin genommen hätte und dort angetrieben wäre. Alle die aus dem angeblichen Ursprungsgebiete dieses nach Schott aus dem Norden kommenden Stromes bekannten Flaschenposten sind mit dem Nordäquatorial- strom (wohl östlich und südlich dicht um die Kapverden herum), gleichviel in welcher Jahreszeit sie ausgesetzt wurden, in die westindischen Gewässer gegangen (s. Fig. 166). Eine Verbindung des Guineastroms in dem kritischen Gebiete südlich vom Kap Verde bis Sierra Leone hin mit dem Kanarienstrom ist also nach dem Befunde der Flaschenposten sehr unwahrscheinlich. Auf einen ganz vereinzelt dastehenden, sehr bemerkenswerten Fall von Nordost- strom im Januar 1889 dicht bei den Kapverdischen Inseln soll hier kein be- sonderes Gewicht gelegt werden: zwei vom Dampfer „Paranagua" am 15. Januar in 13 "49' N., 25 "34' W. ausgesetzte Flaschen wurden 21 Tage später am Strand von Sao Thiago. (14» 54' N., 23" 37' W.) nach einer Trift von 131 Seemeilen nach ONO gefunden, und nach den nur wenige Tage späteren Eintragungen im Schiffstagebuch des Dampfers „Santos" ist noch für Mitte Februar südlich von den Kapverden Oststrom bemerkt, obwohl gleichzeitig keinerlei Störungen im Passat eintraten^). — Es wäre, sehr empfehlenswert, wenn die zwischen den Kapverden und dem gleichnamigen Vorgebirge in den Monaten von Dezember bis März südwärts oder nordwärts laufenden Dampfer fleißig Flaschenposten über Bord setzen wollten, um so zur weiteren Auf- klärung der Frage beizutragen. Sehr viel deutlicher wird das Bild, wenn wir die Wassertempe- raturen heranziehen. Um die Lage der Isothermen für die Oberfläche zu bestimmen, sind nicht allzuviele Fahrten durch das fragliche Gebiet erforder- lich; denn auf eine Strombeobachtung kommen 6 Thermometerablesungen, und Irrtümer bei diesen um 4^0.2° spielen bei der Abgrenzung von ver- schieden temperierten Strömungen gar keine Rolle, sogar solche von +^0.5" sind erträglich, wenn auch sehr selten bei sorgfältigen Beobachtern anzunehmen. Temperaturkarten (Fig. 165, S. 553, nach dem Atlas der Seewarte) zeigen, daß wir es mit einem Gebiet zu tun haben, das im Februar (und auch noch im Mai) an der Festlandküste außergewöhnlich eng aneinander gedrängte Iso- thermen aufweist. Wie bei früherer Gelegenheit (Bd. I, S. 415) bereits be- merkt, ist hier in einem Abstände von 200 Seemeilen ein Sprung von 5" in der Richtung von Norden nach Süden an der Meeresoberfläche zu verzeichnen. Wie schroff hier der Übergang von kaltem zu warmem Wasser in einzelnen Fällen sein kann, mögen die nachstehenden Beobachtungen von Dr. W. Bren- necke an Bord S.M.S. „Planet" verdeutlichen, die sich auf Temperatur und Salzgehalt beziehen^). 1906 Febr. 20.: 10», 11» 9'N.B., 22« 8' W. L. 23.1» und 35.46 Promille, „ 21.: IPA» 9» 52' „ „ 19» 55' „ „ 25.0» „ 35.34 „ 21.: 4* 9» 31' „ „ 19» 26' „ „ 27.0» „ 35.35 Hier findet sich in einem Abstände von 35 Seemeilen ein Temperatur- Etprung um 2 ». Nach unseren Darlegungen über die „individuelle Temperatur- schwankung" strombewegter Wasserteilchen ist es als ausgeschlossen zu be- 1) Ann. d. Hydr. 1889, S. 415. *) Forschungsreise S.M.S. „Planet", III, S. 124. 568 I^iö Strömungen des Atlantischen Ozeans. tracliten, daß die beiden' Oberfläclientemperaturen vom 21. Februar dem- selben Meeresstrom angehören, trotz des gleichen Salzgehalts und trotzdem sie in der Eichtung der von Schott u. A. angenommenen Strömung (die Punkte sind durch einen Kurs nach S 53 " 0 verbunden) liegen müssen. Für einen Temperaturzuwachs um 2 ° ist von den Kapverden aus mit dem Nordäquatorial- strom eine Strecke von 400 bis 500 Seemeilen zu durchmessen (s. Karten S. 553), wozu der Strom etwas mehr als einen Monat brauchen würde. Die hohe Temperatur von 27 " ist also in diesem Falle nicht einem aus Norden kommenden Strom zuzusprechen, sondern ihr Ursprung muß in niedrigen Breiten liegen, hier also im Westen, d. h. im Guineastrom, an dessen Oberfläche sie^sich auf dem weiteren Wege nach Osten hin noch ferner steigert bis über 28 °, wie die genannten Karten für Februar, Mai und November ergeben. Die niedrige Temperatur, die bei den Bissagosinseln einsetzt, gehört der Auftriebzone an, welche die ganze Westküste Nordafrikas nordwärts hiervon kennzeichnet und von der noch später mehr mitzuteilen sein wird. Der Guineastrom ist, wie die Karten zeigen, das ganze Jahr hindurch ein relativ warmer Strom; nur im Sommer (s. die Karte S. 553 für August) ist im Westteil der Äquatorialströmungen eine höhere absolute Temperatur (über 28°) zu finden. In derselben Jahreszeit ist aber auch der Guinea- strom kälter als in den übrigen Monaten des Jahres, was vornehmlich damit zusammenhängt, daß alsdann die atmosphärischen Niederschläge ziir Zeit des Südwestmonsuns die Meeresoberfläche abkühlen^), Hand in Hand damit geht eine Erniedrigung der Dichtigkeit, die an der Ober- fläche des Guineastroms stets mehr oder weniger stark unter die der be- nachbarten Aquatorialströme hinabgedrückt ist: denn, wie die Karten (S. 553) zeigen, liegt der Guineastrom dauernd im Bereiche der Kalmen- zone mit ihren meist sehr ergiebigen Regenfällen. Eine andere Bewandtnis hat es mit den kalten Temperaturen, die an der Küste von Oberguinea auftreten. Für die Gold- und Sklavenküste berichtete der Kapitän B o u r k e 2), daß dort kaltes Wasser wohl zu allen Jahreszeiten vorübergehend erscheinen könne, „aber während der Monate Juli, August und September ist die Temperatur des Meeres bei Cape Coast- Castle häufig tagelang nur 19° bis 20°. Wenn man die Küste verläßt und in tiefes Wasser gelangt., steigt die Temperatur auf 25.5° bis 26.5°, der normalen Temperatur des Guineastroms in dieser Jahreszeit." Diese, auch aus unserer Karte (Fig. 165 S. 553) ersichtlichen Verhältnisse werden durch die ausführlichen englischen Karten der Oberflächen temperaturen durchaus bestätigt. Hiernach sind entlang der Küste zwischen 4° und 7° W. L., also östlich vom Kap der Drei Spitzen, und dann wieder an der ganzen Sklavenküste bis .2° 0. L. (von Lome bis Lagos) Temperaturen zwischen 20° und 22° angetroffen. Bei dem an der Küste herrschenden auflandigen Winde, der vom wärmeren Guineastrom der hohen See her- überkommt, entstehen Nebel und waren infolgedessen früher Strandungen von Schiffen die Folge. In anderen Monaten, als den oben genannten, scheinen nach der englischen Karte so niedrige Temperaturen zu fehlen. Aus unserer auf dem Material der Seewarte beruhenden Karte S. 553 ist *) Näheres in Zeitschr. f. wiss. Geogr. 1883, S. 155. 2) P. H o f f m a n n, Mechanik der Meeresströmungen, S. 23 (nach Quart. Joum. Met, Soc. Bd. IV). Theorie der Äquatorialströme. 56& ersichtlich, daß diese niedrigen Küstentemperaturen nichts mit den ähn- lichen entlang der Westküste der Sahara und Senegambiens zu tun haben ; in dem dazwischen liegenden Gebiet zwischen den Bissagosinseln und Kap Palmas ist stets warmes Wasser. Wenn also von Kap Palmas an ostwärts an der Küste die Temperatur so erheblich abnimmt, muß das auf einer örtlich erzeugten aufsteigenden Bewegung beruhen; wir -yv^ erden im folgenden darauf zurückkommen. In irgendeiner Verbindung mit diesen Vorgängen steht vielleicht auch das Auftreten einer kühlen Jahreszeit auf den Inseln Principe und Sao Thome in den Monaten Juli bis September , von welcher G r e e f (Peterm. Mitteil. 1884, 131) und schon 60 Jahre vorher Oberst Sabine als einer auffallenden Erscheinung berichteten i). Doch war letzterer wohl nicht ganz im Recht, wenn er den Äquatorialstrom in diesen Monaten so weit nördlich hinaufreichen läßt; es ist eben alsdann die auch sonst hier herrschende Guineaströmung an sich in ihrem Wärmevorrat etwas verkürzt, doch auch in der kühlsten Zeit im August noch 26.1° warm. Dagegen ist die allezeit kühle Insel Annobora wohl stets im Bereich des Äquatorialstroms belegen, wie aus den englischen Temperaturkarten hervorgeht. 8. Theorie dieser Strömungen. Das bisher dargestellte Gebiet hegt im Bereiche der Passate und der Kalmenzonc ^). Der Nordost- passat ist im N o r d w i n t e r am kräftigsten entwickelt ; im Februar kann er auf der ganzen Fläche zwischen den Kapverden und den Guayanas mit einer Stärke von 5 bis 6 der Beaufortskala durchhalten, wobei die Richtung in seinem östlichen Gebiet mehr aus NNO, in der Mitte (bei 40'' W. L.) aus NO, vor den Kleinen Antillen aus ONO ist. Näher zu der aus Fig. 165 S. 553 ersichthchen Kalmenzone hin wird die Richtung etwas mehr aus Norden , die Stärke rasch vermindert befunden. Nicht so kräftig ist der gleichzeitige Südostpassat entfaltet, die Windstärke hält sich zumeist bei 4 Beaufort. Die Richtung ist in dem Streifen zwischen 5° und 10° S. B. im Westen aus Südosten, ostwärts von Ascension mehr aus SSO , und östlich vom Greenwichmeridian aus Süden , an der afrikanischen Küste sogar aus Südsüdwesten bis Südwesten. In der Nähe des Äquators und besonders ausgeprägt näher an der Kalmenzone dreht der Südostpassat ebenfalls mehr nach Süden und in Nordbreite nach Südsüdwesten und Südwesten zurück ; das ist auch an der Küste von Ober- guinea der Fall. An diesem Nordrande geht die Windstärke dann auch unter 4 Beaufort hinunter, und Stillen werden recht häufig. Anders an der brasilischen Küste: hier hat südhch von 15° S. B. der Passat eine Richtung mehr aus Osten, bei Rio Janeiro aus Nordosten. Im Nordsommer verschiebt sich das ganze System beträchtlich auf die Nordhemisphäre hinüber; die Kalmenzone ist breit entfaltet, nament^ hch in der Kapverdensee. Die Stärke des Nordostpassats ist nur an zwei Stellen gewöhnhch von gleichem Maße wie im Winter, nämhch nördlich von den Kapverden aus Nordosten und nahe bei den Kleinen Antillen 1) Vgl. auch Met. Zeitechr. 1903, S. 422 und Ann. d. Hydr. 1903, S. 202 f. 2) Vgl. dazu den Atlas des Atlantischen Ozeans zum Segelhandbuch der Deut- schen Seewart;e und in diesem selbst die schönen Karten von W. Koppen (zu S. 50/51 der neuesten dritten Auflage), die auch schon in der Met. Zeitschr. 1886, Taf. 3, erschienen sind. 570 I^iö Strömungen des Atlantischen Ozeans. aus ONO über 5 bis 6 Beaufort, im zwischenliegenden Gebiet zwischen 4 und 5 Beaufort. Innerhalb der Kalmenzone entwickelt sich der so- genannte Südwestmonsun, der als keine beständige Luftbewegung gelten darf, sondern darauf beruht, daß kleine Zyklon ale Luftwirbel aus Osten her auf den Ozean hinübertreten ^), wobei dann an der Nordseite ihrer Bahn nsördliche und nordöstliche, auf der Südseite südhche bis südwest- liche Winde vorherrschen und reiche Niederschläge aus Gewitterböhen sie begleiten. Die „Stabilität" dieses Südwestmonsuns erreicht im Juli südHch von den Kapverden immerhin 90 Prozent, ist aber anderwärts geringer. Der Südostpassat weht im Nordsommer mit größerer Stärke (von mehr als 5 Beaufort) in seinem westlichen Bereich zwischen Ascension und Fernando Noronha aus Südosten, behält auch an der Nordküste Brasihens diese Richtung bei, erst vor der Amazonasmündung kommt er mehr aus Osten. Er überschreitet, wie die Karte S. 553 verdeuthcht, den Äquator ostwärts vom St. Paulsfelsen beträchtlich, wobei die Richtung mehr und mehr nach Süden und Südsüdwesten herumgeht; an der afrika- nischen Küste hat er noch immer die Stärke 3 bis 4 Beaufort, und Stillen werden erst im östliuJisten Winkel, im Golf von Benin häufiger. Entlang der brasilischen Küste wird der Passat wieder östlicher, aber in dieser Jahreszeit erst bei Rio recht Ost und südlich davon mehr Nordost. Diese stetigen, wenn auch mit den Jahreszeiten ihr Gebiet verschieben- den Luftbewegungen müssen entsprechende Triftströme erzeugen, die in der Reihe der Stromkonstituenten obenan stehen. Es geht das schon ohne weiteres daraus hervor, daß in der Zeit, wo der Südostpassat lebhafter weht, wie in unserem Sommer, auch der Südäquatorialstrom seine größte Stärke entfaltet (s. oben S. 551), wie sich auch das Stromsystem des Nordäquatorialstroms mit den Jahreszeiten im gleichen Sinne wie der Nordostpassat hin und her verschiebt. Ferner haben schon frühere Ver- gleiche von P. H. G a 1 1 e 2) gezeigt und eine eigene Nachprüfung des vorliegenden Materials kann es nur bestätigen, daß im Bereiche der beiden Passate reine Triftströme die Oberfläche überall da beherrschen, wo die Nähe des Landes keine Ablenkungen, Abströmungen und kompensatorisch notwendige Zuflüsse hervorruft. Das ist schon im allgemeinen Teil mehrfach dargelegt (S. 541). So ist, um hier ein Beispiel genauer durchzuführen, nach dem eng- lischen Quellenwerk über die „Neun Zehngradfelder" für das Gebiet zwischen 10" und 16» N. B., 35" bis 40" W. L. im Februar die mittlere Windrichtung (mechanisches Mittel) aus 25G Beobachtungen N 51 ° 0. Die gleichzeitigen (27) Stromversetzungen ergeben den Strom nach N 81" W; die Differenz beider Azimute (279" -- 231") liefert uns 48" als Ablenkung des Stroms nach rechts vom Winde, was nur wenig vom Ekmanschen Normalwinkel (45", oben S. 460) abweicht. Die „Stabilität" des Stroms ist 66 Prozent, des Passats aber 97 Prozent. Die mittlere .(algebraische) Windgeschwindigkeit ist 8.45 m p. S., woraus sich mit der Galleschen Reduktionskonstante ein Strom von 17.3 Seemeilen im Etmal berechnet; die Beobachtungen ergeben genau 16.0 Seemeilen, 1) Vgl. meine Geophysikalischen Beobachtungen der^Planktonexpedition, Kiel 1893, S. 37 f. 2) Vgl. die oben S. 466 erwähnte Abhandlung. Erklärung der Äquatorialströme. 571 was doch eine gute Übereinstimmung bedeutet. Ähnliche Beispiele ließen sich auch für den Südäquatorialstrom unter denselben Voraussetzungen beibringen, nur ist natürlich hier die Ablenkung des Stroms nach links- vom Winde gerichtet. In der Nähe der Küsten und an den polaren Randgebieten der beiden Passate wirken dann störend einerseits die Stauung, anderseits das Kom- pensationsbedürfnis ein; auch diese Dinge sind im allgemeinen Teil theo- retisch untersucht (S. 528 und 475). Wir wissen, daß sich bei auflandigem Wind eine Komponente parallel zur Küste einstellt, so daß an der Guayana- küste der Nordostwind .seinen Triftstrom nach WNW, an der Bra- silienküste der Ostwind südlich von 20° S. B. einen Strom nach Süden fließen läßt. Im Karibischen Meer wird der das ganze Jahr herrschende Wind aus ONO die Trift ganz normal nach WNW entsenden, diese muß in ihrem Rücken den Guayanastrom anziehen, dieser wieder an der Nord- küste Brasiliens auch im Februar einen Westnordweststrom aspirieren, nicht bloß im Sommer, wo der Südostpassat hier herübergrfeift. Vor dem Kap Sao Roque in 6° S. B. wird die vom Südostpassat als Westtrift herbeigeführte Südäquatorialströmung geteilt, ein Ast nach Nordwesten, ein anderer nach Süden gedrängt. Wie auf den Nordwestarm die Guayanaströmung, so wirkt auf den Südarm der Brasilienstrora aspi- rierend. Beides greift rückwärts in den Südäquatoirialstrom ein und scheint eine wesentliche Ursache für den oben (S. 550) beschriebenen doppelten Stromstrich dieser Strömung zu bilden. Außerdem aber sind die beiden Stromstriche getrennt durch den Äquator, der für die ablenkende Kraft der Erdrotation eine tiefgreifende Scheidehnie vorstellt, da diese Kraft hier ihr Vorzeichen wechselt. Ein Wasserquantum, das zu beiden Seiten der Linie vom gleich gerichteten Passat, hier aus SSO, getroffen wird, hat in seinem Nordteil einen reinen Triftstrom sogar nach NNO zu er- warten, während der Südteil nach WNW triftet: die näher zur ame- rikanischen Küste hin bestehende Aspiration zieht aber das ganze Wasserquantum nach Westen, so daß auch für den in nördliche Breite übergetretenen Triftstrom als Resultante eine Ablenkung nach Nord- westen bestehen bleibt; daneben aber bleibt nicht minder die Diver- genz zur südhemisphärischen Hälfte der Wassermasse. Das hilft den südlichen Stromstrich vom nördlichen scheiden. Wenn, wie im August, der Passat im Bereiche des Südäquatorialstroms an Kraft sein Maximum erlangt, wird die trennende Tendenz am Äquator sich so steigern, daß Wasser aus der Tiefe zur Kompensation heraufgedrängt wird: dann bildet sich der oben (S. 554) beschriebene Kaltwasserfleck aus. Im ganzen Bereich der Stromstriche wird übrigens auch durch die Beschleunigung des Oberflächenstroms und die damit verbundene Druckentlastung eine gewisse aufsteigende Tendenz eingeleitet (s. oben S. 189 die Formel) und dadurch die ganze Äquatorialströmung relativ kühl gemacht. Für den erwähnten Kaltwasserfleck wird aber noch eine weitere Steigerung verti- kaler Tendenz durch die Nähe der Guineaströmung herbeigeführt, die gleichzeitig im Maximum ihrer Stärke entfaltet ist. Darauf ist sogleich zurückzukommen. Betrachten wir die Guineaströmung selbst, so ist zu ihrer Erklärung die Konstituente des Windes nur mit einer gewissen Einschränkung heran- 572 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. zuziehen, nämlich sicherhch für den Sommer, wo der Südwestmonsun auftritt. Die niederländischen Beobachtungen ergeben für die drei Monate Juli, August und September in einem typischen Gebiet, das die beiden Fünfgradfelder zwischen 15» und 25" W" L. in 5« bis 10" N. B. umfaßt, als mittlere Windrichtung S 29" W, für den Strom aber N 79" 0; der Ablenkungswinkel (79" — 29") wird hier 50", also etwas zu groß, so daß schon ein Kompensationsbedürfnis mehr nach rechts vom reinen Triftstrom, in der Richtung auf den Golf von Benin hin, schwach angedeutet erscheint. Erheblicher ist die Abweichung der be- obachteten Strom stärke von der als Trift berechneten. Der Südwest- monsun hat (nach demselben Material) hier eine mittlere Stärke von 3.66 Beaufort = 6.0 m p. S., was eine Trift von 12.3 Seemeilen in 24 Stun- den ergibt; der beobachtete Strom aber ist als Mittel (aus 3263 Tagen) 20.6 Seemeilen. Die Trift liefert hiervon also nur ^j^, der Rest der Strom- stärke muß folglich auf anderen Ursachen beruhen. Im Winter aber, oder richtiger in der Zeit von Dezember bis Mai, fehlt ein regelmäßiger Südwestmonsun so gut wie ganz, und dann kann also der Guineastrom streckenweise überhaupt nicht und an anderen Stellen seines Gebiets nur mit unwesentlichem Bruchteil auf Windtrift zurückgeführt werden. Ersteres gilt für die eigentliche Kalmenzone westwärts von 10" W. L., wo der Guineastrom in der Hauptsache dann nichts anderes ist als eine Kompensationsströmung nach dem Schema der Experimente in Fig. 126 S. 474 und namentlich in Fig. 128 S. 475, während der Ostteil östhch vom Kap Palmas noch kleine Triftimpulse vom Südostpassat, der hier in den Wintermonaten die Linie überschreitet und zum Süd- bis Südsüdwest- wind wird, empfangen wird. Doch fehlt es auch hier keineswegs an starkem kompensatorischem Bedarf, wie aus der Fig. 128 unzweifelhaft hervorgeht. Diese zeigt auch, daß aus gleicher Ursache zwischen den Kapverden und Sierra Leone eine Abströmung des Wassers nach Nordosten und Norden als Zufluß in den Rücken des Nordäquatorialstroms erfolgen muß, was nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter, obschon dann ab- geschwächt, eintreten wird. Für die Guineaströmung tritt außer der Kompensationsleistung und dem Eingxeifen des Windes auch noch eine dritte Konstituente in Gestalt des Dichteunterschiedes ihrer Gewässer gegen die der Nachbar- schaft hervor: wie bei früherer Gelegenheit bemerkt (Bd. I, S. 329), besitzt sie allgemein geringeren Salzgehalt als die beiden Äquatorialströme. Ger- hard Castens^) hat den Versuch gemacht, trotz des noch sehr unzu- reichenden Materials, eine Dichtigkeitsfläche für das äquatoriale Gebiet des Atlantischen Ozeans zu konstruieren, wobei jedoch im Nordatlantischen Ozean innerhalb der Tropen nur die Mitte zwischen 10" und 40" W. L. zur Darstellung gelangt. Danach erhebt sich die Oberfläche des Guinea- stroms nicht unerhebhch (15 bis 26 cm) über das Nullniveau, das in 2" bis 3" S. B. (innerhalb des Südäquatorialstroms) angenommen ist; die Um- gebung der Kapverdischen Inseln liegt etwa 15 cm darunter. Die Iso- hypsen verlaufen im allgemeinen von Westen nach Osten, doch ist der ^) Untersuchungen über die Strömungen des Atlantischen Ozeans. Die Dichte- und Windverhältnisse (Kieler Dissert.), Kiel 1905, Taf. 5. Erklärung des Guineastroms. 573 Gürtel höchster Erhebung je näher der afrikanischen Küste desto mehr nach Norden hin verschoben. Da die zugrunde gelegten Beobachtungen überwiegend aus dem Sommer stammen, ist wenigstens für diese Jahres- zeit damit eine nicht zu vernachlässigende Konstituente aus den Dichte- unterschieden der betrachteten Wassersäulen (von 650 m senkrechter Höhe) abzuleiten. Nach den früheren Darlegungen (oben S. 466 und 487) wird sich der Strom im allgemeinen parallel zu den Isohypsen bewegen, was mit den Beobachtungen im Einklang ist. Diesem Dichtestrom zusammen mit der Kompensation nach Osten hin sind also die zum Triftstrom hinzuzufügenden ^s ^^^ beobachteten Stromstärke in unserer obigen Rechnung gutzuschreiben. Der größte Teil dieses Restes wird wohl der Kompensation zufallen, denn die Dichtegefälle selbst sind sehr klein: vom Guineastrom zu der Kapverdendepression hin 1 : 3 7Q0 000 nach Nordwesten; zur äquatorialen Depression, also nach Süden hin 1: 2 500000; auch der Südäquatorialstrom hat in 15 ° W. L. zwischen 5 ^4 ° und 2 ^4 ° S. B. eine Böschung von 1 : 3 400 000 nordwärts, woraus folgt, daß auch ein kleiner Bruchteil der Stromenergie des Südäquatorialstroms auf einem Dichtegradienten beruht. Für den Nordäquatorialstrom hat W. Ekman bereits nach der Methode der dynamischen Schnitte ebenfalls eine solche Komponente ermittelt, wenn auch deren absoluter Betrag noch nicht sicher anzugeben ist (s. oben S. 542). Im wesentlichen ist also der Guineastrom in allen Phasen seiner Größenausdehnung als ein Kompensationsstrom zwischen den beiden Äquatorialströmen anzusprechen; daneben sind noch Dichtegradienten bedeutsam und im Sommerhalbjahr der die Kalmenregion dann be- herrschende Südwestmonsnn. Da gleichzeitig auch der Südäquatoriah Strom am kräftigsten auftritt und dabei seinen Bereich auf die Nordbreiten hinüber ausdehnt, wird vom Kap Palmas an ostwärts das Durchflußprofil dea Guineastroms merklich verschmälert: es entstehen nicht nur beim Kap Palmas die (S. 563) erwähnten außerordentlich großen Strom- versetzungen, sondern ^ur selben Zeit auch die Aufquellungen kalten Wassers an der Sklavenküste (S. 568): diese, weil der Guineastrom den Ersatz für das weit im Osten von der afrikanischen Küste zum Südäqua- torialstrom hinweggeführte Wasser nicht mehr ganz zu leisten imstande ist, 80 daß unter Land Wasser aus der Tiefe aufgesogen wird. Es geschieht das, trotzdem gerade dann an der Küste ziemlich stetige Südwinde wehen, wir also eher eine Anstauung der Meeresoberfläche gegen die Küste hin erwarten sollten. Hier wirkt das Kompensationsbedürfnis also mit über- mächtiger Gewalt. Wie die Karte für den August (auf S. 553) erweist, ist das Aufquellen des kalten Wassers noch weit in See hinaus wirksam, so daß östlich vom Kap Palmas der Guineastrom, trotz der Nähe des Äquators mit seinen günstigen Strahlungsbedingungen, nirgends eine so hohe Temperatur erlangt, wie im Gebiete des Südwestmonsuns südlich von den Kapverden. Nach dieser Auffassung gehören also die Kaltwasser- aufquellungen an der Küste von Oberguinea in den Bereich derselben meteorologischen Ursache, die wir für die gleiche Erscheinung an der westafrikanischen Küste südhch vom Äquator geltend zu machen haben werden; beide sind eine Rückwirkung des Südostpassate. 574 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. b) Das nordatlantisclie System des Florida- oder Golf- stromes. 1. Der Floridastrom. Es war zwanzig Jahre nach der Ent- deckung der Neuen Welt, als der spanische Gouverneur von Puerto Rico, Juan Ponce de Leon, durch Diego Colon aus seinem Amte verdrängt, mit einem kleinen Geschwader von drei Schiffen auszog, um in den damals noch immer unerforschten Gebieten im Westen der Bahamainseln den märchenhaften Jungbrunnen zu suchen, welchen die Eingeborenen dieser Inseln in ein Land nach jener Richtung hin verlegten. Bei dieser Fahrt, welche zur Entdeckung der Halbinsel Florida am Ostersonntag {Pascua Florida) des Jahres 1513 führte, durchschnitt das Geschwader, dessen nautischer Leiter der Pilote Francisco de Alaminos war, mehrfach die starke, nach Norden hin aus dem engen Kanal zwischen dem Festland und den Bahamainseln herausbrechende Strömung. Am deutlichsten wurden sie derselben gewahr, als sie entlang der Ostküste von Florida südwärts segelten. „Als wir dabei etwas mehr von der Küste abkamen," heißt es im Tagebuch der Reise, „gewahrten alle drei Schiffe am folgenden Tage (22. April) eine Strömung, gegen welche sie nicht an konnten. Es hatte zwar den Anschein, als ob sie gut vorwärts kämen. Aber sie erkannten bald, daß sie zurückgetrieben würden und daß der Strom mehr Gewalt habe als der Wind. Zwei von den Schiffen, welche etwas näher bei der Küste waren, konnten vor Anker gehen, aber die Strömungen waren so gewaltig, daß sie das Kabeltau mit vibrierender ßewegung erzittern und schwingen ließen. Das dritte Schiff, eine Brigantine, welches ein wenig mehr in die See hinausgesegelt war, konnte keinen Ankergrund finden, wurde vom Strom überwältigt und wir verloren es aus dem Angesichte, obwohl es ein ruhiger und heller Tag war." Als derselbe Alaminos 1519 mit Cortez das Goldland Mexiko entdeckt hatte, wurde er nach Vernich- tung der übrigen Schiffe mit dem schnellsten Fahrzeug des Geschwaders entsandt, um die Botschaft von dieser Entdeckung in die Heimat zu tragen. In der Absicht, den neidischen Gouverneuren der Antillen zu entgehen, wählte Alaminos den damals noch unversuchten Weg nördlich von Kuba vorbei durch den starken Strom der Floridastraße und konnte, von diesem schnell nordwärts, davongetragen, nach kurzer Fahrt die Azoren und Spanien erreichen, um dort die Nachricht von der glänzenden Entdeckung des goldreichen Festlandes zu verkünden. So ist dann dieser Meeresstrom seit den ersten Tagen seiner Entdeckung allezeit auch weiter von dem mächtigsten Einfluß auf die Schiffahrt in seinem Bereich geblieben. Jahrhunderte hindurch hieß der Strom nach der benachbarten Halb- insel der Floridastrom; erst Benjamin Franklin hat seit dem Jahre 1770 die Abkunft desselben aus dem Golf von Mexiko und seine Ausdehnung bis weit nach Nordosten hin nachgewiesen und demgemäß für den inzwischen aufgekommenen Namen Golfstrom Propaganda gemacht, womit er solchen Erfolg hatte, daß heute alle Seeleute der Welt diesen' Strom nur unter solchem Namen kennen (auch wohl ganz abgekürzt bloß „der Golf" genannt). Aus Gründen, die weiter unten klarer hervor- treten werden, bedienen wir uns aber für die aus den Engen der Florida- straße nördlich hervorbrechende Meeresströmung in diesem Buche aus- schließlich des alten Namens Floridastrom, Der Floridastrom. 575 Fortgesetzte Untersuchungen der amerikanischen Seeoffiziere seit der Mitte des 19. Jahrhunderts haben uns die Eigenschaften dieser einzig in ihrer Art unter allen Meeresströmen dastehenden Erscheinung kennen gelehrt; über die älteren Forschungen hat im allgemeinen Maury, mehr ins einzelne gehend Kohl, über die neueren, vielfach in wesentlichen Punkten abweichenden Ergebnisse haben Bartlett, Sigsbee, AI. A g a s s i z und namentlich J. E. Pillsbury berichtet ^). Mit Zuhilfenahme auch anderer Nachrichten ergibt sich etwa folgendes Bild dieses Stroms. In den Engpässen der Floridastraße, besonders der engsten Stelle westUch von den kleinen Beminiriffen der Bahamagruppe, besitzt der Strom eine Geschwindigkeit , die nur selten ihresgleichen findet: im jährUchen Mittel ist sie nach Bartlett und Sigsbee zU 72 Seemeilen, in vielen Fällen, besonders in der kältesten und wärmsten Jahreszeit, besonders aber in der letzteren, über 100 bis 120 Seemeilen im Etmal gemessen worden Das sind auf die Zeiteinheit der Sekunde übertragen 1.5 bi& 2.5 m, also Geschwindigkeiten, die der Rhein in seinem Unterlaufe bei Hochwasser kaum erreicht'''). Doch kommen auch Fälle vor, wo der Floridastrom den Schiffen, die ihn für die Fahrt nach Norden benutzen wollen, nur eine sehr geringe Förderung gewährt; daß er an jener Stelle aber jemals ganz gefehlt habe, ist indes nicht gehörig verbürgt. Nach Pillsbury versagt der Strom besonders, wenn sich über dem Golf von Mexiko eine Barometerdepression entwickelt, wobei gewissermaßen ein Ansaugen atlantischen Wassers durch die Floridastraße in den Golf hinein, also stromaufwärts, eintritt (s. oben S. 519). Der Fall gewinnt dadurch noch ein besonders paradoxes Aussehen, daß bei solcher Luft- druckverteilung der Seefahrer in der Floridastraße südösthche Winde antrifEt, die den Strom doch eigenthch verstärken müßten. Umgekehrt wird steigender Luftdruck das Wasser aus dem Golf von Mexiko hinaus- drängen helfen, und nicht minder paradox finden dann die Seeleute, daß die größten Stromstärken des Floridastroms bei den dann herrschenden Nordostwinden, also Gegenwinden, verzeichnet werden. Die Achse oder der Stromstrich mit größter Geschwindigkeit Hegt nach Pillsbury nördlich von Havanna etwas südlich, weiter stromabwärts ^) Maury, Physical Geography of the Sea, New York 1855, p. 26 ff. (16. Aufl. London 1874, p. 22 ff.); J, G. Kohl, Geschichte des Golfstroms und seiner Er- forschung, Bremen 1868; AI. Agassiz, Three Cruises of the „Blake" (Bull. Mus. Compar. Zdol. Cambridge Mass. 1888, Bd. 14, p. 241); J. E. P i 1 1 s b u r y in U. S. Coast and Geodetic Survey Report for 1890, Appendix 10, Washington 1891. Vgl. auch die Segelhandbücher und namentlich U. S. Coast Pilots part 7 u. 8. Auszüge aus Pillsbury in Ann. d. Hydr. 1894, 336; Pet. Mitt. 1892, Literaturber. Nr. 1167. Die Geschichte der Kartographie des „Golfstroms" behandelt Dr. Martha K r u g- Genthe, Deutsche Geogr. Blätter, Bremen 1901, Bd. 24, Heft 3 u. 4. 2) Nach einer Zusammenstellung bei F r a n t z i u s und Sonne, Der Wasser- bau, S. 226, beträgt die Geschwindigkeit beim mittleren Wasserstande des Rheins am Bingerloch 3.42 m, zu Werthausen 0.63, zu Mannheim 1.50 m; bei hohem Mittel- wasserstande zu Koblenz 1.88 m. — Ebenso wird angegeben als Geschwindigkeit der W e i c h s e 1 bei höherem Wasserstande 1.20 bis 1.90; des N e c k a r s oberiialb Mannheim im Mittel 0.90, bei Hochwasser über 3 m; der D o n a u zu Wien bei Hoch- wasser 1.94; des Mississippi bei höchstem Wasserstande auf der Strecke vom Ohio zum Arkansas 1.91, vom Bayou La Fourche bis zur Gabelteilung 1.76 m usw. 676 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. in die Straße hinein abet mehr nach Hnks oder Westen verschoben. Unter mittleren Bedingungen ist die Achse zu finden: in der Yucatanstraße östlich von der Contoyinsel 35 Seemeilen, nördlich von Havanna (85° W. L.) ........... 25 „ östlich- voii den Foweyf eisen (Florida, 25.7" N. B.) 11 östlich vom Jupiterleuchtturm (Florida, 27° N. B.) 19 „. südöstlich vom Kap Hatteras 38 „ Der Strom zeigt mannigfache Schwankungen in Richtung und Stärke, am meisten an den Rändern. Entlang den Floridariffen setzt sogar nicht selten ein Gegenstrom nach Südwesten und Westen in den Golf hinein i), und zwar besonders kräftig, seit die Eisenbahn mit Dämmen imd Brücken die vorher durchbrochene Reihe der Key kuppen von Miami bis Knights Key geschlossen hat. Nach Pillsburys Messungen ist die Schwankung der Stromstärke in Knoten oder Seemeilen pro Stunde, gemessen in 6.5 m Tiefe unter der Oberfläche: 1. Zwischen Tortugas u. Havanna 2. östlich vom Fowey-Leuchtfeuer Abstand Sm. Mittlere Stärke Mittlere Schwan- kung Größte Schwan- kung Abstand Sm. Mittlere Stärke Mittlere Schwan- kung Größte Schwan- kung 20 0.32 + 0.49 ±0.62 8 2.66 ±1.07 ±2.38 35 0.74 0.77 1.15 11 Va 3.46 1.64 1.83 50 2.24 0.62 0.65 15 3.16 0.92 1.67 68 2.23 0.46 0.80 22 2.73 0.56 0.63 . 86 0.77 0.61 0.82 29 2.12 0.42 0.58 36 1.71 0.55 0.96 Die senkrechte Verteilung der Geschwindigkeiten in den Engen östhch vom Fowey-Leuchtfeuer ist in folgender Tabelle angegeben (Mittelwerte). Abstand östlich 8 11 V2 15 22 29 36 Sm. von Fowey In 6.5 m Tiefe: 2.66 3.46 3.16 2.73 2.12 1.71 „ 27 „ „ 2.35 2.90 3.06 2.67 2.10 1.57 » 55 „ „ 2.25 2.94 3.18 2.70 2.12 1.90 „ 119 „ „ 1.59 2.42 2.95 2.50 1.98 1.57 » 238 „ ;, 0.63 1.61 2.20 1.86 0.45 1.45 Die Beobachtungen haben sich zwar über 1100 Stunden erstreckt, sind aber anscheinend doch nicht genügend lang gewesen, um die technischen Unregelmäßigkeiten der Messungen auszugleichen. Als mittleres Gewicht der durch den Foweyschnitt bewegten Wassermassen berechnet Pillsbury 89.87 Milharden englische Tons (91.3 MiUiarden Metertonnen) in der Stunde. Überall in der Floridastraße fanden sich gewisse periodische Schwankungen 1) Ein Beispiel Ann. d. Jlydr. 1899, S. 263. Nach J. C. S o 1 e y bewegt sich ein ähnlicher Gegenstrom an der Nordküste Kubas entlang nach Westen zum Kap S. Antonio hin (Aim. d. Hydr. 1909, 359). Ob das regelmäßig der Fall ist, steht dahin. Der Floridastrom. 577 in Richtung und Stärke, die nach Pillsbury mit der Dekhnation des Mondes zusammenhängen sollen (vgl. S. 555, 579) : bei großer Dekhnation dreht der Strom ein wenig (1 bis 2 Strich) nach Hnks, bei niedriger Deklination nach rechts von der normalen Richtung ab. Dabei schwankt die Ge- schwindigkeit so, daß bei hoher Dekhnation sie in der Mitte etwas abnimmt, an den Rändern wächst, bei niedriger Dekhnation das Umgekehrte ge- schieht, oder anders ausgedrückt: bei hoher Dekhnation wird der Strom breiter, bei 'niedriger zieht er sich zusammen. Diese Schwankungen werden von parallelen Bewegungen der Temperaturen begleitet: das Zu- sammenziehen erhöht, die Verbreiterung erniedrigt die Oberflächen- temperatur, im letzteren Falle wohl durch Aufquellen von Tief enwasser ; doch halten sich diese thermischen Schwankungen in engen Grenzen, indem die Extreme bei 26.2° und 25.2° (im Mai) liegen. — Auch die Lage der Stromachse ändert sich nach Pillsbury periodisth: nördhch von Havanna liegt sie bei hoher Dekhnation 16, bei niedriger 34 Seemeilen von Kuba entfernt; ähnhch in den Engen bei hoher Dekhnation 7, bei niedriger 15 Seemeilen östlich von Fowey Leuchtfeuer. Ob wirkhch die Beob- achtungen dafür ausreichen, auch in diesem Falle die unregelmäßigen Zufälle, die Luftdruck und Winde hervorrufen müssen, hinreichend aus- zuschalten, mag zweifelhaft bleiben. In den Engpässen hat der Strom eine Breite von etwa 30 Seemeilen, nach seinem „A u s f a 1 1" auf der Höhe des Kap Canaveral (28 V2" N. B.) etwa das Doppelte, bei Charleston aber schon 120 bis 150 Seemeilen. Diese Ausbreitung des, Stroms greift nun weiter nach Norden stetig mehr Platz und zwar erfolgt sie immer an der östhchen Flanke, während die Westkante des blauen, klaren und warmen Stroms im allgemeinen dem Abfall der Küstenbank, wie er durch die 200 m-Linie dargestellt ist, getreu bleibt. An der Westseite ist die Stromstärke ganz nahe der Kante meist noch so groß und die Grenze gegen das grüne und kalte Nachbar- wasser so scharf, daß sie vom Deck weithin deutüch im Wasser zu er- kennen ist und ein Schiff im Moment, wo es die Grenzen überschreitet, nicht selten aus dem Kurs geworfen wird. Südöstüch vom Kap Hatteras fand Pillsbury schon gewisse Anzeichen dafür, daß sich der Gezeiten- strom auch im tiefen Wasser fühlbar machte, indem die Stromrichtung in entsprechender Periode zwischen Nordnordwesten und Südosten hin und her zu pendeln schien; bei der Wendung nach links zeigte sich die Oberflächentemperatur auch erniedrigt. Mit der fortschreitenden Verbreiterung geht eine Abnahme der Strom- stärke Hand in Hand. Schon auf der ältesten Spezialkarte dieses Stroms, welche 1770 von Frankhn und Kapitän Folger gezeichnet wurde, ist dies zu erkennen.. Südhch von der Küstenbank, die auf der Höhe von New York weit nach Osten vortritt und auch die Stromrichtung in eine östHche umwendet, wird eine mittlere Geschwindigkeit von 72 Seemeilen nicht mehr so häufig gefunden, und sogar auf mehr als 48 Seemeilen ist nicht regelmäßig zu rechnen (vgl. oben S. 441). Doch geht auch noch östiicner der Strom nicht gerade oft unter 30 Seemeilen hinab. Man kann aber den Floridastrom als gesonderte Stromerscheinung nur bis etwa 45° W. L., d. h. nicht östhcher als der Ostrand der Großen Neufundlandbank liegt, anerkennen, denn schon vorher, zuerst in der Breite von Kap Hatteras, Krümm el, Ozeanographie. II. 37 578 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. beginnt er sich aufzulösen und Streifen von stärkerem ^ oder schwächerem Strom, höherer oder niedrigerer Temperatur zu bilden: in der älteren Literatur sprach man daher gern von einem Delta desGolfstroms. Schon die ersten amerikanischen Untersuchungen, von denen M a u r y berichtet, erwähnen nicht nur den Kalten Wall {cold ivall) an der fest- ländischen Seite des Stroms, sondern auch die sogenann- ten Kalten Bänder innerhalb des \varmen Was- sers selbst. Mit dem Kalten Wall werden wir uns später zu beschäftigen haben; die Kalteh Bänder aber sind, wie eine genauere Untersuchung durch die „Challenger"- und die „Blake"-Expedition er- geben hat, auch an sich noch von einer hohen Temperatur, nur daß sie etwa um 2 "bis 3 <* niedriger sein kann als die der eigentlichen warmen Stromstreifen 1). In keinem Falle hat sich die Auffassung bestätigt, wonach die Kalten Bänder auch Gegenströme nach Südwesten oder Westen, womöghch solche arktischen Ursprungs, bedeuten sollten. Zum Verständnis dieser Er- scheinung müssen wir uns erinnern, daß nördhch von den Bahamainseln der An- tillenstrom warmes tropisches Wasser nach Nordwesten führt und dieses dann mit dem Floridastrom zugleich nach Norden und Nordosten umschwenken läßt : den größ- ten Teil des Jahres hindurch ist aber der Floridastrom an seiner Oberfläche etwas wär- mer als der Antillenstrom. Man hat das Verhältnis dieser beiden Ströme häufig und nicht unzu- treffend mit dem eines Keiters zu seinem Rosse verghchen; beide be- wegen sich in gleicher Richtung, der Floridastrom auf dem Rücken des Antillenstroms. Daß bei der Zerfaserung des Floridastroms die Trägheits- ^) Vgl. dazu namentlich Sir Wyv. Thomson, The Atlantic I, p. 364 und Tafel 12; auch meine Ausführungen in Zeitschr. f. wiss. Geogr. 1883, Bd. 4, S. 161' 3n P. H o f f m a n n, Mechanik d. Meeresstr., S. 54. Z.fOoJ'aa Temperaturprofile durch den Florida- oder Golfstrom. Nach ti. V. Boguslawski, Der Floridastrom. 579 kurve (oben S. 450) in Frage kommt, ist kaum ganz abzuweisen; ebensowenig daß bei horizontalen Querzerrungen divergierender KÜtrom- fäden Wasser von unten aufdringen und so die Oberflächontemperaturen erniedrigen kann. Wie jeder aus einfem ähnlichen Kanal in offenes Wasser hinaustretende Strom aspiriert auch der Floridastroni nachbarliches Wasser von außen zur Kanalmündung, ja seine eigenen Stromfäden kurven eine kurze Strecke von dem „Ausfall" entfernt schon wieder rückwärts ab. Doch ist diese ' Erscheinung nach Bartletts Untersuchungen wiederum hauptsächlich ausigeprägt an der ö stlichen Flanke des Stroms und nicht über 200 See- meilen von den Bahamariffen in die offene See hinaus. An der hnken, festländischen Seite des Stroms ist eine ergiebige Kompensation in Gestalt des später cu beschreibenden Kaltwasserstroms am Rande der Küsten- bank und auf dieser selbst nach Süden hin tätig. Je weiter nach Nordosten, desto häufiger werden von den Jiormalen Stromrichtungen abweichende Stromversetzungen in den Schiffstagebüchern verzeichnet^); sie beruhen größtenteils auf der Triftwirkung von Winden, namentlich der West- und Xord weststürme, zu >inem anderen Teil allerdings wohl auch auf der Ablenkung durch die Erdrotation, also der Trägheitskurve mit den daraus unvermeidhch entspringenden Wirbel- und Gegenströmen von kleineren Dimensionen. Jedenfalls sind sie ein Beweis, daß die Kraft des starken -, Stroms schon östlich von 60° W. L. mehr und mehr gebrochen ist. In ■* einem Gebiet so gVnvi^ltsamer Luftbewegungen, wie sie in diesem Teile ■'- des Floridagtroms die Regel sind, kann im Grunde genommen eine so große Unregelmäßigkeit . aller Stromvorgänge nur natürlich befunden werden. Auch hier sind die Durchschnittswerte, namenthch auch für die Ober- fiächentemperaturen, der sicherste Führer, um aus dem Wechsel der Einzelfälle ein Bild yom mittleren Zustande zu konstruieren. Sogar näher zum Ursprünge des Stromes hin, auf der Höhe des Kap Lookout in 34V2" N. B., verspürte Bartlett solche Einwirkungen des Windes. Das Schiff „Blake" befand sich inmitten starken Nordstroms, als ein steifer Sturm aus Nordwesten einsetzte : der Strom wurde hierdurch fast direkt nach Osten umgelenkt, und während der Dauer von 12 V2 Stunden setzte er stündlich 4.9 Seemeilen nach OzN, während das Schiff mit Volldampf und Vorsegel den Kurs Westen einhielt 2). Maury berichtet gleichfalls schon von solchen Störungen, die bisweilen nach lang anhaltenden Südoststürmen das M^arme W^asser bis vor den Hafen von New York hinübertreten lassen. Wie diese Wasserschiebungen auch biologisch von großer Bedeutung werden können, hat William L i b b e y ^) für das unregelmäßige Auftreten des von den Fiscliern geschätzten Pfannenfisches {Lopholatüus chamaeleonticeps) erwiesen: dieser Fisch ist an wärmeres Wasser von mehr als 10° gebunden und für die Netze der Fischer nur erlangbar, wenn er auf der Küstenbank in Tiefen von weniger als 250 m steht. Im Frühjahr 1882 bedeckte sich die Wasseroberfläche mit ungezählten Millionen dieses Fisches in totem oder sterbendem Zustande, und zwar in einer halbmondförmigen Kurs'e zwischen Kap May und den Nan- 1) Ann. d. Hydr. 1875, 350; 1877, 449; 1878. 454; 1880, 488; 1881, 394; 1884, 322, 640; 1886, 415; 1890, 400; 1902, Taf. 19 mit den sehr interessanten Strom- versetzungen des Kabeldampfers „Podbielski". 2) Ann. d. Hydr. 1882, G55. ^) Report of the'6. Intern. Geogr. C!ongress at London 1895, p. 472. Auszug in Ann. d. Hydr. 1895, S. 418. 580 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. tucketbänken genau über dem Abfall der Schelfbank gegen die Tiefsee hin. Eine starke östliche Ausdehnung des kalten Küstenwassers hatte die" hoch- temperierten Gewässer des Floridastroms von der Bank verdrängt, die Fische waren durch die ungewohnte Kälte erstarrt und durch ihr dem wärmeren Wasser angepaßtes niedriges spezifisches Gewicht zum Aufsteigen gebracht, wobei sie in ihrer Betäubung versäumten, ihre Schwimmblasen dem abnehmen- den Druck gemäß einzustellen; ihre Leiber waren aufgebläht und der Magen aus dem Maul hervorgedrängt. Wiederholtes Massensterben dieser Art be- günstigt die Abscheidung von Phosphatkonkretionen am Meeresboden (vgL Bd. I, S. 169). Der Floridas trom. 581 Besonders häufig haben die in den Winterstürmen des Floridastroms gebildeten SchifEswracks die Neigung, gegen die rechte Seite des Stroms ab- zuschwenken, wofür zahlreiche Beispiele bekannt sind^). Die berühmteste dieser nordatlantischen Irrfahrten vollführte der auf seiner Holzladung schwimmende Schoner „Fanny Wolston", indem er vom 15. Oktober 1891 bis 21. Oktober 1894 durch 1100 Tage über eine Strecke von über 8000 Seemeilen trieb (Fig. 169): das letzte Jahr zog er eine große Schleife im Sinne des Uhr- zeigers zwischen 28" und 36° N. B., 68° und 76° W. L., um ein auch sonst von den Wracks umschriebenes Drehzentrum, wie unter anderem der Schoner „Warwick" vom 27. Februar bis 8. April 1901. Auf die in gleicher Bahn vom Floridastrom aus zur Seite geführten treibenden Tange ist später bei der Dar- stellung der Sargassosee zurückzukommen (S. 588). Wie die Erdrotation schon in den Engen der Floridastraße die Anordnung der Isothermflächen bestimmt, ist bereits früher hervorgehoben (oben S. 504 und Bd. I, S. 460, Fig. 65). Die einst nach M a u r y s Vorgang oft wiederholte Auffassung, wonach die linke Seite des Floridastroms „wie ein Wimpel im Winde" hin und her schwanke, eine im Sommer nördlichere, im Winter südlichere Lage einnehme, scheint sich aus den modernen Beobachtungen^ keineswegs zu bestätigen: die Schwankungen sind nicht groß und unperiodischer Natur, betreffen auch nur die obersten Schichten auf beschränkten Strecken, wo die Winde sie er- fassen. Auch die Lage der Stromachse zeigt keine ausgeprägt periodische Schwankung. Nach einer Zusammenstellung von Gerhard Schott^) schneidet die Achse: 70° W. 60° W. 50° W. 40°W. L. ini Januar üi 38» 41» 41° 44» N. B „ April „ 37° 39° 41° 43° „ „ „ Juni 37 72° 40» 41° 43° „ „ „ August „ 37» 40° 42» 43» „ „ „ Oktober „ 37° 40» 42» 45» „ „ „ Novbr. „ 38» 38» 42» 44» „ „ Über eine Reihe von Strombeobachtungen in verschiedener Tiefe, mit der gewöhnlichen Stromboje (Fig. 108, S. 422) nahebei und im Westen von den Bermudas in 32 ° 18' N. B., 65 ° 38' AV. L. am 24. April 1874 von der Challenger- Expedition ausgeführt, berichtete W. Thomson (The Atlantic I, 365 f.) : es ergab sich der Strom: an der Oberfläche . N 60» 0 . . 0.24 Sm. in der Stunde, 90 m Tiefe . . . N 75 0 . . 0.46 „ „ „ 180 „ „ . N 87 0 . . 0.36 „ „ „ 370 „ „ . S 70 0 . . 0.22 „ ., „ 550 „ „ . . . S 40 0 . , 0.08 „ ,. „ 730 „ „ . . . S 65 0 . . 0.11 ,; „ „ ,^ 910 „ „ . N 65 0 . . 0.06 „ „ „ 1100 „ „ . kein Strom mehr gefunden. Aus diesen Beobachtungen würde sich, vorausgesetzt, daß sie gänzlich frei von störenden Einflüssen blieben, eine stetig mit der Tiefe zunehmende Rechtsdrehung des Stroms bis 550 m hinab entnehmen lassen; aber die darauf in 730 m wieder links drehende und in 910 m der Oberflächen- strömung gleiche Richtung nach ONO zeigt doch, daß diesem Wechsel der Stromrichtung nicht viel Bedeutung zukommt. Als mittlere Richtung, nach ^) Die vom Hydrographischen Amt der Vereinigten Staaten herausgegebenen Pilot Oaarta aus den Jahren seit 1890 sind besonders reich daran. Vgl. meinen Vor- trag über Flaschenposten usw. in Meereskunde, 2. Jahrgang, Heft 7. Berlin 1908, S. 18 f. 2) Peterm. Mitteil. 1897, S. 206 (nach dem englischen Stromatlas). 582 ^^^ Strömungen des Atlantischen Ozeans. welcher die ganze Wasserschicht von rund 1000 m Mächtigkeit sich bewegt, ergibt sich N 84 " 0, also fast recht Osten, was auch den Stromkarten ent- sprechen dürfte. Eine andere Beobachtungsreihe am 28. April (in Station 40 34051' N., 68" 30' W.) ergab sehr sonderbar: an der Oberfiäche . . NzW . . 0.75 Seemeilen, 90 m NzW . . 0.75 180 m NNW . . 0.60 370 m NW . . 0.60 Die Entstehung des Floridastroms ist seit Franklins Zeiten fortgesetzt Gegenstand der Erörterung in den Kreisen der Praktiker wie der Ge- lehrten gewesen. ' Franklin war der Meinung, daß in dem Anstau der Passattrift in das Karibische Becken hinein diejenige primäre Kraft zu erblicken sei, welche den Ausbruch der Gewässer aus dem Golf von Mexiko durch die Floridastraße zur Folge hat. Hiernach ist der Floridastrom nichts weniger als ein reiner Triftstrom, sondern vielmehr eine Stau- oder Abflußströmung ^). Diese Meinung findet eine unseres Erachtens durch- schlagende Unterstützung in dem oben S. 475, Fig. 128 dargestellten Ex- periment. Die aus dem großen Becken in das kleinere, südwestliche hinein- triftenden Wassermassen zeigen rechts von a (= Yucatanstraße) und namentlich bei b (die Engen von Bemini darstellend) eine solche Strom- stärke, daß nicht nur an der Möglichkeit, sondern auch der Notwendigkeit einer solchen Entstehung des Floridastroms kein Zweifel mehr bestehen dürfte. Das ganze Karibische Meer westlich von der Insel Hayti ist eben in stetiger Strombewegung nach AVesten hin begriffen und der weitaus größte Teil dieses Stroms muß durch die Yucatanstraße in den Golf von Mexiko hineintreten : da dieser Golf nur noch eine zweite Öffnung in Gestalt der Floridastraße besitzt, so wird hier der Strom seinen „Ausfall" machen. In dieser Hinsicht also ist der Floridastrom eine Wasserbewegung, die ihr Motiv ganz im Rücken hat. Das wäre auch der Standpunkt der- jenigen Theoretiker, die den Strom aus einem Dichteunterschied zwischen dem Golf von Mexiko und dem benachbarten Ozean ableiten wollen. Wir haben aber bereits gezeigt, daß der eigentliche Golf mit der Hauptmasse seiner Gewässer kälter ist, also einen niedrigeren Niveaustand zeigen müßte, wenn allein die Verteilung der Dichtigkeiten in Frage käme. Wir haben die mittleren Temperaturen von zwei Schnitten durch den Golf von Mexiko mit denen der Yucatan- und der Floridastraße bereits (S. 559) vergHchen; leider sind uns die zugehörigen Salzgehalte noch unbekannt. Angenähert werden sie aber in allen Schichten etwa 35 Promille betragen. Danach läßt sich leicht berechnen, daß der Niveaustand des Golfs von Mexiko in der Tat nicht unerheblich unter dem der Yucatanstraße läge (auf dem Schnitt Galveston- Veracruz um 65 cm, vom Mississippi nach der Cam- pechebank um 51 cm), wenn hier nur die Dichtedifferenzen innerhalb einer Wassersäule von 700 m Höhe wirksam wären; dagegen ist bei gleicher Voraussetzung der Niveauunterschied zwischen der Yucatanstraße, der Floridastraße nördUch von Havanna und in der Beminienge unbedeutend, ^) Diesen Unterschied hat auch C. F o r oh in seiner Abhandlung Über Wind und f?trom im Golf von Mexiko imd seinen Verbindungsstraßen mit dem Atlantischen Ozean (Ann. d. Kydr. 1909, S. 172) nicht ausreichend klargestellt. Der Floridastrom. 583 Wir müssen aber mit einer mechanischen, auf Wind Wirkung beruhenden Anstauung der karibisch-mexikanischen Gewässer gegen die Golfkiiste der Vereinigten Staaten technen, und eine solche ist in der Tat vorhan- den (vgl. Bd. I, S. 65), wenn auch, soweit bekannt, die Vermessungen den genauen Betrag noch nicht festgestellt haben. Neben der Anstauung durch den Passat im Bereiche des Amerikanischen Mittelmeers kommt aber auch noch eine Depression des ozeanischen Niveaus durch die vorherrschenden ablandigen Winde in den Breiten nördhch von 30 " N. B. als eine Triebquelle für den Floridastrom in Betracht, die aber auch in gleichem Sinne auf das vom Antillenstrom nördhch von den Ba- hamainseln angehäufte Wasser wirken muß. Im Winter herrschen westliche und nordwesthche Winde von meist sehr erhebhcher Kraft auf dem ganzen Gebiet zwischen der Neuenglandküste und den Azoren ; mehr nach Europa hinüber kommen sie aus Südwesten. Dadurch muß eine entsprechende Oberflächentrift mit stark ablandiger Komponente auftreten. Im Sommer ist in der kritischen Region zwischen HaUfax und Bermudas der Wind mehr aus Süd bis Südwest, und zwar von meist nur mäßiger Stärke ent- wickelt : auch diese Winde liefern eine Trift nach Nordost und damit eine ablandige Komponente. Die dadurch entstandene Niveaudepression wird einerseits dazu führen, daß sowohl der Florida- wie der Antillenstrom das Defizit an hin weggeführter Masse decken, wie auch daß anderweitig Ersatz herbeigeschafft wird. Das geschieht sowohl durch ein Heransaugen des relativ kühlen und salzarmen Wassers von der Cabotstraße und der Neufundlandbank her, als durch eine aufsteigende Tendenz an der Unken Flanke des Florida- Antillenstroms, die sich dadurch von unten her abkühlt, so daß die Isothermen nach Unks hin zur Oberfläche, nach rechts hin in die Tiefe geneigt sind (Fig. 168): welche Anordnung, bereits durch das Ein- greifen der Erdrotation in der Floridastraße selbst deutlich vorgebildet war (s. Bd. I, S. 460, Fig. 65), hier nun aber für ungleich größere Wasser- massen bezeichnend wird. An der hnken Flanke des Floridastroms kennt man diesen Saum mit auffallend niedriger Temperatur als „Kalten Wall", der also zum guten Teil als eine Auftrieberscheinung zu deuten ist; seine Oberfläche hat je nach der Jahreszeit eine um 10° bis 15", ja 20" niedrigere Temperatur als der Floridastrom. Die Gestalt dieses Walles ist oft sehr scharf ausgeprägt^); in anderen Fällen liegen sehr unregelmäßige Be- wegungen vor, in denen sich Wirbel entwickeln, so daß sich dann für eine Weile die Grenze des warmen Wassers gegen das kalte wieder verwischt. Daß diese Vorgänge statistisch zum Ausdruck gelangen, ist schon erwähnt (oben S. 441); wir werden sie an der Berührungszone zwischen Labrador- und Golfstrom später noch ausführhch zu behandeln haben (S. 602). An der rechten Seite des Stroms findet eine Anhäufung warmen Wassers statt, die sich nicht nur den oberen Schichten entlang ausbreitet, sondern auch in die Tiefe hinab wirkt ; es ist, als ob sich die Warmwassermenge an einem Widerstände aufstaute. Ohne eine vertikal wirkende Bewegungskom- ponente ist eine solche Anordnung jedenfalls nicht zu verstehen. Diese Temperaturanordnung bietet bei näherer Betrachtung Merkmale dar, die zu denken geben. Ich habe schon vor längerer Zeit und auch an einer ^) Vgl. die Erscheinungen bei großer Winterkälte, Bd. I, S. 387. 584 I^ie Strömungen des Atlantischen Ozeans. früheren Stelle dieses Werkes auf die Gegend bei Bermudas als die relativ am meisten durchwärmte des ganzen offenen Ozeans hingewiesen i). Soweit bisher die leider unzureichenden Beobachtungen ein urteil gestatten, liegt diese Stelle wahrscheinlich unweit von der, Station 38 des „Challenger" (33 0 3' N. B., 66 ° 32' AV. L., etwa 240 Seemeilen nordwestlich von Bermudas) : hier liegt die Temperatur von 15 " in 715 m Tiefe. Es empfiehlt sich, die Lage der Isothermfläche von 15 " auchsonst aufzusuchen, da unterhalb derselben die Temperaturen sehr rasch abnehmen. Die Gestalt dieser Isothermfläche ist nun im ganzen eine nach oben konkave, wenn wir sie den Florida ström entlang verfolgen; ihre Tiefenlage, in Mittelwerten aus den betrachteten Schnitten, bestimmt sich folgendermaßen: 1. In der Enge östlich vom Fowey-Leuchtfeuer . . . . . . 455 m 2. Entlang 31" N. B., 130 Seemeilen querab von St. Simons 2) 625 m 3. Zwischen Bermudas und New York (Chall.-St. 37, 38, 39) . 693 m 4. Zwischen Halifax und Bermudas (Chall.-St. 52, 53, 54) . . 618 m 5. Zwischen Bermudas u. Azoren (ChaU.-Stat. 64, 35.6 »K, 50.5 »W.) 540 m Die Isothermfläche von 15 " würde im Februar bei den Azoren, im August aber erst in sehr großer Entfernung bei Irland die Meeresoberfläche in der Stromachse erreichen. Der submarine Boden des Florida-Antillenstroms, hier ausgedrückt durch die Isothermfläche von 15", hat also ungefähr dieselbe Form, wie sie dem sogenannten Zungenbecken eines Gletschers zukommt, freilich einem etwas windschief nach Nordosten verbogenen Becken. Der genannte Punkt größter Durchwärmung liegt ungefähr im Zentrum eines Kreises von 350 Seemeilen Radius, dessen Nordwestsektor seine Peripherie ungefähr im Kalten Wall hat. Um den Drehpunkt findet wohl eine Anstauung der dort am schwächsten bewegten Gewässer statt; außerdem aber ist die Erdrotation rechtsdrängend tätig, und beides gibt der Isothermfläche ihre windschief verbogene Gestalt. Eine nähere mechanische Untersuchung wäre vielleicht ganz lohnend; das Problem lautet dahin: zu prüfen, ob ein tropisch warmer, in ein breites Becken mündender Gefällestrom von stetig abnehmender Geschwindigkeit, auf den die erwähnte Schwenkung und die Ablenkung durch die Erdrotation wirken, zu einer solchen zungenförmigen Volumanhäufung warmen Wassers in einigem Abstände von der Mündung führen kann, daß die Isothermflächen in der Achse des Stroms unter der Zunge eine nach oben kon- kave Gestalt annehmen. Die Mündung eines warmen Flusses in einen kalten großen See würde dasselbe Problem, aber in einer wesentlich vereinfachten Form geben ^). Über den weiteren Verlauf des Floridastroms durch den Nordatlan- tischen Ozean werden noch recht häufig unzutreffende Ansichten geäußert. Daß er als besonderes Stromgebilde der frühereii Art nicht über 45 " W. L. hinaus nach Osten mehr erkennbar ist, haben wir bereits (S. 577) betont; aber verschwunden ist er darum nicht; sowohl seine Bewegungsenergie, 1) Geophysikalische Beobachtungen der Planktonexpedition, Kiel 1892, S. 53; Ozeanographie Bd. I, S. 425, Karte für 400 m und S. 429 für 1000 m. 2) Nach B a r 1 1 e 1 1 bei AI. A g a s s j z, Thi-ee Cruises of the Blake I, p. 235. 3) Ein nicht ganz den hier vorliegenden Bedingungen entsprechendes Experi- ment findet sich bei Martin Knudsen, The Danish Ingolf Expedition, vol. I, Hvdrography, Kopenhagen 1899, p. 107 beschrieben. Beobachtungen, die Joseph rI L o r e n z, Sitzungsber. K. Akad. Bd. 52 (2), Wien 1866, S. 6, über die Ausströmung dalmatmischer Flüsse und der Etsch in die Adria angestellt hat, sind für den vor- liegenden Zweck leider unbrauchbar, da Lorenz die spezifischen Gewichte nur bis auf eine Einheit der dritten Dezimale gemessen hat, so daß die genauere Feststellung der Grenzfläche versagt. Die nordatlantische Westwindtrift. 585 obschon stark geschwächt, wie sein großer Wärmevorrat müssen auch weiter nachzuweisen sein. Nur hat er hierin einen übermächtigen Kon*-- kurrenten im Antillenstrom bei sich, der ihm zwar nicht an Stromstärke, wohl aber im Wärmevorrat seit der Vereinigung nördUch von den Bahama- inseln überlegen bleibt. Eine Versuchsrechnung folgender Art mag dies erweisen. In den Floridaengen östlich vom Fowey-Leuchtfeuer ist das bewegte Gewicht des eigentlichen Floridastroms nach Pillsbury 89.87 Mil- liarden Tonnen in der Stunde. Vergleichen wir nur die oberste Schicht bis 400 m Tiefe, so ist das (etwas zu groß gerechnet) rund 2/3 ^^^s ganzen Querschnitts. Die mittlere Temperatur dieses Teils ist 21.29", also die Dichte auf Druck korrigiert für rund 36 Promille Salzgehalt 1.0279, woraus sich als bewegtes Volum in der Stunde rund 60 cbkm berechnen. Der Antillenstrom habe nördhch von Portorico eine Breite von mindestens 500 km und bewege sich mit der Geschwindigkeit von 10 Seemeilen im Etmal oder 0.8 km in der Stunde mit seiner Oberschicht von 400 m nach Nordwesten fort, so ergibt das ein stündUches Volumen von mindestens 160 cbkm; die mittlere Temperatur desselben ist 21.58°. Diese beiden Quantitäten verhalten sich wie 1 : 2.67 und ähnUch wird die transportierte Wärmemenge, nämhch (21.29» X 60): (21.58° X 160) = 1: 2.70. Von dem über die Länge von 45° W. hinausströmenden Warmwasserquantum von 400 m Tiefe entfallen also mindestens 72.7 Prozent oder rund ^4 ^^^ den Antillenstrom und höchstens 27.3 Prozent oder rund V4 ^-uf den Florida- strom, wenn die Geschwindigkeit der beiden Genossen im gleichen Ver- hältnis verzögert wird. 2. Der Gesamtkomplex dieses aus den westindischen Tropen stam- menden Wassers wird auf den Stromkarten nicht übereinstimmend be- nannt : es finden sich die Namen „nordatlantische Ostströ- mung" oder „W estwindtrift" oder auch „Golfstromtrif t", besonders unberechtigt auch schlechthin „Golfstro m", und zwar bheb der letzte Name besonders unpassend an dem sich nach Nordosten bis in das Nordmeer hinein fortsetzenden Stromzweig haften. Ein anderer Zweig wird mit mehr südöstlicher Tendenz bei den Azoren erkennbar und führt in den später zu betrachtenden nordafrikanischen oder Kanarien- strom weiter. Auch zwischen beiden finden sich fächerartig ausgebreitet diese warmen Gewässer tropischen Ursprungs, die in das Britische Rand- meer und durch dieses in die Nordsee, in die Biskayabai und weiter auch durch die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer hinein sich verfolgen lassen. Die Geschwindigkeit dieses Stromkomplexes ist überall sehr mäßig, Ver- setzungen der zwischen den Vereinigten Staaten und dem. Englischen Kanal verkehrenden Schiffe von mehr als 48 Seemeilen im Etmal sind sehr selten und um so spärhcher verzeichnet, je weiter nach Osten. Häufig werden überhaupt keine Stromversetzungen wahrgenommen, so daß im Mittel die Stärke der Strömung auf etwa 12 bis 15 Seemeilen schon ziem- lich hoch angesetzt sein dürfte. Dabei sind die Richtungen sehr verschieden und von den jeweihgen Winden abhängig. Die große Unbeständigkeit der Erscheinung wird wohl am besten durch eine Reihe von Stromkarten verdeuthcht, die von der Deutschen Seewarte ^) für Gruppen von 2 bis 1) Ann. d. Hydr. 1905, S. 314 u. Taf. 9. 586 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. 4 Tagen, also in angenähert synoptischer Darstellung für die Zeit vom 10. Mai bis 10. Juni 1904 entworfen worden sind; der Zweck wäre wohl noch besser erreicht worden, wenn außer dem deutschen auch gleichzeitig anderes Material hätte herangezogen werden können. Es fragt sich aber, wie weit der Begriü der Stromversetzung überhaupt mit einer synoptischen Darstellung verträghch ist, da die vielen zufälhgen Störungen (s. oben S. 419) erst durch Herbeiziehung eines großen Massenmaterials abge- schwächt werden. Die geringe Stabihtät kommt schon hinreichend zum Ausdruck, wenn wir nachstehende Tabelle betrachten, die aus den so- genannten Quadratheften der Seewarte zusammengestellt ist und in den vier Ecken eines jeden Fünfgradfeldes den Prozentanteil der auf den be- treffenden Quadranten entfallenden Stromversetzungen für das ganze Jahr angibt; die Gesamtzahl der vorUegenden Beobachtungen ist in der Mitte eines jeden Feldes in Klammern verzeichnet. Man wird bemerken, wie nördhch von 40" B. die Richtungen nach dem Südostquadranten, dem .auch die reine Ostversetzung zugezählt ist, hervortreten; insbesondere gilt das auch von der Gegend der Azoren (in der Tabelle mit A bezeichnet). Prozentische V^^rteilung der Stromversetzungen auf die vier Quadranten^). 400 850 300 25" SO» 150 iqO 60 0 *oo 16.5 26.6 16.9 27.4 17.0 32.0 14.0 33.0 1 17.0 28.0 16.0 24.0 [582] [680] [380] [484] ! [313] [538I 24.2 32.6 22.6 33.1 19.0 32.0 17.0 36.0 20.0 35.0 i 25.0 35.0 14.2 27.8 17.7 31.9 13.0 30.0 16.0 19.0 20.0 20.0 20.0 15.0 [518] [719] [366] [228] [242] [490] 21.2 36.9 19.9 30.5 21.0 36.0 20.0 45.0 i 31.0 29.0 i 36.0 29.0 25.3 28.1 21.7 29.7 17.3 26.0 24.5 18.7 18.8 15.1 14.0 13.5 [912] [839] [104] A [192] [685] [283] 350 23.6 23.0 21.2 27.4 24.0 32,7 30.2 26.6 43.8 22.3 38.5 34.0 83.6 25.9 27.1 30.5 21.9 21.1 30.2 9.7 18.3 13.8 12.5 20.3 [1103] [528J ll [114] [391] [656J [64] 300 20.2 20.3 16.9 25.5 i 26.3 30.7 44.0 16.1 44.7 23.2 37.5 29.7 40 0 M 300 40 0 350 ^50 20 0 100 Weiter östlich macht sich die Nähe der portugiesischen und marokkanischen Küste fühlbar, indem der Strom dadurch noch weiter nach rechts in eine mehr südhche bis südwestUche Richtung abgedrängt wird. Westwärts von den Azoren dagegen ist eine Versetzung nach Nordosten, und westhch ^) Resultate meteorol. Beobachtungen von deutschen und holländischen Schiffen für Eingradfelder des Nordatlantischen Ozeans, Heft I bis IV, VI und VII; für das Gebiet nördlich von 40 " N. B. und östlich von 30 ° W. L. aus Hoffmann, Mechanik der Meeresströmungen, S. 56, entlehnt, das übrige neu berechnet. Die nordatlantische Westwind trift. 587 von 35" W. sogar nach Nordwesten im Jahresdurchschnitt sehr wahr- scheinUch. Die Tabelle aber zeigt ebenso wie die Isothermenkarten, daß das warme Wasser, das der Florida- und Antillenstrom bis in die Gegend zwischen der Neufundlandbank und Bermudas getragen haben, vorn fortgesetzten Oststrom zu den Azoren geführt wird, worauf es in die so- gleich (S. 590) zu beschreibende Kanarienströmung übergeht, wie diese ilirerseits wieder in den Nordäquatorialstrom bei den Kapverden. So besteht ein geschlossener Stromkreis zwischen 40" und 10° N. B. im Nord- atlantischen Ozean, der eine antizyklonale Drehung um ein Zentrum aus- führt, das wir mitten in der Region zwischen den Kanarischen Inseln und den Bermudas annehmen dürfen. In diesem Zentralgebiet finden wir die sogenannte Sargassosee, in welche von allen Seiten her die inneren Stromabzweigungen nach rechts hineindrängen. — Auf die Strombewe- gungen nördlich von 45 " N. B. wird später eingegangen werden. Schon J. R e n n e 1 1 erblickte südwestlich von den Azoren den „ Rezipienten " des Golfstroms, der dort auf seiner Karte aufhört. Zahlreiche Flaschenposten und Triftbahnen von Wracks aller Art und von Seezeichen, die an der amerikanischen Küste in den Winterstürmen oder Sommer- orkanen den Fluten überliefert werden, führen vom Floridastrom aus in die Gegend der Azoren. Betrachten wir diese Triften etwas näher. Die Flaschenposten^) der Seewarte wie die dem Hydrographischen Amt der Vereinigten Staaten zugegangenen und in den Pilot Charts veröffent- lichten lassen übereinstimmend erkennen, daß die Abgangsorte derjenigen Flaschen, die an der europäischen Küste nördlich vom Kap Finisterre (43" N.) antreiben, mit verschwindenden Ausnahmen auch im Westen des Ozeans (westwärts von 40°, aber nicht von 60° W, L.) nördlich von 40° N. B. aus- gesetzt worden sind. Die in südlicherer Breite dem Meere anvertrauten Flaschen setzen alle in die Gegend der Azoren. Hieraus hat G. Schott gefolgert, daß die nordatlantische Westwindtrift sich nicht erst in der Nähe der europäischen Küste in zwei Arme spalte, sondern daß diese Trennung schon viel weiter im Westen beginnen müsse: westlich von den Azoren (35° W. L.) etwa bei 43° bis 44° N. B., weiter östlich (bei 20° W. L.) ein wenig nördlicher bei 45° N. B. Dies ergibt sich aus dem großen Triftexperiment, das der Fürst Albert von Monaco im Sommer 1886 in dieser Gegend ausführte : von 510 Schwim- mern aller Art, die er entlang 20° W. L. zwischen 42° und 50° N. B. ausgesetzt hatte, sind die südlich von 44 ° N. B. abgegangenen, soweit sie sich wieder- fanden, ausnahmslos nach Südosten getrieben, die nördlich von 46° B. aus- gesetzten aber nach Osten und Nordosten 2). Für die westlich von 60° W. L. gelegenen Gebiete läßt sich nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit voraussagen, wohin dort ausgesetzte Flaschentriften ihren Weg nehmen werden. Aber bezeichnend ist doch, daß die von ihren Ankersteinen abgerissenen Bojen aus den Häfen der Vereinigten Staaten regelmäßig westlich und südwestlich von den Azoren auftreten. Und als im Dezember 1887 das riesige Holzfloß aus 27 000 Baumstämmen, von der Fundybai nach New York unterwegs, auf den ^) Schott, Die Flaschenposten der Deutschen Seewarte (aus dem Archiv der Seew. 1897), S. 8 f . 2) In der großen Karte: Etüde des Courants, Carte I, Paris 1889, sind von den zwischen 44 ° und 45 ° N. B. ausgesetzten und wiedergefundenen vier Flaschen zwei nach Südosten und zwei nach Osten an die Küste des Landes getrieben, dagegen alle zwanzig Flaschen mit Ausgangsbreite zwischen 42° und 43 72*^ N. nur nach Südosten, die zwischen 46° und 47 72° N- B, 'herstammenden fast ausnahmslos in die Biskayabai. 588 IMe Strömungen des Atlantischen Ozeans. Nantucketbänken in 41 » 16' N. B., 70 " 6' W. L. von einem heftigen Nordwest zerschlagen wurde, verbreiteten sich diese Bauhölzer garbenförmig nach Osten hin, waren im Februar 1888 noch in dichten Scharen bei 65° W., im März in 60°, im Juni schon lockerer westlich von den Azoren (30° W.), im JuH bei diesen selbst und im September in letzten weit zerstreuten Resten nördlich von Madeira!) (vgl. auch Bd. I, S. 166). Zahlreich sind die gleichgerichteten Wracktriften aus dem stürmischen Floridastrom '), von denen einige auf ihrer langen Trift so häufig wiedererkannt wurden, daß man ihre Wege genauer auf den Karten niederlegen und mit den herrschenden Windrichtungen vergleichen konnte^). Die amerikanischen Küstenfahrer, oft Schiffe von großen Dimensionen, treiben, vom Sturm ent- mastet, gewöhnlich auf ihrer Holzladung und hegen um so tiefer im Wasser, je länger die Trift andauert; daß diese sich über 5 Jahre hin erstrecken kann, haben wir bereits für das Wrack der „Fanny Wolston'' erwähnt. In Fig. 169, S. 580 ist neben dieser überaus interessanten Triftbahn noch eine Anzahl anderer verzeichnet, darunter die des Dampfers „Rossmore" und der Schoner „Angiel Green" und „Bertram White" im Frühjahr 1899 in die Gegend südlich von den Azoren. Daß aber, auch aus 40° N. B. solche Wracktriften unter offenbar besonderen Wind- und Stromverhältnissen aus der Gegend der Azoren ent- schieden nach Nordoster hin wieder hinausgehen, zeigen die Wege der Bark „Siddharta" und eines parallel weiter westlich laufenden unbenannten Wracks von Februar bis Juni 1899. Neben der Trift der „Fanny Wolston" ist be- sonders berühmt geworden die des amerikanischen Schoners „W. L. White", der am 13. März 1888 auf der Höhe von Baltimore wrack wurde, aber von seinen drei Masten anfangs noch zwei behielt, so daß er nicht nur dem „Golf- strom", sondern auch dem Winde folgend ziemlich rasch in die Gegeüd von Neufundland gelangte. Hier wurde er am 30. Mai vom Kapitän Bodeker vom deutschen Dampfer „Braunschweig" gesichtet: da waren die Masten gefallen, das Hauptdeck unter Wasser, das Wrack trieb aber auf seiner Holzladung und mußte nun vorzugsweise dem Strom folgen. Da es sich im Dampferkurse befand, wurde es sehr häufig gesehen, und so kann man die Trift mit ihren zahlreichen Schleifen genau verfolgen. Zuletzt geriet der Schoner außer Sicht und endlich hörte man, daß er bei den Hebriden am 23. Januar 1889 geborgen wurde. Er hat zu seiner Überfahrt also 317 Tage gebraucht, aber dabei einen Weg von fast 10 000 km (5200 /Seemeilen) durchmessen, davon sind an 4000 km (2000 Seemeilen) Umwege. Ebensolche Schleifen läßt auch die Bark „Sid- dartha" im nordöstlichen. Teile ihrer Bahn erkennen. Einen besonders deutlichen Hinweis auf das Rechtsabschwenken der Stromfäden in . das Innere des antizyklonalen Stromkreises liefern die An- sammlungen treibender Tange, die der Sargassosee ihren Namen ge- geben haben*). Diese Fucoideen, insbesondere Sargassum bacciferum oder Beerentang, mit zahlreichen nahe verwandten Arten {S. vulgare, ilicifolium, latifolium, obtusatum u. a. m.) sind Strandpflanzen, die im warmen Wasser entlang den amerikanisphen Küsten bis zum Kap Cod hinauf, insbesondere 1) Pet. Mitt. 1889, S. 128 (nach Pilot Charts). 2) Dr. G. A n t z e, Revision der Oberflächenströmungen des Nordatlantischen Ozeans auf Grund der Triftphänomene (Kieler Inaug.-Diss. 1901) gibt S. 34 eine gute Übersicht. ^) So von S c h o 1 1 in der Abhandlimg über die Flaschenposten der Seewarte und namentlich auf der Rückseite der Monatskarte für den Nordatlantischen Ozean für September 1909. Vgl. auch meinen oben S. 681 Anm. 1 genannten Vortrag, woraus Fig. 169, S. 580 wiedergegeben ist. *) Vgl. meine Ausführungen in Pet. Mitt. 1891, S. 129 f. (mit Karte) und in der Reisebeschreibung der Planktonexpedition, Kiel 1892, S. 117 f., auch im oben S. 681 Anm. 1 erwähnten Vortrag. Die Sargassoaee. 589 aber an den westindisclien Felsgestaden wacHsen und von der hier mäclitig brandenden Dünung oder von den Wogen der Tropenorkane abgerissen ein Spiel der Meeresströmung werden. Besonders reichlich sind diese treibenden olivgrünen Büschel im Floridastrom zu finden, der sie aus seinem westindischen Ursprungsgebiete her stetig neu ergänzt und über den ganzen Nordatlantischen Ozean verstreut, daher die deutschen Seeleute sehr bezeichnend vom_ „Golf- kraut" sprechen. So hatte schon Kolumbus diese Tange bei seinen früheren Seereisen kennen gelerrit und vermochte daher ihre Ansammlungen zu förm- lichen Wiesen, wie er sie übertrieben nannte, nicht so verwunderlich zu finden, obwohl seine Ijcute fürchteten, daß die Klippen, auf denen sie gewachsen sein mußten , im Schiffskurse liegen könnten. Alexander v. Humboldt, der sich sehr viel mit dieser Naturerscheinung beschäftigte^), die in der Tat in den anderen Meeren ihresgleichen sonst nicht findet, wollte aus den ihm vor- liegenden Nachrichten folgern, daß diese Tange sich an bestimmten Stellen verdichtet ansammelten und dort jederzeit zu finden seien. Die „große Fucus- bank von Flores und Corvo", wie er sie nannte, sollte sich bei 40° W. L. bis 20° N. B. hinziehen, , eine zweite kleinere Bank bei 70° W, L. hegen und zwischen beiden eine Kette kleinerer Bänke als Verbindung. Humboldt kannte sehr wohl aus eigener Anschauung die reichlich auftretende Sargassum- vegetation vom westindischen Strande, aber er neigte doch der Meinung zu, daß auch im Sargassomeer selbst noch unbekannte Untiefen vorhanden seien, wo das Kraut wachsen und Stürme es abreißen könnten. Solche Bänke oder Untiefen hat man aber nirgends gefunden, das Meer ist hier überall tiefer als 3000 m, vielfach sogar als 6000 m. Allemal, wo Botaniker die Sargassobüschel aufnahmen und untersuchten, fanden sie die Pflanzen nicht nur lebendig, sondern auch in langsamem Wachstum begriffen, aber stets fehlten die Frukti- fikationen, während diese bei den am Strande der Tropen so häufigen Sargassen regelmäßig vorkommen. Wir haben auf der Planktonexpedition im August 1889 ungezählte Büschel aufgeholt und genau untersucht, es war keines darunter ohne deutlichen Beweis, daß die Stengel abgerissen waren. — Wie Humboldt zu der Vorstellung von festliegenden Fucusbänken kam, können wir jetzt vollständig aufklären. Beobachtungen flössen ihm nur zu von Seefahrern, und diese sind überall durch die Windverhältnisse an bestimmte Segelrouten gebunden. Außerhalb dieser regelmäßig befahrenen Wege wird es an Nach- richten über treibendes Seekraut fehlen, und trägt man nur die vorliegenden Nachrichten auf Karten ein, so bleiben die unbesuchten Flächen leer. Ein seemännisch unterrichtetes Auge wird nun sogleich erkennen, daß Humboldts j.große Fucusbank von Flores und Corvo" sich eng an die Segelroute der- jenigen Schiffe anschließt, die von Süden kommend ihren „Durchstecher durch den Passat" gemacht haben, um nach dem EngUschen Kanal zu segeln. Seine Verbindungsbänke liegen auf der sogenannten Passatroute für Schiffe, die im Winter von Europa nach den Vereinigten Staaten" segeln, die westliche Bank auf dem Wege von New York nach den Kleinen Antillen. Auf allen diesen Wegen haben die Seefahrer Sargassen treiben sehen, aber das ist nach Ausweis der Schiffstagebücher nicht regelmäßig auf jeder Fahrt und ununterbrochen der Fall. Nach dem von der Deutschen Seewarte in den öfter erwähnten Quadratheften noch nicht einmal vollständig veröffentlichten Material ergibt sich, daß auch außerhalb der Passatror ^en treibendes Sargassum genug vor- kommt, daß aber auch im sargassoreichsten Gebiet die Wahrscheinlichkeit für ein Schiff, im Bereiche eines Gradfeldes von 11 000 qkm Kraut zu finden, etwa 1 : 8 wird, und über dem größten Teil der Fläche nur 1 : 12 und 1 : 20. Eine nach der Häufigkeit des Krautvorkommens (in Isophykoden) entworfene ^) Relation historique I, p. 202; Kritische Untersuchungen usw. II, S. 47 f. 590 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. Karte zeigt denn auch besonders deutlicli, wie sich die Verbreitung des treiben- den Krauts an die Küste des tropischen Amerika anschließt. Das Maximum aber ordnet sich in einem Gebiet von ovaler Gestalt etwa zwischen 21 ° imd 35° N. B., 40° iind 73° W. L. an, welches also die eigentliche Sargassosee vor- stellt. In ihm kreisen und triften die abgerissenen Tangbündel, bis die Schwimm- blasen abbrechen und die Reste versinken; aus dem Gebiete wieder hinaus dürften weder Sargassen noch andere Treibkörper so leicht gelangen. Darum ist die Zeichnung von Triftbahnen, wie sie sich auf der großen Karte der Flaschenposten des Fürsten von Monaco eingetragen findet, wonach süd- westlich von den Azoren ausgesetzte Triftkörper nach kurzem Kreislauf wie- der nordöstlich in die Golfstromtrift zurückgelangen sollen, jedenfalls nicht zutreffend. Anderseits aber können wir aus dem, wenn auch spärlichen Auftreten treibender Sargassen in irischen, englischen, französischen Küstengewässern, ja in der Nordsee, wie auch im westlichen Mittelmeer den wichtigen Schluß ziehen, daß diese Gewässer durch eine kontinuierUche Meeresbewegung mit dem tropisch warmen westindischen Gebiet zusammenhängen müssen. Wir finden das auch durch andere tropische Triftprodukte bestätigt. So konnte schon Kolumbus von Bewohnern der Azoren erfahren, daß an der Westseite der Inseln Graciosa und Fayal Fichtenstämme von einer unbekannten Art an den Strand getrieben seien; König Johann II. von Portugal zeigte ihm Teile von gestrandetem Bambusrohr größten Durchmessers, und von einzelnen aus dem Wasser gezogenen eigenartig geschnitzten Figuren eines fremdartigen Holzes hatte er gelegentlich auch sonst gehört. Für unsere modernen Zeiten wird der Stromkreis um die Sargassosee durch sehr häufige, von den europäischen oder westafrikanischen Gewässern ausgehende Flaschenposten geschlossen^). 3. Der n o r d a f r i k a n i s c h e oder Kanarienstrom von meridionaler Richtung beherrscht die östlichste Partie des Nordostpassats zwischen Madeira und den Kapverdischen Inseln. Seine Stromstärke ist im allgemeinen mäßig, nach den englischen Stromkarte'n zwischen 8 und 30 Seemeilen im Etmal schwankend; doch sind Versetzungen von mehr als ]5 Seemeilen selten. Der Strom führt Wasser aus höheren Breiten in die Tropen, ist also ein relativ kalter Strom und als solcher unmittelbar von den Isothermenkarten abzulesen. Seit den Zeiten des Varenius und Kirch er bis nach Renneil und Heinrich Berghaus, wo der nördliche Äquatorialstrom auf den Karten keine gehörige Beachtung fand, wurde der Kanarienstrom nicht durch die Kapverdischen Inseln hindurch nach Südwesten und Westen weiter- geführt, sondern zwischen dieser Inselgruppe und dem gleichbenannten Vorgebirge recht südwärts und dann um Kap Palmas herum nach Osten. Man leitete also den Guineastrom unmittelbar, wie schon früher bei diesem bemerkt, aus dem Kanarienstrom ab. F i n d 1 a y hat in Wort und Bild diese Auffassung zuerst dahin verbessert, daß er wenigstens den größeren Teil {the main hody) des Kanarienstroms in die nördliche Äquatoriaiströmung überführte und nur einen kleinen Bruchteil den altüberlieferten Weg entlang der afrikanischen Küste nach Südost und Ost fortsetzen ließ. Wir haben bei der Darstellung des Ouineastroms bereits darauf hingewiesen, ^) Die von Alex. v. Humboldt, Ansichten der Natur I, 139 und Kritische Untersuchungen I, 467 (der deutschen Ausgabe) erwähnten Triften von Fahrzeugen aus der Spanischen See nach Westindien hinüber sind deutlich vom Winde allein vollzogen. Der Kanarienstrom. 591 daß diese aucli noch von G. Schott festgehaltene Auffassung nicht hinreichend mit den Tatsachen, namenthch nicht mit den Temperatur- verhältnissen in Einklang ist {8. 567). Entsprechend den räumlichen Schwankungen des nördlichen Äqua- torialstroms ist auch das Südende des Kanarienstroms im März in sehr viel südhcherer Lage zu finden als im September, worüber ebenfalls bei der Beschreibung des Guineastroms Einzelheiten beigebracht worden sind (vgl. auch Fig. 165, S. 553). Für die Entstehung des Kanarienstroms hat man nicht nur die ört- lichen Windverhältnisse, sondern auch die ganze Konfiguration des nord- atlantischen Beckens in Betracht zu ziehen. Die Windkarten zeigen im allgemeinen nordwestliche und nördliche Winde als vorherrschend. Auf der Karte der Jahresisobaren ergibt sich für einen Punkt in 31° N. B., 15° W. L. zwischen Madeira und den Kanarischen Inseln der Gradient gerichtet nach S 36 ° 0^ woraus die Windrichtung nach S 29 ° W, also aus NNO folgt, so daß der reine Triftstrom nach WSW setzen müßte. Tat- sächlich herrscht eine nicht unerheblich südlichere Richtung durchaus vor, wie schon die Tabelle S. 586 für das hier in Betracht kommende Fünfgradfeld (bei M) trotz der geringen Zahl von Beobachtungen erkennen läßt. Der Kanarienstrom ist eben keine reine Trift, sondern auch eine Zuflußströmung, nämlich in den Rücken des vom Nordostpassat vom afrikanischen Festland hinweggeführten Nordäquatorialstroms. Daß diese Kompensation unzulänglich dargeboten wird, geht aus dem typischen Auftreten eines Küstensaums von kaltem, aufsteigendem Wasser entlang der nordafrikanischen Küste hervor, das vom Kap Verde nord- wärts hinauf bis zur Straße von Gibraltar, im Sommer noch nördlicher sehr niedrige Küstentemperaturen schafft^). Es finden sich jahreszeit- liche Schwankungen, indem sich der Kaltwassersaum im Sommer höher hinauf nach Norden, im Winter tiefer nach Süden verschiebt, wie schon aus unseren Teraperaturkarten (Fig. 165, S. 553) ohne weiteres erkennbar wird. Im Februar und März reicht die Auftriebzone im Süden noch über das Grüne Vorgebirge hinaus, indem z. B. vor der Gambiamündung im März 1865 nur j8.3°, gegen 24° im Flußwasser, gemessen' worden sind. Be- sonders kalt ist an der Saharaküste die durch Kap Blanco nach Norden hin abgeschlossene Bucht von Arguin, wie a\is den Beobachtungen der französischen Postdampfer entlang ihrem hier unter Land vorüber- führenden Kurse bestätigt wird 2). Im August ist an der Küste zwischen Kap Ghir und Kap Juby die Oberflächentemperatur nur 17°, d. h. 5° niedriger als bei den Kanarischen Inseln und Madeira; aber auch in der kalten Jahreszeit (November 1883) fand J. Y. B u c h a n a n, als er mit dem Kabeldampfer „Dacia" hier Lotungen ausführte, die Temperatur 2 Seemeilen vor Mogador nur 16.1° gegen 20.5° in freier See mit etwa 200 Seemeilen Abstand vom Lande ^), wo die gleiche Temperatur erst in ') Dr. Adolf Puff, Das kalte Auf trieb wasser an der Ostseite des Nordatlanti- schen und der Westseite des Nordindischen Ozeans (Marburger Inaug.-Diss. 1890), S. 12 ff., gibt die vollständigste Darstellung. Gute Karten von G.- Schott im Valdiviawerk Taf. 8 für Februar, Mai, August, November und Jahresanomalie. ^2) Ann. d. Hydr. 1883, S. 473; P. Hoffmann, Mechanik der Meeresströ- mungen, S. 69, ») Proc. R. Soc. Edinburgh 1885/86, Bd. 13, S. 432. 592 ^^^ Strömurjgen des Atlantischen Ozeans. 80 m Tiefe beobachtet wurde. Ähnlich fand er es schon am Kap Spartel. Dieses kalte Wasser hat eine ausgesprochen dunkle grau- oder flaschen- grüne Farbe und erzeugt, da die darüber lagernde Luft erheblich wärmer ist, dicke Nebel. Als sich G. E o h 1 f s im Monat August 1862 in Agadir, an der Mjindung des Wed Sus (südlich vom Atlas), befand, war er ver- wundert über das dort herrschende kalte Klima; vor Mittag durchdringt die Sonne den dichten Nebel nie und auch in der Sonne wird es dann nicht übermäßig warm. Biese Nebelschwaden ziehen tief mit dem Seewind ins Land und sind im Sommer für die Anfeuchtung der Vegetation sehr wesent- lich. Die gleichie kühlende Wirkung macht sich im Sommer entlang der portugiesischen Küste bis zum 40" N. B. hin fühlbar, und Theobald Fischer^) konnte bereits 1877 die auffallende Tatsache, daß die ge- nannte Küste acht. Monate im Jahr durch zu kühle Lufttemperatur aus- gezeichnet ist, auf abnorme Abkühlung des Meeres durch aufsteigendes Wasser zurückführen. Wie auch eine der Küste parallele Strombewegung einen auflandigen Unterstrom und aufquellendes W^asser hervorbringen kann, hat uns bereits im allgemeinen Teil der Lehre von den Meeres- strömungen beschäftigt (S. 528 f.). Im vorliegenden Falle greift diese Aspiration nicht sehr in die Tiefe, denn, wie früher (Bd. I, S. 427) dargelegt, sind die Schichten von 800 m abwärts durch das aus dem Mittelmeer in der Tiefe heraiistretende Wasser relativ zu warm. 4. Für den nordöstlichenZweig des nordatlantischen Stroms gibt es in der Literatur keinen anerkannten Namen ; man bezeichnet auch ihn als „Golfstromtrift" oder „Golfstrom", und in der neueren Zeit auch wohl als „Atlantischen S t r o m". Der letztere Name ist jedoch für den warmen Strom entlang der norwegischen Küste speziell gebräuch- Uch, daher hier besser zu meiden. Da der Strom auf die Britischen Inseln zuführt und diese, insbesondere das wintergrüne Irland von allen Seiten umspült, könnte man ihn in Parallele zum Kanarienstrom wohl am besten den Irischen Strom nennen. Er führt die nördlichen Stromfäden der aus Florida- und Antillenstrom gebildeten Warmwassermenge unter der Einwirkung der vorherrschenden südwestlichen Winde in mehr und mehr selbständigem Stromstrich und getrennt von den Zuflüssen zum Kanarien- strom (S. 587) nach Nordosten, in den Englischen Kanal und durch die Straße von Dover in die Nordsee, umströmt an den Hebriden und Orkney- inseln vorüber Schottland im Norden und gelangt so abermals mit einer Abzweigung in die Nordsee. Einen weiteren Arm werden wir im nor- wegischen Meer kennen lernen. Mit einem großen Teil seiner Gewässer bleibt der Irische Strom aber im Ozean, wo er, die Färöer mehr rechts lassend als sie umspülend, sich nordwärts auf Island zu bewegt. Von hier wendet er sich als Irmingerstrom nach Westen und Südwesten, um mit dem kalten Ostgrönlandstrom an seiner rechten Seite Kap Farvel zu umströmen, dann ebenso mit dem Labradörstrom nach Süden und Südosten umzubiegen und zuletzt östHch von der Flämischen Kappe den Stromkreis zu schheßen. Wie bereits im allgemeinen Teil (S. 542) bemerkt, ruft die auf den Luftdruckkarten so stark hervortretende, für die Luft- bewegungen namentlich der kalten Jahreszeit im Bereiche des nördlichen *) Studien über das Klima der Mittelmeerländer (Pet. Mitt. 1879, Ergänzungs- heft 58), S. 25; besonders Mittelmeerbilder, Neue Folge, Leipzig 1908, S. 320 ff. Der Irische Strom. 593 Teils des Ozeans wie Nordwesteuropas maßgebende sogenannte „isländische Zyklone" auch an der Meeresoberfläche einen zyklonalen Stromkreis hervor. Er ist durch die Anordnung der Wassertemperaturen und Salz- gehalte, wie durch zahheiche Flaschenposten gut bezeugt; auch die Zu- sammensetzung des Meeresplanktons im Irmingerstrom (Station 13 der Planktonexpedition in 60" 15' N. B., 28" 46' W. L.) ergab eine so nahe Verwandtschaft mit den Fängen im Bereiche des Labradorstroms (Sta- tionen 19 und 20 in 50» 48' N., 47» 20' W. und 50» 0' N., 48» 6' W.), daß schon während der Fahrt selbst ein Kreislauf dieser charakteristischen Formen (unter den Diatomeen Synedra, von Tieren Aglantha und mehrere Rotatorien) um die isländische Zyklone als notwendig erkannt wurde. Dazu kam dann bald eine von der Expedition zwischen den Stationen 19 und 20 am 29. JuU 1889 ausgesetzte Flaschenpost, die am 4. Februar 1890 in Point of Sleat auf der Insel Skye (27» 2' N. B., 6» 1' W. L.) antrieb, also diese Verbindung vom Labradorstrom zur schottischen Küste hin- über in 6 Monaten zurücklegte ^), Eine Synthese der Stromkonstituenten nach der Mohnschen Methode hat darauf Dr. Georg Wegemann 2) den Beweis ermögUcht, daß die Dichtigkeits- wie die Windfläche eine zyklonale Anordnung der Strombahnen verlangen, wie sie denn auch seit- dem auf den modernen Karten allgemein Eingang gefunden hat. Die Stromstärke ist allerdings im ganzen Bereich dieses Kreislaufs sehr gering und dürfte im Durchschnitt mit 10 Sm. im Etmal (21.4 cm p. S.) schon zu hoch angesetzt sein, ist also durch Stromversetzungen schwer nachzuweisen. Nach der neueren Zusammenstellung, die G. Schott^) aus einer Anzahl von Dampferjournalen entlang den international vereinbarten Fahrtünien zwischen dem Englischen Kanal und New York gewonnen hat, ergeben sich für den südlichen Rand dieser Zirkulation nach Osten hin rasch abnehmende Werte, wie die auf S. 594 folgende Tabelle erweisen mag, die unsere frühere auf S. 586 in diesem Punkte ergänzt. Der Unterschied in der westüchen und östHchen Hälfte der untersuchten Strecke ist namentlich in den Mittelwerten sehr deutUch ausgeprägt: im östlichen Teil sind die Oberflächenströmungen durchaus ein Spiel der Winde, und die schheßüche Verschiebung der Wassermassen nach Osten und Nordosten ist nur noch aus den zahlreichen Triften und Flaschenposten, namentüch aber aus der *) F. Akerblom erwähnt von Nathorsts Ostgrönlandfahrt zwei Flaschen- posten, die vom Franz-Josephs-Fjord ausgegangen im Nordwesten Irlands und auf den Hebriden gelandet sind. Uppsala Universitet Ärsskrift 1903, II, p. 65. *) Die Öberflächenströmungen des Nordatlantischen Ozeans nördlich von ßO» N. B. (Kieler Inaug.-Diss. 1900. Aus dem Archiv der Seewarte Bd. 22, 1899, Nr. 4). In einer bemerkenswerten neuen Arbeit „Über unperiodische Temperatur- Schwankungen im Golfstrom und deren Beziehung zu der Luftdruckverteilung" (Ann. d. Hydr. 1910, S. 397, auch Kieler Inaug.-Diss.) hat Dr. Job. Petersen den Nachweis geführt, wie aUemal mit einer Vertiefung der Depression bei Island die dann auffrischenden Südwestwinde den ostatlantischen Trift- und Irischen Strom verstärken, so daß dort auf den Dampfbrrouten die Oberflächentemperatwr " '- '> r die normale steigt, während durch die gleichzeitige Verstärkung des Labradorstroms auf den westlichen, der Neufundlandbank nahen Teilen dieser Routen die Temperatur unter das Mittel sinkt. Diese Wirkungen sind von einem Jahr zum anderen sehr verschieden stark. «) Verh. 14. D. Geographpntages in Köln 1902, S. 66 ff., Ann. d. Hydr. 1903, S. 281 ff. Die nördliche Route führt von den Scillyinseln über die Neufundlandbank, die südliche zunächst nach 41 ° N. B., 47" W. L. und dann westwärts nach New York. Kr&mmel, Ozeanographie. II. qq 594 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. Anordnung der Temperaturen und Salzgehalte zu erschließen. Die schon öfter erwähnte Veröffenthchung von G. S c h o,t t über die Flaschenposten der Seewarte und die Darstellung der Isothermen und Isohahnen für alle Monate der Jahre 1896 und 1897 durch H. N. D i c k s o n ^), für die Termin- monate August, November, Februar und Mai 1908 und 1909 auf Grund der Arbeiten von Dr. D. J. Matthews^)- geben in dieser Hinsicht unzweideutige Aufschlüsse. Mittlere tägliche Stromyersetzung (Seemeilen) auf den nördlichen Dampferwegen 700 600 600 iQO 800 20» 100 7oo_400 400_ioo 12.4 11.8 11.2 10.8 8.2 8.8 11.7 9.1 Dasselbe auf den südlichen Dampferwegen 13.1 13.2 12.3 8.9 8.9 9.0 12.7 9.0 700 600 600 400 SQO 20 0 100 700—40« 400—100 Eine allgemeine Ostströmung des Nordatlantischen Ozeans muß auch östliche Strömungen in den Golf von Biskaya eindringen lassen. Nun lassen die älteren Karten seit J. Relinell*) allgemein eine Ost- strömung zuerst an der Nordküste Spaniens entlang gehen, sodann aber vor der französischen Küste nach Norden und Nordwesten herumschwenken und so quer zum Eingang des Enghschen wie des Bristolkanals in den Irischen Kanal oder, wie noch in dem Seeatlas von Justus Perthes zu sehen, am Bande des Biskayaschelfs entlang nach der Gegend westUch von Irland zurückbiegen und sich hier mit dem Irischen Strom vereinigen. Durch eine sehr große Zahl von. Flaschenposten hat M. Hautreux*) erwiesen, daß dieser sogenannte Rennellstrom nicht vorhanden sein könne; dasselbe hatte schon der Fürst von Monaco aus seinem Triftexperiment vom August 1885 gefolgert, aus welchem sich sogar eher eine gegenteilige Bewegung nach Südosten aus der Zeitfolge der Trift- iunde ableiten ließ ^). Endlich hat L. E. D i n k 1 a g e *) aus dem reich- haltigen Material der Seewarte erschlossen, daß in der eigentlichen Bis- kayabai der jeweilige Strom stets den Winden zu folgen pflegt. Nach 0. S c h o 1 1 ') ist auf Grund der Flaschenposten eine Richtung des Stroms nach Osten oder Ostsüdosten durch die Biskayabai hin am wahrBchein- lichsten; eine große Zahl von Flaschen pflegt zwischen der Loire- und 1) Philos. Transact. R. Soc. London 1901, Bd. 196 (A), p. 61 ff. *) Im Bulletin trimestriel etc. der intemat. Meeresforschung für 1907/8 und 1808/9 veröffentlicht. *) Zuerst von ihm in der Royal Society in Iiondon am 6. Juni 1793, sodann am 13. April 1815 vorgetragen. *) Bulletin Soc. de g^ogr. commerciale Bordeaux 1893 u. 1894; M6m. Soc. des Sciences phys. et nat. de Bordeaux' 1896, Bd. 6, p. 418 (5 Karten); Comptes Rendus Acad. Paris 1894, Bd. 119, p. 122 Auch Ann. d. Hydr. 1895, S. 292 f. ^) CJomptes Rendus Acad. Paris 1889, Bd. 108, p. 1151. «) Ann. d. Hydr. 1896, S. 427 f.; 1898, S. 437. ') Flaschenposten der Seewarte usw. S. 9. Der angebliche Rennellstrom. 595 Girondemündung das Land zu erreichen und zwar sehr viele davon recht aus Nordwesten, also dem vermeintlichen Rennellstrom genau entgegen, dagegen ist keine einzige der auf der Überfahrt von Ouessant nach Finis- terre ausgesetzten Flaschen nach Nordwesten in den Irischen Strom ge- gangen. Aus dem ersten Quadratheft der Seewarte ergibt sich für das Fünfgradfeld vor der Biskayabai (45" bis 50 <• N. B., 10« bis 15 o W. L., s. oben S. 586) vorherrschend ein Strom nach dem südöstlichen Quadranten. Eine genauere Berechnung liefert mir für den Monat Januar aus 53 Einzel- werten die Resultierende S 40° O mit der mittleren Stromstärke von 12.7 Seemeilen und für den Juli nach S 30° 0, 14.1 Seemeilen^). Die Stabihtät des Stroms ist aber in beiden Monaten sehr gering: im Juli 42 Prozent, im Januar sogar nur 14 Prozent. Das untersuchte Gebiet ist aber nur die westliche Hälfte der Biskayasee. Die Küstenbeschreibungen kennen an der Nordküste von Spanien Oststrom besonders im Winter, während im Sommer, entsprechend der sich dann über Spanien entwickeln- den Luftdruckdepression und daraus folgenden nordöstlichen Winden an der kantabrisch-asturischen Küste, auch Weststrom nicht ganz selten gespürt wird. Es scheint das auch weiter in See hinaus zu greifen, denn im Juh war in dem eben untersuchten Fünfgradfeld der Strom um 10® weiter nach Süd als im Januar. Wenn ein Teil der praktischen Seeleute noch immer vom Rennellstrom nicht ablassen will, so beruht das auf der früher wenigstens häufig bestätigten Erfahrung, daß von Westen kommende Schiffe, die mehrere Tage keine astronomischen Beobachtungen erhalten hatten, statt in den EngHschen in den Bristolkanal gelaufen waren, was aber seinen Grund nicht in der Strömung, sondern nach Kapitän K ol d e- w e y in mangelhaft erkannter Deviation des Kompasses beruht. Außerdem können auch die nicht unbeträchtUchen Gezeitenströme über den Gründen vor dem Kanal derartige Schiffsversetzungen verschulden ^). Nach alledem wäre es endUch an der Zeit, den Rennellstrom von den Karten zu tilgen. Anders als der nordafrikanische Zweig des nordatlantischen Ost- stroms, der sich hnks gegen das Land lehnt und Auftrieberscheinungen hervorruft, wird der Irische Strom von der Erdrotation rechts gegen den Britischen Schelf gedrängt und unterhegt daher im Gegensatz zum erst- genannten einer merküchen Anstauung mit positiver Wärmeanomahe in den oberen Schichten. Diese kommt in der Tat in den Karten von G. Schott zum Valdiviawerk von 100 bis 400 m Tiefe darin zum Aus- druck, daß die Isothermen fächerförmig nach Osten hin auseinanderstrahlen und daß dadurch in gleichen geographischen Breiten die Orte in der Nähe des Britischen Schelfs eine merküch höhere Temperatur erhalten als einige hundert Seemeilen seewärts. Auch unsere kleine Karte für 400 m (Bd. I, ^) Da es sich hierbei überwiegend um Schiffstagebücher von Seglern handelt, sind die Strom Versetzungen nach G. Schott etwas stärker als bei den größeren Dampfern, die für seine Tabelle (S. 594) die Unterlagen lieferten. 2) J. T h o u 1 e t wollte aus der Verteilung des Magnetits in den Bodenablage- rungen des Biskayagolfs auf eine unterseeische Strömung von der kantabrischen Küste nach Nordosten und am Rande des Schelfs nach Nordwesten schließen (Comptes Rendus Acad. Paris 1898, Bd. 126, p. 293); aber die mutmaßliche Zusammensetzung der die Falaise vor dem Schelf bildenden Gesteine ist wohl dieselbe wie an der gali- cischen Küste, wobei das variskische Rumpfgebirge den., alten Zusammenhang her- stellt (vgl. auch Bd. I, S. 107). 596 ^^ Strömungen des Atlantischen Ozeans. ß. 425) läßt das erkennen. Für die größeren Tiefen von mehr als 800 m aber macht sich die Erwärmung durch das ausströmende Mittelmeerwasser auch unter dem Irischen Strom zugleich bemerkbar (Bd. I, S. 429), so daß beispielsweise die 6 "-Isotherme nordwesthch von den Hebriden erst in 1692 m, d. i. 66 m tiefer als im Floridastrom nördlich von Bermudas, ge- funden wird. Die abwärts drängende Tendenz der angestauten Gewässer ist vielleicht auch die Ursache für die Ausbildung merkwürdig tief hinab- reichenaer Wassersäulen von gleicher Temperatur und Sahnität in allen Jahreszeiten: die neuen irischen Fischereifahrten im Rahmen der inter- nationalen Meeresforschung haben eine Anzahl bemerkenswerter Bei- spiele hierfür beigebracht^). Im Winter kann diese Homothermie süd- westlich von Irland (am 7. Februar 1908 in 51« 51' N. B., 12» 15' W. L., 1240 m Tiefe) von 50 m bis 457 m herrschen (10.2°, die Oberfläche hatte 10.4"). Im Sommer hegt eine Lage leichteren Wassers mit anothermischer Schichtung über dieser Tief cnsäule, so daß die Homothermie erst in größerer Tiefe beginnt: so hatte am 26. August 1907 in 52« 2' N. B., 10« 56' W. L. (145 m Wassertiefe) die Oberfläche 15.0«, in 37 m waren 13.4«, in 55 m 9.7«, von 91 bis 137 m durchweg 9.5«. Die Fortsetzung des Irischen Stroms nach Norden in der Richtung auf Island zu ist vorzugsweise von dänischer Seite in den letzten Jahr- zehnten erforscht worden. Einen guten Anfang machte schon 1853 der Admiral Irminger^); eine Anzahl von Sommerreisen dänischer Krieg- schiffe mit zusammen 87 Beobachtungstagen ergab ihm für die Strecke zwischen Faira und Island als mittlere Stromrichtung N 52« 0 mit einer (vektoriellen) mittleren Geschwindigkeit von nur 2.4 Seemeilen, woraus ohne weiteres hervorgeht, wie stark wechselnde Richtungen im einzelnen in den Mittelwert eingingen. VermutHch kommt es hier unter der Wir- kung der unbeständigen Winde zu zahlreichen und kräftigen Wirbel- l?ildungen. Dennoch war erkennbar, daß näher an den Shetlandinseln der Strom mehr östlich, näher an Island aber mehr nördUch als Nordosten lief was Irminger in folgender kleinen Tabelle zum Ausdruck brachte. 4« W. L. N 72» O 4.7 Seemeilen 17 Tage. Wie die Stromverhältnisse im Winter liegen, vermochte er noch nicht in ähnhcher Weise zu untersuchen. Doch erfuhr er auf den Färöer, daß von dem massenhaft zu seiner Zeit dort (namentUch bei Kirkeböe auf der Südstrominsel) anlandenden Treibholz westindischer Abkunft das meiste im Februar und März ans Land geworfen werde. Da nach Köppens Windkarten in den Wintermonaten die Windstärke in dem Striche zwischen dem Ende des Floridastroms und Island durchschnitthch über 10 m in der Sekunde beträgt, so ist anzunehmen, daß in der Tat die Trift nach Nordosten im. Winter entsprechend lebhafter sein wird. Schon Irminger fand, daß die von Süden kommende Strömung die Insel Island etwa in der Gegend der Vestmannainseln berührte und von 1) Vgl. die hydrographischen Bulletins lür die Jahre 1906/7 und 1907/8. 2) Zeitflchr. {. allgem. Erdkunde Berlin 1854, Bd. 3, S. 179; N. F. 1861, Bd. 11, S. 191. 16« W. L. 12« W. L. 8« W. L. Strom: N 47" 0 N 32» 0 N 60» 0 Stärke; 3.1 0.8 2.5 Beob.: 25 18 11 Der Irmingerstrom. 597 dort nach Westen weiter ging; seine Annahme, daß ein Zweig dieses atlantischen Wassers die Insel Island zuerst im Westen, sodann nach Osten umbiegend im Norden umströme, hat sich durch die neueren Unter- suchungen namentlich von C. F. W a n d e 1 1) bestätigt; doch ist die Grenz- scheide des Stroms von den Vestmannainseln aus erheblich nach Osten bis zum Vestrahorn (64® 18' N, B.) hin zu verschieben. H. M o h n leitete diesen im Sinne des Uhrzeigers kreisenden Strom aus dem Abfluß des leichten Landwassers ab, das seewärts strebend immer nach rechts ab- gelenkt werden muß und G. Wegemann ^) konnte das bestätigen. Auf die Vorgänge im Norden von Island, auf der Färöerschwelle und auf dem Wyville-Thomson-Rücken werden wir bei der Darstellung der Strom- bewegungen im norwegischen Meer zurückkommen. — Die neueren Ar- beiten von Martin K n u d s e n 3) und J. N. Nielsen'') betrafen mehr die thermischen und Salinitätsverhältnisse des Gebiets und die daraus zu erschUeßenden langsamen Wasserschiebungen der tieferen Schichten Wieweit diese auf den Ausstrom warmen und salzigen Wassers aus dem Mittelmeer zurückgeführt werden können, soll späterer Prüfung unterliegen. Die Stauwirkung, die noch bei Irland erkennbar war, ist hier nicht mehr ungestört zu erwarten: über den Färöerrücken drängt Nordmeerwasser, wenn auch von oben her mit atlantischem gemischt und dadurch etwas wärmer und salziger geworden, in den Nordatlantischen Ozean hinein, dessen Bodentemperaturen also von hier aus beeinflußt werden. Die Iso- thermflächen haben demgemäß nördlich vom Rockallgebiet allgemein die Neigung , sich steiler gegen die Küste hin zu erheben ; insbesondere gilt das auch für Island, wo ablandige Winde dicht unter Land sogar salzigeres Wasser aus der Tiefe aufquellen lassen können. Wieweit die günstigen Fischereiverhältnisse mit diesen Vorgängen im Zusammenhang stehen, bedarf noch der näheren Untersuchung. 5. Der Irmingerstrom. Für das Gebiet westlich von Island bis zur Dänemarkstraße im Norden und der Davisstraße im Westen hat ebenfalls Irminger die Strombewegungen zuerst genauer kennen gelehrt : die vorherrschende Richtung ist hier westücher als Nord, die Strorhstärke ebenfalls sehr gering, aber doch die Anwesenheit eines charakteristischen Stroms unleugbar aus der Anordnung der Temperaturen an der Ober- fläche abzuleiten. Zunächst haben das E. v. Nordenskiöld und A. Bamberg ^) auch av.a den Tiefentemperaturen erwiesen ; von Norden- skiöld rührt auch die Benennung Irmingerstrom her. Dieser erfüllt den ganzen Raum zwischen Island und Kap Farvel mit Ausnahme einer bald schmäleren, bald breiteren Küstenzone, die vom eisführenden Ost- grönlandstrom eingenommen wird. Der letztere kann sich durch ab- landige Winde auch seewärts ausbreiten und dann den Irmingerstroiu 1) Ann. d. Hydr. 1887, S. 271. *) In der oben S. 593 Anna. 2 aufgeführten Abhandlung. ') The Danish Ingolf Expedition, Bd. 1, Nr. 2, Kopenhagen 1899, p. 106 f.; wozu auch O. P e 1 1 e r s s o n in Pet«rm. Mitt. 1900, S. 29 zu vergleichen. Ferner M. K n u d 8 e n, Contribution to the Hydrography of the North Atlantic Ocean in Meddelelser fra Kommissionen for Havundersögelser Bd. I, Nr. 6. «) Meddelelser usw. Bd. I, Nr. 4 (1904) und Nr. 9 (1907). Ein gutes Referat gibt Brenneoke in Ann. d. Hydr. 1907, S. 506 f. >) Bihang til Kgl. Svenska Vet.-Akad. Handl. 1884, Bd. 9^ Nr. fc. 598 I^® Strömungen des Atlantischen Ozeans. an der Oberfläche vpie mit einem dünnen Schleier verdecken; er wirkt aber auch kühlend auf eine Tiefenschicht in 125 bis 250 m Tiefe ein, wie früher dargelegt (Bd. I, S. 439, Tabelle Nr. 6). 6. Die Strömungen , in der Davisstraße, zu denen auch ein Zweig dieses „Irmingerstroms" gehört, sind erst verständlich, nachdem die kalten Strömungen zur Seite des eigenthchen Warmwasser- gebiets im Nordatlantischen Ozean dargestellt worden sind : der Ost- grönlandstrom und der Labradorstrom. "Während die bisher betrachteten Stromvorgänge größtenteils un- mittelbar auf Triften der gleichgerichteten Winde sich zurückführen lassen, • Welche das Luftdruckminimurft zwischen Kap Farvel und Island zyklonal umkreisen, müssen wir zum Verständnis der Strömungen in der Da^'is- straße auf die mittlere Luftdruckverteilung über dem nordamerikanischen Festland zurückgehen. Der hohe Luftdruck über diesem erzeugt entlang der Küste von Baffinland und Labrador einen Gradienten, der nach Nord- osten gerichtet ist und bei dem durch die hohe Breite bedingten großen Ablenkungswinkel von rund 75 •* die Luft nach OSO wehen und das Wasser nfech um weitere 45 ° nach rechts abgelenkt nach SzO, also schon teilweise auf die Küste zu, triften läßt. Dazu kommt, daß die große nordatlantische Ostströmung in ihrem Rücken und zu ihrer Linken einer Kompensation bedürftig ist, also das Wasser östhch von Neufundland nach Süden aspiriert, was dann noch weiter nach Norden hin zurückwirkt. Alles dies erzeugt dann einen Strom, der durch die Erdrotation stetig rechts gedrängt, sich enge an die Festlandsküste anschmiegt. Anderseits aber zieht dieser Labradorstrom auch aus der Westhälfte der Davisstraße mehr Wasser nach Süden, als ihm aus den engen, noch dazu eisbedeckten StFaßen der Nachbararchipele zugeführt werden kann. Das hat zur Folge, daß in dieser Straße ein Teil des nötigen Quantums Von der Westküste Grönlands herübergezogen wird. Schon diesem Um- stände ist das Eindringen von« atlantischem, dem Irmingerstrom entstam- mendem Wasser in die Osthälfte der Davisstraße zuzuschreiben. Entlang der Ostküste Grönlands aber herrscht, weil sie auf der Nord- westseite der isländischen Luftdruckdepression gelegen ist, nördlicher Luftstrom und darum südwestUche Trift im Wasser vor : letztere gewinnt Rückhalt und Unterstützung durch die auch nördUch vom Polarkreise entlang der Ostgrönlandküste in" gleicher Weise angeordneten Verhältnisse. Zudem ist das Wasser zwar kälter, aber dafür ajs Treibeis führendes Schmelzwasser auch leichter als das wärmere, aber viel salzigeire und darum dichtere Wasser des tmingerstroms. Folglich wird es letzteren entlang der Ostküste Grönlands überlagern, über der Küstenbank sogar verdrängen. Nach der Untersuchung von G. Wegemann gibt dies zu einer beträchtUchen Hebung der Dichtigkeitsfläche Anlaß, die an der Ostküste Grönlands 15 cm, an der Westküste aber mehr als 40 cm über der Mitte der Davisstraße beträgt. Der hieraus entspringende Gefälle- strom muß rechts ans Land gelehnt nicht nur an der OstgrÖnlandküste entlang nach. Süden fließen, sondern Kap Farvel umkreisen und entlang der WestgrönlandkiLste nach Norden gehen. Außerdem muß das sekundäre Luftdruckminimum in der Davisstraße an seiner Ostseite südöstliche Winde, also Trift nach Norden erzeugen (vgl. die Karte der Stromfiäche Der Ostgrönlandfltrom. 599 Rg. 170). Weiter aber muß dieselbe Aspiration in der Davisstraße, welche Teile des Irmingerstroms an sich zieht, auch auf den Grönlandstrom hinwirken. Die vom letzteren mitgeführten Eisberge ragen noch in das atlantisch warme Wasser hinein und schmelzen so von unten ab; daher kommt es, daß zwar die südUchsten Häfen der Westküste, wie JuHanehaab und Frederikshaab, von Eis wochenlang abgesperrt sein können, während nördhch von 64 ® bis 65 ® N. B. alle Häfen offen bleiben und die See östlich Fig. 170. Bemerkuiig: Die Lange der Strompfeile ist der Stromstärke proportional (1 cm p. S. = 0.7 mm) ; die Zahlen bedeuten Stationsnammem in der Liste Or. Wegemanns. von 55" W?L. frei von Eis ist. Die Aspiration vom Labradorstrom her zieht aber sicherlich Teile des Ostgrönlandstroms quer über die Straße hinüber nach Westen, wie schon aus der Eiskarte Irmingers und aus den Berichten von Holm wie aus der Untersuchung von L. M e c k i n g zu. entnehmen ist^). Mit dieser Darstellung ist allein in Übereinstimmung zu bringen, was H a m b e r g von der Wärmeschichtung der Davisstraße meldet: die ganze tiefere Wassermasse ist entschieden nordatlantisohen Ursprungs, was schon aus dem hohen Salzgehalt (34.4 Promille) hervor- geht. Die älteren Ideen von einem Untertauchen des Ost grönlandstroms unter den wärmeren West grönlandstrom sind nicht mehr aufrecht zu halten: ersterer enthält zu leichtes Wasser, um solches auszuführen. Ebensowenig ist daran zu denken, daß der Ostgrönlandstrom in seiner alten Südwestrichtung verharrend auf Neufundland hinströmt, was schon Irminger zurückweisen konnte und jede Karte der Oberflächentempe- raturen sofort als unmögüch erkennen läßt. Die Abkunft des Westgrönlandstroms aus dem warmen Irmingerstrom ist durch mehrfache interessante Treibholzfunde gesichert. So fand schon L ö w e n ö r n im Jahre 1786, mit Aufnahmen an der Südspitze Grönlands be *) Holm in Pet. Mitt. 1884, S. 471; L. Meoking, Die Eistrift aiis dem Bereich der Baffinbai (VeröfF. d. Inst. f. Meereskunde Heft 7, Berlin 1906), S. 32, wo auch die filtere Literatur. Vgl. auch unten die Fig. 178. 600 l^i<^ Strömungen des Atlantischen Ozeans. schäftigt, in See einen Mahagonistamm treibend, und so wurde auch unfern der Insel Disco ein zweiter Mahagonistamm von so guter Erhaltung gefunden, daß sich der damahge dänische Gouverneur von Grönland daraus einen Tisch machen ließ (Z, f. allgem. Erdkunde III, 1854, 430). — Daß diese Treibhölzer mit jedem Jahrzehnt seltener gefunden werden würden, hat schon Kant wegen der Zunahme der Besiedelung Amerikas vorausgesehen. Die Geschwindigkeit des Ostgrönlandstroms ist aus einigen Scliollen- triften verunglückter Nordpolfahrer auf etwa 5 bis höchstens 10 Seemeilen täglich zu schätzen : je näher dem Lande, desto geringer war die Geschwin- digkeit. Das Eisfeld, auf dem sich die Besatzung des deutschen Polar- schifEs „Hansa" befand, trieb während 243 Tagen im Mittel nur 4.6 See- meilen in 24 Stunden, die Fahrt ging ziemlich nahe der Küste entlang. Schon W. Scoresbyi) zählt eine größere Zahl anderer, doppelt bis dreifach schnellerer Triften von im Eis besetzten Schilfen auf, die aller- dings meist nördHch von der Dänemarkstraße erfolgten. Die Geschwindigkeit des Labradorstroms in der Baffinbai und Davis- straße läßt die Schollenfahrt der 19 Mann von Halls Polarexpedition vom 15. Oktober 1872 bis 30. April 1873 ersehen: sie erfolgte zunächst zwischen 74° und 69" N. B in der Mitte der Baffinbai, also in einem sicherUch schwächer fließenden Teile des Stroms, aber immer nach Süden, mit einer mittleren Geschwindigkeit von 6 V4 Seemeilen täghch ; von 60 " N. B. an bis zur Aufnahme der Mannschaft durch den Dampfer „Tigreß" in 53" N. B. nahe der Küste von Labrador offenbar näher dem Stromstrich mit der fast verdoppelten täglichen Geschwindigkeit von 11.8 Seemeilen; darunter waren 10 Tage mit einer Trift von sogar 32,2 Meilen in 24 Stunden '^). Über das Verhältnis des Labradorstroms zum sogenannten Golfstrom und zum „Kalten Wall" sind die Ansichten noch keineswegs völlig geklärt. G, S c h o 1 1 in seiner verdienstUchen Studie über die Gewässer der Bank von Neufundland und ihrer weiteren Umgebung^) entwirft folgendes Bild. Der aus Nordwesten kommende Labradorstrom hält sich an der Küste von Neufundland und auch weiterhin an der Großen Bank immer im tiefen Wasser, umströmt diese Bank im Osten und findet sein Ende im „Golfstrom", und zwar östlich von 50" W. L., so daß also seine Gewässer nicht an die Ostküste der Vereinigten Staaten gelangen. Auf der Neufund- landbank selbst soll keine ständige Strömung nach irgend einer Kichtung vorhanden sein, so daß auch auf diesem Wege an St. Johns und Kap Race vorüber keine arktischen Gewässer den Weg nach Südwesten nehmen. Die Küstenströmung an der Ostküste der Vereinigten Staaten soll dafür ausschließUch aus dem Golf von St. Lorenz stammen, also aus dem C a b o t s t r o m, und jedenfalls bis auf die Höhe von New York hin. Süd- lich von diesem und namentlich südlich vom Kap Hatteras gebe es über- haupt nur einen Neerstrom mit sehr geringer Temperaturerniedrigung gegenüber dem Floridastrom; da sie nur 2" bis 3" betrage, sei dieser Strom nichts als „links abkurvendes Gplfstromwasser", und somit vöUig verschieden von dem weiter im Norden erst auftretenden „Kalten Wall" 1) Account of arctic regions I, p. 213. Vgl. auch Weyprecht, Metamor- phosen des Polareises, S. 209. 2) Pet. Mitt. 1873, S. 391. 3) Pet. Mitt. 1897, S. 202 f. Der Labradorstrom. 601 mit seinen Temperatursprüngen, die über 15", ja in strengen Wintern über 20° betragen können. An dieser Auffassung muß einiges berichtigt werden. Es ist mecha- nisch undenkbar, daß irgend ein Meeresstrom einfach sein Ende in einem anderen Strom findet, ohne daß dieser das zugeführte Wasser mit seinen sehr ausgeprägten physikalischen Eigenschaften irgendwie aufnimmt, was hier also zu Mischungen führen müßte zwischen dem arktisch- kalten, viele Monate Eis führenden Labradorstrom und dem tropisch- warmen sogenannten Golfstrom. Wir werden später im abgeschwenkten Agulhasstrom im Indischen Ozean entlang 40° S. B. einen solchen aus gegensätzlichen Wassern zusammengefügten Strom mit seinen bunt durcheinander gewürfelten Warm- und Kaltwasserfiecken und Streifen kennen lernen. Davon aber ist südöstlich und östlich von Neufundland nichts bekannt: der nordatlantische Oststrom oder die Golfstromtrift führt in Anbetracht der vorliegenden Verhältnisse sogar auffallend ho- mogenes Wasser. Der Labradorstrom wird also vom Floridagolfstrom nicht einfach verschluckt. Nach der Auffassung der meisten Stromkarten, namentlich der älteren, wäre der Untergang des Labradorstroms ganz wörtlich zu nehmen: man läßt ihn einfach unter den „Golfstrom" tauchen. Leider haben wir aus dieser sonst so hoch interessanten Gegend des Nordatlantischen Ozeans noch gar keine Tief seebeobachtun gen, so daß wir über die Anordnung der Tiefenschichten und ihre Eigenschaften nichts aussagen können i). Erst weiter südlich entlang der Fahrtlinie des „Challenger" von Bermudas nach den Azoren erhalten wir Nachrichten: es liegen 5 Stationen bei 35° und 36° N. B. zwischen 55° und 45° W. L., und diese lassen keine Auskühlung der Tiefenschichten erkennen. So hegt die Isotherme von 15° hier im Mittel in 580 m (bei Bermudas in 650 m, s. oben S. 584), erst viel weiter im Osten nahe bei den Azoren tritt eine Hebung der isothermi- schen Flächen auf (in Station 71 in 38° 18' N. B., 34° 48' W. L. sind 15 <> in 165 m gefunden), die aber auch weiter im Osten der Azoren bestehen bleibt. Von einem Untertauchen des kalten Labradorstroms ist danach nichts in diesem Teil des Golfstroms zu bemerken. Übereinstimmung herrscht darüber, daß der Labradorstrom an der Ostseite der Großen Bank entlang fließt; das beweisen auch sowohl die Temperaturen wie die Verdichtung des Treibeises und der Eisberge an dieser Stelle: die Eichtung des Stroms muß also hier nach SSW gehen. Ebensowenig ist zweifelhaft, daß ein Hauptzug der Eisberge von der Südspitze der Bank (50° W. L.) nach Westen führt, wodurch bei den größeren Eistriften einzelne Berge ziemüch weit entlang den Dampfer- kursen westwärts verschleppt werden ; auch auf Schotts Karte ist ein Bei- spiel aus dem April 1896 aufgenommen (42.6° N. B., 57.8° W. L., 120 See- meilen südwesthch von Sable Island). Am 28. April 1895 wurden sogar Eistrümmer noch aus 66° W. L. in 39° 22' N. B. gemeldet 2); wenn dieser Befund auch überaus auffälhg genannt werden muß, so sind doch bei *) Über die im Sommer 1910 hierher ausgedehnte Fahrt des „Michael Sars" sind Einzelheiten noch nicht bekannt. *) U. S. Hydrographie Bulletin 1895, Nr. 300. Vgl. den Atlas des Atlantischen Ozeans, 2. Aufl. Hamburg 1902, Taf. 3, eine Übersicht über sonstige extreme lagen. (302 ^^^ Strömungen des Atlantischen Ozeans. Sable Island selbst in frülieren Zeiten (in 61 V2" W. L. im Juli 1836) Eis- berge gesichtet worden. Daß sich im Winter und ersten Frühjahr Treibeis (keine Eisberge) mit dem Cabotstrom aus dem Golf von St. Lorenz heraus in südlicher und dann westlicher Richtung bewegt, ist von Hugh R o d- m a n ^) näher dargelegt. Wie wir sehen, ist das aber nicht der einzige Weg, auf dem kaltes Wasser anr die Ostküste der Vereinigten Staaten gelangt. Es eröfEnftt sich aber noch ein dritter Weg, wiiederum aus dem Labrador- strom selbst. Die Treibeiskarten für eisreiche Jahre liefern in der Verteilung der Eisberge über die Große Bank selbst den Beweis, daß die Gewässer auf der Bank keineswegs ohne Strom sind, wie G. Sphott behauptet; er hat selbst Gelegenheit gehabt, ein Bild der großen Eistrift im Frühjahr 1903 als eine sprechende Urkunde hierfür zu veröffentlichen 2), die alle auch sonst wiederkehrenden Merkmale hinreichend erkennen läßt. Der ganze Norden der Bank ist bedeckt mit Bergen verschiedenster Größe; viele davon müssen sehr bald auf Grund geraten sein, da ihr Tiefgang zu groß für die kleinen Wassertiefen war. Nun führt aber dicht an der Osthalbinsel Neufundlands bei St. Johns und Cape Race vorbei eine verhältnismäßig tiefe Rinne entlang^}, die in südwestlicher Richtung die Große Bank vom Körper der Insel Neufundland und der westlicher gelegenen Grünen- und St. Peterbank trennt, mit einem Zweige aber dicht an der Insel auch westwärts nach St. Pierre und Miquelon hin führt (Fig. 171). Die Wassertiefen liegen dari;i durchweg über 100, meist über 150 m, und gewähren so einem vom Labradorstrom rechts gegen, das Land gedrängten Stromzweig einen Übergang und zahlreichen Eisbergen leichten Zutritt, so daß diese den westlichen Arm der Rinne noch ziemlich reichlich erfüllen. Auch wenn kein Eis diese Bewegung augenfällig macht, muß sie wegen der Erhebung der Dichtigkeitsfläche vorhanden sein, und sie ist auch nach den neuen, von Bell D a w s o n veranlaßten Strombeqbachtungen unmittelbar er- wiesen*). Auf diesem Wege wird nicht nur leichtes und kaltes Labrador- stromwasser in den St. Lorenzgolf, sondern auch vor die Mündung der Cabotstraße gebracht, wo es sich mit dem südlich von der Großen Bank herum geflossenen vereinigt und nach Südwesten weiter geht. Auf der Großen Bank muß demnach eine allgemeine Tendenz der Bewegungen nach Südwesten vorherrschen ; fühlbar werden kann sie aber nur im tieferen Wasser (vgl. Fig. 171 die Strompfeile). I)er Südwestzweig des Labradorstroms wird also in der Hauptsache die Funktion eines Kompensationsstroms zu vollziehen haben ; die Dichtig- keitsfläche mit ihrer Hebung gegen das Festland hin wird diesen Strom verstärken, auch die vorherrschenden Windrichtungen sind ihm förderlich, denn beim Cape Sable kommen diese aus Nordwesten und Westnord- westen, so daß die (reine) Trift in südlicher bis südwestlicher Richtung noch begünstigt wird. Wie die vom Floridastrom geforderte Kompensation *) Report on Ice and Ice Movements in the North Atlant. O. Washington 1890. 2) Ann. d. Hydr. 1904, S. 278 f. und Taf. 16. ') Vgl. die franzosische Seekarte 3855: Bancs de Terre-Neuve. *) Referat von L. Meckingip Anh. d. Hydr. 1905, S. 149; wo nach Dawsons Report auch Einzelheiten über die Wasserbewegungen in den Buchten der Südkäste Neufundlands. Der Labradorstrom. 603 außerdem durch aufquellendes Wasser den Kalten Wall hervorruft, ist bereits früher (S. 583) hervorgehoben. Außer dieser Abführung der eisführenden Gewässer nach Westen und Südwesten besteht noch eine andere nach Osten und Nordosten nördlich an der Flämischen Kappe vorüber: hier kann in einzelnen Jahren das kalte und leichte Wasser etwas über 40 ° W. L. hinaus nach Osten vor- geschoben werden, was beispielsweise nach H. N. D i c k s o n^) im April, Mai, September 1896 und Dezember 1897 der Fall war. Auf diesem Fig. 171. 150» 43°- Eappe Viele- d, • ^^J''/^ UO Gr« ß e B artli Eis b e, r j/ e ( " Ufi te^ i40» 60*vre8Ü. L. v Oreeirwich 1^ — 1=^ 45* 40« Wassertemperaturen Ende Mai und Anfang Juni 1882 bei der Großen Neufundlandbank (nach L. E. Dinklage). Wege gelangen gelegentlich auch Eisbergtrümmer bis in den Irischen Strom hinein ^) ; und auf die noch weiter gehenden Vertriftungen des Plank- tons ist schon früher (S. 593) hingewiesen. ») Philos. Transact. R. Soc. London 1901, Bd. 196 (A), Taf. 2 u. 4. ») Zu den in Bd. I, S. 522 erwähnten Fällen hat Kapitän Campbell H e p- w o r t h auf der Rückseite der Monthly Meteorol. Chart for December 1908 aus den britischen Archiven noch einige sehr auffallende hinzugefügt. Am 26. Juni 1883 sichtete das Schiflf „Blanche" in 48» 40' N. B, IS» 22' W. L. einen noch 6 bis 9 m hoch aus dem Wasser ragenden Eisbergrest; fernere Sichtungen sind: „Silverstream" in 61 » N., 11 » W., Juni 1907, „Caronia" 61 » N., 19« W., August 1908 und „Lord Lans- downe" 63» N., 22° W., 19. September 1906. Im Juli 1902 wurde sogar westlich von der Insel Mull in 56.6 <> N., 6.5 <> W. von zwei Fisoherboten Eis gesehen, bestehend 604 I^ie Strömungen des Atlantischen Ozeans. Die Erscheinungen in der eigentlichen Berührungszone zwischen dem Labrador- und dem Golfstrom verdienen noch eine besondere Betrachtung. Versucht man für einen beschränkten Zeitraum eine Art von synoptischer Darstellung, wie in umstehender Fig. 171 geschehen, wo die Isothermen von 20», 15», 10» und 5» für die Oberfläche am Ende Mai und Anfang Juni 1882 niedergelegt sind, so zeigen sich merkwürdig gekräuselte Linien, die sich, wie eine neuere aber nicht so detaillierte Darstellung von E. K n i p p i n g^) be- weist, bis auf die Höhe von New York hin ganz ähnlich erstrecken Icönnen. Auf unserer Karte bemerkt man den stärksten Vorstoß des kalten Wassers gerade südlich von der Großen Bank, in welchem damals nicht nur sehr viele Eisberge (der südlichste bis 39,8» N,, 48.6» W. am 6. Juni), sondern noch besonders gewisse isolierte kalte Wasserflecken hervortreten; es sind das ge- wissermaßen Leichensteine größerer Eisbergkomplexe. Ein zweiter Vorstoß geht zwischen der Großen Bank und der Flämischen Kappe nach Südosten, wir sehen aber auch über die Große Bank hinweg das kalte Wasser südwärts vordringen, indem westlich von 50 » W. L. noch zwei solche Zungen ausgebildet sind. Mechanisch ist diese Anordnung wohl dahin zu deuten, daß wir es hier mit Wirbeln zu tun haben mit einer vertikalen Achse, wobei dann warmes Wasser vom „Golfstrom" nach Norden in das kalte Wasser und dieses wieder nach Süden in den „Golfstrom" hinein verschleppt wird. Da die beiden Strö- mungen nach Osten und Nordosten hin zusammengehen, westwärts von 50» W. L. aber entgegengesetzt, werden sich diese krausen Konturen im Westen besser entwickeln als im Osten. — Daß die dargestellten Zungen selbst etwa Durchschnitte durch Helmholtzsche Wellenflächen wären, ist ausgeschlossen; eine Versuchsrechnung (nach der Formel XXXI, S. 62) mit a = 1.026 und Q = 1.025, w = 1 ergibt die geringe Wellenlänge von 34 m und verweist uns auf Wirbelbildung als Ursache. c) Das System der südatlantischen Strömungen. 1. Der Brasilienstrom südlich von 30° S. B. und der Falk- landstrom. Wir haben oben den Verlauf der Hauptmasse des süd- lichen Äquatorialstroms entlang der brasilischen Küste im Bereiche der Tropenzone beschrieben, und nunmehr soll uns die Fortsetzung derselben weiter nach Süden hin beschäftigen. Ich lege dabei eine Spezialunter- suchung zugrunde, welche ich im Jahre 1882 auf der Deutschen Seewarte ausführte 2), Nach den älteren Strömungskarten von Petermann, Hermann Berghaus u. A. sollte der Brasilienstrom südlich von 30^ S. B. sich in der Weise teilen, daß der eine Ast die patagonische Küstenbank betritt und auf dieser südwärts weiter schreitend bis Kap Hern und darüber hinaus warmes Wasser entführt, während der zweite Ast sich im Bogen nach Osten wendet, um nördlich von 40" S. B. als „südatlantischer Verbin- dungsstrom" den Ozean erst östlich und dann nordöstlicli zu durchqueren. Die englischen Stromkarten (Findlay, Evans, Current Charts) hingegen lassen den Brasilienstrom in etwa 30° bis 35° S. B. sich verlieren, während sie über der patagonischen Bank einen Zweig des aus dem Pazifischen in einer 12 bis 15 m langen, 4 bis 5 m breiten Scholle, die etwa V2 ™ ^ber das Wasser ragte. Vgl. die Flaschenpost oben S. 593. 1) Ann. d. Hydr. 1906, Taf. 2, Fig. 4, für März 1903. 2) Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte Bd. V, 1882, Nr. 2 und die Auszüge in den Ann. d. Hydr. 1883, S. 453, Zeitschr. f. wies. Geogr. IV, 1883, S. 209. Der Brasilienstrom. 605 Ozean eintretenden Kap-Horn- Stroms nach Norden fließen lassen etwa bis 43° S. B., also gerade in umgekehrter Richtung, wie die deutschen Stromkarten annehmen. Daneben führen auch die englischen Karten einen „Verbindungsstrom" in 30" bis 35° B. im Bogen über den Süd- atlantischen Ozean hinüber auf das Kap der Guten Hoffnung zu, und die neuen englischen Strömungskarten lassen ihm auch noch eine direkte Zufuhr von der Drakestraße her zukommen. Dieser „Verbindungsstrom" war zuerst von R e n n e 1 1 eingezeichnet worden, und zwar ersichtlich entlang dem Kurse der auf der Ausreise nach dem Indischen Ozean den Südostpassat im Westen durchstechenden und umgehenden Segelschiffe. Auch sonst finden sich bei R e n n e 1 1 noch einige Daten, welche für die Auffassungen der deutschen Hydrographen seit Heinrich Berghaus und Petermann maßgebend geworden sind. Auf Grund der Temperaturbeobachtungen, die in den Schiffstage- büchern zahlreicher Kap-Horn-Fahrer enthalten sind, vermochte ich nun nachzuweisen, daß die Fortsetzung des warmen Brasilienstroms außerhalb der Küstenbank nach Süden setzt und von der Bank selbst durch Wasser getrennt ist, das in allen Monaten etwa 6° bis 10° kälter bleibt. Über der Bank selbst aber ist wieder etwas wärmeres Wasser als im kalten Strom. Segelschiffe, welche auf der Ausreise nach Kap Hörn außerhalb der Küsten- bank südwärts in langen Schlägen gegen den herrschenden Südwestwind aufkreuzen, überschreiten diese Grenzen verschieden temperierten Wassers bald in der einen, bald in der anderen Richtung, und indem ich aus den Schiffstagebüchern die Orte solcher Temperatursprünge sammelte, wo das wärmere Wasser im Osten von dem kalten lag, und für jeden Streifen von je ein Grad Breite eine mittlere geographische Länge für diese Temperatur- sprünge berechnete, erhielt ich einen Anhalt für die Lage der Westkante des Brasilienstroms; doch ergab eine Anzahl von Beobachtungen auch im Bereiche des letzteren selbst noch ein stufenförmiges Ansteigen der Tem- peraturen, so daß also danach dem Brasilienstrom höherer Breiten dieselbe Streif ung eigen ist, wie wir sie vorher (S. 578) beim Floridastrom be- schrieben haben. Des weiteren aber war an die von allen Kap-Horn-Fahrern gemeldete Tatsache anzuknüpfen, daß dieselben bei der Heimfahrt nordöstlich von den Falklandinseln in der Nähe von 50° S. B. bei ihrem nördhchen oder nordöstlichen Kurse innerhalb weniger Stunden aus dem kalten Wasser des Kap-Horn- Stroms in erheblich, oft 3°, ja 5° wärmeres Wasser hinein- kommen. Auch die hierfür in den Schiffsjournalen reichlich enthaltenen Daten wurden gesammelt und aus ihnen für jeden Meridiangradstreifen eine mittlere Breite bestimmt, welche alsdann die Lage der Südkante des Stroms anzeigte. Auch hier ergaben sich sekundäre Temperatur- sprünge weiter nordwärts. Beigegebene Karte ^) (Fig. 172) wird eine hin- reichende Übersicht über die aUgemei.xe Anordnung der Strömungen und diejenigen Einzelheiten gewähren, auf die im folgenden besonderer Wert gelegt ist. Bemerkt sei, daß die äußere Kante des Brasihenstroms an der Umbiegungsstelle in 48° bis 49° S. B. zwischen 55° und 57° S. B. durch *) Aus dem oben S, 581 Axun. 1 erwähnten Vortrage (Meereskunde II, Heft 7, Berlin 1907, Mittler & Sohn). 606 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. Schiffsbeobachtungen nicht festzulegen war, da solche fehlten. Allein es kann doch keinem Zweifel unterhegen , daß der Strom wirkHch schon in einer niedrigeren Breite, jedenfalls bevor er 49 ^ oder 50 ® S. B. erreicht, nach Osten umschwenkt, da von dieser geographischen Breite an südwärts und bei den Falklandinseln zu allen Zeiten ausnahmslos kaltes Wasser gefunden wird. Diese Darstellung ist seitdem durch den oft erwähnten enghschen Atlas der Oberflächentemperaturen aller Ozeane in erwünschtester Weise Fig. 172. 45 VI.tGt. Eisberge im Falklandstrom. bestätigt worden ; dort ist sowohl der Zusammenhang dieses warmen Wassers zwischen 40" und 48 <• S. B. mit dem eigentUchen Brasilienstrom, wie auch seine Fortsetzung nach Osten und Ostnordosten hin bis über den Meridian von Green wich hinaus unmittelbar an den Isothermen abzulesen. Man könnte nun daneben doch noch die Ansicht vertreten, daß der Brasilienstrom sich auf der Höhe der Laplatamündung spalte, so daß ein schmaler Ast auf die Küstenbank übertrete und dort südwärts fort- schreite; derselbe könnte dann durch das sehr viel kältere Wasser eines, von Süden entgegenkommenden Stroms vom Hauptkörper des Brasihen- Der Falklandstrom. 607 Stroms abgetrennt erscheinen. Aber es läßt sich nachweisen, daß erstens das Wasser über der Küstenbank nach Norden strömt, ebenso wie dasjenige des von den Falklandinseln heraufkommenden kalten Falklandstroms, und zweitens, daß auch die Temperaturen über der Küstenbank an der Oberfläche wie in der Tiefe nicht solche sind, wie sie einer Abzweigung des BrasiUenstroms zukommen müßten. Zunächst ergab eine Zusammenstellung sämtlicher Strombeobachtungen, welche in 65 Schiffstagebüchern von besonders guter Qualität für die Strecke zwischen 38 ° und 55 " S. B. für insgesamt 458 Beobachtungstage auf und an der Küstenbank enthalten waren, daß davon 321 Tage Stromversetzungen mit nördlicher Komponente nach einer Richtung zwischen ONO und WNW zeigten, d. i. also 70 Prozent aller Beobachtungen. In einzelnen Fällen, besonders in dem eigentlichen Falklandstrom des tiefen Wassers, ergaben sich Strom- versetzungen von auffallender Größe nach Nord und Nordost; so fand Kapitän Haltermann auf 19tägiger Fahrt zwischen 34.4 " S. B. und der Lemaire- straße an 7 Tagen mehr als 16 Seemeilen; Kapitän Knudsen in 10 Tagen südlich 42.1" S. B. 6mal über 20 Seemeilen; Kapitän Joneleith südlich 38" S. B. während 11 Tagen 6mal über 18, einmal 33 Seemeilen in 24 Stunden. Sobald die Grenze des warmen Wassers auf südwestlichem Kurse überschritten wird, pflegen sich statt der vorhergehenden südlichen Versetzungen solche nach Norden einzustellen. Als W i 1 k e s ^) mit seinem Geschwader im Januar 1839 nach Südwesten segelte, fanden alle Schiffe zu gleicher Zeit den Temperaturabfall von 19.4" auf 13.9" und die Veränderung des Stroms nach Norden. Von der Küstenbank selbst melden die Berichte der Kommandanten deutscher Kriegschiffe nahezu übereinstimmend seit der Fahrt der „Gazelle" unter Kapitän z. S. v. Schleinitz nördlichen Strom , der nach den Be- obachtungen von Kapitän z. S. Hollmann näher unter Land schwächer ge- funden wurde als weiter in See, was auch aus den Journalen der Seewarte sich ergibt. Endlich läßt sich aus den zahlreichen, schon von Heinrich Berg- haus gesammelten, älteren Strombeobachtungen die gleiche Richtung als vorherrschend entnehmen, indem von 62 westlich von einer Verbindungs- linie zwischen den Lobos (Laplatamündung) und der Nordspitze von West- falliland eingetragenen Versetzungen 32 in eine Richtung zwischen WNW und ONO fallen. Vgl. die Darstellung des Atlantischen Ozeans im Physikahschen Handatlas und die sehr seltene Karte, betitelt : Sailing Directory f or the south- western part of the Atlantic Occan, constructed by Henry Berghaus, Potsdam, July 15, 1841. Hier findet sich auch entlang der Bahn unseres Falklandstroms die Bemerkung: in this track the Drift Current runs for the most part of the year northerly from Cape Hörn. Die Temperatmen über der patagonischen Küstenbank sind schon von Kapitän z. S. H o 1 1 m a n n durchweg wärmer nahe am Land als weiter in See gefunden worden; die Isotherrakarten bestätigen das durchaus und zeigen außerdem, daß dieses Küstenwasser in allen Monaten, namentlich im Süd- wint-er, erhebhch (3" bis 4") kälter ist aJ . der Brasilienstrom unter gleicher Breite. Die Erwärmung ist in der Tat lediglich der überaus starken Sonnen- strahlung in diesem heiteren, trockenen Klima ^) zuzuschreiben und außerdem ^anz oberflächlich, wie schon v. Schleinitz im Februar 1876 durch die m nachstehender Tabelle enthaltenen Messungen feststellte: ») U. S. Exploring Expedition I, p. 93. 107 u. 111. *) Vgl. Met. ZeitBchr. 1891, S. 384 üi>er Chubut; South American Pilot I,. 1874, p. 301. 608 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. Nr. S. B. W.L. Temperatur Oberfl. Boden Grund mit Bemerkungen 1 2 3 4 47» 2' 43» 66' 36» 48' 36» 0' 63» 30' 60» 62' 55» 36' 64» 26' 0 12.9 13.6 19.3 22.0 0 8.4 6.7 17.8 17.4 m 115 110 46 46 in 66 m Temp. = 8.8» „ 55 „ „ = 8,5» l Am Eingange / des Laplatatrichters. Die zweite Gruppe von Lotungen zeigt den durchaus warmen tropischen, die erste im Gegensatz dazu den am Grunde kalten von Süden, vom Kap Hörn herauf komimenden und nur ganz oberflächlich angewärmten Meeresstrom, und Freiherr v. Schleinitz hat die richtige Folgerung damals schon daraus fezogen^). Eine weitere Ursache, welche gerade das küstennahe Wasser des 'alklandstroms wärmer macht als das weiter in See nordwärts fließende, wird bei der Beschreibung des Kap-Horn- Stromes zu erwähnen sein. Endlich finden sieh in dem Auftreten von Treibkörpern in diesem Teile des Südatlantischen Ozeans die deutlichsten Beweise für die Stromrichtung des kalten Falklandstroms. Schon Duperrey'^) sprach im Jahre 1822 seine Verwunderung darüber aus, auf der Höhe der Laplatamündung große Massen von Seetang (namentlich Laminaria oder Macrocystis pyrifera, deutsch „Birnentang") nach NNO treibend zu finden, und von gleichen Bemerkungen sind die deutschen Schiffsjournale Voll: Tarigbündel sind nach denselben mehrfach nahe 35 » S. B. gefunden worden, während Macrocystis pyrifera von Ch. Darwin entlang der felsigen Küste Ostpatagoniens spärlich noch bis 43 » S. B., am häufigsten aber im Magellanischen Archipel und bei den Falkland- inseln wachsend beobachtet wurde. Nur durch einen Nordstrom können abgerissene Zweige dieser riesigen Alge in so niedrige Breiten gelangen. Von dem Falklandstrona in den Brasilienstrom hinübertreibend werden sie dann noch viel weiter östlich verfrachtet, ; wie das auf den Karten seit Hermann Berghaus auch richtig eingetragen zu werden pflegt. Charles Darwin berichtet auch, daß Kanus der Feuerländer und Baumstämme häufig auf den Falklandinseln antreiben. Ein zweites Indizium für den Nordstrom ergeben die nördlichsten Punkte, welche Eisberge in diesem Meeresteile erreicht haben. Die Karte (S. 606) zeigt die betreffenden Positionen mit beigeschriebenem Datum; es sind zu den mir im Jahre 1882 bekannten noch zahlreiche neue Berge hinzugekommen, die teils zwischen der Staateninsel und Falkland nach Nordwesten getrieben sind, wie am 18. April 1885'), oder schon vorher von September bis November 1859 so recht in der Tiefwasserbahn des Falklandstroms nach Nordwesten und Norden gingen, wie M a u r y *) berichtet, teils in besonderer Fülle im Anschluß an die große Eistrift um Kap Hörn von Anfang 1906 bis Mitte 1907 in den . Falklandstrom nordwärts vordrangen. Im Juni 1906 begannen sie zahlreich am Kap Hörn die dortige Segelschiffahrt zu behindern, im September lagen sie östlich von den Falklandinseln, wo am zweiten ein Segelschiff durch Zu- 1) Ann. d. Hydr. 1876, S. 367. *) Voyage autour du Monde de la Fr^g. „La Coquille", Hydrographie p. 91. ») Ann. d. Hydr; 1886, S. 416. Für das folgende vgl. 1889, S. 127, 359; 1890, 419, S. 465; 1904, S. 221; 1907, S. 5, 231; 1909, S. 34, 206 und die ü. S. Hydrogr. Bull, von 1906/7. *) Phys. Geogr. o£ the Sea (12. ed. 1876), p. 271, Anm. Die vier bekannt ge- wordenen Meldepunkte dieses Eisberges konnten aus Raummangel nicht sämtlich in Fig. 171 aufgenommen werden. Der Falklandstrom. 609 sammenstoß mit einem Eisberge stark beschädigt nach Port Stanley einlief, im Oktober hatten sie den 50° S. erreicht, im November und Dezember ver- breiteten sie sich mit dem Falklandstrom nordwärts, und zwar nun in ganzen Scharen bis 38 V«» S. B. (in 57" W. L.), wo vom Dampfer „Catania" vier solche Berge zugleich gesichtet wurden. Noch nördlicher aber ist aus einer neueren Trift am 8. Februar 1908 ein Eisstück vorgedrungen, das dem Kapitän Mahn, VoUschifi „Seerose", in 34 »IT' S. B., 49 »21' W. L., also in der Breite von Montevideo begegnete. Es ist ganz unmöglich, daß ein Eisberg anders als durch eine "Wasserbewegung nach Art des Falklandstroms in solches Meeresgebiet gelangt. Wir sehen also eine kalte Meeresströmung, vom Kap-Horn- Strom südlicn der Falklandinseln ausgehend, nach Norden sich bewegen und sowohl den breiten Raum über der Küstenbank, wie einen schmaleren Streifen östlich derselben beherrschen. Entlang der ganzen Küste von Uruguay imd Süd- brasilien bis nach Rio Janeiro und Kap Frio hin trägt sie ihre niedrigen Tem- peraturen. Daß diese Abkühlung eine tiefgehende ist, ergeben die Lotungen der Gazelleexpedition für das Meeresgebiet über der Bank. Aber auch außer- halb der Bank haben wir eine Tiefseelotung der Challengerexpedition (Nr. 318), die unzweifelhaft zeigt, daß hier der Falklandstrom mit seinen niedrigen Temperaturen durch die ganze Wassersäule herrscht, also etwa keine ober- flächliche, vom Südwestwind gelegentlich erregte Triftströmung ist: einer solchen Auffassung stellen sich auch schon die Eisberge, die im Bereiche des Falklandstroms angetroffen wurden, entgegen. Zwei Lotungen der Challenger- expedition, von denen die eine (318) im Falklandstrom, die zweite im Bra- süienstrom (Nr. 319) stattfand, ergeben folgendes Temperaturbild: Nr. S.B. W.L. Ober- fläche 100 La 60 ge d( Isotl 40 jr SU ierm( 30 bman i von 2.50 inen 2» 10 Bo( Temp. len- Tiefe 0 m m m m m m m 0 m 318 420 32' 56» 29' 14.2 60 116 141 165 183 274 3650 0.9 3730 319 410 51' 540 48' 15.3 1 69 260 412 1000 lÖOO 2960 3880 0.4 1 4435 Angesichts dieser außerordentlichen Temperaturverkürzung innerhalb der ersten Station kommt man zu der Überzeugung, daß hierbei eine Auftrieb- erscheinung im Spiele sein muß. In der Tat treiben die hier vorherrschenden WestAvinde den Brasilienstrom vom Land und von der Küstenbank hinweg, so daß zur Kompensation der Falklandstrom noch nicht ausreicht, sondern auch die Gewässer der Tiefenschichten aufgesogen werden. Die Erscheinung steht also in voller Analogie zu dem kalten Strom von der Neufundlandbank nach dem Kap Hatteras hin. Der Gegensatz der so nahe benachbarten Strömungen äußert sich auch hier in einer Reihe von Erscheinungen, die den homologen Strömungen der nördlichen Hemisphäre zukommen. Ähnlich dem Labradorstrom und japanischen Oyaschio hat der Falklandstrom dunkelgrünes („flaschen-", „ostseegrünes") Wasser, während der warme BrasiHenstrom stärker gesalzenes, tiefblaues Tropenwasscr führt. Das grüne kalte Wasser ist hier wie sonst ausgezeichnet durch besonderen Fischreichtum, was dann wieder zur Folge hat, daß sich Seevögel (wie Kap* tauben, Albatrosse, Pinguine) in großen Scharen, ebenso auch die Robbenarten (Seelöwen etc.) dieser Meere hier einstellen. Ganz wie im Bereiche der Neufund- landbänke lagern sich dichte Nebel, oft in Sprühregen übergehend bei östlich^ Krttminel, Ozeanographie. II. 39 510 Diß Strömungen des Atlantischen Ozeans. und nördlichen Winden, die vom warmen Brasilienstrom herüberwehen, über das kalte Wasser, sogar bis zu den Falklandinseln hin^). Und nicht minder ist das Gebiet des Brasilienstroms südlich 35 " S. B, eine Brutstätte stürmischer Winde, ein stormbreeder wie das Gebiet seines nordhemisphärischen Vetters, des Floridastroms. Ähnlich diesem entfaltet auch der Brasilienstrom eine umschriebene Region maximaler Durchwärmung der Tiefen an der Stelle, wo er seine Umbiegung nach Osten in den Verbindungsstrom einleitet (bei ^OO m, vgl. Bd. I, S. 424 f.-). 2. Der südatlantische Vefbindungsstrom ist sowohl die Fortsetzung des östlich umgebogenen Brasilienstroms, wie des aus dem Südpazifischen Ozean nordöstlich eingedrungenen Kap-Horn- Stroms. So hat ihn schon Rennell im Texte seiner Stromuntersuchungen auf- gefaßt und zugleich in dem weiteren Sinne einen „Verbindungsstrom" genannt, als er eine gleichgerichtete Wasserbewegung in den höheren südlichen Breiten des Indischen und Pazifischen Ozeans verknüpft und so einen Stromring schafft, der im gleichen Sinne wie die Erde rotierend, nur schneller als diese, von Westen nach Osten alles Wasser stetig in Zirkulation erhält. Wir werden beim Indischen Ozean auf diesen Strom- ring zurückkommen. Die mittlere jährliche Luftdruckverteilung ergiljt über dem ganzen Südatlantischen Ozean südlich von 35° S. B. fast genau übereinstimmend einen Gradienten nach Süden; also für 40° B. einen Wind, der das Wasser nach S 70» 0 oder nach OSO, für 55» B. nach S 74« 0 oder OzS triften läßt. Wir würden also danach „reine Triften" nach ONO zu erwarten haben, wie denn auch übereinstimmend sowohl die Stromversetzungen als die Triften der Eisberge eine Richtung nach Nordost bis Ostnordost ergeben. Durch diese auf der hohen See das Wasser allgemein vom süd- amerikanischen Festland abdrängende östliche Trift wird zur Kompen- sation im Rücken die Brasilienströmung aus der Tropenzone bis über 40° S. B. hinaus nach Süden gezogen, wie der Falklandstrom von der Drakestraße aus nach Norden: diese beiden Strömungen werden dann durch die Erdrotation voneinander gedrängt. Die Stärke des Verbindungsstroms schwankt beträchtlich, wie ja auch die Richtung der Winde zwar nicht ganz so variabel wie über dem analogen nordatlantischen Gebiet, aber doch immerhin nicht so konstant wie im Passat sich verhält. Nach den englischen Stromkarten sind Ver- setzungen zwischen 6 und 33 Seemeilen im Etmal beobachtet. Die Challenger-Expedition fand in 36° bis 37° S. B. von 20° W. L. über Tristan da Cunha bis zum Kapland östlich segelnd an 13 Beobachtungs- tagen die (mechanisch gemittelte) Stromrichtung zu N 27° 0, die Stärke im (arithmetischen) Mittel zu 15.8 Seemeilen in 24 Stunden: hier also eine nordnordöstlich gerichtete Zufuhr zur nördlich gerichteten Benguela- strömung. Nach der Art seiner Zusammensetzung aus tropischem und polarem, zum Teil antarktischem Wasser sind auch die Temperaturen des Ver- bindungsstroms in seinen nördlichen Teilen höher als in den südlicheren. Da, wo er zwischen Tristan da Curiha und dem Kapland mit einem starken ^) James Clark R o s s, Voyage of Discovery in the Antarctic Regions, Bd. II, p. 237, beschreibt einen solchen Nordostwind vom 6. April 1842 sehr anschaulich. Der Verbindungsstrom. Der Benguelastrom. 611 Bruchteil seiner Masse sich nach Norden wendet, ist derselbe Gegensatz, wenn auch abgeschwächt, noch immer erkennbar, wie er nordöstlich von den Falklandinseln besteht. Die nach Australien oder nach den Reis- häfen Hinterindiens bestimmten Segler^ die auf der Ausreise mit Kurs nach OSO das barometrische Maximum des Südatlantischen Ozeans im Süden umschiffen, gelangen meist nach Überschreitung des Meridians von Greenwich ziemlich rasch in 3° bis 4^ kälteres Wasser, bis sie dann, mehr östlich abhaltend, von etwa 10° 0. L. an in den Bereich der warmen Fluten des Agulhasstromes geraten, worüber später Ausführlicheres zu geben ist. Das kalte Wasser führt zum Benguelastrom weiter. 3. Wie ein südatlantisches Ebenbild der Kanarienströmung nimmt sich auf den Karten der südafrikanisch e oder Benguela- strom aus. Wie schon eben bemerkt, zweigt sich vom südatlantischen Verbindungsstrom ein Hauptarm nach links ab und strebt an der süd- afrikanischen Küste entläng nach Norden in den Rücken der Südost- passattrift. Von den Breiten der Tafelbai an nordwärts bis über die Kongomündung hinaus ist dieser kalte Strom mit einer Kraft von meist mehr als 12, aber selten mehr als 30 Seemeilen täglich nach Norden gehend erkennbar. Nahe unter Land ist der Strom fast stets sehr viel schwächer und unregelmäßig, was offenbar mit den gleich zu erwähnenden Auftrieb- erscheinungen zusammenhängt. Doch ist er an der Kongomündung stark genug, das rotbraune Wasser dieses wasserreichsten afrikanischen Flusses samt den von ihm losgerissenen schwimmenden Mangroveinseln und Baumstämmen nordwestwärts weit in den Ozean hinauszuführen, wo sie gelegentlich bis beinahe in die Nähe von St. Thome vertreiben ^). Im System de. südatlantischen Strömungen erfüllt er, gleich dem analogen Kanarienstrom, die Funktion, hauptsächlich der großen Äquatorial- strömung Ersatz für das westwärts entführte Wasser zu bringen. Die ständigen, wenn auch schwachen Südwinde tragen natürlich ebenfalls bei, ihn zu verstärken, wobei sie in höheren Breiten je weiter vom Lande desto weniger aus Süd und mehr aus Ost, in niederen Breiten dagegen wie unter Iiand mehr aus West als aus Süd wehen. Unter dem Wendekreis des Steinbocks in 10° 0. L. zeigt der Gradient des Luftdrucks genau nach Nordost, die Luftströmung geht nach NzW, der reine Trift- strom würde also 4 Strich weiter nach links, also nach NWzW von der Küste, ab führen. Unter gleicher Länge auf der Höhe der Kongomündung aber zeigt der Gradient nach N 18» 0, der Luftstrom von S 38° W würde eine Trift nach NzW erfordern. Das links (westlich) von dieser Stelle sehr starke Kompensationsbedürfnis zieht aber den Strom noch weiter nach Westen. Die Folge davon ist eine kräftig entfaltete Auftriebbewegung mit sehr kaltem Wasser entlang der ganzen südafrikanischen Küste bis über die Kongomündung hinaus. Überall ist dabei die Wasserwärme im Innern der Biichten und Baien merklich niedriger als in kurzem Ab- stände davon seewärts. Vor der Einfahrt in die Bucht von Landanc (5° 14' S. B.) maß Dr. v. Dan ekel man im April 1882 eine Ober- flächentemperatur von 29,6 ° ; als 40 Minuten später das Dampfboot in 1) Vg;l. Bd. I, S. 363 und Ann. d. Hydr. 1874, S. 299; 1878, S. 468 und viele neuere Berichte der an der westafrikanischen Küste kreuzenden deutschen Kriegs- fahrzeuge. 512 3Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. dem Hafen Anker warf, war die Meereswärme auf 26.2° gefallen. Selbst in der Bai Von Jumba {3^ 20' S. B.) fand noch eine ähnliche Erniedrigung der Wassertemperatur statt, indem das Thermometer im Innern derselben 26.6°, außerhalb derselben aber 28.2° zeigte^). Auf der Höhe von Kap Catherine (2 ° S. B.) war die Erscheinung aber nicht mehr zu bemerken. Weiter südlich ist sie altbekannt und neuerdings von den Häfen in Deutsch- Südwestafrika vielfach beschrieben. So fand E. Pechuel-Lösche^) in der Tafelbai am 14. August 1884 die Meereswärme nicht unter 13,5°, dagegen am 22. August in der Walfischbai 12.4° bis 11.9°. Auf der Rück- reise im November desselben Jahres von dort fand er, mit Westkurs aus- segelnd, die Meereswärme von 12° bis 13° an der Oberfläche gleichmäßig seewärts zunehmend, auf rund 150 km um 1 °, so daß in 1000 km Abstand vom Lande 20° gemessen wurden. Vom fernsten erreichten Punkte (29° S. B., 3° 0. L.) in südöstUcher Richtung auf Kapstadt zu segelnd sah er die Temperaturen zunächst zwischen 18° und 21° schwanken und erst hart am Gestade in der Tafelbai fielen sie plötzlich bis 13.8° und 12.7°. Auch hier ist das aufsteigende Wasser dunkelgrün und erzeugt Nebel, die schon manchen empfindHchen Schiffbruch verschuldet haben. Nach G. S c h o 1 1 ^) ist die südhchste Lage des Auftriebgebiets zu allen Jahreszeiten beim Kap der Guten Hoffnung und wird die periodische Verschiebung anders als im nordafrikanischen Kaltwassersaum: im No- vember liegt die äquatoriale Grenze am südlichsten beim Wendekreis, im August bei etwa 9° oder 10° S. B., ist also hier im Südwinter, wo der Südostpassat am stärksten weht, in größter Länge an der Küste entwickelt. Der Temperaturunterschied gegen die Hochsee ist sehr gering im No- " vember mit 1 °, steigt im Mai auf 6 ° und liegt im Februar wie im August bei 4°. So entsteht auch im Südatlantischen Ozean ein Stromring, dessen Gewässer sich im Sinne gegen den Zeiger einer Uhr drehen. Im Innern dieses Gebiets, zwischen 20° und 35° S. B., liegt wiederum ein Raum mit schwachen Winden und Strömungen, sowie hohem Luftdruck, gleich dem analogen Gebiet der Sargassosee. Daß sich indes im Innern dieses südatlantischen Ringes Treibprodukte in ähnlicher Weise ansammelten, ist nicht bekaimt, erscheint auch darum nicht wohl möglich, weil kein Teil des eigentlichen Stromstrichs eine Inselwelt zu durchströmen hat, wie die westindische dem nordatlantischen Stromkreis sich einlagert. Die mit Fucoideen umwachsenen Felsgestade der Falklandinseln und der Tristan da Cunha- Gruppe liegen schon zu sehr im Bereich der eigentlich immer in höheren Breiten ostwärts fortgötragenen, kaum in den Strom- kreis der niederen Breiten eintretenden Wasserversöhiebungen. Wie dennoch aus dem südatlantischen Strömungszirkel Wasserteilchen und mit diesem Flankton in die Nordhemisphäre hinüber gelangen, können, scheint eine sehr merkwürdige Flaschenpost anzudeuten. Die Bark „Mar6chal de Turenne" setzte am 23. September 1898 unweit vom Kap Hörn (in 56.0° S., 67.3» W.) eine Flasphe aus, die am 5. März 1900 an der Goldküste (5.3» N., ^) Verh. Ges. f. Erdk. zu Berlin ;886, S. 417. 2) Ausland 1886, S. 8öl. •) Valdiviawerk S. 124. Tiefen- und Unterströme. 613 3.5 *• W.) aufgefunden wurde. Sind diese Daten richtig, so muß die Flasche in 528 Tagen den langen Weg durch den südatlantischen Verbindungsstrom, Benguela-, Südäquatorial- und Guineastrom durchmessen haben, d. i. eine Strecke von mindestens 7000 Seemeilen; da hieraus eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 13 Seemeilen im Tage folgt, was selbst auf kurzen Strecken der Äquatorialströme nicht allzu häufig vorkommt, empfindet man das Be- dürfnis, die Ausgangszeit verifiziert zu haben ^). d) Bemerkungen über Tiefen- und TJnterströme im Atlantischen Ozean. Die bisherigen Ausführungen bezogen sich fast ausschließlich auf die Bewegungen der Oberflächenschichten, indem die in der seemännischen Praxis fühlbaren und ja vorzugsweise auch aus dieser gewonnenen Be- obachtungen zugrunde gelegt wurden. Was die direkten Strommessungen betrifft., so ist der Stand unserer Kenntnisse der die tieferen Schichten beherrschenden Strombewegungen zurzeit noch bedauernswert rück- ständig; wir haben genügend auf die technischen Schwierigkeiten hin- gewiesen, die das verschuldet haben und die auf absehbare Zeit schwerlich eine erhebliche Besserung erwarten lassen. Ein wenig günstiger steht es um eine theoretische Beurteilung der Notwendigkeit gewisser strom- artiger Wasserversetzungen in den mittleren und unteren Schichten; doch stellt sich auch hier die nicht genug zu beklagende Unzuyerlässigkeit der älteren Bestimmungen des Salzgehalts dieser Tiefenschichten hinderlich in den Weg (Bd. I, S. 335). Wir sind also genötigt, uns für den allgemeinen Überblick im wesentlichen an die Verteilung der Temperaturen zu halten; daß sie allein aber, wenigstens für die Bewegungen der Bodenschichten, keine hinreichende Erklärung bringen können, ist bereits im allgemeinen Teil (oben S. 480) deutlich genug hervorgetreten. Soweit unsere Kenntnis der Salzgehalte ein Urteil zuläßt, kann die oft behauptete Bodenströmung aus dem Südatlantischen in den Nordatlantischen Ozean hinein nicht existieren; vielmehr müßte sie umgekehrt nach Süden hin erfolgen. Was wir aus den Temperaturen im allgemeinen von den Bewegungs- tendenzen der Schichten oberhalb des Niveaus von 2500 m er- schließen können, ist aus dem großen Längsschnitt, den G. Schott veröffentlicht hat 2) und wir hier in einer Verkleinerung wiedergeben (Fig. 173), ersichtlich. Wird danach ein dynamischer Schnitt konstruiert, so erhält man für die daran zu knüpfende quahtative Untersuchung keine weitere Förderung, da die Isosteren genau nach dem Typus der Isothermen angeordnet sind, auf denen sie hier ausschließlich (mit Ausnahme der Oberflächenwerte, beruhen ^). Vermutlich würden die Isosteren aber auch bei genauerer Kenntnis des Salzgehalts ein nur wenig davon abweichendes Bild gewähren. Betrachten wir die Schichten zwischen 1500 und 2500 m, so ist hier ^) H. C. R u 8 8 e 11 in Journal and Proceed. R. See. of New South Wales 1900, Bd. 35; Current Paper Nr. 5. *) Valdiviawerk, Atlas Taf. XXVIII. Man vgl. dazu im Planetwerk Bd. III Taf. 19, 20 und 21. ') Pettersson hat in Svenska Hydrografisk Biologiska Kommissionens Skrifter 11, Taf. XIII einen solchen Schnitt veröffentlicht. 614 Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. eine Einströmung kühlen Wassers von 3 " und weni- ger aus den höheren Süd- breiten zum Äquator hin, ja bis etwa 20° N. B. er- kennbar , während zu- gleich von Norden her sol- ches, wenn auch mit etwas höherer Temperatur, von 55° bis 25» N. B. nach Süden in Bewegung zu sein scheint; wir werden die von Schottland über die Färöer nach Island und Grönland reichende Bodenschwelle mit ihren Satteltiefen von 500 bis 550 m noch als diejenige Stelle kennen lernen, wo arktisches und atlanti- sches Wasser sich mischen und dieTemperaturen von 3» bis 4° herstellen, die der Schnitt bei 55»N. B, zeigt (vgl. S. 597). Die Isothermen von 50, 10», 15» und 20» zei- gen, in ihrem Total verlauf betrachtet , übereinstim- mend eine Abwärtswöl- bung zwischen 25» und 35 » Nord- und Südbreite, während sie dazwischen in der Äquatorialregion sich ganz nahe an die Oberfläche hinauf ziehen. Es ist unvermeidlich, hier vertikale Bewegungskom- ponenten anzunehmen, und zwar gehen solche in der ersten Region nach unten, in der äquatorialen nach oben; ohne die ste- tige Wirksamkeit solcher Komponenten wäre die ganze Anordnung instabil und nach kurzer Zeit aus- geglichen und verschwun- den. Da die zugrunde Tiefen- und Unterströrae. 615 liegenden Beobachtungen sich aber durch mehrere Jahrzehnte und die verschiedensten Jahreszeiten erstrecken und stets miteinander im Ein- klang bleiben, müssen wir annehmen, daß ein stationärer Zustand vorliegt. Die Gebiete mit einer nach oben konkaven Gestalt der Isotherm- flächen sind die zentralen Regionen der großen Stromkreise, in welche zwischen 25 " und 35 " N. B. durch die Erdrotation Wasser (samt treibenden Tangen, wo solche zur Verfügung stehen) hineingedrängt und angehäuft wird. Dadurch muß ein Überdruck und in der Tiefe ein antizyklonales Abströmen der Schichten zwischen 500 und 1500 m Platz greifen. Ziehen wir die Konsequenzen hieraus, so wird nach der Theorie (S. 542) der Tiefenstrom sich beispielsweise unter dem Nordäquatorialstrom nach Westen, unter der Westwindtrift am Nordrande der Sargassosee nach einer östlichen Richtung bewegen, d. h. ein Abbild des Oberflächenstroms darstellen. Ähnlich wird es auf der Südhemisphäre um die dortige zentrale Region (um 30° S. B. herum) eine ähnhche Zirkulation geben, wie an der Oberfläche. Die vertikal absteigende Bewegung wird also im wesent- lichen von den Oberflächenströmen her eingeleitet und unterhalten. Daß die atmosphärischen Verhältnisse eine starke Verdunstung im Zirkulations- zentrum oder in dessen Nähe begünstigen, wird sich durch Absinken der dadurch schwerer gewordenen Oberflächenteilchen in die Tiefe daneben noch geltend machen; der Machtbereich dieser Konstituente scheint aber nicht über ein paar hundert Meter direkt oder indirekt nachweisbar (s. Bd. I, S. 394), erfaßt also nur die obersten Schichten, gerade so wie das Auf triebphänomen an den Westküsten Afrikas öder vor dem Pata- gonia- und Neu-Englandschelf. In der äquatorialen Zone dagegen haben wir eine senkrecht nach oben wirksame Komponente, die hier die größten vertikalen Temperatur- gradienten im Bereiche des ganzen Temperaturprofils ins Leben ruft und schon immer als ein deutlich redender Zeuge für eine große Vertikal- zirkulation im Sinne der älteren Theoretiker hingestellt worden ist. Ein Teil dieser vertikalen Komponente beruht gewiß hierauf; daneben muß aber noch verstärkend die bei einer früheren Gelegenheit (oben S. 188 und Bd. I, S. 409) erwähnte Druckentlastung einwirken, die durch die stark fließenden Äquatorialströme im Vergleich zu ihrer langsamer be- wegten Umgebung hier geschaffen wird und die Gewässer nach oben drängt. Die Drucke sind umgekehrt proportional dem Quadrat der Geschwindigkeit v. Die Formel läßt erkennen, daß, wenn der Druck ^ bei v — 0, also ruhigem Wasser gleich der Einheit und im übrigen k als völlig konstant gesetzt wird, p bei einer Geschwindigkeit von v = 0.5 m auf 78 Prozent, bei v = 1 m auf 37 Prozent und v = 1.5 auf 11 Prozent dieser Einheit abnimmt: liegen also ruhende und stark horizoiital bewegte Schichten nebeneinander, wie z. B. am Äquator und in 20° N. und S. B., so wird sich in den tieferen Schichten ein Überdruck in der Richtung von 20° B. auf den Äquator hin geltend machen, wodurch die äquatorialen Schichten in die Höhe gedrängt, also relativ kühl erscheinen werden. Ist die Stromverstärkung an der Oberfläche rein örtlich, so wird sich ein Kaltwasserfleck einstellen. Daß ßjg Die Strömungen des Atlantischen Ozeans. der Guineastrom, der gerade in dieser Zone des aufquellenden Wassers liegt, eine so außerordentlich rasche Abnahme seiner Temperaturen nach der Tiefe hin aufweist (s. Bd. I, S. 426 f.), wird hiernach leicht zu ver- stehen sein; er empfängt eben auch in der Tiefe von den beiden Haupt- strömen zu seiner Seite kein anderes, als schon abgekühltes Wasser. Um nun auch die Wirkungen der SalzgehaltdifEerenzen einzuführen, greifen wir auf das charakteristische Profil für das Brasihanische Becken (Bd. I, S. 341, Fig. 45) zurück, worin das Minimum des Salzgehalts in dar Schicht von 800 m auffällig genug hervortritt: hier verbindet sich mit einer Temperatur von 4.9° ein Salzgehalt von 34.36 Promille, und nahezu im gleichen Niveau zeigt auch die Temperaturkurve einen aus- geprägten "Wendepunkt. Wir haben schon mehrfach betont, daß hier eine Zufuhr leichteren, aus den hohen Südbreiten stammenden Wassers anzunehmen ist, wie denn ähnliches Wasser von gleichem Salzgehalt und gleicher absoluter Dichte {SU — 1,0272) aus etwa 50» S. B. von der Oberfläche her bekannt ist (vgl. Bd. I, S. 437, Fig. 63). Diese relativ salzarme Öchicht gehört also schon zum allgemeinen Tiefenstrom aus den hoheii Südbreiten zur Tropenzone hin und bildet dessen Grenzlager gegen die Stauwasserregion mit ihrer antizyklonalen Bewegungstendenz. Es ist kaum zu bezweifeln, daß dieses Grenzlager in diese über ihm sich vollziehende Zirkulation mit hineingezogen werden wird, und zwar werden sich die Bewegungen dieser kalten Tiefonschicht, die ihrem eigenen nach Norden gerichteten Gradienten folgen will, mit den von oben her ein- dringenden antizyklonalen Impulsen entsprechend vereinigen. Im all- gemeinen drängen nun die letzteren nach Osten, die ersteren nach Westen. Es ist daher schwer zu sfegen, wie in dem Grenzlager selbst die resultierenden Bewegungen verlaufen; vielleicht, daß eine genauere Erörterung der von den deutschen Expeditionen auf dem „Gauß" und „Planet" beigebrachten Daten das aufzuklären ermöglicht. Die Unterschicht selbst muß am südamerikanischen Festland entlang nach Norden gehen; im Falkland- strom wird also vermuthch die ganze Wassersäule von der Oberfläche bis zum Boden hin dieser Bewegung am Kande der Küstenbank entlang folgen (vgl. S. 609}, und hier einen richtigen Tiefenstrom im Ekmanschen Sinne (oben S. 528) bilden. Daß die Regelung der Bodentemperaturen durch das tiefe Argentinische Becken hindurch ebenfalls nach Norden hinauf erfolgt, ist uns bekannt (Bd. I, S. 432). Für die analoge nordatlantische Zirkulation der mittleren Schichten, die sich hier in einem fast 1000 m tiefer gelegenen Stockwerk abspielt, wird wesentHch die Zufuhr stark salzigen Wassers aus dem Mittelöieer herüber in Betracht kommen. Die maßgebende Bewegungsrichtung wird Her entlang der portugiesischen Küste nach Norden gehen, wo wir sie in den relativ hohen Temperaturen und Salzgehalten der Biskayabai (Bd. I, S. 340), ja darüber hinaus in den Irischen Strom hinein reichend nachweisen können. Nach den Beobachtungen des deutschen Vermessungs- schiffe „Planet" und des dänischen Forschungsdampfers „Thor" ist daran kein Zweifel. Von Süden nach Norden ergeben sich die in der beistehenden Tabelle enthaltenen Temperaturen und Salzgehalte i) ; die letzteren sind ~ 1) Nach Wi Brenüecke, Forschungsreise S.M.S. „Planet", Bd. III, S. ßl und J. N. Nielsen, Meddelelser usw. Nr. 9, S. 3 bis ö. Tiefen- und Unterströme. 617 Stat. Planet 2 Planet 1 Thor 69 Thor 65 Thor 59 Thor 125 Thor 65* Dat. 28. 1. 06 26. 1. 06 21. 6. 05 15. 6. 06 10. 6. 05 31. 8. 05 11. 7. 04 N.B. 41» 19' 46« 52' 470 47< 51« 00' 56« 56' 57« 46' 61» 43' W.L. 11» 31' 70 4/ 8» 00-- 11« 43' 9« 22' 9« 55' 17" 8' Tiefe m <» Prom. <» Prom. <« Prom. <« Prom. <« Prom. er bei rund 500 m. Die enge Verbindung bei Messina hat nur eine örtliche Be- deutung (vgl. oben S. 368). Die hohe Lage der Zugangstiefen macht sich dann weiterhin in der Anordnung des Salzgehalts wie der Temperaturen erkennbar, deren Feinheiten erst durch die modernen so sehr verschärften Methoden durch die dänischen Expeditionen aufgedeckt werden konnten. Zunächst ist verständlich, daß sich die homotherme Schicht im Orientali- schen Becken mit 13.5 '^ bis 13.9°, dagegen im Balearenbecken mit 12.7°, im Tyrrhenischen mit 12.9° entwickelt. Aber die senkrechte Anordnung der Temperaturen ist keineswegs so, daß sie bis zu dieser homothermen Schicht gleichmäßig abnimmt (s. die Tabelle S. 624), sondern die Tem- peraturkurve zeigt meist ein kleines sekundäres Minimum (in Station 46 bei 200 m, in Station 30 bei 125 m, in Station 11 bei 150 m) und sodann ein Maximum (der Reihe nach in 300, 500, 200 m, soweit die Beobachtungen i) A. a. 0. *) Über die Arbeiten der „Pola" vgl. Bd. I, S. 354 und 459, die des „Thor" in La Geographie, Paris 1910, p. 99 und Geografisk Tidskrift, Kopenhagen 1910, Bd. 20, p. 243 f. Herr Dr. Schmidt hat mir außerdem in freundlicher Weise noch hand- schriftliches Material aus dem von J. N. Nielsen und J. P. Jacobsen bearbei- teten ozeanographischen Bericht zur Verfügung gesteUt und auch mündlich über die zweite im Sommer 1910 ausgeführte Fahrt wichtige Mitteilungen gemacht. 624 Die Strömungen der atlantischen Nebenmeere. Station 46 Station 30 Station 11 Tiefe 37» IC >' N., 6" 0' O. 41 » 15' N., 11« 55' 0. 36ö57'N.,18»16'0. in Südliches TjTrhen. Becken ! Ionisches Meer Meter Balearenbecken /» Prom. 0(0 «0 Prom. Ofi <" Prom. Oto 0 14.20 36.92 27.65 13.60 37.99 28.60 16.60 38.06 27.98 10 .29 .89 .60 .68 .99 .58 .62 .04 .96 25 .30 .89 .60 .69 .95 •55 .62 .03 •95 ÖO .40 .98 .64 .71 .95 •55 .62 .03 .95 76 .35 37.18 .81 .72 38.17 •7« .62 .04 .96 85 — — — — — 15.82 .10 28.19 100 14.24 37.27 27.90 13.62 38.26 28.81 .42 .17 •33 125 .24 13.60 .35 .88 160 .03 . .81 28.37 .81 .42 •89 14.45 38.53 28.83 175 13.35 38.06 .71 — — — — — 200 13.15 .15 .82 13.82 38.49 28.95 14.66 38.71 28.92 260 .22 .37 •97 — — — — — 300 13.56 .46 •97 13.87 38.57 28.98 14.30 38.80 29.07 400 .43 ,46 29.00 — — — .17 .78 .09 450 .27 38.48 •03 — . — — — — 600 .08 .39 .02 13.90 38.66 29.05 13.94 38.71 29.08 600 12.92 .37 •03 .84 38.68 \o8 .84 .69 10 700 .93 .37 •03 .71 .66 .09 . — — — 800 .93 .37 •03 .49 .55 .06 — 38.69 — 1000 .94 .33 .01 .40 .51 •05 — .69 — 1250 .93 .35 .02 .31 .49 .06 13.84 .69 29.10 1500 12.96 38.33 29.00 .23 .49 .07 .86 38.66 .06 1800 — — — 13.20 38.40 29.00 — — — einen Einblick gestatten). Ebenso bemerken wir im Salzgehalt ein se- kundäres Maximum, in der Tabelle bei 450, 600, 300 m, wie man sieht an der oberen Grenze der homopyknen Grundschicht mit Ot = 29.03 bis 29.07. Der Salzgehalt nimmt dabei von Westen nach Osten zu (38.48, 38.68, 38.80): hier haben wir also die nach Westen, gegen den Ozean hin gerichtete Unterströmung mit ihren hohen Salzgehalten, die einst weit im Ostteil des OrientaHschen Beckens an der Oberfläche entstanden sind. Wenn der Salzgehalt nach dem Boden zu wieder abnimmt, so ist daraus zu schließen, daß di^^se Schichten im betrefienden Becken selbst eine tiefere Wintertemperatur empfangen haben, also irgendwo mit der Atmosphäre in Berührung gewesen sind. Diese Schlußfolgerung wird in schlagender Weise unterstützt durch den von der dänischen Expedition festgestellten Sauerstoffgehalt, der in diesen untersten Schichten relativ größer ist als in den intermediären Schichten des höheren Salzgehalts: so ist beispielsweise in Station 46 bei 600 m nur 4.17 cc, in 1900 m aber 4.55 cc, d. h. im ersten Falle 72, im zweiten 78 Prozent des zur Sättigung erforderlichen Quantums SauerstofE vorhanden. Je länger das Wasser dieser Schicht unterwegs ist und nachdem es die Straße von Gibraltar erreicht und passiert hat, sinkt die Sättigung nogh weiter bis 65 Prozent (Defizit = 2.2 cc) in der Gegend nördUch von Kap Spartel. Nunmehr schiebt diese Schicht sich unter das atlantische Wasser hinunter, bis sie Die Strömungen des Mittelländischen Meeres. 625 in diesem ein Niveau erreicht hat, wo die Dichtigkeiten (S^l = 1.028) ihrer eigenen gleich sind, das Mittelmeerwasser also im atlantischen schwebt und nun ein Ausgleich der Salzgehalte durch Diffusion und Mischung eingeleitet wird^). Aus den vorliegenden Messungen ist zu entnehmen, daß dieser Prozeß sich im Ozean zwischen 950 und 1200 m abspielt (vgl. auch oben S. 617). Daß die Grenzschicht zwischen dem atlantischen Oberstrom und dem ausfließenden Mittelmeerwasser in der von Gezeiten- strömen bewegten Straße eine periodisch verschiedene Tiefenlage zeigen muß, ist bereits im allgemeinen Teil dargestellt (oben S. 508 und auch S. 367). Wegen dieser zeitweiligen Unterbrechung wird der Unterstrom gelegentlich sehr stark werden, und es ist darum nicht verwunderHch, wenn neuere Expeditionen von 1 bis 2 Knoten auch für den Tiefenstrom sprechen. Nach den Knudsenschen Relationen (S. 510) ergibt sich hier u = i . s/z ; nimmt man s = 36, z = 38 Promille, so fördert der Unter- strom also ^7 19 vom Salzgehalt des Oberstroms, woraus wiederum folgt, daß bei dem kleineren Durchflußprofil des Unterstroms dieser sehr leicht die Geschwindigkeit des Oberstroms erreichen oder übertreffen kann. Nach Theobald Fischer 2) soll vom gesamten Verdunstungsverlust des Mittelmeerbeckens der Oberstrom der Gibraltarstraße 58 Prozent decken, während auf den Regenfall 25, das Flußwasser 10, und auf die Zufuhr aus dem Schwarzen Meer 7 Prozent fielen. Fischer wollte die Verdunstung (reichlich hoch) auf 3 m im Jahr bemessen, das wäre für das eigentliche Mittelmeer ohne das Schwarze Meer, also für eine Fläche von 2 510 000 qkm ein Volum von 7530 cbkm. Nach Fischers Annahme soll ferner die Niederschlagshöhe 75 cm betragen, was ebenfalls zu hoch gegriffen ist, da die freie Meeresoberfläche schwerlich mehr als 50 cm empfangen dürfte. Für das Flußwasser ist ebenfalls nur eine Schätzung möglich; wenn aber nach den Angaben von R. F r i t z s c h e ^) der Nil rund 100 cbkm, der Po 50.8, die Rhone 39.2 cbkm jährlich liefert, wird man in erster Annäherung den Landwasserzufluß auf rund 300 cbkm ansetzen können: das wären aber nur 4 (nicht 10 Prozent) des von Fischer angesetzten Verdunstungsvolums. Der Zustrom aus dem Schwarzen Meer ist nach den später zii erwähnenden Messungen von Makaroff 152 cbkm im Jahr, also gar nur 2 Prozent, statt 7 Prozent bei Fischer. Leider sind wir nicht imstande, das Volum des Oberstroms der Gibraltarstraße genauer an- zugeben, da ausreichende Messungen dieses in kurzen Intervallen so schwanken- den Phänomens nicht vorliegen und Schätzungen hier eine besonders mißliche Sache, sind. Geben wir unter allem Vorbehalt der einströmenden Schicht eine Mächtigkeit von 50 m und eine Breite von 10 000 m (die Küstenzonen haben wesentlich nur Gezeitenstrom) und setzen wir die Durchschnittsgeschwindig- keit auf 0.3 m p. S., so erhalten wir ein sekundüches Volum von 167 000 cbm und im Jahr 5250 cbkm, was vom angegebenen Verdunstungsverlust 70 Prozent ausmacht, während 58 Prozent nach Theobald Fischer zu erwarten waren. Wahrscheinlich ist an der engsten Stelle die Dicke der einströmenden Schicht nicht einmal 50, sondern nur 30 m (so liegt die Isohaline von 37 Promille nach ^) Eine einfache graphische Darstellung von H. N. Dickson nach dem Ma- terial des Dr. Wolfenden zeigt dies besonders schön am Verlauf der Isohalmu von 36 Promille zwischen der Straße von Gibraltar und den Azoren (Scientific and Biolog. Researches p. 161). Sehr sorgfältig sind diese Veii\dltnisse auf der Früh- jahrsfahrt 1910 des „Michael Sars" unter Sir John Murray und Dr. Joh, Hjort unter- sucht worden. 2) Pet. Mitt. 1885, S. 415. 3) Niederschlag, Abfluß und Verdunstung, Halle 1906, S. 52. KrUmmel, Ozeanographie. II. 40 626 I^iö Strömungen der atlantischen Nebenmeere. Johan Schmidt ; unsere Darstellung oben S. 508 bezieht sich nicht auf die engste Stelle, sondern auf die äußere Schwelle), wodurch dann das einfließende Volum auf 3150 cbkm im Jahr hinunterginge. Solche quantitativen Betrach- tungen erscheinen aber zur Zeit überhaupt etwas verfrüht. Die Strömungen des Adriatischen Meeres sind vorzugsweise durch die sorgfältigen Beobachtungen von Julius Wolf und Joseph L u k s c h ^) in ihrem allgemeinen Verlauf klargestellt worden. Daß es sich im wesentlichen um einen Umlauf entgegen dem Uhrzeiger handelt, hatten die älteren Segelanleitungen, wie auch schon Smyth, richtig hervor- gehoben 2). Aus der eigenartigen Verteilung des Salzgehalts (Bd. I, S. 355) Ueßen sich noch einige besondere Züge im Strombild entnehmen. Schon bei den Ionischen Inseln ist ein Strom nach Norden vorherrschend; es scheint aber auf der Höhe von Korfu ein Zweig zum Kap Leuca hinüber- zuschwenken, während der Hauptzug beim Kap Glossa vorüber nordwärts in die Adria eintritt. An der ganzen albanisch-dalmatinischen Küste entlang ist die Tendenz des Wassers nach Nordwesten gerichtet, bei der istrischen Halbinsel biegt aber die Hauptmasse, im Golf von Triest der Rest nach Westen um und zieht entlang der Ostküste Italiens nach Süd- osten, wo sich in der Straße von Otranto dieser von Norden gekommene Strom mit dem von Korfu und Fano herüber geschwenkten vereinigt. Auch in der Adria selbst sind Verbindungen von der dalmatinischen nach der italienischen Seite hinüber durch mehr oder weniger deutlich nach links abkurvendes Wasser erkennbar; besonders häufig scheint das von Meleda über Pelagosa zum Mte. Gargano hinüber der Fall; ein Bild, wie wir das in ähnlich gestalteten Meeresgolfen der Nordhemisphäre noch vielfach wiederholt antreffen werden. Neben den zyklonalen Windrichtungen, die von der nordadriatischen, so ständig auf den Wetterkarten wieder- kehrenden Luftdruckdepression unterhalten werden, ist auch eine ge- wichtige andere Stromkonstituente in dem geringen Salzgehalt des Nord- teils anzuerkennen; das von den wasserreichen venezianischen Alpen- flüssen und dann besonders von Etsch und Po zugeführte Süßwasser drängt seewärts hinaus, wird aber durch die Erdrotation an der italienischen Seite festgehalten. Die keilförmige Anordnung der Isohalinen ist dann besonders im Nordteil der Adria ausgeprägt und bringt die- submarine Zufuhr salzreichen Mittelmeerwassers ins Innere des Golfes zum Ausdruck. Einige verwandte Züge bieten sich im Strombilde des Ägäischen Meeres dar 3), das wir allerdings erst durch die Sommerfahrt der „Pola" 1893 genauer zu beurteilen in die Lage gekommen sind. Entsprechend den vorherrschenden, im Sommer besonders starken Winden aus nörd- Ichen Richtungen, den Etesien der Alten, MeUemia der heutigen Griechen, wird an der Westseite des Meeres der Strom stark und stetig nach Süden bewegt. Schon dieser Umstand muß eine Tendenz in entgegengesetzter, also Nordrichtung, an der kleinasiatischen Seite hervorrufen. Dazu kommt ^) Mitt. a. d. Geb. des Seewesens 1881, Heft 9 (§ 53 und taf. 6). 2) Am ehesten wohl Isaao Vossius, De motu marium, Hagae 1663, p. 28. ») G. S c h o 1 1 im Globus 1895, Bd. 67, Nr. 20, wesentlich nach J. L u k s c h, Denkschr. K&v^. Akad. Wien 1894, Bd. 61, Nr. XII, aber auch i;ip,ch anderen, see- männischen Autoritäten. Neue Angaben sind von Dr. Johan Schmidt zu erwarten. Die Strömungen der Adria und des Ägäischen Meeres. 627 der Ausfluß schwachsalzigen Wassers aus den Dardanellen, des dort mit großer Kraft nach Südwesten hinaustritt. Auch hierdurch, muß an der kleinasiatischen Seite bei Chios und Mytilini ein Nordstrom hinaufgezogen werden. Während das salzarme Wasser durch die Erdrotation nach rechts (oder Norden) abgedrängt werden sollte, wird es durch die Trift der Nordwinde nach Südwesten getragen, so daß es die Inseln Imbros und Lemnos umspült und weiter nach Südwesten auf die Küste von Euböa hin gedrängt wird. In der thrakischen Bucht bei Thasos and nördlich von Imbros kommt es zu einem Neerstrom nach Osten. Besonders stark wird der Südweststrom in den Engen zu beiden Seiten von Andros und Tinos, wo er auf 1.5 bis 2 Seemeilen stündlich ansteigt. Nächstdem wird die Stromrichtung auf Kap Malia und Kythira hin mehr südlich und biegt durch den beide trennenden Cervikanal mit 2 Seemeilen stündlicher Ge- schwindigkeit nach Westen um. Durch die Kykladen hin sind südliche Strombewegungen bekannt, die nach der klein asiatischen Seite hin ost- wärts abzukurven scheinen. Kreta hat an beidön Küsten, jedenfalls an der nördlichen vorherrschend Strom nach Westen. Vom Golf von Saloniki heißt es, daß während und nach der Schneeschmelze in den makedonischen Gebirgen starker Südstrom auftritt, der wesentHch auf der Westseite der Bucht das leichte Wasser davonführen muß. Die Strömung in den Dardanellen, im Marmormeer und im Bosporus ist an der Oberfläche ins Ägäische Meer hinaus gerichtet. Nur bei starker Winden aus Südwesten kommt auch eine umgekehrte Strömung nach Nord- osten zustande, die jedoch schwach bleibt. Nach den Segelhandbüchern kommen in den Dardanellen mitten im Fahrwasser Stromstärken bis zu 3, ja vereinzelt 5 Seemeilen in der Stunde vor, gegen die Ufer hin wird der Strom schwächer, und in den Buchten bilden sich Neerströme, die einst in den Zeiten der Segelschiffahrt aufs sorgsamste ausgenutzt wurden von allen Fahrzeugen, die ins Marmormeer hinein fuhren; selbst die Lage der alten türkischen Strandbefestigungen steht in gewissem Zusammenhang mit diesen Gegenströmen in nächster Landnähe. Die Strömung beruht hauptsächlich auf dem bekannten Gegensatz in der Dichtigkeit der Gewässer zwischen dem Ägäischen und Marmormeer. Nach den Untersuchungen von J. S p i n d 1 e r ^) ordnet sich das Strom- system deutlich in eine obere nach Südwesten und eine untere nach Nord- osten gehende Bewegung, deren Abgrenzung zwischen 10 und 30 m Tiefe schwankend zu sein scheint und in der Tat nach Lage, Richtung und Stärke wegen interner Wellen veränderlich erwartet werden muß. Da^s kommt auch in den älteren Messungen von Magnaghi (1884) und W h a r t o n 2) zum Vorschein, während aus denen Spindlers hervorgeht daß an der ägäischen Mündung die Grenze höher (14 bis 22 m), an der Marmormeerseite tiefer (15 bis 19 m) zu liegen pflegt. S p i n d 1 e r maß die Geschwindigkeit des Unterstroms zu 0.1, Wharton bis zu 0.8 Knoten. An der europäischen Seite wird das leichtere Wasser in größeren Tiefen ^) Materialy po Hydrografii Mramomaja Morja. St. Petersburg 1894, p. 45 f. Schon Graf M a r s i g l i erkannte den Gegenstrom der Tiefe i681. 2) Proc. R. Geogr. Soc. 1873, Bd. 18, p. 336 und Report on the Currents of the Dardanelles and Bosporus, London 1886. Vgl De Gueydon, Revue Mar. et Col. 1886, Bd. 91, p. 338. 628 Die Strömungen der atlantischen Nebenmeere. gefunden als an der aslatisclien. Ich gebe ' nach einer graphischen Interpolation die örtliche Dichtigkeit des Wassers für zwei Paare von Stationen, die sich im Nordosten (38, 58) und im Süden (39, 59) von Gallipoli befanden, wobei die zuerst in der Reihe stehenden an der euro- päischen Seite der Straße gelegen waren. Man sieht sofort, wie beide Dichtigkeiten o, in den Dardanellen. Tiefen (m) 0 1 15 20 25 30 ,. /Station 38 (Station 39 • • \ „ 59 1 17.0 17.2 16.8 17.4 17.0 17.7 17.1 17.4 17.1 19.0 18.0 22.0 21.7 23.8 25.0 25.5 26.6 26.9 27.3 Nordöstlich von Gallipoli Südlich von Gallipoli Ströme durch die Erdrotation rechts gegen das Land gedrängt werden und die Flächen gleicher Dichtigkeit schräg nach Nordwesten einfallen. Auch im ganzen Marmormeer ist die Oberfläche entschieden, wenn auch schwach, in Bewegung auf die Dardanellen zu, wobei ebenfalls an der europäischen Seite die Stromstärke relativ am größten gefunden Wird. Die Grenze zwischen den oberen auslaufenden Schichten gegen die unteren aus dem Mittelmeer kommenden findet Spindler im Mittel aus 46 ver- schiedenen Stationen zu 13.5 m, doch sind auch hier sehr erhebliche Ab- weichungen vorhanden, wegen der notwendig auftretenden internen Wellen. Die Strömungen im Bosporus sind ein klassisches Thema der Meeresforschung. Schon den Alten war die starke aus dem Schwarzen Meer kommende Strömung aufgefallen, aber Prokop von Cäsarea^) im 6. Jahrhundert kennt schon auf Grund der Erfahrung der Fischer mit ihren Angelleinen die dem Oberstrom entgegengerichtete Unterströmung, und Graf Marsigli^) hat nicht nur durch Beobachtung schon den gegen-, laufenden Tiefenstrom als vorhanden, sondern auch durch das Experiment als notwendig erwiesen. In der neueren Zeit sind Messungen von Wharton, Magnaghi, De Gueydon, J. Spindler, namentlich aber von S. Makaroff^) ausgefiihrt worden, der nicht nur die Ströme selbst, sondern auch die Tem- peratur und das spezifische Gewicht der verschiedenen Wasserschichten heranzog. Leider hat er sich dabei eines ungenauen Aräometers bedient, so daß die Salzgehalte bei ihm in den höheren Stufen viel zu hoch aus- faEen. Im übrigen sind seine Untersuchungsreihen lang und erstrecken sich oft kontinuierhch auf mehrere Tage nacheinander zwischen No- vem])er 1881 und August 1882. In dem flußartig gewundenen Bette drängt sich das an der Oberfläche zum Marmo meer strömende Wasser an den vorspringenden Ecken mit solcher Gewalt, daß dort Ruderboote M Nach E. W i s o t z k i im Ausland 1892, Nr. 29. ') Observazioni intomo al Bosforo Tracio overo Ganale di Constantinopoli. Roma 1681. ^) Ob obmienie wod Tschomago i Ssrednöshemnago morjei. Sapiski der K. Akad. St. Petersburg 1885, Bd. 51, Beilage Nr. 6. Makarof f hatte sich als Kommandant des vor Konstantinopel liegenden Stationskreuzers die Frage vor- gelegt, ob es möglich sei, den Bosporus durch Minen zu sperren. Dabei kam er auf daa Studium der Strömungen und wurde zum Ozeanographen. Die Strömungen in Dardanellen und Bosporus. 629 nur an Tauen stromauf gezogen werden ; in den tieferen Buchten entwickeln sich unter Land Neerströme; so an der europäischen Seite bei Defderdar Burun und Arnautkiöj, im Stenia-Ldman und in der Bucht von Büjükdere, an der asiatischen im Beikos-, Madjar- und Ketschili-Liman; die Grenzen dieser Neerströme gegen den Hauptstrom sind sehr schwankend und vom Winde abhängig. Der Oberflächenstrom ist in den engeren Stellen leicht an 2 m p. S. und erreicht im Durchschnitt 1,23 m. Makaroff fand eine tägliche Periode mit dem Minimum in der Nacht und dem Maximum in den ersten Nachmittagsstunden, also in gleichem Sinne mit der bekannten täglichen Periode der Windstärke, die an den vorherrschenden Nordost- winden gut ausgeprägt ist. Auch eine jährliche Periode wird erkennbar, indem die bekannte Niveauschwankung des Schwarzen Meers ^) mit dem Hochstand im FrühUng auch den Oberstrom verstärkte, so daß er im Juni sein größtes Volum erreichte. Während der Oberstrom leichtes Wasser von etwa 20 Promille Salz führt, enthält der gegenlaufende Unterstrom salzreiches Wasser von 36 bis 38 Promille aus dem Ägäischen Meer. Auch der Unterstrom schmiegt sich den Windungen des Bettes an, wird an den vorspringenden Ecken zurückgeworfen und hat seinen Stromstrich bald am linken, bald am rechten Ufer, aber keineswegs fallen die Prallstellen der beiden Ströme an dieselben Uferteile, so daß die vertikale Anordnung der Stromgeschwindigkeit ein sehr unregelmäßiges Bild geben muß. Die Grenzfläche zwischen beiden Strömen ist ebenfalls sehr wechselnd, zeigt aber doch einen deutlichen Abfall nach Norden zum Schwarzen Meer hin, also die bekannte Keilform. MakaroS gibt folgende Übersicht ■ Orte Anadoli Fener Abstand (km) . . Tiefe der Strom - grenze (m) . . 50 Büjükdere j j"/^^^^' ; Arnautkiöj Stambul Hissar 9 43 20 36 23 26 29 20 Der Oberstrom hat seine größte Geschwindigkeit stets an der Oberfläche, der Unterstrom etwa 5 m unter der Grenzfläche. Eine längere Messungs- reihe vor Konstantinopel ergibt folgende Verteilung. Oberstrom: cmp. S. Unterstrom: 0 m: 123 in 20 m: 0 5 m: 94 „ 25 m: 73 10 m: 70 nach Süden „ 30 m: 64 nach Norden 15 m: 51 „ 35 m: 54 20 m: 0 „ 40 m: 43 Man beachte die große Geschwindigkeit am Boden selbst, die eine gewisse Erosionsleistung erzielen muß. Aus dem Querprofil der Straße und den Quer- schnitten der beiden Ströme berechnet MakarofE als sekundliches Volum des Oberstroms 10 530 cbm, des Unterstroms 5700 cbm. In einem Jahr führt also der Bosporus 152 cbkm pontisches Wasser nach Süden hinweg, was von den Flüssen und Regenfällen im Einzugsgebiet des Schwarzen Meeres ersetzt werden muß. Sollte der Überdruck der leichten Wassersäule des Pontus ») Vgl. Bd. I, S. 68. 630 Die Strömungen der atlantischen Nebenmeere. durch Steigerung der Niederschläge und Abnahme der Verdunstung nur um 29 cm über das jetzige Niveau anwachsen, so würde das genügen, den ■veil des pontischen Wassers bis auf den Boden der Meeresstraße hinab- zudrücken, d. h. es würde kein Mittelmeerwasser Zutritt nach Norden erlangen und das Schwarze Meer allmählich zu einem Süßwassersee um- gebildet werden. Als Ursache der beiden Strömungssysteme will Makaroff ausschließlich die Verschiedenheit in der Dichte der pontischen und ägäischen Gewässer, Wharton aber die Nordwinde anerkennen. Die letz- teren sind sicherlich nicht ohne Bedeutung, wie schon aus der täglichen Periode hervorgeht, aber an völlig windstillen Tagen müßte dann der Strom zum Stillstand kommen, was keineswegs der Fall ist. Anderseits ist es schon vorgekommen, daß starke Südweststürme den Oberstrom nicht nur aufgehalten, sondern zur Umkehr gezwungen haben. Der Einfluß der wechselnden Barometerstände, der bedeutend sein wird, ist für die Wasserbewegungen im Bosporus noch nicht untersucht. Andeutungen für das Auftreten interner Wellen finden sich bei MakarofE. Eine Beobachtungsreihe, die sich durch volle 24 Stunden am 19. und 20. Juh (a. St.) 1882 erstreckte, wobei die Tiefe der Stromgrenze für jede zweite Stunde mit dem Strommesser bestimmt wurde, ergab folgende zusammengehörige Werte (die Tiefen in Faden): 19. Juli 20. Juli 6p 11.4 8p 11.0 10 p 10.7 12a 10.5 2a 10.9 4a 11.0 6a 11.4 8a 10.8 10 a 10.2 12 m 11.2 2p 11.2 4p 11.5 6p 10.7 Die graphische Darstellung ergibt zwei Hochstände, um 11.3 h. p. und 9.6 h. a., also eine Periode von 10.3 Stunden. Nach der Helmholtzschen Formel (XXXI, S. 62) würde sich für () = 1.013, a = 1.027, w = 1.2 die Wellen- länge A = 33.1 m berechnen, woraus man zusammen mit der eben genannten Periode eine Geschwindigkeit der internen Wogen = 3.2 m in der Stunde oder 0.9 mm p. S, erhielte, also ein außerordentlich langsames Fortrücken dieser Schwellung nach dem Marmormeer hin, wie wir die internen Wellen ja auch sonst als langsame Bewegungserscheinungen im Meere kennen (s. oben S. 189). Ist diese Rechnung zutreffend, so müßte sich bei zwei unweit voneinander aber gleichzeitig arbeitenden Fahrzeugen eine sehr verschiedene Tiefe der Grenzfläche ergeben, ja sie müßte, an einem größeren Schiffe entlang gemessen, vorausgesetzt, daß dieses vom und hinten fest verankert liegt, durch Schöpf- Eroben abnivelliert werden können. Es wäre wohl des Versuches wert, diesen •ingen nachzugehen. Die Oberflächenströmungen des Schwarzen Meers sind den Praktikern dahin bekannt, daß sie zwar sehr wenig beständig sind und mit den Winden wechseln, aber doch die Gewässer die Tendenz haben, an der Westseite des Beckens nach Süden zu setzen und dort dem Bosporus zuzustreben, wobei jedoch nur ein Teil in die Straße selbst eintritt, während die Hauptmasse den Weg nach Osten nimmt und das ganze Becken in einer Richtung entgegen dem Uhrzeiger umkreist ^). Durch ein systemati- ^) Nach dem „Russischen Lotsen für das Schwarze Meer", Ausgabe 1876, von S. M a k a r o f f , a. a. O. S. 7, zitiert. Die Strömungen im Schwarzen Meer. 631 sches Experiment mit Flaschenposten im Jahre 1898 ist dies bestätigt worden : von 72 in allen Teilen des Beckens ausgesetzten Flaschen sind 15 wieder ab- geliefert und von Kapitän zur See A. N. Skalowskij auf ihre Triftwege untersucht worden ^). Zwei Flaschen sind von der Höhe der See zwischen Sulina und Varna aus westlich vom Bosporuseingang gelandet; eine vor diesem selbst in See ausgesetzt, gelangte nach Samsun, eine zweite nach Poti, eine dritte nach Noworossyisk ; von der Südwestspitze der Ejcym führt eine Trift zum Kap Tendra (vor der Bucht von Odessa). Es ergaben sich dabei Geschwindigkeiten von 0.4 bis 5.0 Seemeilen am Tage, und zwar hatten 7 von den 15 Triften eine solche von 4 bis 5 Seemeilen, und die Trift - Zeiten erstreckten sich über die verschiedensten Monate. Für diese, auch sonst in der Nordhemisphäre so verbreitete, zyklonale Anordnung der Ströme im Schwarzen Meer wird man sowohl die litorale Salzarmut, also die Dichtigkeitsfläche, wie die zyklonale Anordnung der Winde als gleich- sinnig wirkende Ursachen vermuten. Daß dieses in der Tat begründet ist. zeigt die Berechnung der Dichtigkeits- und der Windfläche für dieses intrakontinentalste Stück des Mittelmeers durch Dr. W. Wissemann ^), und die Synthese der aus beiden abgeleiteten Oberflächenströme. Wird gemäß den neueren Arbeiten an den Windtriften jetzt eine Korrektur durch Drehung um 45" nach rechts angebracht, so deckt sich das Strom- bild völlig mit dem aus den Flaschenposten und den Erfahrungen der Schiffsführer gewonnenen. Über Tiefenströme im Schwarzen Meer haben Baron F. v. W r a n g e 1 1 und J. B. S p i n d 1 e r in ihrem Bericht ^) über ihre Erforschungen in den Jahren 1890 und 1891 zuerst ein Urteil zu gewinnen versucht, irdem sie nach der schon oben (S. 484) dargelegten Methode die Verteilung des hydrostatischen Druckes im Niveau von 100 Faden (183 m) unter der Ober- fläche aus den beobachteten Dichtigkeiten ableiteten. Auch in dieser Tiefe ist danach (im Sommer) ein Überdruck entlang den Küsten vor- handen, obschon die äquivalenten Wassersäulen nur Gefällhöhen von höchstens 0.11 Faden (20 cm) aufweisen; die zyklonale Drehung der Ge- wässer würde demgemäß auch die Grenzfläche der stärker salzhaltigen Tiefenschichten (s. Bd. I, S. 356) noch mit erfassen. Da aber die gleich- zeitig vorhandenen vertikalen Komponenten der Bewegung wegen der zu geringen Dichtigkeit der oberen Schichten keinen Austausch, besonders auch keinen seitlichen, in Gang bringen können, bleiben diese Tiefen- schichten unter 180 m ohne Ventilation und sind daher mit Schwefel- wasserstoff verseucht (Bd. I, S. 300). Nach den für den Bosporus (S. 629) dargelegten Vorgängen ist die Zuführung salzigen Mittelmeerwassers durch den Unterstrom sehr be- schränkt; nur bei Südweststürmen wird der Oberstrom ins Schwarze Meer ^.urückgedrängt und kann ein größeres Quantum salzigeren Wassers über die seichte Randschwelle nach Norden hinübertreten, denn die Satteltiefe beträgt nur 42 bis 48 m. Wir haben also auch für das Schwarze Meer die- ») Sapiski po Hidrografii 1899, Bd. 20, S. 233 mit Karte. ») Ann. d. Hydr. 1906, S. 162. •) Materialy po Hidrografii Tschornago i Asowskago Morej 1890—1891, St. Pe- tersburg 1899 (Beilage zu den Sapiaki po Hydrogr. Bd. 20). Karte 2ö. 632 I*i6 Strömungen der atlantischen Nebenmeere. ' 1 selbe schubweise erfolgende Zufuhr salzigen Wassers, wie sie für die Ost- see charakteristisch und dort so viel genauer untersucht ist. Die Straße von Kertsch wiederholt das Bild der Dardanellen und des Bosporus in einem Miniaturmaßstabe, wie aus früheren Bemerkungen (Bd. I, S. 356) hervorgeht. 2. Wenden wir uns nun den nordeuropäischen Nebenmeeren zu, so ist zunächst das Britische Bandmeer ein unselbständiger Anhang des benachbarten Irischen Stroms. Wie die Segelhandbücher und die Flaschenposten ergeben, ist im Irischen Kanal die vorherrschende Richtung des Stroms nach Norden, wenn auch durch entgegengesetzte Winde, zeit- weilig gestört. Die Flaschenposten des Fürsten von Monaco lassen einen Zusammenhang der die Südküste Irlands und die Westküste von Wales bespülenden Gewässer mit denen der Golfstromtrift östlich von der Neu- fundlandbank erkennen. Ein allerdings nur kleines Triftexperiment, auf welches sich W. A. H e r d m a n ^) bezieht, macht durch einzelne Treibbahnen einen Zusammenhang zwischen Anglesey und der Liverpoolbai einerseits und der Ostküste des Clydebusens anderseits wahrscheinlich, wobei sich die Triftgeschwindigkeit durch den Nordkanal hin auf etwa 5 bis 6 Seemeilen tägfich berechnet ; aber auch hier greifen die Winde durch anders geleitete Triften ein, indem beispielsweise die meisten damals von Herdman an der Lancashireküste ausgesetzten Flaschenposten ihren Weg nach der gegenüberliegenden irischen Küste nahmen, da gerade an- dauernde Ostwinde die hier in Betracht kommende kleine Wasserfläche beherrschten. Aber auch die Dichtigkeitsfläche, die entlang den Küsten überall wegen des abfließenden Landwassers einen Gradienten seewärts entwickelt, muß die Strömung an der englischen Seite nach Norden, an der irischen allerdings wieder mehr nach Süden begünstigen, wie denn in der Tat H. N. Nielsen ein. antizyklonales Stromsystem um Irland herum annimmt. Im ganzen sind in diesem von oft starken Gezeiten- strömen beherrschten Meer die dauernd und unperiodisch erfolgenden Wasserschiebungen nur aus, langen und fein durchgeführten Beobachturigs- reihen zu erhalten, indem nach Eliminierung der Gezeitenströme jene als Reststrom zurücTibleiben. Dasselbe gilt vom Englischen Kanal. Wir wissen zwar aus älteren wie neueren Flaschenposten, daß die Gewässer im allgemeinen eine langsam fortschreitende Bewegung nach Osten haben; aber die im Anschluß an die internationale Erforschung der nordeuropäischen Meere auch im Englischen Kanal erfolgten Untersuchungen haben doch etwas verwickeitere Verhältnisse und große Unterschiede von einem Jahr zum anderen ergeben. Nach der tJbersicht, die Donald H. Matthews hiervon gegeben hat*), war einmal im Jahre 1905 auffallend salziges Wasser südlich von Irland erschienen, das sich im April in der Gegend westlich von den Azoren als umgrenzter Fleck von der südlicher gelegenen Hauptfläche von 37 Promille Salzgehalt abgelöst hatte, im August vor dem Kanal anlangte, wo es mit noch 36 Promille aus seiner Umgebung 1) Nature, London 1894, Bd. 61, p. 161. 2) Reports of the North Sea Fisheries Investigation Oommittee: insbesondere 1904/6, 1, London 1907, p. 286 (Official Cd. 3837); U, 1909, p. 288 (Cd. 4641). Die Strömungen im Britischen Randmeer und in der Nordsee. 633 hervortrat, im Herbst den ganzen Englischen Kanal mit auffallend stark salzigem Wasser erfüllte und eine Menge von Pteropoden mit sich führte, die als streng der Hochsee zuzurechnende Planktonforrnen im Kanal eine ungewöhnliche Erscheinung darstellen. Die Ostbewegung im Eng- lischen Kanal (d. h. der nach Abzug der Tidenströme übrig bleibende Reststrom) kann nur sehr langsam sein, da das Küstenplankton durchaus vorherrscht, also das von der Hochsee herbeigeführte ozeanische rasch überwuchert; Indes sind doch auch einzelne deutliche Fälle von fort- schreitender Plankton Wanderung bekannt ; so erwähnt Dr. L. H. G o u g h ^), daß die Diatomee Ceratiwn tripos im Mai 1903 nicht östlicher als in der Linie von Lyme Regis nach Guernsey vorhanden war, im August aber bis St. Catharine's, im November südlich von Dungeness sich vorgerückt erwies. Namentlich dürfte an der französischen Seite des Kanals die Trift nach Osten hin vorherrschen, das bezeugen nicht nur eine Reihe von Flaschenposten im Archiv der Seewarte, sondern auch die Beobachtungen der französischen Hafenbaumeister ^). Namentlich die von dem Kreide- gestade östlich von der Seinemündung ausgehenden Feuersteine werden ausnahmslos nach Nordosten, allmählich am Strande zerkleinert, über Dünkirchen hinaus vertrieben und werden als Wandersände {sables voya- geuses) den Hafenanlagen äußerst lästig, verbessern dafür aber den Bade- strand je weiter nach Osten desto mehr. Hier ist die Strandvertriftung durchaus in gleichem Sinne geordnet wie der vorherrschende Triftstrom im Wasser. Aber wenn man die Karten des Salzgehalts betrachtet^), so tritt auch hier mit voller Notwendigkeit eine Erhebung der Dichtigkeits- fläche an den Küsten hervor, was an der französischen Küste die West- windtrift verstärken, an der englischen aber sie schwächen oder umkehren muß. So kam Johan G e h r k e ^) zu der Überzeugung, daß um Lizard und Landsend herum stets etwas Kanalwasser nach Westen und Nord- westen herausfließen müsse, und D. M a 1 1 h e w s ist nicht abgeneigt, dem zuzustimmen. In der Tat ist eine Strömung an der Nordküste von Corn- wall und Devon nach Norden hinauf auch sonst bezeugt, wie denn Dr. G o u g h ^) die eigenartige (passive) Wanderung einer planktonischen Siphonophore Muggiaea atlantica von Landsend hinüber nach der Südost- ecke Irlands bei Smalls und von dort westwärts nach Fastnet und Valentia hat von April bis Dezember 1904 verfolgen können. — Einen weiteren Beweis für die allgemeine Tendenz der Gewässer des Englischen Kanals nach Osten hin werden wir sogleich in dem so häufig wahrnehmbaren Vordringen von stark salzigem Wasser in die südwestliche Nordsee hinein zu erwähnen haben. 3. Die Strömungen der Nordsee folgen ebenso wie die Gezeiten in dem südwestlichsten Teil etwas anderen Gesetzen als im Hauptgebiet nördlich von 53° N. B. ®). Im Bereiche der Hoofden macht sich eine Ein- 1) Reports usw. 1902/3 (Cd. 2670), London 1905, p. 327. ') InA. Burats Voyages sur les cotes de France, Paris 1880, und V o i s i n- Beys großem Werk über die Seehäfen sind viele Einzelheiten aufgeführt. ') Supplement zum Bulletin hydrographique 1908 von Martin K n u d s e n. *) Publication de Circonstance Nr. 40, Kopenhagen 1907. •) Publ. de Circonstance Nr. 29, Kopenhagen 1905. *) Knudsen in Publ. de Circonstance Nr. 39, Kopenhagen 1907. (534 Die Strömungen der atlantischen Nebenmeere. Strömung salzigeren Wassers aus dem Englischen Kanal her bemerkbar, so daß auf den Karten des Salzgehalts in der Nordsee, welche die Bulletins der internationalen Meeresforschung begleiten, die Isohaline von 35 Pro- mille als eine spitze Zunge aus der Straße von Dover her nach Nordosten bis 53* N. B. hinauf reicht, ja in einzelnen Fällen losgelöste Inseln von noch stärkerem Salzgehalt (35.25 Promille) langsam hinaufrücken, um sich dann freilich durch Mischung mit der schwächer konzentrierten Umgebung bald zu verwischen. Ein ähnliches Bild geben die Temperaturkarten ^) : im Sommer ist dieses Kanal wasser etwas kälter, in den übrigen Jahres- zeiten aber wärmer (im Februar um 4'') als das Küstenwasser; ja diese Zufuhr wärmeren und salzigeren Seewassers läßt sich in den Winter- monaten oft bis in die Kegion südlich von der Doggerbank und vor die deutsche Küste mit ihren letzten Ausläufern verfolgen. Da der südliche Teil der Nordsee aus den Rheinmündungen reichlich Süßwasser empfängt. und auch an der englischen Seite das Themsewasser sich bemerkbar macht, steht hier die Dichtigkeitsfläche überall am Lande hoch und wird deshalb die Strömung an der belgischen Küste nach Nordosten, an der englischen umgekehrt nach Sü'lwesten gehen müssen. Nach den Luftdruckkarten 2) für das Jahr ist in den Hoofden der Gradient nach NNW, der Luftstrom also nach N 49" 0 gerichtet, folglich der reine Triftstrom nach Osten. Daraus folgt, daß sich die leichten Küsten gewässer an der belgischen Seite dem Lande parallel nach Nordosten bewegen werden, während sich im Rücken der Trift ein Strom aus Norden von der Themsemündung her entwickeln muß: also ganz im Sinne der Druckgefälle aus den vorhan- denen Dichteunterschieden. In der eigentlichen Nordsee nördlich von 53° N. B., aber außerhalb des Skagerraks und der Norwegischen Rinne, haben wir im Grunde ge- nommen die gleichen Faktoren vor uns, nur daß an Stelle der Enge von Dover die breite Öffnung zum Ozean zwischen dem Norden Schottlands und den Shetlandinseln. tritt. Auch aus diesem breiten Tor tritt ozeanisches Wasser in die Mitte der nördlichen Nordsee hinein, wo es sich nicht nur durch seinen Salzgehalt von etwas über 35 Promille bemerkbar macht, sondern auch auf den Temperaturkarten im Sommer als kühl, im Winter als warm im Vergleich zu den landnäheren Randgewässern der schottischen, englischen, niederländischen, deutschen und jütischen Küste erweist. An diesen entlang ist eine Hebung der Dichtigkeitsfläche also unzweifelhaft vorhanden, was allein schon eine Zirkulation der Gewässer entgegen dem Uhrzeiger hervorrufen muß. Die Windverhältnisse sind so, daß wir auf dem ganzen Gebiete Winde aus Westen bis Südwesten, also Triftströme nach Ostsüdosten bis Osten zu erwarten haben, die entsprechend der ge- gebenen Konfiguration des Beckens den aus den Dichtegradienten allein entstandenen Strom entlang den Süd- und Ostküsten der Nordsee unmittel- bar verstärken und sodann an der Westseite einen Kompensationsstrom ^) Vgl. das Supplement zum Hydrogr. Bulletin der intern. Meeresf. 1908 xmd dieses Bulletin selbst in neueren Jahrgängen, wo die Oberflächentemperatuten für jede Dekade dargestellt sind. ') Ich benutze für dies wie für das folgende mehrfach den von der Deutschen See warte bearbeiteten ersten Teil des „Segelhandbuchs für die Nordsee" (1. Heft, 2. Aufl. 1903). Die Strömungen der Nordsee. 635 von Norden her an den schottischen und englischen Küsten entlang hervor- rufen müssen. Es wäre eine lohnende Aufgabe, auf Grund der neueren sehr reichlich vorhandenen Beobachtungen die Diohtigkeitsfläche der Nordsee genauer zu bestimmen; schon H. Mohn^) gab der nördlichen Fig. 176. Flaschenposten der schottischen Fischereibebörde in der Nordsee (nach T. W. Falton). Nordsee ein Gefälle von mehr als 50 cm in der Richtung auf die Shetland- inseln hin und seine auch die Triftwirkung einschließende Stromfläche steigerte dieses Gefälle auf mehr als 1 m. Die Richtigkeit dieses Strombilds in seinen Grundzügen ist durch Flaschen- triften in größerem Maßstabe festgestellt. Mit September 1894 beginnend bis *) Nordhavets Dybder, Temperatur og Strömninger, Kristiania 1887, Taf. 42 und 43. 636 ^iö Strömungen der atlantischen Nebenmeere. zum Frühjahr 1897 hin hat die schottische Fischereibehörde nicht weniger als 3553 Treibflaschen sowohl von Fischerbooten entlang den Küsten bis zu den Shetlandinseln hinauf, wie von Koutendampfer entlang den Linien von Leith aus nach Christiansand, Hamburg und Rotterdam ausgesetzt. Nach dem Bericht von Dr. T. Wemyß Fulton^) ist rund Ve der Flaschen (572) wieder eingeliefert; ihre Wege sind aus umstehender Karte Fig. 175 ersichtlich. Die an der englischen Seite der Nordsee eingelieferten Flaschen sind meist schon nördlich von Flamborough Head gefunden, sehr viele an der Westküste Jütlands, verhältnismäßig wenige an der niederländischen und deutschen Küste, viele auch in hoher See geborgen, einzelne sind nach Norwegen gelangt. Aus der Zeitfolge, in der sie aufgefunden wurden, läßt sich die Triftrichtung, wie sie damals in der Nordsee vorherrschte, mit genügender Deuthchkeit er- kennen: es ist die Zirkulation entgegen dem Uhrzeiger, wie sie vorher aus den maßgebenden Konstituenten abgeleitet worden ist. Charakteristisch ist dabei die Abschwenkung des Hauptstroms von der englischen Küste bei 54 ° N. B. nach Osten hin südlich von der Doggerbank auf Horns Riff zu. Einzelne Flaschen- posten haben damals, offenbar durch kräftige Windtrift unterstützt, bis zu 12 Seemeilen tägliche Durchschnittsfahrt gemacht, wenn auch die große Mehr- zahl es nur auf 2 bis 3 Seemeilen täglich brachte. Schon hieraus wird die starke Abhängigkeit von den wechselnden Winden erkennbar; wie weit diese unter Umständen gehen kaan, erwies der sonderbare Weg zahlreicher Flaschenposten im Dezember 1896 und Januar 1897, wo in der südhchen Nordsee starke östliche Winde andauerten und damit das ganze normale Stromsystem auf den Kopf stellten: damals sind auf der Leith-Hamburger Linie in der östlichen Nordsee ausgesetzte Flaschenposten teils an der englischen Küste von Norfolk, teils sogar an der von Northumberland angetrieben 2). Über ein ähnlich großes Triftexperiment von dem in den Hoofden ge- legenen Feuerschiff West-Hinder (20 Seemeilen WNW von Ostende) aus be- richtet Gustave G i 1 s o n ^). Vom Dezember 1899 ab wurden hier jeden ersten Tag im Monat je lOO Flaschen, je zur Hälfte bei Flut und bei Ebbe, ausgesetzt, und zwar über* 1 V2 Jahr hindurch. Die Flaschen sind fast aus- schließlich nach Nordost, zumeist nach den ostfriesischen und deutschen Küsten, aber auch nach Jütland und Südnorwegen getriebenj ganz vereinzelt auch welche nach Südwesten. Aus einer sorgfältigen Diskussion der gleich- zeitigen Windbeobachtungen auf West-Hinder und Helder schloß Gilson, daß die Flaschenwege nicht wesentlich vom Winde abhängig gewesen seien. Endlich ist noch auf ein älteres Experiment von den Feuerschilfen der deutschen Bucht aus hinzuweisen, wo täglich mehrere Monate hindurch Flaschenposten ausgesetzt wurden. Von 244 wiedergefundenen Flaschen sind 44 in nächster Nähe an der deutschen und niederländischen Küste an- getrieben, dagegen 188 nach NO, bis weit hinauf an der Westküste Nor- wegens gelangt. Lehrreich ist in dieser Hinsicht auch die rasche Ausbreitang einer im- portierten Diatomee, BiddtUphia sinensis, auf die C. H. Ostenfeld*) hin- gewiesen hat. Diese in den hinterindischen Küstengewässern heimische Form ist irgendwie (im Bodenbewuchs oder Ballastwasser eines Seeschiffs) im September 1903 in die Gegend der Elbemündung eingeschleppt worden und hat sich von hier aus mit dem herrschenden Strom an der Ostseite der 1) Fifteenth Annual Report of the Fishery Board, Edinburgh 1897, Bd. III, p. 334; Scott. Geogr. Mag. 1897, Bd. 13, p. 636. 2) Vgl. eine ähnliche Osttrift ein Jahr später Ann. d. Hydr. 1898, S. 1. ») M6m. Mus. R. d'hist. nat. de Belgique, Brüssel 1900 und 1901, mit vielen Triftkarten. *) Meddelelser fra Kommissionen etc. Plankton I, Nr. 6, Kopenhagen 1908. Die Strömungen der Nordsee. C37 Nordsee um Skagen ins Kattegat und in die Belts&e hinein bis November verbreitet, später auch durch die übrige Nordsee. Die vorliegenden Angaben reichen aber nicht aus, um darnach die Geschwindigkeit der für die Aus- breitung allein maßgebenden Strömung auszuwerten, wie Ostenfeld wollte. Eine genauere Bestimmung des sehr schwachen Nordoststroms entlang den niederländischen Küsten ergab sich aus der Diskussion der langjährigen Strommessungen von, den dort gelegenen Feuerschiffen aus; auf eine ältere Arbeit von J. M. P h a f f ^) ist eine neuere umfassende von J. P. van der S t o k ^) gefolgt. Namentlich der letztere hat gezeigt, wie mit den Hilfsmitteln der harmonischen Analyse die Gezeitenströme für jede Teiltide einzeln er- mittelt und dann die eigentliche Meeresströmung als „Reststrom" übrig be- halten wird. Die folgende Tabelle vereinigt die wesentlichen Ergebnisse nach den zweijährigen Messungen von 1898 und 1899. Feuerschiff N.B. O.L. Mittlere Stromrichtuhg Geschwindigkeit cm p. S. Noord-Hinder . . Schouyvenbank . . Maas . . . . . Haaks .... Terschellingerbank 51« 35' 51 » 47' 52» 1' 52» 58' 53» 27' 2« 37' 3» 27' 3« 54' 4» 18' 4» 52' N 21» 0 N 33» 0 N 11» 0 N 2« 0 N 54» 0 2.24 4.92 6.20 7.00 5.84 Bei den ersten beiden Schiffen ist die Stromrichtung durch die der benach- barten schmalen Bänke offenbar beeinflußt, bei den übrigen führt der Strom etwas von der Küste ab seewärts, worin vielleicht die Dichtigkeitsfläche mit ihrem Gefälle in diesem seichten Meer (vgl. Fig. 143, S. 506) zum Ausdruck gelangt. Bemerkenswert ist die Steigerung der Stromstärke vom Noord-Hinder bis zum Haaks: hier hegt offenbar die Wirkung des liandwassers vor, das sich in Lee von den Rheinmündungen anhäuft und das Gefälle verstärkt. Bei den drei nördlicheren Stationen Maas, Haaks und Terschellingerbank ist auch die Früh Jahrsschwelle des Rheinstroms erkennbar, da in den Monaten vom April bis Juli (beim Haaks von März bis September) die Stromstärke über dem Jahresmittel liegt; das Maximimi findet sich: Station Maas: „ Haaks: „ Terschellingerbank: April 8.57 cm p. S. nach N 21 » 0, Juli 8.84 „ „ „ „ N 5» W, April 10.93 „ „ „ „ N 52» 0. Dagegen zeigen die beiden südwestlicher gelegenen Stationen Noord- Hinder und Schouwenbank eine gelinde Steigerung der Stromstärke in der kalten Jahreszeit, wo die West- und Südwestwinde mit großer Kraft wehen und das Wasser aus dem Englischen Kanal herbeiführen, während ein Früh- jahrsminimum durch die häufigeren Ostwinde erklärlich wird. Nach mehr- jährigen Beobachtungen wird man diese Strömungen genauer zu beurteilen in der Lage sein. Eine ähnüche Rechnung hat Kirstine S m i t h^) für die dänischen Feuer- schiffe Horns Riff und Vyl (westwärts voa Esbjerg) ausgeführt, wobei sich ergab, daß nicht nur die Gezeitenströme, sondern auch die als Rest aus der *) Etüde sur les couranta de la Mer du Nord (bateau-phare Noord-Hinder) 1900. ') Resultats d'Observations faites ä bord des bateau-phares Neerlandaises (Kgl. Nederl. Met. Instituut, Nr. 90), Utrecht 1905. Diese Abhandlung ist methodo- logisch wichtig. ') Meddelelser fra Kommissionen for Havsundersögelser, Hydrografi, Bd. I. Nr. 13, Kopenhagen 1910. 638 I^J^ Strömungen der atlantischen Nebenmeere. Analyse übrig bleibende Meeresströmung der das langgestreckte Riß begrenzen- den Tiefenlinie von 20 m folgen. Fräulein Smith erhielt für das Jahr 1904 für: Vy 1 in 55» 23.6' N. B., 7» 45' O. L., Strom nach NW, 10.0 cm p. S. Horns Riff „ 55» 34.1' „ „ 7» 19,5' „ „ „ „ NNW, 20.5 „ „ „ wobei die erhebliche Stärke des Reststroms (0.2 bis 0.4 Knoten in der Stunde) hervorgehoben sein mag. Man darf hiernach auf eine große Überhöhung der Dichtigkeitsfiäche und kräftige Stauwirkung der Westwinde, mit Abfluß nach Norden, schließen. Nicht lange genug dauerten die Strommessungen, die vom deutschen Kanonenboot „Drache" inmitten der Nordsee ausgeführt wurden^), so daß eine Auswertung des Reststroms in harmonischer Analyse nicht möglich ist; doch angenähert läßt sich aus den graphischen Darstellungen wie aus der Koppelrechnung entnehmen, daß auf der flachsten Stelle der Doggerbank der Strom nach Süden, am Ostrande derselben aber nach Nordosten (in Station 4 und 5 mit 0.2 Knoten), in der freien See östlich davon in 55 » N. B., 6 » 0. L. nach NNO mit 0.13, in 54.8» N. B., 7» 0. L. nach Norden mit 0.10 Knoten Geschwindigkeit lief. Auch diese Messungen sind in Einklang mit den vorher erwähnten Trifterscheinungen. Wichtig ist dann noch die Angabe des Expe- ditionsleiters, daß im Gebiete der Großen Fischerbank bei sehr schwachen Gezeitenströmen das Wasser vorwiegend östlich setze. Die Strömungen in der Norwegischen Rinne und im Skagerrak sind, wie uns aus einer früheren Darstellung (Bd. I, S. 349) bekannt, wesentlich durch das Auftreten des sogenannten Baltischen Stroms be- stimmt. Als schwachsalziger aus dem Oresund hervorkommender Abfluß der Ostsee beherrscht er die Oberflächenschichten schon des Kattegats an der schwedischen Seite, wohin ihn die vorherrschenden Westwinde wie die Erdrotation drängen und wo er im Abstände von 4 bis 6 Seemeilen vom Lande selbst bei ruhigem Wetter eine Stärke von über 24 bis 48 Seemeilen in 24 Stunden, bei Südweststürmen sogar noch mehr erlangen kann. Dieser kräftige Nordstrom wendet sich dann an der norwegischen Küste von den Klosterinseln ab westlich und äußert sich, wieder in einiger Ent- fernung vom Lande, auch dort sehr stark, da er im Maximum nach nor- wegischen Angaben schon 80 bis 100 Seemeilen in 24 Stunden erlangt haben soll. Hier geht der Strom, wie man sieht, gegen den herrschenden Wind, und nur wenn es stark aus Westen oder Südwesten stürmt, kann er nach V i b e einmal vorübergehend nach Osten umsetzen. Den nor- wegischen Küstenfahrern ist der Strom wohlbekannt. Mit gerefften Segeln können sie, sagt Mohn, gegen den Südwestwind aufkreuzend, die Strecke vom Christianiagolf bis Lindesnes in wenigen Tagen zurück- legen. Auf diesem Wege empfängt übrigens der Strom noch norwegisches Landwasser aus den dort mündenden zahlreichen Fjorden, so daß er seinen Dichtegradienten stetig hoch hält. Nach Mohns Berechnungen würde hier die Dichtigkeitsfläche 60 cm über dem freien Meer nördlich von den Shetlandinseln stehen. So bleibt der Baltische Strom als eine ausgeprägte Erscheinung noch über den Bereich der Norwegischen Rinne hinaus nord- wärts deutlich bis Haugesund hin. 2) bestehen, wo er dann im Norwegischen ^) Die Ergebnisse der Untersuchungsfahrten S. M. Kanonenboot „Drache", Kor- vettenkapitän H o 1 z h a u e r, in der Nordsee 1881 bis 1884, Berlin 1886, S. 14 f , Taf . 5 u. 6. *) Joh. H j o r t, Videnskabs Selskabs Skrifter I, math. nat. Kl. Kristiania 1896, Nr. 9. Die Strömungen im Skagerrak. 630 Küstenstrom seine Fortsetzung findet. Wie an der Bohuslänküste (vgl. oben S. 194) ist auch hier der Hering von ihm abhängig; wenn dieser im Frühjahr seine Laichplätze auf den Küstenbänken aufsuchen will und der genannte Strom mit seinem schwach salzigen und kalten Wasser die Bänke weithin bedeckt, weicht der Fisch in tieferes und wärmeres Wasser see- wärts zurück, wo die Fischer ihn mit ihren Netzen nicht mehr erreichen können. Ebenso verhält sich der Fetthering im Sommer und Herbst, wenn er einem gewissen, im Bankwasser, also unter dem Baltischen Strom, lebenden Plankton nachgeht und dieser Strom durch Südwestwinde auf die Bänke gedrückt wird, wo dann für das Bankwasser kein Platz mehr ist. Der Baltische Strom hat eine ausgesprochene jährliche Periode^)» die sich an die Süßwasserzufuhr seines Ursprungsgebiets, der eigentlichen Ostsee anschließt: reich gefüllt in der warmen Jahreszeit, meist schon im Mai kann er die ganze Oberfläche des Skagerrak mit einer dünnen Deck- schicht überziehen, während er im Herbst zurückgeht und am Ende des Winters nur noch als Küstenstrom entlang den bohuslänschen und nor- wegischen Schären schmal dahin fließt. Doch sind auch hierbei von den jeweils herrschenden Winden hervorgerufene starke Abweichungen von der Eegel wohlbekannt; auf die Gegensätze zwischen dem Mai 1902 und 1904 ist bei früherer Gelegenheit schon hingewiesen (Bd. I, S. 349). Aber bei seiner großen mechanischen Kraft vermag er machtvoll aspirierend auf die östlichen Teile der Nordsee hinüberzugreifen: die entlang der Westküste Jütlands nach Norden strömenden Gewässer werden so in das südliche Skagerrak an Hanstholm und Hirshals vorbei auf Skagen hin gezogen, so daß entlang der Nordküste Jütlands dieser Gegenstrom mit seinem größeren Salzgehalt einen starken Kontrast gegen d^n salz- ärmeren Baltischen Strom darstellt. Je nach den vorherrschenden Winden kurvt das Oberflächenwasser unregelmäßig über die breite Fläche des Skagerrak hinüber und herüber und kann das vom Baltischen wie vom Nordseestrom beherrschte Areal ein sehr unregelmäßig gelapptes Bild darbieten. Sehr häufig ist ein Zustand, wo sich inmitten des östlichen Skagerrak ein großer Fleck stärkeren Salzgehalts von schwach salzigem Wasser wie von einem Wirbel umlagert monatelang erhält: es liegt hier allem Anschein nach eine örtlich entfaltete, besondere Zirkulation ent- gegen dem Uhrzeiger vor, die dann auch die eigentümliche Anordnung der Temperaturen erklärt, die in dem Mittelfleck im Sommer kühl, im Winter warm sind (vgl. Bd. I, S. 485). Auch die Tiefenschichten nehmen wahr- scheinlich an einer gleichsinnigen Zirkulation teil ^), soweit sie nicht in der Tiefen Rinne entlang der schwedischen Küste unter dem Baltischen Strom nach Süden ins Kattegat gezogen werden. Den Volumschwankungen des Baltischen Stroms in den oberen Schichten folgt dar. aus dem Westen ge- kommene stark salzige Wasser der Tiefenschichten in der Norwegischen Riiine mit deutlicher Gegenbewegung: es hat im Herbst und Winter seinen höchsten Stand, in der warmen Jahreszeit seinen niedrigsten. ^) O. PettersBon und Gustav Ekman in Kgl. Sveneka Vet. Akad. Handl. Bd. 24, Nr. 11, Stockholm 1891; Svenska Hydrogr. Biol. Kommissionens Skrifter II; auch Ann. d. Hydr. 1906, S. 5 f. 2) Die im Bull, trimestr. 1906/7 veröffentlichten Karten mit den Isobaren- fl&ohen für 10, 20, 30, 50, 100 Dezibar weisen darauf hin. ^40 I^i© Strömungen der atlantischen Nebenmeere. Von den Strombewegungen der Tiefenschicliten in der nördlichen Nordsee selbst ist sehr wenig Sicheres bekannt: es spricht aber viel dafür, daß die vorherrschende Bewegung nach Osten gerichtet ist. Das gilt namentlich von dem stark salzigen Wasser, das sich am Rande der Nordseebank zur Norwegischen Rinne hin befindet. Man vergleiche den Schnitt von Ekersund nach Südwesten hin, wie er in Fig. 47, Bd. I, S. 350 dieses Werks dargestellt ist: eine solche Anordnung der Isohalinen, die in diesem Falle für die Lage der Isopyknen maßgebend sind, kann nur dann stabil sein, wenn in der Tiefe ein kräftiger Strom nach Südosten im Gange ist; insbesondere ist der Verlauf der Isohaline für 35.2 Promille ohne eine solche Annahme gar nicht zu verstehen. Eine allgemeine Tendenz der Bodengewässer auf der Nordseebank östlich von Nordschottland und den Orkneyinseln lassen auch die Experimente erkennen, die von der schotti- schen Fischereibehörde mit Bodentreibfiaschen (bottom trailers) in der jüngsten Zeit ausgeführt sind, d. h. mit kräftigen Glasflaschen, die so be- schwert sind, daß sie dicht über dem Boden schweben. Am geringsten scheinen die Bewegungen der Nordsee unmittelbar nördlich von der Dogger- bank zu sein ; sowohl an der Oberfläche, wie in der Tiefe sind nur schwache Gezeitenströme erkennbar^), obschon auch hier vielleicht noch eine gelinde Tendenz der Gewässer nach Nordosten hin vorhanden sein dürfte. 4. Von den Strömungen der Ostsee kann im allgemeinen gesagt werden, daß sie in hohem Grade vom jeweils herrschenden Winde abhängig sind; aber bei der reichen Gliederung dieses kontinentalen Mittelmeers wird diese Windwirkung nicht überall einfach, sondern durch Windstau, Abfluß- und Zuflußbewegungen bisweilen sehr verwickelt, wozu dann noch die bei früherer Gelegenheit (S. 516) dargelegten sehr bedeutsamen Wirkungen der Luftdruckschwankungen kommen. Schließ - hch aber bricht überall eine schwache Oberflächenströmung hindurch, die bewirkt, daß eine statistische Zusammenfassung längerer Reihen von Beobachtungen einen mehr oder weniger erhebHchen Überschuß der aus der Ostsee hinausführenden Richtungen zu ergeben pflegt: der Baltische Strom sammelt diese abfließenden leichten Gewässer an der schwedischen Seite des Kattegat, die namentlich bei stillem Wetter überall im Sunde wie im Großen Belt einen ausgehenden Oberflächenstrom hervortreten lassen. Im Kattegat und im Nordteil des Großen Belts legen sich auch die Gezeitenströme oft sehr fühlbar über die vorhandene Meeresströmung. Sorgfältigere Untersuchungen dieser Verhältnisse auf Grund des lang- jährig auf dänischen Leuchtschiffen angesammelten Materials hegen für Skagen^) und sodann für Gjedser-Riff ^) in der westlichen Ostsee vor; einen Überblick der Verhältnisse bei stärkeren Winden hat die Deutsche See- warte ^) auch unter Verwendung deutschen Materials wesentlich für die Zwecke der praktischen Schiffahrt bearbeitet; eine Spezialuntersuchung s) 1) Vgl. die Messungen auf der deutschen Station D 3 in 55 o 58' N. B., 3 » 20' 0. L. in 10 und 70 m Tiefe am 12. und 13. Mai 1906 im Bulletin trimestriel 1905/6, B, p. 114 ..und 1906/7, B, p. 37. 2) Dr. H. Querf urt in Ann. d. Hydr. 1909, S. 107, 153, 208. *) Dr. Franz Schulze im Archiv der See warte, Hamburg 1897, Nr. 3. *) Ann. d. Hydr. 1906, S. 265, 313, 374. *) Dr. R. Kohlmann in Wissensch. Meeresuntersuchungen, Abt. Kiel, Bd. 8, 1905, S. 191. Strömungen der Beltsee. 641 beschäftigt sich mit den Verhältnissen in der Kieler Bucht. Von älteren Arbeiten sind die von Dr. A. W. C r o n a n d e r ^) und Martin Knudsen^) noch zu nennen, die sich wesentlich auf die Beltsee beziehen. Wie sich aus längeren Beobachtungsreihen das Verhältnis des ausgehenden (Bal- tischen) Stroms zu der eingehenden, ihm entgegengesetzten Bewegung an der Oberfläche gestaltet, mag folgende von Cronander berechnete und für Gjedser vervollständigte kleine Tabelle verdeutlichen, die sich auf Beobachtungen dänischer und schwedischer Leuchtschiffe gründet. Die Zahlen bedeuten Prozente der beobachteten Strömungen. Station Läsö Trinde- len Kobber- Fladen Anholt Knob Schulz- grund Drog- den Kalk- giund Falster- bo Gjedser- Rifr aus . ein 77.3 22.7 72.8 27.2 58.5 41.5 57.1 42.9 61.6 48.4 52.9 47.1 62.9 37.1 63.1 36.9 58.3 41.7 68.4 31.6 Wie die Winde in dieser Hinsicht einwirken, mag für die Station Gjedser- Rif! noch besonders dargelegt werden; das Leuchtschiff liegt zwischen Falster und dem Darß, am Westtor der eigentlichen Ostsee, wo also die Winde aus westlichen Richtungen das Wasser aus der Beltsee in die Ostsee hineintreiben, Ostwinde umgekehrt einen auslaufenden Strom erzeugen. Aus den von Fr. Schulze gegebenen Einzelwerten für 5918 Beobachtungs- paare aus den Jahren 1893 bis 1895 erhalte ich folgende Zusammenfassung: Strom und Wind bei Gjedser-Riflf. 1; Wind .US: ;i Ost ii West Windstille Summe Strom nach Ost . Strom nach West . Stromstille . . . 14% 80 „ 6 „ 1 38% 54 „ 7 „ 18% 82 ., 0 „ 1736 Fälle = 29 % 3757 „ = 64 „ 425 „ = 7 „ Hieraus erkennt man, daß auch bei westlichen Winden der auslaufende Strom überwiegt, also das Wasser an der Oberfläche gegen den Wind auf läuft; besonders häufig ist die ausgehende Bewegung bei Windstille, was genügend erweist, daß die Mecklenburger Bucht vorherrschenden Meeresstrom nach Westen und zum Großen Belt hin besitzt. Welche Neerströme in der Beltsee auftreten können, hat Dr. W. Kohl- mann an den Strombeobachtungen auf dem Stollergrundfeuerschiff er- wiesen. Es zeigt sich, daß an der Südseite der Kieler Bucht bis nach der Schlei hin der örtliche Strom entgegen dem im Fehmarnbelt laufenden Hauptstrom gerichtet ist, so daß im allgemeinen vor der Kieler Föhrde das Wasser überwiegend eine Tendenz nach Südosten hin besitzt; nur wenn auch im Kleinen Belt stark auslaufender Strom herrscht, zieht er' das Wasser aus der Kieler Bucht an sich; es läuft dann vor der F:?'^ Föhrde Nordweststrom. — Den Küstenfahrern ist es eine geläufige Tat- sache, daß, wenn in den Belten, namentlich im Großen und im Fehmarn- ^) On the laws of movements of Searcurrents and rivers. Norrköping 1898. Auch Kgl. Sv. Vet. Akad. Handl. Stockhohn 1906, Bd. 38, Nr. 2. 2) Ann. d. Hydr. 1901, S. 226. KrUmmel, Ozeanographie. II. 41 (542 I^iß Strömungen der atlantischen Nebenmeere. belt, ein starker Strom über dem tiefen Fahrwasser läuft, sich an beiden Seiten über den Randbänken Gegenströme entwickeln, was bei trübem Winterwetter nicht selten zu Strandungen geführt hat, da vom Haupt- strom immer einzelne Zweige zum Neerstrom abkurven. Was die jährliche Periode anlangt, so ist bei Gjedser der auslaufende Strom (nach Westen) am häufigsten im Frühling, wo er 76 Prozent aller beobachteten Ströme ausmacht; es ist das die Zeit, wo die Zufuhr von Landwasser in die eigentliche Ostsee am ergiebigsten ist und Ostwinde am häufigsten auftreten (vgl. Bd. I, S. 57). Im Sommer dagegen sinkt die Frequenz der auslaufenden Ströme auf 60.5 Prozent; es sind dann die West- winde relativ häufig und ist über dei; Ostsee die Verdunstung gesteigert. Winter und Herbst haben 69 und 7l Prozent aller Ströme nach Westen. Bemerkenswert ist für die westliche Ostsee die oft überraschend große Stromstärke, die sich in den Verengungen der Beltsee auf 3 bis 4 See- meilen in der Stunde erheben kann und bei unsichtigem Wetter für die Schiffahrt ernste Gefahren bringt. Nach M. Knudsen ist die durchschnitt- liche Stromstärke bei Gjedser nur 0.15 Knoten, ebenso im öresund beim Drogdenfeuerschiff ; aber beim Lappegrund 0.67 Knoten, da hier das Fahr- wasser besonders beengt ist: in den Frühhngsmonaten erhebt sich die Stromstärke hier durchschnittlich auf 0.81 Knoten, während die drei Sommermonate nur 0.53 bringen. Bei Windstille läuft in Gjedser der auslaufende Strom gewöhnlich 0.3 bis 0.5 Knoten, sobald nicht baro- metrische Störungen eingreifen^). Die Unterströme des Kattegats und der Beltsee, insbesondere des Sundes sind erst in den letzten Jahrhunderten bekannt geworden; wie es scheint, hat sie der englische Arzt Thomas Smith 1683 zuerst er- wähnt 2). Es handelt sich auch hier aber nicht um so einfache Vorgänge, wie etwa im Bosporus, schon eher ist die Straße von Gibraltar mit ihren Gezeitenströmen heranzuziehen, aber in den Belten tritt noch die außer- ordentlich kräftige Verschiebung der ganzen Wassermassen durch den Windstau und die Luftdruckdifferenzen hinzu. Cronander beschreibt uns sehr anschaulich, wie unter diesen Umständen die ganze Wassersäule trotz ihrer ausgeprägten Schichtung von oben bis unten hin in gleichem Sinne verschoben wird, bald nach außen, bald in die Ostsee hinein. Ge- nauere, längere Zeit fortgesetzte Messungen zeigen allerdings, daß dabei die obere Schicht relativ rascher nach außen, die untere nach innen bewegt wird. Außerdem kommen bei kürzeren Beobachtungsreihen noch die Orbitalbewegungen der internen Wellen als eine weitere Störung dazu (vgl. oben S. 359). Erst durch harmonische Analyse längerer, bei ruhigem Sommerwetter gewonnener Messungsreihen kann der eigentliche Meeres- strom rechnerisch isoliert werden, wie das vor kurzem J. P. J a c o b s e n ^) für den Großen Belt gelungen ist. Von dem bei Spodsbjerg im Langeland- belt verankerten Forschungsdampfer „Thor" wurde fast kontinuierlich >) Vgl. auch Ann. d. Hydr. 1906, S. 278. 2) E. W i s o t z k i im Ausland 1892, Nr. 31 nach Philos. Transact. London 1684, Bd. 14, p. 564. ^) Meddelelser fra Kommissionen for Hafundersögelser. Hydrografi Bd. I, Nr. 14, Kopenhagen 1910. Die dänischen Beobachtungen benennen den Strom nach der Richtung, woher er kommt, was hier geändert ist. Ströme des Großen Belt und öresund. 643 in kurzen Zeitintervallen vom 8. bis 23. Juni 1909 der Strom in verschie- denen Tiefen und einige Male auch über die ganze Breite des Belts hinüber gemessen. Nach harmonischer Analyse ergibt sich für den Reststrom am Ankerplatz des „Thor" folgende Anordnung und Stärke (in Zentimeter pro Sekunde): Mittlere Stromrichtung und -stärke im Langelandbelt (Juni 1909), Tiefen (m) 0 5 10 15 20 25 30 35 Richtung , Stäi-ke(cmp.S.) N140O 37 N18»0 32 N4»0 15 S76öWS27«W 5 1 13 S29ÖW 14 S29ÖW 13 S33«W 10 Jacobsen ist geneigt, die Linksdrärigung der Schicht in 10 m Tiefe auf einen Rückstau vom östlichen Rande der Stromrinne zurückzuführen, indem die Erdrotation die oberen Schichten rechts gegen das Land drückt, so daß in der Tiefe eine ausgleichende Komponente auftreten muß (vgl. oben die Ekmansche Fig. 140, S. 505). Die Stromgrenze Hegt bei 15 bis 18 m (vgl. oben S. 194, Fig. 51). Die gegeneinander gerichteten Strömungen bewirken, daß die Unterschicht drei Stunden früher Hochwasser erhält als die entgegen der Flutwelle nach Norden gehende Oberschicht. Die Messungen zur Seite der tiefen Stromrinne ergaben übrigens, daß näher an der Küste der Gezeitenstrom mit der gleichen Stärke auftrat, wie über dem tiefen Wasser, während dort der ständige Meeresstrom ganz schwach und oft dem in der Hauptrinne vorhandenen wie ein Neerstrom entgegen- laufen konnte. Man sieht ohne weiteres, daß der Tiefenstrom, entsprechend dem Rhythmus der Gezeiten und auch interner Wellen, wo sich solche bilden, periodisch sein salziges Wasser über die die Beltsee durchziehenden Schwellen hinüberschiebt, außerdem aber bei günstigem Wind, wo der Oberstrom in die Ostsee zurückgestaut wird, dies besonders ergiebig aus- führen kann (vgl. Bd. I, S. 352). Um auch ein Beispiel für die Strombewegungen im öresund zu geben, lasse ich drei, vom schwedischen Forschungsdampfer „Skagerak" mit Petters- sons Biiilarstrommesser ausgeführte Beobachtungsreihen für verschiedene Tiefenschichten bei Helsingborg vom 5. und 6. August 1907 folgen. Die erste Serie wurde von 7 V4 bis 9 Uhr abends, die zweite von 2 V4 bis 3 Vb Uhr morgens, die dritte von 8 V2 bis 9 Va vormittags gemessen. Stromrichtung und -stärke (cm p. S.) im öresund 5. und 6. August 1907. Tiefe (m) 0 5 10 15 20 25 30 35 j /Richtung \ Stärke (cm) JJ /Richtung \Stärke (cm) JJJ /Richtung "^ \Stärke (cm) N200W 92 N230W 98 N200W 70 NIIOW 91 N30 0 48 N7»W 45 N17»0 59 N3«W 41 NIOOW 20 ■ N410W 48 N250W 41 N4»W 11 NI50O 13 S82''0 9 S23»0 67 S31»0 26 S16»0 28 S2100 33 S2100 25 N 8» 0 27 S62«0 40 S31«0 19 N19»0 20 S41«0 27 (544 I^i^ Strömungen der atlantischen Nebenmeere. Die Stromgrenze lag in den ersten beiden Fällen etwa bei 22 m, im dritten um 4 bis 5 m höher bei etwa 18 m Tiefe, und der Unterstrom ist im letzten Falle außerordentlich verstärkt, wahrscheinlich durch den Fiutstrom (vgl. das Schema oben S. 508, Fig. 144). Bei der Abendserie sprang die Dichtigkeit Sil von 1.01693 bei 20 m auf 1.02433 bei 23 m, bei der Morgenserie in gleichen Tiefen von 1.01783 auf 1.025701). Die Strömungen im Bereiche der eigentlichen Ostsee sind wie die der B<see vom Winde in hohem Grade abhängig. Im Frühjahr und bis in den Sommer hinein drängt aber auch entlang der schwedischen Küste das leichte Wasser südwärts und strebt dem Sunde zu, wohin auch das Treibeis nach strengen Wintern besonders dicht hingezogen wird: hierin liegt also die Hauptquelle für den Baltischen Strom des Kattegat und Skagerrak. An den gegenüberliegenden deutschen Küsten scheint sich der dem zyklonalen Stro-msystem nordhemisphärischer Nebenmeere an- gemessene Strom nach Osten, wenigstens gelegentlich, sehr stark zu ent- falten. Es geht das aus der Verbreitung des Salzgehalts hervor und aus der nach gleicher Richtung erfolgenden Verschiebung der Wandersände 2) : an einzelnen Molenhäfen der pommerschen Küste ist gelegentlich der Oststrom so stark, daß die Schiffe beim Aus- oder Einsegeln dem Ruder versagen und an den Molenköpfen Beschädigungen erleiden. R. Engel- hardt^) hat die von der schwedischen Expedition durch die Ostsee im Sommer 1876 erhaltenen Beobachtungen dazu verwertet, eine Dichtig- keitsfiäche zu konstruieren: es ergab sich eine allgemeine Neigung der Oberfläche von den Finnischen Schären an bis zur Beltsee hin, dabei aber eine Niveauerhöhung allgemein entlang den Küsten, eine Depression um 10 bis 20 cm in der Mitte von Bornholm an über Gotland bis in den Fin- nischen Golf hinein. Der Gefällestrom wird also, durch die Erdrotation abgelenkt, einem zyklonalen System folgen. Die quer durch das Ostsee- becken gelegten Profile folgen alle mehr oder weniger, je nachdem der Wind- stau eingreift, dem für das westlichste Stück zwischen Schonen und Rügen von uns (oben Fig. 164, S. 547) gegebenen Typus. In den Tiefen drängt der einfließende salzhaltige Unterstrom rechts gegen die deutsche Küste; doch haben wir uns darunter hier erst recht keine stetige Bewegung vor- zustellen, sondern, wie schon früher bemerkt (Bd. I, S. 352), eine ganz unperiodische, bald stärkere, bald schwächere, von Fall zu Fall verschiedene Überschiebung von schwerem Wasser aus einer Tiefenmulde in die andere. Johan G e h r k e *) hat diese Vorgänge in sehr sorgfältiger Weise und mit großem Scharfsinn untersucht. A priori sollte man annehmen, daß im Winter solches salzreiches Wasser vornehmlich über die Drogden- schwelle aus dem Oresund kommen werde, im Sommer dagegen aus dem Großen Belt, wo dann bei der Ruhe der Luft keine erheblich.e Durch- mischung der Oberflächen- mit den Tiefenschichten stattzufinden pflegt, die Tiefenschichten also relativ hohen Salzgehalt aufweisen*). Die vor- *) Nach 0. Pettersson in Svenska Hydrogr. Biol. Komm. Skrifter III, 1907, p. 15. 2) B ä n s c h in Zeitschr. für Bauwesen 1872, Bd. 22, S. 544 und Keller, ebenda I88I, Bd. 31, S. 181. ') Aus dem Archiv der Seewarte, Hamburg 1899, Bd. 22, Jfr. 6. *) Publication de circonstance Nr. 52, Kopenhagen 1910. ») Ergänzungsheft zum Bulletin 1906/7, S. 10 f. Die eigentliche Ostsee und der Finnische Golf. 645 liegenden Beobachtungen sind aber nicht ausreichend, eine solche Doppel- periode einwandfrei zu erweisen; es vollzieht sich alles ganz unperiodisch. In einem Falle, wo schweres Wasser aus dem öresund beim Drogden- feuerschiff in die Ostsee übergetreten war, konnte Gehrke zeigen, daß dieses Wasser vom 12. oder 13. Februar 1903 an nach 5 Tagen im Schnitt Arkona- Schonen, am 14. Mai im Bornholmtief, aber auch am 11. Mai im Danziger Tief durch eine entsprechende sprunghafte Erhöhung des ört- lichen Salzgehalts erkennbar wurde: die Strecke von etwa 270 Seemeilen war in weniger als 90 Tagen durchmessen worden, was also für das Etmal mindestens 3 Seemeilen oder 6 cm p. S. ergibt. Außer den Bewegungen der Bodenschichten kommen auch solche in mittleren Lagen in Betracht: bei der allgemein keilförmigen Schichtung der Ostseegewässer schieben sich relativ schwere Wassermassen in das Innere nach Nordosten oder Norden vor und bilden dann sogenannte Spitzen, deren Auftreten ohne die Annahme einer horizontalen Bewegung , nicht zu verstehen ist. Im Bomholmtief finden sie sich bei etwa 60 m, wo die Dichtigkeit plötzlich nach unten hin anwächst, vorzugsweise im Sommer und Herbst als Träger relativ höherer Temperaturen. In den weiter binnenwärts gelegenen Mulden kommt dann dieses Wasser der Mittelschichten an den Boden, so daß sich auf diese Weise, wie Gehrke zeigt, die Bodenschichten des Danziger Tiefs häufiger erneuern können als die des Bornholmtiefs. Aus dem relativen Sauerstoff gehalt dieser Bodenschichten läßt sich in vielen Fällen auf die Länge des Weges und die dazu verbrauchte Zeit schHeßen. So können die Bewegungen, die zur Erneuerung der Bodenschichten im Gotlandtief zwischen Mai und Juli 1905 geführt haben, nur sehr langsam vor sich gegangen sein, da sich in 240 m nur 0.29 cc Sauerstoff, also (für t = 4.5°) nur 3.5 Prozent der Sätti- gung vorfanden. Für den Finnischen Golf ist nach Angabe der Segelhandbücher anzunehmen, daß bei ganz ruhigem Wetter eine schwache Strömung nach Westen das Oberflächenwasser hinausträgt, wie das auch der Dichtigkeits- fläche entspricht. Nach allgemeinen Gesetzen müßte sich dieser ausgehende Strom mehr an der nördlichen, finnischen Seite halten. Die tatsächlichen Strömungen werden aber in hohem Grade vom Winde geregelt, wobei an den vorspringenden Landesteilen und bei den Inseln Stromstärken von 2 Knoten keine Seltenheit sind. In den Unterschichten muß sich eine entge<;enlaufende Reaktionsströmung nach Osten ausbilden ; sie verhindert, daß der Finnische Golf zu einem Süßwassersee wird. Diese Unterströmung entfaltet sich am reinsten in der ruhigen Sommerzeit, wo die abfließenden Landwasser im Maximum sind; gemäß Fig. 48, Bd. I, S. 351, ist der ge- ringste Salzgehalt an der Oberfläche im Anfang Juh, der höchste im Winter zu finden, wo die Stürme das Wasser aufrühren und die oberen Wasserschichten mit den darunter liegenden vermischen^). Dabei er- halten auch die tiefsten Schichten (vgl. die Kurve für 100 m) ihren kleinsten Salzgehalt. Dagegen ist bei diesen das Salzgehaltsmaximum um Ende Mai und Anfang Juni zu finden, wo die Landwasserabfuhr im Ostseegebiet gerade ihre größte Intensität hinter sich hat; das letzte Treibeis geht ja ^) Vgl. darüber Joh. Gehrke, Finnländische Hydrogr.-Biol. Untersuchungen, Helsingfors 1909, Nr. 3, S. 13 f. 646 -"^iß Strömungen der atlantischen Nebenmeere. oft erst im Mai aus der Newa ab. Eine genaue Kbinzidenz zwischen dem Abgang der Friihlingsschmelzwasser an der Oberfläche und der Zufuhr des maximal salzigen Tiefenwassers durch den Eeaktionsstrom in der Tiefe ist nicht zu erwarten, da diese Bewegungen Zeit erfordern. Auf eine charakteristische Stauwirkung im innersten Zipfel des Golfs bei Kronstadt hat Makaroff^) hingewiesen. Wenn längere Zeit West- winde herrschen, stauen sie das Oberflächenwasser vor der Newamündung auf, und der dadurch eingeleitete Soogstrom wird stetig salzärmer, sodaß dann am Boden bei Kronstadt das eigentliche Seewasser verschwindet. Der Bottnische Golf 2) ist durch die Alandinseln und die sie im Süden, namentUch aber im Osten begleitende Flachsee ganz anders von der eigentlichen Ostsee abgesperrt als der Finnische Busen, und dieses Grenzgebiet spielt für den Bottnischen Golf eine ähnliche Rolle, wie die Beltsee für die eigentliche Ostsee, nur mit dem Unterschiede, daß bei den Alandinseln Störungen durch die Gezeitenströme nicht zu be- fürchten sind. Im ganzen erhält so der Bottnische Golf ein ziemlich selbständiges Stromsystem. An der Oberfläche läßt sich schon aus der Gestalt der Isohalinen auf eine zyklonale Zirkulation schließen: an der finnischen Seite reichen sie in erheblich höhere Breiten hinauf als an der schwedischen. Es läuft also östlich von den Alandinseln durch das Schärenmeer der Strom nach Norden, durch den Südlichen Quark an der schwedischen Seite nach Süden in die Ostsee hinaus; freilich auch hier mit dem Vorbehalt, daß kontinuierliche Bewegungen kaum je vorkommen. Denn bei entsprechend starken Winden kann der Strom sich völlig um- kehren. So schreitet auch der Unterstrom, der stets in den Golf hinein- strebt, nur intermittierend oder schubweise über die submarine Schwelle. Von dem an der finnischen Küste entlang laufenden Nordstrom kurven Teile nach links zum Südstrom der schwedischen Seite hinüber, was be- ?onde-rs in der Verengung des Nördlichen Quark geschieht. Dagegen nimmt der Unterstrom an dieser Zirkulation nicht teil, er ist immer nach einwärts gerichtet, wie namentlich die Temperaturen erweisen. Im Nörd- lichen Quark sind sehr wechselnde Verhältnisse gefunden und auch in der Bottnischen Wiek ist der zyklonale Typus der Strömungen an der Ober- fläche keineswegs häufig ausgeprägt. Tritt diese Zirkulation aber auf, so scheint sie nach Witting die ganze Wassermasse bis zum Boden zu er- fassen, die tiefsten zentralen Schichten vielleicht ausgenommen. Häufig gibt es ganz einfacherweise auch nur einen an der Oberfläche allgemein nach Süden setzenden Strom, also ähnlich wie im seichten Ostieil des Finnischen Golfs gemäß dem Ekmanschen Schema (Fig. 138/139, S. 505). Diese Oberflächenbewegungen sind nicht nur auf den Leuchtschiffen und bei den Untersuchungsfahrten beobachtet, sondern auch durch zahl- reiche Flaschenposten verfolgt worden. Rolf Witting hat den Versuch gemacht, auch quantitativ die Strom- vorgänge und den gesamten Wasserumsatz zu erfassen. Für eine präzise Rechnung ergibt sich aber die Schwierigkeit, daß des Eises wegen in den Winter- " 1) La Vitiaz 1, S. 206. 2) Rolf W i 1 1 i n g in Ann. d. Hydr, 1906, S. 898 und sehr viel ausführlicher in Finnl. Hydrogr.-Biol. Untersuchungen, Helsingfors 1908, erster Teil (ein zweiter 4oll folgen, der manche Angaben des erstgenannten Aufsatzes präzisieren wird). Der Bottnische Golf. (547 monaten allgemein und bis in den Frühling hinein stellenweise die Beobach- tungen fehlen, so daß man also nur angenäherte Ergebnisse erwarten kann. Die jährliche Wasserzufuhr vom Lande her ermittelt Witting zu rund 160 cbkm, wobei neben dem Regenfall auch den Schneefällen und der Ver- dunstung im Einzugsgebiet Rechnung getragen ist. Diese Zufuhr verteilt sich auf die mit den Terminfahrtmonaten November, Februar, Mai und August beginnenden Quartale so, daß auf sie der Reihe nach 16, 24, 65 und 56 cbkm entfallen; sie stehen also im Verhältnis 2:3:8:7, so daß in dem Halbjahr vom Anfang Mai bis Ende Oktober 74» auf das andere winterliche nur V4 der Zufuhr kommt. Gemäß den bei den Terminfahrten erhaltenen Bestimmungen der Temperaturen und des Salzgehaltes läßt sich das Quantum der in den vier Quartalen aus dem Südtor abgehenden Wassermenge berechnen: sie wird der Reihe nach 23, 40, 47 und 51 cbkm, Zahlen die sich wie 4:7:8:9 stellen. In der warmen Zeit gehen danach nur Vio» in der kalten Vio hinaus. Unter Benutzung der Knudsenschen Relationen (oben S. 510) kommt Witting zn folgenden Volumen wieder für dieselben Quartale: ausfließend 130, 330, 445, 345; zusammen 1250 cbkm, einfließend 110, 290. 395, 295; „ 1090 ,. Hier erhält man abermals für die warme Jahreshälfte eine stärkere Ab- fuhr ( Vs)- Man sieht zugleich, wie sich mit gesteigertem Ausfluß auch die Ein- strömung in der Tiefe verstärkt. Die Differenz der Abfuhr und Zufuhr =■ 160 cbkm, also die Süßwassermenge, ist nach Witting V40 des ganzen ein- geschlossenen Wasservolumens, und das abfließende macht vom letzteren reichlich Vs* das einkommende kaum Vs aus. Für die Bottnische Wiek allein ergeben die Knudsenschen Relationen, daß die im Nördlichen Quark aus- fließende Menge das 4.9fache, das einkommende Volum das 3.9fache der Süß- wasserzufuhr der Wiek beträgt. Durch dieses Tor fließt also jährlich Vs der oben ausströmenden Menge unten wieder ein. — Die Geschwindigkeit, mit welcher diese Wasserumsätze erfolgen, versucht Witting wenigstens der Größen- ordnung nach zu bestimmen, indem er die Lage charakteristischer Wasser- schichten zu verschiedenen Zeiten vergleicht, wobei freilich die Störungen durch mechanische Mischung von oben und unten her nur durch ungefähre Schätzungen auszuschalten sind. Für die 4-PromiIle- Schicht der Bottnischen Wiek gelangt er so zu Geschwindigkeiten von ^0.5 bis 2 cm p. S. Ferner be- trachtet er den Zugangsquerschnitt bei den Alandinseln, durch den die ge- nannten 1250 cbkm jährlich hindurch müssen. Bei einer Zugangsbreite von 40 km und einer Mächtigkeit der alisströmenden Schicht von 30 m wird der Zugangsquerschnitt 1.25 qkm. Gehen im Jahre jene 1250 cbkm hier kontinuier- lich hindurch, so entwickeln sie eine Geschwindigkeit von etwa 3 cm p. S., was von derselben Größenordnung ist, wie vorher im Nördlichen Quark. Aber die Rechnung ist auch für die einzelnen Quartale ausführbar, wobei als Dicke der ausströmenden Schicht 35, 35, 25 und 25 m eingesetzt und als Geschwindig- keiten die Werte 1, 3, 5 und 4 cm p. S.^ erhalten werden. Für den Transport eines e i n strömenden Teilchens vom Alandgebiet über die Bottnische See bis zum Nördlichen Quark berechnet Witting eine Zeit von V2 bis 1 Jahr, von dort weiter bis vor Haparanda etwa ein Vierteljahr. Das gäbe Geschwindig- keiten, die zwischen 1 und V2 Seemeile täglich oder zwischen 2.1 und 1.1 cm p. S. liegen. Auch aus dem Verhalten des Prozentgehalts an Sauerstoff vermag Witting eine Bestätigung dafür abzuleiten, daß die Bewegungen in der Botten- see und in der Bottenwiek mit ungefähr gleicher Geschwindigkeit erfolgen. Das in den Bottnischen Golf einströmende Wasser besitzt hohe Sauerstoff- prozente, ebenso der Unterstrom durch den Nördlichen Quark, und die relative Sättigung nimmt während der Nordbewegung ziemlich stetig ab, in der doppelt 648 ^^ Strömungen der atlantischen Nebenmeere. längeren Bottnischen See ungefähr doppelt so viel als in der Bottnischen Wiek. Es fehlt aber nicht an Anzeichen dafür, daß diese Geschwindigkeiten im einen Jahr schneller, im anderen langsamer vor sich gehen, überall, sagt Witting, erscheint hier die Zufuhr des Landwassers als die eigentliche Energiequelle für diese Strombewegungen; er stellt sich dadurch in einen gewissen Gegensatz zu Pettersson, der in dem niehr oder weniger periodischen Andrang des schweren Tiefenwassers hier wie in den Belten den Hauptimpuls erblickt. Man wird aber nicht vergessen dürfen, daß es immer die nun einmal vorhandene Differenz in der Dichtigkeit zwischen den beiden gegebenen Wassersäulen, der baltischen und der ozeanischen, ist, die zum Ausgleich strebt. Es dürfte daher müßig erscheinen, darüber zu streiten, welche von beiden die primäre Quelle dieser Ausgleich Strömungen sein soll. 5. Von den Strömungen des Arktischen Mittelmeers sind die im Bereiche des Europäischen Nordmeers zuerst von Henrik M o h n i) in ihren wesentlichen Grundzügen richtig erkannt und in einen gewissen Zusammenhang gebracht worden. Mohn ging dabei synthetisch vor, indem er aus den Dichteunterschieden, wie er sie aus den Messungen der von ihm geleiteten norwegischen Nordmeerexpedition ableiten konnte, eine Dichtigkeitsfläche (die erste ihrer Art, vgl. oben S. 482) berechnete, und sodann aus der in den Hauptmerkmalen genau genug bekannten Luftdruck Verteilung nach einer leicht zu handhabenden Methode (oben S. 543) die mittlere Windrichtung erhielt, woraus er dann die Triftströme, aber zunächst mit den Winden gleichlaufend, kon- struierte. Indem er die ablenkende Kraft der Erdrotation an diesen Strömungen als eine Druckwirkung nach rechts einführte , was an den Küsten eine Niveauerhöhung des Wasserspiegels zur Folge haben mußte, konnte er eine Wind- oder Triftfläche berechnen, deren Niveaustände, mit denen der Dichtigkeitsfläche algebraisch summiert, eine Stromfläche ergaben. Aus dieser erhielt er dann (gemäß S. 484) den Strom entlang den Isohypsen. Von einer Einführung der Reibungswiderstände sah er ab, von der Wirkung der atmosphärischen Niederschläge und der Verdunstung. nahm er an, daß sie sich gegenseitig ungefähr aufhoben. Das Niveau seiner Dichtigkeitsfläche stand überall an den Rändern des Nordmeers höher als in der Mitte: an der Ostgrönlandküste um 0.5 und an der norwegischen bei den Lofoten um 0.2 und dann südwärts steigend bis 0.6 m im Skagerrak und 0.55 m beim Horns-Riff-Feuerschiff in der Nordsee. In der Mittelzone Hegen drei Depressionen: eine große zwischen Nowaja Semlja und dem Nordkap, mit — 0.04m ; eine zweite, kleinere, in etwa 74 " N. B. und 10 " 0. L., mit — O.Ol m, und eine dritte, größte Depression mit verschiedenen sekundären Einsenkungen zwischen Island und den Lofoten; das Hauptminimum nahe östlich von Island in 640 n. B. und 10» W. L. mit —0.11 m. — Es sind das Niveaudifferenzen, welche auffallend hoch ausfallen; hier also zeigte die Rech- mmg zum ersten Male, daß die geläufige Behauptung, im offenen Meere seien die Dichteunterschiede jedenfalls unbedeutend, auf das Nordmeer ansc(heinend nicht zutraf. *) Nordhavets Dybder, Temperatur og Strömninger, Kristiania 1887. Vorher im Überblick schon in Petermanns Mitt. 1885, Ergänzungsheft 79. Die von Mohn benutzten Salzgehalte der Tiefenschichten sind, wie die neueren Beobachtungen ergeben haben, oft unzuverlässig ; offenbar hat der Wasserschöpfapparat sehr häufig versagt. Das Europäische Nordraeer. (549 Das Bild blieb im wesentlichen dasselbe auch für die Stromfläche, nur steigerten sich die Niveauerhebungen über der tiefsten Depression, die wiederum in etwa 67 ° bis 69 ° N. B. am Meridian von Greenwich angenommen wurde^ zu folgenden wohl etwas zu hohen Beträgen: zur Ostküste von Grönland . " 1.40 m zur Küste bei Bergen . . . 1.28 m zur Ostküste von Island . . 0.50 „ zur Küste bei den lofoten . 0.79 „ zu den Färöer . . . . . 0,36 „ zum Nordkap .... 0.72 „ zur Pentland Föhrde . . . 1.00 „ zur Küste von Nowaja Semlja 1.10 „ zu Kap Skagen ..... 1.40 „ zur Westküste von Spitzbergen 0.76 „ Die größten Gradienten sind an der norwegischen Küste bei Kap Stat mit einer rechnungsmäßigen, ebenfalls wohl zu hohen Stromstärke von 16 bis (in 60 ° B.) 22 Seemeilen, und entlang Spitzbergen von 18 Seemeilen (vgl. unten S. 654). Die Richtung der Strömungen ist zunächst dadurch bestimmt, daß über dem Nordmeer eine Luftdruckdepression lagert, welche an ihrer Südseite durch "Winde aus Südwesten das Wasser aus dem Nordatlantischen Ozean herüberzieht. Der nordöstliche Ast der nordatlantischen Ost- strömung, früher häufig recht mißverständlich „Golfstrom", in der neueren Literatur nach 0. Pettersson besser der Atlantische Strom ge- nannt, tritt demnach in der Umgebung der Färöer und nördlich von Schottland in das Nordmeer ein, wendet sich hier mit einem Ast nach Südosten zur Nordsee, hauptsäehhch aber nördlich von den Shetlandinseln durch Osten nach Nordosten entlang der norwegischen Küste. Diese beherrscht er über das Nordkap hinaus, dann spaltet er sich fächer- förmig; der südUch an die Küste sich haltende Ast (der Nordkapstrom) geht, in die Murmansee, wo wir seine weiteren Schicksale später verfolgen werden. Ein anderer Hauptzug geht auf Spitzbergen zu, dessen Küsten- gewässer er aber kaum je betritt; aber teils oberflächlich, teils unter käl- teres und leichteres Schmelzwasser untertauchend ist noch über 80° N. B. hinaus in 10 ° 0. L. dieser Nordstrom sowohl aus der Wind-, wie aus der Dichtigkeitsfläche abzuleiten. Das ist also die Bahn des viel gerühmten und viel umstrittenen letzten Ausläufers des sogenannten „Golfstroms"^ der seine hohen Temperaturen und seine Treibprodukte den von ihm be- strichenen Küsten zuführt. Seine Anwesenheit in diesen hohen Breiten ist zunächst durch die Konfiguration des Landes bedingt, indem ein tiefes und breites Meer sich dem an den Westküsten Europas nach Norden abgelenkten nordatlantischen Oststrom öffnet. Da das Land in diesen hohen Breiten mit Notwendigkeit (wegen der starken winterlichen Aus- strahlung) im Jahresmittel niedrigere Temperaturen erhält als das Meer^ so Stellt sich von selbst eine zyklonale Luftbewegung über diesem Meetes- gebiete ein, welche dann, wieder durch die eigentümliche Konfiguration des Landes (durch das langsame Zurückweichen Norwegens nach Nord- nordosten und Umbiegen nach Osten erst in 71° N. B.), bis nach Nowaja Semlja hin laue atlantische Lüfte und blaues atlantisches Wasser führen kann. Hier wie im Westen der Davis- und Labradorströmung ist also eigenthch der hohe Luftdruck über den Festlandflächen das Maßgebende für die mittlere Luft- und Wasserbewegung; daß das zugeführte Wasser tropischen Ursprungs ist und einen großen Wärmevorrat in sich birgt, ist ein nächstdem wichtiger und in gleichem Sinne wirksamer Umstand. 650 -^^^ Strömungen der atlantischen Nebenmeere. Es mag nicht überflüssig erscheinen, diese Gedanken hier auszusprechen, denn es könnte leicht ein circulus vitiosus in der Form ausgesprochen werden, daß man behauptet: das Luftdruckminimum im Nordmeer ent- stehe durch die warme feuchte Luft des Atlantischen Stroms, und die zyklonale Luftbewegung um dieses Minimum bemrke die Zuführung dieses atlantischen Wassers ins Nordmeer. Zwischen Franz-Josephsland und Spitzbergen bilden sich im flachen und inselerfüllten Wasser große Eisflächen, die hinsichthch ihrer Strah- lungsverhältnisse nicht viel anders wirken als wie ein vereistes Festland. Daher dort höherer Druck als im südHchen Barentsmeer, daher dort östücher Wind und westhche Trift. Von Spitzbergen nach Südwesten hin besteht der gleiche Gegensatz: Winde aus Südosten, Strom nach Norden beherrschen die Westküste; die spitzbergische Antizyklone lockt sogar noch solches atlantische Wasser weiter nach Nordosten, wo Otto T o r e 1 1 an der Westspitze des Nordostlands den viel kommentierten nördlichsten Fundort einer Bohne der westindischen Entada gigalobium, eines der gemeinsten Treibprodukte des „Golfstroms", konstatierte: in 80 <* 8' N. B., 17* 40' 0. L., also an einem Punkte, so weit vom Nordpol entfernt wie Florenz von Hamburg, oder wie Drontheim vom Nordkap. Entlang dieser ganzen, vom Warmwasserstrom zurückgelegten Strecke sind die zahlreichsten Fundorte ähnlicher Tropenprodukte bekannt geworden. Schon Schübeier, in seiner Pflanzenwelt Norwegens, hat ein Verzeichnis solcher tropischen Pflanzen aufgestellt, von denen Früchte und andere Teile an der norwegischen Küste angetrieben sind^). Die nierenförmige Bohne von Entadä gigalobium ist wohl die häufigste Frucht; auf den Färöern schon wurde sie seit alters als „Koboldsniere" gekannt und im 18. Jahrhundert zu Tabaks- dosen verarbeitet; die Lappen in Finnmarken schreiben der Bohne medizinische Eigenschaften zu, ebenso die russischen Ansiedler der murmanischen. Küste. Als nordöstlichster Fundort werden die „Golfstrominseln" (76° 20' N. B., 63 ° 54' 0. L.) an der Nordküste von Nowaja Semlja bezeichnet. — Einer der auffallendsten Beweise des Zusammenhangs dieser hochnordischen Gewässer mit den Strömungen der Tropen ist durch eine von Sabine berichtete Trift gegeben. Als sich dieser im Sommer 1822 im Meerbusen von Guinea am Kap Lopez a\ifhielt, strandete daselbst ein Schiff, das Palmöl in Fässern ge- laden hatte. Ein Jahr darauf hatte er die Überraschung, in Norwegen, und zwar in Hammerfest (70° 37' N. B.), einige derselben Palmölfässer auffischen zu sehen, deren Identität durch eingebrannte Stempel außer allem Zweifel stand, obwohl für die durchmessene Entfernung von rund 11 000 Seemeilen die Triftzeit doch als verdächtig kurz erscheinen muß (vgl. das Triftregister von Gumprechtin Zeitschr. f. allgem. Erdkunde IH, Berlin 1854, 420 f.). Diesem warmen Strom steht in der Westhälfte des Nordmeers ein südlich gerichteter kalter, mit Treibeis und Eisbergen beladener Südstrom gegenüber. Erzeugt als Trift der ostgrönländischen Nordwinde, deren große Ejcaft und Beständigkeit uns Kapitän Koldeweyso anschauUch geschildert hat, und weiterhin unterhalten durch geringere Dichte einer- seits und durch Aspiration vom Ostgrönlandstrom des eigentUchen atlan- ^) Eine vollständige Liste von W. B. H e m s 1 e y findet sich in den Challenger Reports, Botany, vol. I, 1885. — Für Treibhölzer vgl. die gründliche Arbeit von P.Ingvarson inKgl. Svenska Vetensk. Akad. Handl. Stockholm 1903, Bd. 37, Nr.l. Dttö Europäische Nordmeer. 651 tischen Gebiets, repräsentiert er eine Wasserbewegung, welche aus dem tiefen Inneren des Nordpolarbeckens, wie wir später ausfüliren werden, nahe am Pol vorüber sich bis zum Kap Farvel nach Süden bewegt. Die Geschwindigkeit des Stroms ist im ganzen auf etwa 6 Seemeilen in 24 Stunden anzusetzen, näher dem Lande bei seichterem Wasser und größerem Eisreichtum etwas unter, näher seiner östlichen Kante, besonders entlang dem Kontinentalsockel, über dem Mittel bis zu 12, ja 20 Seemeilen ; wo der Strom seitlich eingeengt wird, wie u. a. in der Dänemarkstraße und sonst bei Vorgebirgen, steigert sich naturgemäß seine Stärke ^). Nach der Tiefe hin nimmt diese überall sehr rasch ab. Südliche Winde schwächen, nördUche beschleunigen den Strom; ersteres ist im Sommer (Mai, Juni), letzteres im Winter besonders deutlich. Im Norden von Island werden die Wasserverschiebungen einerseits durch die antizyklonale Luftbewegung über dieser Insel, anderseits durch das relativ leichte, von den Flüssen angesüßte Wasser an den Küsten der- selben reguUert. Beide Umstände wirken, wie Mohn an der Hand seiner Isobarenkarte zeigt, im Süden, Osten und Westen von Island in gleichem Sinne. Dagegen an der Nordküste stehen die Luftbewegungen noch unter dem Einfluß der ostgrönländischen Antizyklone, welche, wegen des höheren Luftdrucks nördlich von der Insel, östliche Winde erzeugt. Danach würde also hier das Wasser nach Westen triften. Indes kennen sowohl Löwenörn wie I r m i n g e r entlang der Nordküste Islands nur Strömungen nach Osten. Sowohl Eisfelder wie Treibhölzer aus dem Ostgrönlandstrom kommen von Nordwesten an die Landzungen des Nordlands und bewegen sich östUch weiter. In dieser Hinsicht läßt nun Mohn die geringe Dichtigkeit des gerade in dem Nordland durch die größten Flüsse der Insel angesüßten und weit in See ziemHch seichten Küsten Wassers einen Gradienten erzeugen, welcher demjenigen des Luft- drucks entgegengerichtet, aber von größerer Kraft ist als dieser. Dadurch geschieht es dann, daß ein Arm des kalten Stroms den die Insel im Nord- westen umgehenden Teil des Irmingerstroms überlagert und mit ihm an der Nordküste entlang erst östlich, dann südöstlich weitergeht, so die Insel fast ganz umkreisend. Mit diesem in der neueren Literatur meist Ostislandstrom genannten Ausläufer des Ostgrönlandstroms sind wohl in vereinzelten Fällen (z. B. Mai 1840) von NNW her Eisberge bis 64° N. B., 10° W. L., oder gar auch an die Südküste Islands (bis Vest- manö 1826, 1834, 1859, 1901) gelangt, wie schon Irminger in seiner Ab- handlung über die Meeresströmungen bei Island berichtet 2). Indem diese Strömung aber nördhch von den Färöer vom Atlantischen Strom erfaßt wird, bleibt sie mit ihren Wirkungen auf den inneren Teil des Nordmeeres nördlich von 61 " und in der Regel westlich vom Meridian von Greenwich beschränkt. Diese von Mohn gezeichneten Umrisse des Strombilds haben dann durch die neueren Forschungsfahrten und Arbeiten eine Verschärfimg und stellen- weise auch eine Berichtigung erfahren. Hier seien namentlich die Unter- ^) Vgl. dazu W. Meinardusin Ann. d. Hydr. 1906, S. 238 die Einzelheiten. Unsere Schätzung in Bd. I, S. 515 mit 10 Seemeilen ist danach wohl zu hoch. 2) Zeitschr. f. allg. Erdk., N. F. XI, 1861, S. 198 f. Vgl. auch Bd. I dieses Handbuches S. 516 und Fig. 69. 652 Die Strömungen der atlantischen Nebenmeere. suchungen von 0. Pettersson ^), Fr. Nansen 2), A. Hamberg^), F. Akerblom*), M. Knudsen'), J. N, Nielsen*) und Björn Heiland-Hansen') erwähnt; eine vortreffliche Zusammenfassung des gesamten vorliegenden Materials verdanken wir Heiland - H a n s e n und Fridtjof N a n s e n 8). Es ergibt sich daraus folgendes. Die Vorgänge in dem Grenzgebiet zwischen dem warmen atlantischen Wasser, das vom Ozean her im Süden des breiten Shetland-Färö-Island-Rückens nach Nordwesten umbiegt, und dem kühleren Ostislandstrom an der Nordseite des genannten Rückens wiederholen in einem großen Maßstabe dieselben Er- scheinungen, wie sie zur Linken des Floridastroms entlang der nordamerikani- schen Küstenbank von uns beschrieben sind (oben S. 604): es kommt hier Fig. 176. Verteilung des Salzgehalts im sttdlichen Teil des Europäischen Nordmeers in 300 m Tiefe und mittlere Stromrichtung der darüber liegenden Schichten (nach Heiland-Hansen u. F. Nansen). anscheinend zu gewaltigen Wirbelbildungen mit* vertikaler Achse, in denen sich diese Wassermassen von sehr verschiedener Abkunft aneinander vorbei- drängen und vermischen. Aus beistehender Skizze (Fig. 176), die einen Über- blick über die mittlere Verteilung des Salzgehalts in der Tiefe von 300 m nach den Beobachtungen der Jahre 1900 bis 1904 darstellt, ist zu entnehmen, 1) Zusammen mit G. E k m a n, in Bihang tili K. Svenska Vet. Akad. Handl. Stockholm 1898, Bd. 23, Abt. II, Nr. 4. 2) Videnskabs-Selskabets Skrifter, mathem.-naturv. Kl. Kristiania 1906, 1, Nr. 3. 3) K. Svenska Vet. Akad. Handl. Stockholm 1906, Bd. 41, Nr. 1. *) Uppsala Universitets Arsskrift 1903, Mathem.-Naturw. II. 5) The Danish Ingolf Expedition I. Hydrography. Kopenhagen 1899. «) Meddelelßer fra Komm, for Hafsundersögelser. Hydrografi, Bd. I, Nr. 11, Kopenhagen 1908. ') Bergens Museums Aarbog 1907, Nr. 15 und mit E. Koefoed in Duo d'Orldans: Oroisiere Oc6anograph. dans la Mer du Grönland en 1905, Brüssel 1909. 8) Report on Norwegian Fishery and Marine Investigations, Bd. 2, Kristiania 1907, Nr. 2 (vgl, das gute Referat von W. Brennecke in Ann. d. Hydr. 1910, S. 353). Das Europäische Nordmeer. 653 daß gewisse Stellen eine wiederholte Wirbelbildung zu begünstigen scheinen. So tritt in der Gegend zwischen 63» und 64° N. B., 10 <> und 12« W. L. eine scharf ausgeprägte Einbuchtung der Isohalinen hervor, in die offenbar ein Zweig des Ostislandstroms nach Südwesten hinein und gelegentlich über die Schwelle hinüber drängt: westwärts davon soll von der früher erwähnten Stromscheide bei Vestra Hörn (64V4° N. B., oben S. 597) an ein antizyklonal gedrehter Wirbel, östlich davon ein zyklonaler die Wasserschiebungen be- herrschen. Ähnlich sind die Stromvorgänge nach der Auffassung der beiden norwegischen Ozeanographen über der tiefen Färö-Shetland-Rinne, wobei es geschieht, daß östlich von den Färöern der Strom nach Süden setzt — also der allgemeinen Tendenz der atlantischen Gewässer, aus denen er besteht, diametral entgegengesetzt. In der genannten Rinne selbst herrschen, wie wir aus den besonderen Untersuchungen schottischer Forscher^) wissen, außer- ordentlich w^echselnde Zustände, welche zu erklären eine Wirbelbewegung mir nicht ausreichend scheint; wir werden außerdem auch an gewaltige interne Wellen denken müssen. Solche sind in der Tat durch neueste dänische und norwegische Temperaturbestimmungen im Frühjahr 1910 unzweifelhaft er- wiesen, wobei sich Schwingungsperioden von 11 Stunden und Amplituden von über 50 m ergaben^). Jedenfalls sind von Jahr zu Jahr die aus der sogenannten „Zunge" des Ostislandstroms in diese Rinne hinein drängenden Wassermassen von weniger als 34 Promille Salzgehalt sehr verschieden. Diese „Zunge" selbst beherrscht, wie aus der Skizze Fig. 176 auf den ersten Blick hervorgeht, den südlichen Teil des Norwegischen Meers als Teil eines gewaltigen zyklonalen Wirbels: in eirizelnen Jahren war sie sehr kräftig entfaltet, wie im Mai 1901, November 1903, Mai 1904 (im letzteren Falle zwar nicht so kalt wie 1901); sie konnte sogar, wie wir jetizt wissen, einmal Eisberge aus dem Ostgrönland- strom in die Färö-Shetland-Rinne verschleppen ^). Dafür hat sie sich in den Jahren 1902 und 1905 nur ganz schwächlich gezeigt. Im Norden dieser Zunge ist nach Westen ab kurvendes Wasser aus dem warmen Atlantischen Strom vorhanden, mit Salzgehalt von mehr als 35 Promille, und man hat den Eindruck, als ob die Mitte des so umschriebenen Wirbels von stagnierendem Wasser er- füllt sei, das sich nur selten einmal erneuert: wie das übrigens schon von H. Mohn so dargestellt war. Nach den Untersuchungen der Planktonforscher scheinen sich nun diese relativ stationären Gewässer durch spezifische Massen- entfaltung gewisser Kopepoden auszuzeichnen, wobei Calanus hyperboreus im Ostteil der „Zunge", C. finmarchicus im Mischgebiet im Nordosten und Süd- westen davon, und Pseudocalanus im wenig veränderten atlantischen Wasser im Norden (mit mehr als 35 Promille) des Wirbels sich hält*). Daß aber diese merkwürdige zyklonale Drehung der Gewässer nicht stets imd völUg ruhiges Wasser einschließt, sondern daß die Wasser teilchen der Zunge auch in den Atlantischen Strom, ja durch diesen an die norwegische Küste gelangen, ist schon durch eine Anzahl von Flaschenposten der Ingolf- expedition erwiesen^). Von 19 in der zweiten Hälfte des Juli 1896 auf dem ^) A. J. R o b e r t 8 o n m Report on Fishery and Hydrogr. luvest etc. London 1905 und 1907. Noch inhaltreicher ist H. N. D i c k s o n in W o 1 £ e n d e n s Scientific and Biological Researches in the North Atlantic, London 1909, p. 75. 2) Nach mündlichen Mitteilungen von M. Knudsen und J. H j o r t. ') Die in Bd. I, S. 522, Anm. 3 von mir bezweifelte Beobachtung von J. C. Ross hat sich inzwischen aus dem Schiffsjournal selbst bestätigen lassen: Ross sah am 14. Januar 1836 in 61° N. B., 5" 50' W. L. zwei Eisberge. Zeitschr. Ges. f. Erdk. Berlin 1907, S. 473. *) H. H. G r a n, Report on Norweg. Fishery and Marine Invest. vol. II, Nr. 5, Bergen 1902; D. Damas in Publicat. de circonst. Nr. 22, Kopenhagen 1905. ^) The Danish Ingolf Expedition, vol. I, part 2, Nr. 4: C. F. W a n d e 1, Current- Bottles, Kopenhagen 1900. 654 I^® Strömungen der atlantischen Nebenmeere. Wege von Ostisland nacli Jan Mayen ausgesetzten Flaschen, deren Triften bekannt geworden sind, gelangten aus der Mitte der Zunge zwei nach den Färöem, zwei mehr südlich von Jan Mayen ausgegangene an die Nordostküste von Island, alle übrigen an die norwegische Küste, und zwar eine in die Gegend von Aalesund, drei in den Westfjord, die übrigen fünf in das Nordland, am wei- testen eine Flasche, die zwischen den beiden auf den Färöern geborgenen ausge- setzt war, in die Motowskijbai der Murmanküste. Auf der Fahrt des „Antarctic" nach Ostgrönland unter A. G. N a t h o r s t im Sommer 1899 sind 495 Flaschen- posten ausgesetzt und 97 zurück geliefert worden; nach F. Akerblom^) sind hiervon die nördlich und südUch von Jan Mayen ausgegangenen fast aus- nahmslos an der norwegischen Küste und die Mehrzahl nördlich vom Polar- kreise bis Vardö hinauf gelandet; zwei aus der „Zunge" auch auf den Färöern und Shetland Inseln, einige allerdings auch im Süden und Südwesten Islands. — Auch die von H. N. Nielsen") dargestellten neueren Flaschenposten des „Thor" vom Mai 1905 haben zu einem Bruchteil ihre Reise aus dem Südrand der „Zunge" oder nördlich von der „Bucht" angetreten und sind meistens vor und nördlich vom Drontheimfjord bis nach Finnmarken und über das Nordkap hinaus gelandet. Aber von zwei im Süden von Island (63° 27' N. B., 16 " 24' W. L., 25 Mai 1905) ausgeworfenen Flaschen ist die eine nach 191 Tagen im Norden der Vestmaninseln, die andere nach 190 Tagen auf der Shetlandinsel Burra gefunden: ein Beweis, wie in der Tat die Bewegungen über der Island- Färö-Shetland-Bank gemäß der Zeichnung in Fig. 176 wesentlich nach Osten führen können. Neben diesem großen Südwirbel treten im Atlantischen Strom auch kleinere auf, was der reich gegUederte Kontinentalsockel, wie es scheint, an gewissen Stellen begünstigt; wie Heiland-Hansen und Nansen meinen, ist der von Dront- heim in der Richtung auf Jan Mayen hin erstreckte Helgelandrücken wesentlich für die Anordnung auch des großen Südwirbels maßgebend. Die von uns bei einer früheren Gelegenheit (Bd. I, S. 346, Fig. 46 und Bd. II, S. 187) erwähnte, sonderbare Anordnung der Isohalinen im Atlantischen Strom nordwestwärts vom Kap Stat im Mai 1904 wollen die beiden norwegischen Ozeanographen nicht auf interne Wogen, sondern auf Wirbel mit senkrechter Achse zurück- führen: eine Achse wird bei Station N 38 angenommen, wobei dann das leichte Wasser des Küstenstroms nach N 70 und N 37, das schwere atlantische nach N 69 hingewirbelt wird und demgemäß die unter N 69 liegenden Gewässer entgegengesetzt nach Südwesten (senkrecht aus der Papierfläche heraus) strömen; ein zweiter Wirbel schon aus gemischtem Wasser liegt noch weiter nach Westen bei N 67. Ein Strom, der durch solche Wirbel behindert wird, kann als Ganzes nur einen langsamen Fortschritt auf seinem Wege erzielen, und in der Tat haben die beiden norwegischen Forscher teils durch Strommessungen, teils durch Analyse dynamischer Schnitte, teils aber auch durch die Zeit, in welcher sich abnorm hohe oder niedrige Temperaturen im Atlantischen Strom fortpflanzen, ein Urteil über die vorhandene, sehr mäßige Geschwindigkeit gewonnen: diese ist in der Hauptmasse des Stroms, wenn die ganze Strecke vom Nordseeplateau bis zu den Lofoten hinauf betrachtet wird, auf durch- schnittlich nur 1 bis 3 Seemeilen im Etmal zu bemessen; näher am Außenrande der Küstenbank steigert sie sich auf 5 bis 9 Seemeilen in 24 Stunden, an einzelnen Stellen auf das Doppelte, besonders im Winter unter der Beihilfe starker Südwestwinde. Als in der Zeiteinheit bewegtes Volum erhalten die beiden in erster Annäherung für 1904: 1) Uppsala Universitets Arsskrift 1903, II, p. 49 und Karte Taf. IV. *) Meddelelser fra Kommissionen etc. Hydrografi I, Nr. 11, Kopenhagen 1908, p. 8. Das Europäische Nordmoer. 655 im Färö-Shetlandkanal . . 4.5 Mill. cbm p. S. oder 140 000 cbkm im Jahr, seewärts von Kap Stat . . 3.8 „ „ „ „ „ 119 000 „ „ „ westwärts von den Lofoten. 2.3 „ „ „ „ „ 72 000 „ „ „ Diese Abnahme ist leicht verständlich, da nur Wasser von 35 Promille und mehr Salzgehalt gerechnet wurde und dieses durch Zumischungen nicht nur von der „Zunge" aus, sondern auch vom norwegischen Küstenstrom her stetig verdünnt werden muß. Im Jahre 1903 waren die bewegten Volumina etwas größer: beim Kap Stat 4 Millionen, bei den Lofoten 2.7 Millionen Kubik- meter p. S. Der Weg von der Höhe des Sognefjords bis zur Lofotenbank wird ungefähr in einem Jahr, nach der Nordlandsküste östlich vom Nordkap zur Murmansee in zwei Jahren zurückgelegt; am Rande der Küstenbank wird der Fortschritt allerdings etwas rascher vor sich gehen (vgl. Bd. I, S. 442). Der eben erwähnte norwegische Küstenstrom bewegt sich in gleicher Richtung wie der Atlantische Strom, nur daß er den Raum über dem mehr oder weniger breit entfalteten Schelf einnimmt. Er ist als unmittelbare Fortsetzung des Baltischen Stroms aufzufassen, und wie dieser aus den Fjorden des südlichen Norwegen stetig Landwasser empfängt, so ist er der Haupt- sammler des aus den weiter nördlich gelegenen Fjorden herausfließenden Süß- wassers. Daß er damit die Dichtigkeitsfläche entlang der ganzen Küste hebt, ist bereits gesagt (oben S. 648); die abströmenden Gewässer aber aspirieren in der Tiefe einen Bodenstrom schwereren atlantischen Wassers, das sich bei örtlich verstärkten Gezeitenströmen und oft heftigem Seegang in den Außen- teilen des Schelfs mit den leichteren Oberschichten vermischt. Die Geschwindig- keit dieses Küstenstroms ist gering und dürfte nach zahlreichen Messungen Heiland-Hansens wenigstens im Sommer nicht über 5 oder 6 Seemeilen täglich betragen; wahrscheinlich werden die im Winter oft sehr starken und an- haltenden Südwestwinde auch ihn merklich beschleunigen. — Die Strom- bewegtmgen in den bekanntlich recht tiefen norwegischen Fjorden selbst sind ebenfalls gelegentlich geraessen worden, so im Hjösenfjord (nordöstlich von Stavanger) tmd namentlich im Byfjord bei Bergen. Die im letzteren von der Biologischen Station in Bergen aus häufiger ausgeführten Strombeobachtungeu hat A. G r u n d '^) sorgfältig bearbeitet. Es handelt sich um sehr verwickelte Erscheinungen. An der Grenzschicht des die Oberfläche beherrschenden Land- wassers gegen das zunächst darunter liegende salzigere Wasser treten interne Wogen auf, die das Strombild mit ihren Orbitaibewegungen sehr entstellen; dazu kommen die Gezeitenströme, welche die ganze Wassersäule erfassen, und so ist die in mittleren Schichten als Kompensatipnsstrom fjordeinwärts drängende Zufuhr schwereren Wassers oft undeutlich, kommt aber in längeren kontinuierlichen Beobachtungsserien immerhin zum Vorschein. — Bemerkenswerte Beziehungen zwischen der wechselnden Fülle und Tem- peratur des Atlantischen Stroms in den verschiedenen Jah,ren haben Heiland- Hansen und Fr. Nansen aufgedeckt"). Mit der Höhe der Temperaturen schwanken die Erträgnisse des Ackerbaus unmittelbar; ungewöhnlich hoher Wärmeinhalt des Atlantischen Stroms im Mai vor dem Sognefjord liefert eine besonders gute Ernte von Gerste und Hülsenfrüchten im Herbste desselben Jahres, hat aber auch eine deutliche Verfrühung der Dorschfischerei bei den Lofoten im darauf folgenden Frühjahr und ein Zurückweichen des Treibeises in der Barentssee zwei Jahre darauf zur Folge. Hierfür muß aber der gesamte Wärmeinhalt des Atlantischen Stroms festgestellt werden, der sich von Jahr zu Jahr anders verhalten kann, als die Oberflächen temperaturen, die man bisher allein derartigen Vergleichen zugrunde zu legen pflegte. >) Internat. Revue der ges, Hydrobiol. u. Hydrogr. 1909, Bd. II, S. 31. *) Übersichtlich auch dargesteUt in der Internat. Revue der ges. Hydrobiologie und Hydrographie Bd. II, Heft 3, S. 338 f. 656 Die Strömunsfen der atlantischen Nebenmeere. Außer dem Südwirbel ist auch im Nordteil des Nordmeers ein zweiter in komplizierter, aber zyklonaler Form vorhanden; er ist in Fig. 177 zusammen mit dem Salzgehalt für ein Tiefenniveavi von 100 m dargestellt. Man bemerkt, wie der warme Spitzbergenstrom bei 79 ° N. B. in drei Äste zerfällt, von denen die zwei kleineren nach Norden und Nordosten ins zentrale Polarbecken hinüber- treten, während die Hauptmasse auf Grönland hin nach Westen abschwenkt. Dabei wird aus der Gegend nördlich von Jan Mayen eine zweite Zunge von arktisch kaltem und salzarmem Wasser aus dem Ostgrönlandstrom in den Fig. 177. Verteilung des Salzgehalts und vorherrschende Stromrichtungen im nördlichen Teil des Europäischen Nordmeers in 100 m Tiefe (nach Heiland-Hansen und F. Nansen). Wirbel hineingezogen: es ist das die Eiszunge {Is odden) der norwegischen Seehundsjäger, die dort die Phoca groenlandica im März in ungezählten Massen vorfinden. Ihre Gewässer liefern mit dem zugemischten atlantischen Wasser im Zentrum des nördlichen Wirbelteils jene Schichten von 34.8 Promille Salzgehalt und — 1.3° Temperatur, die, im Winter von der Oberfläche bis in die Tiefe hinab homogen, alsdann den Bodenraum unterhalb von 1000 m Tiefe im ganzen europäischen Nordmeerbecken erfüllen (vgl. Bd. I, S. 443). Von den eisführenden Strömungen ist der Ostgxönlandstrom leider noch nicht so eingehend erforscht, wie man wünschen möchte. Die neiueren Untersuchungen auf den Expeditionen von F. Nathorst xmd vom Die Barentssee. 657 Prinzen Heinrich von Orieans lassen aber so viel deutlicli erkennen, daß die Auffassung 0. Petterssons über die Bedeutung der Eisschmelze für diesen Strom nicht zutrifEt. Der Ostgröhlandstrom besteht größtenteils aus dem gefrorenen und wieder geschmolzenen Landwasser der nordasiatischen und nordamerikauischen ins Eismeer einmündenden Flüsse. Im Sommer wird das Eis, das auch in den größten Torossen (Bd. I, S. 512) nicht über 60 m tief eintaucht, durch die Sonnenwärme und die sonstigen, aus der Atmosphäre her wirkenden Kräfte aufgelöst und es ruht dann in einer nur wenige Meter mächtigen Schmelzwasserschicht von 1 ° bis 2 ^ Temperatur, während darimter Sommers und Winters die Thermometer nur — 1° bis — 1.8° zeigen; so be- herrscht der Strom wesenüich die Schelfflächen vor Ostgrönland bis 200 m Tiefe hinab. Die warme Zwischenschicht, die nach Petterssons Theorie (oben S. 512) aus der Feme herbeigezogen werden soll, wird vom Eis überhaupt nicht berührt. Es sind nur vereinzelte sehr große Eisberge, die gelegentlich die Zwischenschicht erreichen: diese selbst wird von Fr. Nansen aus dem Spitz- bergenstrom abgeleitet und bewegt sich im übrigen mit dem Ostgrönlandstrom zusammen in gleicher Richtung, wobei ihr Wasser in Salzgehalt und Tem- peratur durch die entstehenden Wirbel mit jenem vermischt wird, so daß in der südlichen Zunge kaum mehr Reste der ehemaligen höher temperierten und salzigen Schicht erkennbar sind. Nach Petterssons Theorie müßte es aber, bei der größeren Nähe des atlantischen Wassers im Süden, gerade umgekehrt sein und könnte sich jene charakteristische „Zunge" nördhch vom Färö-Island- rücken überhaupt nicht ausbilden in der Mächtigkeit, wie sie tatsächhch bis über 300 m Tiefe hin mit ihren arktischen Merkmalen alles beherrscht. Die Strömungen der Barentssee sind sowohl durch norwegische, wie namentlich durch russische Beobachtungen in den letzten Jahren genauer erforscht worden ^). Wir haben hier ein Meeresgebiet vor uns, wo die aus dem Atlantischen Strom des Norwegischen Nordmeers ein- dringenden Gewässer in engste Berührung mit solchen gelangen, die teils an Ort und Stelle, teils im großen zentralen Nordpolarbecken mit niedriger Temperatur ausgestattet, trotz ihres relativ geringen Salzgehalts ungefähr von gleicher Dichtigkeit sind, wie die ihnen begegnenden ursprünglich atlantischen Gewässer, die dann aber weiter im Osten wegen ihres höheren Salzgehalts unter die dort leichteren arktischen Schichten untertauchen. Der Nordkapstrom hält sich am längsten, er beSpült die Murman- küste, dringt über und in einer Rinne von 200 bis 300 m Tiefe in 71 » N. B. über 45® 0. L. ostwärts vor und gelangt, wie schon Nansen auf der Framfahrt erkannte, in einer zwischen 100 und 200 m messenden schmalen Einsenkung bis vor die Südküste Nowaja Semljas; die so zahlreich nicht nur dort, sondern an allen Küsten der Murmansee bis in die Petschora- mündung hinein angetriebenen Glaskugeln, mit denen die Fischer auf den norwegischen Bänken die Treibnetze zu versehen pflegen und die der Sturm abreißt, liefern einen anschauhchen Beweis für den Zusammenhang dieser entlegenen Gewässer mit den spezifisch atlantischen der norwegischen Küste. Ein anderer Zweig geht vom genannten Punkte in einigem Ab- stände von dieser Insel, aber ungefähr parallel mit ihr submarin n^t^L Norden, wo er sich, einer Bodenvertiefung zwischen Nowaja Semlja und ^) Vgl. Heiland-Hansen und Fr. N a n s e n, a. a. O. S. 263 f.; N. K n i- powitschin Ann. d. Hydr. 1905, S. 193 fif. und Taf. 7; L. L. Br eitfu ß in Petenru Mitt..l904, S. 35 und Taf. 3 u. 4. Vgl. auch oben S. 500, Fig. 137. Krümmel, Ozeanographie. II. 42 (358 I^ie Strömungen der atlantischen Nebenmeere. Franz-Joseplisland folgend, ins Zentralbecken ergießt. Ähnlich wendet sich südlich von der Bäreninsel ein letzter Zweig des wannen Stroms nach Nordosten, um, alsbald vom kalten, aber leichten arktischen Wasser überlagert, zwischen Spitzbergen und Franz- Josephsland dahin zu gelangen. Nach Heiland-Hansen und Nansen liegt südlich von der Bären- insel ebenfalls ein kleiner Wirbel (s. Fig. 177, S. 656); es ist auch wahr- scheinhch, daß andere die Zweige des warmen Stroms in der Barentssee begleiten und daß die von Knipo witsch und Breitfuß gezeichneten keil- förmigen Durchdringungen der warmen und der arktischen Gewässer bei speziellerem Studium solche Wirbel ergeben werden, wie sie uns nun als eine ständige Begleiterscheinung an den Berührungsflächen heterogener Strömungen bekannt sind. Eine besondere Bedeutung gewinnt zeitweiUg der kalte Bäreninselstrom, wie ihn die beiden norwegischen Ozeanographen nennen; er kommt aus der breiten Barentssee und hält sich an den Südabfall der Bäreninselbank. Da er aber wenig Volum hat, ist er leicht in der einen oder anderen Richtung abgelenkt, was nicht hindert, daß er mit seinem Treibeis die Bäreninsel in empfindUcher Weise blockieren und der Schiffahrt lästig werden kann. Überall liegen hier in den Grenzgebieten Wassersäulen von sehr ver- schiedener Herkunft in labilem oder indifferentem Gleichgewicht nebeneinander. So hat arktisches Wasser, dessen Salzgehalt durch Zumischung von etwas atlantischem auf 34.7 Promille erhöht ist, bei - - 1 " dieselbe Dichte wie reines atlantisches Wasser von 35.0 Promille bei +2 72°, nämlich 1.027 "Oö. So kann es kommen, daß die Äste des Atlantischen Stroms unter die Flächen des arktischen Wassers untertauchen, aber auch, weiter ins Polarmeer hinein vor- gedrungen, wieder inselförmig an die Oberfläche hinaufreichen und Warm- wasserflecke bilden können, wenn die arktische Decke unter — 1 ° abgekühlt und damit schwerer wird, oder wenn sich dem in der Tiefe bewegten warmen Wasser ein mechanisches Hindernis entgegenstellt. Sehr starke Dichtegradienten werden auf diese Weise nicht entstehen; nur entlang den Küsten mit ihren Landwasseransammlungen dürfen wir sie erwarten, und vom Nordkapstrom haben wir sie bereits im Allgemeinen Teil erwähnt (oben S. 500 und Fig. 137). Unter solchen Umständen gewinnen hier die Luftströmungen als trifterzeugende Kräfte eine große Bedeutung und erklären sich die rasch wechselnden Areale der Fahrwasser- und der Treibeisflächen, wie sie im Gebiet südlich von Spitz- bergen und Franz-Josephsland an der Tagesordnung sind. Die allgemeine Tendenz der Landwasseransammlung, die die obere Decke des eigentUchen Nprdpolarbeckens bildet und die beim Überwiegen des Niederschlags über die Verdunstung dem Arktischen Mittelmeer im allgemeinen einen höheren Niveaustand gegenüber dem Ozean bringen muß, geht nach außen, also auf das Haupttor zu beiden Seiten von Spitz- bergen, namentlich zwischen Grönland und Spitzbergen hin. In klarer Weise ist diese Sachlage zuerst von Fridtjof Nansen^) erkannt worden. Dieser Abströmung gehören aber auch noch andere kleinere Zweige an. Schon Friedrich Lütke bemerkte 1828, daß aus der Karastraße ein kalter Strom an der Süd- und Westküste von Nowaja Semlja entlang geht, der aber, wie Nansen zeigte ''), nicht immer an der Oberfläche bleibt, 1) Oceanography of the North Polar Basin, Kristiania 1902, p. 315, 359. *) A. a. O. S. 271 ; vgl. auch die Karten von Knipowitsch und Breit- f Q D (oben S. 667 Amn. 1). Die Barents- und Karasee. 659 sondern wenigstens streckenweise in die Tiefe taucht; Nansen nannte ihn den Lütkestrom. Ein zweiter Strom führt kaltes eisreiches Wasser zwischen Nowaja Semlja und Franz-Josephsland, ein dritter zwischen dem letzteren Archipel und Spitzbergen nach Südwesten und Westen. Andere sekundäre Abflüsse werden wir im nordamerikanischen Gebiet zur Baffinbai und Davisstraße hin zu erwähnen haben. Ganz allgemein kann der hier vorliegende Prozeß auch durch die Knudsen- schen Relationen ausgedrückt werden, wobei wir die aus- und einfließenden Massen u und i nicht als über-, sonder nebeneinander bewegt betrachten. Der Rauminhalt des einströmenden atlantischen Wassers, und zwar nur auf der Shetland-Färö-Islandschwelle genommen, sei rund 140Ö00cbkm im Jahr; der mittlere Salzgehalt sei s = 35.2 Promille, der des Ostgrönlandstroms (bis 200 m Tiefe) z = 33.7 Promille. Dann wird gemäß der Relation u :i — s :z der Ausfluß u = 146 200 cbkm, so daß also im ganzen arktischen Becken an Landwasser und Niederschlag eine Zufuhr von 6200 cbkm jährlich hinzukommen muß. Nach R. Fritzsche^) beträgt das ganze Einzugsgebiet des Arktischen Mittelmeers 22 780 000 qkm und die gesamte Regenmenge 7325 cbkm jährlich. Hiernach würde auf die Verdunstung, wenn die reine Zufuhr mit 6200 cbkm richtig angenommen ist, ein Quantum von 1125 cbkm oder 15.4 Prozent, rund Ve des Niederschlags im ganzen Gebiet entfallen: es gäbe das gemäß einer mittleren Niederschlagshöhe von 322 mm die kleine Verdunstungsliöhe von 50 mm im Jahr, was für die Polarregion selbst gewiß eher zu viel als zu wenig erscheint, wohl aber viel zu gering für das fast doppelt so große Landgebiet. Nehmen wir aber einmal das Zentralbecken für sich, so erhielten wir auf 8 Millionen qkm mit einem Niederschlag von 340 mm (nach Fritzsche) im Jahr 2720 cbkm Wasser; auf den Landflächen (14.78 Millionen qkm) gemäß den genauer bekannten Verhältnissen im Ob j gebiet mit einem Niederschlag von 300 mm und einer Verdunstung von 233 mm einen Nettoniederschlag von 990 cbkm, folglich mit dem Zentralbecken zusammen rund 3700 cbkm, wenn in diesem selbst die Verdimstuug — Null gesetzt wird. Von der gesamten im Ausstrom zum Vorschein kommenden Zufuhr von 6200 cbkm entfallen also 3700 oder % auf Niederschlag und liandwasser, Vs ^uf Meerwasser, so daß von den eingeströmten salzreichen atlantischen Gewässern ^/gg im Ostgrönland- strom wieder aus dem Arktischen Mittelmeer in den Ozean zurückkehrt. Es ist anzunehmen, daß diese Rechnung wenigstens in der Größenordnung ihrer Endresultate nicht allzusehr von der Wirklichkeit entfernt bleibt. In der Karasee scheint nach den Erfahrungen von Nordenskiöld und Nansen ein zyklonaler Wirbel, namenthch ivi Südteil, aufzutreten, der entlang der Ostküste von Nowaja Semlja Strom nach Süden, an der Westküste von Yalmal solchen nach Norden erzeugt. Die großen, aus dem Obj und Jenissej hinaustretenden Landwassermengen werden eine derartige Bewegung wenigstens im Sommer entschieden begünstigen. Doch haben auch hier die Winde, wie aus dem überaus rasch und stark wechselnden Eisvorkommen zu schheßen, einen recht großen Einfluß. — Sonst gehen die Strömungen im sibirischen Teil des Nordpolarbeckens nach Fr. N a n s e n 2) vorherrschend nach Nordwesten. Die zu Scmaoen von der gesunkenen „Jeanette" (77.6» N. B. im Juni 1881) auf das Fest- land im Süden zustrebende Mannschaft trieb in 8 Tagen um 27 Seemeilen *) Niederschkg, Abfluß und Verdunstung, S. 5L «) Oceanogr. of the North Polar Basin, p. 299 ff. QQQ Die Strömungen der atlantischen Nebenmeere. nach Nordwesten; ähnlich sah schon nicht nur Leutnant Anjou im März 1822 nördUch von der neusibirischen KesseUnsel das Eis nach Westen treiben, obwohl der Wind aus dieser Richtung kam, sondern auch der ältere Wrangell berichtete, daß im sibirischen Nordmeer der Strom im Sommer nach Westen, im Herbst dagegen nach Osten setze ^). Jedenfalls ergeben die Triften der „Jeanette" (vom September 1880 bis Juni 1881) im Ostgebiet von der WrangelUnsel bis De Longinsel und später , der „Fram" vom September 1893 bis JuU 1896 im Westgebiet zwischen den Neusibirischen Inseln und Spitzbergen eine unzweifelhaft vorherrschende Trift nach westlichen Richtungen. Näher am Land sollte man mit M o h n 2) wenigstens einen Küstenstrom auf dem seichten sibirischen Schelf nach Osten erwarten oder mehr nach Nordosten, wenn wirWalfrid Ekmans Konstruktionen solcher Konvektionsströme (oben S. 505 Fig. 138) lieber zugrunde legen wollen. Wie lange bekannt, kommen auf diesem Wege die Treibhölzer aus den sibirischen Flüssen, deren Frühjahrs- eisgang die Ufer zerstört, fortgesetzt sehr reichlich in die See hinaus; sie können aber nach dem vorher Gesagten keinen größeren Umweg nach Osten machen, da der äußere Schelfrand schon jene ausgeprägt westlichen Strömungen aufweist. Es sind eben die gesamten Gewässer des inneren Polarbeckens vermöge ihres höheren Niveaustandes in anhaltender Be- wegung auf das Hauptausflußtor zwischen Ostgrönland und Spitzbergen begriffen. Auf der zutreffenden Erkenntnis dieser Stromrichtung im Kopfe Nansens gründete sich der Erfolg der Framfahrt, nachdem schon die aufsehenerregende Trift gewisser Wrackreste der gesunkenen „Jeanette", die 1884 bei Juhanehaab im südwesthchen Grönland aufgefunden wurden, den Zusammenhang zwischen dem Ostgrönlandstrom und den ostsibirischen Gewässern anschauUch genug dargetan hatte. Aus einer genaueren Analyse der verworrenen Trift der „Fram", wobei er versuchte, die eigentliche Windwirkung auszuschalten, gelangt Nansen^) zu einer Bewertung des Konvektionsstroms auf 0.5 bis 1.0 Seemeilen im Etmal, wobei im Osten die kleineren, im Westen näher nach dem Grönlandtor hin die größeren Stromsttärken gelten; die Bewegung ist also sehr langsam mit durch- schnittlich nur 0.73 Seemeilen im Etmal. Die Richtung ergab sich im östlichen Stück nach WNW (N 54° W) gegen SSW bei S|jitzbergen, hier also genau in der Richtung des Stroms, gegen welchen einst Parry im Juli 1823 seinen Vor- marsch gegen den Nordpol aufgeben mußte. Sehr geringe Geschwindigkeiten lassen sich auch aus dem Triftexperiment des amerikanischen Admirals Melville erschließen, der mit Unterstützung von H. G. Bryaut 50 spindelförmige Tönnchen herstellen und sie von Wal- fängern in der Bcaufortsee und bei der Wrangellinsel in den Sommern 1899 bis 1901 auf Eisschollen aussetzen ließ. Vier dieser Tönnchen sind wieder ge- funden; zwei seilen an den ihrem Aussatzpunkte nahen sibirischen Küsten, zwei andere aber sind quer über das ganze Zentralbecken in den Bereich des Europäischen Nordmeers gelangt. Eine am 13. September 1899 bei Kap Barrow dem Eise anvertraute Tonne ivurde am 7. Juni 1905 an der Nordküste von Island beim Kap Rauda-Nupr gefunden; die zweite war sogar östlich von der Mackenziemündung beim Kap Bathurst ausgesetzt und kam am 3. November 1) Peterm. Mitt. 1879, S. 170. 2) Peterm. Mitt. 1884, S. 250. 3) A. a. O. S. 359. Das arktische Zentralbecken. 661 1908 an der norwegischen Küste unweit Hammerfest auf Sörö ans Land^). Wir können in diesen Fällen über den zurückgelegten Weg nur allerhand Mutmaßungen äußern; die erste Tonne hat aber mindestens 2500 Seemeilen, die andere mindestens 3660 Seemeilen, also beide täglich höchstens 1.2 See- meilen durchschnittlich durchmessen; waren die Wege in Wirklichkeit länger, so würden sich die täglichen Leistungen entsprechend vermindern. Auch liegen etwaige größere Geschwindigkeiten imzweifelhaft im Bereiche des Euro- päischen Nordmeers. Die zweite Tonne war wohl mehr entlang der amerikani- schen Seite des Zentralbeckens, also bei Grantland und. Pearyland vorbei getriftet, in welcher Gegend Peary selbst im April 1906 starken Strom nach Osten fand und möglicherweise nahe bei diesem Triftkörper vorbeikam. Daß die Strömung vom sibirischen Küstenmeer aus in den Ostgrönland- strom hinüberleitet, beweisen die zahlreichen sibirischen Treibhölzer, welche im Norden von Spitzbergen, sowie an der Küste Ostgrönlands reichlich bekannt geworden sind. Unter 25 Treibholzfunden von der zweiten deutschen Nordpol- expedition unter Kapitän K o 1 d e w e y gehörten 17 der sibirischen Lärche, 5 einer nordischen Fichte (wahrscheinlich Picea obovata), zwei der Gattung Alnus {A. incana?) und einer dem Genus Populus (P. iremvla?) an. Auch unter den sehr zahlreichen, von Nathorst 1898 und 1899 auf der Bäreninsel, Spitzbergen, Jan Mayen und. Ostgrönland gesammelten Hölzern überwogen bei weitem solche sibirischer Herkunft, wie F. Ingvarson auf Grund sorgsamer mikroskopischer Analysen erwies (Kgl. Svenska Vet. Akad. Handl. Uppsala 1903, Bd. 37, Nr. 1). Daß nach Grönland auf solchem Wege sogar eine Reihe sibirischer Pflanzenformen eingewandert seien, hat Grisebach ziemlich überzeugend dargestellt (Veget. d. Erde I, 62). — Dieses sibirische Lärchenholz treibt übrigens bis zur Nordküste Islands hinab und mischt sich daselbst unter die vom Irmingerstrom herzugeführten westindischen Hölzer. Daß dann entlang der Ostküste Grönlaüds auch in niederen Breiten noch alles Treibholz der gleichen sibirischen Abkunft sei, hat schon der alte Crantz in seiner Beschreibung Grönlands behauptet, indem er in demselben Lärchen, Tannen, Zirbeln und Espen erkannte, wie sie auf amerikanischem Boden nirgends, wohl aber in dieser Vergesellschaftung im nördlichen Sibirien wüchsen. Immerhin sind von Ingvarson auch kanadische Koniferen im Treibholz ge- funden worden. Die Bewegungen der Tiefenschichten im zentralen Nordpolarbecken hat Fr. Nansen mit großem Scharfsinn erörtert und namentlich aus der Verteilung der Temperaturen und Salzgehalte gewisse Schlüsse gezogen'^), auf die bereits bei früherer Gelegenheit (Bd. I, S. 451 f.; vgl. 347) Bezug genommen ist. Es handelt sich wesentlich um die, sogenannte warme Schicht, die mit Temperaturen von 0° bis 1.1 ° in den Tiefen von 170 oder 200 m bis etwa 700 oder 800 m hin mit Salzgehalten zwischen 35.0 und 35.1 Promille unter der oberen sehr kalten Decke lagert. Nansen leitet sie von dem zu beiden Seiten von Spitzbergen und zwischen Franz- Josephsland und Nowaja Semlja in die Tiefe gesunkenen Resten des „Atlantischen Stroms" her (s. oben S. 656), der rechts an den Sockel des sibirischen Schelfs gelehnt nach Osten und weiter ebenso am Steilabfall des die Beaufortsee und Nordgrönland begleitenden Schelfes entlang fließt, um dann allmählich durch Mischung und Diffusion mit den darüber und darunter liegenden Schichten seine Temperaturen und seinen Salzgehalt M Geogr. Journal 1905, Bd. 26, S. 676; Geogr. Zeitschr. 1909, S. 292. 2) Oceanogr. of the North Polar Basin, p. 331, 394, 413. 662 I^ic! Strömungen der atlantischen Nebenmeere. auszugleichen. Auch Hinweise auf interne Wogen zwischen den so ver- schiedenen Schichten hat Nansen aufgefunden^). Dieser äußerste Aus- läufer des Atlantischen Stroms ist eine Kompensationsbewegung gegen den ausfließenden Oberstrom, so daß das ganze System den Vorgängen im Skagerrak oder Kattegat verwandt ist. Wenn schon in dem sibirischen Nordmeer vieles Hypothetische von den Stromvorgängen gesagt werden mußte, aber doch im ganzen und großen ein Bild derselben hervortrat, so sind wir über die Wasserbewegungen des „Amerikanischen Nordmeers" so wenig unterrichtet, daß es sich nur eben lohnt, das wenige Tatsächliche zusammenzutragen 2). In deutlichen Beziehungen zum Labradorstrom und dessen Zufuhr- strom in der Baffinbai stehen offenbar die Strömungen im Parryarchipel. Als Kapitän K e 1 1 e 1 1 am 15. Mai 1854 am westlichen Ende der Barrow- straße in 74« 40' N. B. und 101» 15' W. L. sein Schilf „Resolute" auf Befehl des Geschwaderchefs Sir Edward Belcher im Eise verließ, ahnte er nicht, daß am 14. September 1855 dasselbe Schiff wohlbehalten unweit des Cumberlandsundes in der Davisstraße (in 64.5 ° N. B. und 62° W. L.) von einem amerikanischen Walfischfänger treibend angetroffen werden würde; das Schiff hatte also in 16 Monaten mindestens 1200 See- meilen oder täglich 2.5 Seemeilen unter Einwirkung des Stroms zurück- gelegt. Beweise für eine Aspiration der Gewässer nach gleicher Richtung gewähren auch die Strombeobachtungen Sir Edward Belchers im North- umberlandsund der Pennystraße: der Strom setzte (ebenso wie die Flut) in derselben südwärts, auch die Windrichtung war vorherrschend dabei Nordwest. — Unter dem zu beiden Seiten der Pennystraße spärlich ge- fundenen und meist sehr gealterten Treibholz wollte man Lärchenholz erkennen, welches Belcher aus dem Mackenzieflusse ableitete. Auch die weiteren Treibholzfunde sind einer Trift von Westen und Nordwesten her am günstigsten: so an der Nordseite der Melvilleinsel im innersten Teile der Heclabai bei Nias Point; an der Nordwestküste der Prinz-Patrick- Insel und ebenso, in schon subfossilem Zustande, in einiger Höhe über dem Meeresspiegel bei Kap Manning und im Hintergrunde von Walker Inlet, sämtlich Lärchenstämme von großen Dimensionen, aber unter der Rinde völlig verwittert^). Aus diesen Daten wie aus der Trift der „Resolute" läßt sich im Be- reiche des Parryarchipels ein allgemeiner Drang der Gewässer nach Osten folgern. In der inselfreieren See im Westen dieses Gebiets, der Beaufortsee, aber sind nur sehr widersprechende Daten aufzuführen. Aus zahlreichen Berichten von Walfängern entnahm Petermann"), daß von Kap Barrow der Strom nach Südosten gehe, während (im Sommer wenigstens) ein Nordweststrom von Point Hope (68.3 » N. B. , 166.6 " W. L.) auf die Wrangell- insel setze; letzterer, außerdem noch durch die Trift des Schiffs „Grati- 1) A. a. O. S. 346. *) Vgl. für dies wie das folgende auch Dr. L. M e c k i n g. Die Eistrift aus dem '^reich der Baffinbai beherrscht von Strom und Wetter. Veröff. d. Instit. f. Meeres- i unde usw. Heft. 7, Berlin 1906. 8) Pet. Mitt. 1855, S. 107 f. Vgl. auch 1906, S. 19 (G. Isachsen). «) Mitt. 1869, S. 35. Das Am3rikani8che Nordmeer und die Baffinbai. 663 tude" im Jahr 1865 bezeugt, würde einen Anschluß an die gleiche Strö- mung gewinnen, welcher die „Jeanette" verfiel. Ich verzichte darauf, Beziehungen zwischen dieser Strömung und der im Parryarchipel angeblich Treibholz aus dem Mackenziefluß ansammelnden Ostströmung aufzusuchen, und begnüge mich, hinzuzufügen, daß die vorherrschenden und dabei auch am stärksten auftretenden Windrichtungen in der amerikanischen Polar- station Uglamie bei Point Barrow (71« 17' N. B., 156" 23' W. L.) in 15 von 21 Monaten östliche waren und daß die Triften der beiden Melville- tonnen entschieden polwärts geführt haben müssen (s. oben S. 660). Nordenskiöld dagegen hat in diesem Gebiet eine kreisende Meeres- strömung finden wollen, indem er von der Beringstraße einen Strom nach Nordosten zum Kap Barrow führt, während im Westen der Beau- fortsee ein kalter Strom nach Süden fließen und längs der Küste des Tschuktschenlandes ostwärts sich wendend in die Beringstraße von Norden . Fig. 178. Strömangen der Davisstraße und Baffinbai (nach L. Hecking). eintreten soll. Die schmale und seichte Beringstraße selbst bleibt auf die Wasserbewegungen der ihr benachbarten Teile des Eismeers ohne Be- deutung. Näher nach der Baffinbai hin wird der Oststrom im Lancaster- und Jonessund, der Südstrom im Kennedykanal und Smithsund stetig kräf- tiger: bis hier hinauf macht sich alsbald der Gegensatz zwischen dem Westgrönland- und Labradorstrom bemerkbar. Doch ist aus den Eis- bewegungen erschlossen worden, daß hier nicht eine so einfache Anordnung der Wasserbewegungen herrscht, wie weiter südlich in der Davisstraße: die Polarfahrer unterscheiden hier neben dem nördlich gerichteten West- grönlandstrom und seinem Gegenpart, der Westeisströmung, eine besondere nach Süden gehende Mitteleisströmung (s. beistehende Fig. 178). Wir haben bei Darstellung der Wassertemperaturen die eigenartige Entstehung dieses Mitteleisstroms bereits zu erklären versucht (Bd. I, S. 454), wobei auch auf die warme Unterströmung Bezug zu nehmen war, die sich dem Oberflächenstrom entgegen in den Smithsund und wohl auch in den Jones- und Lancastersund hinein bewegt, wobei sie sich, wie das bei dies'en Unter- 664 I^ie Strömungen der atlantischen Nebenmeere. strömen auf der nördlichen Hemisphäre die Regel ist, in den betreffenden Straßen an die rechte Seite anschmiegt. 6. Über die Strömungen der Hudsonbai ist zur Zeit noch wenig Sicheres bekannt ^). Im Norden ist durch E. P a r r y der die nordameri- kanischen Fjordstraßen beherrschende Oststrom noch in- der Fury- und Heclastraße tatsächlich beobachtet, und für die Bewegungen im Foxkanal ist die Trift des „Terror" (1836/7) von der Nordspitze der Insel Southampton in die Hudsonstraße und durch diese in die Davisstraße hinein bezeich- nend : die Polarschiffer und Eispiloten rechnen mit Oststrom vornehmlich an der Südseite der Hudsonstraße, wohin sich auch das Treibeis zu ziehen pflegt. An der Nordseite dieser Straße aber ist eine nach Westen gehende Einströmung des Labradorstroms wenigstens bis Big Island hin bezeugt; sie nimmt sogar Eisberge mit hinein. Nach den Aussagen von W. Wakeham^) geht an der Westseite der Southamptoninsel (durch Rowes-Welcomestraße) ein 5 bis 6 Enoten (mit Tidestrom?) erlangender Eisstrom in die eigentliche Hudsonbai hinein und umkreist diese in einem Sinne entgegen dem Uhrzeiger, wie wir das von nordhemisphärischen Nebenmeeren bereits genugsam kennen : die namentlich im Sommer starken Landwasserzuflüsse werden eine diesem Typus entsprechende Dichtigkeitsfläche ausbilden. In der wenig bewegten Mitte der Bucht scheint sich das dem Winter entstammende Eis am längsten in den Sommer hinein zu halten. Ob auch die Winde eine zyklonale Anordnung über der Hudsonbai annehmen, i^t noch unklar, und welche Unterströme im Bereiche dieses kalten Mittelmeers vor- kommen, wissen wir zur Zeit ebensowenig. 7. Für den Golf von St. Lorenz hat zugleich mit der Erforschung der Tiefentemperaturen, Salzgehalte und Gezeiten vornehmüch durch die intensive Tätigkeit von Dr. Bell D a w s o n auch die Kenntnis der Meeresströmungen in den letzten Jahren einen erheblichen Schritt vor- wärts getan ^). Der Typus der ständigen Bewegungen ist auch hier der zyklonale der Nordhemisphäre. In der Cabotstraße haben wir zwei ent- gegengesetzte Strömungen : den Cape-Raystrom an der Neufund- landseite nach Westen in den Golf einströmend, und den eigenthchen Cabotstrom an der Südseite bei Cape North besonders ausgeprägt nach Südosten hinaus, während in der Mitte der Straße Stromstille herr- schen kann. Der Cape-Raystrom ist mit 0.5 bis 1.4 Seemeilen stündlicher Geschwindigkeit den Fischern ebenso wohl bekannt, wie seine Fortsetzung entlang der Westküste Neufundlands nach Norden, wo sie in 7» ^U^r Tage auf einen mäßigen Strom von Vs bis 1 Seemeile in der Stunde nach NNO rechnen. Inder Belleislestra'ße^) sind kräftige Gezeiten- 1) Übersicht bei L. Mecking, a. a. O. S. 24 f. 2). Report of the Exped. to the Hudson-Bay, Ottawa 1898, zitiert bei Mecking, a. a. .0. ') Die verschiedenen, schon oben S. 330 erwähnten Reports of Tidal and Current Survey sind in guten Auszügen in den Ann. d. Hydr. seit 1896 von G. Schott und L. M e c k i n g wiedergegeben; zusammenfassend besonders 1901, S. 124; 1905, S. 146. *) Besondere Darstellung nach kanadischen Quellen von L. Mecking, Ann. d. Hydr, 1908, S. 201. Die Hudsonbai und der St. Lorenzgolf. (565 ströme überwiegend; es zeigt jedoch im allgemeinen der nach Südwesten einlaufende Flutstrom eine geringe Bevorzugung nach Stärke und Dauer, so daß im Frühsommer kleinere Eisberge durch diese Straße bis in den Golf hinein triften können, nicht selten bis zum Kap Mecattina, ganz vereinzelt sogar bis C. Whittle (60° W. L.). In dieser Zeit sind östliche Winde sehr häufig, während im Winter die vorherrschenden und oft sehr starken Nordwestwinde den ausgehenden Strom verstärken, der dann an der Neufundlandseite recht kräftig werden kann. Die sonst übrig bleibenden, die Schiffahrt in diesem engen und nebelreichen Fahrwasser gefährdenden Unregelmäßigkeiten dieser Belleisleströme scheinen nicht nur von den Winden, sondern auch von Barometerdifferenzen zwischen dem Golfgebiet und dem Ozean abzuhängen ; sie verdienten wohl genauer untersucht zu werden. Der schwache aus der Belleislestraße in den Golf eintretende Strom scheint, von den Gezeit-enströmen überdeckt, in der Minganstraße (oder dem Kanadischen Kanal) nördlich von Anticosti nach Westen zu setzen. Aus dem St. Lorenzästuar tritt ein Strom salz- armen Wassers nach Osten hinaus und setzt als Gaspestrom mit großer Stärke und Beständigkeit nach Südosten: bei Fame Point hat Dawson ihn bis zu 2.8 Seemeilen stündlich laufen sehen. Dieser Strom hat aber nur eine geringe Mächtigkeit bis zu 50 oder 70 m Tiefe hinab. Aus einigen Eistriften und den Aussagen der Fischer ist zu entnehmen, daß "an der Südküste von Anticosti der Strom nach Westen geht und zeitweilig einen geschlossenen Wirbelring mit Teilen des Gaspeströms bilden kann. In der ganzen südlichen Bucht an den Magdaleninsöln vorbei setzt der Strom ziemlich beständig nach Südosten, und zwar nicht etwa allein in der tiefen Rinne des Golfs, sondern als Deckschicht verdünnten Seewassers auch über die seichteren Bänke hinweg. In der sogenannten Kleinen Cabot- straße, zwischen St. Paul und dem Nordkap der C. Bretoninsel, verstärkt sich dieser auslaufende Strom auf 1.4 bis 2.3 Knoten, besonders im Früh- jahr, wo die Hochflut des St. Lorenz und die Schmelzwasser der winter- lichen Eisdecke ozeanwärts hinausdrängen. Die nähere Untersuchung zeigt, daß der Cabötstrom erheblich mehr Volum besitzt, als etwa der St. Lorenzfluß liefern kann; es liegt eben eine Zirkulation vor, die auch atlantisches Wasser vom Cape-Ray- und Belleislestrom hineingezogen hat und dem Flußwasser zumischt. Das geht schon aus dem relativ be- deutenden Salzgehalt hervor, der bei Anticosti 28 bis 29 und in der Cabot- straße selbst 30 Promille beträgt, was nach den Knudsenschen Relationen (w : t = 30: 34) dort nur einen Süßwasseranteil von Vj, ergeben würde. Daß in der tiefen Rinne ein Unterstrom ebenfalls atlantisches Wasser in den Golf hineinführen muß, ist aus der Salzgehaltsverteilung zu erschließen (s. Bd. I, S. 357), die bis südlich von Anticosti hin die Isohalinflächen am Boden nach Norden (also rechts) gehoben erweist. 2. Die Strömungen des indischen Gebiets. Wenn wir uns nunmehr der Darstellung der Strombewegungen auch der anderen Ozeane zuwenden, so dürfen wir uns hierbei in den meisten Fällen kürzer fassen. Denn es sind nicht nur die hierfür vorliegenden Beobachtungen längst nicht so umfassend und wissenschaftlich begründet, 6(56 I^ie Strömungen des Indischen Ozeans. wie in vielen Teilen des atlantischen Gebiets, besonders seiner europäischen Nebenmeere, sondern wir werden auch manche theoretische Betrachtung und Konstruktion von Strömungen aus den gegebenen Konstituenten durch Hinweis auf analoge Verhältnisse im atlantischen Gebiet teilweise oder ganz ersparen können. In einer Hinsicht aber steht auch der Indische Ozean als etwas Be- sonderes für sich da: durch sein halbjährlich den Grundtypus der atmo- sphärischen Bewegungen fast diametral änderndes System der Monsune, dem dann auch die Meeresströmungen im wesentlichen folgen. Deshalb macht eine kartographische Darstellung für den Indischen Ozean mindestens zwei Karten erforderlich, eine für den Sommermonsun, eine zweite für den des Winters. Die Übersichtskarten begnügen sich wohl auch mit einem zweiten Strombild in einer Einsatzkarte, wie G. Schott; während die deutsche Seewarte ihrem Atlas zum Segelhandbuch des Indischen Ozeans zwei besondere Karten widmete. Diese konnten nur ein gene- ralisiertes Bild darbieten; viel mehr ins einzelne gehen die im Jahre 1908 von derselben Behörde herausgegebenen „Monatskarten für den Indischen Ozean" (13 Bl.); ebenso behandelt der „Atlas der Stromversetzungen ^) auf den wichtigsten Dampferwegen im Indischen Ozean und in den Ost- asiatischen Gewässern" gewisse besser erforschte Streifen mit erschöpfender GründUchkeit, obschon in einer mehr tabellarisch-statistischen Form. Auf sehr gewichtigem, nicht nur englischem Material beruhen die sehr klaren „Monthly Current Charts for the Indian Ocean"^). Bedeutsam sind auch die älteren und neueren VeröffentHchungen des Kgl. Nieder- ländischen Meteorologischen Instituts 3), zumal sie außer den Strömungen auch die Temperaturen der Meeresoberfläche und die atmosphärischen Verhältnisse für die einzelnen Monate zusammenfassend darstellen. Dem im Atlantischen und Pazifischen Ozean herrschenden Typus der großen Meeresströmungen schließen sich die des Indischen im Winter zur Zeit des Nordostmonsuns am nächsten an. Dem atlantischen Nord- äquatorialstrom entspricht eine allgemeine Westbewegung vom Andama- nischen Randmeer an bis zur Somaliküste, ein großer Südäquatorialstrom herrscht in 10° bis 27'' B. südUch vom Äquator, ein Äquatorialgegenstrom bewegt sich unter 2" bis 5° Südbreite: also bei aller ÄhnUchkeit der große Unterschied, daß das ganze System um nicht weniger als 10® nach Süden verschoben ist und der „Stromäquator" südhemisphärisch liegt. Dagegen ist im Nordsommer zur Zeit des Südwestmonsuns das Bild total verschiedeit : der Südäquatorialstrom herrscht zwar auf seinem alten Gebiete, hat seinen Bereich aber nach nordwärts ausgedehnt bis fast 5° S. B., der Äquatorialgegenstrom ist völlig verschwunden, dafür aber 1) Herausgegeben von der Deutschen Seewarte, 52 Karten, Hamburg 1905. «) Erschienen London 1895 als Admiralty Charts 2939—2950. Vgl. außerdem W. L. Dallas und Gilbert T. Walker, Meteorological Atlas of the Indian Seas and the North Indian Ocean. Simla 1908, Karte 1 bis 12 mit Strommitteln für Vier- gradfelder. Die vom Meteorological Council herausgegebenen Meteorological Charts of the Southern Ocean between the Cape of Good Hope and New Zealand, London 1899, enthalten nur dasselbe, wie die vorher erwähnten Monthly Current Charts. ') Waamemingen in den Indischen Ozeaan, in 3 Heften, Amsterdam 1889 bis 1900; Oceanographische en Meteorologische Waamemingen in den Indischen Ozeaan, September, Oktober, November (als Fortsetzung des vorigen), Utrecht 1908. Die Monsunströme. (367 ist der ganze Nordteil des Indischen Ozeans nördlich vom Äquator in kräftiger Bewegung nach Osten. Ein Vergleich mit den gleichzeitigen Windverhältnissen erweist sofort die völlige Abhängigkeit dieser Ströme von den Monsunen. Im Januar und Februar herrscht über dem Arabischen Meer und dem Bengalischen Golf der sogenannte Nordostmonsun : seine Kichtung ist im Golf von Aden aus ONO, an der vorderindischen Küste und der von Belutschistan mehr aus Norden, bei Sokotra mehr aus Nordosten, ebenso im Golf von Bengalen, fast allerorten vielfach von Stillen unterbrochen und stetig nur im Gebiet zwischen der Somaliküste und den Malediven, wie zwischen Ceylon und den Nikobaren entwickelt. Bei der Annäherung an den Äquator nehmen die Stillen zu und schwenkt der Wind durch Norden nach Nordwesten, so daß er namentlich im östlicheren Teil der Zone von 5 ^ bis 10 ° S. B. fast genau aus Westen kommt; das ist der sogenannte Nordwestmonsun des Indischen Ozeans. In 10° S. B. liegt ein besonders stillenreiches Gebiet, das schmal entfaltete Äquivalent der zentralatlantischen Kalmen- zone, und südwärts davon herrscht der Südostpassat, bei Madagaskar aus Ost, in der breiten Mitte des Gebiets aus Südost, näher der australischen Küste mehr aus Süd. Vergleichen wir nun die Strömungen derselben Jahreszeit im ein- zelnen, so zeigt sich für sie die maßgebende Bedeutung der Triftkonsti- tuente und der von den Triften wieder abhängigen Zufluß- und Abfluß- ströme. Im Arabischen Meer entspricht dem Nordnordost- und Nordost- wind ein Triftstrom nach Westsüdwesten und Westen, mit Stromstärken von zumeist 10 bis 20 Seemeilen im Etmal, wobei im Norden und Osten näher den Küsten auch Stromstillen nicht selten sind. Das nach Westen getriebene Wasser staut sich zu beiden Seiten von Sokotra auf; mit großen Geschwindigkeiten bis 30, ja 46 Seemeilen in den Golf von Aden gedrängt, erzeugt es unter der afrikanischen, noch mehr unter der arabischen Küste heftige Neerströme, die bei Kas Fartak schon bis zu 65 Seemeilen im Etmal erreicht haben; anderseits drängt der Oberflächenstrom mit ver- mehrter Kraft durch Bab-el-Mandeb ins Rote Meer hinein. Besonders kräftig strömt dann der Südweststrom an der Somaliküste entlang, wo er schon den griechischen Seefahrern aufgefallen ist (vgl. oben S. 415) und in der Tat mit seiner Steigerung auf mindestens 24, höchstens 84 See- meilen eine machtvolle Wasserbewegung vorstellt. Wo diese an der afrika- nischen Küste den Äquator überschreitet, findet sich ein theoretisch zu erwartender, aber nichtsdestoweniger höchst auffallender Vorgang. Bis zum Äquator hin sehen wir den nordhemisphärischen Strom durch die Erdrotation nach rechts, also dicht an die Küste gedrängt; südlich vom Äquator wechselt die Ablenkung ihr Vorzeichen, und so sehen wir den Strom alsbald von der Küste abschwenken und mit 12 bis 36 Seemeilen Geschwin- digkeit nach Südosten und weiterhin nach Osten in den Ozean hinauslaufen ; an der Küste aber bildet sich aus der flachen Bucht von Sansibar ausgehend ein Kompensationsstrom nach Norden, der hier gegen den Nordostwind aufläuft, und zwar mit Geschwindigkeiten bis zu 55 Seemeilen im Etmal. — Im Rücken dieser Monsuntrift entwickelt sich entlang der Westküste Vorderindiens ein Strom nach Süden, der schon die Bedeutung eines Aspirationsstroms besitzt. Indem aus dem Bengalischen Golf das vom 668 I^ie Strömungen des Indischen Ozeans. dortigen Nordostmonsun gegen die Coromandelküste gestaute Wasser mit großer Kraft die Insel Ceylon im Süden umströmt und westwärts über die Malediven hinweg drängt, kommt es hier zu Geschwindigkeiten von mehr als 48 Seemeilen, im Maximuin 60 Seemeilen im Etmal südlich von Ceylon. Im Nordteil des Bengalischen Golfs aber scheint namentlich bei verbreiteten Windstillen em Neerstrom aufzutreten, der vor dem Gangesdelta nach Osten strebt. Um so beständiger ist zwischen den Nikobaren und Ceylon die Westbewegung mit 24 bis 60 Seemeilen gemäß dem dort beständigeren Nordostwind. Das muß wieder entsprechende Kompensationen im Kücken heryorrufen. So bewegt sich dann durch das Andamanische Randmeer ein Strom nach Süden, dagegen bei den Nias- inseln nach Norden und Nordwesten, indem hierher Teile vom Nordsaum des Äquatorialgegenstroms abkurven; es scheint dann zwischen Ceylon und Nias ein Wirbel mit Drehung entgegen dem Uhrzeiger wenigstens zeitweilig aufzutreten. Dem Nordwestmonsun entspricht der Äquatorialgegenstrom, und zwar ist er zwischen den Seychellen und Chagosinseln ganz unabhängig vom Winde nicht scliwächer als weiter im Osten, indem er auf der ganzen Strecke als recht kräftiger Oststrom mit 20 bis 60 Seemeilen aufzutreten pflegt. Hieraus ist ohne weiteres zu entnehmen, daß er die Funktion eines Komperisationsstroms zu erfüllen hat, indem er nicht nur das vom Nordostmonsun, sondern auch das vom Südäquatorialstrom nach Westen davongeführte Wasser zu ersetzen hat. Damit hängt es zusammen, daß entlang Sumatra und Java bis nach Sumba hin unter Land ein Oststrom vorherrscht. Der Südwestmonsun im Nordsommer stellt nun das eben dargelegte Strombild völlig auf den Kopf. Mit großer Kraft ist dieser Monsun im westlichen Teil des Arabischen Meers (mit mehr als 12, oft 15 m p. S.) entwickelt, während er im Golf von Aden und näher an die Indusmündung und die Malabarküste hin etwas abflaut, ohne jedoch von Stillen häufiger unterbrochen zu werden; auch über Ceylon weht er etwas schwächer, als mitten im Bengalischen Golf, wo er doch 8 bis 12 m p.S. erreicht. Zwischen 5" N, und 5" S. B. ist die Windrichtung aus Süden, aber die Windstärke sehr gering, und sind Stillen namentlich im Westteil besonders häufig. Die Windkarten lassen dann diesen Südwind unmittelbar aus dem Südostpassat hervorgehen, der in der ganzen Breite des Ozeans zwischen 10" S. B. und dem Wendekreise des Steinbocks mit meist 9 bis 12 m p. S. aus Südosten weht, nur bei den Maskarenen und um Madagaskar sowie im Gebiet zwischen Java und Nordwestaustralien flauer auftritt. Die Strömungen dieser Jahreszeit zeigen nördlich vom Äquator allgemein die Tendenz nach Osten. Aus dem Golf von Aden strömt das Wasser in das Arabische Meer hinaus, infolge davon senkt sich im Rücken das Niveau des Roten Meeres, ja es greift diese Monsun Wirkung bis in den Suezkanal zurück, wo dann das Wasser aus dem Mittelmeer nach Süden ins Rote Meer einströmt, auch nebenbei zum Beweise, daß die Etesien dann Wasser gegen die afrikanische Küste stauen. Die Kompensation im Rücken des Monsunstroms unter der arabischen Küste ist dabei offen- bar nur unvollständig durch die Oberflächenströmungen beigebracht; trotzdem nunmehr an der Südküste Arabiens Neerströme nach Westen Die Monsunströme. 669 gehen, quillt hier auch kaltes Wasser aus der Tiefe auf. Dr. Adolf P u f f ^) hat diese Vorgänge näher untersucht und die Küste östlich von Ras Fartak und die ganze Bucht westlich von Aden nach den SchifEstagebüchern der Deutschen Seewarte als solche Auftriebregionen erkannt: hier ist die Lufttemperatur oft über 5° wärmer als die des Wassers, die bis 19°, ja 17.7 •* fallen kann, wobei sich dann dunkelgrüne Färbung, starke Kabbelungen und Fischgeruch (vom abgestorbenen Plankton) im Wasser und Nebel in der Luft als Begleiterscheinungen einstellen ^). Und während sonst im Arabischen Meer der Salzgehalt an der Meeresoberfläche 36.5 Pro- mille zu übersteigen pflegt, hat das aufquellende Wasser bei Ras Fartak nur 35.7 bis 35.8^). Diese Ostströmung wendet sich entlang der Malabar- küste nach Süden und hat nun wiederum südlich von Ceylon ein Maximum ihrer Stärke mit sehr häufig 48, gelegentlich bis zu 70 Seemeilen im Etmal. So setzt sie auch über den Golf von Bengalen hinüber und staut das Wasser im Andamanischen Randmeer auf, so daß es teils nach Nordwesten auf die Gangesmündung zu abkurvt und im Nordteil des Golfs einen Wirbel, entgegen dem Uhrzeiger schafft, teils um die Nordwestspitze Sumatras nach Südwesten in den Ozean zurückdrängt. Hier findet sich nun neben vielen Stromstillen ein anderer Wirbel ein, der die Gewässer westlich vom Mentawiearchipel wie der Uhrzeiger dreht. Unter der Küste von Java bleiben aber auch in dieser Jahreszeit östliche Strömungen nicht selten, die freilich schon in der Lombokstraße und den anderen Ausgängen des Australasiatischen Mittelmeers von Südweststrom abgelöst werden. Wie man leicht einsieht, sind Flaschenposten im Monsungebiet ein be- sonders unsicheres Experiment, da die Gefahr besteht, daß sie aus einer Monsim- periode in die andere geraten und schließlich weder über die eingeschlagene Richtung noch über die Triftgeschwindigkeit eindeutigen Aufschluß ermög- lichen. So vermochte G. Schott*) aus dem Material der Seewarte nur sehr spärliche Flaschentriften beizubringen, von denen gewiß ist, daß sie in einer und derselben Monsunzeit durchlaufen sind. Nur eine geht durch das Arabische Meer von 17" 50' N. B., 66° 45' 0. L. nach der Nordküste von Somaliland in 10 Vz" N. B., 44 V2" 0. L. vom 13. November 1894 bis 12. April 1895 mit etwas über 9 Seemeilen täglicher Fahrt. Schneller sind zwei von amerikanischer Seite veröffentlichte Posten gewandert: eine, von 2°, N. B.. 90" 0. L., also halbwegs zwischen Padang und Ceylon am 27. Oktober 1893 ausgesandt, landete schon am 6. Dezember auf den Malediven in 5 " N. B., 73 •> 0. L., also nach 28.2 Seemeilen täglicher Leistung; die zweite, nur etwa 60 Seemeilen östlicher von der Position der ersten am 7. Januar 1894 aus- gegangen, trieb nach 160 Tagen gerade unter dem Äquator. an der ostafrika- nischen Küste an, hatte danach also mindestens 18.7 Seemeilen täglich durch- messen. — Für die Flaschentriften, die sich durch mehrere Monsune erstrecken, ^) Das kalte Auftriebwasser an der Ostseite des Nordatlantischen und an der Westseite des Nordindischen Ozeans. Marburg 1890, S. 67 f. 2) Schon die griechischen Ostindienfahrer der römischen Klaiserzeit kannten und fürchteten die Nebel in der Umgebung der F.uria-Muria-Inseln und an der gegen- überliegenden Küste Arabiens, vgl. Periplus Ivlaris Erythraei § 29, Geogr. Graeci min., ed. Ch. Müller, II, 280: yü>pa aipa jtayöv eyouoa xai 6u.t/Xo)8Yj. Über diese „dicke Luft" (wie auch der deutsche Seemann sagt) und die über aem kalten Wasser ebenfalls nicht seltene Luftspiegelung dieser Gegenden vgl. auch Ritters Asien XII, 332, 344, 639. 3) Ann. d. Hydr. 1908, S. 296. *) Die Flaschenposten der Seewarte usw. Hamburg 1897, S. 21 und Taf. 6. 670 Die Strömungen des Indischen Ozeans. mag ein Beispiel genügen: von S. M. S. „Elisabeth" wurde im Februar 1873 nicht weit von Sokotra (13» 39' N. B., 56" 20' 0. L,) eine Flasche ausgeworfen und nach 19 Monaten von einem Eingeborenen an der Westküste von Malaka (574" N. B., 100 V4° 0. L.) aufgefunden, was den überwiegenden Einfluß des Südwestmonsuns und den Zusammenhang der Gewässer des Golfs von Aden mit denen der Malakastraße erweisen mag. Von der nordwestaustralischen Küste an bis nach den Chagosinseln, den Seychellen und der Bucht von Sansibar wie zur Küste von Madagaskar hin ist unter dem Impulse des im Nordsommer besonders starken und stetigen Südostpassats das Meer nach Westen hin in kräftiger Bewegung, deren Charakter als reiner Triftstrom uns schon einmal beschäftigt hat (oben S. 455). Die Stromgeschwindigkeit geht selten unter 15 Seemeilen, ist häufig über 36, im Maximum 60 Seemeilen auch im offenen Ozean. Näher der afrikanischen Küste steigert sie sich da, wo die Nordspitze von Madagaskar die Stromfäden nach Norden drängt, und besonders in der Bucht von Sansibar, wo sich der Strom beim Kap Delgado teilt und nun eine der grandiosesten Strombildungen des ganzen Ozeans schafft. Von Sansibar aus entlang der Küste des Somalilandes bewegt sich der Monsun- strom mit einer Stärke von meist über 36 Seemeilen, in den größten Werten aber bis 122, ja 133 Seemeilen im Etmal nach Nordosten. Das sind größere Stromstärken, als sie der Floridas crom aufweist; auch in diesem Falle handelt es sich aber um eine Abflußströmung des Windstaus. Südlich vom Äquator ist dabei die Richtung mehr nördlich auf die Küste zu, in Nordbreite aber tritt mehr und mehr ein Abschwenken nach Nordosten und Ostnordosten auf, wiederum entsprechend dem Wechsel des Vor- zeichens in der ablenkenden Wirkung der Erdrotation. Da wird also Wasser von der Küste entfernt und der Ersatz muß hier teilweise aus der Tiefe kommen, so daß in den Monaten Juni bis September die Küste des Somali- lands einen Kaltwassersaum empfängt, und während an der ganzen tropischen Ostküste Afrikas die Wasserwärme im August sonst nirgends unter 24° bis 25° beträgt, kommt gerade südlich von Kap Guardäfui und der Insel Sokotra eine Kaltwasserinsel von im Mittel nur 21 ° bis 23 ° zum Vorschein. In Eiinzelfällen treten nun hier, im heißesten Gebiet der Erde, in 10° N. B. im Hochsommer Wassertemperaturen auf, die noch nicht diejenigen erreichen, welche die Ostsee- und Nordseebäder gleichzeitig aufweisen. Sehr klar beobachtete dieselben Kapitän zur See P. H o f f m a n n, indem er im Juli 1885 mit S. M. Kreuzer „Möwe" bei frischem und zeitweilig stür- mischem Südwestmonsun von Sansibar nach Aden segelte. „Bis Kap War- ßcheik {nördlich von Mogadischu) hatten Wasser und Luft gegen die in Sansibar bestehenden Verhältnisse nicht wesentliche Änderungen gezeigt. Die Wasser- temperaturen hatten immer 25» und darüber betragen. Sobald die starke (das Schiff nach Nordosten versetzende) Strömung aufgehört hatte, fiel die Temperatur des Wassers zwischen 4 " und 8 » N. B. rapide und erreichte beim Ras el Chail („Pferdekopf" in T^i» N. B.) den abnorm niedrigen Stand von 14.9». Infolgedessen fiel auch die Lufttemperatur. Bei klarem Himmel stieg das Thermometer mittags nicht über 20», so daß paan sich gern der Tropensonne aussetzte. Dabei war der Horizont dunstig und nachts taute es stark, das Meer hatte ein tief olivengrünes, oft geradezu schwarzes Aus- sehen, ganz nahe der Küste wurde es hellgrün, während in den normal Der indische Südäquatorialstrom. 671 warmen Gegenden das Wasser stets tief blau war." Eine Temperatur von 14.9'' würde man im ganzen Indischen Ozean gleichzeitig erst polwärts 33 " S. B. nahe der australischen Küste finden. „Es wurde zweimal bei- gedreht," berichtet Kapitän P. Hoffmann weiter, „um die Temperatur in der Tiefe zu messen, dieselbe fand sich auf 45, 100 und 2Ö0 m mit der Oberflächentemperatur sehr nahe übereinstimmend 15.5° bis 15.3 •*." Im Golf von Aden dagegen fand sich in 200 m Tiefe eine Temperatur von 23.4* gegen 30.6° an der Oberfläche*). Bemerkenswert ist, daß an diesem Teil der afrikanischen Küste auch die Korallenriffe fehlen, die. weiter südlich vom Äquator so reich entwickelt sind. Eine neue niederländische Veröffentlichung *) gestattet die Temperaturver- hältnisse dieses stärksten Meeresstroms näher zu kennzeichnen. Die Beob- achtungen beziehen sich auf das Gebiet südlich von Sokotra bis 9 " N. B. und nach Osten bis 58 *• 0. L. und sind für Felder von 0.2 ° Breite und Länge ein- getragen. Die Karte für August läßt von der Küste in 10 '/g ° bis 9 ° N. B. ausgehend eine breite Zunge kalten Wassers zunächst nach NNO mit der Isotherme von 21°, dann weiter seewärts mehr "nach Nordosten und Osten mit der Isotherme von 22° und südlich von Sokotra in 11° bis 11 Va" N. B. voij 23 ° C. in ihrem Abschwenken vom Lande deutlich erkennen. In Land- nähe selbst finden sich drei Kaltwasserinseln von weniger als 20 °C., dicht beim Kap Hafun nur 19.4°, eingetragen. Ein Teil dieses kalten Wassers kurvt bei 53 ° und 54 ° 0. L. nach Osten und Süden zurück und bildet so einen Wirbel in der Richtung des Uhrzeigers, was ebenso beim Floridastrom gerade nördlich von den Bahamainseln zu erwähnen war (oben S. 579). Nach den englischen Quellen reicht dieser Wirbel bis 5V2* N. B. hinab^). Der Südäquatorialstrom zeigt insofern eine jahreszeitliche Schwan- kung an seiner Nordseite, als er im Nordwinter bis etwa 6 •* S. B. an den Äquatorialgegenstrom heranrückt, im Nordsommer aber weiter auf den Äquator vordringt und so die Chagos- und SeycheUeninseln umströmt; man kann seine Grenzscheide gegen die gleichzeitige große Osttrift des Süd- westmonsuns etwa entlang 3 ° S. B. ansetzen, soweit die reichlich nament- lich nach Osten entwickelten Stromstillen und verbindenden Wirbel eine scharfe Grenze überhaupt erkennbar machen. Der Südäquatorialstrom mit dem zwischen Ceylon und der Cocosinsel gelegenen Wirbel war der Schauplatz eines von der Natur selbst veranstalteten großartigen Triftexperiments, indem der gew^altige Ausbruch des Krakatau- vulkans die Sundastraße und deren Umgebung schon im Mai, namentlich aber Ende August 1883 mit mächtigen Massen ausgeworfenen Bimssteins bedeckte, der von dort aus, anfänglich auch mit losgßrissenen Bäumen zu- sarbmen, dann in den nächsten Monaten nach Westen und im Jahre 1884 auch nach Südosten vertriftete. Die von der englischen Krakataukommission *) gesammelten Bemerkungen in Schiffsjournalen der britischen und französischen 1) Ann. d. Hydr. 1886, S. 395 ; 1887, S. 27. Andere Beobachtungen in Ann. d. Hydr. 1889 (S.M.S. „Olga" im September 1888) und in Pet. Mitt. 1889, S. 170 (niederländ. Dampfer). -) Oceanographische en Meteorologische Waamemingen bij Kaap Guardafui (Ned. Met. Inst. Nr. 105). Amsterdam 1909. ') Vgl. Ann. d. Hydr. 1887, S. 245 und die Monthly Current Charts usw. für Juni bis Oktober. *) Berichte von S y m o n s im Brit. Assoc. Report for 1885 und von M e 1 d r u m in dem Hauptwerk The Eruption of Krakatoa, London, Royal Society, 1888, p. 48. Vgl. auch Ann. d. Hydr. 1884, S. 203 und 357. 672 I^^® Strömungen des Indischen Ozeans. • Flagge ergeben als Verbreitungsbereich den ganzen Südäquatorialstrom von Madagaskar bis 115° 0. L. Die nördlichste Fundstelle ist vom Schiffe „May Queen" am 28. Dezember 1883 in 2° 14' N. B., 85« 35' 0. L. angegeben; die süd- lichstein reichen in der Gegend der Maskarenen bis zum Wendekreise; das Schiflf „Northern Bell" meldet Bimssteinstücke mit Entenmuscheln bewachsen am 24. März 1884 in 26 ° 33' S. B., 70 » 0' 0. L. ; der östlichste Punkt ist 17 « 8' S. B., 119» 33' 0. L. (Schiff „Iris") am 1. Juli 1884. Bemerkenswert ist, daß auf den Seychellen Funde fehlen. Da man nicht weiß, ob die am weitesten ver- breiteten Bimssteinstücke vom Auswurf im Mai oder im August herrühren, lassen sich die Triften zu Geschwindigkeitsberechnungen nicht verwenden. — Die Seewarte hat aus dem Bereich der Passattrift nur wenige Flaschenposten ^), die neue Gesichtspunkte nicht eröffnen. — Ähnlich den beim pazifischen Südäquatorialstrom zu erwähnenden Auftrieberscheinungen im Westen der Galäpagosinseln fand W. Brennecke 2) an der Leeseite von Mauritius und Rodriguez deutliche Anzeichen aufquel- lenden Wassers, indem die unter der Oberfläche liegenden Schichten hier nicht nur kälter, sondern auch salzreicher sind; bei Rodriguez sank die Temperatur an der Nordseite der Tnsel gegen den vorhergehenden Tag um 1.5° und nahm der Salzgehalt um 0.5 Promille zu. Die Hauptmasse dieses Stroms stößt auf die ihr breit entgegentretende Insel Madagaskar und es kommt zu einer Teilung, die mit anscheinend nur unbedeutenden jahreszeitlichen Schwankungen etwa bei 16 ^ bis 17 ° S.B. liegt ; wir haben das typische Bild dieser Teilungen und die im Westen der Insel sich daranschließenden Gegenströmungen bereits als ein Schul- beispiel für Kompensationsbewegungen aller Art oben (S. 476) behandelt und in einer lehrreichen Karte dargesi«ellt. Man bemerkt auf dieser auch die an der Festlandküste von der Stromscheide in IC S. B. nach Süden gehende Abflußbewegung, die unter dem Namen des M o s a m b i q u e- Stroms und südlich von 30 ° S. B. dem des Agulhasstroms ein wichtiges Glied der ozeanischen Oberflächenzirkulation bildet. Auch diese Strömungen erlangen stellenweise eine große Stärke: sowohl südlich vom Kap Delgado wie noch an der Kaplandküste sind in Schiffsjournalen der Seewarte in allen Monaten über 40, im Mosambiquestrom in 8 Monaten über 60 und einmal im Dezember 93 Seemeilen im Etmal verzeichnet; im Agulhasstrom in allen Monaten über 50, in 6 Monaten über 80, und sowohl im März einmal 95, wie im August 94 Seemeilen, die englischen Stromkarten verzeichnen sogar in fast allen Monaten 100, zweimal 110 See- meilen als Maximum (vgl. oben schon S. 476, Fig. 130 die betreffenden Eintragungen). Die Windverhältnisse an der afrikanischen Küste sind so, daß der Mosambiquestrom zwischen Sofala und der Delagoabai stetig gegen den im ganzen Jahr hier vorherrschenden Südostwind läuft, während der Agulhasstrom im Südsommer vom Ostwind gefördert, im Südwinter von den entgegengesetzten Nordwest- und Westwinden aufgehalten wird und jedenfalls keine Zufuhr von Energie erlangt. Soweit er als Abfluß- strom in Betracht kommt, sollte er daher mit Teilen seiner Gewässer schon südlich vom Wendekreis links abkurven; er hat aber außerdem noch dieselbe Funktion, wie sie der homologe Brasilienstrom in gleicher Breite schon betätigt: er liefert als Kompensationsbewegung Ersatz für 1) Schott, Flaschenposten, S. 22, Taf. 5. 2) Forschungsreise S.M.S. „Planet", Bd. III, S. 127. Der Agulhasstrom. 673 das von den starken Westwinden der höheren Südbreiten nach Osten entführte Wasser. Eine so machtvolle Strombewegung mußte schön früh das wissenschaftliche Interesse erregen, und in der Tat ist über sie wohl die erste Monographie unter allen Meeresströmungen geschrieben worden, nämlich von James E-ennell*). Der Agulhasstrom entwickelt seine größte Stärke stets außerhalb der den afrikanischen Kontinent begleitenden Schelf bank; höchstens überspült er ihren Rand. Auf der Bank selbst aber kurvt das Wasser nach rechts ab und bildet schließlich einen Neerstrom (eine hackdriH, wie die englischen Segelhandbücher sagen), der, obwohl schwächer als der Agulhas- strom, immerhin für die Navigation an diesen Küsten nicht ohne Bedeutung ist. Kapitän G o r d ö n fand, als er an der südöstlichen Ecke der Bank in 100 Faden Tiefe ankerte, den Strom mit einer Stärke von einer Seemeile stündlich nach Nordosten setzend; 20 Seemeilen weiter nach Süden wurde dann der gewöhnHche Strom nach Südwesten ge- funden. Schiffe, welche beide Strömungen abwechselnd passieren, nehmen als Stromversetzung nur den Effekt der stärkeren wahr, weil eben jene Neer nur Va bis 74 d^r Geschwindigkeit des Hauptstroms erreicht. Nach den von J. D. F. G i 1 c h r i s 1 2) ausgeführten Flaschentriftversuchen zeigt sich, daß sich dieser Gegenstrom über dem Schelf schon so weit nördhch wie von Durban aus nach Norden zur Sta. Luciabai fühlbar machen kann, daß mit ihm Flaschen vom Kap St. Francis (25° 0. L.) nach der Mündung des Fischflusses (27° 0. L.) und in zahlreichen Fällen vom Kap Infanta (21 ° 0. L.) nach Osten hinauf vertreiben. In größerem Abstände von der Küste ausgesetzte Flaschen aber nimmt der Agulhas- strom mit sich. Eine ausgeprägte jährliche Schwankung in seiner Ge- schwindigkeit ist aus dem neuen Material der Seewarte nicht zu erkennen ; seine mittlere Stärke südUch vom Kapland liegt in allen Monaten bei 30 Seemeilen im Etmal. T o y n b e e hatte aus älterem englischen Material auf ein Maximum im Februar schUeßen wollen, was man mit den vorher dargelegten Windverhältnissen in Einklang bringen könnte. Bei weiterem Fortschreiten nach Südwesten trifft der Agulhasstrom, der, aus tropischem Wasser bestehend, ein gegenüber dem Nachbarwasser um 4° bis 5° wärmerer Strom ist, auf einen nahezu in entgegengesetzter Richtung sich bewegenden kalten Strom: die Fortsetzung der großen südatlantischen Ostströmung. Die Kollision oder Vereinigung beider Wasserbewegungen ist es hauptsächlich gewesen, welche durch die daraus folgende Nebeneinanderlagenmg warmer und kalter Wasserstreifen seit alters die Aufmerksamkeit der Seefahrer erregt hat. Der Agulhasstrom zerspüttert dabei, und zwischen die so divergierenden Zungen wärmeren Wassers schiebt sich das kalte der ostgehenden Strömung nach Toynbees Vergleich ein, wie die Finger zweier in der Weise flach auf den Tisch ge- legter Hände, daß die Finger der einen Hand genau zwischen die der anderen zu Hegen kommen. Die Ostindien- und Chinafahrer, welche, aus dem Atlantischen Ozean kommend, in der Nähe von 40° S. B. nacü Osten steuern („ihre Längen ablaufen"), treffen auf die großen Temperatur- ^) Philosophical Transactions, London 1778. 2) Marine Investigations in South Africa 1902, Bd. II, Nr. 21, p. 155. Krümmel, Ozeanographie. II. 43 674 Die Strömungen des Indischen Ozeans. Sprünge jedocli sehr häufig schon in 10® 0. L., während die Länge der Südspitze Afrikas, bis zu welcher die Karten meist den Agulhasstrom führen, bekanntlich 20** 0. von Greenwich ist. Die Unterschiede der in kurzen Fristen notierten Temperaturen der Meeresoberfläche erreichen zwar nicht ganz die hohen Beträge, wie sie südlich der Neufundland- bank (15°) oder südöstlich der Laplatamündung vorkommen; aber Diffe- renzen von 8 ^ und darüber bei zurückgelegten Distanzen von 20 bis 30 Seemeilen sind keineswegs selten. Aus den Schiffsjournalen der Seewarte ließe sich eine reiche Sammlung von solchen Beobachtungen ziisammenstellen ; einen Auszug gab ich zuerst im „Segelhandbuch des Atlantischen Ozeans, herausgegeben von der Direktion der Seewarte", Hamburg 1885, S. 36 f. Die größte Differenz war einmal 7.2 " auf 8 Seemeilen Distanz. — Die am weitesten nach Südwesten und Westen gelangten Teile des Warmwasserstroms finden sich nach den deutschen Schiffs- journalen bisweilen sogar westlich von 10° 0. L. Im Durchschnitt liegt diese äußerste Grenze , wenn wir eine Differenz der Temperatur von mehr als l^'C. innerhalb einer „Wache" (4 Stunden) überhaupt als „Sprung" notierei^, im Mittel für 37 Reisen aus allen Jahreszeiten in 10.6 ° 0. L., im Südwinter etwas westlicher (nach 13 Reisen in 10.0°), im Südsommer östlicher (nach 11 Reisen in 11.5°). Um ein Beispiel für dieses Phänomen zu geben, lasse ich hier einen Auszug aus dem Journal Nr. 1317, Bremer Vollschiff „Kaiser", Kapitän R u h a s e, folgen. Der Kurs des Schiffes war während der dar- Datum Mittagsposition Wassertemperatur um 1880 S. B. O.L. 4a 8 a Mitt. 4 p 8p 12 p 0 0 0 0 0 0 Mai 29. 40° 12' 4° 4' — — — 11.5 11.6 12.0 „ 30. 40 44 11 66 14.8 16.6 16.3 15.2 13.0 12.8 „ 31. 40 49 15 53 12.0 14.5 16.0 15.0 15.5 14.5 Juni 1. 40 18 20 32 14.5 19.0 17.3 13.9 16.0 15.0 „ 2. 40 23 25 39 15.8 15.0 14.1 13.4 12.0 13.0 „ 3. 40 22 30 31 13.1 13.3 14.0 14.5 15.3 15.0 gestellten Tage fast genau östlich; die erste beträchtliche Differenz wurde in der Frühe des 30. Mai beobachtet, Während das Schiff in 9 ° 0. L. &tand : die Wasserwärme stieg in 24 Stunden um 2.8 °, fiel dann am Abend des 30. Mai wieder, stieg am 1. Juni 8 Uhr früh plötzlich um 4.5°, fiel bis Nachmittag 4 Uhr um 5.1 ° usf. Kapitän Ruhase fand den Seegang auf dem warmen Wasser stets hohler laufend als im kalten, was jedenfalls der dem Winde entgegen- gesetzten Strömung zuzuschreiben ist. Bisweilen ist auch hier das warme Wasser des Agulhasstroms durch tiefblaue, das kalte durch grüne Farbe ge- kennzeichnet; aber keineswegs ist das regelmäßig so, denn weder G. Schott noch W. Brennecke konnten das bestätigen, beide fanden auch das kalte Wasser schön blau. Ebenso stellen sich Nebel über den kalten Streifen leicht ein, namentlich bei Nordwinden. Über den Warmwasserstreifen ist die Luft diesig, im ganzen Gebiet aber äußerst unruhig, zu Gewitterböhen und Stürmen geneigt. Auch scheint sich, wie in dem oben beschriebenen Gebiet südöstlich von der Laplatamündung, über dem kalten Wasser die Vogelwelt mit Vorliebe anzusammeln, was auf Fischreichtum schließen läßt. W^ie stark sich der Unterschied zwischen der tropisch warmen Agulhas- Die Westaustialische Strömung. 675 Strömung und der kühlen Westwindtrift aucli bis in die tieferen Schichten hinein geltend macht, möge folgende Zusammenstellung von Beobachtungen auf der Fahrt des Vermessungsschifies „Planet" veranschaulichen^). Die Station: 40 54 56 60 S.B.: 24" 19' 39« 57' 42» 55' 490 31' O.L.: 7« 25' 200 7/ 22» 53' 29» 16' Tiefe «0 Prom. <<» Prom. «0 Prom. <» Prom. 0 20.9 35.60 20.1 35-52 9.9 34.38 3.5 33-84 100 16.5 35-41 19.7 35-57 9.5 34.33 3.3 33-82 200 (12.5) — 16.5 35-53 6.9 34-34 2.2 34-13 400 i 8.1 34.60 14.0 35-39 4.9 34-34 2.3 34-36 800 3.9 34-43 9.4 34.85 — • — 2.3 — 1000 (3.5) 5.4 34.45 — ^ — 2.3 34.65 Station 54 im Agulhasstrom ist in allen Schichten nicht nur beträchtlich wärmer als die Stationen in der Westwindtrift (Nr. 56, 60), sondern auch im Benguelastrom (40). Man hat den Eindruck, als ob sich der Strom bei seinem kurzen Umschwenken nach Osten in der Tiefe mächtig aufstaue. Auch in den Salzgehalten bewährt sich die tropische Abflußströmung als die reichere, während die Westwindtrift je weiter nach Süden, um so ärmer an Salz dasteht. Wenden wir uns nunmehr wieder in den Kücken der großen Trift des Südostpassats, so treffen wir in der Westaustralischen Strömung eine der Benguelaströmung ganz analoge Bildung. Sowohl auf den Temperaturkarten, wie auf denen der Strömungen wird sie über- einstimmend als breite Nordströmung erkennbar, welche freilich an Kraft und Konstanz sich mit der Agulhasströmung nicht messen kann. Die englischen Stromkarten geben gewöhnlich als Stärke derselben 18 bis 36 Seemeilen an, doch vermochte z. B. die Gazelle-Expedition so gut wie nichts von ihr wahrzunehmen. Indes gestatten die vorliegenden Beob- achtungen noch nicht, etwa eine besonders geringe durchschnittliche Geschwindigkeit für sie festzusetzen; aus dem Material der Seewarte entlang dem Dampferkurse von Colombo nach dem Kap Leeuwin geht jedenfalls eine sehr geringe Stabilität des Stroms hervor und fäUt auch die große Häufigkeit der Stromstillen auf. Im Vergleich zur homologen Benguelaströmung ist die westaustralische nicht durch die gleichen niedrigen Temperaturen an ihrem Küstenrande ausgezeichnet, wie wir sie oben darlegen konnten (S. 612). Wir haben als Ursache dieses Verhaltens die abweichende Konfiguration des austra- lischen Festlands zu bezeichnen, welche einem von Norden und Nord- osten her kommenden warmen Strom entlang dei; Küste einen Weg nach Süden und somit in den Rücken des Südostpassats gestattet. Dadurch ist also eine ausreichende Kompensation an der Oberfläche von Norden wie von Süden her ermöglicht; man kann schon aus dem Auftrete'" ^-^ RifEkorallen bei den Houtmanriffen (28 V2" S. B.) auf dauernd warmes Wasser schließen. Ein warmer Strom kommt insbesondere im Südsommer aus der Timorsee und, in den Buchten Nordwestaustraliens Neerströme ^) W. Brennecke, Forschungsreise S.M.S. „Planet", Bd. III, S, 56, 70 und Tafel 19. Die eingeklammerten Temperaturen sind interpoliert. 676 ^^ß Strömungen des Indischen Ozeans. entwickelnd, geht er nach Südwesten, um anscheinend bei der Dirk-Hartog- insel, dem westlichsten Punkte des Festlandes, nach Süden umzubiegen und nach dem Befund der Gazelle-Expedition 16 Seemeilen in 24 Stunden nach Südosten zu laufen. Wie weit südlich aber dieser Strom vordringt, ist nicht festzustellen; die englischen Stromkarten kennen wohl noch in der Bucht von Perth mehrfach Südstrom mit 30 Seemeilen Stärke, während das britische Segelhandbuch für Westaustralien nur nördliche Strömungen als vorherrschend bezeichnet, welche durch entgegengesetzte Stürme im Winter wohl umgewendet würden. In anderen Fällen wird auf den Karten hervorgehoben, daß der ganze westaustralische Strom stets eine aus- geprägt auflandige Komponente habe. Diese Dinge sind also weiterer Prü- fung im einzelnen wohl noch bedürftig; in der Hauptsache aber dürfte die besondere Stellung der Westküste Australiens genügend aufgeklärt sein. Der Oststrom oder die Westwindtrift der höheren Breiten des Indischen Ozeans ist in jeder Beziehung dem südatlantischen Ver- bindungsstrom vergleichbar. Wir sahen, wie letzterer östlich vom Greenwichmeridian in 35" bis 40° S. B. eine stark nördliche Richtung annahm; so fand dann auch Toynbee, daß derselbe bei seiner Ver- einigung mit dem Agulhasstrom als ein ausgeprägter Nordoststrom auf- tritt, der erst weiter östlich in die reine Ostrichtung übergeht. Hier im Süden von Afrika zeigt der Strom in seiner Geschwindigkeit eine gewisse Schwankung nach den Jahreszeiten: im Südsommer ist er kräftiger als im Südwinter. Wir fanden denn auch, nach den Beobachtungen deutscher Schiffsführer die Warmwasserkontur dementsprechend im Südwinter weiter im Westen als im Südsommer (S. 674). Ferner fand auch Toynbee die Richtung im Sommer mehr nach Norden, im Winter mehr nach Osten abweichend; worauf später zurückzukommen sein wird. Im weiteren Verlauf ist diese Ostströmung durch den ganzen In- dischen Ozean südlich von 35 " S. B. gesichert. Von den Felsküsten der Prinz-Edward- und Crozetinseln trägt sie losgerissene Tangzweige weit hinaus nach Osten, und SchifEe, welche vom Kap nach Australien segeln, gewinnen bis zur Baßstraße auf dem ganzen Wege durch diesen Strom nicht selten 7 volle Grade in Länge, doch ist auch dabei meist eine nördliche Komponente in den Stromversetzungen enthalten. Bei Kap Leeuwin tritt eine Teilung dieses Oststroms ein, indem ein Arm nach Norden zur westaustralischen Strömung ablenkt, während die Hauptmasse den Weg nach Osten fortsetzt. Auf der Höhe von King George Sund läuft der Strom oft 36 Seemeilen in 24 Stunden, in der großen Australbucht ist er schwächer und in Landnähe von einem Neer- strom nach Westen begleitet. Im Tasmanischen Randmeer, wo Gezeiten- ströme ihn zeitweilig verdecken, rechnet man nach den Segelhandbüchern noch auf 24 Seemeilen, ebenso groß ist die Geschwindigkeit bei Kap Howe, dem südöstlichen Vorgebirge AustraHens, und die Richtung fortgesetzt östlich. Gerade dieser starke aus der Baßstraße hervorbrechende Ost- strom leitete zuerst den Admiral Hunt er auf den Gedanken, daß eine Öffnung zwischen Tasmanien und Neusüdwales vorhanden sei. Nach den englischen Stromkarten setzt der Strom, Tasmanien auch im Süden umfließend, in breiter Entwicklung in den Südpazifischen Ozean hinein, wo wir ihn später in seiner Fortsetzung aufsuchen werden. Die Westwindtrift der hohen Südbreiten. 677 Daß diese große Ostströmung eine kontinuierliche Verbindung zwischen dem Kap-Horn- Strom und dem Oststrom der Baßstraße, ja darüber hinaus bis in die neuseeländischen Gewässer darstellt, bezeugen zahlreiche Flaschen- posten. Eine Auswahl besonders charakteristischer Triften ist auf beistehender kleinen Polarkarte (Fig. 179) verzeichnet; sie gehören zu den längsten Flaschen- triften, die man überhaupt kennt, denn meistens haben sie mehr als 8C0O See- meilen durchlaufen^). Eine Flasche (Nr. 2) vom Schifie „Paul Isenberg", am 16. Dezember 1900 im südlichsten Teil des Brasilienstroms ausgesetzt und am Fig. 179. vCregrvwicft,. Weite Flaschentriften aus hohen Südbreiten in der allgemeinen Ostströmung. 9. Juni 1904 an der Nordspitze Neuseelands aufgefunden, hat in 1271 Tagen 10 700 Seemeilen, gleich dem Abstand von Pol zu Pol, durchmessen, also täglich 8V2 Seemeilen. Eine andere (Nr. 3) wurde vom Schiffe „Norfolk" südlich vom Kap Hörn am 14. Juli 1864 von Dr. Neumayers Diener ausge- worfen und am 9. Juni 1867 bei dem Orte Jambuck an der Küste von Victoria (38» 20' S. B., 112» 11' 0. L.) geborgen und hat ebenfalls täglich 9 Seemeilen durchlaufen. Die Karte zeigt dann auch die Verbindungen der einzelnen Teilstrecken von der Mitte des Südatlantischen Ozeans (Nr. 9), von der Agalhasbank (31), von Kerguelen nach der Cookstraße, von dem östlicheren Teii der Westwindtrift durch eine Flaschenpost (17) nach der Nord- spitze von Neuseeland und (mit Nr. 45) nach den Cbathaminseln. Nahe bei 1) Vgl. die reichhaltigere- Liste in Ann. d. Hydr. 1907, S. 325 und 333. Karte ist aus meinem oben S. 581 Anm. 1 erwähnten Vortrage entlehnt. Die 678 Dia Strömungen des Indischen Ozeans. den letzteren wurde auch ein Faß mit Walfischtran von dem Walfänger „Ely", der im Jahre 1859 auf der Heardinsel (südlich von Kerguelen) scheiterte, zwei Jahre später von einem anderen Waljäser „Pacific" in See aufgefischt, nachdem es ebenfalls in 510 Tagen 4380 Seemeilen, also täglich 8 Va zurückgelegt hatte M. Eine Trift aus dem" Südatlantischen oder Indischen Ozean ostwärts auch durch den Südpazifischen hin etwa nach dem Magellanarchipel ist bisher noch nicht bekannt geworden; wie die Karte zeigt, sind nur aus der Mitte des Südpazi- fiachen Ozeans Flaschenposten an die chilenische Küste gelangt (Nr. 25 und 28), und weiterhin haben wir wieder Verbindungen um Kap Hörn (Nr. 43). Doch ist in der jüngsten Zeit eine Flaschenpost von der deutschen Bark „Seestern" an die Seewarte gelangt,' von der aller Wahrscheinlichkeit nach anzunehmen ist, daß sie in der Westwindtrift die ganze Erde umkreist haben dürfte; ihr Ausgangspunkt lag in 47" 45' S. B., 114" 5' 0. L. (also etwas südlich von Nr. 45 der Karte) und ihr Fundort nördlich davon an der australischen Küste bei Bunbury in 33« 18' S. B., 115« 41' 0. L.,. der Zettel war voöi 7. August 1903 bis 21. April 1910 unterwegs: die lange Keisedauer und die allgemeine Stromrichtung auch in den hier in Betracht kommenden Breiten nach Osten machen es unwahrscheinlich, daß die Flasche nordwärts ^.n die Küste gegangen ist. Eine Flaschenpost des Südpolarschiffs „Gauß" von Kerguelen nach Kaipara (unweit Aucklarf^., Neuseeland) hat ebenfalls eine so lange Zeit ge-, braucht (für 4700 Seemeilen über 6 Jahre), daß die rechnungsmäßige mittlere Geschwindigkeit von täglich 2 Seemeilen viel zu kurz ist im Vergleich mit den sonst hier üblichen mindestens dreifach, gewöhnlich viermal größeren; eine solche erhielte man auch in diesem Falle, wenn man die Flasche erst einmal um die Erde laufen und sodann nach Neuseeland gelangen ließe ^). — -Gegenüber di^en Flaschenposten brauchen wir auf Wracktriften, die teil- weise auch starke Windwirkung vermuten lassen, kaum näher einzugehen, obwohl z. B. die Trift des mit gebrochenem Schraubenschaft vom 5. Juni bis 15. September 1899 von 37 72° S. B., 21» 0. L. nach 39.5« S. B., 64 72° 0. L. treibenden Dampfers „Waikato" durch ihre Schlingen sehr bemerkenswert ist^). Aus den Flaschenposten kann im eigentlichen Oststrom nur eine fast ^enau östliche Richtung erschlossen werden; da aber die Winde auch nicht selten besonders kräftig aus Südwesten oder aus noch südlicheren Richtungen wehen, kann es leicht geschehen, daß die Flaschen in den Nordsaum des Stroms gelangen, der die Tendenz hat, nach links abzukurven. Auf diese Weise werden sie dann, wenn Land in der Nähe ist, wohl an dieses getrieben. In der Theorie stünde nichts im Wege, anzunehmen , daß einzelne Triftbahnen als fast kreis- ähnliche Spiralen mehrere Windungen nacheinander um die Erde vollenden können, ehe eine Landung erfolgt; aber nach so langer Triftzeit sind die meisten Flaschen wohl so stark bewachsen, daß sie wegsinken., wenn nicht schon vorher der Korkverschluß zerstört ist. Der Agulhasstrom ist nicht allein als Fortsetzung des Mosambique- stroms aufzufassen, sondern empfängt auch aus der Gegend von Madagaskar Teile der Südostpassattrift, die von dieser Insel zeitweilig nach Süden gedrängt, aber vom Winde wieder auf die afrikanische Küste zugeführt werden. Nach einer älteren, von Andrau'^) zuerst auf Grund nieder- ländischen Materials vertretenen Auffassung soll sich die Hauptmasse der die Maskarenen und Südmadagaskar bespülenden Gewässer schon 1) N e u m a y e r in Peterm. Mitt. 1868, S. 99. 2) Ann. d. Hydr. 1910, S. 382. 3) H. C. Russell. Current papers Nr. 6 in Proo. R. See. N. S. Wales vom 7. November 1900 mit Karte. 4) Zeitschr. f. allgem. Erdkunde, Berlin 1869, Bd. 6, Taf. 1. Die Westwindtrift der hohen Südbreiten, 679 im wesentlichen östlich von 40 <• 0. L. nach Süden wenden und sodann mit der Westwindtrift vereinigen, so daß diese etwa in 55° bis 65<* 0. L. eine neue Zufuhr warmen Wassers von Norden her empfängt. Wenn wir nun auch Flaschenposten haben, die südlich von Madagaskar aus- gegangen in der Mosselbai gelandet sind, so läßt sich doch nicht leugnen, daß nach den Mitteltemperaturen der Meeresoberfläche in allen Monaten des Jahres die bezeichnete Region bei 60° 0. L. thermisch bevorzugt erscheint; aber die ganze Frage ist doch wohl verwickelter, als sich auf den ersten Blick aiiläßt. Der ganze Nordsaum der Ostströmung ist nicht nur südlich vom Kapland, sondern noch bis in die Längen von Kerguelen und St. Paul hin ausgezeichnet durch örtlich rasch wechselnde Wasser- temperaturen, so daß eine Temperaturkurve entlang einer bei 40° S. B. ostwärts verlaufenden Segelschiffsroute ein stetes Auf und Nieder zeigt ^) mit Sprüngen um 4° bis 6° in wenigen Stunden. Aus einer neueren Arbeit von R. L ü t g e n s 2) ist zu entnehmen, daß auch große unperiodische Schwankungen in der Temperatur der Westwindtrift aus dem Südatlan- tischen Ozean herübergreifen und sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 6 Seemeilen im Tage ostwärts verpflanzen. Wie sich die Mittel- werte der Temperaturen in den vier Monaten Februar, Mai, August und November im Streifen zwischen 42° und 44° S. B., von 40° bis 80° 0. L. gestalten, ist aus beistehendem tabellarischen Auszug aus der großen englischen Veröffentlichung über die Oberflächentemperaturen (in Zwei- gradfeldern) zu entnehmen. 40 0 0 L. 50 0 60 0 700 800 Februar . 10.6 10.0 11.1 10.0 9.4 10.0 11.1 1 12.2 13.9 14.4 1 !15.6 15.0 18.9 13.3 13.9 13.3 12.8 12.2 11.7 12.2 Mai. . . 8.» 8.9 8.3 6.3 7.8 83 7.2 8.8 11.1 12.8 15.0 14.4 13.9 11.7 11.1|12 8 12.2' 11.7 11.7 12.3 Augast . 6.1 6.6 6.7 5.6 5.6 6.1 7.2 7.2 8S 11 1 12.2 12. a 11.7 11. 1 11.7 10.6 11.1 10.6 10.6 10.0 November 7.8 6.7 6.7 7.« 6.1 6.7 7.2 8.3 10.6 12.2 11.7 11.7 11.1 11.1 11.7 11.7 11.1 10.0 10.0 10.0 40 u 0. L. 700 800 Wenn man es früher auffallend fand, daß sich hier wie schon weiter im Westen im Agulhasstrom trotz kräftiger Wellenbewegung derartige Temperatur- gegensätze auf engem Raum so zäh erhalten, so ist zu bedenken, daß abgelöste Warmwasserflecken nicht nur die oberen Schichten einnehmen und dabei auch ihr Areal nicht so unbedeutend ist, wenn die Segler mit oft 10 Knoten und mehr Fahrt mehrere Stunden in ihrem Bereich bleiben. Freiherr v. S c h 1 e i n i t z glaubte, daß mit den Temperatur- auch Salzgehaltsunterschiede Hand in Hand gingen und zwar so, daß beide sich gegenseitig kompensierten und die Dichtewerte Sio ungefähr gleich würden. G. Schott konnte an Ort und Stelle beweisen, daß diese Auffassung schärferen Beobachtungsmethoden gegenüber nicht Stich hält und daß man jener Hypothese auch ganz entraten kann. Das hat dann W. Brennecke bestätigt ^). Die Erwärmung der Gewässer nördlich von Kerguelen hat anscheinend den Anstoß dafür gegeben, die Westwindtrift nicht mit ihrer gesamten Masse nach Osten strömen, sondern einen Teil westlich von Kerguelen nach Süden ^) Vgl. G. Schott in Pet. Mitt. 1893, Ergänzungsheft 109, Taf. 4b. Ein bezeichnendes Beispiel gibt auch Messerschmidt in Ann. d. Hydr. 1901, S. 82. ») Ann. d. Hydr. 1906, S. 510. ') S c h o 1 1, a. a. O. Ergänzungsheft 109, S. 42;Brenneckein Forschungs- reise S. M. S. „Planet" Bd. 3, S. 128. 680 I>Je Strömungen des Indischen Ozeans. abbiegen zu lassen. Namentlicli seitdem Georg v. Neumayer ^) auf seiner physikalischen Karte der Südpolarregionen diesen warmen Strom von Kerguelen und der Heardinsel bis über den Polarkreis nach Süden fortgeführt und darauf hingewiesen hatte, daß diese Region verhältnis- mäßig arm an Eisbergen sei, pflegten alle deutschen Stromkarten diesem Vorgange zu folgen. Nachdem nun schon die Beobachtungen der Challenger- expedition die Strömungen in dem betreffenden Gebiet keineswegs nach Südosten oder Süden, vielmehr bis 60° S. B. nach ONO ergeben hatten und auch die Gazelleexpedition 2) kein günstiges Ergebnis in der Nach- barschaft von Kerguelen geliefert hatte , kamen in den letzten Jahr- zehnten mehrere große Eistriften auch in die Längen von Kerguelen hinein. Insbesondere gilt dies von der berüchtigten Eistrift, die seit Mitte 1896 bis Frühjahr 1897 die Schiffahrt in den hohen Breiten des Indischen Ozeans empfindlich behinderte ^). Ebensowenig fand die deutsche Südpol- expedition unter E. v. Drygalski Beweise für einen solchen Strom. Dieser ist infolgedessen von den modernen Stromkarten wieder getilgt, und seitdem wird auch die Äquatorialgrenze der treibenden Eisberge ohne die frühere Einbuchtung bei Kerguelen entlang etwa 45 ° S. B. gezeichnet. Mit den Eisbergen ziehen wir eine Begleiterscheinung der großen West- windtrift heran, die mit Notwendigkeit auf Beziehungen zu den hohen antarktischen Breiten hinweist. Vornehmlich der Eisberge wegen hat man sehr früh eine starke nördliche Komponente in der sonst östlichen Strömung angenommen ; so entschloß sich schon 1865 August Peter- mann auf seiner Stromkarte der Südpolarregionen südlich von 40 ° S. B. nur nach Nordosten gerichtete Stromfäden einzutragen, und auch auf der neuesten Karte von G. Schott finden sich ostwärts von 45 ® 0. L. allgemein Richtungen nach ONO, in australischen Längen bis zu Nord- osten. T o y n b e e war der Ansicht, daß in dieser Neigung des Stroms, von Osten nach Nordosten abzuweichen, eine Rückwirkung der Schmelz- wässer hoher Breiten zu erkennen sei, denn im Südsommer sei der Strom nicht nur stärker, sondern setze auch nördlicher als im Winter. Die letzt- genannte Periode in der Richtung ist aus dem vorliegenden Material schwer festzustellen ; aber in der Stärke ist in der Tat auch auf Grund der Monats- karten der Seewarte eine derartige Schwankung zu erkennen. Wenn wir in dem Streifen zwischen 40" und 45" S. B. und 20« bis 120» 0. L. von den Stromstärken, die darin mit ihrem Maximum und Minimum eingetragen sind, die Werte für Jainiar und Februar zu mittleren Extremen zusammen- fassen, so erhalten wir 47 und 16, für Juli und August aber 34 und 12 See- meilen im Etmal. Vergleichen wir diese Schwankung mit der gleich- zeitigen der Windstärke nach den Köppenschen Windkarten, so zeigen sich gerade umgekehrt die braven Westwinde im Südsommer fast all- gemein schwächer mit nur 9 bis 12 m p. S., im Südwinter dagegen meist >) Zeitschr. der Ges. f. Erdkunde zu Berlin 1872, Bd. 7, S. 150 f. Dazu G. Schott, a. a. 0. Ergänzungsheft 109, S. 64. 2) Vgl. Erhr. v. S c h 1 e i n i t z in den Ann. d. Hydr. 1875, S. 412. 3) L. E. Dinklage in Ann. d. Hydr. 1902, S. 79; vgl. auch 1896, 14; 1897, S. 158, J90; 1898, S. 219; 1899, S. 398. Ferner Nautical Magazine 1895, p. 790, 907, 1081. Nach Not. to Mariners, Washington 1892, § 988 fand der Dampfer „Koptic" entlang 50" S. B. zwischen 99" und 109" O. L. zahlreiche Eisberge. Die Strömungen der höchsten Südbreiten. 681 stärker, zwischen 50° und 100 '^ 0. L. über 12 m p. S. Wäre also der Oststrom eine reine Windtrift, so müßte diese im Juli/Au.gust schneller strömen als im Januar/Februar; darum ist die Windkonstituente nicht als ausschließlich maßgebend zu betrachten. Die braven Westwinde erleiden auch eine Kichtungsänderung vom Anfang bis zur Mitte des Jahres, die den Strom in der Tat nach links, d. h. mehr nach Nordosten aufdrehen lassen sollte. Vergleichen wir auf den beiden Köppenschen Karten die Windrichtungen in 45° S. B. und lassen die reinen Triftströme mit 45'* nach links davon abweichen, so erhalten wir: r^^^^^A Prinz-Edward- Crozet- v^^„.,^i^„ häo n t ^^g^"^ Inseln inseln Kerguelen llo« O. L. Trift im Januar/Februar . N TS" 0 N 73" O N 66« 0 N 35» O Trift im Juli/Augiist . . S Sl» O S 74« O N 74» O N 74» O Drehung +21» +33» +8» +39» woraus sich etwas wie die von Toynbee behauptete Drehung abnehmen ließe. Gleichzeitig erkennen wir aber auch für den Südwinter eine zu große Abweichung des wirklichen Stroms vom reinen Triftstrom in der westlichen Hälfte des Gebiets, wo die berechnete Trift eine südliche Kom- ponente, der wirkliche Strom aber eine recht Ost oder ein wenig nördlich von Ost liegende Richtung hat. Nun erscheint in der Tat diese Region von 40 ° bis 70 ° 0. L. auf den Karten des Salzgehalts ^) mit starken Unter- schieden in nordsüdlicher Richtung ausgestattet: zwischen den Prinz- Edward-Inseln und Kerguelen fand die Challengerexpedition allgemein 33.8 bis 33.9 Promille, während nur 5 Breitengrade nördlicher schon durch- weg 35 Promille und mehr verzeichnet werden. Dagegen besitzt die ganze Bouvetregion denselben niedrigen Salzgehalt von 33.5 bis 33.8 Promille (vgl. oben Tabelle S. 675). Trotz gleichzeitig erniedrigter Temperaturen muß sich so ein Gradient nach Norden herausbilden, der gemäß der Theorie die Oberfläche nach einer mehr westlichen Richtung abströmen lassen müßte, also der Windtrift ungefähr entgegen. Da die letztere aber un- zweifelhaft die stärkere Konstituente ist, bleibt zuletzt wohl eine nördUche Komponente übrig. Hiernach würde sich also die Bouvetregion mit ihren eigenartigen physikahschen Zuständen bis hier hinauf bemerkbar machen, besonders im Sonomer durch reichlicheres Schmelzwasser den Gradienten verstärken. Auch mit den Eisbergtriften verhält es sich wohl etwas anders, als daß man sie ganz einfach und allgemein aus Südwesten heraufkommen lassen darf. Verfolgt man, wie uns das der stets scharf zublickende L. E. Dinklage lehrt, den Verlauf der großen Eisvorstöße seit 1892, so ergibt sich, daß die Scharen dieser Berge aus der Drakestraße und aus der Gegend der Weddellsee zuerst auf dem Schiffskurs der um Kap Hörn heimkehrenden Segler auftreten, dann einige Monate darauf im Süden des Kaplands und noch später weiter im Osten bei Kerguelen und über 100 ° 0. L. hinaus; doch ist bemerkenswerterweise die Gegend südUch von Tasmanien noch ärmer an Eisbergen als das östlich von Kerguelen gelegene Gebiet. *) Schott im Valdiviawerk Taf. 33 bezeichnet diese Region als „Misch- gebiet" 682 ^iö Strömungen des Indischen Ozeans. Schon bei der Darstellung der Oberflächentemperaturen und der ther- mischen Schichtung dieser hohen Südbreiten (Bd. I, S. 436 f.) haben wir die Bouvetgegend als die kälteste im ganzen Umkreise ihres Breitengürtels bezeichnen müssen und die Meinung daran geknüpft, daß sie wohl einen Drehpunkt für eine Zirkulation in dem Sinne gebe, daß durch den Kap- Horn-Strom kaltes Wasser an der Ostseite von Grahamland von Süden her aspiriert werde, dieses einen an Eisbergen reichen Strom entlang .der antarktischen Inland- und Packeiskante nach Westen hervorrufe, und daß dann dieses besonders kalte Wasser vom atlantischen Verbindungs- strom an seiner rechten Seite nach Nordosten getragen werde. Daß ein Weststrom am Rande des antarktischen Landeises vorhanden sein muß, verlangen schon die dort vorherrschenden, der südpolaren Antizyklone an- gehörigen Ostwinde^). Außerdem wird das Schmelzwasser in der Ober- flächenschicht von der Küste ab, also ebenfalls nach nordwestlichen bis westlichen Richtungen abzufließen trachten. Beide Konstituenten yrerden also einen Oberflächenstrom liefern, der im wesentlichen nach Westen führt mit einer nördlichen Komponente, die sich nach der Wassertiefe imd nach der anzunehmenden Reibungsgröße richtet. Die sich entlang 60° S. B. nach Osten hintereinander her bewegenden Luftwirbel ziehen sowohl aus diesem Weststrom wie aus der großen Osttrift der niederen Breiten Stromfäden hinüber und herüber und lassen auch nordsüdliche Richtungen zeitweilig entlang der Rinne niedrigsten Luftdrucks auftreten. Dadurch wird eine gewisse Ausgleichung der Dichtigkeiten in der Zone zwischen 50° und 65° S. B. ermögUcht. Aber da im Drehungszentrum des Stroms das Wasser am ruhigsten bleibt, verweilen die niedrig tempe- rierten, wenn auch verdünnten Gewässer hier ohne Zufuhr aus niederen Breiten und geben so der Bouvetregion ihre besonderen Merkmale. Nach der Theorie wäre hier übrigens das Zentrum einer antizyklonalen Be- wegung zu erwarten, also mit einer aufsteigenden Tendenz in der Mitte des Wirbels und entsprechender zyklonaler Zuströmung in der Tiefe. Alles dies kann zur Zeit freilich nur als Ergebnis mehr oder weniger hypothetischer Deutungen von Tatsachen gelten, die noch unvoll- kommen bekannt sind. Gesichert und bezeugt sind in der Tat nur die entlang der antarktischen Eiskante und im Treibeisgürtel selbst vor sich gehenden Strömungen nach Nordwesten und Westen durch die über- einstimmenden Beobachtungen der älteren wie der modernen Südpolar- fahrer. Während bei Graham- und Louis-Philipp-Land noch östliche Strömungen ebenso wie bei den Südorkneyinseln vorherrschen, fand Weddell bei seinem berühmten Vorstoß nach Süden zwischen 30° und 40° W. L. vorwiegend nach Norden setzendö, James Clark Ross, der östUch von Weddell bis 71 Vg" S. vordrang, mehr Nordwestströmungen, Bruce 1903 und 1904 solche nach Westen und Südwesten vor. B i s c o fr meldet aus der Gegend des Enderbylands einen nach NNW gerichteten Strom, E. v. Drygalski auf der letzten Trift des „Gauß" im Eise 1) Nach W. Meinardus, Deutsche Südpolarexpedition, Meteorologie Heft 1, Berlin 1909, S. 113, ist auf der „Gauß"- Station der Prozentanteil der Winde aus dem Ost Quadranten 6ö, auf der „Discovery"-Station 50; dagegen überwiegen auf Graham- land die Winde aus dem S üd quadranten: Snow Hill S 38, W 23 Prozent; Port Charcot S 42, N 21 Prozent, aber auf den Südorkneys W 36, N 30 Prozent. Tiefenströme. 683 solchen nach Nordwesten, W i 1 k e s vor dem nach ihm benannten Lande eine allgemeine Tendenz der Gewässer nach AVesten^). Die Tiefenströmungen des Indischen Ozeans sind bei dem gegenwärtig noch sehr unzureichenden Stande unserer Kenntnisse, namentlich der Salzgehalts- und damit der Dichteverteilung, kaum anders als in wenigen Merkmalen und noch sehr unsicher zu kennzeichnen. Betrachten wir zunächst die höheren Breiten, so ist auch fiir den In- dischen Ozean das Schema der vertikalen Komponente in den Wasser- versetzungen, wie es sich aus einem Isothermenschnitt ableiten ließ (Bd. I, S. 437), anwendbar. Auch hier haben wir in der Nähe des hier tief in das Meer tauchenden Inlandeises mit seinem Eisberggürtel im oberflächlichen Treibeis Bedingungen, die noch am ehesten dem Petterssonschen Typus der Eisschmelzströme entsprechen (vgl. oben S. 512). Durch die Erd- rotation müßten hierbei die oberflächlich liegenden Schmelzwasser nach Nordwesten bis Westen, die relative warme Tiefenströmung in 200 bis 500 m Tiefe nach Südosten bis Osten gelenkt werden. Diese letztere Strö- mung bezieht ihr Wasser anscheinend aus dem Mischgebiet der großen Westwindtrift, wo namentlich am Nordrande der Bouvetregion die ent- sprechenden Temperatur- und Salzgehaltswerte miteinander vereinigt vor- kommen; wir haben oben (Tabelle S. 675) in der Planet- Station 60 in 1000 m Tiefe 34.65 Promille mit 2.3° berichtet gefunden, während auf der Gauß- Station (vom 25. Februar 1903, 65» 33' S. B., 85" 34' 0. L.) von 750 m abwärts bis zum Boden bei 2820 m derselbe Salzgehalt von 34.65, aller- dings mit nunmehr schon erniedrigter Temperatur verzeichnet ist ; nämlich in 750 m mit + 0.4° und abwärts von 1500 mit 0.0° und etwas tiefer darunter bis — 0.2° am Boden. Dasselbe Mischgebiet scheint auch vorzugsweise geeignet, als Quelle für jene merkwürdige Zwischenschicht in 800 bis 1000 m Tiefe zu dienen, die sich ebenso wie im Atlantischen so auch im Indischen Ozean durch ihr Salzgehaltsminimum von den höheren Breiten bis in die Tropen hinein bemerkbar macht (vgl. oben S. 616). Auf der Fahrt des „Planet" war diese Schicht östlich von Südafrika, und zwar unweit von Natal in Station 73 und 74 in 1000 m mit 34.5 Promille, in Station 82 (3.674° S. B., 42° 0. L.) in 1000 m mit 34.4 Promille, und sodann näher zum Äquator hin in Station 127 (874° S. B., 65° 0. L.) in 800 m mit 34.7 Promille nachzu- weisen. In dieser schon südlich vom Äquator bei etwa 8° S. B. gelegenen Zone findet sich auch das aus dem Atlantischen Ozean uns bekannte Auftriebgebiet von den Seychellen bis nach Java hin mit seinen relativ niedrigen Temperaturen 2). So liegt die 15°-Isotherme nach den Beob- achtungen von W. Brennecke: in der Breite . . 40» S. 30« S. 25« S. 20« S. 15« S. 8«S. 2«N. in der Tiefe . . 0 m 325 m 360 m 340 m 280 m 160 m 180 m ^) Beläge bei Karl F r i c k e r, Entstehung und Verbreitung des antarktischen Treibeises, Leipzig 1893,- S. 98. 2) Vgl. oben S. 614 Fig. 173 und Bd. I, S. 424 die Temperaturkarte für 400 m; G. Schott bat inzwischen in Ajm. d. Hydr. 1910, Taf. 15 die korrigierten Schnitt© für den Indischen Ozean gegeben. 684 J^J6 Strömungen des Indischen Ozeans. Eine örtliche Verstärkung des vertikalen AuftrielDS scheint südlich von Java zu liegen, wo die Planet- Station 179 in Tiefen von 400 bis 1000 m ein Temperaturdefizit erkennen läßt, wie folgt: Tiefe . . . 0 100 400 800 1000 m Temperatur 27.4" 20.0° 9.7» 6.0» 4.9» Salzgehalt . 34.23 34.52 34.79 34.61 34.Ö6 Promille Auch die Oberflächenströmung entlang der Südküste von Java hat, wie vorher (S. 668) bemerkt, die Aufgabe, Wasser in den Rücken der starken Passattrift zu führen, deren Aspiration danach also nur in tieferen Schichten zum Ausdruck kommen würde. Ganz dem Tiefenstrom aus der Gibraltarstraße analog kommt mit starker Salzgehalts- und Temperaturerhöhung der Ausfluß aus der Tiefe des Roten Meers im nordwestlichen Teil des Indischen Ozeans zur Wirkung; natürlich wird hier kein mechanisch deutlicher Strom, sondern nur ein langsames Drängen dieser erythräischen Tiefenwasser anzunehmen sein, wobei sie durch Mischung oder Difiusion doch ziemlich weit über den Bereich des Arabischen Meeres nach Südosten vordringen (vgl. Bd. I, S. 427 f.). Brenneck j ist geneigt, eine gelinde Zunahme des Salzgehalts in noch wenig tiefen Schichten zwischen 100 und 140 m auf der Planet- Station 144, östlich von den Malediven (1» 52' N. B., 74° 45' 0. L.) auf dieselbe Quelle zurückzuführen, indem er sich auf eine ähnliche, aber viel ausgeprägtere Anordnung der Salzgehalte auf einer nicht weit nörd- lich davon liegenden Station Makaroffs bezieht. Brennecke fand auf seiner Station 144 am 30. Juni 1906: in der Tiefe von 0 50 100 120 140 160 200 400 m Temperatur . . 29.0» 27.5» 22.7» 21.1» 19.5» 16.8» 13.6» 11.2» Salzgehalt . . 35.17 35.07 35.17 35.19 35.16 35.01 35.05 35.05 Prom. Makaroff hatte auf der Vitiaz- Station in 7" N. B., 76° 0. L. am 2. Novem- ber 1889 in 100 m sogar 36.5 Promille mit 27.4° gemessen, was beides im Zusammenhang mit der Jahreszeit (der Nordostmonsun mußte das Wasser schon wieder nach Westen zurücktreiben) fast auf einen Messungsfehler schließen läßt, aber der Nachprüfung bedarf, ehe man die Beobachtung ganz verwirft. Auf Grund einer anderen bemerkenswerten Tatsache hat Brennecke ^) noch Tiefenbewegungen zu erschließen versucht, die sich aus dem Salz- gehaltsmaximum des Indischen Ozeans nach Westen hin richten. Auf den Planet- Stationen im Gebiet der Maskarenen fällt eine deutliche Zu- nahme des Salzgehalts bei 200 oder 300 m Tiefe auf, die noch bis Station 127 (83/4O S., 65» 0.) erkennbar ist, hier aber schon in 80 m Tiefe. östHch von Nordmadagaskar (16 Va" S., 51^4 0.) fanden sich: in der Tiefe . . 0 100 '200 400 800 m Temperatur . . 25.8» 23.4» 18.7» 11.8» 6.1» Salzgehalt . 35.14 35.14 35.48 35.08 34.58 Prom. Es ließ sich leicht nachweisen, daß dieses Wasser maximalen Salzgehalts xmd relativ hoher Temperatur jedenfalls nicht aus einer südlicheren Gegend abstammen könne, wo man zwar gleichen Salzgehalt, aber dann eine viel ^) Forschungsreise usw. S. 83. Das Rote Meer. 685 niedrigere Temperatur an der Oberfläche antrifft. Nach Brennecke ist viebnehr das Salzgehaltsmaximum um 30° S. B. im Osten des Indischen Ozeans als Ursprung wahrscheinlicher; es sind hier am Wendekreise Salzgehalte von fast 36 Promille mit Temperaturen von 20° in der Tat nachweisbar und diese Gewässer würden dann sehr wohl mit der Passat- trift in die Gegend der Maskarenen gelangen können. Es fragt sich aber, ob eine Herkunft aus Nordwest ganz ausgeschlossen ist. Leider gestatten die Salzgehaltsbestimmungen aus dem westlichen Tropengebiet des In- dischen Ozeans, die Schott auf der „Valdivia" geliefert hat, für die Gegend nördlich von Madagaskar und von den Seychellen hinüber zur Somaliküste keinen genügenden Einblick, da sie, obwohl an sich dankenswert, doch zu spärlich und nur mit einem Aräometer ausgeführt wurden. Es ist nämhch aus der Wirkung der Erdrotation zu schließen, daß das schwere erythräische Wasser an der Westseite des Arabischen Meers weiter nach Süden vordringen müßte und nach Überschreiten des Äquators, wie der Äquatorialgegenstrom an der Oberfläche, in der Tiefe eine nunmehr südöstliche und östliche Richtung auf die Seychellen und Madagaskar hin nehmen könnte. Auch dieses Problem bedarf also der Nachprüfung an Ort und Stelle durch zahlreiche und den jetzigen Anforderungen ent- sprechende Bestimmungen des Salzgehalts in den verschiedenen Tiefen. Von den Nebenmeeren des Indischen Ozeans sind das Rote Meer, der Persische Golf und das Australasiatische Mittelmeer in bezug auf ihre Strömungen näher darzustellen, während das Andamanische Randmeer schon bei der Beschreibung der Monsunströme (S. 668) und das Tasmanische bei der großen Westwindtrift (S. 676) behandelt werden mußten, da sie sich vom benachbarten Ozean nicht trennen ließen. Auch die Strömungen des Roten Meeres werden notwendig unter dem Einfluß der Monsunbewegungen, insbesondere der im Golf von Aden sich vollziehenden stehen (vgl. oben S. 668). Für die in unserem Winter vorhandenen Strömungen haben die beiden je ein Halbjahr um- fassenden Untersuchungsfahrten der „Pola" 1895/96 und 1897/98 ein Urteil ermöglicht. Josef L u k s c h ^) hat dies dahin zusammengefaßt, daß im allgemeinen eine Zirkulation der Oberflächenschichten entgegen dem Uhrzeiger vorwiegend mit Nordstrom an der arabischen Seite, mit Südstrom an der afrikanischen hervorgetreten sei. Schon die auffallende Anordnung der Isothermen und Isohalinen bringt das zum Ausdruck, indem diese im Golf von Suez nicht quer über die schmale Fläche, sondern schräg in nordsüdlicher Richtung verlaufen und denselben Typus auch im eigentlichen Roten Meer festhalten, wobei allerdings, ähnlich wie in der Adria, im Bottnischen Golf, in der Davisstr&ße und Baffinbai auch Querströme von der einen Küste zur gegenüberliegenden auftreten und auf diese Weise je nach dem Eingreifen des Windes breitere oder engere Teilzirkulationen entstehen. Hierbei macht sich auch eine vertikale Komponente fühlbar, indem namentUch das entlang der afrikanischen 1) Denkschr. k. k. Akad. d. Wiss. Wien 1898, Bd. 65, S. 420; 1901, Bd. 69, S. 395 und Stromkarte Taf. V. — Au)3erdem vgl. die vom Meteorological Council heraus- gegebenen Meteorological Charts of the Red Sea, London 1895 (Auszüge von Schott, Ann. d. Hydr. 1906, S. 28, und S u p a n in Pet. Mitt. 1905, Literaturbericht 864). ßgß Die Strömungen der indischen Nebenmeere. Küste im allgemeinen südwärts strömende kühlere und zugleich etwas salzreichere Wasser unter das wärmere und weniger salzige der arabischen Seite untertauchen kann. Solche Stellen mit Oststrom liegen nach Luksch besonders häufig beim Dädalusriff (25'* N. B.), bei der St. Johannesinsel (2372** N. B.) bis auf Jedda hinübergreifend, in der Breite von Suakin und zuletzt noch nördlich vom Dahlakarchipel. Etwas nördlich von diesen Querzügen laufen jedesmal entgegengesetzte von leichterem Wasser nach Westen hinüber. Im Bereiche der den Süden beherrschenden Ko- rallenflächen sind, die Strömungen unter der Mitwirkung des Windes und der Gezeitenströme der Schiffahrt besonders gefährlich, da sie von den Fahrstraßen auf die Riffe hinauf führen. — Für die Sommermonate fehlt uns leider eine ähnlich eingehende, auf gleichzeitigen physikalischen Studien beruhende Darstellung der Strömungen. Die englischen Strom- karten heben hervor, daß im Sommer, wo doch im Nordteil des Meeres Nord- und Nordwestwinde herrschend bleiben, ein Drittel und mehr aller Beobachtungstage in den meteorologischen Journalen den Vermerk „kein Strom" tragen; in den Wintermonaten gilt das nur für ein Viertel und weniger der Tage. Die Stromzeichnung selbst erweckt den Eindruck, als wenn der dann auch im Südteil vorherrschende Nordwestwind das Wasser in der tiefen Mitte des Golfs vor sich her triften ließe, während an beiden Küsten entlang Gegenströme nach Norden gingen. Es finden sich aber so viel Lücken in den Beobachtungen, daß man nähere Untersuchungen abwarten muß. Wahrscheinlich bleibt auch im Sommer das Strom^ystem wesentlich dasselbe, wie es Imksch für den Winter gezeichnet hat. Die Vorgänge im Eingangstor zum Roten Meer , dem B a b - e 1- M a n d e b , sollen der Theorie nach ein Ebenbild derjenigen in der Gibraltarstraße sein; die Verdunstung im Bereiche des Roten Meers ist jedenfalls noch erheblich größer als im Mittelmeer und die Zufuhr atmo- sphärischen Wassers verschwindend klein. Die eigentliche Torschwelle liegt 12 Seemeilen nordwestlich von Perim binnenwärts verschoben etwa in der Verlängerung der italienisch-französischen Grenze von Dumeira hinüber nach Si-Dubab mit einer Breite von 20 Seemeilen und einer Sattel- tiefe von 196 m in einer 5 Seemeilen breiten ziemlich schroff begrenzten Rinne von durchschnittlich' 180 m Tiefe. Die Straße selbst i) zerfällt in zwei durch die Insel Perim (arabisch Majün) getrennte Kanäle, von denen der an der arabischen Seite liegende, Bab-el-Menheli oder „Kleine Straße" genannt, kaum 2 Seemeilen breit und nicht über 26 m tief ist, während der Hauptzugang im Südwesten von Perim, Dacht-el-Majün oder die „Große Straße", etwas über 10 Seemeilen breit und bis 300 m tief ist. Nach den leider nur 4 Tage Ende Januar 1898 umfassenden Strom- messungen des britischen Vermessungsschiffes „Stork", über welche H. J. Gedge^) berichtet, ergab sich wie in der Gibraltarstraße eine starke Einströmung aus dem Ozean von mindestens 2 bis 2^/4 Seemeilen in der Stunde an der Oberfläche, die nach der Tiefe hin abnahm, in 130 bis 140 m ihre Grenze fand imd in der Unterschicht von einer auslaufenden 1) Deutsche Admiralitätskarte Nr. 323. Vgl. auch T h. v. H e u g 1 i n in Pet. Mitt. 1860, S. 356. *) Report on the Undercurrents in the Straits of Bab-el-Mandeb, London 1898. Auszug in Am. d. Hydr. 1898, S. 519. Das Rote Meer. 687 Strömung abgelöst wurde, die ihrerseits von 1 bis 3 Seemeilen in der Stunde schwankte. Der Gezeitenstrom folgte der Eintagstide dieser Gregend (vgl. oben S. 382) und lief 12 Stunden nach Nordwesten und ebenso- lange nach Südosten. Die Untersuchungen an Bord der „Pola" ergaben ^), daß der Oberstrom in der Kleinen Straße etwa 36.5, in der großen 36.8 bis 37.0 Promille Salzgehalt besaß, der Unterstrom dagegen 39.7 Promille; die örtlichen Dichtewerte S\l sind für den Oberstrom 1.0242 bis 1.0243, für den Unterstrom 1.0274. An der Insel Perim und entlang den Küsten treten ziemlich heftige Neerströme auf, so daß nicht die ganze Breite der Straßen vom einfließenden Oberstrom beherrscht wird. Daß dieser zur Zeit des Flutstroms eine Stärke von 48 bis 50 Seemeilen im Etmal erlangen kann, wie die Segelhandbücher angeben, ist nach Gedges Beob- achtungen durchaus nicht zu bezweifeln. Nach diesen steigt die Strom- stärke an der Oberfläche von 0.7 Knoten zur Zeit des Niedngwassers auf 2.8 Knoten bei Hochwasser an; zur Zeit des letzteren addiert sich der Flutstrom zum Dichtestrom, 12 Stunden später laufen beide gegeneinander. Daraus folgt für den vom gleichzeitigen Nordostmonsun beschleunigten Dichtestrom eine Stärke von 1.7 Knoten stündlich oder 87 cm p. S. Wenn, wie es scheint, im Sommer der Salzgehalt über dem Golf von Aden etwas sinkt, sollte dieser Oberstrom dann an Kraft noch gewinnen. Diese Daten gestatten uns folgende quantitative Betrachtung. Da die Salzgehalte des Oberstroms und Unterstroms sich verhalten wie 36.9 zu 39.7, also angenähert wie 9: 10, muß für jede 10 aus dem Ozean einlaufenden Ein- heiten der Unterstrom wieder 9 zurückliefern, da sonst eine Aufspeicherung von Salz im Roten Meer unvermeidlich wäre. Der Rest von rund Vio dient also dazu, den Niveaustand auf der gleichen Höhe zu halten, d. h. den Verlust durch Verdunstung von der Meeresoberfläche zu kompensieren. Da kein Regenfall von Bedeutung vorhanden ist, haben wir also hiermit die Möglichkeit, die Verdunstung über dem Roten Meer zu berechnen, 8ol::iald wir ein genaueres Maß für das einlaufende Volum besitzen. I)as ist allerdings nur angenähert der Fall, wie das aus unseren einzelnen Ansätzen im folgenden ohne besonderen Hinweis sofort ersichtUch ist. Aus der Seekarte ergibt sich ein Querschnitt (über die innere Schwelle genommen) von 2.743 qkm, wovon 1.209 auf die tiefe Rinne unter 50 ni entfallen; diese Rinne selbst ist im Mittel 130 m unter ihre Umgebung eingesenkt. Vom ganzen Querschnitt von 2.743 qkm kommt das Randgebiet wegen seiner Neerströme nicht in Betracht; wir verkleinern ihn deshalb um V4 und erhalten also 2.057 als Gesamtquerscbnitt für die beiden übereinander liegenden Ströme. Diese stehen im Verhältnis zueinander wie 36.5 zu 39.7, so daß auf den Oberstrom ein Durchflußprofil" von 1.072, auf den Unterstrom von 0.985 qkm kommt, indem wir annehmen, daß die Strom- geschwindigkeiten der beiden einander gleich zu setzen sind. Da die tiefe Rinne allein 1.209 qkm hat, läßt der Unterstrom einen Teü für die darüber Hegende Oberströmung frei; um diese 1.209 — 0.985 = 0.224 qkm zu beschaffen, muß die Grenzfläche um 24 m tiefer gelegt werden, also in 74 m ; daß sie weiter südlich von der inneren Schwelle bei Pf. im selbst nach Gedges Messungen in etwa 135 m lag, enthält keinen Widerspruch. Der Oberstrom hat dem- gemäß einen Querschnitt von 1.072 qkm nut einer bestimmten Geschwindig- 1) Denkschriften k. k. Akad. Wien 1901, Bd. 69, S. 362 f. Die Salzgehalte smd nach Knudsens Tabellen aus den Aräometerablesungen neu berechnet. Vgl. auch Bd. I, S. 357 f. Makaroffs Schöpfzüge scheinen techniaoh mißlungen 088 I^iß Strömungen der indischen Nebenmeerc. keit zu passieren; wir setzen sie im Durclischnitt für die ganze bewegte Masse auf 20 Seemeilen in 24 Stunden an, was mit Absicht eher zu hoch als zu niedrig gegrifien ist, und erhalten damit als gefördertes Volum 20 x 1.852 x 365 X 1.072 = 14 490 cbkm im Jahr. Hiervon sind, nun cenauer gerechnet, ein Bruchteil = (39.7 — 36 5)/39.7 = .5.2/39.7, also 1168 cbkm nötig, um das Niveau zu halten, d. h. die Verdunstung zu kompensieren. Fehlte diese Zufuhr, d. h. könnte man sich das Bab-el-Mandeb geschlossen denken, so würde das Rote Meer in 223 810/1168 = 191.6 Jahren verdunstet sein, falls die jährliche Verdunstungshöhe bei steigender Konzentration gleich bliebe, was nicht der Fall sein wird, so daß war annehmen dürfen, daß weit über 200 Jahr erforder- lich sein würden, die Austrocknung des Roteii Meeres zu vollenden. Da sein Areal 458 480 qkm beträgt, so bedeuten 1168 cbkm eine Verdunstungshöhe von 2546 mm im Jahr: was wir aber nach allen unseren obigen Ansätzen als Maximalwert betrachten dürfen. Nach J. H a n n^) ist in Kairo die jährliche Verdunstung = 1237 mm; legen wir das Maß der drei Sommermonate (je 167 mm) zugrunde, so würden wir auf 2004 mm kommen, also jedenfalls in die- selbe Größenordnung. Die einst von E. Reclus gegebene Schätzung von 7 m, die Carpenter in seiner Untersuchung dieses Problems-) durchaus angemessen fand, können wir also jedenfalls nicht bestätigen. Die Verdunstungshöhen werden immer kleiner, je größer die verdunstenden Flächen genommen werden; so hat der Lake George im Innern von Neusüdwales jährlich nur einen Ver- dunstungsverlust von 1040 mm, Seen bei Bombay einen solchen von 1590 mm, während gleichzeitig ein Gefäß von 1 Quadratfuß Oberfläche 2170 mm verlor; im Salzwasser muß sich diese Wirkung noch verringern (Bd. I, S. 244). "Wir dürfen also annehmen, daß die Verdunstungshöhe über dem Roten Meer schwerlich 2.5 m im Jahre übersteigt. — Es wäre sehr erwünscht, wenn syste- matisch einmal der Strom in dem Zugangstor des Roten Meers gemessen würde, wozu dann auch genauere Temperatur- und Salzgehaltsbestimmungen kommen müßten. Da bei der Kraft der StrombeWegungen interne Wellen unzweifel- haft auftreten werden, gestaltet sich die Aufgabe allerdings wohl recht lang- wierig, — Über die Strömungen im Persischen Golf ist wenig Zuver- lässiges bekannt; die Segelan Weisungen sprechen von meist nur schwachen und konfusen Bewegungen. Doch kommt bei den das ganze Jahr hindurcb vorherrschenden, im Sommer verstärkten Nordwestwinden entlang der arabischen Seite und namentlich auch beim Kap Musandam in der Straße von Hormus als Glied des bekannten zyklonalen Systems nordhemisphä- rischer Nebenmeere ein Strom nach Südosten in Frage, dem im Bereiche der im Sommer wasserreichen Flußmündungen ein Dichtestrom zu Hilfe kommt, während entlang der Nordküste des Golfs der Strom häu% nach Nordwesten zu setzen scheint ^). Nach den neuen von G. Schott beschauten Salzgehaltsbestimmungen sind unsere früheren Angaben (Bd. I, S. 332) überholt*): der Persische Golf bleibt mit der Konzentration seiner Ge- wässer kaum hinter dem Roten Meer zurück, im Winter sind im Innern 40 bis 40.5 Promille an der Oberfläche anscheinend die Regel, im Sommer etwas seltener. Da der benachbarte Indische Ozean 36.3 bis 37.0 Promille besitzt, muß es auch hier ähnlich wie im Bab-el-Mandeb zu einer Art von vertikaler Zirkulation in der Straße von Hormus kommen, obwohl die 1) Met. Zeitschr. 1897, S. 429 und Lehrbuch der Meteorologie 1901, S. 208 f. 2) Proc. R. Geogr. Society London 1874, p. 314. ») Vgl. den Atlas von Dallas und Walker oben S. 666 Anna. 2. *) Ann. d. Hydr. 1908, S. 296 und Taf. 13. Das Australasiatische Mittelmeer. 689 Tiefenverhältnisse gänzlich verschieden sind, wie schon (oben S. 383) bei Darstellung der Gezeiten betont wurde. Das Innere des Golfs ist eine seichte Schelffläche und nur die Mündung fällt in der Nähe des Kaps Musandam zu größeren Tiefen ab. So ist zu vermuten, daß ein Quer- schnitt durch die Straße von Hormus an der arabischen Seite schweres, an der nördlichen Seite und in der Clarencestraße leichteres Wasser auch an der Oberfläche aufweisen und daß die Isohalinflächen nach Norden in die Tiefe fallend angeordnet sein dürften. Auch aus dieser Salzgehalts- verteilung wäre auf ein zyklonales Zirkulationssystem, an der Oberfläche zu schHeßen. Ungleich reichhaltigeres Material steht für das Australasiatische Mittelmeer zur Verfügung. Genauere Beschreibungen der halb- jährlich wechselnden Monsunströme besonders auf den viel befahrenen SchifEswegen zwischen Singapore und Hongkong, der Sundastraße und den hinterindischen Häfen haben schon früh die erfahrenen Kapitäne P o 1 a c k ^) und W. W a g n e r 2) gegeben, die auch bei späterer Nachprüfung in allen wesentlichen Punkten bestätigt wurden, was G. Schott') hervorhebt. Für das südöstliche Gebiet ist eine wenn auch nur knappe Darstellung von P. van der Stok*) sehr wertvoll ; ausführlicher sind der „Atlas der Stromversetzungen auf den wichtigsten Dampferwegen im Indischen Ozean und in den Ostasiatischen Gewässern" sowie die „Monats- karten für den Indischen Ozean", beide unter Leitung von G. Schott durch die Deutsche Seewarte herausgegeben. Wenn man von Gezeiten- strömen im seichteren Gebiet und namentUch auch über den isoliert aus tieferem Wasser aufsteigenden Untiefen^) absieht (wie früher bemerkt [S. 415], l'nüpft gerade an diese Meeresstriche die Sage vom Magnetberg an), so ergibt eich folgendes Bild. Zur Zeit des Nordostmonsuns ist die allgemein vorherrschende Bewegung im Westen nach dem Indischen Ozean hin gerichtet, so daß bei Formosa und um die Philippinen pazifisches Wasser angezogen wird, während im Sundagebiet die Ströme nach Osten hin vorherrschen. Ander- seits dringt das luvwärts an Malakka und Sumatra angestaute Wasser durch die Malakkastraße nach Nordwesten ins Andamanische Meer, durch die Sundastraße in den Indischen Ozean. Im übrigen herrscht alsdann in der eigenthchen Chinasee, die wir uns im Südwesten durch eine Linie von Pulo Obi nach den Natunainseln abgegrenzt denken wollen, ein nahezu vollständiger Kreislauf. Mit 20 bis 40 Seemeilen Geschwindigkeit strömt das Wasser an der Südküste Chinas nach WSW, zwischen den Pratas und Paracelriffen nach Südwesten auf die Küste von Annam zu. An dieser wird der Strom eingeengt und erreicht südlich von Kap Varella, namentlich aber auf der Höhe von Kap Padaran, Geschwindigkeiten, welche 50 bis 80 Seemeilen täglich erlangen können. Nach den Beob- ') Segelan Weisung für die Fahrten in den chinesischen Gewässern. Hamburg 1868. Neudruck im Auszuge in Ann. d. Hydr. 1890, S. 33. *) Ann. d. Hydr. 1876, S. 291. »1 Ann. d. Hydr. 1900, S. 428 und klare Karte Taf. 12. "") In dem oben S. 384 erwähnten großen Atlas. ') Vgl. dazu die Beobachtungen deutscher KriegssohiflEe auf den ParacelriflFen, Ann. d. Hydr. 1885, S. 29. Krümmel, Ozeanograpitie. II. 44 690 1^6 Strömungen der indischen Nebenmeere. achtungen von G. Schott^) ist diese örtliche Strombeschleunigung mit einem Sinken der Temperatur verbunden, die natürhch auch hier' von einer aufsteigenden Komponente der Bewegung verursacht ist. Die Si- tuation ist nur scheinbar derjenigen an der Somaliküste ähnlich (s. oben S. 670), nicht weil es sich hier nur um Temperaturabfälle von 2° bis 3° handelt, sondern an der Somaliküste ist die Erdrotation bei beschleunigtem Strom stärker ablenkend wirksam und imstande, das Oberflächenwasser seewärts von der Küste hinwegzuziehen, also eine Querzerrung auszuüben,, während hier die Kotationsablenküng das Wasser sozusagen gegen das Land hindrängen muß. Darum könnte man in diesem Falle von einer Längszerrung, veranlaßt durch örtlich verstärkten Tangentialdruck (s. oben S. 615), sprechen. Bei den Sapatouklippen, die am Rande der hier nur 80 bis 90 m tiefen Lotungsbank liegen, wird der starke Strom an seiner linken Flanke abgelenkt, erst nach Süden, dann schnell nach Südosten, Osten und Ost- nordosten. Nach den Angaben von Kapitän Polack bildet er sogar um einen Punkt in etwa 9® N. B., 110*^ 0. L. einen ausgeprägten Wirbel von etwa 180 Seemeilen Durchmesser zwischen den Sapatou- und den Prinz- von- Wales- und Vanguardbänken. Das in dem rifEreichen KoraUenmeer östlich von diesem Wirbel mit Vermessungen beschäftigte Kriegsschiff „Rifleman" fand daselbst den Strom immer gegen den Monsun laufend; und ebenso setzt im Nordostmonsun entlang der Nordwestküste von Borneo, der Westküste von Palawan und der Phihppinen der Strom mit 15 bis 25 Seemeilen Stärke im allgemeinen immer nach Norden, indem er zwischen Kap Bojador und den Prätasriffen nach Nordnordwesten und Westen in den Hauptstrom zurücklenkt. — Der Strom beschreibt also, abgesehen von dem lokalen Wirbel bei Pulo Sapatou, einen vollen Kreis- lauf in der ganzen Chinasee, mit einer Drehung gegen den Zeiger der Uhr. In der Javase^ sind dann Ostströme, bisweüen von großer Stärke (bis zu 45, ja 60 Seemeilen im Etmal), und ebensolche in der Flores- und Bandasee maßgebend. Ein Teil des so bewegten W&ssers schwenkt in den Straßen zwischen den kleinen Sundainseln und namentlich zu beiden Seiten von Tiinor nach dem Indischen Ozean hin südwärts ab, ein anderer kleiner Teil scheint durch die Arafurasee zur Törresstraße weiter nach Osten zu gehen. In der Makassarstraße überwiegt Südstrom, an der West- küste von Celebes in 73 Prozent aller Fälle, ebenso in der Molukkenstraße, während zwischen Halmahera und Neuguinea Ostströme wieder in den Pazifischen Ozean hinauszuführen scheinen. ^) Peterm. Mitt. 1893, Ergänzungsheft 109, S. 69. Herr Prof. Schott hatte die große Freundlichkeit, auf meine Bitte aus den SchifEsjournalen der Seewarte weiteres Material zur Aufklärung dieser Frage zusammenstellen zu lassen. Es zeigte »ich, daß im Februar nur ein Saum von etwa 20 Seemeilen Breite, aber 70 Seemeilen Länge dicht am Lande zwischen Kap Varella und Kap Padaran eine Abkühlung wnter 22° erleiden kann, während auf hoher See über 24° an der Oberfläche herrschen. Im Sommer ist trotz der ablandigen Stromversetzungen (infolge des Südwestmonsuns) nichts von aufsteigendem Tiefenwasser erkennbar, die Oberflächentemperatur ist im August sogar mit 30« im Eingradfelde 12» bis 13° N. B., 109° bis 110° O. L. um 2° höher als in allen Nachbarfeldern. Aber vielleicht macht die Tatsache, daß die Stromrichtung zwar ablandig, aber kühleres Wasser von Quin Hone nach Süden auf Kap Varella hin in Bewegung ist, den Unterschied verständlich. Das Australaäiatische Mittelmeer. (391 Im Südwestfnonsun ist die Stromrichtung im allgemeinen umgekehrt. An der Küste von Cochinchina geht der Strom nach Nord- osten, bei Kap Padaran 40 bis 70 Seemeilen Stärke erlangend, an der Küste von Annam nach Norden, an der sudchinesischen Küste, mit vielen Unregelmäßigkeiten im einzelnen, im allgemeinen nach Osten; auch in der offenen See zwischen den Paracelinseln und Luzon scheint die Nordos,t- richtung bei mäßiger Stromstärke zu überwiegen. Nach P o 1 a c k s Angaben, die durch G. Schotts Karte bestätigt werden, findet sich der volle Kreislauf erst südlich von 12° N. B. ausgeprägt, insofern dann an der Küste von Palawan und Borneo südliche Strömungen vorherrschen, welche durch das Korallenmeer von Kap Padaran und Pulo Sapatpu aus einen Zustrom erhalten, während von den Natuna- nach den Condoreinseln ein nach Norden setzender Strom den Kreislauf abschließt. Noch beiden Vanguardbänken gibt Polack einen Südweststrom von 20 Seemeilen Stärke nach seinen Erfahrungen an. Es ist leicht einzusehen, wie durch den Südwestmonsun einerseits Wasser aus der Javasee nach Norden getrieben wird, anderseits in der Formosastraße und zwischen Formosa und den Baschiinseln der Strom nach Nordosten in den Ozean hinaussetzt. — Im ganzen aber wird für die Zeit des Südwestmonsuns der Strom nicht als so beständig beschrieben, wie in der anderen Jahreshälfte, weil eben der Monsun selbst sehr viel unregelmäßiger auftritt und häufig von Stillen abgelöst wird ; daher auch sehr viele Stromstillen namenthch an der' Ostseite der Chinasee. In der Java-, Flores- und Bandasee geht der Strom überwiegend nach Westen und in allen Straßen zum Indischen Ozean hinaus. Die Makassarstraße hat auch in dieser Jahreszeit südlichen Strom (nach SSW in 59 Prozent aller Fälle), in der Molukkensee bewegt sich das fV^asser nach Norden und so auch aus der Celebessee in den Pazi- fischen Ozean hinaus. In der Hauptsache lassen sich diese Strömungen aus den vorherrschenden Winden zusammen mit der Kontinuitätsbedingung im wesentlichen erklären. Es ist aber bei dem Reichtum an Landwassem, die in diesem Tropenmeer von den regenreichen Inseln her einmünden, durchaus nicht von der Hand zu weisen, daß auch Dichteströme vorhanden sind. Wenn man die Verteilung des Salz- gehalts auf Schotts Übersichtskarte^) daraufhin betrachtet xmd wahrnimmt, wie große Dichtegradienten nach der Chinasee hin von den umgebenden Küsten aus vorhanden sind, so wird man ein zyklonales System von Konvektions- strömen besonders in der Regenzeit erwarten : zur Zeit des Südwestmonsuns sollte diese Zyklone dem Triftstromsystem entgegen wirken. Vielleicht hängen damit die zahlreichen Stromstillen entlang Borneo und Palawan zusammen. Da der Äquator quer durch Borneo hindurch verläuft, würde der Konvektions- strom an der Südküste dieser Insel in unserem Sommer nur schwach nach Osten, also dem Monsunstrom entgegen laufen, während er in unserem Winter, wo Südborneo seine Regenzeit hat, mit dem Monsimstrom gleich gerichtet sein muß. Umgekehrt ist es dann in dieser Beziehung an der Nordküste von Java. Derartige Betrachtungen können aber nur unter der Voraussetzung, daß man reichlicher Salzgehalts- und Temperaturbestimmungen aus diesem Tropeu- meere erhielte, über den Bereich rein hypothetischer Spekulationen empor- gehoben werden. ») Pet. Mitt. 1902, Taf. 19. 592 ^^^ Strömungen des pazifischen Gebiets. 3. Die Strömungen des pazifischen Gebiets. Die erste bildliche Darstellung der pazifischen Meeresströmungen, gegründet auf die damals vorliegenden Stromversetzungen , hat D u- p e r r e y in seiner Carte du mouvement des eaux ä la surface de la mer dans le Grand Ocean austral (Paris 1831) gegeben. H. Berghaus sagt von dieser Karte, die ich nicht einsehen konnte, daß sie nordwärts mit dem Parallel der Sandwichinseln abschließt, ihm aber als Vorbild für die Strömungskarte in seinem Physikalischen Atlas (1837) gedient habe, welche dieser verdiente Kartograph in der Tat als eine Darstellung be- zeichnen konnte, „gegründet auf die Beobachtungen, welche seit Magellans Zeit bis auf die preußischen Weltreisen (der Seehandlungsschiffe) gemacht sind". Der Berghausschen, bis auf die Neuzeit hin grundlegenden Karte kommt für diesen die Hälfte der irdischen Meeresfläche umfassenden Ozean der gleiche Eang zu, wie den Karten Rennells für den Atlan- tischen. Von neueren zusammenfassenden Darstellungen sind die Ar- beiten von Findlay (Journ. R. G. Soc. 1853) und de KerhaUet (mir vorliegend in der englischen Übersetzung, Washington 1869) für ihre Zeit sehr wichtig gewesen, aber durch neuere amtliche Arbeiten völlig überholt. Unter diesen sind die Quarterly Current Charts for the Pacific Ocean des Meteorological Office in London^), ferner die beiden Strom- karten für den Sommer und den Winter im Atlas des Stillen Ozeans zum Segelhandbuch der Deutschen Seewarte (1896) und die schon früher erwähnte Übersichtskarte der Meeresströmungen von G. Schott für das Gesamtgebiet wichtig. Einige Spezialuntersuchungen werden im folgenden noch zu nennen sein. Die -nördliche Äquatorial ström u n g erscheint bei D u- p e r r e y und H e i n r. B e r g h a u s als ein Teil der „allgemeinen äquatorialen Westströmung zwischen 24" N. und 26° S. B.", welche beide als ein Erbteil früherer Jahrhunderte im ganzen beibehielten. Aus den Wahrnehmungen der preußischen Seehandlungsschift'e auf der Fahrt von Chile nach aen Hawaiischen Inseln und einiger anderer Reisen nach der Nordwestküste Nordamerikas hatte Heinrich Berghaus indes schon entnehmen können, daß diese allgemeine Westbewegung des Tropen- meeres in den Längen 130° bis 140° W. in der Zone zwischen 5° und 10° N. B. durch kräftigen Oststrom, die „Nordäquatoriale Gegenströ- mung", unterbrochen werde. Darum erscheint zunächst an dieser Stelle eine Zweiteilung des Äquatorialstroms. Im Westen des Nordpazifischen Ozeans entnahm er aus H u n t e r s und Krusensterns älteren, sowie Duperreys neueren Beobachtungen im Juli 1824 südlich von den Karolinen, ebenfalls östüchen Strom, dem er indes nur einen Monsun- charakter zuschrieb. Doch läßt er eine „konstante Verlängerung" der Äquatorialströmung, an der Südseite abgegrenzt durch eine Linie von Namonuito (Karolinen) nach Kap Engaiio (Luzon) auf Formosa zu sich bewegen, wo sie nach Norden umlenkend bei den Liukiuinseln zum „Japanischen Strom" iibergeht. — ^ F i n d 1 a y hat dann die völlige IsoUe- rung der nördlichen Äquatorialströmung auch in diesem Ozean durch- ») Erschienen als Admiralty Charts Nr. 2957—2960, London 1897. Der Noidäquatorialstrom. 693 geführt und sie im Süden durch 10° N. B. begrenzt. So erscheint sie auch seitdem auf allen Karten als eine selbständige Strömung. Diese vom Nordostpassat getriebene Westströmung umfaßt die ganze Breite des Ozeans von der Gegend der Revilla-Gigedos-Inseln bis zu den Philippinen hinüber in einer Ausdehnung von etwa 130 Längengraden (7500 Seemeilen). Der Südrand der Strömung liegt im Sommer dabei auf etwa 10° und verschiebt sich im Winter auf 5" N. B. Ähnlich wie beim atlantischen Nordäquatorialstrom ist die Stromstärke im allgemeinen immer mäßig gefunden worden, 12 bis 18 Seemeilen in 24 Stunden; sehr viel geringer, in Stromstillen übergehend oder auch zu Nord- und Nord- ostströmen abkurvend entlang ihrem Nordrande. Aber weiter im Westen bei den Marshallinseln und nördlichen Karolinen sind schon von Kotzebue auffallend starke und zwischen den Inseln auch in ihrer Richtung wechselnde Strömungen gefunden worden, was von Neueren bestätigt wird. Im allgemeinen wächst die Stromstärke im Winterhalb- jahr etwas an und gewinnt im März ein relatives, wenn auch geringes Maximum. Immerhin ist diese Strömung bei der großen Ausdehnung des von ihr beherrschten Areals den nach Westen bestimmten Seglern eine bedeutsame Hilfe: so sagt Ch. W i 1 k e s i), daß er, mit seinem Geschwader von den Hawaiischen Inseln bis zum Balintangkanal (nördhch von Luzon) segelnd, insgesamt 400 Seemeilen gewonnen habe. Einen guten Einblick in die Verhältnisse dieses westlichen Teils gewähren auch die sehr sorg- fältigen Strombeobachtungen, die der niederländische Dampfer „Edi" von Mitte März bis Mitte Juni bei seinen Tieflotungen auf wiederholten Fahrten zwischen Guam, Jap, Palau und Jap- Shanghai ausgeführt hat 2). Zwischen 8° und 20° N. B. sind es 28 Messungen; sie ergaben als mittlere Stromrichtung fast genau West (S 87° W) und eine durch- schnittliche Stärke von 14.5 Seemeilen im Etmal bei einer Stabilität von 79 Prozent, was also auf eine gute Beständigkeit des Stroms schließen läßt, östlich von den Philippinen setzt der Strom nach Norden, und unter Land kann sich die Stromstärke auf 30, ja 50 Seemeilen im Etmal steigern. Der Strom biegt durch den Balintangkanal zu einem Teil in die Chinasee ab, wobei er im (nördlichen) Sommer zu beiden Seiten von Formosa in den später zu erwähnenden Kuroschio einmündet, während er im Winter zur Zeit des Nordostmonsuns außerdem auch größere Mengen nach Westen in die Chinasee schickt, um an der dort herrschenden zyklonalen Zirkulation teilzunehmen. Stromfäden, die in dieser Jahreszeit südHch von 7 ° N. B. die Küste von Mindanao treffen, biegen nach Süden ab und gehen teils unmittelbar, teils nach einem kleinen Umwege durch die Celebes- see nach Osten. , Im Sommer schwenken große Teile des Stroms schon bei den Westkarohnen südwärts ab, um den Äquatorialgegenstrom zu bilden. Eine besondere Behandlung erfordert das Verhalten des Nordäqua- torialstroms in seinem östUchsten Teil nahe der Westküste von Mittel- amerika. Ältere Darstellungen hatten ein Zurückgreifen der westwärts gerichteten und mit dem Nordäquatorialstrom zusammenhängenden Strö- 1) U. S. Exploring Exped. Bd. 6, p. 270. *) Ann. d. Hydr. 1907, S. 264. 694 -P^ß Strömungen des pazifischen Gebiets. mungen bis an die mexikanische Küste nicht anerkannt, höchstens wollte man naonsunartig den Strom an der Küste selbst im Winter nach Süd- osten, im Sommer nach Nordwesten gehen lassen, wie das auf den Karten von Heinrich Berghaus zuerst ausgedrückt war. Es ist ein wesentliches Verdienst von C. P u 1 s, auf Grund des im Archiv der Deutschen Seewarte vorhandenen handschriftlichen Materials diese Vorgänge aufgeklärt zu haben ^). Hiernach herrscht dauernd Weststrom in der Höhe von Nica- ragua und pflegt in den Wintermonaten verstärkt durchzuhalten auf einem Streifen, der dann von 8" bis 12° N. B. liegt und sich im Sommer auf etwa 10° und 15°, im September bis 20° N. B. nordwärts verschiebt. Im Winter und Frühling bilden sich hier nun unter der Einwirkung des örtlich verstärkten Passats ganz eigenartige Verhältnisse aus. Schon Alex. V. Humboldt 2) hat auf seiner Überfahrt von Guayaquil nach Acapulco im Frühjahr 1803 Gelegenheit gehabt, die an der zentralameri- kanischen Küste dann auftretenden Papagayos oder Papagaths genannten Nordoststürme, die sich ebenso wieder südhch von Tehuantepec wieder- holen, kennen zu lernen; er hielt sie für die Fortsetzung der an der karibisch- atlantischen Seite gleichzeitig so häufigen Brisotes oder Norder. Da, wo diese in stürmischem Stoß, auf die Meeresoberfläche zu treffen pflegen, jagen sie das Wasser so kräftig vor sich her, daß kühlere Schichten mit an die Oberfläche hinaufgerissen werden und sich (in Längszerrung) Kalt- wasserflecken von 2° bis 4° unter der Normaltemperatur herausbilden; eine solche Auftriebstelle liegt unter 10° N. B. bei 90° W. L. (vgl. diese auf dem Februarkärtchen der Temperaturen in Bd. I, S. 410), eine zweite noch niedriger temperierte liegt bei 14° N. B., 95° W. L. gerade südlich von Tehuantepec. Als Temperaturminimum verzeichnet im Januar 1891 die deutsche Bark „Theodor" in 972*^ N. B., 8772° W. nur 20.2°. Vom Kap S. Lucas her biegen durch diesen starken Weststrom aspiriert Strom- A^den aus dem Kalifornischen Strom nach Südosten in diese Gegend hinein, die dann also eine ziemlich ungleichmäßige Anordnung der Isothermen aufweist. Im Sommer fehlt diese kühle „Papagayotrift" und empfängt der Nordäquatorialstrom in seinem Rücken sogar recht warmes Wasser aus der Panamagegend vom Äquatorialgegenstrom. Der so auffälliger- weise auch in dieser Zeit sich wieder einstellende Kaltwasserfleck süd- westlich von der Halbinsel Nicoya (vgl. Bd. I, S'. 410, Fig. 56) gehört aber ganz dem Äquatorialgegenstrom an. Für die Nordäquatorialströmung sind in erster Linie Triftimpulse als ausschlaggebende Energiequelle erkennbar. Die Windkarten zeigen im W^inter überall den Nordostpassat über die ganze Strecke von den Philippinen nach Zentralamerika hin als herrschende Luftbewegung, die im Gebiet von den Marshallinseln ostwärts bis 150° W. L. zwischen 5° und 12° N. B. sogar eine besondere Stärke (über 9, bis 12 m p. S.) und Stabilität (über 90 Proz.) annimmt und der ein reiner Triftstrom nach 1) Dr. Cäsar Puls, Oberflächentemperaturen und Strömungsverhältnisse des iquatorialgürtöls des Stillen Ozeans. Aus dem Archiv der Seewarte 1895, Bd. 18, «Tr. I und Dissertation Marburg 1895. — Vgl. Auözug von G. S c h o 1 1 im Globus 895, Bd. 69, Nr. 19 und meine Besprechung in Pet. Mitt. 1896, S. 135. 2) Essai politique sur la Nouv. Espagne, Paris 1811, Bd. I, p. 311. Vgl. dazu ich das Segelhandbuch des Stillen Ozeans, Hamburg 1897, S. 129 f. Der Südäquatorialstrom. ß95 Westen folgt. In den Sommermonaten verschiebt sich das Passatgebiet etwas nördlicher von etwa 12° N. B. bis zum 'Wendekreis hin, ist aber nur in der Gegend der Hawaiischen Inseln zwischen 130® und 180® W. L. beständiger entfaltet, wobei auch hier die Stärke nicht über 9 m p. S. geht, während im Osten zur amerikanischen Küste hin und im Westen von 180® bis zu den Marianen (145® 0. L.) die Stillen sehr häufig werden. Von den Philippinen zu den Westkarolinen hin herrscht dann ein leichter Süd- bis Südostwind, der sich dem ostasiatischen Monsunsystem an- schließt ^) ; ihm folgend biegt der Nordäquatorialstrom bei den West- karolinen und Marianen nach Norden um. — Neben der Triftkonstituente wird aber auch hier analog den im Atlantischen Ozean gegebenen Be- dingungen (s. oben S. 542) eine in gleichem Sinne wirkende Dichteströmung ins Auge zu fassen sein. Der Südäquatorialstrom bietet ebenfalls zahlreiche Analogieen zum gleichnamigen atlantischen Meeresstrom dar, ja er entfaltet gewisäe Merkmale sogar wie ins Extrem übertrieben. Ganz wie jener erireicht er nahe und nördhch vom Äquator seine größte Geschwindigkeit und Sta- bilität; doch gilt das im wesentHchen nur für die größere östliche Hälfte. Hier sind Stromstärken von über 20 Seemeilen die Regel, solche von 40 und 50 Seemeilen in allen Jahreszeiten nicht selten, vereinzelt können sie auf 70 und 80 Seemeilen ansteigen, ja solche über 100 Seemeilen sind verzeichnet*) und zwar im offenen Ozean, ohne daß seitliche Einengungen durch Land in Frage kämen. Durchweg erscheint die südliche Äquatorial- strömung stärker als die nördliche, die sie auch zur Zeit ihres relativen Abflauens im April und Mai noch übertrifft. Ganz besonders der Nord- rand dicht am Äquator und in 0®'bis 3® N. B. ist den Seefahrern seit lange in dieser Hinsicht bekannt und legt die Vermutung nahe, daß es auch hier mindestens einen, vielleicht auch zwei stärker entwickelte Stromstriche, wie im atlantischen Strom, geben könne. Bemerkenswert sind die ther- mischen Wirkungen dieses außerordentlich kräftigen Oberflächenstroms. Vergleichen wir die bei früherer Gelegenheit gegebenen Isothermenkarten (Bd. I, S. 410), so sehen wir diese lange schmale Zunge auffallend niedriger Temperatur westwärts von den Galapagosinseln in allen Jahreszeiten hervortreten; als ein ganz phänomenaler Vorgang erscheint sie aber im November ^). Hier ist von den vorliegenden Beobachtungen im September schon in 0® 6' S. B., 99® 20' W. L. als die niedrigste Temperatur 16.7® verzeichnet. Bei den Galapagosinseln selbst fand Fitzroy im Oktober 1837, wie uns Charles Darwin*) erzählt, an der Westseite von Albemarle 1) Atlas des Stillen Ozeans (Seewarte), Hamburg 1896, Taf. 18 und 19. Ge- naueres in Ann. d. Hydr. 189i5^ S.' 263 f. mit Tafeln 6 und 6, sowie Erläuterungen von W. Koppen. *) Ann. d. Hydr. 1879, S. 292 (englische Korvette „Opal" im November 1887 bei 160» W.L.). ') Vgl. die neuen, sehr eingehenden Beobachtungen von Dr. Harry Meyer auf dem Schulschiff „Herzogin Cecilie' Ende Oktober 1908 bei 2» N. B., 112» W. L. Ann. d. Hydr. 1909, S. 472. *) Structure and Distribution of CJoral-Reefs p. 84. Nicht ganz so große Unter- schiede fanden Kapitän M a r k h a m ' (froc. R. Geogr. Soc. 1880, p. 766) und T h. W o 1 f (Verh. Ges. f. Erdk. Berlin 1879, S. 246). Bei den Galdpagosinsehi fehlen daher trotz ihrer Lage am Äquator alle Korallenriffe, die im Golf von Panama so häufig sind. 696 JL)ie Strömungen des pazifischen Gebiets. nur 14.7 ^ gegen gleichzeitig 26.7" an der Ostküste. Die Karten zeigen sofort, daß dieses kalte Wasser aus der Tiefe herauf quillt und durchaus so erklärt werden muß, wie die analogen Kaltwasserflecken im atlantischen Äquatorialstrom imd in der eben erwähnten Papagayotrift (s. obfen S. 694). Wie alle solche Quellstellen im Ozean verraten sich auch diese durch ihre dunkelgrüne Farbe in starkem Kontrast gegen das sonst tropisch blaue Wasser. Im Februar liegt das Auftriebgebiet weiter nach dem Westen hin verschoben (zwischen HO** und 130° W. L. am Äquator), dann ist bei den Galäpagos die Temperatur ungefähr tropisch normal mit 26 *> bis 27 •* und, wie C. Puls den Schiffsjournalen entnommen hat, kann der Äqua- torialstrom dann nicht nur besonders schwach werden, sondern am Äquator zwischen 95° und 105° W. L. sogar durch Oststrom abgelöst werden^). Ob das aber eine regelmäßige Erscheinung oder nur eine häufige örtliche Störung ist, mag dahingestellt bleiben. Dabei bleibt südlich und nördlich davon der echte Äquatorialstrom ungestört nach Westen im Gange. Läßt man den Südäquatorialstrom im Osten bei 85° W. L. beginnen und nach Westen hin bis 135° 0. L. (in die Längen der Geelvinksbai von Neuguinea) reichen, so erstreckt er sich als eine stetige Wasserbewegung über nicht weniger als 140 Längengrade oder 8500 Seemeilen in 1° bis 2 °N. B., wird also drei- bis viermal länger als der analoge atlantische Strom. Südlich vom Äquator aber läßt die Stromstärke rasch nach und biegen die Stromfäden mehr nach Südwesten ab. Nur zur Zeit unserer Sommer- monate ist dem dann überall kräftigeren Südostpassat gemäß auch über die ganze Längenerstreckung der Tropenzone hin der Weststrom die vor- herrschende Erscheinung, wobei die zahlreich auftretenden Inseln kleinere und größere Ablenkungen, Neer- und Wirbelströme bilden können, die um so erheblicher werden, je weiter nach Westen wir kommen und je größer die Inseln sind. So werden an der Südküste der Samoa- und Fidjiinseln, 3n der von Neukaledonien, zwischen den Salomonen und im Bismarck- archipel^) gelegentlich starke Neerströme verzeichnet. Der Weststrom hält sich aber an der ganzen Nordseite des Salomonen- und Bismarck- archipels und an der Nordküste von Neuguinea in kräftiger Form (zwischen 135° und 145° 0. L. öfter mit 45 Seemeilen und mehr im Etmal), um dann vor der Molukkenstraße in den Äquatorialgegenstrom zurückzubiegen. Als der niederländische Dampfer „Edi" am 27. Juni 1903 in dieser Gegend lotete, fand er (in 4° 38' N. B., 128° 55' W. L.) so starken Nordstrom, daß er die Maschine mit 2 bis 3 Knoten Fahrt gehen lassen mußte, um den Lotdraht senkrecht auf und nieder zu halten; andauernd trieben Baumstämme und Kraut nordwärts vorüber^). Auch über die Neuen Hebriden und Neukaledonien hinaus setzt der Strom nach Westen und Südwesten weiter, wobei die Stromfäden nördlich von 20° S. B. auf die Torresstraße hin führen, südlich davon an der Ostküste Australiens nach Süden abbiegen. Anders wird die Sachlage im südlichen Sommer, wo der Südostpassat nur ganz im Osten von der peruanischen Küste an bis zu den Marquesas- inseln hin stetig entwickelt ist, während in der größeren Westhälfte des ^) Ein Beispiel gibt das Segelhandbuch des Stillen Ozeatis S. 16. 2) Vgl. den Bericht von S. M. S. „Planet" in Ann. d. Hydr. 1909, S. 52. «) Ann. d. Hydr. 1907, S. 256. Der Südäquatorialstrom. 697 Ozeans zahlreiche Windstillen und flaue Nordostwinde, über den Salo- monen und Neuguinea Nord- und Nordwestwinde vorherrschen. Schwache und mehr nach Süden abbiegende Strömungen sind dann westwärts vom Paumotugebiet an der Tagesordnung. Nur von den Fidjiinseln über Neukaledonien nach Ostaustralien hin belebt sich der Passat als Nordost- und Ostwind zu neuer Kraft und alsbald auch der Meeresstrom nach Südost und an der Festlandsküste nach Süden. Um Neuguinea und die Salomonen herum aber macht sich der Nordwestmonsun entscheidend fühlbar, indem er südlich vom Äquator aus dem in niedrigen Nordbreiten noch westwärts gehenden Südäquatorialstrom stetig Wasser hinübertreibt, das als Ost- bis Südoststrom dann an der Nordküste von Neuguinea, durch die Bismarck- und Salomonengruppe hindurch und weiterhin in die Ostaustralströmung hinüberführt. Auch in diesem Falle aber fehlt es in der Nähe der Inseln und zwischen diesen nicht an gelegentlichen Gegenströmen. Mit diesem monsunartigen Wechsel der Stromrichtungen lösen sich die aus der älteren Literatur zu entnehmenden Zweifel und Schwierigkeiten. östliche Stromversetzungen kommen, wie überall in den schwächeren Teilen der Äquatorialströme, so auch hier gelegentlich vor. Indes dürfte ein Fall von so ausdauerndem Oststrom, wie ihn S. M. S. „Ariadne" vom 28. Mai bis 17, Juni 1879 zwischen den Samoainseln und der Torresstraßc verzeichnete, doch wohl für diese Jahreszeit sonst stetigen Weststroms als eine große Aus- nahme gelten. Obwohl, wenigstens westlich von den Banksinseln, der Passat kräftig eingesetzt hatte, wurde fast stets östlicher Strom angetroffen, und zwar in der Stärke von 20 bis 30 Seemeilen im Etmal. Auch noch in der Arafura- see war durchgehehds Oststrora, ebenfalls ganz abnormerweise ^). „Mangelhafte Besteckführung, " berichtete damals der Kommandant, Kapitän v. Werner, „kann nicht vorliegen, da Fehler in der abgelaufenen Distanz im Betrage von 40 bis 50 Seemeilen an Bord eines Kriegschiffes nicht vorkommen. Außerdem muß hier als triftiges Gegenargument das Faktum eintreten, daß während der Fahrten S. M. 8. ,Ariadne' im Bereiche der Ellice- und südüchen Gilbertinseln, sowie östlich vom Kap St. Georg (der Süd spitze von Neumecklenburg) große Felder von treibendem Bimsstein angetroffen wurden, welcher zweifellos von den im St. Georgskanal neuerdings (Februar 1878) stattgefundenen Eruptionen herrühren mußte. Wie aber konnten die Bimssteinmassen dorthin anders gelangen als durch östliche Strömung? Auch im St. Georgskanal hatte das Schiff (abnormerweise) südöstlichen Strom von 0.3 bis 0.7 Seemeilen die Stunde getroffen; mit diesem mußten die Massen zunächst südlich treiben und konnten dann östlich der Salomoinseln und zu den Elliceinseln nur diurch Oststrom gelangen. " — Ohne Frage ist das Auftreten so lange anhaltender östlicher Strömungen in diesem Gebiete auch von hohem Interesse für die Beurteilung der Wanderungen der Inselvölker. Gerade solche Störungen bieten die erste Veranlassung, von ostwärts liegenden Inseln Kunde zu erhalten, die dann bei ähnlicher Gelegenheit zur Besiedlung ausersehen werden konnten*). Überdies sind auch Westwinde in diesem Gebiete im Südsommer eine häufige Er- scheinung. Flaschenposten aus dieser weithin sich erstreckenden Passattrift sind ver- hältnismäßig nur wenige bekannt geworden. Eine der bemerkenswertesten ist ») Ann. d. Hydr. 1879, S. 283 und 523 2) Über die Triften entgegen dem Passat vgl. Dr. 0. S i 1 1 i g in Pet. Mitt. 1890, S. 162 und Taf. 12. Ferner G. Thilenius im Jahrbuch der Hamburger Wissen- schaftlichen Anstalten 190ß, Bd. 23, Beiheft 6. 098 Die Strömungen des pazifischen Qebiets. vom SchifE „J. H. Lübken" von der Bucht von Guayaquil (3"» 52' S. B., 85 •> 38' W. L.) nach der Küste von Queensland (IS» 44' B.B., 145» 27' 0. L.) gelangt; sie war 966" Tage unterwegs vom 5. Februar 1892 bis 28, September 1894 und hat die Strecke von mindeste^ 7620 Seemeilen mit 7.7 Seemeilen täglicher Fahrt durchmessen^), — In dem von Monsunströmen beherrschten westlichen Gebiet kann es zu sehr verwunderlichen Triften kommen. Dr. Hugh R. M i 1 1 *) hat auf eine Flaschenpost hingewiesen, die südlich von Neuguinea (11» 26' S. B,, 147» 30' 0, L.) ausgesetzt, westlich vor der Milligruppe der Marshallinseln (B» 10' N, B., 171» 30' 0, L.) wiedergefunden wurde, nachdem sie vom 4. Dezember 1890 bis Oktober 1892 unterwegs gewesen war. tls ist möglich, daß die Flasche in mehreren Monsunperioden Neuguinea durch die Dampierstraße im Norden umfuhr und dann durch die Äquatorialgegenströ- 'mung an ihren Fundort gelangt«; denn daß sie durch die Torresstraße, mit ihren engen RifEwegen, Neuguinea im Westen umschwonmien habe, ist doch «ehr imwahrscheinlich. Die Ursachen des Südäquatorialstroms liegen ebenso wie die des nördlichen wesentlich in den Windimpulsen: wenn in den Monaten Juni bis Aü'gust der Südostpassat in geschlossenem Felde von 80" W. bis zu ■den Gübertinseln hiii herrscht mit Windstärken, die durchweg über 6, meist 8 bis 9 m p. S. betragen, dann entfaltet auch der Südäquatorial- strom seine größte Geschwindigkeit; im Nordwinter gehen beide, Passat und Strom, etwas zurück 3). Keinen solchen unmittelbaren Zusammenhang mit den Luftbewe- gungen vermögen wir dem dritten der äquatorialen Ströme zuzuerkennen, •dem Äquatorialgegenstrom. Als eine zwischen den beiden Westströmungen nach Osten gehende Bewegung, die den ganzen Ozean von Mindanao und Gülolo im Westen bis zupi Golf von Panama im Osten in einer Erstreckung von fa^t 8000 Seemeilen durchqueren soll, ist er zuerst von F i n d 1 a y aufgestellt worden. Nachdem Kerhallet und andere, wie Paul Hoffmann*), die Frage seiner Existenz beim Mängel an aus- reichenden Beobachtungen nicht entscheidend haben prüfen können, hat C. P u 1 s auf Grund der deutschen Schiffstagebücher zuerst gezeigt, welche großartige Erscheinung im Ozean hier vorhegt und wie sich in den ver- schiedenen Jahreszeiten das Strombild verändert. ÄhnHch der Guinea- «trömung, aber von ungleich größerer Länge, ist dieser Gegenstrom in der Tat in allen Jahreszeiten über die ganze Breite des größten der Ozeane nachweisbar; oft nur ein schmales, schwaches Band bei 5® bis 7" N. B. in der Winterzeit von Dezember bis April, schwiUt er im Nordsonmier regelmäßig zu einem die Zone zwischen 5® und 10° souverän beherrschenden kraftvollen Gegenstrom an, der sich namentlich gegen seinen südlichön Nachbarn in schroffem Kontrast abzuheben pflegt. In seinem Minimum durchkreuzte den Strom vom 17. bis 20. März 1887 Makaroff mit de? Korvette „Vitiaz" auf dem Wege von den Marquesas- 1) G. Schott, Flaschenposten, S. 27. 2) Geogr. Journal, London 1895, Bd. 5, p. 184 nach Proc. and Trans. Queena- land Brauch R. G. See. of Australasia 1893/94, Bd. 9, p. 62. ') Die von G. S c h o 1 1 im Globus Bd. 69, Heft 19 vertretene Auffassung, wonach westlich von 100» W. L, das Gegenteil stattfinden soll, scheint noch eines fltrengeren Beweises zu bedürfen, •*) Zur Mechanik der Meeresstr., S. 42 und 94. Der Äquatorialgegenatrom. 699 inseln nach Honolulu. Er hatte aus dem Verhalten seines Wasserschöpf appa- rats im Südäquatorialstrom wahrgenommen, daß dieser nicht über 200 m Tiefe hinabreichen könne (vgl. oben S. 552) und noch am 17. März mittags (4 " 48' N.B., 152 " 56' W. L.) schwachen Strom nach Südwesten empfunden, am Mittage des folgenden Tages aber bestimmte er in 7" 24' N. B., 153° 7' W. L. einen Strom nach S 10» 0, 18.5 Seemeilen, und am 19. mittags wiederum S 13» 0, 21.5 See- meilen in 8« 152' N. B., 153» 31' W. L. Am 20. früh 10 V« Uhr in 10» 20' N. B., 153 » 0' W. L. durchfuhr er eine deutlich sichtbare Stroragrenze, die von WSW nach ONO verlief als ein doppelter Streifen von je einem halben Kilometer Breite und einem Abstand von einem Kilometer. Am Mittag ergab die Schiffs- rechnurig den starken Strom von 32 Seemeilen nach Süden, aber am folgenden Tage nach N 75» W, 23 Seemeilen. Während der ganzen Zeit war der Wind ununterbrochen aus Nordosten, da hier beide Passate zusammenzufließen pflegen: der Strom lief also gegen den Wind auf. Jn den Wassertemperaturen war damals keinerlei Stromgrenze erkennbar. Es ist aber auch nicht zu ver- schweigen, daß der Gegenstrom in anderen Fällen während dieser Jahreszeit auch nicht bemerkbar war/wenigstens nicht als Stromversetzung auf seiner schmalen Zone. Dafür aber zeigt sich seine hohe Temperatur meisten« aus- geprägt und als ein Beweis für andere Herkunft seiner Gewässer^). Im Sommer beginnen Ostströme schon bei der Gilolostraße in 1 ® N. B., und zwar sogleich kräftig mit Versetzungen von etwa 30 Seemeilen im Etmal; diese südliche meist in den Temperaturen scharf ausgeprägte Stromkante schiebt sich in der Mitte des Ozeans bis 3 ^ und 4 " und ganz im Osten auf 5*^ N. B. hinauf, während die Nordkante gegen den Nord- äquatorialstrom meist bei 10° N. B. liegt. Dazwischen findet sich dieser in allen Jahreszeiten warme Gegenstrom. In seinem westlichen Teil kommen dem Oststrom die dort herrschenden sommerlichen Winde aus SSW zu Hilfe und tragen sicherlich dazu bei, daß er innerhalb der Karo- linen so regelmäßig und stark hervortritt, denn Südsüdwestwinde geben eine reine Trift nach ONO. Näher nach der Mitte des Ozeans zwischen 160® 0. und 160° W. L. nimint seine Kraft merklich ab; es ist hier auch die Kalmenzone zwischen den beiden Passaten besonders schmal, aber selbst gegen die Ostwinde hält sich der Oststrom. Weiter nach Osten hin wird der Strom wieder mehr vom Winde gefördert; der Südostpassat schwenkt, wo er östlich von 125° W.L. die Linie überschreitet, mehr und mehr nach Süden bis Südwesten herum, so daß im Sommer zwischen den Galäpagosinseln und dem Golf von Panama von einem sogenannten Südwestmonsun gesprochen wird. Wir müssen dieses Gebiet etwas ge- nauer betrachten, da die Auffassung der Stromverhältnisse hier keine ein- heitliche ist. Wie die Windkarten ergeben, sind auch im Winter in der Zone zwischen 0° und 8° N. B. östlich von 95° W. L. südliche Winde durchaus vorherrschend, nur sind sie erheblich schwächer und sehr häufig durch Stillen unterbrochen. Nach der Statistik der Seewarte'') kommen auf Windstärke 0 und 1 Beaufort ixa Januar und Februar hier Vi bis Va aller Beobachtungen, dagegen sind Stillen und Flauten im Juli und August sehr selten. Die mittlere Windgeschwindigkeit in dem Gebiete zwischen 80° und 90° W. L. ist nämlich in m p. S.: 1) Beispiele von L. E. Di n klage in Ann. d. Hydr. 1891, S. 21 und M. W. Campbell- Hepworth, ebenda 1899, S. 614. 2) Ann. d. Hydr. 1895> S. 254, 259; die Beaufortgrade nach Koppen (oben S. 70) in m p. S. umgerechnet. 700 Di® Strömungen des pazifischen Gebiets. Nordbreite Januar/Februar Juli/August 7V2» bis 5« 2.5 4.1 50 bis 2V2" 3.5 5.3 2V2° bis 0« 4.0 5.9 Im Winter müßte also der herrscliende Wind eine Trift von etwa 5 bis 8 Seemeilen im EtmaJ, gegen 9 bis 12 Seemeilen im Sommer nach ONO hervorrufen, was noch keinen sehr lebhaften Impuls bedeutet. In der Tat zeigen die Beobachtungen in allen Jahreszeiten, auch im Juli und August zwischen 3 " und 6 " N. B. vorherrschend einen Oststrom. Nach dem von C. P u 1 s ^) bearbeiteten deutschen Material sind in dieser Zone zwischen 87" und 79" W. L. überhaupt 78 Beobachtungen vorhanden, darunter 63 nach OSO bis ONO, 10 NNO bis NNW, 1 W, 4 SSW bis SSO. Unter den Ostströmen erlangen 3 über 50 Seemeilen (Maximum 69), 11 über 30 Seemeilen, was weit über die Triftleistung des Monsuns hinausgeht. Zwischen 1 ° N. und 1 " S. B. herrscht westwärts von 83 ° W. L. schon der Weststrom ; in ihn biegen von Norden her die Stromfäden aus dem Gegenstrom hinüber. Dagegen ist nahe der colombischen Küste zwischen 2" S. und 1° N. B. wieder ein Nordstrom vorherrschend. Nach der von C. Puls gegebenen, von G. Schott festgehaltenen Auffassung soll nun aber von dieser Wurzel des Südäquatorialstroms aus das Wasser überall nordöstlich in den Golf von Panama hineinsetzen, wobei sie im Südwestmonsun die maßgebende Ursache erblicken. Wie eben dargelegt, widersprechen dem schon die Stromversetzungen (von dem Nordstrom an der Küste wird gleich mehr zu sagen sein); vor allem aber sind die Temperaturen dem im Wege. In 1 " bis 2" S. B. haben wir riur 21", am Äquator in 82" bis 83" W. L. über 25", Wir wissen aus früheren Dar- legungen, daß eine Erhöhung der Oberflächentemperatur entlang den Stromfäden einer Meeresströmung von 21" auf 25" mindestens ein Viertel- jahr und 1100 Seemeilen Weges braucht (Bd. I, S. 415; II, S. 567). Wäre die Stromzeichnung bei Puls und Schott richtig, so müßte im Nordsommer der ganze Panamagolf mit kühlem Wasser von 22" bis 24", statt wie die Karten^) zeigen von 26" und mehr, erfüllt sein. Die Verhältnisse liegen hier ähnlich in mancher Hinsicht wie an der Westküste Afrikas unter dem Äquator, wo die Guineaströmung ebenfalls im Golf von Benin trotz der vorherrschenden südlichen Winde nach Süden umbiegt und ihre tropisch warmen Gewässer in den Rücken des Südäquatorialstroms einführt (oben S. 564). Ebenso wie der Guineastrom und der Äquatorialgegenstrom des Indischen Ozeans ist auch der pazifische eine Kompensationserscheinung. Das von den beiden Passattriften nach Westen entführte Wasser wird in dem zwischen beiden liegenden Kalmengürtel teilweise wieder nach Osten zurück- geführt und biegt an der Ostseite des Ozeans wieder in die Passattriften zurück. Das geschieht also auch vom Golf von Panama her südwärts, und zwar nicht nur im Winter, wo die Südwinde schwach sind, sondern *) Vgl. die Karten von Puls, a. a. O. Für Juli und August gestattete mir der Herr Verfasser auch den Einblick in seine Arbeitskarten. *) Die in Bd. I, S. 410 gegebene Karte für den August ist in sehr kleinem Maß- stabe entworfen. Doch trifft die für den Winter bestimmte Darstellung in Pet. Mitt. 1896, S. 136 in den Stromverhältnissen südlich von 5° N. B. auch im Sommet zu. Der Aquatorialgegenstrom. 701 auch im Sommer^), Außer dieser mechanischen Funktion hat der öst- hche Gegenstrom auch im Pazifischen Ozean die andere, die relativ ver- dünnten Oberflächengewässer in einem ebenfalls nach Nordosten bis Südosten gerichteten Gefällestrom abzuführen. Wir sehen sodann, daß auch die sowohl im westlichen, wie auch im östlichen Gebietsteil auftreten- den Winde die Stromstärke vermehren können. Entlang der regenreichen Tropenküste nördlich vom Kap Blanco bis in die Bucht von Panama hinein wird sich aber auch das Landwasser mit einem Dichtegradienten bemerkbar machen. Vor dem Golf von Guayaquil und nördlich davon bis zum Äquator wird daher ein Gefällestrom nach Süden das kalte Wasser des hier nach Norden und Nordwesten gehenden Perustroms überdecken, dagegen nördhch vom Äquator an der Westküste Colombias nach Norden auf Panama hinströmen. Leider haben w^ir wenig Beobachtungen aus dieser Gegend überhaupt und gar keine des Salzgehalts im besonderen. Wie der Guineastrom bei den Kapverden in den atlantischen Nord- äquatorialstrom einen Zuflußarm entsendet, so geschieht es auch beim pazifischen Oststrom entlang der zentral^merikanischen Küste. Im Winter ist diese Umbiegung in die Papagayotrift als ein besonders warmer Küstenstrom von der Azuero- nach der Nicoyahalbinsel hin bekannt, wo er vom Lande weg westwärts abbiegend seine Temperatur in offener See alsbald um 2 " bis 3 •* vermindert. Aber auch in den übrigen Monaten des Jahres fehlt er nicht als Träger hoher Temperaturen (vgl. Bd. I, S. 410), wobei jedoch bemerkenswerte örtliche Ausnahmen auftreten können. Ähnlich wie in der kalten Auftriebszone an der Sklavenküste (oben S. 573) kann auch an diesem sonst so warmen Tropenlitoral dicht unter Land die Temperatur in empfindlicher Weise sinken. Schon P. H o f f m a n n 2) hat auf entsprechende Beobachtungen der deutschen Korvette „Vineta" in Panama während des März 1880 hingewiesen. Als Tagesmittel der Wassertemperatur für 6 Tage ergaben sich daselbst nur 22.9", bei 25.8** gleichzeitiger Lufttemperatur, während unmittelbar nach dem Verlassen des Hafens in See das Wasser über 26°, die Luft über 27" aufwies. J. Y. B u c h a n a n ^) hat diese merkwürdige Erscheinung bestätigt und in Panama erfahren, daß dort von Januar bis Mai das Wasser stets erheb- lich kälter sei als die Luft. Dasselbe ergaben die von C. P u 1 s*) benutzten deutschen und amerikanischen Schiffstagebücher. Hier scheint also das Abbiegen des Gegenstroms sowohl nach Nordwesten wie nach Süden hin nur eine mangelhafte Kompensation zu Hefern und ebenso wie an der afrikanischen Küste daher Wasser aus der Tiefe in Querzerrung aufzu- quellen. Die schwachen südüchen Winde sind dafür kein Hindernis. — ^) So sagt das Segelhandbuch der Seewarte für den Stillen Ozean (S. 24) für die Zeit Juli bis September: „Auch im Osten und Südosten der Galäpagos ist ein starker Stromstrich (nach Westen) vorhanden mit einer täglichen Geschwindigkeit von meist über 30 Seemeilen; an der Südostseite der Chathaminsel häufen sich infolgedessen Treibholz, Bambus, Kokosnüsse usw. an und die Wassertemperatur ist eine ver- gleichsweise hohe." Aus dem Perustrom können weder Kokosnüsse noch hohe Temperaturen kommen, vielmehr haben beide ihren Ursprung im Golf von Panama. 2) Zur Mechanik der Meeresstr., S. 24. ') Proc. R. Gpogr. Soc. London 1886, p. 765. *) A. a. O. S. 26. Es sind im Golf in verschiedenen Jahren dann zwischen 20» und 32» gemessen. 702 ^e Strömungen des pazifischen Gebiets. Der Japanische Strom ist die Fortsetzung der Nordäqua- torialströmung nach Norden und Nordosten hin und in jeder Hinsicht das Äquivalent des atlantischen Antillen-Florida- Stroms. Nachdem schon Krusenstern die tropische Wärme dieses merkwürdigen Stroms auffallend gefunden, hat dann U. de Tessan auf der Weltumsegelung der „Venus" im Jahre 1837 ziemlich klare Vorstellungen darüber geäußert; Heinrich Berghaus ^) vermochte gleichzeitig nach den ihm vorliegenden Nachrichten den Strom im wesentlichen richtig auf seiner Karte des Pazifischen Ozeans einzuzeichnen, so daß F i n d 1 a y im Jahre 1853 nicht im Kechte war, als er sich sozusagen als den eigentlichen Entdecker dieser Strömung hinstellte; immerhin hat er wesentlich zu einer präziseren Be- schreibung derselben beigetragen. Das neuere, namentlich deutsche Material ist dann von Dr. 6. S c h o 1 1 2) in einer vortrefflichen Mono- graphie zusammengefaßt worden, die unserer Darstellung zugrunde gelegt wurde. Betrachten wir zunächst den Winterzustand. Der entlang den Philippinen erwähnte, nacl^ Norden abbiegende Strom setzt sich zwar über das Kap Engafio, die Nordostspitze von Luzon, nach Norden fort, gabelt sich aber alsbald fächerförmig, indem der Nordostr monsun der Chinasee auch von Osten her Wasser an sich zieht. Doch geht die Hauptmasse des Stroms auf Formosa zu und umspült besonders ausgeprägt mit erheblicher Stärke deren Ostküste: dieser „Formosa- strom" erlangt dann meist über 20, bisweilen an 50 Seemeilen im Etmal. An der Südspitze der Insel ist ein kleiner Zweig auch in die Formosa- straße eingetreten, wo er an der Westküste einen schmalen Saum mit seinem warmen Wasser bis etwa 25°N. *B. hin beherrscht und in schroffem Kontrast zu dem dann sehr kalten an der chinesischen Küste entlang gehenden Südstrom steht. Makaroff^) hat diese Verhältnisse be- sonders gründlich untersucht. NamehtHch hei den Pescadoresinseln und nördlich davon finden sich ungemein schroffe Temperaturgradienten (10 *• auf 20 Seemeilen Abstand), aber auch schwächere des Salzgeha,lts, indem das tropisch warme, von Süden kommende Wasser auch eine höhere Sahnität besitzt (an der chinesischen Küste 30, bei den Pescadores schon 33 Promille nach Makaroff). Ob aber die Isothermen und Isohalinen den straff geradlinigen Verlauf in der Längsachse der Formosastraße besitzen, wie Makaroff und Schott ihn zeichnen, mag in Frage gestellt werden ; vermutlich handelt es sich auch hier um Aus- und Einbuchtungen mit wirbelartigem Hinüber- und Herüberkurven der heterogenen Strom- teile, wie im Süden der Neufundlandbank. Eine nähere Untersuchung auf Grund eines mehr synoptischen Entwurfs würde sich vielleicht lohnen. An der Ostküste von Formosa hat die Formosaströmung eine Breite von etwa 100 Seemeilen und eine Rlchtimg nach NNO, die sie auch bei- behält, indem sie die Liukiuinseln zu ihrer Rechten läßt; diese Inseln haben ^) Im Phys. Atlas, Abt. Hydrographie, Nr. 4, datiert 4. Jap uar 1837. *) Temperaturen und Strömungen der ostasiatischen Gewässer: Aus dem Archiv der Seewarte 1892, Bd. 14, Nr. 3. Vgl. auch das Segelhandbuch der Seewarte für den Stillen Ozean, Hamburg 1895, S. 20 f. und die oben S. 666 genannten Karten- werke der Seewarte, die in einigen Punkten vom Segelhandbuch abweichen. 3) Le Vitiaz I, p. 274 und danach Ann. d. Hydr. 1894, S. 123 (Taf. 3 nach eigenem Entwurf von G. S c h o 1 1). Der Japanische Strom oder Kurosobio. 70S an ihrer ozeanischen Seite, besonders die der Südgruppe, wenig Strom^ und auch die Nordgruppe empfängt nur Stromfäden, die von Westen her nach rechts zwischen den Insebi oft in südöstlicher Richtung abkurven. Der Japanische Strom hat hier eine Geschwindigkeit von 24 bis 48 See- meilen, gewinnt aber im Süden von Kiuschiu, indem er sich durch die Van- diemen- und Colnettstraße drängt, nicht selten eine Beschleunigung bis zu 60 und 70 Seemeilen im Etmal. Hier pflegt man ihm den Namen des Kuroschio (japanisch = blaues. Salz) beizulegen. Ein Arm seines- stets warmen Wassers geht an der Westküste von Kiuschiu nach Norden,, wo wir seinen weiteren Verlauf im Ostchinesischen wie auch im Japanischen Randmeer später verfolgen werden. Der Hauptstrom zieht an der ozeani- schen Seite der japanischen Hauptinsel entlang nach Nordosten, wobei er aber an seiner Unken Flanke einen gewissen Raum zur Küste hin frei läßt; so berührt er südlich von der Tokiobucht nur die Insel Ooschima. Unter 133 ° 0. L. wird ihm eine Breite von 250 bis 300 Seemeilen und eine im ganzen nur mäßige Geschwindigkeit gegeben ; Nord- und Nordostwinde drängen ihn in die Breite, und dann kurvt wie beim Floridastrom reichlich viel Wasser nach rechts ab, so daß im Süden seine Grenze verwischt und durch Gegenströme entstellt erscheint. Um so schärfer ist sie an der linken Flanke, wo Stromkabbelungen, Seetang und Treibhölzer, vor allem aber die blaue Färbe ihn gegen die dunkelgrüne des Küstenwassers ab- grenzen. Dieses letztere hat zwar eine niedrigere Temperatur als der Kuroschio, aber der Unterschied beträgt nur 2® bis 3^ (wenn bei Ooschima 15 <• sind, hat der warme Strom 17"). Kaltes Wasser wird erst an der Ost- küste der Halbinsel nördUch von 37 *• oder 38° N. B. angetroffen und dem aus Norden kommenden Oyaschio genannten Gegenstrom zu- gerechnet. Im Februar sind hier mindestens so schroffe Temperatur- gegensätze zu verzeichnen, wie bei der Neufundlandbank : der auf das Land zu segelnde SchifEer kann in einer Stunde die Wassertemperatur von 16® auf 6" fallen sehen, wenn er die Stromgrenze passiert. Der Oyaschio kommt von Nordosten, wo er bei den Kurilen unter dem Antrieb der heftigen Nord- und Nordwestwinde sein eiskaltes Wasser aus dem Ochots- kischen und Beringmeer bezieht; er dringt im Anfang des Winters nach Süden vor und zieht sich bei Eintritt des Frühlings wieder nordwärts zurück. Der Kuroschio selbst tritt alsbald in den Machtbereich der starken West- und Südwestwinde dieser nordpazifischen Breiten und überquert dann unter ihrem Antrieb den Ozean nach Osten hin. Im Sonmaer sind verschiedene Abweichungen vom. eben entworfenen Bilde festzustellen. Da der Nordäquatorialstrom erheblich nach Norden verschoben ist und infolgedessen auch die KaroHnen und Marshallinseln großenteils schon dem östlichen Gegenstrom angehören, biegen bereits bei den Marianen und Bonininseln Randteile des Äquatorialstioms aus der Nordwest- nach der Nord- und Nordostrichtung um und bilden nach G. Schotts Ansicht einen besonderen Strom, von ihm Boninstrom benannt. Aus den Isothermzeichnuiigen ungefähr zu erkennen, soll der Strom auch durch monsunartig hier auftretende Westwinde gestützt werden. Ein anderer Teil des Nordäquatorialstroms trifft nüt dem an der Ostküste der Philippinen vorhandenen Nordstrom (oben S. 693) zu- sammen und bewegt sich geschlossen über den Balintang- und den Baschi- 704 -Di® Strömungen des pazifischen Gebiets. kanal quer hinweg auf die Insel Formosa zu, die er nun zu beiden Seiten breit umspült, wobei er auch die Formosastraße mit dem von Südwesten kommenden, relativ warmen Monsunstrom (s. S. 691) vereint erfüllt. Der Kuroschio bleibt auch in dieser Jahreszeit binnenwärts von den Liukiu- inseln und wird weiterhin durch den herrschenden Süd- und Südostmonsun dicht an die japanischen Inseln herangedrückt. An den Vorgebirgen von Kiuschiu, Schikoku und Nippon kommt es dann zu sehr heftigen Strö- mungen, die der Schiffahrt bei dem im Sommer oft nebehgen Wetter sehr gefährlich werden. Stromversetzungen von 60, 70, ja gelegentlich über 100 Seemeilen sind dann verzeichnet. Der Oyaschio aber ist dann völlig verschwunden, er darf infolgedessen nur als eine Erscheinung der kühleren Jahreszeit gelten. Wenn man früher die bei und zwischen den Kurilen im Sommer beobachteten niedrigen Temperaturen als einen Beweis für das Fortbestehen des Oyaschio hinstellen wollte, so ist namentlich auf Grund der russischen Beobachtungen durch Makaroff festgestellt, daß es sich hier um örtlich aus der Tiefe aufquellendes Wasser handelt; denn am niedrigsten sind die Temperaturen zwischen den Inseln selbst (s. Bd. I, S. 477). Auch im Sommer wird der Kuroschio durch die West- mnde über den Ozean hinüber nach Osten zu einer Westwindtrift aus- gezogen, die nach dem Innern des nordpazifischen Stromkreises hin seit- liche Stromfäden nach rechts oder Süden abkurven läßt. Es ist dies die sogenannte nordpazifische Ostströmung oder Kuroschiotrift oder We st wi n d t r if t, die als ein dem nordatlantischen Oststrom in mechanischer Schwäche und Unbeständig- keit ganz ähnliches Stromgebilde auftritt. Schon Heinrich Berghaus zeichnete sie als „nordpazifische Triftströmung" auf seiner Karte ein, aber ohne ihr bestimmte Grenzen zu geben; erst die französische Expedition unter A. DuPetit-Thouarsan Bord der „Venus" erkannte im Sommer 1837 zuerst ihre thermische Abgrenzung nach Norden hin bei 40^ bis 42° N. B., indem bei Nordkurs am 17. xlugust am Morgen noch 22.0°, mittags ^ber nur 19 " (in 40n7'N. B., 163 » 57' 0. L.), um Mitternacht 15 » gemessen wur- den; das Tagesmittel der Oberflächentemperatur am 18. August (Mittagsort 42» 1' N. B., 163« 38' 0. L.) war sogar nur 13.7". Auf der Kückfahrt von Kamtschatka durchschnitt die „Venus" Anfang Oktober die Grenze weiter im Osten, wo bei 162'' W. L. in 45*' bis 42° N. B. die Temperatur schrittweise von 12° auf 17° anstieg. Weiterhin entlang 37° N. B. von 163 ° bis 133 ° W. L. segelnd erhielt man eine mittlere Stromversetzung nach N 50° 0 mit 16 bis 18 Seemeilen. Auch die Challengerexpedition segelte im Juni und Juli 1875 zwischen 35 ° und 37 ° N, B. sich haltend auf der Strecke von 150° 0. L. bis 150° W. L. 28 Tage durch diesen Strom und fand in ^4 ^U^^ Tage östliche Versetzungen im durchschnittlichen Betrage von 18 Seemeilen in den östlichen Längen, 10 Seemeilen in den westüchen Längen, so daß ebenso wie im nordatlantischen Oststrom die Stärke nach Osten hin abzunehmen scheint. Für die Schiffahrt ist er jedenfalls ohne praktische Bedeutung, aber schon aus den Wassertempe- raturen ist doch der Zusammenhang mit den weiter im Westen deutlicheren Strombewegungen unzweifelhaft zu erschüeßen, und damit sind gewisse Beziehungen der Gewässer an der Ostküste Asiens mit denen der West- küste Nordamerikas unabweisbar. Die Kuroschiotrift und der Kalifornische Strom. 705 Es wird das durch einzelne Triftphänomene bestätigt, die besonders bedeutsam dadurch geworden sind, daß sich weitgehende Spekulationen über die eigentliche Wurzel der autochthonen amerikanischen Kulturen darauf gründeten. Im U-. S. Coast Pilot of California (1869) wird nach Kotzebue erzählt, daß am 24. März 1815 die Brigg „Forester" von London, in 32 <> 45' N. B., 126° 57' W. L., d. i. 350 Seemeilen südwestlich von Kap Concepcion, eine japanische Dschunke antraf, welche 17 Monate nach Angabe der drei über- lebenden Insassen von Osaka aus in See umhergetrieben war. Im Jahre 1832 erreichte ein ebensolches Fahrzeug nach entsetzlichen Leiden der Mannschaft Oalm, wie daselbst Sir Edw. B e 1 c h e r erfuhr; 1833 war eine andere Dschunke bei Kap Flattery (Oregon) gescheitert, woselbst im Jahre 1851 ein großer Teil der Ladung (Wachs) noch am Strande bei der Küstenaufnahme vorgefunden wurde. W i 1 k e s (Narrative IV, p. 295) berichtet;, daß 1833 auch bei Port Grenville auf Vancouver ein japanisches Schiff ans Land trieb, dessen drei überlebende Insassen bei den Indianern in Sklaverei gerieten. Im Jahre 1881 wurde dann auch in den Zeitungen gemeldet, daß bei Victoria (Vancouver- insel) eine große Boje angetrieben sei, die nach ihrer Bezeichnung von der Amurmündung herstammte. Anderseits sind Treibhölzer, namentlich Koni- feren, aus den pazifischen Flüssen Nordamerilcas stammend, nach Angabe der Pilot Charts of the North Pacific Ocean des Hydrographischen Amts in Washing- ton nicht ganz selten im nördlichen Äquatorialstrom angetroffen worden, wo sie wie im Nordatlantischen Ozean vorzugsweise nach der rechten Seite hin abkurven und in dem wind- und stromstillen Meer unter dem Barometerraaxi- mum sich ansammeln; es ist das der nach Fleurieu benannte, in M a r- chands Weltreise zuerst erwähnte „Stromwirbel", in mancher Hinsicht ein Äquivalent der Sargassosee. (Vgl. Einzelheiten bei M a u r v , Sailing Directions, II, 801, z. B. von den Johnston-Islands in 17« N. B., 169'.5'' W. L.) Der Stromkreis des Nordatlantischen Ozeans wiederholt sich also auch hier im Nordpazifischen, obschon unter gewissen abweichenden Eigenschaften. Indem die Westwindtrift auf das amerikanische Festland stößt, teilt sie sich in zwei Arme, die als Abflußströmungen entstanden, der eine nach Norden, der andere nach Süden ausbiegen. Die Teilungsstelle schwankt mit den Jahreszeiten, indem sie im Winter südlicher (im Februar etwa beim Kap Mendocino 41 " N. B.), im Sommer nördlicher (im August vor der San Juan de Fuca-Straße, 48" N. B.) liegt, was unzweifelhaft mit den gleichzeitigen Verschiebungen des Westwindgebiets und Roßbreiten- maximums zusammenhängt. Der nach Norden gehende Arm tritt als eine relativ warme Strömung in den Alaskagolf ein und begleitet diesen rechts ans Land gelehnt. Im Winter fördert ihn die dann das tiefe Luft- dru-ckgebiet der Aleuten umkreisende zyklonale Luftströmung; aber auch im Sommer, wo an der Südküste Alaskas westlich von Kodiak Winde aus Südwest häufig sind, läuft der vorherrschende Meeresstrom dennoch nach Südwesten. Mit ihm treiben asiatische Treibhölzer, insbesondere Kampferbäume am Strand von Alaska und auf den Aleuten an. Eine sich wieder schärfer, namentlich durch gewisse thermische Eigenschaften hervorhebende Wasserbewegung stellt der nach Süd^n rt^- wandte sogenannte Kalifornische Strom dar ; eine vortreffliche Monographie von Dr. Hermann Thorade ^) hat sich eingehend mit ihm beschäftigt, wobei wesentlich wiederum das handschriftliche Material der Deutschen Seewarte zugrunde gelegt wurde. Der Strom hat im System ^) Ann. d. Hydr. 1909, S. 17 und 63 (auch Dissertation Göttingen). Krümmel, Ozeanographie. II. 45 yOß Die Strömungen des pazifischen Gebiets. der nordpazifischen Zirkulation die Funktion, das vom Nordostpassat in der Tropenzone nach Westen verschobene Wasser wieder von Norden her zu ersetzen, entspricht also damit der Kanarien- und Bengueläströ- mung des Atlantischen Ozeans. Gleich diesen erfüllt er seine Aufgabe nicht, ohne daß an seiner Landflanke kaltes Wasser aus der Tiefe herauf- gezogen wird. Schon den ersten Entdeckern, wie Franz D r a k e im Juni 1579, war die unerwartet niedrige Temperatur in 43° N. B. aufgefallen und hatte sie von weiterem Fortschreiten nach Norden abgeschreckt, bis James Cook dann sozusagen den Bann brach. Die ersten Messungen mit dem Wässerthermometer sind wiederum Du Petit-Thouars 1837 zu verdanken, aber die engUschen Stromkarten des Jahres 1872 haben zuerst Näheres darüber beigebracht, worauf die oft erwähnten Karten der Oberflächentemperaturen der Ozeane 1884 die Erscheinung im einzelnen anschauhch vorführten. Nach Thorades genauer Unter- suchung ist das Auftriebwasser ein Phänomen der wärmeren Jahreszeit. Im Winter ist wenig oder nichts davon an der Küste zu bemerken, von Januar bis März verlaufen die Isothermen den Breitekreisen entlang von Westen nach Osten, ja der Norden der Küste empfängt durch das Anstau- wasser des auf sie hinlaufenden Oststroms eher eine relative Wärmever- günstigung. Im April beginnt dann nördlich von San Francisco bis Kap Mendocino hin die erste Spur aufsteigenden Küstenwassers bemerkbar zu werden, das steigert sich in den folgenden Monaten, im Juni erscheint noch ein zweites Quellgebiet an der Westküste der kalifornischen Halb- insel, und im August und September ist das ganze Gebiet 300 bis 350 See- meilen seewärts von der Küste in seiner Wärme verkürzt: beim Kap Mendocino sinkt die Temperatur unter 12°, während in hoher See (135° W. L.) in gleicher Breite fast 19° gefunden werden. Sehr rasch nehmen die Temperaturen vom Kap San Lucas an der Westküste dei kalifornischen Halbinsel nach Norden hin ab^): vor der Rosariobai in 30° N. B. sind im August noch nicht 18*, gegen 27° und mehr südlich von S. Lucas. Diese thermischen Vorgänge sind notwendige Begleit- erscheinungen der gleichzeitigen Strombewegungen 2) (vgl. Fig. 180 und 181). Im Winter ist der Nordäquatorialstrom durch die ganze Breiten- zone hin zwischen 25° und 10° N. B. mächtig entfaltet, und infolgedessen wird das von ihm nach Westen hinweggefiihrte Wasser an der zentral- amerikanischen Küste durch den Äquatorialgegenstrom ersetzt; an seiner rechten Flanke ist damit die Aspiration nördlich von 25 ° N. B. verhältnis- mäßig gering, die gleichzeitige Zufuhr von der nordpazifischen West- windtrift gegen die kalifornische Küste gesteigert und noch in 40° N. B. beträchtlich. Da jedoch der Passat auch bei 30° N. B. schon Wasser an sich zieht, wird der Kalifornische Strom nach Südwesten hin in Be- wegung gesetzt. Bemerkenswert ist dabei seine Neigung, im Gebiete nordwestlich vom Schnittpunkte des 30. ParaUels mit 135° W. L. nach Nordwesten rechts abzukurven. Im Sommer dagegen setzt das Bedürfnis nach Kompensation bei dem erheblich weiter nach Norden hinaufgreifenden ^) Vgl. dazu Buchanan in Proc. R. Geogr. Soc. London 1886, p. 766. 2) Ich reproduziere diese beiden Figuren aus der Abhandlung von T h o r a d e in Ann. d. Hydr, 1909, Taf . 1 und 2, zumal die entsprechende Zeichnung auf Schotts neuer Strömungskarte nicht richtig •wiedergegeben ist. Der Kalifornische Strom. Fig. 180. 7a7 Voi-wie^eaide St'öimni^en JaiLbisMärz 1501 Fig. 181. VoT^vie^eiide Stpöimmgeii JidiijisSept. w 40» Der Kalifornische Strom (nach H. Thorade). 708 -Di® Strömungen des pazifischen Gebiets. Passat sciion entlang der kalifornisclien Küste ein, der. Äquatorialstrom zielit l)eträchtliclie Mengen von Küstenwasser an sich und bewirkt so eine Auftriebzone an der Küste von Niederkalifornien. Die nun gleichzeitig weiter nach Norden verschobene Stromteilung der Westwindtrift läßt der Gegend beim Kap Mendocino keinen Zufluß aus hoher See mehr zukommen, die Noidwestwinde ziehen vielmehr mit ihrer nach Süden gerichteten Trift das Oberflächenwasser rechts seewärts von der Küste ab, und so kommt au(;li hier unter der Einwirkung der Erdrotation und Kompensation eine Quellregion von besonderer Intensität an der Küste zum Vorschein. Be- merkenswert sind noch einige Einzelerscheinungen, die von Thorade aus seinem Material erschlossen, von ihm aber nicht befriedigend aufgeklärt sind : im Juli und August bilden sich auch auf hoher See zwei Kälteinseln, die eine entlang 45^ N. Bl zwischen 130" und 137" W. L., die zweite nicJit ganz so intensive etwa bei 30" N. B., 130" W. L. Wahrscheinhch Bteht die auch in der Fig. 181 hervortretende Abkurvung der Stromfäden rechts von den bezeichneten Kälteinseln in engem Zusammenhang damit, indem die Strömungen in beiden Fällen querzerrend wirken. Die bei .10" N. B., 135" W. L. nach Nordwesten abschwenkenden Strömungen .sind sehr kräftig (20 bis 30 Seemeilen im Etmal) und möghcherweise mit Fleurieus Wirbel identisch; siö bedürfen noch näherer Untersuchung. — Im wesentlichen sind also auch hier die Windverhältnisse ähnlich wie im Nordatlantischen Ozean für diesen mit dem Uhrzeiger umlaufenden nordpazifischen Stromring als maßgebend zu betrachten. Dasselbe gilt für die nunmehr zu betrachtenden Schlußglieder des Südpazifischen Stromkreises. Wir haben hier zunächst den linken Süd- rand des Südäquatorialstroms südlich von der Linie Neukaledonien-Fidji- inseln ins Auge zu fassen, wo die Bewegungen im Südsommer sehr schwach und wenig durchsichtig sind. Die dann herrschenden Ostwinde lassen Strom nach Südwesten erwarten; nicht viel anders ist es aber auch im Südwinter, wo die dann hindurch kommenden Südostwinde reinen West- strom, erzeugen müßten. Die in dem angegebenen Gebiet vorkommenden Strömungen erschienen in Karten und Büchern so wenig geklärt, daß eine eingehende Untersuchung derselben auf Grund der Schiffsjournale der See warte nötig wurde; die 1886 ausgeführte Untersuchung erstreckte sich schließlich südwärts über Neuseeland hinaus und umfaßte den ganzen Raum zwischen 10" bis 50° S. B., 160° 0. bis 1.30° W. L. ; leider waren mir damals nur etwa 50 Schiffsjournale mit über 100 Reisen durch dieses Gebiet außer einigen Berichten von Kriegschiffen zur Verfügung (S. M. S. „Carola" 1882 und'l883; „Möwe" 1882; „Nautilus" 1879 und 1880). Für die hier in Betracht kommende Region ergab sich folgendes. Zwischen den Samoa- uud Tongainseln bis zu den Cookinseln hin ist Südweststrom durchaus vorherrschend. In dem Räume zwischen 15° bis 21" 8. B., 168° bis 175° W. L. waren 63 Beobachtungen zu Verzeichnen; davon entfallen auf den Quadranten zwischen Süden (exklusive) und Westen (in- klusive) 35 {=■- 57 Prozent); nördlicher als Westen waren 7 Fälle, rein Süden waren 6, Südosten 7, Osten 4, Nordosten 2 Fälle. Zwischen 170 ° und 160 ° W. L. überwogen die südlichen Versetzungen, die nächstdem häufigsten waren die nach '''.dosten. — Zwischen den Tonga- und Kermadecinseln ist sehr wech- seinacii Strom gefunden, doch überwiegt Südstrom zu beiden Seiten von PC ' W. L., östlich nahe den Kermadecinseln sind östliche Versetzungen hau- Dfer Ostauatralische Strome 70Ö /' figer. Südlich von 30° S. B. ist dann ein Herrschen des Südoststroms wieder besser zu erkennen. Aus der Übersichtskarte, in welcher sämtliche den Jour- nalen entnommene Stromversetzungen eingetragen wurden., ist mit großer Gewißheit zu ersehen, daß der Äquatorialstrom von deii Siamoainseln nach Südwesten abbiegt und je weiter er in dieser Richtung fortschreitet, desto mehr Stromfäden nach Süden abkurven läßt. ])ie beobachteten Strom- geschwindigkeiten sind meistens mäßige, der Durchschnitt auf etwa 12 See- meilen in 24 Stunden anzusetzen; Versetzungen über 20 Seemeilen sind selten, über 30 nur zweimal notiert. — Aus dem Gebiete zwischen Neukaledonien und den südlichen Tongainseln lagen nur sehr wenige Beobachtungen vor. Wir sehen also sowohl im Süden der Niedrigen Inseln wie der Cook- und der Samoainseln den südlichen Äquatorialstrom mit einem Teil seiner Gewässer sukzessive nach Südwesten und Süden abkurven. Das gleiche ist nun auch an der ostaustralischen Küste der Fall. Der hier auftretende sogenannte Ostaustralische Strom wird in dem offiziellen Segelhandbuch ^) folgendermaßen beschrieben: „Es ist eine auffallende Tatsache, daß während die vorherrschenden Winde an der Ostküste Australiens von Nordosten im Sommerj von Süd- westen im Winter wehen, dennoch der Strom meistens konstant entlang diesem Teile der Küste nach Süden setzt, in einem breitgeschlängelten Band, in einer Ausdehnung von 20 bis 60 Seemeilen vom Land und mit einer Geschwindigkeit zwischen ^2 ^^^ ^ Knoten wechselnd, wobei die größte Stärke nahe den hervorspringenden Punkten vorkommt. Jenseits der erwähnten Grenzen scheint keine Konstanz in der Richtung vorhanden; und ganz nahe der Küste, besonders in den Buchten, sind Neerströme sehr gewöhnlich, die dann mit V4 bis 1 Knoten nach Norden setzen. Gerade entlang dem südlicheren Teile dieser Küste setzt der Strom am stärksten, und gegen Kap Howe hin wird er östlicher als Süd, während er sonst ge- wöhnlich der Küstenlinie folgt." Diese Auffassung wird auch auf den neuen englischen Stromkarten bestätigt, kann aber aus diesen dahin ergänzt werden, daß seewärts von der Küste alsbald Stromfäden seitlich nach links abbiegen, so daß um Lord-Howe-Insel nicht selten nordöstliche Strömimgen auftreten, also eine Art Wirbel entgegen dem Uhrzeiger zu bilden scheinen; ein solcher ist denn auch von G. Schott auf seiner Karte eingetragen. Viele Flaschenposten, über die H. C. R u s s e 1 1 berichtete 2), liefern in der Tat bestätigende Triftwege. Ebenso biegt dann auch nach den neueren Karten die Hauptmasse des Ostaustralstroms bei 40° S. B. nach Osten um und schließt sich der allgemeinen Ostbewegung an, die von den Westwinden der höheren Breiten imterhalten wird. Schon Findlay hat diese Strömung zutreffend dem Brasilienstrom zur Seite gestellt; wie dieser ist auch jene eine Aböußströmung der vom Südäquatorialstrom auf das australische Festland hin gedrängten Wassermassen, anderseits aber avich eine Kom- pensationsbewegung für die allgemeine Westwindtrift, die aus dem In- dischen Ozean an Tasmanien vorüber nach Osten strömt und dadurch das Wasser entlang der Ostküste zunächst Tasmaniens, sodann aber auch des australischen Festlands selbst nach Süden hin aspirieren muß. Aus der i '.. " ' *) Australia Directory I, 1876, 578. ■) Vgl. darüber B,. R. M i 1 1 in Geogr. Journal, London 1900, Bd. 16, p. 689, 710 I^ic Strömungen des pazifisfhen Gebiets. Baßstraße drängt der Strom ebenfalls n ich Osten hinaus, da sie aber nur seicht ist (50 bis 80 m), kann eine tiefgehende Bewegung nicht durch sie hindurch, sondern erst südlich von Tasmanien in Gang gesetzt werden. — - Der Ostaustralstrom ist übrigens, wie aus den Isothermkarten zu er- kennen und aus seinem Entstehen zu schließen, ein relativ warmer Strom. Auch in die Tiefe hinab zeigt er sich so durchwärmt, wie es einer Strömung tropischen Ursprungs zukommt. Die Challengerexpedition fand östlich von Sydney die Isothermflächen von 15° in 223 m, 10° in 470 m (im Mittel aus den Sondierungen Nr. 163 und 164 A), d. h. nahezu so tief wie in der Nähe der Fidjiinseln. — Die große südpazifische Ostströmung oder Westwindtrift hat Kerhallet schon richtig charakterisiert, indem er sie eine von der Südspitze Tasmaniens nach Osten quer hinüber bis zum südamerikanischen Festland reichende Strömung nennt. Auch ihre partielle Zusammen- setzung aus tropischem Wasser, das ihr von Norden her durch den austra- lischen Strom zugeht, hat er hervorgehoben. F i n d 1 a y und Peter- mann zeichnen auch hier dieselben nordöstlichen Stromrichtungen, wie wir sie nach ihnen schon (S. 680) für den südlichsten Indischen und Atlan- tischen Ozean anführten. Duperrey und diesem folgend H e i n r. Berghaus hatten nur zwischen 180» und 130° W. L. (in 50» S. B.) solches einer antarktischen Triftströmung entstammende kplte Wasser nach Nordosten und dann Osten strömen lassen, was noch Hermann Berghaus auf seinen Weltkarten angenommen hatte. Anderseits sollte nach dem letzteren und Dr. G. Neumayer entlang der Ostküste Neuseelands ein (vom südlichen Äquatorialstrom bei den Cookinseln südwärts abzweigender) warmer Strom nach Süden vordringen, sich zwischen der Campbell- und Macquari einsei mit einem von Tasmanien (bei Neumayer von Ostaustralien) herkommenden ebenfalls relativ warmen Strom vereinigen , um dann das Südpolarmeer im Nordosten von Roß' Victorialand offen und eisfrei zu machen. Quer über dieses System hinweg setzt aber noch eine Ostströmung, welche bei Neumayer vom Südkap Tasmaniens bis nach der Westküste Südamerikas zwischen 45 ° und 50° S. B. verläuft, bei dem jüngeren Berghaus aber schon entlang der West- küste von Neuseeland nach Nordosten und Norden ausweicht. Bei Berg- haus taucht die kalte Ostströmung unter den warmen, so weit südwärts verlängei*ten Ostaustralstrom , bei Neumayer geht letzterer unter der kalten Ostströmung hindurch. Ein Strombild, so kompHziert, daß es schon dadurch allein die Kritik herausfordert. — Die Darstellung der englischen Seekarten südlich von • Tasmanien und Neuseeland ist ganz lückenhaft und Paul Hoffmann beschränkte sich darauf, seine Be- denken gegen diese Anordnung auszusprechen und darauf hinzuweisen, daß nach den ihm vorliegenden Daten ganz Neuseeland zu beiden Seiten Von nördlich gerichteten Strömungen umgeben sei. Eine auf Grund des (oben S. 708 schon erwähnten) reichhaltigeren Materials der Seewarte vorgenommene Untersuchung führte zu sehr viel einfacheren Vorstellungen. Beginnen wir im Westen bei Tasmanien, so sind daselbst die östlichen Strömungen durchaus überwiegend; von warmen Querströmen zeigen die Schiffsjournale keine Spur. Ebenso herrschen östhche Strömungen Die südpazifische Westwindtrift. 71 X südlich von Neuseeland und in der Nächbarschaft von 50® S. B. so weit hinaus nach Osten, wie das Material nur vorliegt. An der Kontinuität der großen Ostbewegung dieses Ozeans mit derjenigen des südlichen Indischen Ozeans von Kerguelen ab ist danach kein Zweifel möglich; wir haben schon oben S. 677 die aus den Flaschenposten dafür zu ent- nehmenden Indizien erwähnt. Der von Tasmanien kommende Oststrom trifft auf die Südinsel Neuseelands und erleidet hier eine interessante Spaltung, nicht, wie man erwarten sollte, am südwestlichsten Kap Providence (46° S. B.), sondern erst bei 44 ° S. B. zwischen Milf ordsund und Jacksonbai : südlich von dieser Breite setzt der Strom mit 24 Seemeilen Geschwindigkeit nach Süden um die Insel herum, den Schiffen trotz günstiger Südwestwinde nicht selten das Vordringen nach Norden hin erschwerend; nördlich von Jacksonbai (43° 58' S. B.) geht der Strom entschieden nach Nordosten^). Diese Stromteilung ist vielleicht darum nicht ganz ein klassisches Beispiel für das Ausweichen der durch den Widerstand des Landes getrennten Strahlen auch in der Richtung des spitzen Winkels (oben S. 473), weil die starke Ostströmung südlich von der Südinsel und Stewartinsel aspirierend nach Norden hin einwirkt. Der Nordstrom umspült, wie schon Hoffraann richtig bemerkt, die ganze Westküste der Südinsel und biegt dann in der Cookstraße ostwärts. Die Ostküste der Südinsel ist, wie aus den von Hoffmann schon angeführten Beobachtungen bei Nuggets Point und der Bankshalbinsel hervorgeht, ebenfalls von nördlichem Strom bestrichen. Auch weiter in See bestätigen denselben deutsche Schiffstage- bücher vielfach in ungefähr der gleichen Stärke (20 bis 24 Seemeilen), wie an der Küste. Der Ostaustralstrom muß daher nach diesen Auseinandersetzungen, wie schon oben angegeben, von Kap Howe ab nach Osten umbiegen und den von Tasmanien kommenden Strom an dessen linker Seite begleiten. Die so kombinierte Ostströmung trifft dann auf die Nordinsel Neuseelands, an deren Westküste bis zur Cookstraße hinunter südöstlicher Strom nach deutschen und englischen Angaben vorzuherrschen scheint. Die Nord- westspitze der Nordinsel, Kap Vandiemen und die Dreikönigsinseln liegen im Bereiche sehr deutlicher Nordostströmungen; abweichende Richtungen sind unter 11 Fällen zweimal beobachtet. Die mittlere Stromstärke beträgt 16, ansteigend bis zu 24 Seemeilen im Etmal. An der Nordost- küste der Nordinsel biegt der Strom dann nach Südosten um und geht in dieser Richtung auch um das Ostkap weiter, um endlich bei den Chathaminseln sich mit den um die Südinsel und durch die Cookstraße gegangenen Stromfäden zu einem fortgesetzt östlichen Strom zu ver- einigen. Wenigstens dürfte dies der für die Wintermonate (Juni bis Sep- tember) normale Zustand sein. Ein anderer Teil der um Kap Vandiemen gelangten Ostströmung setzt dann in Ost- und Nordostrichtung auf die Kermadecgruppe zu und vereinigt sich dabei und noch weiter östHch mit den ihm stetig von Norden zukommenden links abgeschwenkten Strom- fäden des Äquatorialstroms (s. oben S. 708). In einigen Fällen sind im Osten der Kermadecinseln bis nach 170° W. L. hin Stromkabbelungen, 1) New Zealand Pilot 1875, p. 288. 712 I>ie Strömungen des pazifischen Gebiets. ebenso auch Temperatursprünge von mäßigen Beträgen in den Schiffs- journalen vermerkt. Im südlichen Sommer (Dezember bis März) scheinen sich die Verhält- nisse etwas anders zu gestalten. Das an der Westküste der Nordinsel n&Ch Nordwesten bewegte Wasser behält anscheinend auch über die Dreikönigsinseln hinaus seine Richtung bei und kurvt etwa bei der Lord - Howe-Insel westwärts zur Ostaustralströmung zurück. Dagegen ist süd- wärts von den Kermadecinseln auch in dieser Jahreszeit eine südliche Bewegung der Gewässer maßgebend. Eine solche ist nicht als Trift aus den gleichzeitigen Luftströmungen zu erweisen, denn die Winde zeigen hier wechselnde Richtungen, und Windstillen sind sehr häufig. Wohl aber kommt die Südbewegung auch hier, wie sonst so oft, in den .Wassertempe- raturen zum deutlicheren Ausdruck ; die Isothermkarten zeigen im Süd- sommer eine ausgeprägte Einbuchtung nach Süden auf die Nordinsel hin. Die im Süden zu leistende Kompensation führt das Wasser an der Nordinsel auf die Chathaminseln herbei. Dabei begegnet es dem kalten um die Südinsel Neuseelands herumgekommenen Strom, und so finden die bei 45° bis 50° S. B. nach Osten auf Kap Hörn zu segelnden Schiffer etwa bei 175° bis 180° 0. L. gewöhnlich auffallende Temperatursprünge, wenn auch in diesem Fall nicht von denselben großen Beträgen, wie etwa im Agulhasstrom ^). Diese Darstellung der Strömungen bei Neuseeland wird noch gestützt durch zwei Triftbahnen; die eine ist bereits oben erwähnt: das von der Heardmsel bis in *die Nähe der Chathamgruppe geschwommene Faß Walfischtran (S. 678). Eine zweite Trift hat M a u r y (Saihng Directions II, 607) gemeldet, eine Flasche vom Schiffe „Tuskinaw", die, in 2272" S. B., 169° 0. L. (südöstlich von Neukaledonien) ausgesetzt, an der Nordost- küste der Nordinsel in 36.2° S. B., 175.3° 0. L. ans Land trieb. — Ebenso findet durch unser Strombild die pflanzengeographische Tatsache leichte Erklärung, daß die Chathaminseln wie auch die Kermadecgruppe so vielfältige Verwandtschaft in ihrer Flora mit derjenigen Neuseelands xeigen. Auf den Chathaminseln fand übrigens T r a v e r s auch Treibholz, aus neuseeländischen Waldungen stammend^). Auch weiter nach Osten hin empfängt der Ostström noch stetigen, wenn auch schwachen Zufluß von Norden her, also aus dem Äquatorial- strom. Wie schon Hoffmann hervorhebt, hatte der „Challenger" von Tahiti bis zu einem Punkte in etwa 40° S. B., 133° W. L. südlicl^e Stromversetzungen, und östlich von diesem Meridian fanden sowohl die Challenger- wie die Gazelleexpedition die Stromrichtungen zunächst sü4- liöher, bei* weiterer Annäherung an das südamerikanische Festland aber nördlicher als Osten. Eine ebenfalls von Hoffmann wieder betonte, aus M a u r y s Segel- i anleitung^) entlehnte Beobachtungsreihe eines von Australien um Kap Hern • segelnden Schiffes ließ sich in etwa 4872° S. B., 130» W. L. eine Temperatur- emiedrigung erwarten, ähnlich derjenigen, wie sie den Ostindienfahrern zwi- 1) Beispiele im Segelhandbuch des Stillen Ozeans S. 46 (Februar) und S. 61 'Dezember). 2j Peterm. Mitteil. 1866, 65. G r i s e b a c h, Vegetation der Erde II, 538. ■') Sailing Directions II, p. 801. Der Kap-Horn-Strom. 7I3, sehen Tristan da Cunha und dem Agulhasstrom begegnet. Jedoch enthielten über 50 gute Schiffsjournale der Seewarte, welche diese Gegend berührten, nicht die' geringste Andeutung eines solchen Wärmegegensatzes, wie da& Maurysche Schiff ihn meldet: dasselbe wollte westlich von jener Grenze eine Wassertemperatur von 16° bis 17 ", östlich davon aber nur von 6° bis 7 ° wahr- genommen haben. In den höheren Breiten zeigt das Auftreten von Eisbergen eine nördlich gerichtete Stromkomponerite an, w'elche hier ebenso wie im Indischen Ozean (s, S. 681) sich erklären lassen dürfte. Bemerkenswert ist jedoch,^ daß der Südpazifische Ozean bei weitem nicht so viel Eisberge^) zu empfangen scheint wie der Südatlantische, fast eisfrei sind nördlich von 60° S. B. die Monate Juni bis August. An der amerikanischen Küste angelangt, erleidet der Oststrom eine Spaltung, die schon D u p e r r e y und Heinrich Berghaus in etwa , 45" S. B. verlegen. Der Kap-Horn-Strom ist die südliche Abzweigung , welche sich entlang der patagonischen Westküste gemäß F o s t e r s Unter- suchungen nach Süden, weiter in See mehr nach Südosten und südlich vom Feuerland recht nach Osten und Ostnordosten bewegt. Bei Staaten- Land sind die Stromversetzungen wohl noch mehr nördlich und leiten hinüber zum Falklandstrom, wie denn auch Treibhölzer von den Küsten des Feuerlands auf den Falklandinseln nicht selten stranden. Was diesen Oststrom hier südlich von Kap Hörn so kräftig auftreten läßt, ist die Verengung des Bettes von Norden her. Westwärts von Kap Hörn und östlich davon sind starke Ostströme vorhanden, diese müssen beim Durch- gang durch ein engeres Stromprofil notwendig ihren Lauf beschleunigen; daher hier gar nicht selten Versetzungen im Betrage von 36 bis 42 See- meilen vermerkt werden, von größeren Einzelfällen ganz abgesehen, die meist unter Land beobachtet und daher nicht von Gezeitenstrom frei sind. Da die Stromfäden, welche der Küste entlang streichen, aus etwa 10 Grade niedrigerer Breite stammen, in der Mitte der Drakestraße näher nach Grahamland hinüber, nahe 60" S. B. aber antarktisches Wasser sich dazwischen mengt., so ist es eine allen Südseefahrern geläufige Tat- sache, daß sie beim Kreuzen gegen die herrschenden Winde näher an Land wärmeres (oft um 3 ") Wasser treffen als weiter in See. Diese leicht erklärliche Tatsache hat einst zu der merkwürdigen Eintragung einer warmen Strömung geführt, welche von dem (nicht vorhandenen) warmen, ostpatagonischen Strom durch die Le-Maire- Straße südwärts und dann dicht unter Land westlich und nordwestlich setzend von Hermann Berghaus und M ü h r y angenommen wurde. Schon ein Blick in Heinrich Berghaus' Darstellung dieser Strom Verhältnisse 2) hätte diese beiden Hydrographen von ihrem Irrtum überzeugen müssen. „Nie," erzählt Kapitän F i t z r o y, „sah ich die Strömung nach Westen laufen ^ immer hatte sie eine östliche Richtung, der Wind mochte wehen aus welcher Weltgegend er wollte; eben dieses finde ich in den Tagebüchern der preußischen Schiffahrten (der Seehandlung) bestätigt; es ist eine Folge *) Ein voIlstÄndiges Verzeichnis solcher findet sich im Segelhandbuch für den Stillen Ozean S. 37 bis 42. 2) Allgem. Länder- und Völkerkunde I, 573. 714 Die Strömungen des pazifischen Gebiets. der herrschenden Westwinde, die dem Wasserzuge eine Kraft mitteilen, welche der dann und wann eintretende Ostwind nicht zu überwältigen vermag." Krusenstern, King^, Foster bestätigten das durch- aus. — Die Abkunft dieser küstennahen Stromfäden aus niederen Breiten ist vielleicht auch die Veranlassung dafür, daß gerade nahe bei Kap Hörn Eisberge verhältnismäßig so selten gefunden werden; der Hauptzug der- selben führt etwa 60 bis 100 Seemeilen südlich von dieser südlichsten amerikanischen Insel vorüber (vgl. oben Fig. 172, S. 606). Erfahrene Südseefahrer, wie Kapitän Haltermann und L. E. Dinklage, versichern, daß wenn einmal Eisberge in unmittelbarster Nähe des Feuerlands an- getroffen wurden, diese sehr klein und ihrem ganzen Aussehen nach vom benachbarten Land selbst aus den dortigen Fjordgletschern abzuleiten waren. — • Wenn dieses höher temperierte Wasser das Kap Hörn und die Staateninsel umströmt hat, so wendet es sich als linker Saum des Falk- landstroms nach Norden auf die Patagonische Küstenbank; dadurch auch erklären sich die dortigen bereits früher (S. 608) erwähnten höheren Oberflächentemperaturen in ihrem Gegensatze zu dem mehr aus der Mitte der Drakestraße nach Norden aufbiegenden und die Falklandinseln im Osten und Nordosten umströmenden kalten Wasser des Kap-Horn-Stroms. Der Peruanische, auch wohl Humboldtstrom genannt, ist die nördliche Abzweigung der großen Westwindtrift der südpazi- fischen Breiten. Eine sehr lehrreiche, wenn auch in ihren Auffassungen heute vielfach nicht mehr haltbare Monographie Alexander v. Hum- boldts^) gab zuerst ein umfassendes Bild von dieser kalten Nordströ- mung, in der Humboldt ein kontrastierendes Gegenstück zum Florida- Golfstrom erblickte. Daß nicht er die Strömung entdeckt hat, sondern daß sie schon den Konquistadoren bekannt war, hat er selbst betont; diesen selben spanischen Seeleuten war auch die niedrige Tempe- ratur seiner Küstengewässer schon so geläufig, daß sie damals, wie das noch heute geschieht, ihre Getränke in ihren Tiefen zu kühlen pflegten. Nur daß in einer Breite, gleich derjenigen von Bahia an der gegenüber- liegenden Küste oder der nördlichsten Spitze Austrahens in der Torres- straße, das Seewasser kälter werden könne als in unseren Nordseebädern im Sommer, das konnte erst A. v. Humboldt erweisen, als er nach Überschreitung der Kordillere bei Truxillo das Thermometer in das Wasser tauchte und nur 16.0 ° und bei. Callao nur 15.5 " fand. Wir wissen, daß dies nur durch Aufquellen aus der Tiefe zu erklären ist, Humboldt aber war geneigt, diese niedrige Temperatur aus den hohen südlichen Breiten her- gelangen zu lassen und solche antarktische Wirkungen bis nahe an den Äquator hin zu verfolgen. Als er am 25. Dezember 1802 von Callao nach Guayaquil segelte, fand er die Wassertemperatur zunächst 21 '^ und 22.5 ^ bis in 41/2° S. B. am Kap Blanco das Schiff ihn binnen wenigen Stunden aus Wasser von 20.4 » in solches von 27° führte. Indes scheint es, als wenn die Grenze dieses kalten Auftriebwassers nicht iramer am Kap Blanco liegt, sondern in unseren Sommermonaten auch weiter nach Norden bis 2° 15' S. B. bei Pa. Elena sich verschiebt, wo Dr. Th. W ol f auch ^) Abgedruckt inBerghaus' Allgem. Länder- und Völkerkunde I, S. 575 £f., in den „Ausgewählten Stücken aus den KLlassikem der Geographie", Reihe 2, S. 17. Der Perustrom. 715 im August 1875 noch das Wasser 4^ kälter fand als im Flusse von Guaya- quil und weiter in See^). Wenn man nach Humboldts Vorgang dieses kalte Wasser lediglich auf eine oberflächliche Zufuhr durch einen Meeresstrom von polarer Abkunft zurückführen will, so trifft man doch auf Schwierigkeiten, insofern z. B. in Callao zuweilen Temperaturen vorkommen, welche ebenso niedrig sind, wie die gleichzeitig in dem Hafen von Valparaiso oder Coquimbo beobachteten, welche doch 2500 oder 2100 km südlicher liegen. Aus' den in vierstündigen Intervallen an Bord S. M. S. „Moltke" erfolgten Messungen der Temperatur an der Ober- fläche während des Ankerns in den eben genannten drei Häfen in den Jahren 1881 bis 1883 entnimmt P. Hoffmann^) u. a. folgende Mittelwerte : j März Oktober November Valparaiso 33« S. B Coquimbo 30« „ Callao 12« ., } 17.0« 1 17.3« 1 14.1» 14.7« 14.8« 14.9» Ein Meeresstrom von im Mittel 15 Seemeilen tägUcher Geschwindigkeit, wie sie dem Peruanischen Strom zukommt, würde etwa 4 Monate brauchen, um den Weg von Valparaiso oder Coquimbo nach Callao zurückzulegen: wir müßten also im März in Callao etwa die Temperaturen erwarten, welche iin November 20 Breitengrade südlicher an der Meeresoberfläche vor- handen waren. Statt dessen finden wir gleichzeitig dieselbe Wasser- temperatur in den mehr als 2000 km voneinander entfernten Häfen. Damit ist also ein Transport derselben durch eineii Meeresstrom an der Oberfläche ausgeschlossen. Dasselbe ergibt sich aus dem auch hier mehrfach festgestellten, schnellen Ansteigen der Temperaturen seewärts beim Ver- lassen der Hafenbuchten. So fand Kapitän z. S. H o 1 1 m a n n ') an Bord S. M. S. „Elisabeth" auf der Reede von Callao am 28. Februar bei Windstille die Wassertemperatur 18.3 °, alsdann in See dampfend 30 See- meilen von der Küste 20.6°, 80 Seemeilen von Land 23.8° und in 135 See- meilen Abstand 27 °. — Umgekehrt beobachtete S. M. S. „Moltke" beim Einlaufen in die Bucht von Bisco ein Fallen der Wassertemperatur von 16.7° auf 14.5°, und fand als absolut niedrigste Wassertemperatur in Callao sogar nur 13.6°. Durch solche Befunde erscheint die Abkunft dieses kalten Küstenwassers durch Aufsteigen aus der Tiefe gesichert. Die modernen Untersuchungen des Perustroms selbst haben auch ergeben, daß er bei Valdivia und südlich davon, wie Alfred Hettner^) auf Grund der britischen Publikation über das Klima des Kap-Horn-Meeres zeigte, nicht kälter ist als die Luft. Die Darstellung von Heinrich Berghaus trifft darin mit der moderneren bei Hoffmann zusammen, daß ein ausgeprägter Nord- ^) Verh. Ges. f. Eidkunde, Berlin 1879, 247. *) Zur Mechanik der Meeresströmungen, S. 75. «) Ann. d. Hydr. 1882, S. 362. *) Das Klima von Chile und Westpatagoniea (Dissert. Bonn 1881). 716 I^iö Strömungen des pazifischen Gebiets. Strom nur in einer schmalen, nicht viel über 100 Seemeilen messenden, sich an die Küste anschmiegenden Zone angetroffen wird. In diesem Streifen beträgt die durchschnittliche Geschwindigkeit 15 Seemeilen in 24 Stunden. In einigem Abstände von der Küste aber werden die Strom- versetzungen imregelmäßig, so daß auch solche nach Südwesten und Süden vorkommen, immer aber sind sie ganz schwach und für die Navigation ohne Bedeutung. Wenn aber Heinrich Berghaus aus einer Reise des preußischen Schiffes „Mentor" im Oktober 1823 eine recht östliche Strömung zwischen 20° und 30" S. B. in einigem Abstände von der Festlandküste in seine Karten eintrug, so hätte das schon, seitdem F i n d 1 a y die Beobachtungen von Kotzebu e, Laperouse und L ü t k e dagegen anführte, zur Tilgung dieses Stromes auf den neueren deutschen Karten führen müssen, was A. Hettner gleichfalls schon hervorgehoben hat. Der Perustrom ist also ein schwacher Strom; gelegentlich auftretende Nordwinde kehren ihn auf große Strecken hin leicht um, aber es sind freilich die Südwinde, wie schon Varenius hervorhob, hier die herrschenden. Nahe der Küste, in den Buchten und Baien, werden Neerströme ange- troffen, und in vielleicht durch besonders lebhaften Auftrieb hervorgerufenen abnormen Fällen hat man wohl auch weiter in See bei Südwind noch Süd- ströme gefunden : so nach Lartigues Description de la cote du Perou das Schiff „La Clorinde" 1822 und 1823. In etwa 5 " S. B. verläßt der Perustrom die Küste und wendet sich mit zunehmender Geschwindigkeit, vom südlichen Äquatorialstrom aspi- riert, nach Nordwesten und bei den Galäpägosinseln nach Westen. Das Abbiegen des Stroms hat Hoffmann schon richtig so erklärt, daß einmal die Konfiguration der Küste den Strom von Arica ab nach Nord- westen drängt, wobei auch die Erdrotation sein Rechtsabschwenken ver- hindert, während zweitens der außerordentlich kräftige und regelmäßige Südostpassat ihn ebenfalls nach Westen hin aspiriert. „Zwischen 5® und 10° S. B. wehen 90 Prozent aller Winde in den kalten Monaten aus Süd- osten; es gibt kaum irgend eine Passatregion der südhchen Hemisphäre, wo der Passat so vorherrscht, und in der nördlichen überhaupt keine," berichtet Wojeikof nach Beobachtungen, die C o f f i n aus dem ge- nannten Gebiet zwischen 85 ° und 98 ° W. L. zugegangen waren. — Auch im Südpazifischen Ozean besteht also ein Kreislauf um das barometrische Maximum, der in einem Sinne gegen den Uhrzeiger rotierend, den Raum zwischen 4 ° N. B. und 50 ° oder 55 ° S.B. einnimmt. Wie überall in diesen merkwürdigen Zirkulationen liegt östhch von dem Gebiete hohen Luftdrucks der äquatorwärts, westlich der polwärts führende Teil derselben. Auf die große Ähnlichkeit dieser Anordnung mit der gleichen in dem Ver- laufe der unteren Luftströmungen hat schon P. H o f f m a n n mit Recht hingewiesen. I Was die Strömungen in den höheren Südbreiten betrifft, so ergeben die Beobachtungen der älteren wie neueren Südpolarexpeditionen im Roß- meer ausgeprägte Stromversetzungen entlang der Eiskante nach Westen hin, die beim Kap Adare nach Nordwesten hin abbiegen. Den gleichen Weststrom erwies die Trift der „Belgica" im Eise vom März 1898 bis März 1899 entlang 70° bis 71» S. B. zwischen 8072» und 102» W. L. Dagegen Tiefenströme. 717 sind an der Westseite* von Grahamland noch Strö- mungen nach Nordwesten und Norden ^) vorherr- schend, so daß also die große Westwindtrift die ganze Drakestraße zu be- herrschen scheint (vgl, oben S. 681). — Die Tiefenströme des Pazifischen Ozeans sind uns zur Zeit nur ebenso in spärlichen Umrissen er- kennbar, wie das vom Indischen zu sagen war; als einzige Grundlage die- nen die Temperatur- schnitte, die G. Schott und Fr. S c h u kürzlich veröffentlicht haben ^). Beistehende Fig. 182 ist dieser verdienstlichen Ar- beit entlehnt. Es geht daraus auf den ersten Blick die große Ähnlich- keit der aligemeinen Tem- peraturanordnung des Pa- zifischen mit der des At- lantischen Ozeans (S.614) hervor, indem hier für die obersten 500 m eine Auf- wölbung der Isothermen gegen die Oberfläche in derÄquatorialgegend, und zwar bei etwa 10 '^N. B., in Gegensatz tritt zu ihrer ^) F r i c k e r, Antark- tisches Treibeis, Leipzig 1893, S. 99. 2) Ann, d. Hydr. 1910, S. 1, Taf. 1—13. Ich selbst hatte eine ähnliche Arbeit für die Darstellung der Tem- peraturverhältnisse in Bd. I, iS. 422 handschriftlich aus- geführt, und die Herren Ver- fasser sind mir in der Ver- öffentlichung zuvorgekom- men. Meine Karten zeigen nur in einigen unwesentlichen Punkten Abweichungen. ! 718 I^^6 Strömungen des pazifischen Gebiets. Abwärtsbiegung in subtropischen Breiten. Dabei ist dann ein merk- licber Unterschied zwischen dem Nordpazifischen und Südpazifischen Ozean vorhanden. In den südlichen Subtropen reicht die intensive Er- wärmung in beträchtlich größere Tiefen hinab als in den entsprechenden Nordbreiten, wo die Isothermfläche von 10° um 550 — 450 = 100 m höher liegt, die 5 "-Isotherme sogar um 1200 — 125^475 m. Diese Bevorzugung des Südpazifischen Ozeans an seiner australischen Seite war sphon auf unserer Temperaturkarte für 400 m (Bd. I, S. 425) zum Aus- druck gelangt und in den Erläuterungen dazu betont worden. Wir haben sowohl für diesen Wärmeüberschuß in den Subtropen wie für das Defizit in der Äquatorialzone die beim Atlantischen Ozean bereits dargelegte Vertikalzirkulation verantwortlich zu machen; die von Schott und Schu veröfientlichten Karten zeigen namenthch die äquatoriale Auftriebzone in den Niveaus von 100 und 200 m sehr stark ausgeprägt, indem Gradienten von 7° bis 8° im Bereiche der Karolinen von 15" N. p. nach 8° N. B. und ebenso stark wieder von 8 " nach 3 " N. B. eingetragen sind ; selbst wenn die zugrunde liegenden Temperaturen^) um ein paar Grad zu tief gemessen sein sollten, bleibt noch immer eine deuthohe Auftriebzone übrig. Sie schließt sich an die Kältezunge des Südäquatorialstroms an, biegt also in der Mitte des Ozeans aus 8 " bis 10 " N. B. ostwärts mehr und mehr auf den Äquator zu und erreicht ihn ungefähr in 100 " W^. L. Was die starke Durchwärmung der Tiefenschichten bei den Fidji- inseln und weiter im Süden davon betrifft, so reicht sie oberhalb von 400 m über die ganze Westhälfte des Südpazifischen Ozeans hinüber von den Cookinseln an bis zur Ostküste des Australfestlands. In 600 m Tiefe beschränkt sich das Wärmegebiet auf den Kaum südwestHch von Neu- kaledonien, wo unweit von Brisbane über 12" beobachtet sind, gegen nur 9.4" in dem nordpazifischen homologen Gebiet bei den Bonininselii. Nach W. Brennecke 2) stehen diese Dinge auch hier, wie im ähnlichen indischen Gebiet nordöstlich von Madagaskar, in einem gewissen ursäch- lichen Zusammenhang mit dem Salzgehalt der Oberflächenschichten. Wir haben uns schon bei früherer Gelegenheit mit dem auffallenden Unter- schied beschäftigt, der in dieser Hinsicht zwischen dem Nord- und Süd- pazifischen Ozean besteht (Bd. I, S. 332 und 368), wo das Salzgehalts- maximum beim, letzteren mit 36.9 Promille das des ersteren um mindestens 1 Promille übersteigt. Als die neuen Messungen des Salzgehalts des „Planet" aus den ostaustralischen Gewässern bekannt wurden, zeigte sich nun sehr bemerkenswerterweise, daß sich dort stets bei etwa 200 m ein Sakgehalt^maximum einstellt, dessen Zahlenwerte eine rasche und stetige Zunahrde nach Osten zeigen. Wenn bei 155" 0. L. in 8" bis 10" S. B. die Oberfläche nur 34.7 Promille zeigt und erst von 100 m Tiefe an die Salzgehalte über 35 Promille steigen mit 35.7 Promille in 200 ih als Maximum, worauf sie bei 350 m wieder unter 35 Promille sinken, be- trägt das Salzgehaltsmaximum in 165" 0. L. bei den Neuen Hebriden ^) Die hier entlang 156 ° O. L. eingetragenen sehr niedrigen Temperaturen sind von O. V. Kotzebue auf seiner ersten Weltumsegelung an Bord des „Rurik" im Oktober 1817 gemessen; ob moderne Thermometer sie voll bestätigen werden^ ») Ann. d. Hydr. 1910, S. 21. Vgl. auch oben S. 684. Tiefenstrome. 719 schon über 36 Promille, so daß die Herkunft dieser stärker konzentrierten Schichten von Osten her sehr wahrscheinlich wird, wo dann in der Mitte des Ozeans das Salzgehaltsmaximum an der Oberfläche liegt. Da die Ge- wässer von hier aus in allgemeiner Bewegung nach Westen und Südwesten hin begriffen sind, werden sie, in der kühleren Jahreszeit abgekühlt und durch Verdunstung schwerer gemacht, in die Tiefe sinken, und so auch in der wärmeren, hier zugleich mit den atmosphärischen Niederschlägen verbundenen Zeit dort verbleiben. Durch Diffusion und mechanische Mischung nimmt auf diesem Wege nach Südwesten hin der Salzgehalt ein wenig ab, jedoch bleiben die Temperaturen beim Absinken dieser salzigeren Schichten nach der Tiefe hin noch immer im Überschuß gegen die Umgebung. Da der Nordpazifische Ozean weniger salziges Wasser an seiner Oberfläche hat, kann bei dem analogen, auch dort geschehenden Transport mit dem Nordäquatorialstrom das absinkende Wasser nicht in so große Tiefen hinabgelangen, da es von vornherein nicht schwer genug dazu ist. Beachtenswert bleibt aber trotz dieser ansprechenden Er- klärung Brenneckes die Tätsache, daß der Nordpazifische Ozean in den Tiefenschichten von 500 m abwärts in semen höheren Breiten kälter ist als der Südpazifische in gleichen Breiten. Aus den Karten von Schott und Schu zeigt ein Vergleich für die Mitte des Ozeans entlang 40** B. als Überschuß in 600 m Tiefe 6.1 » — 4.7» = 1.4«, in 800 m 5.4» — 4;2» = 1.2», in 1000 m 4.4» — 3.3 »=^1.1» zugunsten des südpazifischen Gebiets; an der Westseite des Ozeans ist der Unterschied noch größer. Wir er- kennen dabei auch als Quelle dieses Wärmedefizits die kalten aus dem westlichen Beringmeer entlang Kamtschatka und den Kurilen nach Süd- westen hin erstreckten arktisch abgekühlten Gewässer, die anscheinend den von den Oberflächenströmen nach Osten bewegten Massen (vielleicht Ekmans „Tiefenstrom") in der Nähe der japanischen Inseln beigemengt werden und so die Tiefenschichten auch weiter nach Osten hin abkühlen. Die auffallende Gleichförmigkeit der Bodentemperaturen des Pazi- fischen Ozeans unterhalb des Niveaus von 4000 m läßt uns zur Zeit keine Möglichkeit, über die Richtung etwaiger Bodenströme etwas auszusagen; da aber die große Masse der vorliegenden Beobachtungen aus der älteren Periode der Tiefseeforschung herrührt, wo man an Tiefenthermometer noch nicht solche Ansprüche zu stellen pflegte wie heute, ist es nicht ausgeschlossen, daß hinter den die gewaltigen Flächen von etwa ^/g des pazifischen Bodens bedeckenden Temperaturen von 1.6 bis 1.9» doch noch feinere Abstufungen verborgen sein mögen, aus denen sich dereinst allerlei Schlüsse auf Tiefenbewegungen ziehen lassen werden. Einzelne thermische Merkmale sind aber deutlich und wichtig genug, um sie hier kurz zu erwähnen. Das eine ist die Abwesenheit aller Tem- peraturen unter 0» auch in den höheren Breiten am Boden. G. S c h o 1 1^) hat hierzu die Meinung geäußert, daß das Bodenrelief hieran schuld sei : an der pazifischen Front des antarktischen Kontinents finden wir Schelfe und Bodenschwellen, die langsam nach Norden hin absinken, und den dortigen geringen Meerestiefen entsprechen dann auch höhere Tempe- raturen. Das ist unzweifelhaft eine ganz richtige Bemerkung, nur ist sie ») Pet. Mitt. 1905, S. 246 und Taf. 18. 720 I^e Strömungen des pazifischen Gebiets. unvollständig. Mir scheint, daß man auch hier nicht sowohl die Ver- hältnisse entlang dem Meridianschnitt ins Auge zu fassen hat, als auch außerdem die in ostwestlicher Kichtung maßgebenden Vorgänge, die aller- dings nur in einer rein hypothetischen Form zu entwickeln sind, aber trotzdem hier vorgetragen werden mögen. Das vom antarktischen Eise ausgekühlte schwere und in die Tiefe sinkende Wasser fließt gemäß den für Dichteströme geltenden Regeln links ans Land gelehnt, also nach Westen hin ab. Auch auf der Schelf bank vor dem Viktorialand finden sich nun Bodentemperaturen unter O''; die sie tragenden Bodenwasser verteilen sich eben nicht einfach dem Bodengefälle folgend nach Norden, sondern werden durch die Erdrotation westwärts abgelenkt. Im Osten beim Alexanderland beginnend, dürfte dieser Abfluß eiskalten Wassers als zunächst ganz schmales Band sich dicht am Eisabbruch halten und je weiter nach Westen immer mehr an Volum wachsen, um zuletzt in den gewaltigen Tiefen des „Indisch- Atlantischen Südpolarbeckens" und in der Weddellsee zu münden. Umgekehrt müßte der warme, auf den Eisrand hin setzende Tiefenstrom der Mittelschichten^), auch seinerseits nach links abgelenkt, also in diesem Falle nach Osten hin, an Volum zunehmen, was bedeuten würde, daß die warme Mittelschicht im Pazifischen Ozean eine größere Mächtigkeit erhielte als im Indischen und daß sie in den ostpazifischen Längen am stärksten entwickelt wäre. Leider haben wir aus den hohen pazifischen Breiten nur allzu wenig Tiefseebeobachtungen; nur in der Nähe von xVlexanderland und zur Drakestraße hin sind wir wieder etwas besser unterrichtet. Diese östlichsten Teile kennen wir nun in der Tat als die relativ wärmsten der subantarktischen Zone. Da nun aber hier das antarktische Land bis 62° S. B. hinauf reicht, wird dieser warme Tiefenstrom in die Drakestraße gelenkt, wo er, mit den durch die Südspitze Amerikas nach Süden abgedrängten Teilen der Westwindtrift vereinigt, in den Südatlantischen Ozean gelangt, und zwar nunmehr in wesentlich nordöstlicher Richtung weiterströmend. Auf diese Weise wird der Weddell- see und der südlichen Bouvetregion der warme Tiefenstrom sozusagen vorenthalten und damit ein weiterer Grund für das auffällige Wärme- defizit dieser Region erkennbar. Wie man sieht, ist wesentlich die eigen- artige Konfiguration des antarktischen Landes und der ihm vorgelagerten Meerestiefen von entscheidendem Einfluß auf die Wasserbewegungeii der mittleren und Bodenschichten. Es ist nur aufrichtig zu bedauern, daß wir zur Zeit nicht an Beobachtungen prüfen können, wie weit die vor- getragene Hypothese der Kritik standhält. Eine zweite Bemerkung mag sich der niedrigen Temperatur der an der kahfornischen Küste aufquellenden Gewässer zuwenden: diese hat man ganz zu Unrecht mit Tiefenströmen antarktischer Herkunft in Be- ziehung gesetzt. S. E. B i s h o p 2) meint, daß der Bodenstrom von Süden kommend durch die Erdrotation gegen die amerikanische Küste gedrängt werden müsse und, da das Durchflußprofil mit zunehmender geographischer Breite immer kleiner werde, soll sich der Strom an der kalifornischen Küste so stauen, daß das Tiefenwasser nur nach oben hin 1) Man vgl. dazu i^d. I, S. 435 und 437, Fig. 63. 2) Science 1904, Bd. 20, p. 338 und Ann. d. Hydr. 1904, S. 485, Das Ostchinesische und das Japanische Randmeer. 721 ausweichen könne. Zunächst sieht man nicht ein, weshalb dann das Wärme- defizit sich auf die Breiten zwischen 23 ° und 48 ° N. beschränken und nicht in den höheren Breiten noch intensiver entfalten soll. Sodanp zeigen die Karten von Schott und Schu, daß dieses relative Wärmedefizit schon bei 400 m sehr gering und bei 600 m ganz geschwunden ist, während nach Bishops Theorie diese aufquellende Bewegung die ganze Wassermasse bis zum Boden hin beherrschen müßte. Eine andere von R. S. Hol- w a y ^) vertretene Meinung, wonach ebenfalls die gesamten Wasser- massen, aber diesmal aus dem Nordwesten (aus Maurys Deep oder dem östlichen Teil des Aleutengrabens) her kommen und sich am amerikanischen Festlande aufstauen sollen, erledigt sich in der gleichen Weise. Die vorher (S. 706) dargelegten Auf trieb Vorgänge erklären diese niedrigen Küsten- temperaturen hinreichend. Unter den pazifischen Nebenmeeren zeigt zunächst das Ost- chinesische Randmeer eine enge Anlehnung an die Strömungen des benachbarten Ozeans schon insofern, als der Kuroschio eine längere Strecke innerhalb dieses Nebenmeöres selbst durchmißt 2), um darin dann nach seiner Teilung vor der Vandiemenstraße einen breiten Arm nordwärts zu entsenden. Auch dieser teilt sich wieder vor der Koreastraße, wobei ein Zweig in die Japansee, ein anderer bei Quelpart vorüber an der West- küste Koreas nach Norden weiter geht. Im Gelben Meer scheint zu allen Jahreszeiten der uns genugsam bekannte Typus nordhemispharischer Nebenmeerströmungen maßgebend zu sein, also ein Umlauf entgegen dem Uhrzeiger. Besonders im Winter befördert der alsdann kräftige Nordostmonsun südlich von der Yangtscmündung einen nach Südwesten entlang der chinesischen Küste setzenden kalten Strom, der aus dem ganzen Westteil des Gelben Meers, auch an Schantung vorüber, Wasser nach Süden hin aspiriert. Doch scheint auch der Koreastrom nicht selten Wasser aus Westen anzuziehen, so daß dann schon nordwärts von 31 ° N. B. ein voller Kreislauf in Gang kommt. Im Golf von Petschih sind durch- gehende, vom Winde unabhängige Strömungen nicht bekannt. — Im Sommer, wo ein Südostwind das Meer beherrscht, setzt nicht nur der Kuroschio von Formosa auf Kiusiu zu, sondern Nordstrom herrscht von der Formosastraße an entlang der chinesischen Küste nach Quelpart und Korea hin. Im Gelben Meer findet dann anscheinend die gleiche Zirkulation statt wie im Winter, also Südstrom an der Küste von Schan- tung imd den südlich sich daranschUeßenden Bänken. Nach der Theorie soUte sich der gewaltige Erguß der sommerlichen Hochflut aus dem Yangtse rechts abschwenkend an der Küste von Tschekiang bemerkbar machen; Makaroff^) fand sie aber nur bis zum Tschusanarchipel, allerdings im April vor der Sommerflut ; vielleicht wird diese im Hochsommer nach Osten hin fortgerissen. Da wir keine Salzgehaltsmessungen aus den Som- mermonaten haben und die Temperaturkarten*) für diesen Zweck nicht ^) University of California Publications. Geol. Dept. Bd. 4, Nr. 13; Pet. Mitt. 1906, Literaturbericht 624. *) Vgl. G. S c h o 1 1 in Ann. d. Hydr. 1900, S. 431 f. und Taf. 12. ") Le Vitiaz usw. I, p. 171, Taf. 24. Vgl. oben Bd. I, 364. *) Y. W a d a im Bull. Centr. Met. Observ. of Japan, Tokio 1904, Nr. 1 und G. S 0 h o 1 1, Aus dem Archiv der Seewarte 1891, Bd. 14, Nr. 3. Krttmm.el, Ozeftnographie. II. 46 722 -Di*^ Strömungen des pazifischen Gebiets. genügen, muß die Frage offen bleiben. Im seichten Küstengebiet des Nordens und vor den reichgegliederten Buchten des südlichen China kommt es übrigens in allen Jahreszeiten zu Neerströmen, und sind im übri- gen die Gezeitenströmungen vorherrschend. — Für das Japanische Eandmeer hat schon Leop. v. Schrenck^) die Vorgänge im wesentlichen zutreffend dargestellt, wie die sorgfältigeren eigenen Untersuchungen Makaroffs^) ergeben haben. Der durch die 100 bis 140 m tiefe Koreastraße südlich von Tsuschima eintretende Ast des Kuroschio, von Schrenck als Tsuschimastrom bezeichnet, bewegt sich an der Westküste der Japanischen Inseln entlang nordostwärts, sendet wiederum Zweige seines warmen und salzreichen Wassers zunächst in die Tsugarustraße, sodann weiter nördlich auch in die Laperousestraße nach Osten hinaus, biegt dann mit dem Rest in den sogenannten Tatarischen Golf ein, wo er sich mit dem von Norden her kommenden, die asiatische Seite haltenden Gegenstrom verbindet, der bei Schrenck den etwas un- geschickt gewählten Namen des Limanstroms trägt, weil er aus dem Amur- liman herauskommen soll. In der Tat ist dieser entlang der Festlandseite nach Süden hin bis zur Ostküste Koreas deutlich erkennbare Strom durch seinen geringeren Salzgehalt und seine niedrigeren Temperaturen ein aus- gesprochener Gegensatz gegen den Tsuschimastrom. Die Rechtsanlehnung ans Land und der Umlauf entgegen dem Uhrzeiger sind wiederum typisch für dieses Stromsystem, das so, wie beschrieben, wesentlich für die wärmere Jahreszeit erwiesen ist. Wie die Dinge im hier sehr unwirtlichen Winter liegen, wo die asiatische Seite des Meeres mit Eis weithin besetzt ist, läßt sich zur Zeit nicht genauer sagen. Da im Sommer südliche Winde über dem Japanischen Meer durchaus vorherrschen, wenn auch meist mit sehr geringer Stärke, läuft an der Festlandseite der Südstrom gegen den Wind auf: es ist ein typischer Dichtestrom, dessen Salzgehalt im nördlichsten Teil unter 29, bis 46° N. B. unter 31, bis Wladiwostok unter 33.5 beträgt und erst bei 37 ° N. B. über 34 Promille ansteigt, wobei ein ausgesprochener Dichtegradient seewärts bestehen bleibt. Der Tsuschimastrom hat da- gegen von der Korea- bis zur Tsugarustraße stets etwa 33 Promille und kommt erst nördlich von der Laperousestraße unter diesen Wert, ist aber bemerkenswerterweise mit seiner absoluten Dichte *S^o von 1.0240 bis 1.0244 etwas leichter als der kalte Strom an der asiatischen Seite, der über 1.0245 zu bleiben scheint. Bei der Geringfügigkeit dieser Dichte- unterschiede genügen die vorliegenden aräometrischen Beobachtungen aber noch nicht zu einer präziseren Darstellung. Der in die Tsugarustraße einbiegende Stromzweig entfaltet oft eine große Kraft in der Mitte der Straße, während an den Küsten Gezeiten - ströme überwiegen; sobald das warme Wasser jedoch den Ozean erreicht, mischt es sich in der kalten Jahreszeit mit dem kühleren an der Küste südwärts setzenden Oyaschio, vereinigt sich aber im Sommer wieder mit der Hauptmasse des Kuroschio. So kommt es, daß auf der Reede von Hakodade zur Zeit der Südostwinde warmes, der Nordwestwinde kaltes j^) M6m. Acad. Petersb. 7'"« serie, tome 21, Nr. 3 (1874). *) Le Yitiaz usw. I, p. 279. Dazu Ergänzungen von Koltschak in Sapi' " po Hidrografii 1899, Bd. 20, p. 95. Auch S. M. S. „Deutschland" in Ann. d. Ha- 1.8'J9, S. 526. Das Ochotskische und Beringmeer. 723 Wasser gefunden wird. — Ungleicli verwickeitere Vorgänge beherrsclien nach den genaueren Untersuchungen von Makaroff die Laperouse- straße ^). Im allgemeinen hält sich hier der warme aus Westen konmiende Strom mit 17° bis 18° an der Südseite, wahrend die Nordseite beim Kap CrilUon und von da über den Gefahrfelsen (russisch Kamjen Opastnostji) nach Südosten sehr kaltes Wasser (unter 10°) aufweist, das aber wohl mehr durch die starken Gezeiten als durch den Meeresstrom in die Höhe „ge- pflügt" wird (vgl. Bd. I, S. 477). Auch am Kap Aniwa, der südöstlichsten Spitze von Sachalin, findet sich ein ähnlicher Band kalten Wassers im Hochsommer. — Die Strömungen des Ochotski sehen Meeres sind von Schrenck nicht durchweg richtig aufgefaßt worden, wie Makaroff gezeigt hat. Zutreffend hatte Schrenck erkannt, daß sich im Sommer das Treibeis mit seinen Schmelz- und Landwassern aus der Gischiga- und Penschinbai an der Küste entlang nach Westen bewegt, wo es in der Schantarbuclit in eine Art Wirbel gerät, in dessen Mitte sich die den Walen zur Nahrung dienenden Planktontiere anhäuften und damit auch die Wale selbst früher reichlich zu finden waren. Von hier wendet der Strom sich nach der Nordspitze von Sachalin und an der Ostküste dieser Insel nach Süden. Die aus dem Amur sich ergießenden, im Sommer warmen Gewässer würden, wenn sie, wie Makaroff meinte, wesentlich in den Ochotskischen Golf gingen, die Ansammlung von Eis an der Südseite der Schantarbucht und namentlich im Sachalingolf sicherlich verhindern; diese Amurfliiten drängen aber auch offenbar nach Süden in den sogenannten Tatarischen Golf. Die erwähnte rechts ans Land gelehnte Strömung der Nord- und Westseite des Ochotskischen Meers läßt einen Zufluß in ihrem Rücken an der Kamtschatkaseite nach Norden erwarten; so fand es auch in der Tat Makaroff. Nach Schrenck dagegen sollte hier das Wasser nach Süden in Bewegung sein und damit vom Typus der nordhemisphärischen Neben- meere eine auffallende Ausnahme liefern. Es ist aber für den Sommer die gebirgige Westseite Kamtschatkas regenreich genug, um an den Küsten eine Hebung der Dichtigkeitsfläche und Strom nach Norden zu bewirken ^). Dem scheint auch die Anordnung der Isothermen im August zu entsprechen, indem sie sich an der Westküste Kamtschatkas nach Norden hin ausbuchten, während in der Mitte des Ochotskischen Meeres kälteres Wasser liegt ^). — Wie wir von diesem Randmeer nur einige Kenntnisse von den Zuständen im Sommer haben, so vermögen wir auch über die Strömungen der Beringsee uns nur ein Urteil für die warme Jahreszeit zu bilden. Das Luftdruckminimum über der südlichen Beringsee und den Aleuten würde entlang der amerikanischen Küste dieses Randmeeres südliche bis östliche, an der asiatischen nördliche Windrichtungen verlangen. Dom ^) Le Vitiaz I, 281 und 287; neuere Beobachtungen aus doni Tnhre 1895 V,(^«r,T■.■r>»^t er in den Iswestija der K. Russ. Geogr. Ges. 1896, Bd. 32, S. 201 ; danach Ann. il. Hydr. 1897, S. 261 und Proc. R. S. Edinb. 1897-99, Bd. 22, p. 391. Vgl. aud^ die Temperaturen im Bericht von S. M. S. „Deuts ihland" vom August 1898 in Ann. d. Hydr. 1899, S. 324. *) Vgl. Makaroff, Vitiaz, Taf. 4 una 6, Isopykne 1.0245. ') Vgl. den Atlas des Stillen Ozeaps (der Seewarte) für August Taf. 8,, we,st>i lieh nach Makaroff, a. n. o. T^f 7, 724 I^iß Strömungen des pazifischen Gebiets. würde denn auch sehr wohl die Tatsache entsprechen, daß L ü t k e an der Ostküste des Tschuktschenlandes bis nach Kamtschatka hin südliche Stromversetzungen durchaus vorherrschend fand. Südlich von 50° B. aber war der Strom nach Krusenstern (1805) östlich (entlang 160° 0. L.), wie solches alles auch Heinrich Berghaus auf seiner Karte verzeichnet. Wenn seitdem aber allgemein ein warmer Strom unter dem Namen des Kamtschatkastroms gerade entgegengesetzt durch die Westhälfte dieses Gebiets hindurch nach Nordosten bis in die Bering- straße geführt wird, so beruht derselbe anscheinend auf den Temperatur- messungen von Du Petit-Thouars^) bei seinem Aufenthalte im Peterpaulshafen und der Awatschabai. Eine so abgeschlossene flache Bucht wird in dieser Breite (sie entspricht derjenigen von Bremen) sehr leicht im Sommer so warmes Oberflächenwasser zeigen können, wie die Venusexpedition fand (11° bis 12°); das Wasser im freien Meer nahe der Küste war denn auch um 2° bis 3° kälter. Diesen angeblichen Zweig des Kuroschio hat darum W. H. D a 1 1 2) auf Grund seiner eingehenden Untersuchungen mit Kecht als apokryph bezeichnen können. Er fand als Hauptströmung der Beringsee eine sehr langsame Bewegung des kalten Wassers nach Süden, die immer in der Tiefe vorhanden ist, wenn die er- wärmten Oberschichten im Sommer auch wohl gelegentlich nach Norden treiben ; indes tragt Dali Bedenken, eine so langsame und unbeständige Bewegung der Bezeichnung als Strom zu würdigen. Die Winde und im flachen Wasser die Gezeiten, daneben aber auch, so setzen wir mit P. Hoffmann hinzu, die Flußwasser der amerikanischen Küste, be- herrschen die jeweilig angetroffenen Strom Versetzungen. Insbesondere weiß man voii den Sommerfluten des Yukon, daß sie an der Küste ent- lang nach Norden setzen. Auch in der Beringstraße ist nach den lang- jährigen Beobachtungen von Kapitän Fr. Hegemann^) im Sommer und im Herbst Nordstrom vorhanden, der namentlich an der Ostseite stark und beständig durchhält, selbst gegen Nordwinde mit 3 bis 4 See- meilen stündhch. Im ganzen und großen scheint also auch die Bering- see sich dem zyklonalen Strömsystem der nordhemisphärischen Neben- meere einzuordnen. — Über die Strömungen im kleinsten der pazifischen Nebennieere, im Golf von Kalifornien ist nur wenig bekannt, was über die Ge- zeiten Wirkungen (oben S. 409) hinausginge*). Es scheint aber, als wenn in der kühlen Jahreszeit die dann herrschenden Nordwestwinde den Ober- flächenstrom nach Süden trieben, während im Sommer der monsunartig entgegengesetzt wehende Südostwind die Oberschichten in den Golf hinein- dränge, so daß sich dort außerordentlich hohe Oberflächentemperaturen (von 30° und mehr) entwickeln. Nach einer Bemerkung des deutschen Kapitäns C. G r i e s geht dann aber in der Tiefe von 50 m der Strom wieder nach Süden, wie sich beim Loten ergab; ob das der rückkehrende Staustrom oder ein Dichtestrom ist, bleibt zunächst unaufgeklärt. — 1) Voyage de la V6nu8 X, 250 ff. >) Pet. Mitt. 1881, S. 372; auch U. S. CJoast Survey Report for 1880. ») Deutsche Geogr. Blätter 1895, Bd. 18, S. 121. -*) Vgl. dazu Thorade, Ann. d. Hydr. 1909, S. 24 f., auch oben S. 707. Rückblick. 725 Rückblick, — Nachdem wir so den Weg durch die irdischen Meere nehmend ein Bild ihrer Strömungen zu zeichnen versucht haben, können wir zum Abschluß nicht umhin, ganz allgemein zu betonen, daß hier noch große Lücken unserer Kenntnis auszufüllen bleiben. Doch sind diese Lücken nicht in allen Gebieten gleicher Art, vielmehr bestehen be- merkenswerte Verschiedenheiten in den örtlichen Anforderungen, die wir an künftige Stromforschungen zu stellen haben. In den schon heute besser untersuchten heimischen Meeren wird man sich künftig nicht mehr mit einer statistischen Zusammenstellung von mehr oder weniger zahl- reichen Strom Versetzungen und Flaschentriften begnügen, während gerade solche in den entlegeneren Meeren, zumal außerhalb der frequenten See- wege noch recht dringend erwünscht sind, sondern wir erwarten jetzt eine sehr subtile Darlegung der von Ort zu Ort vielleicht verschiedenen Strom- richtungen nicht nur in, ihren periodischen Schwankungen, sondern auch in ihren wahrscheinlich sehr wirksamen und verbreiteteli wirbelartigen Ab- wändlungen, für die sich auch schon in den großen Äquatorialströmen der Tropen und in ihren Abflüssen polwärts sehr auffallende Anzeichen auf- getan haben. Besondere Rücksicht wird die künftige Forschung darauf zu nehmen haben, wie die verschiedenen Konstituenten gegen- und zu- einander abzuwägen sind. Unsere Untersuchung erwies, daß in der vor- dersten Reihe die Windimpulse stehen, deren Wirkung in den offenen Ozeanen, zumal in den niederen Breiten, ganz offenkundig hervortrat. Hier in den Tropen, im Bereiche der stetig wehenden Passate, treffen wir allein auf beständig große Stromstärkea mit oft mehr als 50 Sm. im Etmal mitten in der Hochsee, nicht nur in den Abfluß- oder Stau- strömen an den Küsten, wo sie sogar das doppelte Maß noch über- schreiten können; dagegen sind Stromversetzungen von mehr als 50 Sm. in den offenen Meeren der höheren Breiten fast gar nicht und auch an den Küsten nur selten cder vorübergehend zu verzeichnen. Die Dichteunterschiede mit ihren Druckgefällen erscheinen dagegen wieder mehr in den höheren Breiten, besonders im Bereiche der Neben- meere von wesentlicher Bedeutung. Daher ist es nicht zu verwundern, daß die skandinavischen Ozeanographen dieser Konstituente ein so großes Gewicht beizulegen sich gewöhnt haben. Außerordentlich wichtig erweist sich überall das Eingreifen der Erdrotation, die im Verein mit der Kon- figuration der Becken das geographische Bild der Strömungen entscheidend zurecht rückt und insbesondere in den Nebenmeeren der Anlaß für die typische Wiederkehr einer zyklonalen Oberflächenzirkulation wird. Um diese Effekte in vollem Umfange hervortreten zu lassen, wolle man sich einmal vorstellen, die Erde drehe sich nicht von Westen nach Osten, son- dern umgekehrt. Ceteris faribus gingen die Folgen doch unzweifelhaft dahin, daß die beiden großen Äquatorialströme der Passatzone nach Osten gerichtet wären, die Triften der hohen Breiten polwärts von 40° B. aber nach Westen. Eine solche Umkehrung der jetzigen Bewegungen hätte dann weiter die Folge, daß nicht mehr die Westküsten Europas und Nord- amerikas in den höheren Breiten eine thermische Begünstigung genössen, sondern im Gegenteil in den Bereich eisstarrender Ströme aus den Polar- räumen kämen, wobei dann unsere Ostsee die Merkmale einer europäischen Hudsonbai annähme. Dafür aber erlangte dann Neufundland die Stel- 726 Rückblick. hing der wintergrünen Ifisel Irland und Labrador samt Westgrönland die Stellung Norwegens, wie im pazifischen Gebiet Kamtschatka und der Ochotskische Golf großbritannische Merkmale in ihrem ganzen klimatischen Charakter und' ihrer Siedlungsfähigkeit annehmen würden. Wenn irgend etwas also für die moderne Gesittung bedeutsam ist, so kommt das dem Eingreifen der Erdrotation in die Bewegung der irdischen Gewässer zu. Wenn schon die Oberflächenströmungen meist nur durch die Methoden wissenschaftlich verschärfter Beobachtung und Analyse zu erschließen sind, häufen sich die Schw^ierigkeiten, sobald man die Vorgänge in den Tiefenschichten ins Auge faßt. Hier bleibt für die Untersuchung oft genug nur ein umständliches und unsicheres Verfahren mit Indizienbeweisen übrig, da man diesen in der Regel überaus langsamen Bewegungen sonst gar nicht beikommen kann. Noch weniger wissen wir von säkularen Änderungen periodischer oder unregelmäßiger Art, auf deren Eingreifen uns das Verhalten der Meeresorganismen hier und da hinweist, wie denn beispielsweise das un vorherzusehende, fast launenhafte Zu- und Abströmen gewaltiger Fischmassen an und von gewissen Küsten uns derartige Zu- sammenhänge ahnen läßt. Schon deutlicher erkannten wir die wirtschaftlichen Folgen der Schwankungen, die von Jahr zu Jahr der Wärmeinhalt der aus dem Ozean an die iiordeuropäischen Küsten gelangenden atlantischen Gewässer er- leidet, so daß nicht nur der Klimatologe, sondern auch der Staatsmann an diesen meereskundlichen Problemen nicht mehr achtlos vorbeigehen kann. Die Wirkungen der transportierenden Tätigkeit der Meeresströme fesseln seit lange schon den Botaniker und Zoologen, indem nicht nur die Verbreitung der Planktonten im Meer, insbesondere in ihrer Funktion als Fischnahrung, sondern auch gewisse Möglichkeiten des Austausches von Tier- und Pflanzenformen des Landes mit Hilfe von Triften und wiederholten Verschleppungen in gleicher Richtung ganz ernstlich in Frage kommen. Für den Geographen tritt außerdem noch das besondere Problem hervor, wie weit die Meeresströmungen imstande sind, an der Umformung der Küstengestalt teilzunehmen und sich so der von Wind und Wellen ab- hängigen Strand vertriftung und den Gezeitenströmen zur Seite zu stellen. Wir wollen zum Schlüsse noch auf diese Vorgänge einen kurzen Blick tun, ohne aber auf die darauf bezügliche weitschichtige Literatur^) näher ein- zugehen, was mehr in eine Morphologie der Erdoberfläche gehören würde. Mit den eigentlichen Küsten kommen die ozeanischen Meeresströme nur selten in unmittelbare Berührung, ohne daß die Brandungs- und Ge- zeitenströme sie verdecken. Wir müssen uns daher zunächst an solche Stellen begeben, wo diese Störungen nicht vorliegen, und dürfen erwarten, in gewissen engen, gezeitenlosen .Mt^eresstraßen, wie im Bosporus, am ehesten Bedingungen zu finden, wie sie ähnlich sich dem fließenden Wasser in Flußtälern des Landes darbieten. In der Tat sind dort gewisse An- zeichen dafür vorhanden , daß die Breite dieser Straße seit dem Alter- tum gewachsen ist. Wenn auch der Angabe des Herodot (4, 85), daß 1) Diese hat A. C i a 1 d i in seinem Sammelwerke Sul Moto ondoso del Mare e SU le Corrente di esso specialmente su quelle Littorali für die Zeit vor 1866, und Alfr, R ü h 1 in den Veröffentlichungen des Instituts für Meereskunde, Heft 8, JBerlin 1908, für die neuere Zeit in größter Vollständigkeit zusammengestellt. Erosion durch Meeresströmungen. 727 die Stelle, wo Darius seine Brücke bauen ließ, vier Stadien oder 740 m breit gewesen sei, während heute 1000 m gefunden werden, keine sonder- liche Bedeutung beizumessen ist, so ist doch nicht zu bestreiten, daß eine Anzahl der den Alten bekannten Felsklippen und Inselchen zuletzt ganz verschwunden oder zu vom Wasser bedeckten Bänken zusammenge- schrumpft sind^). Wir wissen, daß der Oberflächenstrom stark genug ist, um an den Vorgebirgen die Bootsführer zum Treideln ans Land zu nötigen (oben S. 628), und daß auch der Bodenstrom nach MakarofEs Messungen 56 cm p. S. erlangen kann. Daß dieses flußartig gewundene Tal der Erosion durch den Meeresstrom in besonderem Grade unterworfen ist, kann danach kaum bezweifelt werden. Anders liegen die Dinge schon bei den viel breiteren Dardanellen, deren alte Uferformen wir auch nicht aus ähnUch genauen Beschreibungen mit den heutigen vergleichen können. Auch auf Strabos Schätzung, wonach die Breite bei Abydos 7 Stadien oder 1320 m gewesen sei, während wir heute 1500 m haben, ist wohl kein Gre- wicht zu legen. — ■ Die anderen etwa sonst noch in Betracht kommenden Meeresstraßen sind sämtlich sehr viel breiter, und überdies dem Gezeiten- strom unterworfen, wie die Straßen von Gibraltar, Bab-öl-Mandeb oder gar Dover. Der öresund und die Belte sind auf etwaige in historischer Zeit erfolgte Änderungen ihrer Umrisse noch nicht untersucht; doch hat bemerkenswerterweise die im Großen Belt liegende dreieckige Insel Sprogö Abbruchufer, die sich quer gegen die herrschenden Stromrichtungen legen. Bei Strömungen in diesen Meeresstraßen handelt es sich um Ge- schwindigkeiten, die wohl 2 m p. S. erreichen können, was bei den eigent- lich ozeanischen Strömungen nur sehr selten und nur in den obersten Schichten der Fall ist ^). Solche Ströme werden daher nur dort, wo sie sich über mäßige Meerestiefen hin bewegen, Bodensedimente forttragen, wie das vom Pourtalesplateau zu berichten war ^). Doch haben wir auch Tiefen- ströme von bemerkenswerter Räumungskraft kennen gelernt, wie auf dem Wyville-Thomson-Rücken (S. 496). Überhaupt sollte man erwarten, daß ein sorgfältiges Studium der Schelfablagerungen die richtige Beurteilung dieser Fähigkeit der Meeresströmungen, insbesondere nach rechnerischer Ausschaltung der Gezeitenströme Stärke und Richtung des Reststroms und damit seine Räumungsfähigkeit und Transportrichtung festzulegen gestatten werde. Wir haben früher (oben S. 112) darauf hingewiesen, daß durch Stürme das Wasser der seichten Meere, wie der Nordsee und der Neufundlandbank, bis zum Boden hin aufgerührt wird; wenn diese Stürme eine Trift erregen, so wird sicherlich der mitgerissene Sand nicht an seinem alten Platze wieder zur Ruhe kommen. Feinere Trübe aber bleibt längere Zeit im Wasser schwebend und kann infolgedessen weite Wege durchmessen, bis die Teilchen in Rinnen oder Mulden von größerer Tiefe gelangen, wo sie kaum wieder gestört werden. Der eigentümlich ^) Vgl. schon Bd. I, S. 49, Anm. 1. Es sind die Skironischen Felsen am Ein- gange des Goldenen Horns; die Bacchischen Felsen wahrscheinlich bei Kurutschesme oder auch südlich von Therapia bei Kalender; die Thermastis nördlich von Therapia bei Kiretsch Bumu; und auf der asiatischen Seite die Blabe zwischen Körfes und Anadöli Hissar, die wahrscheinlich noch in Resten von Pierre Gilles 1545 gesehen wurde. 2) Vgl. oben S. 575 den Floridastrom, S. 670 den ostafrikanischen und Agulhas» Strom, S. 704 den Kuroschio. ^) Vgl. auch Bd. I, S. 177 die Straßen zwischen den Kleinen Antillen. 728 Rückblick. lockere;, weil von Ton befreite Zustand des Seesandes hängt damit zu- sammen; ebenso auch die mit den Jahreszeiten wechselnde Durchsichtig- keit und Farbe der seichteren Meeresteile (s. Bd. I, S. 265). Wenn Alfred R ü 1; 1 den Meeresströmen eine größere Räumungsfähigkeit zuschreibt als der Strandvertriftung, weil sowohl an der venezianischen Wie pro- venzalischen Küste die Zeit stärkster Sedimentförderung der Gebirgsflüsse mit Winden zusammenfällt, die eine dem herrschenden Meeresstrom entgegengesetzte Strandvertriftung ins Werk setzen müßten, während die Sande dennoch in der Richtung des Meeresstroms wandern, so scheint er übersehen zu haben, daß die starke Zufuhr und die definitive Verfrachtung der Flußgeschiebe und Sedimente nicht notwendig zu gleicher Zeit statt- zufinden brauchen ; die Winterstürme an den genannten Küsten haben Kraft genug, die im Sommer vor den Flußmündungen angehäuften Ge- schiebe wieder, aufzurühren und mit ihrer raschen, wfeim auch kurzen Trift leewärts davonzutragen, Strandvertriftung und Meeresstrom können sich also im Endergebnis sehr gut in die Hände gearbeitet haben. Des weiteren kommt dazu, daß die ablandige Komponente vieler den Küsten parallel verlaufender Meeresströme in ihren Unterschichten (der Soog) alles von den Wellen am Boden gelockerte und schwebfähige Sediment seewärts verschleppt, wenn sich dies auch in den meisten Fällen auf feine Tonteilchen oder organische Verwesungsreste beschränkt, die, wie wir wissen, in unserer Ostsee alle tieferen Mulden erfüllen und auch auf dem Neuenglandschelf von der Hudsonfurche zu erwähnen waren (Bd. I, S. 165). Ebenso ist uns bekannt, wie vor tropischen Küsten die eisenschüssigen Lateritlehme von den Flußmündungen her bis in die Tiefsee hinaus ver- frachtet werden und dort die hemipelagischen Ablagerungen rot färben helfen (Bd. I, S. 174). Es gab einst eine Zeit, wo die abtragenden Leistungen der Meeres- strömungen ins Kolossale übertrieben wurden. Schon Kolumbus sprach in einem Briefe an die kastilischen Majestäten den Gedanken aus, daß die Menge der Inseln im Antillenmeer und ihre gleichartige Gestalt mit einer vorherrschenden Längenerstreckung von Ost nach West dem Eingriff der Meeresströmungen zuzuschreiben sei, wie auch die Abtrennung der Insel Trinidad dem gewaltigen Strom im Drachenschlund, und Alexander V. Humboldt ^) fand diese Ansicht „den Grundsätzen der positiven Geo- logie angemessen". Unter den heutigen Geologen dürfte indes wohl keiner gefunden werden, der dieses Urteil unterschriebe. Anderseits darf man auch den Meeresströmungen nicht jede Fähigkeit in dieser Hinsicht ab- streiten: neben den Gezeitenströmen, die wohl im ganzen genommen die stärksten sind, und neben der Strandvertriftung erfüllen sie ihre be- scheidenen Aufgaben auch im Transport von Sedimenten in der gleichen Stille, aber auch unaufhaltsamen Beharrlichkeit, wie ihre sonstigen Funk- tionen etwa in der thermischen Regulierung der Klimate oder im Austausch von Planktonten durch das ganze Weltmeer hin, also zwar ganz ina ver- borgenen, aber doch im Endergebnis mit beachtenswertem Erfolge. 1) Kritische Unters. Bd. II, S. 75 f. Alphabetisches Namen- und Sachregister. A. Aarhus: harmonische Konstanten II. 361. Abercromby, Ralph : Messung der Wellenhöhen mit Aneroid II. 37, 41 f., 51. Abiki II. 184. Ablenkungswinkel der Erdrotation II. 465. Abrasion II. 119. Absorptionsspektrum des Seewassers I. 271 (Fig. 40).. Abtrift der Schiffe II. 419. Abuschehr: harmonische Konstanten II. 384. Abyssisches Gebiet I. 148; ab. Sedi- mente I. 192 ff. Acapulcograben I. 116, 126. Ackermann, Carl: Begriff des Zwischenmeers I. 27. Adelaide: harmonische Konstanten II. 378. Aden: Wa&serstände I. 62; harmonische Konstanten II. 378. Aden, Golf von: Tiefen I. 122; Salz- gehalt darin I. 342; Strömungen Ili 667. Adeney, W. E. : über Diffusions- geschwindigkeit des atmosphärischen Stickstoffs in Seewasser I. 299. Adlergrund-Feuerschiff : Beobachtungen über die ablenkende Kraft der Erd- rotation IL 452, 464. Adolph -Tuscarorabank I. 98. Adriatischer Golf: Tiefen I. 133; Salz- gehalt I. 355 ; Temperaturschichtung I. 463; Gezeiten II. 371 (Fig. 101); Strömungen II. 626. Advektion, nach J. Hann II. 479. Agäisches Meer: Tiefen I. 134; Salzgehalt I. 355; Temperaturschichtung I. 465; Gezeiten II. 365, 370; Strömungen II. 626. Ägir, Meergott I. 12; als Flutbrandung IL 300; als Agger im Helder IL 344. Äquatorialg^genströme: allgemein IL 414; im Atlantischen Ozean IL 560 f.; im Indischen Ozean IL 666; im Pazifi- schen IL 698 f. Äquatorialrücken (im Atlant. O.) I. 118; reich an Seebeben IL 134 (Fig. 37). Äquatorialströme: allgemein IL 414; atlantische IL 548 ff. ; indische IL 666 ff.; pazifische IL 692 f. Agassiz, Alexander: Lotungen im Nordpazifischen Ozean I. 91; Nomen- klatur der pazif. Bodenbildungen I. 103, 123; Oolithe I. 164 (Fig. 24); pazif. Bodenablagerungeh I. 191. 194; Temperaturschichtung des Amerikani- schen Mittelmeers I. 457; des Kali- fornischen Randmeers I. 492; über deü Floridastrom IL 575. Agger (Gezeitenform) IL 344. Agulhasschelf I. 113. Agulhasstrom IL 672 f. A i m e, G. : Lot I. 72 ; Sauerstoffgehalt des Meerwassers I. 296; Tiefseethermo- meter I. 376; über Bodenwärme des Meeres I. 379; Verhältnis der Wasser- und Lufttemperatur I. 387; Vor- dringen der Wärme in die Tiefe I. 388 u. 417f.; Temperaturschichtung des Mittelmeers I. 460; Orbitalbewegung der Wellen in der Tiefe IL 30; stehende Wellen IL 178; über Gleichgewichts- theorie der Gezeiten IL 228; Erfinder des Stromweisers IL 424 (Fig. 110); würdigt den Windstau IL 532, 535; Flaschenpostversuch im Mittelmeer n. 622. A 1 r y, G. B. : über Wellenbewegung IL 4; Orbitalbahnen in seichtem Wasser IL 13 (Fig. 6); Entstehung der Wellen IL 63; Wirkung der Wassertiefe auf die Wellenhöhe IL 106 ; über Brandung IL 109; stehende Wellen IL 175; Kanaltheorie der Gezeiten IL 234; Gezeiten in Courtown IL 247; Kom- binationstiden IL 248; deutet die Ge- zeitenströme als Orbitalbewegung IL 272; Flutbrandung im Severn II. 299; Gezeiten des bischen Kanals IL 337. 730 Register. Akaba, Golf von: Temperaturen I. 475; Gezeiten II. 382. A k e r b 1 o m, F. : Temperaturschich- tung im Europäischen Nordmeer I. 443; Flaschenposten II. 593; Strö- mungen im Nordmeer II. 652, 654. Akkeschi: harmonische Konstanten II. 399, 401. Aktische Region I. 148. Akustische Dichte des Meerwassers I. 289. Akyab: harmonische Konstanten II. 378. Alaminos, Francesco de: Entdecker des Floridastroms II. 574. Aid rieh, Pelham: Strommessungen auf den Gründen vor dem Kanal II. 307 f. Aleutengraben I. 116, 125. Alexabank I. 98. Alkalinität des Meerwassers I. 303; Definition I. 304. A 1 1 i u g h a m, W. : Dislokationswogen II. 135. Alter der Gezeit II. 2P6. Aluminium im Meerwasser I. 217. A m a g a t, E. H. : über Zusammen- drückung des Wassers I. 284. Amazonenstrom: Uferbrüche mit Dislo- kationswellen II. 136; Flutgrenze II. 287; Flutbrandung II. 300 f. Amboina: harmonische Konstanten II. 393. Amerikanisches Mittelmeer I. 24 u. 50; Gliederungswerte I. 32; Bodenrelief I. 130; mittl. Tiefe u. Areal I. 144; Bodenablagerungen I. 176; Salzgehalt I. 329 u. 357; Temperaturschichtung I. 457 f., 495; Gezeiten II. 332 f.; Strömungen II. 554, 583. A m m o n, v. , Kpt. : Dislokationswogen an der Küste von Colombia II. 142. Ammoniak im Meerwasser I. 319. Amoy: harmonische Konstanten II. 393. Amphidromie (der Flutstundenlinien) II. 257 (Fig. 71). Amplitude der Gezeitenwellen in der harmonischen Analyse II. 260. Amundsen, R.: winterliche Abküh- lung des Nordmeers II. 495. Amur-Liman: Gezeiten II. 408. Ancylussee I. 35, 111. Andamanisches Randmeer: Begriff I. 25, 60; Gliederungswerte I. 32; Tiefe I. 137 u. 144; Areal I. 144; Salzgehalt I. 358; Temperaturen I. 479, 495; Ge- zeiten II. 375; Strömungen II. 666 f. Anderson, Tempest: über Disloka- tionswogen an der zentralamerikani- schen Küste II. 141. Andrau: Strömungen im südwest- lichen Indischen Ozean II. 678. Andries, P.: Sprungwelle IL 299. Anegada: Hafenzeit II. 305, 309. Angel in i, S. : über Durchsichtigkeit des Seewassers I. 254. Anotherm I. 419. Anohalin I. 334. Antarktischer Ozean: Begriff I. 18; Temperaturschichtung I. 435; Eis- verhältnisse I. 511, 523. Antillenströmung II. 559 f. Antizyklonale Stromsysteme II. 487, 542. A n t o i n e: Beziehung zwischen Wellen- energie u. Windstärke II. 71; zwischen Wind und Wellenlänge II. 76. A n t z e, G. : über die Triftphänomene im Nordatlantischen Ozean II. 588. Apia: harmonische Konstanten II. 399, 403. A p s t e i n, K. : über Plankton u. Durch- sichtigkeit des Meeres I. 265; Wellen- bilder II. 57. Arabisches Meer I. 21 ; hoher Salzgehalt I. 331 u. 342; hohe Temperatur I. 411; Gezeiten II. 375; Strömungen II. 666 f., 684. Arafuraschelf I. 113. Aragonit I. 209. Aräometer I. 229 f. A r a g o, Fr. : verbessert die Tiefsee- thermometer I. 371 ; über unperiodische Temperaturschwankungen I. 496; über Wellenhöhen II. 49; polare Abkunft des Bodenwassers II. 490; lehnt Triftströme ab II. 521. ArQtowski, H.: Tiefen der Kap- Horn-Straße I. 128; Struktur des ant- arktischen Meereises 1. 502, 511. Arendal: harmonische Konstanten II. 358. A r e n d s, Friedr. : über Sturmfluten II. 535. Argentinisches Becken I. 119; Boden- temperatur I. 432. Argon im Meerwasser I. 292. Argument der Gezeitenwellen in der harmonischen Analyse II. 260. Arkona: Gezeiten II. 360 (Fig. 98). Arkonabecken: . Tiefe I. 136; Dichte- verteilung II. 547 (Fig. 164). Arktischer Ozean: Begriff I. 18. Arktisches Mittelmeer: Begriff I. 24 u. 50; Gliederungswerte I. 32; Tiefenverhält- nisse I. 128; mittl. Tiefe u. Areal I. 144; Durchsichtigkeit I. 257; Salzgehalt I. 329 u. 345 f.; Temperaturschichtung I. 440 f., 495 ; Eisverhältnisse I. 509 ff. ; Gezeiten II. 323 ff.; Strömungen 11.^ 648«. Arldt, Th.: über Greens Tetraeder- theorie I. 213. Arrhenius, Svante: über harmo- nische Analyse II. 266. Register. 731 Arsen im Meerwasser I. 217. Ascension: Roller II. 115; Hafenzeit II. 305, 312. Aschenborn, Rieh. : beobachtet die Durchsichtigkeit des Seewassers I. 254; über die angebliche wellenhebende Kraft des Nebels II. 103. Aschkinass, E. : Absorption des Lichts im Wasser I. 271. Ascidien II. 112. AsowschesMeer: Salzgehalt I. 356; Tem- peraturen I. 468; starker Windstau II. 534. Astaria: harmonische Konstanten II. 399. Atakamagraben I. 116, 128. Atlantischer Ozean: Begriff I; 18; Name I. 19; Gliederungswerte I. 32; Boden- relief I. 117 f.; mittl. Tiefe u. Areal I. 144; Bodensedimente I. 205; Durch- sichtigkeit I. 257; Farbe I. 269; Alka- liriität I. 309; Salzgehalt I. 328 u. 338 f. ; Oberflächentemperatur I. 399 u. 401 ; Temperaturschichtung I. 422 ff. ; Bodentemperaturen I. 431 f. ; mittl. Temperatur I. 495; Wellenmaße II. 40, 43, 52; Seebeben II. 133 f.; Dis- lokationswogen II. 140; Gezeiten II. 304 ff.; Bodenströme II. 480; Ober- flächenströmungenll.548 ; Tiefenströme II. 613. Atlantischer Strom: im Europäischen Nordmeer II. 648 f. A u f 8 e ß, 0. V. : Farbe u. Durchsichtig- keit der Seen I. 255ni. 259; Absorption des Lichts im Wasser I. 271. Auftriebwasser, kaltes II. 533 f. Auleitsivikfjord, starker Gezeitenstrom II. 284. Ausfall des Florida- od. Golfstroms II. ö77. Ausgewachsene See II. 64. Außenbusen I. 27. Außenschelfe I. 105. Australasiatisches Mittelmeer: Begriff I. 25 u. 50; Gliederungswerte I. 32; Bodenrelief I. 130; mittl. Tiefe u. Areal I. 144; Bodenablagerungen L 173; Salzgehalt I. 333 u. 359; abnormes Verhältnis der Wasser- u. Lufttempe- raturen I. 388; Temperaturschichtung L 456 ff., 495; Gezeiten II. 384 ff.; Strömungen IL 689 f. Azorbank L 98. Azoren: Gezeiten IL 317. Azorenplateau I. 117. Älandtiefe I. 136. B. Bache, A. D. : Ableitung der Meeres- tiefen aus der Geschwindigkeit der Explosionswogen II. 162. Bachmann, M. : Schlammröhre I. 153. Bab-el-Mandeb: Strömungen IL 507, 686 f. B a e r, Karl Ernst v. : über Windstau im Asowschen Meer IL 536. Bäreninselstrom IL 658. Bäuphe, der stehenden Wellen IL 157. B a i 1 e y, J. W. : Tief seeablagerungen L 182; Diatomeenschlamm I. 191. Bakterien, nitrifizierende und denitri- fizierende I. 298, 320 ff. Balearisches Becken: Tiefen I. 132; Ge- zeiten IL 364; Strömungen IL 619, 622. Balfourkuppe I. 98. Balik Papan: harmonische Konstanten IL 392. Balmoralriff I. 98. Baltimore: harmonische Konstanten IL 316. Baltischer Strom: Salzgehalt I. 349; Stärke u. Periode IL 638 f. Baltisches Mittelmeer = Ostsee I. 24. Banda. harmonische Konstanten IL 393. Bandabecken: Tiefen I. 131; Boden- sedimente I. 173; Temperatur Schich- tung I. 457. Banjuwangi: harmonische Konstanten IL 378. Bankwasser (im Skagerrak) I. 350; IL 194. Bar (Druckmaß) I. 287. Bär = Baare, Welle IL 172; = Flut- brandung IL 299. Barbados: Kalkformation I. 211; Hafen- zeit IL 305, 310. Baren tsmeer: Name I. 21; Temperatur- schichtung I. 446; Strömungen IL 657 f. Barentsschelf I. 113. Barfleur: Gezeiten IL 345 (Fig. 96). Baros (Sumatra): harmonische Kon- stanten IL 378. Barre: Wcille IL 176, 203; Flutbrandung IL 299. Barren an Flußmündungen, Entstehung IL 131. B d r 1 1 e 1 1, J. R. : über Strömungen in Westindien IL 664; über den Florida- strom 11. 675, 579. Baryum im Meerwasser I. 217. B a s c h i tt, O. : über Entstehung der Wellen IL 61. Baßstraße = Tasmanisches Randmeer I. 26 u. 61 ; Gliederungswerte I. 32; Areal u. mittl. Tiefe I. 144; Temperaturen I. 493 u. 495; Gezeiten IL 382 (s. Melboiurne); Strömung IL 676. Bastardi = Neerströme in der Straße von Messina IL 370. 732 Register. B a t e s, H. W. : Dislokationswogen im Amazonenstrom II. 136; Flutgrenze da- selbst II. 287. Bathybius I. 154. Batjan: harmonische Konstanten II. 393. B a u r, E. : über Stickstoff entbindende Bakterien I. 298. Bawean-I. : harmonische Konstanten II. 392. Bazin: experimentelle Nachahmung der Flutbrandung II. 303. Beaufortsee: Name I. 21. Beaufortskala für die Windstärke II. 70. Becher, A. B. : entwirft die erste Flaschenpostkarte II. 436. Becken I. 101. B e e c h e y, F. W. : Gezeitenströme des Englischen Kanals II. 346. Beechey I. (Barrowstr.): harmonische Konstanten II. 326. B e h r e n s, T. H. : über Bodensedimente der Nordsee und Ostsee I. 167. B e 1 c h e r, Sir Edw. : übei Sturzseen II. 104; Strömungen im amerikanischen Nordmeer II. 662; japanische Wrack- trift nach Oahu II. 705. Belle-Isle- Straße: Hafenzeiten II. 330; Strömungen II. 664. Belte: Entstehung I. 48 u. 111; Strom- typus II. 506 f. Beltsee: Tiefen I. 135; Salzgehalt I. 350; Temperaturen I. 473; stehende Wellen IL 168; Gezeiten II. 359 f.; Strö- mungen II. 640 f. B e n f e y : Etymologie des Wortes Ozean I. 12. Bengalen, Golf von: Tiefen I. 122; Dis- lokationswogen II. 145 f. ; Gezeiten II. 375. Benguelastrom II. 611 f. B e r a r d, Kapt. : beobachtet die Durch- sichtigkeit des Meeres I. 254. Bergen: harmonische Konstanten II. 326. Berghaus, Heinrich: Böschung des westeuropäischen Schelf rands I. 99; über Isorhachien n. 233; über Meeres- strömungen II. 416; über atlantische Äquatorialströme II. 548, Brasilien- u. Falklandstrom 607, den paizifischen Nordäquatorialstrom 692, den Japani- schen Strom 702, die nordpazifische Westwiridtrift 704, den Peiiianischen Strom 716. Berghaus, liermann: Isothermen- karten I. 398; Karte der südpazifischen Dislokationswog^n II. 153; Karten der Meeresströmungeti II. 417; insbes. vom Guineastron^ 560; von den süd- pazifischen Strömungen 710, 713. Bergschlipfe, submarine I. 179; IL 132 ff. Beringmeer: ein Randmeer I. 26 u. 60; Gliederungswerte I. 32; Tiefe I. 136; Areal I. 144; Salzgehalt I. 332 u. 360; Temperaturen I. 476, 495; Eisverhält- nisse I. 517; Gezeiten II. 408; Strö- mungen II. 723. Beringschelf I. 113. Beringstraße: Gezeiten II. 409. Bermudas: Hafenzeit IL 309. Bernoulli, Daniel: Theorie der Ge- zeiten IL 208 ; Vorausberechnung der- selben IL 271. Berryman, Lieutn, : Tiefseelotungen L 71 u. 72. B e r t i n, L. E. : über Wellenbewegung IL 4; Formeln IL 6; Beziehung der Wellenmaße untereinander IL 10; über Wellen in seichtem Wasser IL 15, 16; Messungei^ derselben IL 25, 44; Abtragung des Sandstrands durch die Brandungswellen IL 121. B e r t o 1 o 1 y, E. : über Wellenfurchen IL 196. Beschleunigung der Schwere I. 286. B e s s e 1 s, Emil: Temperaturen im Kennedykanal I. 454. Besteck IL 418. Bidlingmaier, F.: ziu- Theorie der Gezeiten IL 210. Biloculina I. 173. Bima: harmonische Konstanten IL 393. Bimssteine, treibende I. 167, 181, 198; Lösefähigkeit im Seewasser I. 196; im Indischen Ozean IL 671 ; im Pazifischen IL 697. Binnenbarre (bei Gezeitenstiömen) IL 286. Binnenbusen I. 27. Binnenmeer I. 28 f. Binnenschelfe I. 105. Binodale Schwingung IL 164 f. Birmaschelf I. 113. B i s h o p, S. E. : Tiefenströme im Pazifischen Ozean IL 720. Biskayaschelf: Steilabfall gegen den Ozean I. 100 (Fig. 18); Gesteine des- selben L 179, IL 595; Gezeiten IL 317. B j e r k n e s, V. : das Bar als Druckmaß des Wassers I. 287; Berechnung der Zirkulation IL 499 ff. Björn (Feuerschiff): harmonische Kon- stanten IL 361. B lag den, Charles: Temperaturmes- sungen im Floridastrom I. 372; thermo- metrical navigation IL 438. Blakeplateau I. 188. Blaue Farbe des Meerwassers I. 276. Blaueis I. 525. Blazek, G.: Theorie der Meeres- strömungen IL 446. Blei im Meerwasser I. 217. Blocklager I. 161. Begister. 733 Blutmeer I. 277. Boar: bei den Orkney-Inseln II. 105, 172; in Plymouth II. 176. Boas, Franz : über Eisberge der Cum- berlandbai I. 520. Bodenablagerungen I. 152 ff. Bodenrelief: Großformen I. 101. Bodenstrom: in W. Ekmans Theorie II. 528 f. Bodentemperaturen der Ozeane I. 431 f. Bodentreibflaschen II. 640. Bodländer, G.: Niederschlag von Trübe in Elektrolyten I. 166. Bodo: harmonische Konstanten II. 326. B ö g g i 1 d, O. B. : Klassifikation der Bodensediment« I. 158; über Kreide I. 210. Borgen, Carl: über Wellen in seichtem Wasser II. 14; Beziehungen zwischen Wind und Wellen II. 73 f.; Flut- stundenlinien II. 233; über die Kanal- theorie der Gezeiten II. 234 f. ; über Interferenzen der Gezeitenwellen II. 240; gegen Erklärung der Gezeiten als stehende Wellen II. 251 f. ; har- monische Analyse der Gezeiten IL 260 f. ; über Gezeitenströme II. 274, 279 f. ; Gezeiten im Irischen Kanal II. 337 ; im Englischen Kanal II. 339, 347 ; im Indischen Ozean II. 373, Böschungswinkel, kritischer, des Meeres- bodens I. 89 f.; mittlerer I. 92. B o g u s 1 a w 8 k i, G. v. : über einen besonderen Südozean I. 17; Tem- peraturen des amerikanischen Nord- meers I. 453; Querschnitte des Florida- stroms IL 578 (Fig. 167, 168). Bolinao: harmonische Konstanten IL 393. Bombay: harmonische Konstanten IL 378. Bombay-schelf I. 113. Bonerate: harmonische Konstanten IL 392. Boningräben I. 116. Boninschw'elle I. 123. Bonthain: harmonische Konstanten IL 392. Boompjes I.: harmonische Konstanten IL 392. Bor im Meerwasser I. 216. Bore (Welle) IL 172; im Flußgeschwelle IL 290, 299 ff. Borkumriff, Brandung daselbst IL 111. Borneo-Java- Schelf L 113. Bosporus 1. 48; Eisverhältnisse I. 518; Strömungen IL 506, 6281; Ver- änderungen seit dem Altertum IL 727. Boston: harmonische Konstanten IL 316. Bottnischer Golf: Salzgehalt 1. 351; Tem- peraturen L 470 f.; Gezeiten IL 360; Strömungen IL 646. Bottom trailors IL 640. B o u r g o i s, Admiral: Wellendämpfung durch Plankton IL 98. B o u r k e, Kpt. : kaltes Küsten wasser an der Gold- u. Sklavenküste IL 568. Boussinesq: Theorie der Wellen- bewegung IL 5; Wellen in seichtem Wasser II. 18; Aufzehrung der Wellen- energie IL 90. Bouvetregion: Temperaturschichtung I. 4351.; Stromvorgänge IL 682, 720. B o V e, G. : Temperaturbeobachtungen auf der Vega-Expedition I. 449. Boys, Paul du : Berechnung stehender Wellen IL 160. Brackwasser, Definition I. 330. Brandt, Karl: Sinkfähigkeit der Kalk- gehäuse I. 186; osmotischer Druck des Seewassers I. 242; über Stickstoff- bakterien I. 298 ; Reichtum der marinen Pflanzenwelt in der kalten ZoneJ. 318; Nitrite u. Nitrate im Meer wasser I. 320 ff. Brandung IL 108 ff. Brasilianisches Becken I. 119; Salzgehalt u. Temperatur der Tiefen I. 341 (Fig. 45); am Boden I. 432. Brasilienstrom IL 560 u. 604. Braun, G. : über Windstau im Frischen Haff IL 536. Brauns, Reinhardt: Verbreitung vul- kanischen Staubs I. 198. B r e i t f u ß, L. L. : über Strömungen des Barentsmeers IL 657. B r e n n e c k e, Wilh. : Salzgehalt in den Tiefen des Indischen Ozeans I. 342; Eisverhältnisse im Nordrneer- gebiet 1. 516 (Fig. 69); Tiefenströme im Atlantischen Ozean IL 616, 618; Ausstrcm des Mittelmeerwassers in den Golf von Biskaya IL 616; Auf- triebwasser bei Mauritius IL 672; über den Agulhasstrom IL 674, über die südindische Westwindtrift 679, über Tiefenströme, im Indischen Ozean 683, im Südpazifischeu Ozean 718. Brest: harmonische Konstanten IL 316. B r e u s i n g, A. : Etymologie des Wortes Gezeiten II. 198; über Flußgeschwelle IL 203; Flutbrandung in der Leda IL 299; Koppeltafeln IL 421. Bristolgolf: Kartenfiiveau I. 67; Gezei- ten II, 337. Britanniakuppe L 98. Britischer Schelf: Böschungen I. 99; Bänke I. 108 (Fig. 19); Areal I. 113. Britisches Randmeer: Begriff I. 25 u. 61; Gliederungswerte I. 32; Areal u. mittl. Tiefe I. 144, Salzgehalt I. 348; Tem- peraturen I. 489, 495; Gezeiten IL 336 f.; Strömungen IL 632 f. 734 Register. Brom im Meerwasser I. 216. Brooke, J. M.: Tiefseelot I. 72; nordpazifische Bodenproben I. 191. Broun, J. A.: über Verdunstung des Seewassers in Trivandrum I. 248. B 3r o w n, Bob. : über olivgrünes Wasser des Polarmeers I. 277. Brownson, Kpt. : lotet die größte Tiefe des Atlantischen Ozeans 1. 120. Bruce, W. S. : Lotungen im Süd- atlantischen Ozean I. 128; Strö- mungen in den hohen Südbreiten II. 682. Brückner, Eduard: Niveau des Schwarzen Meers I. 55; wärme- ausgleichende Wirkung der Wellen I. 381; über Verdunstung auf dem Meer I. 393. B u a c h e, Philippe: würdigt den Begriff der Landhalbkugel I. 15; erste Iso- bathenkarte I. 70; charpente du globe I. 96. B u c h a n, Alexander: tägliche Periode der Oberflächentemperatur I. 382; Isothermenkarten I. 398. Buchanan, John Y. : Entstehung der Schelfe I. 107; Kongofurche L 112; Schlammröhre I. 153; IBodensedimente des Balearenbeckens I. 177; über Manganabscheidungen I. 201; Aräo- meter I. 230; Zusammendrückung des Seewassers I. 284; Gasanalysen von Meerwasser I. 294, 303; Wasserschöpf - apparat I. 325 (Fig. 42); Salzgehalt- bestimmungen der Challenger-Expedi- tion I. 335; Ausfluß des Mittelmeer- wassers in den Nordatlantischen Ozean I. 338 ; Wirkung des Regenfalls auf den Salzgehalt I. 365; über Bodenwärme dös Meeres I. 379; Boden temperatur der Südafrikanischen Mulde I. 433; Wellenperioden der Roller in Ascension II. 90; Gezeitenströme auf ozeanischen Kuppen II. 285 (Daciabank 307); be- obachtet Tiefenströme am atlan- tischen Äquator II. 552; über den Salzgehalt des Guineastroms II. 564; Temperaturen an der marokkanischen Küste II. 591, im Golf von Panama II. 701, im Kalifornischen Strom II. 706. Buenos Aires: harmonische Konstanten IL 316. Bulungan: harmonische Konstanten IL 392. B u r a t, A. : Wandersände im Englischen Kanal IL 633. Busck: über stehende Wellen in dänischen Gewässern IL 171. Bjrfjord (bei Bergen): Strömungen IL 655. c. Cabotstraße: Hafenzeiten 11. 330; Strö- mungen IL 507, 664. Cabotstrom IL 600 f., 664. Cäsium im Meerwasser I. 217. Calanus finmarchicus: färbt das Meer rot I. 277; Vorkommen im Nordmeer IL 653. Calcit I. 209. Calcium im Meerwa.sser I. 217. Caligny: Übertragxmgswellen IL 23; Abtragung des Strandes durch die Brandungswellen IL 121. Callao: Gezeiten IL 395. Campecheschelf I. 113; Temperatur und Strom IL 559. Canaria (Gran): Hafenzeit IL 305. Cap-Breton, la fosse du I. 112. Cape-Ray- Strom IL 664. Carpenter, Will. B. : Ausflöß des Mittelmeerwassers in den Ozean I. 339; Temperaturschichtung des Mittelmeers I. 460; über Vertikalzirkulation IL 492; über Windstau IL 538. C a s e 1 1 a, L. : Thermometer L 375. C a s t e n s, Gerh. : Berechnung der Wind- richtung u. -stärke aus Isobarenkarten IL 545; Erklärung der atlantischen Äquatorialströme IL 572. C^ti Island: harmonische Konstanten IL 333. Cayenne: Hafenzeit IL 305; harmonische Konstanten IL 316. Caymangraben I. 116, 130. Cebu: harmonische Konstanten IL 393. Cedar Keys: harmonische Konstanten IL 333. Celebesbecken I. 131 ; Temperatur Schich- tung I. 456. Challenger, Fregatte: Tieflotungen I. 73. Challengerrücken 1. 102. C h a 1 m e r s, Rob. : Gezeiten der Fundy- bai IL 318. Cherbourg: harmonische Konstanten IL 349. C h e v a 1 1 i e r, A. : Salzgehalt u. Dich- tigkeit des Meerwassers I. 228; Wärme- kapazität des Meerwassers I. 279; Berechnung von Druckgefällen IL 485. Chilenüsch-Peruanisches Becken I. 127- Chinabeiiken = Chinasee I. 130; Tem- peraturschichtung 1. 456; Gezeiten IL 385; Meeresströme IL 541, 690 f. Chlor im Meerwasser I. 216; Chlor- konstante I. 221, 222, 236. Chlormagnesium im Meerwasser I. 218. Chlornatrium im Meerwasser I. 218. Chondrite, im roten Ton I. 199. Christchurch: Gezeitenkurve IL 344 (Fig. 94). Register. 735 Christianiaf jord : Temperaturschichtung I. 487. Chromophyll, freies, im Meerwasser I. 278. C h r y 8 t a 1: über Berechnung stehender Wellen II. 161. C h ü d e n, Kpt.: Wellenmessungen 11.49. Chun, Carl: Leiter der deutschen Tiefseeexpedition I. 79; Diatomeen- schlamm I. 190 (Fig. 31); antarktische Eisberge I. 520; Wellenbilder II. 32. C i a 1 d i, A. : beobachtet die Durch- sichtigkeit des Meeres I. 254; über Meereswcllen II.5 ; Messungen derselben II. 44, 50; über Brandung II. 111; Transportkraft der Meeresströmungen II. 726. Clayoquot: harmonische Konstanten II. 399, 400. Clou 6, G., Admiral: Wellendämpfung durch Fischzüge II. 98; Ölflecke im Golf von Mexiko II. 102. Clydefjord: Temperaturen I. 491. Coccolithophora I. 184 (Fig. 29). Cochin: harmonische Konstanten II. 378. Cohen, E. : über kohlensauren Kalk im Meer I. 319. C o 1 d i n g, A. : über Windstau II. 532 f. Cold Wall des Florida- oder Golfstroms II. 578. Colombo: harmonische Konstanten II. 378. Colon: harmonische Konstanten II. 333. Coloniakuppe I. 98. Combebank I. 98. C o m o y, M. : über Gezeitenströme II. 274; Flußgeseh welle II. 287 ff. Compressibilität des Meerwassers I. 284. Concarneau: Gezeitenströme II. 277 (Fig. 76). Concepcionbank I. 98. Copepoden: färben das Meer rot I. 277 f. ; Verbreitung im norwegischen Nord- meer II. 653. Cornish, Vaughan: über Wellen- gruppen II. 55; Beziehung zwischen Windstärke und Wellenhöhe II. 74; lange Wellenperioden II. 92; über Wanderwellen II. 128; über Wellen- furchen II. 196; Flutbrandung im Severn II. 299. Correnti (Tierströme) I. 278; II. 527. Corvo: Hafenzeit II. 305. Cotidal Jines II. 233. Coudiacfluß: Riesentiden II. 319. Coupvent des Bois, Kpt. : über Wellenhöhcn II. 53; Beziehungen der Wellen zum Winde II. 69 f. Courtown: Gezeiten 11. 247, 337 f. ('rantz, David: über grönländische Treibhölzer II, 660. C r e d n e r, Rud. : über den Seebär II. 172 f. C r o 1 1, J. : über Vertikalzirkulation II. 491. C r o n a n d e r, F. L. : Stromunter- suchungen in Flußmündungen und Meeresstraßen II. 478; Strömungen der Beltsee II. 641. C r o n e, C. : Gezeiten der dänischen Gewässer II. 359. Crozetschwelle I. 120. Culebra: harmonische Konstanten II. 333. Cumberlandbai: Eisverhältnisse I. 520; Gezeiten II. 328. C u 8 a n u s, Nicolaus: Tieflot I. 81. D. Daciabank I. 98; Ströme II. 307. D a h 1, F. : Salzgehalt des Indischen Ozeans I. 331; Gezeitenstrom der Unterelbe II. 286; Salzwasser darin II. 298. Dakar: harmonische Konstanten II. 316. Dali, H. W. : Strömungen der Bering- see II. 724. D a m a s, D. : Plankton des Europäischen Nordmeers II. 653. Dammer: harmonische Konstanten II. 393. Dampfdruck des Meerwassers I. 238; Berechnung I. 242. Dana, James D. : über Permanenz der Ozeane I. 212. D a n 0 k e 1 m a n, A. v. : Temperaturen des Benguelastroms II. 611. Dardanellen: Erosion I. 49; Strömungen II. 627. Darwin, Charles: über das Flußwasser des Laplata I. 363; das kalte Wasser bei den Galäpagos- Inseln I. 411, II. 695; Wellendämpfung durch Tang- massen 11. 98; über Macrocystis im Falklandstrom II. 608. Darwin, George H. : über Wellen- furchen II. 197; über die Gleich- gewichtstheorie der Gezeiten II. 210, 227; Darstelhmg der täelichen Un- gleichheit II 222 (P'ig. 62^; Tiden der Erdkruste II. 227; harmonische Ana- lyse der Gezeiten II. 260 f. D a u s 8 y, P.: Wirkung des Luftdrucks auf das Meoresniveau I. Ol; über Seebeben 11. 133; über die Bedeutung der FlasclienpoKt 67); Temperatur- schichtung I. 42kff.; Bodentempera- turen I. 431; mittl. Temperatur L 496; Wellenmaße IL 40, 52; Dislokations- wogen IL 145 f.; Gezeiten IL 373; Bodenströme IL 480; Strömungen II. 666 f. Individuelle Temperaturschwankung I. 414. Ingolf, dän. Dampfer I. 79. Ingressionsmeere I. 41. Ingressionsstraßen I. 48. I n g V a r s o n, F. : über Treibhölzer im Europäischen Nordmeer IL 65Ö, 661. Inhambane: Gezeiten IL 373. Insulosität I. 32. Interferenzen: von Windwellen IL 46; von Gezeitenwellen IL 239 ff., 280 ff. (als Ursache von Drehströmen). Interkontinentale Mittelmeere I. 25. Interne Wellen IL 185 ff. Intrakontinentale Mittelmeere I. 25. Iquique: Erdbeben mit Dislokations- wogen IL i44; Gezeiten IL 395. Irischer Kanal: Temperaturen I. 490; Gezeiten IL 335 (Fig. 92); Strömungen iL 632. Irischer Strom IL 592, 617. Irminger, Admiral: Strommessung im Antillenstrom IL 560; untersucht die Strömungen bei Island IL 596 f., 661. Irmingerstrom IL 692, 596 ff. I r V i n e, Rob. : Chemie der Boden- ablagerungen I. 180; Schwefelsäure- gehalt des Eisschmelzwassers I. 506. Irving, Dr. : Temperaturmessungen (1772) L 370. Isabellabank L 98. Isachsen, G.: über Blaueis I. 625. Isanomalen der Oberflächentemperatur L 404 f. (Fig. 64). Isigny: Gezeiten IL 345 (Fig. 95). I s i t a n i, D. : über stehende Wellen II. 161 f., 184 f. Island-Färöer- Schelf I. 113. Isobaren im Meer IL 499. Isosteren iL 499. Isothermen, ihre Stellung zur Richtung der Meeresströme IL 439. Isothermobatheri I. 434. I s s e 1, Art. : Furchen vor der Riviera I. 112. Isthmia: harmonische Konstanten IL 372. J. J a c o b s e n, J. P. : bestimmt den Sauerstoffgehalt des Meerwassers I. 296; erfindet den Libellenstrommesser n. 430; mißt die Strömungen im Großen Belt IL 642. Jacobsen, Oskar: Gasanalyse von Meerwasser I. 294, 296 f., 303. Jahrestemperatureii, mittlere: Berech- nung derselben aus vier Monaten I. 401 f. Japangraben I. 116, 123. Japanisches Meer: ein Randmeer I. 26 u. 60; Gliederungswerte I. 32; Tiefe I. 137; Areal L 144; Salzgehalt I. 332 u. 369; Temperaturen I. 477 f., 496; Eisverhältnisse I. 518; Gezeiten IL 406; Strömungen IL 722. Japanischer Sti'om' IL 702. J a r z, K. : über Entstehung der Meeres- ströme IL 446. Javas 4<^« Punt (Sundastr.): harmonische Konstanten 11. 378. Jericoacoara: Hafenzeit I"^. 306, 309. 744 Register. Jod im Meerwasser I. 216. J o 1 y, J. : Natriumgehalt des Meeres I. 228. Josephinenbank I. 98. Jubafluß: Gezeiten II. 373. Jukes-Browne, A. J.: Entstehung der Nordsee I. 109; Tief seeton im Tertiär I. 211 f. E. Kl = Signatur der eintägigen Mond- Sonnentide II. 265. K» = Signatur der halbtägigen Sonnen- Mondtide II. 265. Kadiak: harmonische Konstanten II. 399, 401. Kältezunge, sogenannte: im atlantischen Südäquatorialstrom II. 554. 571. Kalema (Brandung) II. 114 f. Kalifornischer Strom II. 705 f. Kalifornisches Randmeer: Begriff I. 25 U.Öl; Gliederüngswerte I. 32; Tiefen I. 137; Areal I. 144; Salzgehalt I. 333; Temperaturen I. 492, 495; Gezeiten II. 409; Strömungen II. 724. Kalium im Meerwasser I. 217. Kaliumsulfat im Meerwasser I. 219. Kalk, kohlensaurer: Herkunft im Meer I. 159; Menge desselben im Meer I. 308 u. 319. Kalkschälen: Sinkfähigkeit in Seewasser I. 186; Lösefähigkeit in demselben I, 196. Kalkschlick I. 175. Kalter Wall des Florida- oder Golfstroms IL 578. Kainmlänge der Wellen II. 6. Kanjio: harmonische Konstanten II. 407. Kanaltheorie der Gezeiten II. 234 f. KÄnarienstrom II. 590 f. Kant, Immanuel: Größe des Weltmeers I. 11; über Wellengruppen II. 55; über ■ Entstehung der Meeresströme II. 445. Kap Agulhas: Gezeiten II. 373. Elap Cafiaveral: Hafenzeit II. 305, 309, Kap Finisterre: Hafenzeit II. 305. Klap Hörn: Grenzmeridian I. 18; Ge- zeiten II. 395; harmonische Kon- stanten II. 399. Kap-Horn- Strom II. 605 u. 713 f. Kapillarkonstante I. 281. Kapillarwellen: am Aräometer I. 231, 281; der Meeresoberfläche II. 1, 57, 59 f., 63 f., 65. Kap Lopez t Hafenzeit IL 305, 313. Kapmulde I. 119; Bodentemperatur I. 432. Kap Palmas: Hafenzeit IL 305, 313. Kappazahl (x) der Gezeitenwelle in der harmonischen Analyse IL 260, 264. lap Race: Hafenzeit IL 306. 309. Kap San Antonio: Hafenzeit IL 305. Kapstadt: harmonische Konstanten IL 316. Kap Verde: Hafenzeit IL 305. Kap Wrath: Hafenzeit IL 305. Karang Kleta: harmonische Konstanten IL 392. , Karatschi: harmonische Konstanten IL 378. Karibische Strömung IL 654. Karimon Djawa-L: harmonische Kon- stanten IL 392. Karisches Meer: Temperaturen I. 449; Strömungen IL 659. Karsten, Gustav: Beziehung zwischen Salzgehalt und Dichte I. 236, und elektrischer Leitfähigkeit des Meer- wassers I. 290. Karstens, Karl: berechnet die mitt- lere Tiefe der Ozeane I. 137. Kartenniveau, Begriff I. 66. Kasarisaki: harmonische Konstanten IL 399, 402. K a s s n e r, C. : Gezeiten von Finsch- hafen IL 402. Katotherm I. 419. Kattegat: Niveaustand I. 56; Tiefen I. 135; Salzgehalt I. 350; Temperaturen I. 469 f. ; Gezeiten IL 359; Strömungen IL 611, 640. Keigraben I. 116, 132. Keller, Herm. : Strömungen bei Mes- sina IL 371. K e 1 1 e 1 1, Kapt. : Strömungen im ameri- kanischen Nordmeer IL 662. Kelvin, Lord ( = Sir William Thom- son): Tieflotung verbessert I. 75; über kapillare Wellen IL 61; über Fort- pflanzung von Wellenzügen IL 90; Gezeitentheorie IL 226; Körperfluten der Erde IL 227; über Kombinations- tiden IL 248; Wirkung der Erdrotation auf die Gezeiten IL 258; harmonische Analyse der Gezeiten IL 260; Maschine dazu IL 270; Gezeiten bei der Isle of Wight IL 344; Gezeiten der Nordsee IL 354. Kema (Minahassa): harmonische Kon- stanten IL 393. Kentern des Gezeitenstroms IL 273. Kepler, Job. : Theorie der „großen Westströmung" IL 443. Kerbenbusen I. 46. Kerguelen: harmonische, Konstanten IL 378. Kerguelenschwelle I. 120. K e r h a 1 1 e t, Kapt. : über den pazifi- schen Äquatorialgegenstrom IL 698; die südpazifische Westwindtrift IL 710. Kermadecgraben I. 85, 116, 126; Boden- temperatur I. 431. Register. 745 Kesselbruchmeere I. 41. Key West: harmonische Konstanten II. 333. Kieler Föhrde, Temperaturen I. 473; stehende Wellen II. 170; Gezeiten II. 359. Kieselsäure im Meerwasser I. 216, 323 f. Kieslager am Strande I. 162. King Georges Sound: Gezeiten II. 377, 381; harmonische Konstanten II. 378. Kingua (Cumberlandbai): harmonische Konstanten II. 3Ö8. Kippthermometer I. 376 (Fig. 51). Kirch er, Athanasius: über ossatura globi I. 96; über Meeresströmungen II. 416. K i r c h h o £ f , G. : über stehende Wellen IL 160. Klei (Schlick) I. 163. KlifE II. 129. Klippenbrandung II. 108 f. Knick (Schlick) I. 163. Knipowitsch, N. M.: Durchsichtig- keit des Seewassers der Murmansee I. 257; Salzgehalt derselben I. 347; Temperaturen derselben I. 448 f.; Meeresströmungen derselben II. 657 f. K n i p p i n g, E. : über die Westkante des Floridastroms II. 604. K n o o p, Kapt. : Messung von Seich t- "wasserwellen II. 27. Knoten, bei stehenden Wellen II. 157. Knudsen, Martin: Definition des Salzgehalts I. 222; Tabelle des spezifi- schen Gewichts I. 232/233; Formeln für die Änderung des spezifischen Ge-; wichts mit der Temperatur I. 234; mit dem Chlorgehalt I. 237; Formel für den Gefrierpunkt des Seewassers I. 240; elektrische Leitfähigkeit des Seewassers I. 290 u. 374; Gasgehalt desselben I. 294; Absorptionstempera- tur des Stickstoffs I. 297; Atmung der Fische und Pflanzen im Meerwasser I. 314; Salzgehaltbestimmung I. 327; Salzgehalt der Nordsee I. 350 (Fig. 47); Tempieraturen der Irmingersee I. 439; des Grönlandstroms I. 463; Tempera- turen des Kattegat I. 472; Beziehungen zwischen Stromgrenzen und Salz- gehalt IL 438; über die Knudseri- schen Relationen IL 509 f. ; Strom- erzeugimg durch Änderungen des Luft- drucks IL 517 f. ; Stromexperimente IL 684; Gewässer bei Island IL 597; Strömungen der Beltsee IL 641 ; des Nordmeers IL 662. Kobalt im Meerwasser I. 217. Kochsalz im Meerwasser I. 218. K o e f o e d, E. : Strömungen im Nord- meer IL 662. Koepang: harmonische Konstanten IL 378. Koppen, W. : Verhältnis der Wasser- zur Lufttemperatur I. 386; Verwand- lung der Beaufortskala in jn. p. S. IL 70; über Wellendämpfung durch öl und Seifenlösung IL 99; Wind- verhältnisse des Pazifischen Ozeans IL 695. K o h 1, J. G. : Einteilung der Meerbusen. L 30 f., 44 f.; Geschjöhte des Golf- stroms IL 575. Kohlensäure im Tiefenwasser I. 196 u. 313; im Meerwasser überhaupt I. 293, 303 ff., 311 ff.; Herkunft L 312 f. j Kreislauf I. 314. Kohlenwasserstoff im Bodenwasser des Meeres L 298. K o h 1 m a n n, R. : Strömungen in der Kieler Bucht IL 640. Kohlschütter, E.: photogram- metrische Wellenmessung iL 39, 47 (Fig. 17); Wellenentstehung IL 63. Kokinhenic: harmonische Konstanten IL 399, 401. K o 1 d e w e y, K. : über die atlantischen Äquatorialströme IL 550; insbesondere Guineastrom IL 560; über den an- geblichen Rennellstrom IL 595; über den Ostgrönlandstrom IL 660, 661. Kolumbus: über die „große West- strömung" IL 415; Hilfsmittel der Strombeobachtung IL 422; über Trif- ten im Nordatlantischen Ozean IL 690; Wirkung der Meeresströme auf die Ge- stalt der Antillen IL 728. Kombinationstiden IL 248. Kompensationsströme IL 469 ffl Kongo: Wasser im Ozean I. 363 (Fig. 49); Flutgrenze IL 287. Kongofurche I. 112. Konstituenten der Meeresströmungen II» 448 f. Kontinentalblock I. 148. Kontineritalsockel, Böschungen I. 99. Kontinentalstufe = Schelf 1. 104. Kontinentalwelle I. 62. Kontinuitätsbedingung bei Bewegimg von Wasserteilchen IL 469. Konvektion von Wärme I. 393. Konvektionsströme infolge von Dichte-^ unterschieden IL 479. Kopenhagen: harmonische Konstanten IL 361. Koppelrechnung IL 419, 421. Korallenbecken (pazif.) I. 127. Korallensand I. 163, 168. Korrosion in der Brandung II, 130. Korsör: harmonische Konstanten IL 361. Kotta Baru (Borneo): harmonische Kon- stanten IL 392. 746 Register. K o t z e b u e, 0. v. : beobachtet die Durchsichtigkeit des Meeres I. 253; mißt Tielseetemperaturen I. 371, II.; 718; über pazifische Meeresströmungen II. 693; japanische. Wracktriften nach Kalifornien IL 705. Krämer, Aug. : beobachtet die Meeres- farbe I. 268. Krakatau-Explosion, davon entstandene Wogen II. 147 S. Kranzmeere I. 27. Krebs, Wilh. : über Verdunstung I. 248; über Seebeben II. 133. Kreide I. 209 (Fig. 36). Kreidel, W.: Verlauf der Flutwellen in den Ozeanen II. 269, 306. K r o g h, August: über Kohlensäure und Alkalinität des Meörwassers I. 3051, 311 f.; Kreislauf der Kohlen- säure I. 314. Krug- Genthe, Martha: über Dar- stellimg der Meeresströmungen II. 439. K r u 8 e n s t e r n, A. J. v. : über den Japanischen Strom II. 702. Krustenniveau, mittleres I. 148. Kryohydrate I. 503. Küstensteom, = Strandvertriftung IL 126, Kupfer im Meerwasser I. 217; im Sedi- ment des Roten Meers I. 179. Kuppen, unterseeische I. 97 f. Kurisches HafE: stehende Wellen IL 172. Kuroschio IL , 703. Kyanometer (Farbenskala) I. 267. L. L = Signatur der kleineren halbtägigen '■ elliptischen Mondtide IL 265. L a a s, W. : photogrammetrische Wellen- messung IL 39, 45 (Kg. 14). Labradorstrom IL 598 fi. Labuan: harmonische Konstanten IL . 393. liänge der Wellen IL 5; in tiefem Wasser IL 9; in seichtemWasser IL 16; Messung derselben IL 34; verringert durch ab- nehmende Wassertiefe . IL 105. Längsbruflhstraßen I. 49. Längsstraßen I. 47. Lagrange, J. L.: über ^ Wellen in seichtem Wasser IL 16; Ableitung der lAgrangeschen Formel IL 160 (Fig. 38). Lalla-Rookh-Bank I. 98. Lallemand, Charles: M6dimar6mÄtre L 64. L a m b, Horace: Aufzehrung der Wellen- energie IL 91; Gruppengeschwindig- keit der Wellenzüge IL 97; Wirkung des Öls auf die Wellendämpfung 13. 101;, über interne Wellen IL 186; über die dynamische Theorie der Gezeiten IL 230; Landferne, mittlere I. 32. I^ndblock I. 147. Landhalbkugel I. 14. Landpflanzen: im Meeressedimente I. 166; Triften in Meeresströmungen IL 433. Laperousestraße: Strömungen I. 477, II. 723. L a p 1 a c e, P. S. de: Beziehung zwischen Schalleitung und Zusammendrückung des Wassers I. 288; dynamische Theorie der Gezeiten IL 229 f. ; meteo- . rologische Gezeiten II. 249. Laplatamündung: Gezeiten IL 312. Laurentisches Randmeer I. 25 u. 51; Gliederungswerte I. 32; Tiefen I. 137; Areal I. 144; Salzgehalt I. 357; Tem- peraturen I. 491, 495; Gezeiten IL 328 f. (Fig. 91); Strömungen IL 664. Leaky, in Forth River IL 298. L e b a h n, Kapitänleutn., Kommandant des Vermessungsschiffs „Planet" I. 80. Lebedintzeff, Arsen: über Gas- - Umtausch abgeschlossener Wasser- . becken I. 300; Schwefelwasserstoff im Schwarzen Meer I. 300. L e b 1 a n c: Lotmaschine I. 77. Leitfähigkeit, thermische, des Meerwassera I. 280 u. 391; elektrische desselben I. 289 u. 374. L e n n i e r, G. : über früheren Gezeiten- hub in der Straße von Dover IL 286. Lentz, Hugo: über stehende Wellen im Helder IL 174; Gezeiten in Cux- haven u. Helgoland IL 208 (Fig. 53); tägliche Ungleichheit der Tiden II. 224; über Windstau IL 534. Lenz, Emil v.: Temperaturmessung I. 371; polare Abkunft des Tiefenwassers IL 491. Lenz, Oskar: Flutbrandung im Qua- quafluß IL 300. Leonardo da Vinci: über Wellen- bewegung IL 6; Umwandlimg der Wellön mit ihrem Alter IL 78. Lescarbot, Marc: über die Tem- peraturgegensätze des Labrador- und Florida;stroms I. 369. L i b b e y. Will. : über Schwankungen des Floridastroms IL 579, Lightning, Dampfer I. 73. Limnimeter IL 167. Linck, G.: über Oolithe L 164. L i n d e n k o h 1, A. : Salzgehalt des Amerikanischen Mittelmeers I. 329; des Nordpazifischen Ozeans I. 332 u. 344; Temperaturschichtung des Amerikani- schen Mittelmeers I. 467; des Bering- meers I. 476. Register. 747 Lipper (engl. = Kapillarwellen) II. 61. Lissabon: Dislokationswoge II. 140; harmonische Konstanten II. 316. Lithium im Meerwasser I. 217. Litorale Ablagerungen I. 156, 160 ff. ; Areal I. 205. Litorinasee I. 35 u. 111. Littlehal'es, G. W.: Theorie der Tiefseelotungen I. 85 j Kuppen I. Ö9. Liukiugraben I. 116. Liverpool: harmonische Konstanten IL 339. Liversidge, A.: über Gold im Meer- . Wasser I. 218. Loangobai: Hafenzeit II. 305. Löwenörn, Kapt. : Triften bei West- grönland II. 599, 651. L o h m a n n, H. : über Kokkolithen I. 184; feinstes Plankton I. 266; Strö- mungen der Straße von Messina IL 370. Londftwy Gezeiten IL 344; harmonische Konstanten IL 349. Londoner. Kommission für die Einteilung des Weltmeers I. 18. Long, Dr.: bestimmt 1742 zuerst das Areal des Weltmeers I. 11. Longitüdinale Wellen IL 1 ; bei Seebeben IL 132 f. Lopholatilus chamaeleonticeps IL 579. Lorenz, Joseph R. v. Liburnau : Farben- skala I. 267; Ausstrom dalmatinischer Flüsse in die Adria IL 584. Lotdraht I. 75. Lotleine I. 69 f. Lotungen I. 68 £E. L u b b o c k, John: Berechnung der Ge- zeiten IL 232. Lucas: Lotmaschine I. 78. Lüderitzbucht: Hafenzeit IL 305, 313, L ü t g e n 8, R. : über, die Westwindtrift im Indischen Ozean IL 679. L ü t k e, F. B. V. : Strömung bei Nowaja Semlja IL 659; im Beringmeer IL 724. Luftdruckschwankungen bewirken Ni- veaustörungen I. 60; desgleichen Strö- mungen IL 514 ff. Lufttemperatur: Verhalten zur Ober- flächentemperatur I. 386 f. L u k s c h, Jos. : beobachtet die Durch- sichtigkeit des Seewassers I. 254, 257; Salzgehalt des östl. Mittelmeers I. 354; des Roten Meers I. 357; über Ein- dringen der Wärme in . die tieferen Schichten des Meeres I. 390 u. 418; Temperaturschichtung des Mittel- meers I. 462; der Adria I. 463 f; des iloten Meers I. 474; Strömungen der Adria IL 626; des Roten Meers IL 686 f. M. Mj = Signatur der halbtägigen Haupt- mondtide IL 265. M a a ß, O. : Kalkschalen der Seetiere I. 319. Mach, Ernst: experimentelle Nach- ahmung der Gezeiten IL 213. Macrocystis pyrifera (Riesentang) I. 318, IL 433; im Falklandfetrom IL 608. Madagaskar, Strömungen um IL 476 (Fig. 130). Madras: harmonische Konstanten I. 878. Maerl I. 168. Magdalenabai: harmonisclie Konstanten IL 399. Magellanstraße: Gezeiten IL 312. Magnaghi, Kapt. : Kippthermometer I. 377; Strömung der Dardanellen IL 627. Magnesium im Meerwasser I. 217. Magnesiumsulfat im Meerwasser I. 218. Magnetberg IL 415. Magnetite, im roten Ton. L 199. M a g r i n i, G. P. : Gezeiten des Mittel- meers IL 363. Maistre, Graf X. de: Erfinder der Sichtscheiben I. 254. Maizuru: harmonische Konstanten IL 407. Majunga: harmonische Konstanten IL 378. M a k a r o f {, S. : Wasserschöpf apparat I. 325 u. 374; Salzgehalt der Tiefen des Arabischen Meers I. 342; des Nord- pazifischen O. I. 343 ; des Roten Meers I. 357; der ostasiatischen Randmeere I. 359 f. ; Temperaturschichtung des Nordpazifischen Ozeans I. 439; des Mittelländischen Meers I. 461, 465; des Roten Meers I. 474; der ost- asiatischen Randmeere I. 476 ff. ; Zu- sammensetzung des Eisschmelzwassers I. 505; Versuche über die physikali- schen Eigenschaftfen des Meereises I. 507, 513; Schmelzen desselben L 614; Areal der Waken im Treibeis I. 615; stehende Wellen in griechischen Gewässern IL 180; Gezeitenstrom der Lapörousestraße IL 286; Stromerschei- nnngen vor Flußmündungen IL 477; Strombebbachtungen im Bosporus IL 628 f; bei' Kronstadjb IL 646; im pazifischen Aquatorialgegenstrom IL 698; im Japanischen Strom IL 702; im Ostchinesischen Meer IL 721; im im Japanischen IL 722; im Ochotski- schen 723. Makassar: harmonische Konstanten IL 392. Makassarstraße: Tiefen I. 131. 748 Register. Malaguti: Silber im Meerwasser I. 216. Malakkastraße: Gezeiten II. 376; Strö- mungen II, 689. Malström II. 284. Malta: stehende Wellen II. 177; Gezeiten II. 365; harmonische Konstanten II. 372. Man, Isle of: hoher Tidenhub ohne Ge- zeitenstrom II. 283; Hafenzeit II. 336, Manganabscheidungen I. 54, 169, 186, 194, 217. Manganknollen im roten Ton I. 200. Manila: harmonische Konstanten II. 393. Manzanillograben I. 116. M a r c e t, Alex. : erste Analysen des Meerwassers I. 220. M a r c h i, L. de: Gezeiten des Mittel- meers II. 363. Mar del Norte I. 20. Mar del Sur I. 20. Maregraphe II. 206. Mar^y: über stehende Wellen II. 158 (Fig. 41). Marianengraben I. 115 (Fig. 20) u. 124. (Fig. 21). M a r i n e 1 1 i, O. : Geschichte der Strotn- beobachtungen im Mittelmeer II. 619; Flaschenpostversuche daselbst IL 622. M a r i n i, L. : Druck des Meerwassers I. 287; über Gezeitenpegel II. 208; Strömungen in der Straße von Messina II. 370. Marmormeer: Tiefen I. 134; Salzgehalt I. 366; Temperaturen I. 466. Marrubbio II. 178 f. Marseille: stehende Wellen II. 177; harmonische Konstanten II. 372. M a r s i g 1 i, Graf: Tiefenlotungen I. 69 ; erstes Tiefenprofil I. 70; über Durch- sichtigkeit des Meeres I. 253; über die Temperatur desselben I. 369; über Wellenhöhen im Mittelmeer IL 53; kennt den Tiefenstrom der Dardanellen IL 627; desgl. im Bosporus IL 628. Martin Vas: Hafenzeit IL 305. Martins, Friedr. v. : l^lutgrenze im Amazonenstrom IL 287; Flutbran- dimg daselbst IL 300, 301. Mar vermejo I. 278. Mascaret IL 203, 299 £F. Maskat: harmonische Konstanten IL 378, Masseys Patentlot I. 82. M a 1 1 h e w s, D. J. : über die Golf strom- trift IL 594; Strömungen des Eng- lischen Kanals IL 632. M a 1 1 h i e s B e n, L. : über kapillare Wellen IL 61. Maury, Mathew Fontaine: organisiert ozeanogr. Beobachtungen I. 3; auch Tiefseelotungen T. 71; Lotapparate L 81; benennt das „Telegraphenplateau" I. 102; sammelt Temperaturbeobach- tungen I. 373; erste Isothermkarten I. 397; über Kompensationsströme IL 470; polare Abkunft des Tiefenwassers IL 491 ; über den Antillenstrom IL 560; den Floridastrom IL 575, 579; Eisberge im Falklandstrom IL 608; Flaschen- post auf Neuseeland IL 712. Mazatlan: harmonische Konstanten IL- 399. M a z e 1 1 e. Ed. : über Verdunstung des Meerwassers in Triest I. 244; stehende Wellen der Adria IL 179. M e c k i n g, Ludw.: über die Baffinbai I. 454; Eisverhältnisse daselbst I. 516; bei der Neufundlandbank I. 521; Labradorstrom IL 599, 602; Strö- mungen im amerikanischen Nordmeer IL 662; in der Davisstraße IL 663 (Fig. 178); in der Hudsonbai IL 664. Mecklenburger Bucht: stehende Wellen IL 169. Meerbusen I. 43 ff.; System I. 51. Meereis I. 499 ff. Meeresoberfläche I. 52 ff. Meeresstraßen: I. 46 ff.; System I. 51; Strömungen darin IL 506 ff. Meeresströmungen IL 413 ff. Meerestiefen, mittlere, nach Zehngrad- zonen I. 143; nach den Meeresteilen I. 144. Meinardus, Wilhelm: Stichpro ben- methode für die Tiefenberechnung I. 140; Wärmeinhalt der antarktischen Meere I. 436; Wärmeumsatz zwischen Meer und Atmosphäre I. 496; über den Ostgrönlandstrom IL 651; Windver- hältnisse der hohen Südbreiten IL 682. Meinderts Droogte: harmonische Kon- stanten IL 392. Melbourne: harmonische Konstanten IL 378. M e 1 V i 1 1 e, Admiral : Triftexperiment im nördl. Eismeer IL 660. Memel: stehende Wellen IL 172. M e n S i n g, Adolf: selbstregistrierender Tiefseepegel IL 207; Tiefenstrom- messer IL 429. Mentaweigraben I. 116. Mercator, Gerhard: Größe des Welt- meers I. 11. Mergelschlick I. 171. Mergui L: harmonische Konstanten IL 378. Merian, Rud.: über stehende Wellen IL 158 f. Morula, PauUus: Einteilung der Meere I. 36. Mesohalin L 334. Register. 749 Mesotherm I. 420. Messina, Straße von: Entstehung I. 49; Gezeitenströme II. 368 (Fig. 100); Meeresstrom II. 622. Metallthermometer I. 374. Meteorite, im roten Ton I. 199. Mexikanischer Glolf: Niveaustand I. 64; Bodensediment I. 177; Temperatür- .sahichtung I. 459 u. II., 558; Ölflecke II. 102; Eintagstiden II. 333 f.; Strömungen 5571, 583. Meyer, Heinr. Adolf: Beziehung zwi- schen Dichte und Salzgehalt I. 236; Wasserschöpfer I. 324 u. 327; träges Thermometer I. 374; Temperaturen der Kieler Föhrde I. 473; Eisverhältnisse derselben I. 500. M i a u 1 i s, A. : über den Euripus II. 181. Mijakosohima : harmonische Konstanten II. 399, 402. M i 1 1, Hugh Robert: schafft die Begriffe „Schelf" I. 104 und „abyssisches" Gfebiet I. 148; Wasserschöpf apparat I. 327 ; Salzgehalt des Clydebusens I, 349; Temperaturen desselben I. 491 ; wellen- dämpfende Wirbel daselbst II. 102; Flaschenposten im Pazifischen Ozean II. 698, 709. Mi Ine, John: Seebebenwellen 11. 134; unterseeische Bergschlipfe 11. 139 f.; über stehende Wellen II. 175. Miniaberge I. 98 u. 117. Minicoy: harmonische Konstanten II. 378. M i s 8 i e s s y, de, Leutn. : Wellenmes- sung II. 50. Mississippi- South Pass: harmonischeKon- stanten II. 333. Mistpoeffer II. 174. Mitchell: Erfinder einer Treibboje IL 423. Mitscherlich, A.: Untersuchung der Böden I. 159. Mittelländisches Meer I. 24 u. 50; Gliederungswerte I. 32; geologische Geschichte I. 35; Niveaulage zum Ozean I. 64; Bodenrelief I. 132; mittl. Tiefe u. Areal I. 144; Boden- ablagerungen I. 177; Durchsichtigkeit I. 257; Farbe I. 269; Alkalinität I. 309; Kohlensäuregehalt I. 316; keine Nitrate I. 319; Ammoniakgehalt I. 320; Salzgehalt I. 331 u. 3541; Ein- dringen der Wärme in die Tiefen nach Aime 1. 388, nach Luksch 1. 390 f. ; Temperaturschichtung I. 459 f., 495; Wärmeumsatz mit der Atmosphäre I. 497; Eisvorkommen I. 518; Wellen- höhen II. 53; Dislokationswogen II. 1381; Gezeiten II. 362; Ausfluß in den Atlantischen Ozean I. 339, 428. II. 617 (Fig. 174); Strömungen II. 6191 Mittelmeere: Begriff I. 24; solche erster und zweiter Ordnung I. 26; im natür- lichen System I. 50. Mittelmeerische Golfe I. 45. Mittelwasser: Begriff II. 272. Mobile: harmonische Konstanten IL 333. M ö b i u s, Karl: Temperaturen der Kieler Föhrde I. 473; Eisverhältnisse derselben I. 500; Stromexperiment IL 493. Möller, Max: über Geschwindigkeit der Seichtwasserwellen IL 29. Mofjord (bei Bergen): Schwefelwasserstoff in den Tiefen I. 300. Mohn, Henrik: Dichtigkeitsfläche L 55; IL 482; Theorie der Tiefsee- lotungen I. 83; Tiefen des Europ. Nordmeers I. 129; Druck des Meer- wassers I. 286; Verhältnis der Wasser- und Lufttemperaturen I. 387; Tem- peraturschichtung des Europäischen Nordmeers I. 441; Wachstum der Meereisschollen I. 509; Ablenkung der Strömungen durch die Erdrotation IL 465; Berechnung der Windrichtung und -stärke IL 543; Strömungen der Nordsee IL 635; im Skagerrak IL 638; im Europäischen Nordmeer IL 648 f. ; im Sibirischen Nordmeer IL 660.' Molukkenbecken I. 131; Temperatur- schichtung I. 457. Monaco, Albert Fürst von: Tiefsee- lotungen I. 79; Carte bathymetrique I. 101; entdeckt den Monacokessel bei den Azoren I. 118; Salzgehalts- beobachtungen im Nordatlantischen Ozean I. 337; Temperaturmessungen daselbst I. 428; Experimente mit Flaschenposten IL 438, 587, 594, 621. Mondtide IL 210, 216, 245 f., 265. Monrovia: Hafenzeit IL 305, 309. Monsunströme IL 523, 541, 666 ff., 6891 Montevideo: Gezeiten IL 312; harmo- nische Konstanten IL 316. Moore, W. U. : über Flutbrandung bei Hangtschou IL 301. Mosambique: Gezeiten IL 373. Mosambiquestrom IL 672. M o s s, Dr. : Beobachtungen im Robeson- kanal I. 455; Blaueis daselbst I. 525. M o 1 1 e z, Admiral: Wellenmessungen IL 49. Mud L 165, 171. M ü h r y, A. : über Meeresströmungen IL 417, 446; insbes. Kompensationsströme IL 470. Müller, Aloys: zur Theorie der Ge- zeiten IL 2151 750 Register. Mündungskorrektion, für stehende Wellen in offenen Wasserbecken II. 163. Münster, C. A. : über Gold im Meer- wasser I. 218. Mulden I. 101. Muldenbreite L 94. M u n c k e, G. W. : über Wellenhöhen der Nordsee II. 53; über Entstehung der Wellen II. 58; Theorie der Meeres- strömungen II. 443. Munthe, Henrik: Bodenablagerungen der Ostsee I. 168. Murmansee: Durchsichtigkeit I. 257. M u r r a y, Sir John: Areal der Antarktis I. 7; seine unterseeische Nomenklatur I. 103; berechnet die mittlere Tiefe der Ozeane I. 138; Klassifikation der Bodensedimente I. 155; Bodensedi- mente des Amerikan. Mittelmeers I. 176; desgleichen des Schwarzen Meeres I. 178; Gehalt des Hochseewassers an feinster Trübe I. 180; über Glo- bigerinenschlamm I. 182; Sinkfähig- keit von Kalkschalen I. 186; über Diatomeenschlamm I. 190; über roten Tief seeton I. 193; Radiolarienschlamm I. 203; über Kreide I. 210; Permanenz der Ozeane I. 212; Kalkgehalt des Meeres I. 308 ; Temperaturschwankung an der Oberfläche I. 407, 415 f. Mursee II. 104. Muschelsand I. 164. N. N = Signatur der größeren halbtägigen elliptischen Mondtide II. 265. Nadelkap: Grenzmeridian I. 18. Nadirflut II. 218. N a g a o k a, H. : über Schwingungs- perioden der Erdkruste II. 183. Nagasaki: stehende Wellen im Hafen II. 184; harmonische Konstanten II. 399, 401. Naka: harmonische Konstanten II. 399, 402. Nanortalik( Grönland): Hafenzeit II. 305. Nansen, Fridtjof: über Schelfe I. 105; Furchen I. 112; Bodenrelief des Eis- meers I. 128; Schichtung der dortigen Bodensedimente 1. 188; Senkaräometer I. 231; Wasserschöpf apparat I. 327 u. 374; über Salzgehalt des Nordpolar- meers I. 347; Genauigkeit der Tem- peraturmessung I. 375; Bodenwärme des Meeres I. 378; Temperaturschich- tung des arktischen Gebiets I. 441 S. ; Dicke des einwintrigen Meereises I. 508; über interne Wellen II. 187; Totwasser II. 189; über seinen Pendel- Btrommesser II. 430 (Fjg. 113); über Entstehung der Meeresströmungen II. 447; über Einfluß der Erdrotation auf die Triftströme II. 459, auf Kon- vektionsströme II. 488 ; Berechnung der Zirkulation II. 502; Einwände gegen die Trifttheorie von Zöppritz II. 527; Ströjmungen des Europäischen Nord- meers II. 652 ff. ; der Karasee II, 659, des sibirischen Nordmeers 11. 660, des arktischen Zentralbeckens II. 661. N a r e s, G. S. : Gezeiten von Gibraltar II. 365. ' Nassau (Bahamas): harmonische Kon- stanten II. 316. Nathans -on, Alex. : StickstofEumsatz in*^ Meerwasser I. 322. National, Dampfer der Plankton-Expedi- tion I. 79. Natrium im Meerwasser I. 217. Natter er, Konrad: Bodensedimente des Mittelländischen Meeres I. 177; des Roten Meeres I. 179;. Zusammen- setzung des Meerwassers I. 220; weist Kohlenwasserstoff im Mittelmeer nach I. 298; vermißt Nitrate darin I. 319. Nautschou : harmonische Konstanten II. 393. Nebel, angeblich Wellen hebend II. 103. Nebenmeere: Begriff I. 23; Verzeichnis I. 49. Nieer oder Neerstrom II. 475. ii^egretti und Zambra: Tiefseethermo- meter I. 372. Nercocystis (Tangart) I. 318. Nero, V. S. Dampfer: Lotungen im Nordpazifischen Ozean I. 122 f. Nerokuppen I. 98. Nerotief T. 85 u. 115; Neufundlandbank: Eisberge I. 521 ; Bran- dung II. 112; Strömungen II. 601 f. (Fig. 171). Neufundlandschelf I. 113. Neumayer, Georg (v.): seine unter- seeische Nomenklatur I. 102; Wellen- messung mit dem Aneroid II. 37; Explosionswogen des Krakatau II. 147 f. ; prägt das Wort Flaschenpost II, 436; weite Flaschentriften durch die hohen Südbreiten II. 678; über die Strömungen bei Kerguelen II. 680; bei Neuseeland II. 710. Newton, Isaac: Theorie der Gezeiten II. 208 f. Nickel im Meerwasser I. 217 ; im Sediment des Roten Meers I. 179.. Niedrigwasser: Begriff II. 200, 272; bei Springtiden II. 271. Nielsen, J. N. : über die Gewässer bei den Färöer und Island II. 597, 617; Ausstrom des Mittelmeerwassers in die Biskayabai II. 616; Strömungen 751 um Irland II. 632; im Nordmeer IL 652, 654. Nipptide II. 200, 216, 219. Nordäquatorialstrom: atlantischer II. 548 f., 569; pazifischer II. 692. Nordafrikanische Mulde I. 118 f.; Boden- temperatur I. 432. Nordamerikanisches Becken I. 118; Bodentemperatur I. 432. N o r d e n s k i ö 1 d, A. E. V.: Expedition nach der Grönlandsee I. 348, 444; Vega-Expedition I. 450; schwimmende Wellenbrecher II. 98; Gezeitenstrom im -Auleitsivikfjord II. 284; über den Irmingerstrom II. 697 ; Strö- mungen der Beaufortsee II. 663. Nordkapstrom II. 657 (Fig. 137, S. 500). Nordmeer, Europäisches: Tiefen I. 129; Salzgehalt I. 329 u. 345; Temperatur- schichtung I. 441; Eisverhältnisse I. 516; Gezeiten II. 324; Strömungen II. ^8 ff. Nordostpassattrift: im Atlant. Ozean II. 548. Nordpolar becken: Tiefen I. 129; Salz- gehalt I. 329, 347; Temperaturen I. 450 f.; Eisverhältnisse I. 516; Ge- zeiten II. 325. Nordsee: ein Randmeer I. 25 u. 51; Gliederungswerte I. 32; Niveauschwan- kungen I. 57; Bodenrelief I. 109; mittl. Tiefe I. 144; Areal I. 144; Durchsichtigkeit I. 257; Luftgehalt der Tiefenschichten I. 302; Alkalinität I.j 308; Kohlensäuregehalt I. 316; Nitrit- und Nitratgehalt I. 319; Salzgehalt I. 330 u. 349 f. ; Temperaturen I. 480 ff., 495; Wellenhöhen II. 53; Gezeiten IL '350; Strömungen II. 633. Nordsibirischer Schelf I. 113. Nordwestaustralschelf I. 113. Normalkurve für Berechnung stehender Wellen II. 161. Normalnull I. 66. Normälwert einer Dichtigkeitsfläche IL 482. Norwegische Mulde: Tiefe I. 129; Boden- ablagerungen I. 173; Salzgehalt I. 329, 345; Temperaturen I. 441. Norwegische Rinne: Tiefe I. 110; Boden- ablagerungen I. 171; Gezeiten IL 361; Strömungen II, 638. Norwegischer Schelf I. 113. 0. 0 = Signatur der eintägigen Mondtide IL 265. Oberflächenhäutchen des Wassers I. 283, IL 60. OBerflächenspannung des Seewassers I. 280; Bedeutung für die Wellenbildung IL 57 ff. ; für die Zuschärfung de» Wellenkamms IL 100. Oberflächentemperatur: Messung I. 373; tägliche Periode I. 382 f. (Fig. 52); Verhalten zur Lufttemperatur I. 386 f. ; mittlere, der jyieere L' 397 ff.; der ein- zelnen Fünfgradzonen I. 400 (Fig. 53); der Ozfeane I. 401 ; Isanomalen I. 405 (Fig. 54); jährliche Periode I. 406 f., 412 f. Oberflächenzähigkeit I. 283. Obertiden IL 248. Ochotskisches Meer: ein Randmeer L 25; Gliederungswerte I. 32; Tiefe I. 137; Areal L 144; Salzgehalt I. 333 u. 360; Temperaturen I. 476, 495; Eisverhältnisse I. 617; Gezeiten IL 408; Strömungen IL 723. Ochotsk- Sachalinschelf I. 113. 0 d d o n e, Emilio: Schwingungsperioden der Erdkruste IL 184. O d i n, A. A. : Einfluß der Trübe auf das spez. Gewicht I. 231. Öl als Wellendämpfer IL 99 f. Ölflecke im Golf von Mexiko IL 102. Ohatake: harmonische Konstanten IL 399, 401. Okada: über Verdunstung des Meer- wassers in Japan I. 244 u. 248. O m o r i, F. : stehende Wellen in japani- schen Häfen IL 184. Ondiepwater L: harmonische Kon- stanten IL 392. Oolith I. 164 (Fig. 24). Oporto, Hafenzeit IL 305. Optische Eigenschaften des Meerwassers I. 250. Orhitalbe^egung der Wellen IL 2; in tiefem Wasser IL 10; in seichtem Wasser IL 13 (Fig. 6); bei Wellen auf abnehmender Wassertiefe IL 107; bei stehenden Wellen IL 158; bei in- ternen Wellen IL 187. Orbulina universa I. 183 (Fig. 28). Orientalisches Becken I. 133. Orkanwelle I. 62. Orleans, Prinz Heinrich v. : Ozeano- graphie des Grönlandmeers IL 662. Orthochron (bei Hafenzeiten) IL 244. Osborn, Sherard: Hydralot I. 72; atlantische Mittelschwelle I. 117. Oscarsborg: harmonische Konstanten IL 358. Osmotischer Druck des Meerwassers L 238, 240. Ostaustralischer Strom IL 709. Ostchinesisches Meer: ein Randmeer I. 25 u. 50; Gliederungswerte L 32; Tiefe I. 137; Areal I. 144; Salzgehalt I. 332 u. 369; Temperaturen I. 479, 495 ; 752 Register. Eisverhältnisse I. 518; Wellenmaße II. 40, 62; Gezeiten II. 404; Strömungen II. 721. Ostende: Hafenzeit II. 343; harmonische Konstanten II. 349. O s t e n f e 1 d, C. H. : Atmung der Diatomeen I. 314; Plankton ini Mittel- meer II. 620; in der Nordsee II. 636. Osterschwelle I. 127. Ostgrönlandstrom II. 598 f., 650 f., 656, 661. Ostislandstrom II. ,651. Ostsee: ein Mittelmeer I. 24 u. 50; Gliederungswerte I. 32; Niveau I. 55; Niveauschwankungen I. 57 ff., 61; Entstehungsgeschichte I. 111; Tiefen I. 135 u. 144; Areal I. 144; Boden- ablagerungen I. 168; Durchsichtigkeit I. 257; Farbe I. 269; Luftgehalt der Tiefenschichten I. 301; Alkalinität I. 307; Kohlensäuregehalt I. 316; Nitrit- nnd Nitratgehalt I. 319; Salzgehalt I. 330 u. 350 f.; Temperaturschichtung I. 468 flE., 495; Wärmeumsatz mit der Atmosphäre t. 497; Eisverhältnisse I. 500; Gezeiten II. 358; Wasser- austausch in den Belten II. 510; Strömungen IL 640 f. Otto, Friedr. Wilh. : über Herkunft des Salzgehalts des Meeres I. 224; polarer Ursprung des Tiefenwassers II. 490. Ouessant: Bodensediment I. 153; Hafen- zeit IL 305. Oyaschio IL 703. Ozean: Herkunft des Worts I. 12; Aus- dehnung I. 7; wagrechte Gliederung I. 12; Einteilung I. 15 £E.; natürliches System I. 50. P. P = Signatur der eintägigen Sonnentide IL 265. Padang: harmonische Konstanten IL 378. P a h d e. Ad. : Geschichte der Strö- mungstheorien IL 442. Paläocrj'-stisches Eis I. 525. Panama: harmonische Konstanten IL 399; kaltes Auftriebwasser IL 701. . Papag9.yostrom IL 694. Parabyssische Busen I. 46. Paraiilonische Busen I. 46. Paris, Leutn.: Wellenmessung IL 38, 39 f., 52; Wachstum der Wellen mit dem Winde IL 66 f., 72 f.; Verhältnis der Wellenhöhen und -längen IL 83. P a r r y, Edw. ; Strom nördl. von Spitz- bergen IL 661, im Amerikanischen Nordmeer IL 664. Parry-Archipel: L 49; Gezeiten II. 326; Strömungen IL 662. Partialtiden der harmonischen Analyse IL 262 f. (Tabelle IL 265). P a r t s c h, Jos. : über Dislokations- wogen im Malischen Golf IL 138; Kenntnis der Griechen von den Ge- zeiten n. 202. Paschen: Gezeiten in Wismar IL 359. Pascobank I. 98. PatagoniascheU I. 113; Gezeiten IL 312, 319 f;. Strömungen IL 607. Patentlot I. 80. P a u 1 s e n, A. : stehende Wellen in dänischen Gewässern IL 168. Payta: Gezeiten IL 395. Pazifischer Ozean: Name I. 19; Gliede- rungswerte I. 32; Bodenrelief I. 122; mittl. Tiefe u. Areal I. 144; Boden- sedimente I. 205; Durchsichtigkeit I. 258; Farbe I. 270; Alkalinität I. 310; Salzgehalt I. 332 u. 343 f.; Ober- fiächentemperatur I. 399, 401 u. 410 (Fig. 55/56); Temperaturschichtung I. 422 flE. ; Bodentemperaturen I. 431 ; mittl, Temperatur I. 495 ; Wellenmaße IL 40, 52; Dislokationswogen IL 141 f.; Gezeiten II, 394 ff.; Bodenströme IL 480, 719; Oberflächenströme IL 692 flf. P e a k e, R.E., Kabelingenieur: Lotungen I. 84. Peakes Deep L 118, 119. Pechuel-Lösche, Ed. : über die Brandung (Kalema) au der I^oango- küste IL 114 f.; Flutgrenze im Kongo IL 287; über den Guineastrom IL 564; Temperaturen des Benguelastroms II. 612. Pegel IL 204 f. Pelagia noctiluca: färbt das Meer grün L 277. Pelagische Ablagerungen I. 155. Pelaugraben L 116. Pemangkat (Borneo): harmonische Kon- stanten IL 392, P e n 0 k, Albrecht: Einteilung der Neben- meere I. 25 f , ; der Meerbusen I. 43 ; d. Meeresstraßen 1. 47 ; hypsographische Kurve I. 87, 139; Begriff der Uneben- heit I. 93; Großformen der Landober- fläche I. 101; unterscheidet aktische und abyssische Regionen I, . 148; Volum des Flußwassers I, 227; Kliff- küsten II, .130, Pendelstrommesser II, 429 f, Pendeltag, -stunde, Definition iL 468. Penguin, brit. Vermessungsschiff 1. 83, 126, Penguinkuppen 1. 98. Pensacola: harmonische Konstanten IL 333. Periode der Wellen IL 6; in tiefem Wasser IL 9; Messung IL 33 f.; unbeeinflußt durch abnehmende Wassertiefe IL 106. Register. 753 Permanenz der Ozeane I. 40, 54, 151, 212. Pernambuco: Hafenzeit II. 305, 310; harmonische Konstanten II. 316. Persischer Golf: ein Mittelmeer I. 24 u, 50; Gliederungswerte I. 32; Tiefen I. 135 u. 144; Areal I. 144; Salzgehalt I. 332 und IL 688; Temperatur I. 495; Gezeiten II. 383; Strömungen II. 688. Peruanischer Strom II. 714. P e s c h e 1, Oscar: wendet die Felder- methode zur Berechnung der mittl. Tiefe der Ozeane an I. 140. Petacalcograben I. 116, 126. Petermann, August: seine unter- seeische Nomenklatur I. 102; Iso- thermenkarten I. 398; gute Karten der Meeresströmungen II. 417; über Flaschenposten II. 437; graphische Darstellung von Meeresströmen II. 440; insbesondere der südindischen Westwindtrift II. 680. Petersen, C. G. Joh. : Bodenablage- rungen im Kattegat I. 168; Durch- sichtigkeit des Seewassers daselbst I. 256; mißt die Bodenwärme des Meeres im Winter I. 379. Petersen, Dr. Joh. : über Abhängig- keit der Golfstromtrift von den Wind- verhältnissen II. 593. Petit-Thouars, Du: Messung von Tiefseetemperaturen I. 371; Strom- messung n.It dem J^otdraht II. 430; über kaltes Wasser auf Untiefen II. 479; über die nordpazifische West- windtrift II. 704; den Kalifornischen Strom II. 706; Strömungen der Bering- see II. 724. Pettersson, Otto: Gase des Meer- wassers I. 294; dieselben im Gullmar- fjord I. 313; Wasser&chöpfapparat I. 327 u. 374; Ausfluß des Mittelmeer- wassers in den Nordatlantischen Ozean I. 340; Salzgehalt des Skagerrak I. 350; Eisschmelzströme 1. 190, 437, II. 512 flf., 667; Temperaturschichtung des sibir. Nordmeers I. 449; des Skagerrak I. 481; Wärmeumsatz zwischen Meer und Atmosphäre I. 496; unterkühltes See- wasser I. 500; Vorgänge beim Ge- frieren des Meerwassers 1. 503 ; Schmelz- wärme des Eises I. 607; thermische Ausdehnung des Eises I. 612; über interne Wellen II. 191 f. ; Strömungen im Großen Belt II. 369; Bifilarstrom- messer II. 42S; Stromvorgänge in der Mündung der Götaelf II. 477; dynami- scher Meridionalschnitt durch den Atlantischen Ozean II. 613; Strö- mungen im Skagerrak II. 638 f; im öresund 11.643 ; im Europäischen Nord- meer IL 662 f. Krammel, Ozeanographie. II. Peucker, Karl: orometrisohe Me- thoden I. 92. Pfannkucheneis I. 611. Pflanzen des Meeres: Atmung I. 314; Nährstoffe im Meerwasser I. 317 f. P h a f f , J. M. : Strömungen an der hiederländischen Küste IL 637. Philadelphia: harmonische Konstanten IL 316. P h i 1 i p p i, E. : Grundproben der Süd- polarexpedition I. 188; Schichtung derselben ibid u. 207; Diatomeen- schlamm I. 191. Philippson, A. : über Eisvorkommen im Mittelmeer I. 518; Strandprofile von Rügen IL 123; über Kiisten- versetzung IL 126. Phillipsite im Globigerinenschlamm I. 186; im roten Ton I. 200. P h i p p 8, Kapt. : erste Tief seelotung I. 70. Phosphatkonkretionen I. 169> 186, IL 580. Phosphor im Meerwasser I. 216; Phos- phorsäure darin I. 322. Photometrograph nach Regnard I. 262. Phytoplankton, liefert Sauerstoff I. 297; verbraucht Kohlensäure L 313. P i c t e t, Etymologie des Wortes Ozean L 12. Pigumdo: harmonische Konstanten IL 406. Pillau: stehende Wellen IL 172. P i 1 1 s b ü r y, John Elliott: über Strom- messxmg in der Tief see IL 424 f. ; ins- besondere im Käribenstrom IL 655; im Floridastrom 575 f. Pingyang: harmonische Konstanten IL 406. P i r i e, J. H. Harvey: Schlick aus antarktischen Breiten I. 172. Pis ati, G.: Senkaräometer I. 231. Planet (deutsches V^messungsschiff ) : Lotungen I. 80; Wellenmessungen II 39, 48; vgl. Breimecke. Plankton: Einfluß auf die Durchsichtig- keit I. 265; auf die Wasserfarbe L 276; auf den Gasumsatz im Meerwasser I. 297 u. 313 f.; Reichtum der kalten Meere I. 318; Bedeutung für vertikalen Wärmetransport L 397; für die Er- kemmng von Meeresströmen IL 433, 620, 623, 633. Platania, Giov. : Dislokationswogen in Calabrien und Messina IL 140; uDei Marrubbio IL 1781; Geschichte der Strombeobachtungen im Mittelmeer IL 619; Flaschenpostversuche daselbst n. 622. Plateaus (unterseeische) L 102. Plemyrameter IL 167. 46 754 Register. Poikilotherm I. 420. Poincare, H.: dynamische Theorie der Gezeiten II. 232. Pointe du Siege: Gezeiten II. 345 (Fig. 95). P o 1 a c k, Kapt. : über Strömungen im Australasiatischen Mittelmeer II. 689 f. Polarisation des Lichts an Wasserflächen I. 275. Polatief, das: I. 133. Ponce: harmonische Konstanten II. 333. Ponce de L6on: über den Florida- strom II. 415. Pontianak: harmonische Konstanten II. 392. Poole: Gezeitenkurve II. 344 (Fig. 94). Porcupine, Dampfer I. 73. Pororoca, Flutbrandung im Amazonen- strom ni 300. Port Albert Victor: harmonische Kon- stanten II. 378. Port Blair (Andamanen): harmonische Konstanten II. 378. Port Chalmers: harmonische Konstanten II. 399, 403. Port Clarence: harmonische Konstanten II. 409. Port Darwin: harmonische Konstanten II. 378. Portland Breakwater: harmonische Kon- stanten II. 349. Port Ijouis (MAuritius): harmonische Konstanten II. 378. Port Rüssel: harmonische Konstanten II. 399, 403. Porto Praya: Hafenzeit II. 305, 309. Portoricograben I. 116, 120. P o t o n i e, H. : Bakterien in Meeres- sedimenten I. 201. Posidonia: harmonische Konstanten II. 372. P ö u c h e t: Farbe des Meeres I. 277. Pourtalesplateau I. 176. P r a 1 1 : Niveaustand an den indischen Küsten I. 65. P r e c h t, W. : Gliederungswerte I. 22; Einteilung der Nebenmeere I. 27, 31. Prestwich. J. : über Xiefentempera- turen I. 37ö, 378. Prinoesse Alice Bank I. 98. Prokop von Cäsarca: kennt den Unterstrom im Bosporus II. 628. Propellerstrommesser II. 426 f. Pseudochron (bei Hafenzeiten) II. 244. Pteropodenschlamm I. 176, 189 ff. (Fie. 30); Areal I. 205. PtoTemäus: Größe des Weltmeers I. 10. Puff, Ad. : über kaltes Auf triebwasser II. 533, 591, 669. Pulfrich, C: Eintauchrefraktometer I. 252 (Fig. 38); photogrammetrische Wellenmessung II. 39. Pullen, Kapt. : mißt Bodentempera- turen I. 372; Temperaturen im Roten Meer I. 474. Puls, C. : über die pazifischen Äquato- rialströme II. 694 f. Pulu Besar (Bankastr.): harmonische Konstanten II. 392. Pulu Sapudi: harmonische Konstanten II. 392. P u r.e y - C u s t, H. E. : Strommessung mit Dampfbeiboot II. 429. Pyramidale Seen II. 104. Q. Quebec: Hafenzeit II. 330; harmonische Konstanten II. 331. Queenslandschelf I. 113. Querbruchstraßen I. 49. Querfurt h, H.: Strömungen bei Skagen II. 640. Querstraßen I. 47. Quiberon: Gezeitenströme II. 277 (Fig.76) u. 308. Quilca: Gezeiten II. 395. Quinhon: harmonische Konstanten II. 393. B. Raben, E. : analysiert die Stickstoff- verbindungen im Meerwasser I. 319; desgleichen Phosphor- und Kieselsäure I. 323. Radioaktivität des Meerwassers I. 291. Radioiarienschlamm I. 203 (Fig. 35); Areal I. 205. Randbusen I. 27. Randmeere: Begriff I. 24; R. erster und zweiter Ordnung I. 26; Verzeichnis I. 50. Randschelfe I. 105. Rangun: harmonische Konstanten II. 378. R a n k i n e: Orbitalbewegung d. Wellen in der Tiefe II. 6. Ras Hafun: Gezeiten II. 373. Rassol (Salzlake) I. 502. Ratan: harmonische Konstanten II. 361. Ratzel, Friedrich: Abgrenzung eines Antarktischen Ozeans I. 17; über Meteorite im Meeressediment I. 199. Ravenstein, P. R.: Kartenniveau I. 67. R a y 1 e i g h, Lörd: Reflexion des Lichts an den Wassermolekülen I. 274; über Winddruck auf schräge Flächen IL 71. Raz de mar6e II. 203. Reade, Meilard: Erosion durch Ge- zeitenströme II. 285. Register. 755 Reaktionsströme II. 476. Reflexion der Wellen II. 131. Refraktometer I. 251. Regenfall: Wirkung auf den Salzgehalt I. 364 f.; auf die Temperatur I. 382. Reggiani, N.: Senkaräometer I. 231. R e g n a r d, Paul: Bathometer I. 81 ; osmotischer Druck des Seewassers I. 241; über Durchsichtigkeit desselben I. 260 f. ; über Diffusionsgeschwindig- keit des atmosphärischen Sauerstoffs in Seewasser I. 298; Wasserschöpf - apparate I. 327. Reibung: innere, des Meerwassers I. 281; Wirkung auf die Lebensdauer der Wellen II. 90 f.; bei Gezeitenwellea II. 249; virtuelle, bei Meeresströ- mungen II. 456 ff. Reibungstiefe: Begriff II. 460; = Trift- stromtiefe II. 527; ihre Berechnung IL 545 f. Rein, J. : über Dislokationswogen an der japanischen Küste IL 143. Roitz, F. H.: selbstregistrierender Pegel IL 207. Relingslogg, als Strommesser IL 433. Rema montante und scendente, bei Messina IL 368. R e n a r d, A. : Einteilung der ozeani- schen Bodenablagerungen I. 155; Ab- scheidung von Manglan im Meeres- sediment I. 201. R e n n e 1 1, Jrines: Wasser des Laplata- stroms im Südatlant. Ozean I. 363; mißt Wassertemperaturen I. 370; be- gründet die statistische Methode der Stromforschung IL 416; unterscheidet Trift- und Abflußströme 11. 520; über die atlantischen Aquatorialströme IL 648; die karibische Strömimg IL 564; über den Verbleib des Golfstroms 11.587 ; über den Rennellstrom II. 594 ; über den Brasilienstrom IE. 604; den südatlant. Verbindungsstrom IL 610 ; den Agulhas- strom II. 673. Rennellstrom IL 694 f. Resaca IL 176. Resonanz der Wasserbecken IL 184. Reunion: harmonische Konstanten II. 378. R e u s 0 h 1 e, Prof. : über Einteilung der Meere I. 23. Reykianesrücken I. 117, 340. Rhythmus des Bodenreliefs I. 94. R i b a u d, P. : Strömungen der Straße von Messina IL 369 (Kg. 100). Riccioli: über Größe des Weltmeers I. 11; über die Theorie der Meeres- strömungen IL 443. Richard, Jules: Wasserschöpfappa- rate I. 326. Richter, C: Thermometer I. 377. Richthofe n, F. v. : Herkunft der Salze im Meer I. 225; Bedeutung der Brandimg für die Küstengestalt IL 119, 129 f. Riffe des Sandstrands IL 121. R i g a u d, S. P. : bestimmt 1837 das Areal des Weltmeers I. 12. Ringer, W. E.: Vorgänge beim Ge- frieren des Meerwassers I. 603. Rinden I. 101. Riogranderücken I. 119. Rio Janeiro: harmonische Konstanten IL 316. Ripplemarks IL 196 f. Ritter, Karl: würdigt den B^riff der Land- imd Wasserhalbkugel I. 16-; seine Einteilui^ der Meeresräume L 22 u. 36. Robertson, A. J. : über die Färö- Shetland-Rinne IL 653. Rockallbucht: Tiefen I. 120. Rodman, Hugh: über das Eis des Labradorstroms IL 602 f. R o h 1 f s, G. : Nebel an der marok- kanischen Küste IL 592. Roller (Brandung) in Ascension und St. Helena IL 115. Romanchetief, das: I. 116, 118.' Romanisches Mittelmeer ~ Mittelländi- sches Meer I. 24. Romieux: morphologische Gesetze I. 149. Roost (bei den Orkney-In.) IL 105, 284. Ros6n, P. G.: Niveau der Ostsee I. 69 u. 64. R o s s, James Clark: Wirkung des Luft- drucks auf das Meeresniveau I. 60; erste ozeanische Tieflotung I. 70; über olivgrünes a.ntarktisches Wasser I. 277; Temperaturmessungen L 371; sichtet Eisberge bei den Orkney-Inseln I. 522 u. II. 603; Wellenmessungen IL 49; Brandung auf der Burdwoodbank II. 111; Beobachtungen im Kap-Horn- Stromll. 610; Strömungen der hohen Südbreiten II. 682. R o s s, Sir John: Tieflotung I. 70 und Temperaturmessung in der Baffinbai I. 371 ü. 454; bekämpft die Flaschen-^ posten n. 437. Rossmeer L 21. Roter Tiefseeton I. 192 ff.; Areal I. 206. Rotes Meer: ein Mittelmeer I. 24 u. 50; Gliederungswerte I. 32; Tiefen I. 136 u. 144; Areal I. 144; Bodensedimente 1. 179; Durchsichtigkeit I. 268; Farbe I. 269 u. 277; keine Nitrate I. 319; Salzgehalt I. 332 u. 357; Temperaturen I. 473, 495; Gezeiten IL 382; Strö- mungen IL 685. 756 Register. Roth, Justus: Salze im Meer- und Fluß- wasser I. 224. Roudaire: über Verdunstung 81. Schallwellen im Meerwasser I. 288. S 0 h a p e r, H. v. : zur Theorie der Ge- zeiten II. 215. Schaumband: Definition II. 539 (Fig. 163). Schaumbildimg im Meerwasser I. 283. Schelf: Definition I. 101; Relief I. 103 f.; Einteilung I. 105; Entstehung I. 106 f. ; Aufzählung I. 113. Schelfablagerungen I. 165 ff. Schelfbusen I. 46. Schichtung in Tiefseesedimenten I. 206. Schiffsrechnung II. 417. Schilling, N. : Theorie der Meeres- strömungen II. 443. Schimoda: Dislokationswogen II. 142; harmonische Konstanten II. 399, 401. S 0 h i ö t z, O. E. : über Ekmans Strom- theorie II. 469. Schlamm, Definition I. 171. Schleinitz, Freiherr v. : Leiter der Gazelle-Expedition I. 74; Gezeiten- ströme der Jade II. 284; Beobachtung des Falklandstroms II. 607; über Dichteverteilung in der südindischen Westwindtrift II. 679. Schlick I. 163, 171 ff. S c h m e 1 c k, L. : Salze im Nordmeer- wasser I. 219. Schmelzwärme, latente, des Eises I. 607. Schmidt, Ed. : Theorie der Meeres- strömimgen II. 443. Schmidt, Dr. Johan: Strombeobach- tungen im Mittelmeer II. 620, 623. Schmidt, Jul. : über Dislokations- wogen im Golf von Korinth II. 139; Einfluß der Mondstellung auf die Erd- beben n. 227. Schmidt, Wilhelm: über interne stehende Wellen II. 190. Schnapplot I. 153 (Fig. 23). Schneedecke auf Treibeis I. 511. S c h n i t z 1 e i n. Lt. : über stehende Wellen II. 167. Schollenbruchmeere I. 41. Schqjre (nach J. Walther) I. 161. Schott, Gerhard: Begriff des Binnen« meers I. 29; Stellung des Arktischen Ozeans I. 29; unterseeische Kuppen I. 97; über Durchsichtigkeit der Meere I. 257; Farbe derselben I. 269; Aus- fluß des Mittelmeers in den Atlanti- schen Ozean I. 339; Salzgehalt der Meeresoberfläche I. 328; der Tiefen- schichten des Indischen Ozeans I. 342;. über Wirkung des Regenfalls auf den Salzgehalt I. 364; tägliche Periode der Oberflächentemperatur I. 386; über Konvektion der Wärme I. 394; über Sprungschichten I. 395; Temperatur- schwankung an der Oberfläche I. 407, 412 f. ; antarktische Temperaturen I. 431 f.; Isothermobathen I. 433; über antarktische Temperaturschichtung I. 435; Eisberge bei der Neufundlandbank I. 621; Messung der Wellenhöhen mit Aneroid II. 37, 42 f., 61; über Wellen- gruppen II. 66; Verhältnis der Wind- geschwindigkeit zurWellengeschwindig- keit II. 80; der Wellenhöhen zu den Wellenlängen II. 83; Schilderung einer Dünung II. 84; Schwankungen der Temperaturschichtung II. 196; Strö- mungen bei Messina II. 370; Karte der Meeresströmungen II. 417; über Vertikalzirkulation II. 492; über kaltes Auftriebwasser II. 533 ; Flaschenposten im atlant. Äquatorialstrom II. 652; Auffassung des Guineastroms IL 564 f. ; Achse d-Floridastroms IL 581 ; d. nord- atlantischeWestwindtrif t IL 687 ; kaltes Wasser der nordafrikanischen Küste IL 591 ; über die Golfstromtrift IL 593; über d. Labradorstrom IL 600 f. ; Tem- peratur d. BenguelastromsII. 613; Tem- peraturprofil durch den Atlantischen Ozean IL 614 (Fig. 173); Strom im Agäischen Meer IL 626; Flaschen- posten im Indischen Ozean IL 669, 672; über den Agulhasstrom IL 674; über die südindische Westwindtrift IL 679; Strömungen im Australasiatischen Mittelmeer II.*689; im Golf von Panama II. 700; über den Japanischen Strom IL 702; Temperaturprofil durch den Pazi- fischen Ozean IL 717 (Fig. 182) und Bodentemperatur desselben IL 719. Sohrader, Carl: Gezeiten in Finsch- hafen IL 402. 758 Register. S c h r e n c k, L. v. : Strömungen im Japanischen Randmeer II. 722; im Ochotskischen Meer II. 723. S c h u. Fr, : Temperaturen des Pazi- fischen Ozeans II. 717. Schubert, Joh. : Wärmeumsatz zwi- schen Meer und Atmosphäre I. 497. Schübeier: über tropische Fijüchte an der' üorwegischen Küste II. 650. Schulze, Dr. Franz: Strömungen bei Gjedser II. 640 f. Schwarzes Meer: ein Mittelmeer zweiter Ordnung I. 26; Entstehung I. 43; Tiefen I. 135; Bodensedimente. I. 178; Durchsichtigkeit I. 258; Schwefel- wasserstofiE der Tiefengewässer I. 300; Salzgehalt I. 331 u. 356; Temperaturen I. 467; Eisverhältnisse I. 618; Strö- mungen II. 630 f. Schwebungen bei Wellen II. 65. Schwefel im Meerwasser I. 216. Schwefelsäure (SOg) im Meerwasser I. 219; Anreicherung beim Gefrieren I. 604 f. Schwefelwasserstoff im Meerwasser I. 300 f. Schwellen I. 102; Größe I. 114. Scilly -Inseln: Hafenzeit II. 306, 340. Scoresby, Will. : Tieflotungen I. 70; über Durchsichtigkeit des Meeres I. 253; über olivgrünes Wasser I. 277; Temperaturmessungen I. 370; Wellen-' messungen II. 50; über kapillare Wellen II. 61; Wellenstillung durch Eis II. 97; Triften im Ostgrönland- strom II. 600. Scoresby Sund (Grönland): harmonische Konstanten II. 326. Scott, Rob. : antarktische Eisberge I. 523 f.; Wellonbilder II. 32. Sealark-Lotungen im Indischen Ozean I. 122. S e c c h i, Pater: beobachtet die Durch- sichtigkeit des Meeres I. 254. See = Seegang = Wellen II. 1 ff. S e e b a c h, Karl v. : über Wellengruppen II. 55. Seebär II. 172 f. Seebeben II. 133 f. Seebuch, hansisches: Wassertiefen I. 69; Bodenbeschaffenheit I. 152, Seemann, Carl: über abnormes Ver- halten der Wasser- zu den Lufttempe- raturen im Australasiatischen Mittel- meer I. 888. Seeraum: Bedeutung für das Wachstum der Wellen IL 67, 73 f. Seesalzlager, natürliche I. 164. See warte, Deutsche: Bestand an Schiffs- tagebüchern I. 5; Segelhandbücher IL 417; Resultate meteorologischer Beobachtungen für Eingradfelder des Atlantischen Ozeans IL 420. Seewasser s. Meerwasser. S e i b t, W. : selbstregistrierender ,Pegel IL 206 (Fig. 52). Seiche = stehende Welle IL 164 f. ; in- terne S. IL 194 f. Seichtwassertiden IL 248. Seine: Flutbrandupg (mascaret) IL 299,' 304. Seinebank I. 98. Selbständige Meeresräume I. 49. Semarang: harmonische Konstanten IL 392. Sembilangan: harmonische Konstanten IL 392. S e m m o 1 a, E. : Temperaturen des Tyrrhenischen Beckens I. 461. Serpulinenkalk I. 168. Setu-utschi: starker Gezeitenstrom IL 394. Severn, Flutbrandung IL 299. Seymour Narrows: harmonische Kon- stanten IL 399, 400. S h i e 1 d. Will. : Messung von Seicht- wässerwellen IL 28. Shortland, Kapt. : Tief lotungeh 1. 72. Siboga-Expedition I. 79. S i d e 1 1, W. H. : Niederschlag der Fluß- trübe in Seewasäer I. 166. Siedepunkt des Meerwassers I. 239; Be- rechnung I. 242. Siggeis I. 500. S i g s b e e, K!apt. : Lotmaschine I. 76; Wässerschöpfer L 326 (Fig. 41). Silber im Meerwasser I. 216. Silicium im Meerwasser I. 216. SiQgapore: harmonische Konstanten II. 392. Sinkfähigkeit von Kalkschalen I. 186. Sitka: harmonische Konstanten IL 399, 401. S i x: Erfinder des Indexthermometera I. 370 u. 375 (Fig. 60). Skagerrak: Tiefen I. 110; Salzgehalt- schichtung I. 350; Temperaturschich- tung L 481 f.; Gezeiten IL 361; Strömungen IL 638. Skalowskij, A. N.: Flaschenposten im Schwarzen Meer IL 631. Slipshavn: harmonische Konstanten IL 361. Smith, Kirstine: Strömungen beim Horns Riff IL 637. Smyth, Will. Henry: Wellenhöhen im Mittelmeer 11. 63; Windstau im Asowschen Meer IL 636; Stromsystem des Mittelmeers IL 619. Socoa: Dislokationswelle IL 166; Hafen- zeit IL 306; harmonische Konstanten IL 316. Register. 759 S ö r e n s e n, S. P. L. : Definition des Sal7gehalts I. 222, 234. Sofala: Gezeiten II. 373. Solenoide in der Bjerknesschen Theorie der Zirkulation II. 500. S o 1 e y, John C. : über die Strömungen im Golf von Mexiko II. 558; bei Kuba II. 576. Sonnenstrahlung: Bedeutung für die Meerestemperatur I. 380, 392, 496. Sonnentide II. 210 f., 245 f., 265; ab- norme Größe II. 411. Sonnstadt, E.: Gold im Meerwasser I. 217. So-o: harmonische Konstanten II. 399, 402. Soog IL 113 (Fig. 22); im Windstau 11. 533 f. S o r e t, Ch. : sogenanntes Soretsches Phänomen I. 344. S o r e t, J. : I ächtbrechung des See- wassers I. 250. Southampton: Gezeiten II. 340, 344 (Fig. 94). Spanische See: BegrijS I. 21; Zusammen- hang der Tiefengewässer mit dem Mittelmeer II. 617 f. Spektrum des Meerwassers 1. 271 (Fig. 40). Spezifisches Gewicht; Bestimmung I. 228 f.; Tabelle nach Knud'sen I. 232 u. 233. S p i n d 1 e r, J. W. : Durchsichtigkeit des Schwarzen Meers I. 258; Tem- peraturen des Marmormeers I. 466; des Schwarzen Meers I. 467 ; Strömung der Dardanellen II. 627; Tiefenströme im Schwarzen Meer II. 631. Spring, W. : über die Farbe der Ge- wässer I. 275, 278. Springtide II. 200, 216, 219. Sprung, Ad. : über die ablenkende Kraft der Erdrotation II. 450, 465. Sprungschicht I. 3Ö5f. Sprungwelle II. 290, 299 f. Staaten Insel: Hafenzeit II. 305. Stabilität, der Strömungen: Definition IL 441. Stade, H. : Temperaturen im Karajak- fjord I. 455. Stahlberge r, E.: stehende Wellen im Golf von Fiume IL 179. Staubablagerungen I. 165. Stauströme IL 533 f. Stauwasser IL 273. Stavanger: harmonische Konstanten IL 358. Stefan, J. : Beziehung der Eisdicke zur Gefriertemperatur I. 606. Steenstrup, K. J. V.: über grön- ländische Eisberge I. 519 f. Stehende Wellen IL 157. Steigendwasser — Flut IL 273. Steingründe (bes. der Ostsee) I. 104. Stenius, Sigurd: Formel für den osmotischen Druck des Meerwassera I. 240; Salzgehalt des Finnischen Golfs I. 351; über Verdunstung des See- wassers I. 367. Stenochron (bei Hafenzeiten) IL 244. S t e r n e c k, R. v. : Gezeiten des Mittel- meers IL 363 f.; der Adria II. 370 f. Stevenson, Thomas: über Wellen- höhen der Nordsee IL 54; Bedeutung des Seer^ums für die Wellenhöhen IL 67 f. ; steile Wellen der Pentlandföhrde IL 104; Verhältnis der Wellenhöhen zur Beckenbceite IL 107; über Klippen- brandung IL 109; Wellendynamometer IL 117; Abrasion an Tonufern IL 124. Stickstoff im Meerwasser I. 216; als Gas I. 293; Tabelle I. 296; als Ammoniak, Nitrit und Nitrat I. 319; Herkunft dieser Verbindungen I. 321. Stigazzi TL 179. Stiller Ozean 1. 20; vgl. Pazifischer Ozean. Stillwasser IL 273. S t o k, P. van der: harmonische Analys« der Gezeiten IL 260 f.; Haupttjrpen der Gezeiten IL 266; Gezeitenströme IL 279; über Totalintensität der Ge- zeiten IL 316; Gezeiten der nieder ländischen Küste IL 345, des Austral asiatischen Mittelmeers IL 384 ff. ; über Hilfsmittel der Gezeitenbeobach- tung IL 397; Strömungen an der niederländischen Küste IL 637', im Australasiatischen Mittelmeer IL 689« S t o k e s, G. G. : Wellenformeln IL 16? lange Wellenperioden IT. 92; Gruppen geschwindigkeit von Wellenzügen II- 97; interne Wellen IL 186 f. Strachan, R.: über den Guineastrom IL 562 f. Strandablagerungen I. 161. Strandbrandung IL 110, lJ2ff. Strandvertriftvmg IL 125 f., 728. Straßenmeer (im Parry-Archipel) I. 49. Streckung I. -31. Strodtmann, S. : Verhältnis der Ostseefische zum Salzgehalt J. 358. Strombeobachtung, Methoden IL 417 t. Stromeye.r:iiber Explosions- oder Dislokationswogen IL 137. Stromfläche I. 63. Stromkabbelungen IL 526 f. Stromkonstituenten IL 448. Stromversetzung IL 418 f. (Fig. 107). Strontium im Meerwasser I. 217. Stürmer IL 299 ff. Stufenbusen I. 46. Sturzseen IL 103. Sual: harmonische Konstant II. 303. 760 Register. Südäqnatorialströmung: atlAntische I. 409, IL 5491., 570 f. ; indisclie II. 670 f., pazifische 11. 695 f.. SüdafrUcanisohe Mulde I. 119; Boden- temperatur I. 432. Südaustralschelf I. 118. Südbrasilienschelf I. 113. Süd-Georgien: Hafenzeit II. 305; harmo- nische Konstanten II. 316. Südkap von Tasmanien: Grenzmeridian L 18. Südostpassättrift: atlantische II. 549 f. Südozean: Begriff I. 17. Südpolarexpedition, deutsche: lyotungen I. 84. S u e ß, Eduard: Einteilung der Meere I. 39; gegen Permanenz der Ozeane I. 54; Entstehung der Furchen I. 112; Her- kunft der Salze im Meer I. 226. Suez: Gezeiten II. 382 f. Sukadana (Borneo): harmonische Kon- stanten IL 392. Sulusee: Temperaturschichtung I. 456. Sumburgh Head: Hafenzeit IL 305. Sundagraben I. 116, 121. ßundastraße: Gezeiten IL 376; StrÖ- mirngen IL 691. Supan, Alexander: Weltwasser I. 7; Abgrenzimg des Antarktischen Ozeans I. 17; Stellung der Nordsee im System I. 26; Durchgangsmeere I. 27; Formen ujid Namen des Bodenreliefs I. 101; Gräben I. 115; Stellung des Eismeer- beckens I. 130; über Stra»dvertriftung IL 126. Surabaya: harmonische Konstanten IL 392. Suriname: Hafenzeit IL 305. Susaki: harmonische Konstanten IL 399, 401. Suttsu: harmonische Konstanten IL 407 Swatau: harmonische Konstanten II 393. Sydney: Dislokationswogen IL 142 f. : harmonische Konstanten IL 399, 403 S y m o n s, G. J. : Bericht über die Krakatau-Explosion IL 147; Bims steintriften aus der Sundastraße II 671. Syrten: Gezeiten IL 367. T. Tabaco: harmonische Konstanten IL 393. Tacloban: harmonische Konstanten IL 393. Tafelbai:. Hafenzeit IL 305, 313; har- monische Konstanten IL 316. Tahiti: Gezeiten IL 247, 403. Taketomischima: harmonische Konstan- ten IL 399, 402. Taku: harmonische Konstanten IL 406. Talautgraben I. 116. Tamatave: harmonische Konstanten IL 378. Tamsui: harmonische Konstanten IL 406. Tandjong Buton (Lingga): harmonische Konstanten IL 392. Tandjong Kalean (Banka): harmonische Konstanten IL 392. Tandjong Priok: harmonische Konstan- ten IL 392. Taraku : harmonische Konstanten IL 399. Tarr, R. S.: Wirkung des Treibeises auf Strandgeschiebe I. 167. Tasmaniaschelf I. 113. Tasmanisches Randmeer = Baßstraße I. 25. Tatarischer Golf : Gezeiten IL 408; Strö- mungen IL 722. Taube Gezeit = Nipptide IL 200. Tausend -Inseln: harmonische Konstanten IL 392. Taviunibank I. 98. Taylor, D. W.: Entstehung der Dünung aus den Windwellen IL 84. Telegraphenkabel: Projek+3 erfordern Tiefseelotungen I. 71 ; Verletzung durch Wellenbewegung in der Tiefsee IL 30. Tellereis I. 500. Temperaturschichtung der Ozeane I. 421 ff. Temperaturschwankung: an der Meeres- oberfläche I. 407; „individuelle T." I. 414; in den tieferen Schichten I. 417., Teplitzbai (Franz-Josepbs-Land): harmo* nische Konstanten IL 326. , T e r a d a, T. : über stehende Wellen IL 161 f., 184 f. Ternate: harmonische Konstanten IL 393. Terrigene Ablagerungen I. 155. T e s s a n, U. de: über den Japanischen Strom IL 702. Texel, Gezeitenströme bei IL 356. Textularien I. 210. Thermometer für Tiefseegebrauch I. 373 f.; träge L 370 u. 374. Thomson, Anthony: stehende Wellen IL 177, 180. Thomson, James: Orbitalbewegung bei Seichtwasserwellen IL 31. Thomson, Sir William = Lord Kel- vin. Thoms on, Sir Wyville: Leiter der Challenger -Expedition I. 73; erkennt zuerst den Walfischrücken I. 119, 432; den roten Tief seeton I. 192; über Kreide I. 210; über die kalten Bänder im Floridastrom IL 578; Tiefenstrom darm IL 581. T h o r a d e, H. : über den Kalifornischen Strom IL 706 (Fig. 180). Register. 761 Thorshavn: harmonische Konstanten IL 326. T h o u I e t, Jules: Sammehi von Boden- sedimenten I. 153; Klassifikation der- selben I. 154 f. ; Atlas der f ranzös. Küstengewässer I. 158; Bodensedi- mente des Golfs von Genua I. 177; über submarine Bergschlipfe I. 179; über treibenden Bimsstein I. 181; Sinkfähigkeit von Kalkschalen I. 186; Lösefähigkeit derselben I. 196; Durch- sichtigkeit des Meeres I. 264; Farben- skala I. 267; Wärmekapazität des Seewassers I. 279; Salzgehalte der Challenger -Expedition I. 336; interne Wellen IL 190; Berechnung von Druckgefällen IL 485; über Vertikal- zirkulation IL 492; Tiefenströme im Biskayagolf IL 595. Tiden = Gezeiten IL 199. Tidenhub IL 200. Tief (das) I. 102. Tiefenstrom, in W. Ekmans Theorie IL 528 f. Tief see-Expedition, deutsche, unter pari Chun I. 79. Tiefseelotung: Theorie I. 74; Genauig- keit I. 82. Tiefseeton I. 192 ff. Tierströme, sogenannte I. 278, IL 527. Tigreß, Trift im Labradorstrom IL 600. T i 1 1 o, General: berechnet die mittlere Tiefe der Ozeane L 138. T i z a r d, Kapt. : Brandung auf dem Wyville Thomsonrücken IL 111; Tem- peraturen daselbst IL 495 (Fig. 136). Tjilätjab:harmonischeKonstantenIL378. Toko (Formosa): harmonische Konstan- ten IL 393. Tongagraben I. 85, 116, 126; Boden- temperatur I. 431. Tongking-Hongkong- Schelf I. 113. Tontoli (Celebes): harmonische Kon- stanten IL 393. Tor eil, 0.: über Fundpunkte der Entada gigalobium IL 650. T o r n ö e, H. : Zusammensetzung des Meerwassers I. 221; Brechungsindei des Meerwassers I. 251 ; Gasanalyse von Meerwasser I. 294 u. 303. Toroßbildung (im Treibeis) I. 512. Tortugtis: harmonische Konstanten IL 333. Totalintensität der Gleiten, Definition IL 316. Tote See IL 64. Totwasser IL lÖ9f. Toulon: harmonische Konstanten II. 372. T o y n b e e, Kapt. : periodische Schwan- kung des Agulhasstroms IL 673; der BÜdindischenWestwindtriftll, 676, 680. T r a b e r t, W. : über Wärmestrahlung L 378. Trägheitskurve (der Erdrotation) IL 450; vielleicht Ursache von Stromkahbe- limgen IL 527. Transversale Wellen IL 1. Travailleur, Dampfer I. 79, 180. Travemünde: stehende Wellen IL 170; Gezeiten IL 360. Treibboje zur Strombeobachtung Tl. 423 (Fig. 108, 109). Treihholz: am Strande I. 163; Bedeutung für die Untersuchung von Meeres- strömungen IL 433, 661, 662. Trent: Flutbrandung IL 300, 304. Trichodesmium L 277. Triebsand I. 163. Triftkörper, als Hilfsmittel der Strom- beobachtung IL 433 ff. Triftströme: Gegensatz zu den „eigent- lichen" Meeresströmen IL 520; ent- stehen durch Windwirkung IL 521 f. Triftstromtiefe = Reibungstiefe IL 527. Trikymie IL 54. Trincomali: harmonische Konstanten IL 378. Trinidad (Westind.): Hafenzeiten II. 310, Trochoide IL 3. Trübe, feinste, im Meerwasser I. 180; Einfluß auf das spez. Gewicht I. 231. Tschemulpho: harmonische Konstanten IL 406. Tsientang, Flutbrandung darin 11. 301> 303. Tsunami IL 143, 184. Tsuschima Sund: harmonische Kon- stanten IL 407, Strom IL 722. T u 1 1 o c h, A. B. : über Windstau im Menzalehsee IL 536. Tunghaischelf I. 113. Turks Island: Hafenzeit IL 305, 30Ö; Hub IL 310. Turner, H. H. : Wirkung der unregel- mäßigen Meeresbedeckung auf die Ausbildung der Gezeiten IL 227. Tuscarora, Dampfer: Lotungen I. 74. Tuscarorakuppe I. 98. Tyrrhenisches Becken: Tiefen I. 133; Temperaturschichtimg I. 462; Ge- zeiten IL 366; Strömtmgen II. 622. U. Übertragungswellen IL 1; Experimente n. 23; im Flußgeschwelle IL 288 f. U 1 e, W. : photographische Methode zur Messung der Durchsichtigkeit des Wassers I. 259; Farbenskala I. 268. Umkippthermometer L 376 (Fig. 51). Unalga-Bai: harmonische Konstanten IL 399, 401. 762 Register. Unebenheit (nach Penck) I. 93. Ungleichheit: tägliche II. 210, 221 f.; halbmonatliche II. 221 f.; elliptische oder parallaktische II. 225; Ver- spätungen derselben II. 249; Be- deutung für Berechnung der Hoch- wasserzeit II. 271. üninodale Schwingung II. 166. Unselbständige Meeresräume I. 49. Ureis I. 525. Urville, Dumont d': mißt Tiefsee- temperaturen I. 371; Wellenhöhen II. 49; Herkunft des kalten Bodenwassers II. 491. Uvigerina pygmaea I. 171. V. Varberg: harmonische Konstanten II. 361. Vardö: harmonische Konstanten II. 326. Varenius, Bernhard: Größe des Welt- meers 1. 1 1 ; Einteilung der Meere I. 30; der Meeresstraßen I. 47; Tiefe des Weltmeers I. 69; kennt stehende Wellen II. 165; kennt die meisten Meeresströmungen II. 416; seine theo- retischen Ansichten darüber 11. 443; über Kompensationsströme II. 470, 472 ; Einteilung der Meerea^röme U. 520; über den Peruanischen Strom II. 716. Variation (Mondstörung) II. 226; Varia- tionstide U. 265. Ventilation der Tiefenschichten I. 301. Veracruz: harmonische Konstanten II. 333. V e r b e e k, R. D. M. : Explosionswogen des Krakatau II. 147. Verbindungsstrom, südatlantischer 11. 604, 610 f. Verdunstung des Mee^assers I. 243 f.; Wirkung auf den Salzgehalt I. 366; auf die Tiefentemperatur I. 393. Vestmanna-Inseln: Hafenzeit II. 305, 311. Vettor Pisani, Korvette: Lotungen I. 79. V i b e, Kapt. : über den Baltischen Strom:* im Skagerrak 11. 638. Victoria Harbour: harmonische Kon- stanten II. 399, 400. Vierzehn, die breiten I, 109. Vigiaa (zweifelhafte Untiefen) L 99 11. 133. Virtuelle Reibung bei Meeresströmungen n. 459. Viskosität des Meerwassers I. 281. Vöringen, norweg. Dampfer I. 79. V o g e 1, A.: Salze im Meerwasser I. 218. Vo g e 1, H. F. : Sp^trum des Wassers I. 271 (Fig 40). Volumen des Ozeans nach Zehngrad- ZQnen I. 146 (Fig. 22). Vorderflut, im» Flußgeschwelle II. 289. Vormeere I. 27 u. 42. Vossius, Isaac: kennt die meisten Meeresströmungen 11. 416; seine theo- retischen Ansichten II. 443, 520; über Kompensationsströme II. 470, 474; Strömungen der Adria II. 626. Vulkanische Auswürflinge, im Boden- sediment I. 167, 174. Vulkankuppen, unterseeische I. 98. W. W a d a, Y. : Temperaturen in den japanischen Gewässern I. 402, II. 721. Wärmekapazität des Meerwassers I. 279. Wärmeleitung im Seewasser I. 280. Wärmequellen des Meerwassers I. 377. Wärmestrahlung verschieden temperier- ter Schichten I. 378 u. 391. Wärmeumsatz zwischen Meer u. Atmo- sphäre I. 496 f. Wagner, Hermann: Areal von Land und Wasser I. 7; Neuseeländisches Randmeer I. 26; Areale der Tiefen- Stufen I. 86; mittlere Tiefen der Zehngradzonen I. 141; schaSt die Begräe Land- und Wasserblock 1. 148. W a g n e r, W., Kapt. : über Strömungen im Australasiatischen Mittehueer II. 689 f. Wahnschaffe, F.: Korndurchmesser der Sedimente I. 157. Waini: Hafenzeit II. 305; Hubhöhe II. 310. Waischima: harmonische Konstanten II. 407. Wakanai: harmonische Konstanten II. II. 407. Wakeham, W.: Strömungen in der Hudsonbai II. 664. Walfischrücken I. 119. Walker, W.: Messung von Seicht- wasserwellen n. 26. Wallace, A. R.: Brandung an der Lombokstraße IL 116. W a 1 1 h e r, Joh.^ über Bodensedimente L 166; Dolomitisierung I. 169; über Tiefseebildungen in älteren Forma- tionen I. 211; Permanenz der Ozeane I. 214; Kohlensäure im Tiefenwasser I. 313. Wandel, C. F. : Lotungen der Ingolf- Expedition I. 117; Strömungen bei Island IL 697; im Europäischen Nord- meer n. 653. Wanderwellen IL 128. Warnemünde: Gezeiten 11. 360 (Fig. 98). Washington, Italien. Dampfer I. 79. Wasserbkxsk I. 148. Wasserhalbkugel I. 14 Register. 763 Wasserhimmel (im Eisgebiet) I. 515. Wasserschöpfapparate I. 324 f. Waterwitchbank I. 98. Watten I. 162. Webek (Labrador): Hafenzeit II. 305. Weber, H. F. : Wärmeleitung im Wasser I. 280. Weber, Leonhard: über Radioaktivität des Meerwassers I. 291. Weber, E. H. u. W.: Wellenlehre II. 5; Messung der Wellengeschwindigkeit im Experiment II. 22; über Ent- stehung der Wellen II. 58, 79; stehende Wellen II. 157 f. Weber, Max: Bodensedimente der Bfindasee I. 173. Weddellmeer: BegriflE I. 21; Strömung II. 682. Wedderbuirn, E. M.: über interne Wellen IL 188, 190, 192; über Trift- ströme in geschichtetem Wasser IL 539. W e e r e n, J. M. : Differenzialmanometer als Lot I. 81. Wegemann, Georg: Dichtigkeits- fläche des Nordatlant. . Ozeans I. 55; über Wärmeleitung in die Tiefen I. 391 ; Abtragung der schleswigschen Ostküste durch Brandung IL 123; stehende Wellen in griechischen Gewässern IL 180; Eintagsschwingung des Golfs von Mexiko IL 333; Gezeiten der griechischen Gewässer IL 370; über Dichtigkeitsflächen IL 483; Berech- nung der Windrichtung und -stärke aus Isobarenkarten IL 544; Strom- fläche der Irmingersee IL 593, 597, des Ostgrönlandstroms II. 599 (Fig. 170). Weihaiwai: harmonische Konstanten II. 406. Weißes Meer: Salzgehalt I. 347; Tem- peraturen I. 448; Gezeiten IL 324 f. Weitlaner, Fr. : Messung der Wellen- höhen IL 35 ; über Wellengruppen IL 55. Wellenbewegung: wirkt wärmeaus- gleichend I. 381. Wellenbreite IL 6. Wellendynamometer: nach Stevenson IL 117 (Fig. 23); nach Gaillard IL 117. Wellenfurchen IL 196 f. Wellenhöhe: IL 5; Messung IL 36. Wellenkarten IL 86 (Fig. 21). Wellenlänge IL 5; in tiefem Wasser IL 9. Wellenstfflung IL 97. Wellenzug: Geschwindigkeit im ganzen IL 90, 90. Wellington: harmonische Konstanten IL 399, 403. Weltwasser I. 7. Wertheim, G.: über Schallwellen im Wasser I. 288. Weser: Gezeiten IL 277, 292, 293, 295,297. Woser-Feuerschiff, Gezeitenströme IL 277 (Fig. 77), 287. Weser-Rotersand: harmonische Konstan* ten IL 358. Westaustralische Strömung IL 676. West-Hartlepool: harmonische Konstan- ten IL 358. Westphal, A.: Niveau der Ostsee I. 59; siehende Wellen derselben IL 168, 171; Gezeiten IL 360. Westwindtrift: nordatlantische IL 585; südindische IL 676; nordpazifische IL 704; südpazifische 11. 710. W e y e r, D. : Vorausberechnung der Gezeiten IL 271. Weyprecht, Karl: Schmelzen und Verdunsten des Meereises I. 513. W h a r t o n, W. J. L. : Explosionswogen des Krakatau IL 147; Strömung in den Dardanellen IL 627. W h e e 1 e r, W. H. : Seegang durch Ge- zeiten herbeigeführt IL 66; stehende Wellen im Humber IL 176; Gezeiten- ströme bei Sunderland IL 274; Flut- brandung im Trent IL 300. W h e w e 1 1, W. : Berechnung der Ge- zeiten IL 232; cotidal lines IL 233. White, W. H. : Orbitalbewegung der Wellen" IL 4, 8. . Widersee IL 108. Wien, W. : über Wellenbewegung II. 5; Entstehung der Wellen IL 61; Be^ Ziehung d, Wellenform zumWindell. 64. W i 1 d, E. : Durchsichtigkeit des Wassers I. 265. Wilhelmshaven: harmonische Konstanten IL 358. W i 1 k e s, Charles: Lotung mit Kupfer- draht I. 75; Beobachtung der Durch- sichtigkeit des Seewassers I. 264; Messung der Wellenhöhen IL '36; Beobachtung des Falklandstroms II. 607 ; Strömimgen in hohen Südbreiten IL 683; im Nordpazifischen Ozean IL 693; japanische Wracktrift nach Van- couver II. 705. Wille, Itapt. : Wasserschöpfapparat L 325. Williams, Jonathan: thermometri- sche Navigation I. 373. Wilmington (NK.): harmonische Kon- stanten IL 316. Wilson-Barker, Kapt. : über W6l- lonhöhen IL 54. Winde: bewirken Niveaustörüngen in der Ostsee I. 61, IL 616, im Monsun- gebiet 1. 62; Ursache der Wellen- bildung IL 58 ff. ; Stärkeskala IL 70; als Ursache der Meeresströmungen U. 447 f. ; Berechnung der Windrichtung u. -stärke aus Isobarenkarten IL 643 f. 764 Register. Windfläche I. 63. Windlipper (engl. = Kapillarwellen) II. 61. Windstau: II. 532 f. Windwardpassage: Temperaturen I. 458. W i n k 1 e r, L. W. : Methode der Sauer- stofEbestimmung I. 295. Wirbel: wirken wellendämpfend II. 102, 105; in Meeresströmen II. 527. Wismar: Gezeiten II. 360 (Fig. 98). Wisotzki, Emil: Verteilung von Wasser und Land I. 11; Begriff der interkontinentalen Mittelmeere I. 29; Geschichte der Strombeobachtungen im Bosporus II. 628; desgleichen in den Selten II. 642. Wissemann, W.: über Berechnung von Dichtigkeitsflächen II. 483; Syn- these der Strömungen im Schwarzen Meer II. 631. W i-t t e,. E. : über Vertikalzirkulation IL 456, 491, 508. W i 1 1 i n g, Rolf: Thermik des Bottni- schen Golfs I. 470 f.; Gezeiten der finnischen Gewässer IL 360; über Fehlerquellen der Strömbeobachtung IL 425; elektrischer Strommesser IL 429; über die Ablenkung der Trift- ströme durch die Erdrotation IL 453; Wirkung des Luftdrucks auf den Wasserstand IL 517; Strömungen im Bottnischen Golf IL 646 f. W. L. White (Schoner): Wracktrift IL 588. W o j e i k o f f , Alex. : Eisbildimg in den Polarmeeren IL 493; Konstanz des pazifischen Südostpassats IL 716. Wolf, Julius: über ^Durchsichtigkeit des Wassers der Adria I. 264, 257; Strö- mungen der Adria IL 626. Wolf, Th.: Temperaturen bei dwi Gal4pagos-Inseln IL 695; an der West- küste von Ecuador IL 716. W o 1 f e n d e n, R. N. : Strommessungen auf der Gettysburgbank IL 307; über den Ausstrom des Mittelmeerwassers in den Atlant. Ozean IL 617; Untersuch- ung der Färö-Shetland-Rinne IL 653. WrackteiEten: nützlich für das Studium der Meeresströme IL 435; insbesondere nordatlantische IL 580, 588; süd- indische IL 678; nordpazifische IL 705. W r a n g e 1 1, F. V. (der Ältere): über die Strömungen im sib. Nordmeer IL 660. Wrang eil, Ferd. v. : Durchsichtigkeit des ^ht(rarzen Meeres I. 258; Tem- peraturen desselben I. 467; zur Trift- theorie der Meeresströme IL 623; Tiefenströme im Schwarzen Meer IL 631. Wusung: harmonische Konstanten IL 406. Wyville-Thomson-Rücken: Tiefen I. 12Ö; Brandung darauf IL 111; sedimentfrei IL 496. X. Xanthometer (Farbenskala) I. 267. Yamakawa: harmonische Konstanten IL 399, 401. Yamasaki, N.: über das Straßen- meer Seto-utschi IL 394. Yangtse: Flußwasser in See I. 364. Flutgrenze IL 287, 405; Yapgraben I. 116. Yokohama: harmonische Konstanten IL 399, 401. Yota IL 184, Y o u n g, Thomas: dynamische Theorie der Gezeiten IL 231 f. Yucatanbecken: Tiefen I. 130; Tem- peraturen I. 458. Yucatanstraße: Strom IL 559, 576. Z. Zähigkeit des Meerwassers I. 281. Z a h n, G. v. : Brandung an Steilküsten IL 110; Strom im Golf von Mexiko IL 568. Zaiin (Tierströme) I. 278, IL 627. Zenitflut IL 217. Zentrifugalkraft: Bedeutung für die Ge- zeitentheorie iL 212; für die Ent- stehung der Meeresströmungen IL 446, Zernmg der Wasserschichten durch Strombewegung I. 411, 496, II. 616, 690, 694, 696. Zimmermann, E.. A. W. : Flächen- verhältnis von Land zum Wasser I. 12. Zink im Meerwasser I. 217. Zirkulationsbeschleunigung IL 499 f. Zlttel, Karl: über die Kreide L 210. Zöppritz, Karl: Niveauerhöhung der Tropenmeere I. 55; die ablenkende Kraft der Erdrotation IL 450; über Stromteilung IL 470; über polare Her- kunft des Tiefenwassers IL 489 f.; Statik der Polarmeere IL 493; be- gründet die Trifttheorie der Meeres- ströme IL 521 f. ; über den Windstau II, 633, 537. Zugaagsbreite I. 31. Zunge, sogenannte, des Ostislandstroms IL 663 (Fig. 176). Zusammendrückbarkeit des Meerwassers I. 284; Tabelle I. 288. Zwischenmeer: Begriff I. 27. Zwischenstrom, im Engl. Kanal IL 346. Zykloide IL 3, Zyklonale Stromsysteme IL 487, 642. Berichtigungen zu Band I. S. 13, Bemerkung zur Tabelle: Die Arealsummen der Hemisphären am Schlüsse der Tabelle sind nicht die Summen der darüberstehenden Einzelzonen, sondern sind der späteren Tabelle S. 143 entnommen. Dieser wieder liegen für den Bereich zwischen 60° N. und 60" S. B. die Wagner sehen Werte zugrunde, während für die Polar- gebiete eigene, inzwischen revidierte Areale eingesetzt sind. S. 61, Z. 4 V. o. lies Daussy. S. 70, Z. 22 V. o. lies Pater Foumier. S. 75, Z. 34 V. o. füge das Zitat hinzu: Populär Lectures and Addresses Bd. 3, London 1891, S. 327; die erste Tiefseelotung wurde am 29. Juni 1872 in der Biskaya- bai mit 2700 Faden von ihm ausgeführt. S. 89 f. Die Ausrechnung des kritischen Böschungswinkels ist verfehlt. Es mußte vom Winkel OCÖj ausgegangen werden, also 2 ß der Figur. Der Charakter der Kurve B jP ist durch die zwei bekannten Punkte B und F allein nicht bestimmt, vielmehr könnte jenseits F im Radius O^C eine noch größere Tiefe liegen, so daß unter Oj die konvexe Form des Meeresbodens bewahrt bliebe. Es sind also, wie Fig. 17 auch nicht anders angibt, an der Profilkurve drei Punkte erforderlich: drei Lotungen, oder zwei Lotungen und ein Küstenpunkt, oder zwei Küstenpunkte mit einer Lotung dazwischen. S. 90, Z. 3 des Kleindrucks Ues 0» 9' statt 00 3' 24". S. 90, Z. 6 des Kleindrucks lies 33 m statt 12.5 m. S. 90, Z. 11 des Kleindrucks Ues 2 «30' statt 2« 10'. S. 90, Z. 14 des Kleindrucks Ues 2270 statt 2628 m. S. 94, Z. 8 V. u. lies 0.93 statt 1.1. S. 109, Z. 16 V. o. Ues SUver Pit. S. 113, Z. 9 V. o. lies Guayanaschelf. S. 116, Z. 5 V. u. lies 18476. S. 128, Z. 3 V. u. lies at statt et. S. 150, Z. 21 V. u. lies 577 statt 553. S. 150, Z. 20 V. u. Ues 577 : 1330 = 1 : 2.3. S. 150, Z. 19 V. u. statt „in der Tat": nicht ausreichend. S. 163, Z. 15 V. u. lies Treibhölzer in den Tropen. S. 204, Z. 3 V. o. Ues Strontiumsulfat statt .^anthin. S. 209, Z. 6 V. u. Ues Aragonit statt Palagonit. S. 212, Z. 2 V. o. : die Primordialschiefer sind nicht die ältesten fossilführen- den Schichten; es sind unter- und präkam brische bekannt. Die Primordialschiefer sind als Seichtwasserbildung anerkannt. S. 236 soUen die Formeln lauten: h ' df Dif *' ^^■°' »17.6» 8. 247, Z. 1 V. u. Ues 2190 mm. S. 248, Z. 17 u. 19 V. u. Ues Camden. S. 253, Z. 7 V. u. lies Duperrey. S. 284, Z. 20 V. u. tilge „d«8 oder". S. 286, Z. 6 V. o. lautet der Ausdruck in der großen Klammer: (1 + ^,2-34,). 766 Berichtigungen. S. 286, Z. 16 V. o. lies *' 13.5956 S. 288, Z. 4 V. u. lies 9.81 X 0.76 x 13.596. S. 303, Z. 12 V. u. lies Salzanalysen. S. 346 Unterschrift der Figur, Z. 2, lies für Mai Juni. S. 351, Z. 3 V. u. lies Nr. 15 statt 19. S. 401, Z. 9 V. o. lies 18.90 statt 18.40. S. 401, Z. 10 V. o. lies 23.94 statt 23.74. S. 403, Z. 1 v.o. lies 31/4" statt 2^4 "• S. 429, Z. 8 V. u. Ues S. 339 statt 389. S. 497, Z. 7 V. o. lies Jul. statt Jos. Schlußtabelle I, Z. 7 v. u. lies 8816 statt 8315. Berichtigungen und Zusätze zu Band II. S. 6, Z. 22 V. o. lautet die Formel p = rc" «l»". S. 162, Z. 10 V. u. setze hinzu als Anm. *): „Eine Quartiokurve ist nach eng- lischer Außdrucksweise eine Parabel vierten Grades {y = x*). S. 299, Z. 8 V. u. lies 1886. S. 373, Z. 4 der Tabelle lies Tanga. S. 585, Z. 4 v.o. lautet: „auch nicht in der Höhe der Oberflächentemperaturen, wohl aber in seinem gesamten Wärmevorrat" usw. Tabellenanhang. TabeUe 1. Geschwindigkeit der langen Wellen nach der Lagrangeschen Formel c = X/gv» V "^ Meter, g für 45®Br. in Seemeilen pro Stunde. Tiefe 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 m Sm Sm Sm Sm Sm Sm Sm Sm Sm Sm 0 0.0 6.1 8.6 10.5 12.2 13.6 14.9 16.1 17.2 18.3 10 19.3 20.2 21.1 22.0 22.8 23.6 24.3 25.1 25.8 26.5 20 27.2 27.9 28.6 29.2 29.8 30.4 31.0 31.6 32.2 32.8 30 33.3 33.9 34.4 36.0 35.5 36.0 36.6 ^7.0 37.5 38.0 40 38.5 39.0 39.5 39.9 40.4 40.8 41.3 41.7 42.2 42.6 50 43.0 43.5 43.9 44.3 44.7 45.0 45.6 46.0 46.4 46.8 60 47.2- 47.5 47.9 48.3 48.7 49.1 49.5 49.8 60.2 60.6 70 Ö0.9 51.3 51.7 52.0 52.4 52.7 63.1 63.4 53.8 54.1 80 1 54.4 54.8 55.1 55.5 55.8 66.1 56.6 56.8 57.1 67.4 90 57.8 58.1 58.4 58.7 59.2 59.3 .69.7 60.0 60.3 60.6 Tiefe 0 10 20 30 40 60 60 70 80 90 m Sm Sm Sm Sm Sm Sm Sm Sm Sm Sm 100 60.9 63.8 66.7 69.4 72.0 74.6 77.0 79.4 81.7 84.0 200 86.1 88.2 90.3 92.3 94.3 96.3 98.2 100.0 101.9 103.7 300 105.4 107.2 108.9 110.6 112.2 113.9 115.5 117.1 118.6 120.2 400 121.7 123.2 124.8 126.2 127.7 129.1 130.6 132.0 133.4 134.8 500 136.1 137.5 138.8 140.1 141.5 142.8 144.0 145.3 146.6 147.8 600 149.1 150.3 151.6 162.7 164.0 155.2 156.4 157.5 158.7 169.9 700 161.1 162.2 163.3 164.6 165.6 166.7 167.8 168.9 170.0 171.1 800 172.2 173.3 174.3 176.4 176.4 177.4 178.4 179.5 180.6 181.6 900 182.6 183.6 184.6 186.6 186.6 187.6 188.6 189.6 190.6 191.5 Tiefe 0 100 200 300 400 600 600 700 800 900 m 8m Sm Sm Sm ■Sm Sm Sm Sm Sm Sm 1000 192.5 201.9 210.9 219.5 227.8 235.8 243.6 261.0 258.3 265.3 2000 272.2 279.0 285.5 291.9 298.2 304.4 310.6 316.3 322,1 327.8 3000 333.4 338.9 344.3 349.7 354.9 360.1 365.2 370.3 376.4 380.4 4000 385.0 389.8 394.5 399.2 403.8 408.3 412.9 417.3 421.7 426.1 5000 430.4 434.7 438.9 443.2 447.3 460.4 455.6 459.6 463:6 467.6 6000 471.5 475.4 479.3 483.2 487.0 490.8 494.6 498.3 602.0 606.6 7000 609.3 512.9 616.5 620.1 623.7 627.2 530.7 634.2 537.6 541.0 8000 544.5 547.9 651.2 654.6 558.0 661.1 564.6 667.8 571.1 674.2 9Ö00 577.6 680.6 583.8 587.0 591.6 693.3 596.6 699.6 602.6 606.6 KrAmmel, Ozeanographie. 11. 49 Tabelle 2. Verwandlung von cm pro Sekunde in Knoten oder Seemeilen pro Stunde. cm 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 Sm 0.00 Sm 0.02 Sm 0.04 Sm 0.06 Sm 0.08 Sm 0.10 Sm 0.12 ,Sm 0.14 Sm 0.16 Sm 0.17 10 20 30 0.19 0.39 0.58 0.21 0.41 0.60 0.23 0.43 0.62 0.25 0.46 0.64 0.27 0.47 0.66 0.29 0.49 0.68 0.31 0.51 0.70 0.33 0.52 0.72 0.35 0.54 0.74 0.37 0.66 0.76 40 50 60 0.78 0.97 1.17 0.80 0.99 1.19 0.82 1.01 1.21 0.84 1.03 1.22 0.86 1.06 1.24 0.87 1.07 1.26 0.89 1.09 1.28 0.91 1.11 1.30 0.93 1.13 1.32 0.95 1.15 1.34 70 80 90 1.36 1.56 1.75 1.38 1.57 1.77 1.40 1.59 1.79 1.42 1.61 1.81 1.44 1.63 1.83 1.46 1.66 1.86 1.48 1.67 1.87 1.50 1.69 1.89 1.52 1.71 1.91 1.54 1.73 1.92 100 1.94 1.96 1.98 2.00 2.02 2.04 2.06 2.08 2.10 2.12 110 120 130 2.14 2.33 2.63 2.16 2.36 2.65 2.18 2.37 2.S7 2.20 2.39 2.69 2.22 2.41 2.60 2.24 2.43 2.62 2.26 2.45 2.64 2.27 2.47 2.66 2.29 2.49 2.68 2.31 2.51 2.70 140 lÖO 160 2.72 2.92 3.11 2.74 2.94 3.13 2.76 2.96 3.16 2.78 2.97 3.17 2.80 2.99 3.19 2.82 3.01 3.21 2.84 3.03 3.23 2.86 3.05 3.25 2.88 3.Ö7 3.27 2.90 3.09 3.29 170 180 190 i.30 3.50 3.69 3.32 3.52 3.71 3.34 3.54 3.73 3.36 3.56 3.75. 3.38 3.58 3.77 3.40 3.60 3.79 3,42 3.62 3.81 3.44 3.64 3.83 3.46 3.65 3.85 3.48 3.67 3^87 200 3.89 3.91 3.93 3.95 3.97 3.99 4.00 4.02 404 406 210 220 230 4.08 4.28 4.47 4.10 4.30 449 4.12 4.32 4.51 4.14 4.34 4.53 4.16 4.35 4.55 4.18 4.37 4.67 4.20 4.39 4.59 4.22 4.41 4.61 424 443 463 4.26 445 466 240 260 260 4.67 4.86 5.05 4.69 4.88 5.07 4.70 4.90 5.09 4.72 4.92 5.11 4.74 4.94 5.13 4.76 4.96 5.15 4.78 4.98 5.17 4.80 5.00 5.19 482 5.02 5.21 484 5.03 5.23 270 280 290 5.25 5.44 5.64 5i27 5.46 5.66 5.29 5.48 6.68 5.31 5.50 5.70 5.33 5.62 5.72 5.35 5.54 5.73 5.37 5.66 5.76 5.38 5.58 5.77 5.40 5.60 5.79 5.42 5.62 5.81 Tabelle 3. Verwandlung von Seemeilen pro Etmal in cm pro Sekunde. Seem. .0 .1 .2 .3 .r .5 .6 .7 .8 .9 1 cm cm cm cm i cm i cm - cm cm cm cm 0 0.00 0.21 0.43 0.64 0.86 1 1.07 1.29 1.50 1.71 1.93 1 2.14 2.36 2.57 2.79 3.00 1 3.22 3.43 3.64 3.86 4,07 2 4.29 4.50 4.72 4.93 5.14 1 6.36 5.57 6.79 6.00 6.22 3 6.43 6.64 6.86 7.07 7.29 i 1 7.50 7.72 7.93 8.15 8.36 4 8.57 8.79 9.00 9.22 9.43 1 9.66 9.86 10.07 10.29 10.50 5 10.72 10.93 11.15 11.36 11.58 1 11.79 12.00 12.22 12.43 12.65 6 12.86 13.08 13.29 13.50 13.72 13.93 14.15 14.36 14.58 14.79 7 16.00 15.22 15.43 15.65 15.86 16.08 16.29 16.51 16.72 16.93 8 17.16 17.36 17.58 17.79 18.01 i 18.22 18.43 18.65 18.86 19.08 9 19.29 19.51 19.72 19.93 20.15 I 20.36 20.58 20.79 21.01 21.22 10 21.44 21.65 21.86 22.08 22.29 i 22.51 22.72 22.94 23.16 23.36 11 23.58 23.79 24.01 24.22 24.44 24.65 24.87 25.08 25.29 25.51 12 25.72 25.94 26.15 26.37 26.58 26.79 27.01 27.22 27.44 27.65 13 j 27.87 28.08 28.29 28.51 28.72 28.94 29.15 29.37 29.58 29.80 14 1 30.01 30.22 30.44 30.65 30.87 31.08 31.30 31.51 31.72 31.94 15 32.16 32.37 32.58 32.80 33.01 33.22 33.44 33.65 33.87 34.08 16 34.30 34.51 34.73 34.94 35.15 35.37 35.58 35.80 36.01 36.23 i 17 36.44 36.65 36.87 ^7.08 37.30 37.51 37.73 37.94 38.15 38.37 18 38.58 38.80 39.01 39.23 39.44 39.66 39.87 40.08 40.30 40.51 19 40.73 40.94 41.16 41.37 41.58 41.80 42.01 42.23 42.44 42.66 20 42.87 43.09 43.30 43.61 43.73 43.94 44.16 44.37 44.59 44.80 21 45.01 45.23 46.44 45.66 45.87 46.09 46.30 46.51 46.73 46.94 22 47.16 47.37 47.69 47.80 48.02 48.23 48.44 48.66 48.87 49.09 23 49.30 49.52 49.73 49.94 50.16 60.37 50.59 50.80 51.02 51.23 24 61.44 51.66 51.87 52.09 52.30 62.52 62.73 62.96 63.16 63.37 26 63.59 53.80 64.02 54.23 64.45 54.66 64.87 66.09 55.30 55.52 26 65.73 66.95 56.16 56.38 66.69 66.80 67.02 67.23 67.45 67.66 27 57.88 58.09 68.30 68.62 58.73 68.96 69.16 69.38 69.69 59.80 28 60.02 60.23 60.46 60.66 60.88 61.09 61.31 61.62 61.73 61.96 29 62.16 62.38 62.69 62.81 63.02 63.23 63.45 63.66 63.88 64.09 30 64.31 64.62 64.73 64.96 66.16 66.38 66.69 66.81 66.02 66.24 VgRLAG VON J. ENGELHORNS NACHF. IN STUTTGART Die Oberflächengestaltung des Norddeutschen Flachlandes Von Prof. Dr. Felix WahnschaflPe Geheimer Bergrat, Dozent an der Bergakademie und Privatdoircnt an der Universität Berlin Mit 24 Beilagen und 39 Textillustrationen Dritte, neubearbeitete und vermehrte Auflage Preis 10 Mark, in Leinwand gebunden 11 Mark Anleitung zur Deutschen Landes- und Volksforschung Bearbeitet von A. Penck, G. Becker, M. Eschenhagen, R.Afimann, 0. Drude, W. MarshatI, 0. Zacharias, J. Ranke, F. Kauffmann, U. Jahn, A. Meitzen, W. Götz Im Auftrag der Zentralkommissiou für wissenschaftliche Landeskunde von Dentsohland Herausgegeben, von Alfred Kirchhoff Mit einer Karte und 58 Abbildungen im Text. = Preis M. 16.— Handbücher zur Deutschen Landes- und Yolkskunde Herausgegeben von der Zentralkommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland Deutschlands Pflanzengeographie Von Dr. Oscar Drnde Professor an der Technischen Hochschule, Direktor des Botanischen Gartens %u Dresden Erster Teil. = Preis M. 16.— Die Gletscher der Ostalpen Von Dr. Eduard Richter ord. Professor der Geographie an der Universität Graz Preis M. 12.— VERLAG VON J. ENGELHORNS NACHF. IN STUTTGART Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde Im Auftrage der Zentralkommission für Wissen- schaftliche Landeskunde von Deutschland herausgegeben von Geh. Regierungsrat Dr. Fr. G. Hahn Professor der Erdkunde an der Universität Königsberg Die »»Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde** er- scheinen seit 1885 im Auftrag der vom Deutschen Geographentag ins Lehen gerufenen Zentralkommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland. Sie füllen als die umfassendste Veröffentlichung dieser Kommission bereits achtzehn stattliche Bände mit wertvollen Kartenbeigaben und haben sich einen guten Namen in. der geographischen Literatur erworben. Die ,, Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde" sollen dazu helfen, die heimischen landes- und volkskundlichen Stadien zu fördern, indem si« aus allen Gebieten derselben bedeutendere und in ihrer Tragweite über ein bloß örtliches Interesse hinausgehende Themata herausgreifen und darüber wissenschaftliche Abhandlungen hervorragender I^achmänner bringen. Ein kostbarer Schatz zur tieferen Erkenntnis von Land und Volk ganz Mitteleuropas, insbesondere des deutschen Volkstums und des deutschen Vater- landes, ist in dieser Sammlung niedergelegt; eine breite und sichere Grund- lage zur Weiterforschung auf diesem weiten Gebiet. Keine deutsche Bibliothek zumal kann als genügend für Vaterlandskunde ausgestattet erachtet werden ohne Besitz der „FORSCHUNGEN ZUR DEUTSCHEN LANDES- ÜND VOLKSKUNDE". Verzeichnisse mit Preisangabe über die in den „Forschungen" Bd. I bis XVill erschienenen Abhandlungen sendet auf Verlangen die Verlagshandlung. Jedes Heft ist einzehi käuflich. Die Sammlung wird fortgesetzt. GC 11 K7S 1907 Bd. 2 Krümmel, Otto Handbuch der Ozeanographie 2., völlig neu bearb. Aufl. PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY 5 ^'^ 'i*..*^^. ^r^^?ya-#:^ f:*i»i^ ■».>«&"^'' *' .v^.^^ ^'; ^^1; ^^^\^^ ■*Är.v«ii .;>w^.-r5;-v ofcT*^ >^^ i •■.,'" ■!.-. ^>^ "^