y-^^&i^f V '''/■*" . SB BSES. k..:..?^,^^^. ^,. Handbuch der pathogenen Mikroorganismen Unter Mitwirkung von Medizinalrat Dr. Rudolf Abel, Berlin. Prof. Dr. Axenfeld, Freibiu-g i. B., Prof. Dr. V. Babes, Bukarest, Prof. Dr. M. Beck, Berlin, Privatdozeut Dr. Blumenthal, Berlin, städt. Ober -Tierarzt Bongert, Berlin, Professor Dr. O. Busse, GreifsTrald, Prof. Dr. G. Cornet, Berlin, Stabsarzt Privatdozent Dr. Dieudonne, Würzburg, Dr. F. Doflein, München, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Dönitz, Berlin, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Ehrlich, Frankfurt a. M., Prof. Dr. van Ermengem, Gand (Belgien), Prof. Dr. Th. Escherich, Wien, Privatdozent Dr. E. Friedberger, Königsberg i. Pr., Tierarzt Glage, Hamburg, Dr. E. Gotsehlich, Alexandrien, Prof. Dr. M. Hahn, München. Prof. Dr. Armauer Hansen, Bergen, Stabsarzt Dr. Hetsch, Berlin, Prof. Dr. Hofer, München, Prof. Dr. C. O. Jensen, Kopenhagen, Tierarzt Dr. Joest, Stettin, Prof. Dr. Kitt, München, Prof. Dr.W.Kolle, Berlin, Reg.-Rat Prof. Dr. H. Kossei, Berlin, Dr. O. Lentz, Berlin, Prof. Dr. von Liingelsheim, Beuthen (Oberschlesien), Dr. Lipstein, Frankfurt a. M., Stabsarzt Prof. Dr. Marx, Frankfurt a. M., Prof. El. Metschnikoff, Paris. Dr. Arthur Meyer, Berlin, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. A. Weisser, Breslau. Prof. Dr. M, Neisser, Frankfurt a. M., Dr. F. Neufeld, Berlin, Prof. Dr. Noeard, Alfort, Dr. C. Oppenheimer, Berlin, Prof. Dr. Ostertag, Berlin, Prof. Dr. Paltauf, Wien, Dr. J. Petruschky, Danzig, Prof. Dr. M. Pfaundler, Graz, Dr. H. C. Plaut, Hamburg, Prof. Dr. Preisz, Budapest, Dr. S. von Prow^azek, München, Marine-Oberstabsarzt Dr. Reinhold Rüge, Kiel, Prof. Dr. Schlegel, Freiburg i. B., Privatdozent Dr. Scholtz, Königsberg, Prof. Dr. Sobernheim, Halle a. S., Prof. Dr. A. Wassermann, Berlin, Hofrat Prof. Dr. Weichselbaum, Wien, Prof. Dr. Wernicke, Posen, Dr. Wladimiroflf, Petersburg, nebst mikrophotograpliiseliem Atlas, zusammengestellt von Prof. Dr. E. Zettnow, Berlin, herausgegeben von Prof. Dr. W. Kolle mui Prof. Dr. A. Wassermann in Berlin Erster Band. Mit 3 Tafeln und 376 teilweise farbigen Abbildungen im Text. Jena Verlag von Gustav Fischer 1903. VORWORT. Die Bakteriologie und in innigem Zusammeuhange mit ihr die Lehre von den Mikroorganismen in weiterem Sinne hat in den wenigen Jahren, seitdem ihr durch die Forschungen v(m Robert Koch und Pasteuk eine sichere Grundhige zum wissenschaftlichen Ausbau gegeben worden war, eine solche Ausdehnung in Bezug auf Vielseitigkeit der Probleme, Menge der neuermittelten Thatsachen und Umfang der Litteratur an- genommen, dass ein einzelner Mensch unmöglich die Menge des Dar- gebotenen, den Schatz des bei Tausenden von Versuchen und Beobach- tungen gewonnenen Materials übersehen kann. Die Natur der jungen Wissenschaft, bei welcher das Tierexperiment mit seineu zahllosen Modifi- kationen eine so große Rolle spielt, bringt es mit sich, dass vieles der Oefifentlichkeit überliefert wird, dessen Würdigung und Beurteilung nur demjenigen ohne allzu großen Zeitaufwand möglich ist, welcher selbst auf dem betreffenden Gebiet forschend und nachprüfend gearbeitet hat und mit der Litteratur völlig vertraut ist. Es sind wieder Spezial- gebiete und Spezialisten sozusagen innerhalb der Spezialwissensehaft, der Bakteriologie, entstanden. Es wiederholt sich hier also dieselbe Erscheinung, die auch bei anderen biologischen Wissenschaften zu Tage tritt. Sicher nicht zum Schaden des Fortschrittes der Forschung und Wissenschaft! Aber eben deshalb erscheint es auch unmöglich, dass ein Bearbeiter den Stoff meistert; ganz abgesehen davon, dass bei der Bearbeitung des großen Gebietes seitens eines einzelnen so lange Zeit vergehen würde, dass bei der Vollendung des Ganzen das zuerst Ge- schriebene bereits durch neue Funde wieder überholt wäre. Und gerade in der Bakteriologie, wo tausend Hände an allen Teilen der Erdoberfläche emsig thätig sind, um immer mehr Licht in die interessanten, aber zum Teil noch dunklen Einzelheiten der Kunde von den Mikroorganismen zu tragen, sind oft schon innerhalb weniger Jahre viele Thatsachen durch neue überholt und außer Kurs gesetzt worden. Aus diesem Grunde haben wir, als von der Verlagsbuchhandlung au uns die Aufforderung erging, ein Handbuch der pathogenen Mikroorganismen herauszugeben, möglichst viele Bearbeiter heranziehen zu müssen geglaubt. Nicht nur ein rasches Erscheinen des Werkes, wenn möglich im Verlaufe eines Jaljres. II Vorwort. schien uns nur auf diesem Wege erreichbar, sondern auch die gründliche Bearbeitung- des Stoffes in Form kritisch gesichteter und erschöpfender Mouographieen mit umfassenden Litteraturnachweisen nur so möglich zu sein. Die große Zahl der saprophy tischen Mikroorganismen aber glaubten wir nicht in den Rahmen des Werkes aufnehmen zu brauchen. Es sind vor allem in dem Werke C. Flügges: »Die Mikroorganismen« die meisten und jedenfalls alle wichtigen saprophy tischen Mikroorganismen dargestellt worden, sodass wir zur Ergänzung des vorliegenden in erster Linie auf dieses treffliche Buch verweisen können. Indessen haben wir, trotz- dem wir uns bei der Verteilung des Stoffes in den einzelnen Kapiteln auf die pathogenen Mikroorganismen beschränkt haben, gleichwohl den allgemein zum Verständnis notwendigen Thatsachen, soweit sie sich auf Saprophyten beziehen, in dem Kapitel des I. Bandes: »Allgemeine Morphologie und Biologie« Aufnahme gewährt. Nur die mehr in das Gebiet der Botanik und Zoologie der niedersten Lebewesen, sowie den Bereich der landwirtschaftlichen Bakteriologie gehörenden Thatsachen finden sich nicht hier aufgeführt. Um so inhaltsreicher und gründlicher und dabei auch kritischer ist die Bearbeitung der einzelnen Krankheitserreger — wir haben im Titel für diesen Begriff die Bezeichnung: »pathogene Mikroorganismen« ge- wählt — nach der Richtung ihrer ätiologischen Bedeutung, den Metho- den der Diagnose in Bezug auf Differentialdiagnose, pathogenetische, klinische und epidemiologische Beziehungen gedacht. Diesen Abschnitten ist der größte Teil des ersten und zweiten Bandes gewidmet. Der auf bakteriologisch-biologischen Methoden aufgebauten Immu- nitätsforschung haben wir dabei einen hervorragenden Platz einge- räumt. Haben wir von den Errungenschaften dieser modernsten Rich- tung bakteriologischer Forschung doch ebeuso sehr für die theoretischen Vorstellungen über Infektion, Krankheitsverlauf und Pathogenese Nutzen gezogen wie für die praktische Medizin und Tierheilkunde bei der Diagnose, Prophylaxis und Therapie der Infektionskrankheiten, wie die Entdeckungen uud Arbeiten von Pasteur, Koch, Behring, Ehrlich, Pfeiffer u. a. zeigen. Es ist deshalb der dritte Band des Werkes fast ausschließlich der Immunitätslehre gewidmet. Der zusammen- fassenden Darstellung der theoretischen wie praktisch wichtigen Seiten der Lehre ist ein breiter Raum gewährt. Die engen Beziehungen zwischen den durch pathogene Mikro- organismen hervorgerufenen Infektionskrankheiten der Menschen einerseits und der Tiere andererseits lassen eine strenge Schei- dung in tierpathogene uud menschenpathogene Mikroorganismen um so weniger geboten erscheinen, als bei einer ganzen Anzahl von Tier- uud Menschenkrankheiten die gleichen Mikroorganismen die Erreger dar- stellen, und von dem Tier auf den Menschen und umgekehrt übertragen werden können. Es sind aber auch die ausschließlich bei Tieren vor- Vorwort. III kommenden, wichtigen patliogenen Mikroorganismen aufgenommen wor- den und werden von hervorragenden bakteriok)gischen Vertretern der Tierheilkunde bearbeitet. Besondere Sorgfalt ist den Abbildungen zugewandt, für die dank der Munifizenz des Verlegers, des Herrn Dr. Gustav Fischer, nicht nur zahlreiche farbige Figuren und Abbildungen in Holzschnitten dem Text eingefügt sind, sondern auch Mikrophotogramme zur Verfügung stehen; diese stammen zum großen Teil aus der Sammlung des Herrn Prof. Dr. E. Zettnow, des Leiters der mikrophotographischeu Abteilung des Instituts für Infektionskrankheiten, und sind in Form eines Atlas auf Tafeln zusammengestellt. Trotz der verhältnismäßig großen Zahl von Mitarbeitern glauben wir zu der Annahme berechtigt zu sein, dass die Einheitlichkeit des Werkes darunter in keiner Weise leidet. Ja es erschien uns sogar geboten, nicht die Vertreter einer einzigen Richtung der Bakterio- logie, einer engeren Schule sozusagen, zum Worte zu rufen. In so vielen Gebieten unserer Wissenschaft ist bei Theorie, Praxis und Deutung der Thatsachen und Versuche das letzte Wort noch nicht gesprochen, der Widerstreit der Meinungen, aus dem die Wahrheit hervorgeht, noch nicht beseitigt, und wird es in vielen wichtigen Punkten auch vorerst nicht werden. Gerade deshalb würde durch die Bearbeitung namentlich der Immunitätslehre, in der die Gegensätze hauptsächlich sich treffen und die Theorie eine größere Ptolle als bei den übrigen Gebieten spielt, seitens eines Forschers oder Anhängers einer Theorie am ersten Einseitigkeit ge- zeitigt werden. Im letzten Grunde herrscht bei allen Mitarbeitern über die Grundzüge des Stofies einheitliche Auffassung, die in der naturwissen- schaftlich-rationellen Auffassung der Infektionskrankheiten als biologischer durch spezifische Mikroorganismen und nur durch diese hervorgerufenen Prozesse wurzelt. In dem Sinne und Geiste, der durch die großen grundlegenden Arbeiten R. Kochs und Pasteuks geweckt ist, ist jeder Forscher, der rationell arbeiten Avill, in letzter Instanz gezwungen weiter zu experimentieren. Zwar werden sich Wiederholungen in einigen Kapiteln auf den Grenzgebieten infolge der Verteilung des Stoffes an mehrere Autoren nicht vermeiden lassen. Es ist gehäuften der- artigen Vorkommnissen indessen durch vorherige Veröffentlichung von Inhaltsübersichten vorgebeugt, es wird bei dem Erscheinen des Hand- buches in Lieferungen sich noch bei der Drucklegung hier und da ver- meiden lassen. Zudem werden einzelne Wiederholungen aber um so weniger störend sein, als die einzelnen Kapitel in sich abge- schlossene Monographien darstellen, die auch abgetrennt von den übrigen zur Lektüre wie zum Nachschlagen bestimmt sind. Jedes Kapitel bildet also gewissermaßen ein in sich abgeschlossenes Ganze, indem die ätiologischen, diagnostischen, klinischen und epi- demiologischen Beziehungen der einzelnen pathogeneu Mikroorganismen IV Vorwort. eingehend dargestellt sind unter Berücksiclitigung- der historischen Entwicklung. Gerade aus diesem Grunde hoffen wir, dass das Werk nicht nur als ein Nachschlagewerk in den Händen der engeren Fach- genossen, sondern auch zur Lektüre und Belehrung bei den Aerzten, Tierärzten und Studierenden gute Dienste leisten möge. Um so mehr, als es im Plane des Werkes liegt, die Ergebnisse der reinen Labora- toriumsforschung mit der praktischen Medizin, namentlich bei der Diagnose und Pathogenese der Infektionskrankheiten in möglichst nahe Beziehungen zu setzen. Und dieser Zusammenhang zwischen exakter Experimentalforschung und der mehr beobachtenden Klinik kann nicht eng genug sein. Das gleiche gilt für die prophylaktischen Maßnahmen, die auf den Ergebnissen der Laboratoriumsforschung und der biologi- schen Studien der rein gezüchteten Infektionserreger aufgebaut sind, aber erst durch die Verwertung und richtige Deutung epidemiologischer Thatsachen Wert für die praktische Medizin erhalten. Die Grundzüge eines von diesen Gesichtspunkten rationellen Systems der Prophylaxis haben deshalb im dritten Band eingehende Beschreibung erfahren. Berlin, im März 1902. W. Kolle. A. Wassermann. Inhaltsverzeichnis. Seite I. R. Abel, Ueberblick über die geschichtliche Entwicklung der Lehre von der Infektion, Immunität und Prophylaxe 1 IL E. GrOTSCHLiCH. Allgemeine Morphologie und Biologie der pathogenen Mikroorganismen. (Mit 1 schwarzen und 1 farbigen Tafel im Text) . 29 IIL A. Wassermann, Wesen der Infektion 223 IV. W. KOLLE, Spezifizität der Infektionserreger 288 V. A. Wassermann, Misch- und Sekundärinfektion 307 VI. F. Blumenthal, Infektion und allgemeine Reaktion 326 VII. C. Oppenheimer, Die Bakteriengifte 344 VIII. A. Wassermann, Erbliche Uebertragung von Infektionskrankheiten . 380 IX. E. Friedberger, Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. (Mit 85 Figuren im Text) 397 X. H. C. Plaut , Die Hyphenpilze oder Eumyceten. (Mit 55 Figuren im Text und 38 Photogrammen) 526 XL 0. Busse, Die Sprosspilze. (Mit 8 Figuren im Text) 661 XII. R. Rüge, Malariaparasiten. (Mit 79 Figuren und 2 farbigen Tafeln im Text) ''Ol XIII. H. KossEL, Die Hämoglobinurie der Rinder. Mit 1 Farbentafel und Mikrophotogrammen) 841 XIV. F. DoFLEiN & S. V. Prowazek, Die pathogenen Protozoen. (Mit 81 Figuren im Text; 865 Sachregister 100^ 39694 I. Ueberblick über die geschichtliche Entwickelimg der Lehre von der Infektion, luinumität nnd Prophylaxe. Von Dr. Rudolf Abel, Kea;ieruugs- und Medizinaliat in Berlin. Infektion. Dem Menschen auf niederer Stufe der Kultur erscheint jede Krankheit als etwas Uebenuitürliches, als ein Dämon, der ihn anfällt. Mit zu- nehmender Kenntnis der Natur und ihrer Gesetze bricht sich Schritt für Schritt die Ueberzeugung* Bahn, dass die meisten Krankheiten natürliche Ursachen haben. Nur bei den Seuchen, die mit so elementarer Gewalt plötzlich über das Volk hereinbrechen und selbst den Menschen in der Blüte der Kraft dahinstreckeu, glaubt mau noch lange übernatürliche Einflüsse zur Erklärung ihrer Entstehung heranziehen zu müssen. Mit der Entwickelung des Gottesbegriffes, der Erkenntnis Gottes als einer sittlichen Macht, gewinnt diese Auffassung nur au Wahrscheinlichkeit. Es ist dann die erzürnte Gottheit, die der sündigen Menschheit die Seuche als Strafe schickt. So handelt Jehova in der Bibel, Apollo in der Ilias. Celsus und Plinius vertreten den gleichen Glauben. Das ganze Mittelalter hindurch bis ins 18. Jahrhundert hinein versäumt kein Buch über die Pest als erste Ursache der Seuche Gottes Zorn zu nennen. Für jede Seuche giebt es da bestimmte Heilige, die die Bitte bei dem Allmächtigen um Abwendung der Heimsuchung als Spezialität be- treiben. »Ich für meine Person halte nicht dafür, dass der Körper des Men- schen durch einen Gott besudelt wird, das vergänglichste Geschöpf durch das heiligste Wesen*; eher würde Gott reinigen und sühnen, — und die Zauberärzte sprechen von gottgesandten Krankheiten nur, um ihre therapeutische Ohnmacht zu beschönigen. Zwar liest man so schon im Corpus hippocraticum. Aber als die Syphilis um 1500 epidemisch ausbrach, musste Brassavolus noch die Erklärung der Krankheit als Gottesstrafe abwehren mit der Frage, warum Gott denn nicht die Mörder schlage, statt der Wollüstigen, die so etwas besonders Schlimmes doch gar nicht verbrächen? Sobald man überhaupt einmal anfing, nach natürlichen Ursachen auch für die Entstehung der Seuchen zu suchen, musste man notge- drungen zunächst in Veränderungen des alle umgebenden und allen gleichmäßig unentbehrlichen Mediums, der Luft, das krankmachende Handbuch der patbogenen Miki-oorganismen. I. 1 2 R. Abel. Agens vermuten. Demgemäß lehrt die liippokratische Schule (de natura hominis cap. 10): »Wenn viele Menschen von einer Krankheit zu derselben Zeit befallen werden, so muss man dem die Schuld 1)ei- m essen, was im weitesten Sinne Allen gemeinsam ist und was Alle am meisten gebrauchen; das ist aber dasjenige, was wir atmen.« Schädlich wirkt die Luft dann »infolge eines krankhaften Sekretes [voasQrj xig ärco-AQioig), das sie enthält.« Dieses »krankhafte Sekret« in der Luft, das infizierend wirkt, »das Miasma, das der menschlichen Natur feindselig ist«, dachte man sich vom Altertume an und z. T. bis zur neuesten Zeit hin als etwas Putrides, Fauliges, das, in den Körper aufgenommen, dort wieder einen Fäulnisprozess — denn als solchen stellte man sich lange Zeit jede In- fektion vor — erregt. So ist in der späteren Litteratur die ein krank- haftes Sekret enthaltende Luft des Hippokrates eine faulende, eine »verpestete« Luft geworden. Die Ursachen der krankheitserregenden Luftfäulnis konnten mannig- fachster Art sein. Galen nennt Unbeerdigtbleiben von Kadavern (daher die Seuchen im Gefolge von Kriegen!), Ausdünstungen von Sümpfen und abnorm hohe Wärme. Die spätere Zeit fügte dazu die verschiedensten Fäuluisprozesse an der Erdoberfläche und nahm auch krankmachende Exhalationen aus dem Erdinnern an. Ursprünglich ließ man alle Seuchen, die man ja nur als graduell, nicht als generell verschieden ansah, durch verpestete Luft entstehen und sich auch durch sie verbreiten. Später lernte man immer genauer die Bedeutung der Ansteckung von Mensch zu Mensch und durch infi- zierte Objekte kennen, sah ferner ein, dass es von einander verschiedene Seuchen gebe, jede einzelne ihren besonderen Austeckungsstoff haben müsse, und kam dadurch zu einer immer größeren Einschränkung in der Annahme einer miasmatischen Beschaffenheit der Luft als allge- meiner Ursache der Seuchen. Im engsten Zusammenhange mit der Miasmentheorie entwickelte sich die Lehre von der Constitutio epidemica {xaräoTaaig loLi^itodr^g). Man musste schon früh die Beobachtung machen, dass faulige Bei- mengungen zur Luft nicht immer und überall Seuchen erzeugten. Oft erschienen Seuchen, ohne dass man überhaupt etwas von abnormer Be- schaäenheit der Luft wahrnahm. Sporadisch vorhandene koutagiöse und nicht kontagiöse Krankheiten nahmen bisweilen plötzlich epidemische Ausbreitung an und gingen ebenso unerwartet wieder zurück. Diese auffallenden Beobachtungen suchte man zu erklären durch Annahme einer wechselnden epidemischen Konstitution, deren Begriff namentlich seit dem 17. Jahrhundert sich herausbildete. Je nach dem Verhalten der Luft, der Witterung, der klimatischen Faktoren insgesamt, den Vor- gängen im Erdinnern und den Bewegungen der Gestirne sollten die Menschen bald zu dieser, bald zu jener Art von Krankheiten mehr ge- neigt sein, sei es nun, dass die Krankheit aus inneren Ursachen im Körper sich entwickele, sei es, dass die Krankheitsursache außerhalb des Körpers vorhanden sei. Die Krankheitskonstitution war bald ent- zündlich, bald biliös, bald rheumatisch u. s. w., je nachdem diese oder jene Art von Krankheiten vorherrschte. Nachzuweisen, welche Faktoren denn nun die verschiedenen epidemischen Konstitutionen, den Wechsel des Genius epidemicus bedingten, gelang trotz aller Beobachtungen der Witterung, des Barometerstandes, später auch der Luftelektrizität u. s. w. nicht. Ueber die »occulta quaedam qualitas« der Luft kam Ueberblick über die geschichtliche Entwickelang der Lehre ii. s. w. 3 man nicht hinaus. Ehrliche Forscher wie Sydenham (um 1650) und VAN SwiETEX (um 1750] gestanden ohne Umschweife die Erfolglosigkeit aller ihrer Bemühungen zur Aufklärung ein und spätere Autoren thateu nur, waren aber nicht erfolgreicher. Im Laufe der Zeit entwickelte sich dann immer fester der Begriff der Existenz eines besonderen spezifischen Krankheitsgiftes für jede Infektionskrankheit. Die erste Choleraepidemie 1830—1837 auf europäischem Boden wurde noch meist auf eine besondere epidemische Konstitution zurückgeführt. Sie galt nicht als eine durch ein besonderes, ihr eigenes Agens hervorgerufene Seuche, sondern als das »entwickelteste Produkt einer seit dem Jahre 1824 zur Herrschaft gelangten gastrisch- nervösen Krankheitskonstitution«, die wie bei anderen großen Seuchen früherer Jahrhunderte von Osten nach Westen fortschreite. Die Ursachen dieser Konstitution kannte man nicht; mau sah nur in allerlei gleich- zeitigen Xaturereignissen, Erdbeben, Vulkaneruptionen, dem vorausgehen- den Erscheinen der Intluenza weitere Aeußerungen desselben Genius epidemicus. Erst von der zweiten Clnderaepidemie in den 40 er Jahren ab wurde die Annahme eines spezifischen Choleragiftes allgemeiner. Damit änderte sich die Auffassung der epidemischen Konstitution von Grund aus. Die Verhältnisse der Außenwelt konnten nun nur noch insoweit von Einfluss sein, als sie die »örtliche und zeitliche Disposition« für die Entwickelung und Verbreitung des Krankheitsgiftes und die »indi- viduelle Disposition« der Menschen für die Wirkung dieses Giftes schafften. Im Laufe der Zeit brauchte man den Begriff »Miasma« immer aus- gesprochener als Gegensatz zu dem des »Contagium«. Unter viel- fachem, hier nicht näher zu verfolgendem Wechsel der Begriffsbestim- mungen kam man schließlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu folgender Definition (PettenkoferI : Miasmatisch waren die Infek- tionskrankheiten, die nicht von Mensch zu Mensch direkt ansteckten, bei denen das Krankheitsgift vielmehr von der Außenwelt her in den Körper eindrang, mochte es nun dort entstanden sein, mochte es aus dem Körper eines Kranken stammend in der Außenwelt erst einem »Pteifungsprozess « unterliegen müssen, ehe es wieder infizieren konnte. Kontagiös waren die Krankheiten, die direkt von Mensch zu Mensch oder durch Vermittelung infizierter Objekte, in denen das Ansteckungsgift weitere Veränderungen nicht durchzumachen hatte, sich übertrugen. Am reinsten hat sich die alte Miasmenlehre, die Entstehung der Infek- tion durch faule Luft, bis weit ins 19. Jahrhundert für das Fleckfieber, den Hospitalbrand und die Puerperalinfektionen erhalten. Man glaubte mit Sicherheit darauf rechnen zu können, diese Krankheiten ausbrechen zu sehen, wenn man eine größere Zahl von Gefangenen, Verwundeten, Wöcli- nerinneu in engen, schlecht ventilierten Eäumen zusammenpferchte. Die Luft werde da durch die Ausdünstungen der Menschen derartig verdorben, dass sie die Gifte der erwähnten Krankheiten erzeuge, die dann im Körper zu Kontagien umgewandelt würden und sich durch Ansteckung weiter verbreiteten. Diphtherie und Erysipel galten ähnlich bis in die neueste Zeit vielen Aerzten (in England anscheinend selbst noch heute) als die Keaktiou auf die Einatmung fauler Gase. Mukciiisox verfocht noch um 1860 die Ansicht, die übrigens selbst Gkie.singer für zulässig hielt, dass die Einatmung von Kloakengasen Abdominaltyphus hervorbringen könne; allerdings gab er zu bedenken, dass am Ende nicht die stinkenden Dünste, sondern neben ihnen vorhandene, für die Sinne nicht wahrnehm- bare giftige Gase das Krankmachende seien. 4 K. Abel. Mit der Miasmentheorie kombinierte sicli bereits im Altertum die Ei- kenntnis der Kontagiosität mancher Krankheiten. Schon die alten Ferser, wie Herodot berichtet, und ebenso die Israeliten, wie die Bibel zeigt, wussten, dass der Aussatz von einem Mensehen auf den andern ül)ergehen kann. Isokrates kennt die An- steckungsfähigkeit der Schwindsucht. Thukydides erwähnt die Konta- giosität der attischen Seuche zur Zeit des Peloponnesischen Krieges. Aristoteles wirft in seinen Problemata die Frage auf, warum von allen Krankheiten am meisten die Pest (o Xoii-iog, d. h. nicht unsere Pest, sondern ein Sammelbegriff für Seuchen überhaupt, wie auch bei den späteren Autoren bis zum 16. Jahrhundert hin) vom Kranken auf die ihm nahenden Gesunden übergehe, und giebt die Antwort, dass für die Pest eben die meisten Menschen empfänglich seien. Ganz logisch er- örtert er des weiteren die Frage, warum zwar Gesunde durch die Nähe von Kranken krank, umgekehrt aber nicht Kranke durch die Nähe Ge- sunder gesund würden ? Galen nennt als ansteckende Krankheiten Pest, Krätze, Ophthalmie, Anszehrung und Lyssa; ferner sind ihm alle Kranken mit stinkenden Ausdünstungen kontagiös. Khazes (um das Jahr 900) giebt etwa dieselben Krankheiten als kontagiös an. Als gegen 1500 die Syphilis epidemisch aufzutreten begann, lernte man in ihr eine neue, ganz augenscheinlich durch Ansteckung sich ver- breitende Krankheit kennen. Freilich wollten manche Autoren auch von ihr behaupten, sie pflanze sich miasmatisch fort, aber diese Meinung hielt doch genauer Prüfung nicht stand; nur bei der Geistlichkeit müsse man »frommer Weise« auch Ansteckung durch die Luft für möglich halten, sagt nicht ohne Schelmerei im Jahre 1502 Almenar. Es war mit unter dem Eindruck der Syphilis, dass im Jahre 1546 Fracastor sein Buch »de contagione« schrieb, in dem zum ersten Male die Theorie der Kontagion zusammenfassend behandelt wird. Die von Fracastor aufgestellte Einteilung der Kontagion in solche per contac- tum, per fomitem et per distans wurde bald allgemein angenommen und erhielt sich bis zum 18. und 19. Jahrhundert in Gebrauch. Die con- tagio per contactum bedarf keiner Erläuterung. Die per fomitem erfol- gende ist die Ansteckung durch infizierte Gegenstände. Namentlich poröse Stoffe aller Art, wie Kleider, Betten, Baumwolle waren fomites, weil sich in ihren Poren der ursprünglich meist gasförmig gedachte Infektions- stoff besonders gut festsetzen konnte. Erfolgte Uebertragung der In- fektion durch gesunde Menschen, eine Art der Verschleppung, die schon im Mittelalter bekannt war, so war dies ebenfalls contagio per fomitem. Ebenso konnten Tiere, bei der Pest z. B. Hunde und Katzen in ihrem Fell, Insekten an ihren Saugorganen imd Beinen als fomites den An- steckungsstoff verschleppen. Die contagio per distans ist die Ansteckung durch die Ausdünstungen des Kranken über kleinere oder größere Ent- fernung hin. Ist die Entfernung eine größere, so nähert sich diese Art kontagiöser Verl)reitung, wie man leicht einsieht, der miasmatischen; der Kranke stellt dann die Fäulnisquelle dar, von der aus die Luft ver- pestet, infektiös gemacht wird. Um den Unterschied festzuhalten, stellte man den Satz auf: Morbus contagia, mors miasmata gignit: Contagium entwickelt sich nur vom kranken Menschen aus, Miasma nur aus toter Materie. Dieser Satz blieb im wesentlichen das Leitmotiv für die Auffassung von Miasma und Contagium. Er war aber mehr theoretisch konstruiert, als praktisch brauchbar; denn wie hätte man wohl bei den ad distans infi- Ueberblick über die geschichtliche Entwickelung der Lehre u. s. w. 5 ziereudeu, also mit einem leicht flüchtigen Contagium versehenen Krank- heiten in praxi unterscheiden sollen, ob ein neuer Krankheitsfall auf miasmatische Beschaffenheit der Luft oder auf Zuwehen der kontagiösen Atmosphäre eines in der Nähe liegenden Kranken zurückzuführen war"? Eine genaue Abgrenzung von Miasma und Contagium war denn auch bei vielen Krankheiten eine missliche Sache und die iVnsichten schwank- ten beständig. Im allgemeinen gewann unter dem Einflüsse der all- mählich immer besser werdenden Unterscheidung und Diagnostik der verschiedenen Krankheiten, der sorgfältigeren Verfolgung des Zusammen- hanges zwischen den einzelnen Fällen einer Epidemie, des seit dem 18. Jahrhundert erbrachten Nachweises der Verimpfbarkeit mancher Krankheiten von Individuum zu Individuum (Pocken, Masern, Pest, Tierkrankheiten) das Contagium immer mehr an Bedeutung auf Kosten der Miasmenlehre. Wie fest die alten Vorstellungen von der miasmatischen Entstehung der Infektionskrankheiten hafteten, mag ein Beispiel zeigen. Schon im 14. Jahrhundert erkannte man in Italien, dass die Pest nicht autochthon entsteht und durch die Luft verbreitet wird, sondern durch den mensch- lichen Verkehr vom Orient in die Seestädte verschleppt wird. Aber noch um 1650 schreibt der grundgelehrte Kircher in Kom, dass Seestädte so oft an der Pest zu leiden hätten, erkläre sich dadurch, dass das Meer oft faulende, die Luft verpestende Kadaver von Menschen und Tieren ans Land werfe. Auch heutzutage kann man selbst bei gebildeten Laien noch wundersame Ideen über die Bedeutung verdorbener Luft für die Entwickeluug von Infektionskrankheiten finden. Besonders heftig wurde die Diskussion darüber, ob eine epidemische Krankheit miasmatisch oder kontagiös sei, vom Ende des 18. Jahr- hunderts an und später unter dem Eindrucke des Auftretens der Cholera in Europa und des Wiedererscheinens der Beulenpest im Orient. Die Frage war nicht nur theoretisch interessant, sondern auch praktisch wichtig, weil von ihr die Entscheidung abhing, ob man durch Sperren, Quarantänen und Isolierung der Krauken oder durch allgemeine Sanie- rung der Umgebung des Menschen, durch Reinigung von Luft, Wasser, Boden, Wohnungen die Krankheit zu bekämpfen habe. Den üblichen Verlauf des Streites kennzeichnet Henle 1853 treffend, wenn er sagt: »Bei jeder bedeutenden Epidemie pflegt sich die ärztliche Welt in zwei Lager, Miasmatiker und Kontagionisten zu teilen und schließlich dadurch zum Frieden zu gelangen, dass beide Ursprungsweisen anerkannt werden, nur dass bei verschiedenen Seuchen konstant hier die miasmatischen, dort die kontagiösen Fälle die Regel bilden.« Im ganzen war die Sachlage einfach derart, dass man miasmatische Verbreitung annahm, wenn man Ansteckung von Person zu Person oder durch Objekte, die von Kranken infiziert waren, nicht nachweisen konnte. Von der Höhe unseres Wissens, im Besitz der Kenntnis von der Aetio- logie der wichtigsten Infektionskrankheiten können wir sagen, dass eine Krankheit um so eher als miasmatisch erscheinen musste, je weniger leicht zu verfolgen der Weg ist , den die Krankheitskeime zu nehmen pflegen, wenn sie von einem Individuum auf ein anderes übergehen. Typus der rein miasmatischen Krankheiten war stets die Malaria,' bei der nie Ansteckung von Mensch zu Mensch zu erweisen war. Schon ihr Name (mal aria) zeigt, dass mau sie sich durch Einatmung verdorbener Luft entstanden vorstellte. Als eminent miasmatisch galt gewöhnlich auch die Influenza, w^eil, wenn sie ausbrach, das massenhafte Erkranken der 6 R. Abel, Menscheu viel eher ans einer miasmatischen Beschaffenheit der Lnft als durch Kontag'ion erklärbar schien. Typen der rein kontagiösen Krank- heiten waren die Syphilis und bis zur Wiederentdeckung' der Krätzmilbe um 1840 auch die Krätze, da in diesen Krankheiten bei sorgfältigem Suchen immer die Kontagion nachzuweisen war. Auch die Lyssa galt als rein kontagiös, nur mit dem Unterschiede, dass ihr Contagium nach einer bis weit ins 19. Jahrhundert angenommenen Ansicht nicht bloß übertragen werde, sondern auch in einem geeigneten Individuum sich spontan bilden könne, z. B. im Hunde unter dem Einfluss der Sommer- hitze. Diese Ansicht war einfach deshalb aufgestellt worden, weil es nicht stets gelang, für den ersten wütigen Hund an einem Orte die In- fektionsgelegenheit aufzufinden. Zwischen den rein kontagiösen und den rein miasmatischen Krank- heiten standen die miasmatisch-kontagiösen, d. h. diejenigen, bei denen sowohl miasmatische wie kontagiöse Verbreitung angenommen wurde. Hierzu rechneten bis gegen 1870, von wo an man sie allgemein zu den rein kontagiösen Krankheiten stellte, z. B. Pocken, Masern, Scharlach. Sie galten immer als mehr kontagiös denn miasmatisch, w^eil man meist in der Lage war, die Ansteckung von Mensch zu Mensch darzuthun. Weil dieser Nachweis aber nicht immer gelang, — nämlich, wie wir heute wissen, in den Fällen nicht, in denen die Erreger der Krankheiten außerhalb des Körpers irgendwo längere Zeit lebensfähig sich erhalten hatten und dann bei Gelegenheit infizierten, — so mussten sie auch als miasmatisch gelten. — Mehr miasmatisch als kontagiös waren Cholera, Abdominal- typhus, Gelbfieber. Denn ein direkter Uebergang dieser Krankheiten von Mensch zu Mensch war selten, und Ueb ertragungen durch Fomites, die mit den Ausleerungen der Kranken beschmutzt waren, wie Wasser oder Nahrungsmittel, ausfindig zu machen gelang ebenfalls oft nicht. Es blieb also die Annahme einer Verbreitung des Ansteckungsstoffes durch die Luft. Diese fand eine anscheinend sehr kräftige Stütze, als Pettenkofer seit etwa 1860 nachzuw^eisen bemüht war, dass eine be- stimmte Beschaffenheit des Erdbodens zur Entstehung von Cholera- epidemien nötig sei und darauf die Hypothese gründete, dass in solchem Boden der vom Kranken entleerte Ansteckungsstoff erst reifen müsse, ehe er durch die Luft verbreitet wieder infizieren könne. Die Auffindung und das Studium der belebten Krankheitserreger durch die moderne Bakteriologie seit dem Ausgang der 70 er Jahre des verwichcnen Jahrhunderts, brachte den Gebrauch der in ihrem Begriffe so unbestimmten Worte Miasma und Contagium, die schon Pettenkofer durch die präziseren Bezeichnungen ektogene und entogene Infek- tion zu ersetzen versucht hatte, außer Uebung. An ihre Stelle traten die durch die Erforschung der biologischen Eigenschaften der Krank- heitserreger gewonnenen Aufschlüsse über die Verbreitungsweise der einzelnen Infektionskrankheiten. Die Frage, worin denn eigentlich das krankheitser zeugende Agens der Seuchen bestehe, welcher Art sein Wesen und seine Natur seien, fand im Laufe der Zeiten die verschiedenste Beantwortung. Den älteren Autoren war das Miasma ein fauliges Gas, das in der Atmosphäre schwebt, mit der Luft, der Nahrung oder durch die Haut- poren in den Körper dringt und dort Fäulnis der Humores oder der Spiritus vitales erregt. Bei der Erklärung des Wesens der Kontagien half man sich mit Vergleichen. Seine üebertragung von einem Körper Ueberblick über die geschichtliche Entwickelimg der Lehre u. s. w. 7 auf den anderen verglich man mit dem Uebergreifen der Fäulnis von einem Apfel auf den daneben liegenden. Die Jieobachtuug, dass die kleinste Spur Contagium zur Infektion des ganzen Mensehen genügt, stellte man mit der altbekannten Erfahrung in Vergleich, dass eine geringe Menge Sauerteig eine große Masse Teig in Gärung versetzt, zu Sauerteig umwandelt, oder, wie schon Galex, mit der Erscheinung, dass ein kleiner Magnet ein großes Eiseustück magnetisch machen kann. Alt ist auch die Vorstellung einer Art psychischer Infektion : Wie man selbst gähnen müsse, wenn man einen Anderen gähnen sehe, so bekomme man auch eine Krankheit, die man bei einem Anderen sehe. Schon Einbildung, man habe eine Krankheit, sollte nach älterer An- schauung (noch im 17. Jahrhundert!) sie erzeugen können. Die ver- schiedenen Theorien, die sich im Laufe der Zeiten entwickelten, einzeln zu besprechen, lohnt sich nicht. Sie dünken uns heute größtenteils ganz fremdartig und unverständlich, weil wir uns nur unvollkommen in die Anschauungen ihrer Entstehungszeit hinein versetzen können. Wir vermögen uns wenig dabei zu denken, wenn wir sehen, dass man den Ansteckungsstoff als eine Säure, ein Alkali, ein Salz, eine besondere Art von Bewegung in den Säften oder Organen des Körpers, eine mag- netische oder elektrische Kraft auffasste. Dauernd erhielten sich schließlich nur drei Anschauungen, nämlich die, dass die Ansteckungsstoffe Gifte, Fermente oder belebte Wesen seien. Den Vergleich mit Giften hatte schon Fracastor um 1550 zurückgewiesen. Koutagien und Gifte diflerunt inter se non parum, quod venena nee propria putrefacere possunt, uec tale in secuudum gignere quäle in primo fuit principium et seminarium, cuius signum est, quod venenati ad alios contagiosi non sunt. Immer wieder kehrt aber bis in die neueste Zeit der Gedanke, die Ansteckungsstofte als chemische Gifte zu betrachten. Das ansteckende Agens sich als ein Ferment zu denken, lag seit alters her nahe, da man die »Infek- tionskrankheiten«, die diesen ihren Namen erst von Virchow er- halten haben, gern mit Gärungsvorgängen verglich, wie auch ihre früher übliche Bezeichnung als zymotische Krankheiten darthut. Ein Contagium vivum anzunehmen, legte das so eigenartige Verhalten der Infektionskrankheiten in vielen Beziehungen schon immer nahe. Das Ausreichen der kleinsten Menge Infektionsstoff zur Erkrankung, die an- scheinend unbegrenzte Vermehrung des Ansteckungsstoffes im Körper, die längere oder kürzere Inkubationszeit, die von der Infektion bis zur Erkrankung vergeht, die Immunität, die manche Krankheiten hinter- lassen, die Vernichtung der AVirksamkeit der Ansteekungsstoffe durch be- stimmte chemische Körper, — alle diese Erscheinungen und andere mehr ließen sich am besten verstehen, wenn man organisierte, lebende Wesen als das krankmachende Agens ansah. Mühsam, langsam und spät, aber endlich doch sicher gelangte diese Auffassung zur alleinigen Herrschaft in der Wissenschaft. Schon im Altertum begegnet man der Ahnung davon, dass kleinste Lebewesen in den Körper dringen und Krankheiten erzeugen können. So schreibt Varro '1. Jahrh. v. Chr.): Si qua loca erunt palustria, crescunt auimalia quaedam minuta, quae non possunt oculi cousequi et per aera intus in corpora per os ac nares perveniunt atque efficiunt difficiles morbos. Aeußerungen von Lukrez, Palladius, Vitruv und CoLUMELLA klingen ähnlich. 8 R. Abel, Aber erst, nachdem im Anfange des 17. Jahrhunderts das Mikroskop erfunden und damit eine vorher ungeahnte Welt winziger Lebewesen dem Auge zugänglich geworden war, bekam der Gedanke an ein Con- tagium vivum festere Gestalt und Unterlage. Bald entwickelte sich eine vollständige Pathologia animata. Der gelehrte Jesuit Athanasius Kiuchek war der erste, der ein Con- tagium vivum im Körper zu sehen glaubte. In seinem 1659 in Deutsch- land, im Jahre vorher in Italien erschienenen Scrutinium contagiosae luis quae dicitur pestis berichtet er, nicht nur in Luft, Wasser, Boden, in Milch, Käse, Essig, faulen Pflanzenteilen, sondern auch im Blute und Buboneneiter der Pestkranken fänden sich massenhaft kleinste Würmer, die durch die Fäulnis entständen. Ihre Gestalt beschreibt er nicht näher; was er in den Körpersäften als Würmer ansah, waren jedenfalls die Körperzellen. Schnell fanden seine Befunde Bestätigung. Christian Lange, Hauptmann, Bokelli, Petrus a Castro, Hartsoeker u. v. A. sahen bei Pest, Pocken, Dysenterie, Petechialfieber, luetischen Geschwüren im Blute oder in den krankhaften Absonderungen ebenfalls »Würmer«, deren Gestalt sie meist mit der von Milben vergleichen. Als verminosa miasmata erfüllen diese Würmer ihrer Meinung nach die Atmosphäre und dringen in den Körper, wo sie sich vermehren. Durch die Haut werden sie ausgeschieden, fressen jedoch z. B. bei den Pocken, ehe sie den Körper vei'lassen, mit ihren acutissimis rostellis noch tiefe Löcher in die Haut, die man nach der Heilung als Pockennarben sieht. Nach Nyander (1760), einem Schüler Linnes, haben die Tierchen bestimmte Zeiten, wo sie essen, schlafen, sich vermehren: dadurch erklärt er die »periodischen Paroxysmen« mancher Krankheiten, — eine Vorahnung der modernen Kenntnisse von der Entstehung der Malariaanfälle. Lancisi (um 1720) läßt in den Sümpfen außer Mücken auch kleine Tierchen entstehen, die den Menschen anfallen und Wechselfieber erzeugen durch ein peculiare fluidum, das sie in den Körper bringen. Wer dächte da nicht an unsere heutigen Kenntnisse von der Verbreitung der Malaria! Vorsichtig zurück hielt sich Leeuwenhoeck (Ende des 17. Jahrhunderts), der erste, der sicher Bakterien sah und abbildete. Er fand im Zahn- schleim und im diarrhöischen Stuhl zwar »auimalcula« (Bakterien), hielt es aber für ausgeschlossen, dass sie in das Blut eindrängen, weil ihm die Spalträume der Gewebe dafür zu klein schienen. Ebenso schnell wie sie entstanden war, verschwand diese erste Pathologia animata wieder von der Bildfläche, als man inne wurde, dass man mit ihr eigentlich nicht weiter kann. Denn man fand zwar bei allen Infektionskrankheiten Tiere, konnte sie aber bei den einzelnen Krankheiten nicht unterscheiden, wusste nichts Näheres über ihre Lebens- verhältnisse, zumal darüber, ob sie nicht statt Erreger doch nur Produkte der Krankheiten seien, und zog auch für die Therapie aus ihrer Kenntnis keinen Nutzen, da die Mittel, mit denen man die Tierchen im infizierten Körper töten wollte, Balsamica nämlich, Quecksilber, Schwefel, China- rinde u. a. m. sich nur bei einzelnen Krankheiten als therapeutisch wirksam erwiesen. Andere Theorien traten an die Stelle derjenigen vom Contagium vivum, die aber doch in einzelnen klaren Köpfen immer wieder auftauchte. Namentlich Plenciz in Wien und Reimarus in Hamburg waren in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. energische Anwälte der Annahme von belebten Krankheitserregern. Plenciz betont sehr entschieden die damals noch durchaus nicht Ueberblick über die geschichtliche Entwickelnng der Lehre u. s. w. 9 allgemein anerkannte Spezifizität jeder einzelnen Infektionskrankheit; jede von ihnen mlisi^e ihren besonderen Erreger haben. Sicut enim ex certo vegetabilium semine certa planta et non alia, ita ex certo conta- gioso miasmate certus et determinatus affectus et non alius evolvitur et propagatur. Nur durch die Annahme belebter Krankheitserreger lasse sich die so enorme Vermehrung des Ansteckungsstoifes im Körper, seine Verbreitung durch die Luft erklären; auch die Latenzperiode mancher Krankheiten, z. B. der Wut, sei nur durch diese Annahme verständlich. Witterungsverhältnisse u. s. w. könnten nur das epide- mische Auftreten der Krankheiten befördern, indem sie die Disposition zur Erkrankung erhöhten oder die Krankheitskeime zum Reifen brächten, niemals aber ohne das Vorhandensein der belebten Keime allein die ansteckenden Krankheiten erzeugen. Die Therapie müsse für jede Krankheit specifica suchen quae miasmati contagioso directe opposita essent. — Reimarus hält den Krankheitsstoff der ansteckenden Krank- heiten, weil er sich im Körper vermehrt, für etwas Lebendiges. »Dieses mit einigen Schriftstellern Insekten zu nennen, scheint das Feine des- selben nicht zu treffen«. Eher könne man an die Infusorien denken oder an noch kleinere Wesen, die »die Vergrößerungsgläser nicht mehr entdecken«. Solche Gedanken tauchen noch bei manchem anderen Schriftsteller jener Zeit, u. a. auch bei Kant auf. Aber sie verschwinden fast ganz im Anfang des 19. Jahrb., als allerhand philosophisch- spekulative Systeme, darunter leider auch die berüchtigte Naturphilosophie in der Medizin zur Herrschaft gelangten und an Stelle nüchterner Ueberlegungen Phrasen- gerassel und leeres Wortgeklingel setzten. Mit Stolz produzierte jene Glanzzeit der abstraktesten, durch keinerlei Wissen in ihren Phantastereien behinderten Philosophie Sätze wie die folgenden: »Wie die Luft, so ist auch das Contagium ein lebendiger, in sich gespannter Organismus, der die Organismen, wie die Luft die Planeten, luftig, geistig umfängt. Das Medium, wodurch dem Organis- mus die Metamorphosen und Verwandlungen im innerlichen leiblichen Leben der Organismen zu Teil werden, ist die Aura contagiosa, die contagiöse Lebenssphäre. Das Contagium ist nichts neu erschaffenes, noch ein den Tieren angeborenes etwas, vielmehr ist es der eigentüm- liche, mit der, durch heterogene Begeisterung anders gerichteten, ver- änderten Organisation innigst verbundene, genau zusammenhängende Lebensausdruck; oder Contagium ist die mit der veränderten Organi- sation, mit der veränderten Metamorphose im Zumal und Zugleich ge- gebene veränderte Richtung, veränderte Lebensqualität.« Erst im 4. Jahrzehnt des 19. Jahrh. wird der Gedanke an ein Con- tagium vivum wieder lebhafter. Eine Reihe von Umständen wirkten zusammen, um ihn wieder zu beleben. Erstens war eine neue ver- heerende Seuche, die Cholera, aufgetreten; im Orient nahm die Pest zu und drohte mit Invasion nach Europa. Genügend Anlass zum Nach- denken über die Ursachen der Seuchen war damit gegeben, und das Unzureichende der geltenden Theorien über das Wesen der ansteckenden Krankheiten wurde Aveiteren Kreisen deutlich. Zweitens hatte die Kenntnis der kleinsten Lebewesen, dank der Vertiefung ihres Studiums und der Verbesserung der Mikroskope durch Einführung der achro- matischen Systeme Fortschritte gemacht. Nachdem Leeüwenhoeck etwa 1675 in PflanzenaufgUssen zuerst alier- kleinste »Tiere« gesehen hatte, waren diese Wesen erst mehr aus Neu- 10 R. Abel, giercle, später aucli aus wissenschaftlicliera Interesse, immer wieder und allmälilich genauer untersucht worden. Man bezeichnete sie wegen ihres Vorkommens in Aufgüssen nach Ledermüllers und Wrisbergs Vor- gang seit etwa 1765 mit dem Namen Aufgusstiercheu, Infusorien. Otto Freedrich Mülleü versuchte um 1780 die erste Klassifikation der Infusorien, zu denen damals auch noch die Bakterien gerechnet wurden. Seit etwa 1820 bereicherte Ehrenberg durch viele genaue Beobachtungen die Kenntnis von diesen niedersten Lebewesen. In ihrer winzigen Kleinheit und Feinheit, ihrer außerordentlichen Verbreitung in der Natur, ihrem riesigen Vermehrungsvermögen, ihrer Empfindlichkeit gegen chemische Stoffe, die auch die Wirksamkeit der Koutagien, z. B. des Variola- und Vaccinevirus, vernichteten, l)esaßen nun die Infusorien Eigenschaften, die man nach der Erfahrung auch den Kontagien zuschreiben musste. Dazu kam drittens, dass man 1834 für eine kontagiöse Krankheit, nämlich die Krätze, als Ursache ein belebtes Contagium, allerdings ziemlich grober Art, in der Krätzmilbe kennen lernte, die früheren Jahrhunderten bereits bekannt gewesen, von der wissenschaftlichen Welt aber vergessen worden war. Den Ausschlag für eine allgemeinere Annahme belebter Krankheits- stoffe aber gaben drei gegen Ende der 30er Jahre veröffentlichte Be- obachtungen. Es waren dies 1) die 1837 publizierte Mitteilung von Donne, dass im Eiter syphi- litischer Geschwüre Vibrionen (d. h. Bakterien) vorkämen, Avähreud in anderen Geschwüren solche nicht zu finden seien. 2) die im Jahre darauf veröffentlichte Entdeckung Bassis, dass die Muscardine, eine für miasmatisch -kontagiös geltende Krankheit der Seidenraupen, durch Infektion der Tiere mit einem Filz verursacht sei, dessen Sporen sich durch die Luft oder durch Berührung ^on kranken auf gesunde Raupen übertragen, auf diesen auskeimen und sie krank machen. 3) die von Schwann und Cagniard-Latour 1837 gleichzeitig fest- gestellte Thatsache, dass die schon seit Leeuwenhoeck her bekannten Hefen im gärenden Wein und Bier belebte Wesen seien, deren Ver- mehrung man mit dem Mikroskope verfolgen könne und die die Ursache, die Erreger der Gärung seien. Diese Mitteilungen waren von fundamentaler Wichtigkeit: Im Körper des Menschen fanden sich bei einer ansteckenden Krankheit belebte Wesen. Eine kontagiös -miasmatische Krankheit wie die Muscardine wurde nachweislich durch ein niederes Lebewesen erzeugt. Und auch die Gärung, die man so gern mit den Infektiousprozessen verglich, beruhte auf der Wirkung lebender Wesen! Kein Wunder, dass man sofort bei den verschiedenen Infektionskrankheiten im Körper und den Sekreten nach niederen Lebewesen zu suchen begann. Man fand allerlei: Hefen im Stuhl und Erbrochenen bei verschiedenen Krankheiten. Im Mageninhalt, dann in diarrhöischen Darmeutleerungen. im Auswurf bei Lungengangrän die »Sarcine« (fiebr. Goodsir 1842), ein Gebilde, dessen Natur lange dunkel blieb, bis sich allmählich die schon von Virchow 1847 vermutete Zugehörigkeit zu den niedersten Pilzen herausstellte. Bakterien im Cholerastuhl und auch in anderen diarrhöischen Stühlen. Pilze bei allerhand Affektionen, so bei Phthise im Sputum, bei Typhus in den Darmgeschwüren u. s. w. iVuch die Entdeckung des Favuspilzes (Schönlein 1839, Remak 1837—42), der Trichophytiepilze (Gruby 1843), des Pilzes der Pityriasis versicolor (Eichstedt 1846), des Ueberblick über die geschichtliche Entwickeluug der Lehre u. s. w. H Soorpilzes Laiigeiibeck, Ijeri;-, Grnby u. a. 1839 — 41) fallen in diese Zeit. Man fand ferner lufusorien im Cholerastulil und Harn und in den Dejektiouen Typhuskranker, nachdem schon Donne solche 1837 im Yaginalschleim (Trichomonas vaginalis) und Eud. Wagner 1836 im Lippenkrebs gesehen hatten. Indessen v*'ar mit all den interessanten Befunden, die mau machte, noch nicht dargethan, dass die wahrgenommenen kleinen Tiere und Pflanzen nun die Erreger der Krankheiten seien, bei denen man sie beobachtete. Welche Bedingungen zu erfüllen sind, damit ein Parasit als der Erreger eines bestimmten Krankheitsvorgauges augesehen werden darf, legte schon 1840 in bewundernswert logischer Schärfe Henle dar: Die als Krankheitserreger anzusehenden Lebewesen müssen sich zunächst konstant und innerhalb des Körpers in den kontagiösen Materien finden. Aber das genügt nicht allein; denn trotz konstanten Vorkommens im kranken Körper können die Lebewesen am Ende nur nebensächliche Befunde, nicht der »wirksame Stoff« der Kontagien sein. Um zu be- weisen, dass sie thatsächlich das Wirksame sind, müsste man sie aus der sie umgebenden Materie isolieren und ihre Kräfte gesondert beobachten können. »Konstanter Nachweis, Isolierung und Prüfung der isolierten Organismen, — das sind die drei Postulate der strengen Logik Henles. Die Geschichte der Kontagienforschung hat bewiesen, dass jede Ab- weichung von diesen unerbittlichen Gesetzen der Logik trotz des groß- artigsten Aufwandes rastlosester, unermüdlicher Arbeit stets zu trüge- rischen Ergebnissen geführt, dass nur allein die strikte Erfüllung aller drei Postulate den endlichen herrlichen Triumpli der Wissenschaft zu zeitigen vermocht hat.« (Löffler). Den HENLESchen Anforderungen, deren Richtigkeit und Wichtigkeit man sich nicht entziehen konnte, zu genügen, gelaug in der Zeit bis 1800 nur bei einigen der Krankheiten, deren belebte Erreger man in Händen zu haben glaubte, nämlich bei Favus, Trichophytie, Pityriasis versicolor und Soor, und auch da nur einigermaßen. Bei allen anderen Krankheiten blieb die Bedeutung der gefundenen Parasiten im Zweifel, und das Interesse an dem Contagium vivum wurde infolgedessen sicht- lich wieder geringer. Inzwischen machte die Kenntnis der kleinsten Lebewesen auf all- gemein biologischem und botanischem Gebiete laugsam Fortschritte, die auch den Untersuchungen über die Aetiologie der Infektiouskrankheiten zu gute kamen. Um 1860 gelang es endlich, die Lehre von der Entstehung der kleinsten Organismen durch Urzeugung endgültig zu beseitigen. Lebewesen, deren Herkunft und Entwickeluug man nicht unmittelbar verfolgen konnte, aus unbelebter Materie durch Urzeugung (Generatio spontanea oder aequivoca, Heterogenese, Abiogenese) entstanden zu denken, war immer das Bequemste und darum von jeher eine beliebte Theorie. Im Laufe der Jahrhunderte aber wurde die Hypothese von der Urzeugung auf immer kleinere und niedriger entwickelte Organismen beschränkt. Homer spricht noch von autochthonen, d. h. aus dem Boden erwachsenen Menschen. Das 16. und 17. Jahrhundert kannten noch Re- zepte für die Fabrikation von Mäusen und Fröschen aus Schlamm und Erde. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts aber bestritten schon Redi und SwAMMERDAM die Geueratio spontanea der Insekten, deren ge- 12 E.Abel. schleclitliche Fortpflanzung sie nachwiesen. Redi zeigte, dass im Käse und im faulenden Fleisch keine Maden entstehen, sobald man durch eine Umhüllung- mit Gaze die Fliegen fernhält. Harvey, der Entdecker des Blutkreislaufes, stellte 1650 den Satz auf: Omne animai ex ovo, den man später erweiterte zu Omne vivum ex vivo. Leeuwenhoeck widersprach schon der Entstehung der Infusorien durch Urzeugung, in- dem er Paarung bei ihnen zu sehen glaubte. Aber die naturforschenden Theologen des 17. Jahrhunderts (Kircher, Bonanni) lehrten, die nie- deren Tiere mUssten spontan entstehen können, denn die Bibel erwähne nicht, dass Noah sie mit in die Arche genommen habe. Und die Sper- matozoen galten noch lauge als Würmer, die der lebende Körper hetero- genetisch erzeuge. Für die Infusorien glaubte Needham 1745 die Entstehung durch Ur- zeugung sicher bewiesen zu haben; denn wenn er kochende Fleisch- brühe in Flaschen füllte, die Flaschen zur Erhitzung der in ihnen befind- lichen Luft in heiße Asche stellte und dann fest zustöpselte, so ent- wickelten sich doch kleinste Tierchen in der Brühe. Wie sollten die anders entstanden sein, da das Kochen und Erhitzen doch alle prae- existierenden Keime in den Flaschen getötet habe, als durch Geueratio spontanea? Die Ergebnisse Needhams suchte bald Spallanzant, ein vorzüglicher Experimentator auf verschiedenen Gebieten der Physiologie, durch das Experiment zu widerlegen. Er füllte von zersetzungsfähigen Flüssig- keiten ein Wenig in Flaschen, verschloss diese hermetisch und kochte sie. Schon kurzes Aufkochen verhinderte die Entstehung größerer Tierchen (d. h. unserer heutigen »Infusorien«), •^/jStündiges Kochen regelmäßig auch die Entwickelung von »Infusorien der niedrigsten Ord- nung« (d. h. nach heutiger Nomenklatur »von Bakterien«). Sobald man aber den gekochten Flaschen Sprünge beibrachte, erschienen in ihrem Inhalte Tierchen, ein Zeichen, dass der Inhalt trotz des Kochens ein geeigneter Nährboden für solche geblieben war und dass sie aus der Luft her eindrangen. Spallanzani folgerte aus seinen Versuchen, in den Infusionen, an den Wänden der Flaschen und in der Luft befänden sich Keime, die durch genügendes Kochen zu töten seien; Needham habe seine Flaschen nicht lauge genug gekocht und die Luft vielleicht nicht sorgfältig genug abgehalten. Die Versuche Spallanzanis gaben das Vorbild für Apperts Ver- fahren zur Konservierung von Nahrungsmitteln, aus dem sich wiederum unsere heutigen Konservierungsmethoden, soweit sie mit Hitze arbeiten, entwickelt haben. Die Anhänger der Urzeugung fühlten sich aber durch die Versuche nicht widerlegt. Schon Needham wandte ein, durch das lange Kochen werde die Luft in den hermetisch geschlossenen Ge- fäßen so verändert, dass sie die spontane Entwickelung von Tierchen nicht mehr zulasse. Später schien diese Anschauung um so mehr be- gründet, als Gay-Lus.sac fand, dass in der Luft der nach Spallan- zanis Verfahren gekochten Konservengefäße kein Sauerstoff mehr vor- handen sei. Kaum gefördert wurde die Frage durch Versuche von Schulze 1836 und Schwann 1837, in denen gezeigt wurde, dass gutgekochte Sub- stanzen frei von Lebewesen bleiben, wenn man Luft durch sie hindurch leitet, die vorher durch Schwefelsäure oder durch ein stark erhitztes Ptohr gestrichen ist. Es blieb der NEEDHAMSche Einwand offen, die Luft sei durch den Einfluss der Säure oder der Hitze ungeeignet zur Ueberblick über die geschichtliche Entwickelung der Lehre u. s. w. IH Erzcug'uug- von Keimen i;ewordcu. Daim wiesen jedocli Schröder und vox Dusch 1854 und 1859 nach, dass es nur nötig- sei, die Luft vor dem Hiueinleiten in eine gekochte Infusion durch Watte zu filtrieren, um jede Entwickelung von Keimen zu verhindern, — eine Beobachtung, die der Ausgangspunkt für die Anwendung der Watte zum Verschluss von Bakterienkulturgefäßeu gegen die umgebende Luft wurde. Endlich zeigten Hoffmaxx 1860, Chevreul und Pasteur 1861, dass eine ge- kochte Lifusion in einem Kolben mikroorganismenfrei sogar bei freier Kommunikation mit der Luft bleibt, wenn man den Hals des Kolbens umbiegt und zu einer dünnen Eöhre auszieht, sodass die Luft nur lang- sam einströmen kann und auf dem Wege durch den Hals in diesem die in ihr enthaltenen Keime ablagert. Pasteur bewies zugleich durch Auffanguug und mikroskopische Untersuchung von Luftstaub, dass die Luft von kleinsten Keimen wimmelt, und zeigte, dass die geringste Spur solchen keimhaltigen Luftstaubes hinreicht, um eine Infusion schnell zu zersetzen. War damit der Einwand Needhams gegen die Beweiskraft der Ver- suche Spallanzaxis beseitigt, so g:abeu die Anhänger der Urzeugung doch den Kampf noch nicht auf. Sie wandten noch ein, es gelinge erstens nicht mit Sicherheit, jede Substanz durch Kochen der Fähigkeit, Keime zu erzeugen, zu berauben. Wo dies glücke, da werde aber zweitens eben durch das Kochen der Materie das ihr im rohen Zustande eigene Vermögen der spontanen Keimerzeugung genommen. Den ersten Einwand hatten eigentlich schon Spallanzani und Schröder beseitigt, als sie beobachteten, dass es auf die Zeitdauer des Kochens ankomme, dass aber durch genügend langes Kochen in jeder beliebigen Substanz alle Keime ohne Ausnahme vernichtet würden; ebenso Pasteur, der 1861 nachwies, dass manche Substanzen unter Druck auf 110 o erhitzt werden müssen, um die Keime in ihnen sicher zu töten. Weitere Experimentatoren konnten diese Angaben nur be- stätigen. Warum eine Substanz schwerer keimfrei zu machen ist als die andere, erkannte man aber erst, nachdem Anfang der 70er Jahre Ferdinand Cohx die Sporeubildung der Bakterien entdeckt und erwiesen hatte, dass die Sporen besondere Widerstandsfähigkeit gegen alle äußeren Einflüsse besitzen: Die nur schwer keimfrei zu machenden Substanzen waren solche, die stark hitzeresistente Sporen enthielten. Der zweite Einwurf wurde hinfällig, als es gelang (zuerst vax der Broek 1857 und Pasteur 1863], allerlei Substanzen wie Traubensaft, Urin, Blut, Teile von Pflanzen und Organe von Tieren frei von jeder Zersetzung und jedem Lebewesen Monate und Jahre lang- zu erhalten, wofern man nur Sorge trug, l»eim Auffangen oder Entnehmen und beim Aufbewahren jede Verunreinigung der Materien mit Keimen der Außen- welt zu vermeiden. Mit Feststellung dieser Thatsachen, deren Kiehtigkeit später nur noch von einzelnen Autoren bekämpft wurde, Avar auch für die nied- rigsten bekannten Lebewesen Avie schon längst für die höheren erwiesen, dass sie nicht spontan in zersetzungsfähigen Substanzen entstehen, son- dern stets von ihresgleichen abstammen. Wichtig für die Infektionslehre war vor allem der später durch zahlreiche Untersuchungen noch immer mehr gesicherte Gewinn der Erkenntnis, dass bei gesunden Menschen und Tieren das Blut und die inneren Organe, soweit sie nicht wie Magen und Darm unmittelbar mit der Außenwelt in Verbindung stehen, stets frei von Keimen niederer 14 R. Abel, Wesen sind und solche nicht von selbst erzeugen können. Folgte doch daraus, dass Mikroorganismen im Blut und in den Organen mit Sicher- heit immer als P^indringlinge von der Außenwelt her anzusehen sind. Auch die Abgrenzung der verschiedenen Formengruppen niederster Lebewesen wurde um das Jahr 1860 eine vollkommenere. Mit dem Namen »Infusionstierchen« bezeichnete noch 1838 in seinem großen Tafelwerke Ehkenberg alle mikroskopisch kleinen Lebewesen, — Lifusorien, niedere Algen und Bakterien. Er hielt sie für hochent- wickelte Tiere, da er an den größeren Formen Mundwerkzeuge, Magen und Augen, kurz eine feine Organisation zu erkennen glaubte. Für die kleineren (den Bakterien zugehörigen Formen), deren Benennungen z. B. als »Dämmerungs-« und »Schlussmonade« schon zeigen, dass sie für seine optischen Hülfsmittel an der Grenze der Sichtbarkeit standen, nahm er eine ähnliche Organisation aus Gründen der Analogie an, natürlich ohne sie sehen zu können. Allmählich begann man etwas mehr Ordnung in das Chaos der Infusionstiere zu bringen. Man ent- deckte die Schwärmsporen der Algen. Die Zoologen grenzten die eigent- lichen Infusorien und die sonstigen Protozoen von den übrigen unter dem Namen Infusionstierchen znsammengefassten Mikroorganismen ab und erkannten sie als Tiere an. Die Botaniker, besonders Perty 1852 und Ferd. Cohn 1853 aber reklamierten die kleinsten Formen der Infusions- tierchen als Pflanzen für sich. Naegeli führte 1857 für sie den Namen Schizomy ceten, Spaltpilze, wegen der Art ihrer Vermehrung durch einfache Querteilung ein und trennte sie scharf von den farbstofifhaltigen Algen, indem er fand, dass sie entgegen diesen und in LTebereinstimmuiig mit den Pilzen zu ihrer Ernährung mit anorganischen Materialien nicht auskommen, sondern organische Substanzen dazu brauchen. Den Sammel- namen Bakterien, der jetzt noch mehr als der Ausdruck Spaltpilzein Gebrauch ist, brachte besonders Ferd. Cohn in Aufnahme. Von ganz besonderer Bedeutung in allgemein biologischer Beziehung und von großem Einflüsse auf die Lehre vom belebten Contagium waren die Untersuchungen Pasteurs über die Gärung. Pasteür verfocht die, wie erwähnt, 1837 von Schwann und Cag- niard-Latour aufgestellte Ansicht, dass die Hefen lebende Pflanzen seien, die durch ihren Lebensprozess die Vergärung zuckerhaltiger Sub- stanzen hervorbrächten, siegreich — die Einzelheiten gehören nicht hier- her — gegen Liebig, nach dessen Theorie zerfallende Stickstoflsubstanzcn die Gärung erzeugen sollten und die Hefe nur insofern von Bedeutung wäre, als sie selbst bei ihrem Absterben solche gährungserregende Stickstoffsubstanzen lieferte. Darüber hinaus aber fjind Pasteür, wie teilweise schon Blondeau (1846) vor ihm, dass auch bei andersartigen Gärungen, bei Essig-, Milch-, Butter- und Weinsäuregärungen und Harnstoffzersetzungen stets Mikroorganismen vorhauden seien. Das Eigentümliche war dabei, dass bei jeder besonderen Art von Gärung auch je ein besonders geformter leicht zu erkennender Mikroorganismus regelmäßig und in einer alle anderen vorhandenen ^Mikroben weit überwiegenden Zahl sich zeigte. Pasteür schloss daraus, so wie die alkoholische Gärung durch die Wir- kung der Hefe, so entstehe auch jede andere Art von Gärung durch eine besondere Art belebten Fermentes. Bei zwei Gärungsprocessen, der Butter- säuregärung und der Gärung des weinsauren Kalkes, fanden sich Mikro- bien, die bei Luftzutritt überhaupt nicht zu wachsen vermochten und schon dadurch sich von anderen Lebewesen unterschieden, — die ersten Bei- Ueberblick über die geschichtliche Entwickelung der Lehre u. s. w. 15 spiele obligat auaerobiontischer Bakterien. Auch die verseliiedeneu Krankheiten des Weines, sein Sauer-, Bitter-, Zäliwerden u. s. w., fand Pasteur, würden jede durch ein besonderes Kleinvvesen hervorgerufen. Ebenso sei auch die Fäulnis, dieser der Gärung chemisch so ähnliche Prozess nichts, als eine Zersetzung organischer Materie durch Mikro- organismen. Die Lehre Pasteurs, dass die Fäulnis gleichwie die Gärung die Folge der Lebensthätigkeit von Mikroorganismen sei, führte einen außer- ordentlich bedeutenden Fortschritt herbei, nämlich die Einführung der Antisepsis in die Chirurgie durch Lister. Fäuhiis der Wun- den, Wundinfektion, zu verhindern, musste, wenn Pasteurs Anschauung richtig war, möglich sein, falls jedes Hiueingelangen von Mikroorganis- men in die Wunden unmöglich gemacht wurde. Wie Lister dieses Ziel durch Desinfektion von Händen, Instrumenten, Operationsfeld und Luft (Spray!) unter Anwendung der Karbolsäure, deren autiseptische Kraft kurz zuvor Lemaire erkannt hatte, zu erreichen suchte, ist bekannt. Kaum 10 Jahre dauerte es, bis die glänzenden Erfolge seiner seit 1867 ausgearbeiteten Methode ihr die Welt erobert hatte. Die Feststellung Pasteurs andererseits, dass jede besondere Art von Gä- rung durch einen beistimmten Mikroorganismus hervorgebracht werde, musste immer wieder den Gedanken nahe legen, dass auch für jede Krankheit ein bestimmter spezifischer Mikroorganismus den Erreger darstellen müsse, so oft auch in der Folgezeit bis zum Jahre 1880 hin die Neigung vor- handen war, aus dem ganzen Reiche der Bakterien ein Chaos, in dem alles zu allem werden konnte, zu machen. Mitte der 60er Jahre begann, unter dem Einfluss des Wiederauf- treteus der Cholera, infolge der Entdeckung einer neuen parasitären Krankheit des Menschen, nämlich der Trichinose, infolge der Auffindung belebter Erreger für eine Reihe von Pflanzenkraukheiten , wie die Ge- treideroste, die Kartotfelfäule und andere, und angeregt durch Pasteurs Gärungsarbeiten, die Suche nach den Erregern der Infektionskrankheiten aufs neue die Aerzte zu beschäftigen. Einmal glaubte man schon alle Rätsel gelöst zu haben, nämlich als Hallier in den Jahren 1866 bis 1868 sein außerordentlich überzeugend scheinendes Lehrgebäude errichtet hatte. Die bei den verschiedenen Infektionskrankheiten, im Cholera- und Typhusstuhl, im Pockeneiter u. s.w. gefundenen »Micrococcus« säte Hallier auf Nährsubstrate, z. B. Stärke- kleister aus und verfolgte, was daraus wurde. Immer entstanden schließ- lich Schimmelpilze auf den Nährsubstraten, woraus Hallier schloss, dass die »Micrococcus« im kranken Körper nichts anderes seien als Entwicklungsstufen höherer Pilze. Für jede Krankheit sei ein beson- derer Pilz anzunehmen, der in den verschiedensten Formen und Gene- rationsreihen, bald als Mucor, bald als Aspergillus und so fort erscheinen könne. Aber noch schneller als es entstanden war, brach Halliers System zusammen. De Bary, Cohn, Nägeli und andere Botaniker zeigten, dass Halliers Kulturen ein Sammelsurium der verschiedensten Pilze darstellten, dass eine solche Polymor]diie der Pilze, wie Hallier- sie behauptete, denn doch nicht besteht, und dass vor allem Schimmel- pilze und Bakterien ganz verschiedene, nicht in einander übergehende Organismen sind. Seit dem Jahre 1870 etwa Ijegann das Interesse ganz besonders der Erforschuiiü- der Aetiologie der Wundinfektionskrankheiten. 16 R- Abel. zumal der Pyämie und Septikämie sich zuzuwenden. Eindfleisch zeigte zuerst, dass die bei Pyämie und Puerperaltieber zu beobachtenden kleinsten Erweichung-sherde im Herzmuskel massenhaft Bakterien enthiel- ten. Dann fanden von KecivLIXgil\usen und Waldeyer 1871 in den metastatischeu Herden der inneren Organe Ijei den gleichen Erkrankun- gen und anderen Krankheitsprozessen massenhaft Mikroorganismen. Be- sonderes Aufsehen aber erregten die Befunde von Klebs, der in den Kriegslazaretten von Karlsruhe 1870/71 bei sehr zahlreichen Verwunde- ten im guten Eiter der Wunden, reichlicher a])er noch im jauchigen Wund- sekrete und in den metastatischen Eiterherden bei Pjämischen regelmäßig Bakterien beol)aclitete, von denen ihm eine ganz kleine zu Gruppen oder in Rosenkranzform angeordnete kugelförmige Art, die er als Mikrosporon septicum bezeichnete, wegen ihrer Häufigkeit besonders auffiel. Er suchte anatomisch die Wege des Eindringens des Mikrosporon in die Gewebe aufzufinden, hielt es auf Grund seiner Befunde für den Erreger der septischen und pyämischen Infektion und bezeichnete diese mit dem Namen der »septischen Mykose«. Bald wurde das Vorhandensein von Bakterien in den Krankheitsherden bei Pyämie, Puerperalfieber, Phleg- monen, diphtherischen und erysipelatösen Prozessen von vielen wei- teren Autoren, es seien als bekanntere Namen nur Birch-Hirschfeld, Eberth, Weigert, Orth genannt, bestätigt, und die Lehre von den Bakterien als Wundiufektionserregern vergrößerte stetig die Zahl ihrer Anhänger. Die Gegner der Bakterientheorie, die sich das krankmachende Agens bei den Wundinfektionskrankheiten als ein ungeformtes Fäulnisferment dachten und die Bakterien nur für etwas Accidentelles hielten, höchstens eine Erhöhung der Schwere des Infektionsprozesses durch die Stoff- wechselprodukte der Bakterien zugeben wollten, hatten zwar wenig positive Thatsachen zur Stütze ihrer Ansicht aufzuführen, aber Gründe genug, die Mikrobientheorie nicht für erwiesen anzusehen. Ihr wesentlichster Einwand war der, dass nicht nur bei den ver- schiedenen Arten der AVundinfektion, der einfachen Eiterung, der Pyämie, der Septikämie, dem Wunderysipel, dem Puerperalfieber, sondern auch bei allen möglichen anderen Krankheiten, wie Pocken, Cholera, Schar- lach, Rinderpest, Lungenseuche Bakterien gefunden wurden, die sich in nichts von einander und auch nicht von den in beliebigen zersetzten unbelebten Substanzen vorkommenden unterschieden. Wären die Mikrobien die Erreger dieser so verschiedenartigen Krankheiten, so müssten sie auch untereinander deutlich dififereut erscheinen. Da sie aber bei all den ver- schiedenen Krankheiten gleich seien, da es überhaupt verschiedene Bak- terienarten nicht gebe, so könnten sie nicht die Erreger des Krankheits- prozesses, sondern nur etwas Sekundäres sein. Mit aller Energie verteidigten demgegenüber die Anhänger der Bak- terientheorie, au ihrer Spitze Ferdinand Cohn , die Ansicht, dass, wenn die Bakterien untereinander meist auch recht ähnlich aussähen, doch ganz ohne Frage unter ihnen zahlreiche morphologisch, vor allem aber biologisch ganz von einander verschiedene echte Arten vorhanden seien. Sie könnten äußerlich so gleich oder ähnlich, aber dabei doch innerlich so verschieden sein wie die bittere und die süße Mandel (Cohn) oder wie Schierling und Petersilie (Virchow). So sind z. B. nach Cohns System von 1872 der Micrococcus der Vaccine, der Diphtherie und der septischen Erkrankungen als ganz verschieden von einander zu betrachten schon wegen der Herkunft jedes einzelnen aus einer besonderen Krank- Ueberblick über die geschichtliche Entwickelung der Lehre u. s. w. 17 lieitsforni, ohne dass man docli sonst irgend einen Unterschied zwischen den drei Kokken kannte. Mit dem Beweise für die Existenz verschiedener Bakterienarten frei- lich haperte es. Berief man sich darauf, dass bei jedem der verschiedeneu Gärung'sprozesse, wie Pasteur gezeigt habe, auch eine ganz bestimmte Mikrobieuform im Spiele sei, so behaupteten die Gegner, es handle sich da gar nicht um bestimmte Arten, sondern einfach um Anpassung der Form der ubiquitären Bakterien an die besondere Zusammensetzung des Mediums, in dem sie lebten. Ebensowenig ließen sie es gelten, wenn zu zeigen versucht wurde, dass bestimmte Farbstoffproduktionen, wie das schon von Ehrenberg studierte Rotwerden der Speisen (durch den Bac. prodigiosus) , das von Fuchs beschriebene Gelb- und Blauwerden der Milch, die von Lücke 1862 näher erforschte Grünfarbung des Eiters, die von ScHRt'VrER seit 1870 verfolgten Pigmentbilduugeu auf gekochten Kartoffeln, ihre Entstehung je einer bestimmten Bakterienart verdanken. Die Eigenschaft der Farbstoffproduktion, sagten die Gegner der Spezi- fizität, sei bei allen Pflanzen eine so schwankende physiologische Funk- tion, dass auf sie Unterscheidungen nicht basiert werden könnten; mor- phologisch aber seien die einzelnen sogenannten : Arten« teils gar nicht, teils lange nicht ausreichend gekennzeichnet. Die Unmöglichkeit der Beinzüchtung irgend einer der genannten Bakterienarten vollends machte den Beweis der Spezifizität unmöglich. Auch die beiden Infektionskrankheiten, bei denen man ganz besonders charakteristisch geformte Bakterien gefunden hatte, der Milzbrand nämlich, dessen Bazillen durch Pollender, Brauell, Delafoxd und Davatne seit etwa 1850 bekannt geworden waren, und das Rück fall- fieber, dessen Spirochäten Obermeier schon 1868 gesehen und 1873 beschrieben hatte, konnten als vollgültige Belege für die Annahme spezi- fischer Mikroorganismen als Erreger bestimmter Infektionskrankheiten nicht ausgenutzt Averden. Denn für das Rückfallfieber war die ätiologische Bedeutung der Spirochäten ganz unsicher, da man nur die Thatsache ihres Vorkommens bei der Krankheit kannte, Tierversuche aber bis 1879 negativ ausfielen. Milzbrand aber behauptete man bei Tieren, ohne dass Bazillen im Blute sich fanden, verlaufen gesehen und auch durch Impfung mit bazillenfreiem Blute erzeugt zu haben; manche Autoren hielten die Milzbrandbazillen ihrer Unbeweglichkeit wegen auch gar nicht für Organismen, sondern für Krystalle. So konnte denn Billroth noch 1874 alle bei den Wundinfektions- krankheiten gefundenen Bakterien als an iliren jeweiligen Aufenthalts- ort angepasste Abkömmlinge einer und derselben Bakterienform, seiner Coccobacteria septica, betrachten und den Satz schreiben: »Es giebt bis jetzt keinerlei morphologische Kennzeichen irgend einer Micrococcos- oder Bacteriaform, aus welcher man schließen könnte, dass sie sich nur bei einer bestimmten Krankheit in oder am lebenden Körper ent- wickele. « Billlroth zog aus der Beobachtung von Bakterien in subkutanen und tiefen, nicht mit der Außenwelt kommunizierenden Eiterherden den Schluss, schon in den Geweben des normalen Körpers seien stets Bak- terien vorhanden, sie gelangten aber zur Vermehrung erst, wenn durch ein krankmachendes chemisches Ferment, ein »entzündliches oder sep- tisches Zymoid«, der Körper für ihr Wachstum vorbereitet sei. Alsdann könnten sie Träger dieses Fermentes und dadurch befähigt zur Ueber- tragung der Krankheit auf ein anderes Individuum werden. Aehnliche HandbiK-li der pathogenen Jlikroorganismen. I. 2 18 R- Abel, Ansichten vertrat Hiller , der beredteste Anwalt der chemischen Theorie der Wundinfektion, noch 1879. Wer in unseren heutigen Anschauungen aufgewachsen ist, könnte geneigt sein, zu glauben, die glänzenden Erfolge der LisTERSchen Wund- behandlung, die ja auf die Fernhaltuug der Mikroorganismen von den Wunden hinzielte, hätte schon in jener Zeit zu der Einsicht führen müssen, dass Mikroorganismen die Erreger der Wundinfektionskrank- heiten seien. Aber gerade die LiSTERSche Methode musste Beweise gegen diese Auffassung liefern. Man fand auch in guten Wunden unter LiSTERver])änden Bakterien: Wenn Bakterien die Erreger der Wund- infektion waren, warum trat nun in diesen Fällen keine Infektion auf? Vergeblich hielt Birch-Hirschfeld, der Unterschiede in der Zahl, Form und Lebensfähigkeit zwischen den Bakterien unter antiseptischen Ver- bänden und denen in der Wunde bei Pyämie nachzuweisen suchte, dem entgegen, Bakterien und Bakterien seien eben nicht ein und dasselbe: Für das Bestehen solcher Unterschiede fehlte der Beweis und darum erkannte man sie nicht an. So spitzte sich die Entscheidung über die Bedeutung der Bakterien für die Infektion mit Notwendigkeit auf die Lösung der Frage zu, ob es thatsächlich wohl charakterisierte, konstante Arten von Bak- terien gebe oder ob am Ende nur eine Art von Bakterien existiere, die unbegrenzt oder doch äußerst leicht und vielseitig variabel sei? Die Lösung im Sinne der Existenz spezifischer Bakterienarten wurde namentlich durch die grundlegenden Arbeiten von Egbert Koch her- beigeführt. In seiner ersten, 1876 erschienenen Abhandlung über den Milzbrand erbrachte Koch den Nachweis der ätiologischen Bedeutung des Milz- brandbacillus für diese Krankheit. Er verfolgte unter dem Mikroskop die Eutwickelung des Bacillus von Spore zu Spore und wies nach, dass nur durch Verimpfung des Bacillus oder seiner Sporen, nicht aber durch andere Bakterien l)ei Tieren Milzbrand zu erzeugen sei. Wo man geglaubt habe, Milzbrand bei Tieren durch Verimpfung von milzbrandbazillenfreien Stoffen zu erzeugen, habe man unbewusst that- sächlich doch die Bazillen oder ihre Sporen übertragen. Die soge- nannte »miasmatische« Erkrankung der Herdentiere auf der Weide an Milzbrand könne nur durch Aufnahme in der Außenwelt verbreiteter Milzbrandsporen, die gegen schädigende Einflüsse so sehr resistent seien, erklärt werden. Zur Verhütung des Milzbrandes müsse daher da- nach gestrebt werden, die Eutwickelung der Sporen im Boden, wohin die Bazillen mit den Kadavern der gefallenen Tiere gelangten, zu verhin- dern. Das sei möglich, indem man die Kadaver so tief in den Erdboden vergrabe, dass die Bazillen die zur Sporenbildung nötige Temperatur über 15*^^' nicht mehr fänden. — Wie man sieht, enthielt diese Arbeit schon alle für die Aetiologie und für die Prophylaxe der Milzbrand- krankheit wichtigen Daten! Zwei Jahre später zeigte Koch, dass wie für den Milzbrand so auch für eine Reihe experimentell bei Tieren zu erzeugender pyämischer und septikämischer Krankheiten, wie Mäuseseptikämie, Kaninchensepti- kämie, progressive Gewebsuekrose bei Mäusen bestimmte wohlcharak- terisierte Bakterienarten die Erreger abgeben. Es gelang ihm bei diesen Krankheiten allen den Bedingungen zu genügen, die nach seiner Ansicht erfüllt werden müssen, damit ein Mikroorganismus als Erreger einer Krankheit gelten kann, nämlich, »die parasitischen Mikroorganis- Ueberblick über die geschichtliche Entwickelang der Lehre u. s. w. 19 men in allen Fällen der betreffenden Krankheit aufzufinden, sie ferner in solcher Menge und Verteilung- nachzuweisen, dass alle Krankheits- erscheinungen dadurch ihre P^rklärung finden und schließlich für jede einzelne Infektionskrankheit einen morphologisch wohlcharakterisierteu Mikroorganismus als Parasiten festzustellen.« Vom Bhite und den Ge- webssäften der infizierten Tiere genügten zur Uebertragung der Krank- heit auf andere Tiere so minimale Mengen, dass gleichzeitige Ueber- tragungen einer zur Erzeugung der Krankheitssymptome etwa genügenden Menge eines chemischen Giftes ganz ausgeschlossen erscheinen musste. Höchst anschaulich zeigten Kochs Versuche, wieder Tierkörper dazu dienen kann, aus Gemischen von allerlei Bakterien eine bestimmte pathogeue Art, die allein im Tierkörper zu wachsen imstande ist, in Keinkultur herauszuzüchten. Auch die Möglichkeit der Trennung zweier pathogener Bakterienarten durch den Tierkörper wurde nach- gewiesen: Mäuseseptikämiebazillen und nekroseerzeugende Kokken ge- diehen im Körper weißer Mäuse neben einander; bei Uebertragung auf den Körper der Feldmaus aber vermehrten sich nur die Nekrosekokken Aveiter und waren so in Eeinkultur zu erhalten. Als wichtigstes Ergebnis seiner Untersuchungen bezeichnet Koch den Nachweis : der Verschiedenheit der pathogenen Bakterien und ihrer Un- abänderlichkeit«. Gegen die Verschiedenheit und Unabänderlichkeit der Mikroorganismen aber wurde namentlich von Nägeli und seine Schule in den nächsten Jahren noch ein heftiger Kampf geführt. Kägeli, der noch 1877 leugnete, dass bei den Bakterien »auch nur zur Trennung in zwei spezifische Formen Nötigung vorhanden sei«, war überzeugt, dass es keine echten Bakterien arten gebe, sondern die Variabilität der Bakterien eine unbegrenzte sei. Nach ihm »nimmt die gleiche Species im Laufe der Generationen abwechselnd verschiedene morphologisch und physiologisch ungleiche Formen an, welche im Laufe von Jahren und Jahrzehnten bald die Säuerung der Milch, bald die Buttersäurebildung im Sauerkraut, bald das Langwerden des Weins, bald die Fäulnis der Eiweißstofte, bald die Zersetzung des Harnstoffs, bald die Rotfärbung stärkemehlhaltiger Nahrungsstoffe bewirken und bald Diphtherie, bald Typhus, bald rekurrierendes Fieber, bald Cholera, bald Wechselfieber erzeugen«. Experimentelle Beweise für die Variabilität der Bakterien, ihre leichte Anpassungsfälligkeit an w^echselnde Lebensbedingungen glaubten einige Autoren gegen 1880 dadurch erbracht zu haben, dass es ihnen nach ihrer Ansicht gelang, durch Kultur unter bestimmten beson- deren Verhältnissen, durch >accomodative Züchtung«, z. B. die nicht pathogenen Heubazillen in die pathogenen Milzbrandbazilleu , harmlose Schimmelpilze in infektiöse umzuzüchteu. Gegen diese Angaben sprachen zwar allerlei Thatsachen. die man schon Ende der 70er Jahre kannte, ihre endgültige und einwandsfreie Widerlegung gelang aber erst, als praktisch brauchbare, zuverlässige Methoden für die ReinzUchtung der Bakterien in vitro gefun- den wurden. Damit war die Möglichkeit gegeben, in beliebig langer Reihe von »Generationen« jede Bakterienart für sich becjuem fortzu- züchteu und das Bestehen echter, nur in relativ geringem Maße morpho- logisch imd biologisch variabler Arten darzuthun. Auch hier hat wieder Koch die Bahn gebrochen, indem er die festen Nährsubstrate zur Isolierung von Bakterien aus Gemischen von Mikroorganismen ein- führte und damit die Züchtung von einem Keim aus möglich machte. Die Erzeugung der Infektionskrankheiten durch Impfung mit lange außer- 2* 20 R. Abel, halb des Körpers fortgezücliteten Bakterienreiukulturen beseitigte denn auch deu letzten Zweifel, dass etwa unbelebte Fermente besonderer Art, nicht Bakterien oder von ihnen produzierte Stoffe das Krankheitsagens seien. Flüssige Nährmedien verschiedener Zusammensetzung zur Züchtung von Bakterien waren besonders durch Pasteur (1858) und Cohn (1872) in Aufnahme gekommen. Feste Nährböden verwandten u. a. H. Hoff- MAXN (1869) und Schköteu (1872) in Gestalt der Kartoffel, Klebs (1873) und Bkefeld (1874) in Form von Hausenblasengallerte ; die drei Letztgenannten machten Anläufe, das feste Substrat zur Keinzüchtung zu verwenden, ohne jedoch wesentliche Erfolge zu haben. Isolierung von einzelnen Bakterien aus Bakteriengemischen durch so starke Ver- dünnung des in Nährflüssigkeiten zu übertragenden Aussaatmaterials, dass jeder Tropfen desselben womöglich nur einen Keim enthielt, ver- suchten Klebs, Nägeli und mit besonders gutem Ergebnis 1877 Listek. Salomonsex gab 1876 eine Methode zur Isolierung von Bakterien durch Züchtung in Kapillarröhrchen, in denen die Keime räumlich getrennt zu Kolonien auswuchsen, an; praktisch brauchbar war sie nicht. Koch brauchte als feste Nährsubstrate anfänglich Kartoffeln und Gelatine mit verschiedenen Zusätzen (Humor aqueus, Serum), später auch durch Erhitzen erstarrtes Serum. Die jetzt allgemein gebräuchliche Fleischwasserpeptongelatine führte Löffler ein, das Agar Frau Hesse. Einen weiteren Fortschritt in der Erforschung der pathogenen Bak- terien brachte die Einführung der homogenen Immersion mit dem AßBE'schen Beleuchtungsapparat in die Methodik durch Koch (1877) und die immer mehr vervollkommnete Technik ihrer deutlichen Darstellung durch Färbung. Erst durch diese wurde der Nachweis vereinzelter und kleinerer Bakterien und ihre zuverlässige Unter- scheidung von ähnlich aussehenden Gebilden in den Körpergeweben gesichert. Eberth versuchte 1872 Färbung der Bakterien mit Haematoxylin, Weigert 1875 mit Karmin und Methylviolett. Salomonsen 1876, Koch 1877 und Ehrlich 1878 lehrten die Vorzüge der Anilinfarben kennen. Das Antrocknen und Fixieren am Deckglas vor der Färbung wandten Koch und Ehrlich zuerst an. Spezitische Färbereaktionen fand Koch 1882 für die Tuberkelbazillen, Gram 1884 für die »gramfärbbaren« Bakterien. Die erste allgemein brauchbare Methode zur Geißelfärbung gab LöFFLFR 1890 an. Mit Hilfe der neuen Methoden und geleitet von dem kritischen Geiste, dessen Hauch schon die ersten Arbeiten Kochs durchweht, gelang es Koch und seinen Schülern, vom Jahre 1880 an für eine Eeihe der wichtigsten Infektionskrankheiten des Menschen und der Tiere die wahren Erreger — wie oft hatte man schon früher geglaubt, sie entdeckt zu haben! — in Gestalt von Bakterien nachzuweisen. Hier seien nur ge- nannt die Aufdeckung der Aetiologie der Tuberkulose, der Cholera, des Typhus, der Diphtherie, der Wundinfektionen und des Erysipels, des Tetanus, der Pneumonie, der epidemischen Meningitis, der Influenza, der Bubonenpest, der hämorrhagischen Septikämien bei Tieren und des Schweinerotlaufs. Auch die Kenntnis der z. T. schon früher bekannten pathogenen Fadenpilze und Streptothricheeu (Aktinomyces) ist durch die modernen Bakterienmethoden gefördert worden. Ueberblick über die geschichtliche Entwickelang der Lehre u. a. w. 21 Neue Methoden sclieineu nötig- zu sein, um die Erreu-er der vSypbilis, der Pocken, Masern und des Scharlaclis, und, wenn sie durch Tarasiten erzeug't sind, der malignen Tumoren aufzufinden. Ihre eigenen Wege ging die Erforschung einiger Krankheiten, bei denen Protozoen die Erreger darstellen. Die wichtigsten Ergebnisse waren hier der Nachweis der Malariasporozoen durch Laverax 1882, die Entdeckung ihrer Verbreitung durcli Mücken seitens verschiedener Autoren seit 1897, und die Auffindung der Texasfieberparasiteu und ihrer Verbreitungsweise durch Smith (1889 ff.). Immunität. Selbst die heftigste und ausgcbreitetste Seuche ergreift niemals alle Menschen. Eine kleinere oder größere Zahl bleibt verschont, mögen sie auch noch so sehr der Infektionsgelegenheit ausgesetzt sein. Von jeher erklärte man sich diese Erscheinung durch A'erschiedenheiten in der Körperbeschaflenheit der einzelnen Menschen. »Eine Krankheitsursache vermag nur in den für sie geeigneten Körpern zu wirken«, sagt schon Galen. So lange die Humoralpathologie herrschte, galt der Satz, dass die Menschen, die humiditate excrementosa pleni, deren humores ad putredinem apti sind, am leichtesten ergriffen werden. Fontanellen an- zulegen, damit die schlechten Stoffe aus den Säften ausgesondert werden, hielten Viele selbst im Anfange des 19. Jahrhunderts zu Epidemiezeiten noch für empfehlenswert. Crenauere Vorstellungen über die Ursachen der natürlichen Immu- nität als den vagen Begriff einer besonders guten Beschaffenheit der Humores, einer guten Körperkonstitution hatte man nicht, wie wir ja selbst heute noch nicht über ganz gesicherte Erklärungen verfugen. Beliebt war immer der Vergleich der Krankheiten mit Pflanzen, die auch nicht auf jeder Art von Boden gleich gut gedeihen. Sehr wohl kannten schon frühere Jahrhunderte die Bedingungen, die die natürliche Immunität er- höhen oder brechen. Schon im Mittelalter lehrte man, dass gute Er- nährung, regelmäßige Lebensweise, Sauberkeit die Resistenz gegen Krankheiten fördern, Schmutz, schlechte Nahrung, Excesse umgekehrt sie hinabsetzeu. Furcht vor der Ansteckung. Gemütsbewegungen über- haupt galten als ganz besonders für Erkrankung disponierend, ja konnten nach Ansicht vieler Autoren bis ins 18. Jahrhundert die herrschende epidemische Krankheit auch ohne Contagium und Miasma von selbst hervorrufen. Anfänge einer Kenntnis von verschiedener Rassendispo- sition finden sich schon im 16. Jahrhundert deutlich. Beispiele, oft abenteuerliche, besonderer Familiendisposition bringt seit jeuer Zeit bis zum 19. Jahrhundert fast jeder Seuchenschriftsteller. Experimentell zuerst gezeigt wurde das Brechen der natürlichen Immunität durch »massive Dosen« Infektionsmaterial von Chauveau 1879 (algerisches Vieh und Milzbrand), durch Abkühlung des Körpers von Pasteur 1878 (Hühner und Milzbrand), durch Ueljeranstrengung von Charrin und Roger 1890 (Ratten und Milzbrand), durch Hunger von Canalis und M(jrpurgo 1890 (Tauben und Milzl)rand). Die erste Angabe über Beziehungen zwischen Immunität und nachweislich be- sonderer Beschaffenheit des Blutes stammt wohl von R. Koch (1878 S. 46: Das Blut der gegen Mäuseseptikämie immunen Feldmäuse bildet schneller Krystalle in vitro als das der empfänglichen Hausmäuse). Autiseptische und baktericide Stoffe im Blute vermuteten zuerst Traube 22 R- Abel, und GscHEiDLEN 1874, Grohmann 1884; exakte Versuche machte zu- erst VON FODOK 1887. Als eine Krankheit, gegen die es kaum natürliche Immunität gebe, sah man von jeher die Pocken an. Man suchte sie daher gern als ein ganz normal in jedem Leben zu erwartendes, aus inneren Ursachen im Körper entstehendes Ereignis zu erklären. Von Rhazes (9. Jahrhundert) an bis ins 17. Jahrhundert hielt man sie allgemein für entstanden durch Gärung des während der Gravidität im mütterlichen Körper zurück- gehaltenen, auf das Kind übergegangenen Menstrualblutes. De Haen um 1760 betrachtete die Pocken als einen in jedem Körper wie Zahn- wechsel und Pubertät zu bestimmter Zeit eintretenden Prozess, bestehend in Wucherung der feinsten Arterienausläufer in der Haut. Kieser, im Anfang des 19. Jahrhunderts Professor in Jena, hielt ähnlich Pocken, Scharlach, Masern für normale und notwendige Entwickelungsvorgänge im Kindesalter und eiferte daher gegen die Versuche, diese Krankheiten zu vermeiden. Das Eintreten von Immunität gegen die Krankheiten einer bestimm- ten Oertlichkeit infolge von Acclimatisation (z. B. gegen Malaria) behauptete man schon früh und erklärte es durch allmähliche Gewöh- nung an die häutig und in kleinen Mengen aufgenommenen Krankheits- stoffe. Bereits im Altertum wusste man, dass manche ansteckenden Krank- heiten den Menschen nur einmal befallen. Schon Thukydides erzählt derlei von der Seuche zu Athen im Peloponnesischen Kriege. In den großen europäischen Pestepidemieen vom 14. Jahrhundert an übertrug man die Pflege der Kranken und die Desinfektion der Häuser mit Vor- liebe bereits durchseuchten und daher für immun geltenden Personen. Je weniger man seit dem 17. Jahrhundert Pocken, Scharlach, Masern zusammenwarf und nur für Abstufungen desselben Krankheitsprozesses hielt, um so sicherer wurde festgestellt, dass sie Immunität hinterlassen. Einen mächtigen Aufschwung nahm die Lehre von der erworbe- nen Immunität durch die Einführung der Pockeninokulation vom Oriente nach Europa seit dem Jahre 1721. Aus der Beobachtung, dass die künstlich in die Haut eingeimpften Pocken unvergleichlich viel mil- der verliefen, suchte man auch für andere Krankheiten Nutzen zu ziehen. Home machte 1758 Versuche, gegen Masern durch Inokulation von Blut und Nasenschleim Masernkranker zu immunisieren. Stoll um 1780 und mehrere Andere nach ihm wollten gegen Scarlatina durch Ein- impfung von Blut, Hautschuppen u. s. w. Scharlachkranker immunisieren. Vespremi empfahl 1755 zum Schutz gegen die Beulenpest Inokulation von Pestmaterie. Zur Immunisierung von Rindvieh gegen Rinderpest wandten schon 1744 Dodson und 1745 Courtivron die subkutane Ein- spritzung von Nasenschleim kranker Tiere an. Luugenseucheschutzim- pfungen wurden seit Beginn des 19. Jahrhunderts, später namentlich auf Empfehlung von Hertwig (1827) und Willems (1850), geübt. Inokulation von Cholera mit dem Blute von Choleraleichen soll in der ersten euro- päischen Choleraepidemie in Russland versucht worden sein. 1871 ver- suchten Masotto und Bobola gegen Diphtherie durch Einimpfung von Diphtheriemembranen in die Haut zu schützen. Die Schutzimpfung von Schafen mit Ovine gegen Ovine, die schon im 16. Jahrhundert in Frank- reich geübt worden sein soll, war bis 1880, wo sie gesetzlich auf schon befallene Viehbestände beschränkt wurde, in Deutschland viel üblich Ueberblick über die geschichtliclie Entwickelung der Lehre u. s. w. 28 und stiftete, wie früher die Pockeninokulatiou beim Mensehen, durch die Verbreitung- des Ansteekungsstoffes ebensoviel Schaden Avie Nutzen. Einer der letzten Ausläufer dieser Verfahren, die alle das gemeinsame Prinzip haben, kleine Mengen vollvirulenten Infektionsstoffes einzu- impfen, ist die Schutzimpfung gegen Lyssa von Högyes 1889; einige nur im Laboratorium geübte Immunisierungsmethoden beruhen auf dem- selben Grundsatze. Die Einführung der Impfung mit Vaccine zum Schutz gegen Variola in die wissenschaftliche Welt durch Jenner 1797 bedeutete einen wei- teren großen Fortschritt. Die Partei, die Variola und Vaccine für eine einheitliche Krankheit hielt und die sich auch trotz Chauveaus gegen- teilig gedeuteter Versuche von 1865 ständig vergrößerte, sah darin eine Schutzimpfung gegen den vollgiftigen Ansteckungsstoflf mit einer abge- schwächten Modifikation desselben. Eine solche Abschwächung des In- fektionsstofifes, die ihn zum »Vaccine; (Pasteür) werden ließ, auch bei anderen Infektionskrankheiten zu erreichen, musste das Ziel sein. So gab die Kuhpockeuimpfung das Paradigma für die Bestrebungen der neuesten Zeit zur Erzielung aktiver Immunität bei Hühnercholera, Schweinerotlauf, Milzbrand, Hunds wut. Die Schutzimpfungen mit Bak- teriengiften und abgetöteten Erregern (Cholera, Typhus, Pest) entwickelten sich aus dem gleichen Prinzip. Die Möglichkeit der Immunisierung mit Vaccine gegen Variola kannten die Landleute in manchen Gegenden schon um 1750. Samoiluwitz empfahl 1782 Schutzimpfung gegen Pest mit Buboneneiter, weil in diesem das Pestgift seines Erachtens in abgeschwächtem Zustande vor- handen war. Auch den Impfungen mit Ulcus -molle- Eiter bei Syphilis (Auzias Turenne 1840 u. A.) und bei Lepra (Danielssen) lag ein ähn- licher Gedanke zu Grunde. Wohlbekannt war es seit langem, dass nicht alle Infektionskrankheiten Immunität hinterlassen. Nur die Kontagien, nicht die Miasmen immu- nisieren, lehrte die erste Hälfte des 19. Jahrh. Ebenso ist die Erfahrung alt, dass ausnahmsweise (z. B. nach Pocken) keine Immunität eintritt, dass die Immunität um so geringer ist, je weiter die Erkrankung zurück- liegt (Pest — DiEMERBROECK 1640) uud je leichter sie verlaufen ist (omnium minime tuti videntur, quos pestis leviter salutavit — Chenot 1766). Warum ein durchseuchter Körper gegen erneute Infektion mit der- selben Krankheit immun ist, das aufzuklären hat erst die neueste Zeit einigermaßen vermocht. Frühere Jahrhunderte nahmen an, durch die erste Infektion seien bestimmte Stoffe im Körper verbraucht worden. So schreibt Friederich Hoffmann 1710: »Die Erfahrung bezeugt ja klärlich, dass Leute, so die Pestkraukheit einmal ausgestanden, selten zum andernmal von selbiger beunruhigt werden, weil ihr Geblüt gleichsam schon gereinigt und das schweflige und flüchtige AVesen, in welchem die Pest ihren xinfenthalt und Nahrung findet, schon verraucht ist.« Auf dem gleichen Acker gedeiht dieselbe Pflanze nicht wiederholt gut, führten Andere als Vergleich an. In neuerer Zeit zitierte man als Parallele die Thatsache, dass Hefe in einer Lösung, in der sie einmal gewachsen ist, nicht wieder gedeiht, und erklärte diese Erscheinung teils durch Erschöpfung der Nährstoffe in der Lösung, teils durcli Retention von giftigen entwickelungshemmenden StofFwechselprodukten der Hefe in ihr. Als man gegen 1880 hin die Verhältnisse der erworbenen Immu- nität experimentell zu erforschen begann, kehrte zuerst, von Pasteur 24 R- Abel, vertreten, die alte Erscliöpfuügshypotliese wieder, der sofort die Retentionsliypotliese Chauveaus zur Seite trat. Die Aufstellung der Excitationstheorie der Körperzellen durch Grawitz 1881, der ähnlichen Zellselektionstheorie durch Buchner und Wolffbekg, der Phag-ozythentheorie Me tchnikoffs 1883, der Antitoxin- lehre Behrings 1890 leitet die neueste Epoche ein. Prophylaxe. Die Entwickelung der allgemeinen Hygiene, der Städtesanierung, der Sorge für gute Trinkwasserversorgung und Abwässerbeseitigung, der Nahrungsmittelpolizei, des Medizinal wesens überhaupt u. s. w. zu schildern, liegt außerhalb des Eahmens dieser Darstellung. Es genügt der Hinweis, "dass die Verbesserung der allgemeinen hygienischen Ver- hältnisse, zu der ja besonders durch die großen Volksseuchen immer wieder der Anstoß gegeben worden ist, nicht nur die Gesundheits- verhältnisse der Kulturmenschheit im ganzen günstig beeinflusst, sondern auch zum Seltener- und Milderwerdeu der Seuchen ganz wesentlich bei- getragen hat. Bekannt sind 'die vortreölichen großen Sanieruugswerkc des Altertums, namentlich der Eömer. Die Völkerwanderung und die folgende Zeit brachte den Untergang der alten Kultur auch in hygie- nischer Beziehung. Unter dem l3rucke der Pesten begann im späteren Mittelalter ein neuer Aufschwung. Im 19. Jahrh. förderte die Cholera die Sanierung kräftig und zumal Pettenkofers Bodentheorie, so wenig sie sich später auch als haltbar erwiesen hat, beschleunigte die Entwicke- lung der modernen Städtehygiene. Anfänge einer speziellen Seuchenbekämpfung findet man schon im Altertum. Die alten Perser isolierten lepröse Einheimische und wiesen fremde Lepröse aus dem Laude; ähnlich die Israeliten. Leproserieen werden schon im 6. Jahrh. n. Chr. erwähnt, später waren sie im ganzen Abendlande weit verbreitet. Die beste Lehrmeisterin in der Seuchenprophylaxe war die Pest. Seit dem 14. Jahrh. brach sich immer mehr die üeberzeugung Bahn, dass die Pest nicht autochthou au einem beliebigen Orte entstehe, sondern vom Orient her direkt oder auf Umwegen durch den Verkehr eingeschleppt werde. Die natürliche Folgerung war, dass der Verkehr unter Ueber- wachung gestellt werden müsse. "Ende des 14. Jahrh. finden sich schon in italienischen Städten strenge Vorschriften über die Fernhaltung von Leuten aus infizierten Orten, so in Eeggio, Piacenza, Mailand. Da der Verkehr aber nicht dauernd ganz aufgehoben Averden konnte, beschränkte man sich im allgemeinen auf eine Abschließung und Beobachtung der aus verdächtigen Gegenden Zureisenden, die meist auf 40 Tage be- messen wurde (daher der Name Quarantäne), und eine eben so lange dauernde Lagerung und Lüftung der eingeführten Waren. Venedig, das schon 1127 ähnliche Maßnahmen getroffen hatte, erließ 1448 eine ausführliche Quarantäneorduung und vervollständigte seine Einrichtungen 1485. 1527 führte es zuerst die Gesundheitspässe ein^ die den Rei- senden und den Waren als Zeugnis für ihre Herkunft aus seuchefreieu Orten dienten und im 17. Jahrh. allgemein in Aufnahme kamen. War die Seuche schon ins Land eingedrungen, so schloss man den infizierten Landesteil, wenn er klein war, durch Militärkordon ein oder unterband wenigstens seinen Verkehr mit der Nachbarschaft nach Möglichkeit. Ueberblick über die geschichtliche Entwickelung der Lehre n. s. w. 25 Das System der Sperren und Quarantänen, welcli letztere man jedoch seit dem 17. Jahrhundert ahzukürzen l)ei;'ann, bliel) bis in das 19. Jahrlmndert hinein auf dem europäischen Festhmde beim Drohen einer exotischen Seuche in Uebuug-; England milderte es wesentlich schon um das Jahr 1720. Es liat namentlich gegenüber der Pest bis- weilen zweifellos gute Erfolge gehabt, wenn es auch in vielen Fällen wirkungslos blieb. Seine schädigende AVirkung auf Handel und Wandel machte sich dazu mit der Entwickelung des Weltverkehrs inmicr empfind- licher bemerkbar. Noch 1881 suchte sich Preul;{eu durch einen die ganze Ostgrenze entlang ausgedehnten doppelten Militärkordon gegen die von Eußland drohende Cholera zu schlitzen, aber vergeblich. Eben- sowenig nützten Sperren um die zuerst infizierten Orte im Inlande herum. 1848, als die Cholera wieder nahte, beschränkte man sich auf die Er- richtung von Stationen für eine 4 — ötägige »Beobachtungs-Quarantäne« in einzelnen für den Verkehr freigelassenen Grenzorten und den Häfen, jedoch abermals ohne Erfolg. Die folgenden Jahrzehnte führten dann den Uebergaug zu dem jetzt üblichen System herbei, das, gegründet auf bessere Kenntnis der Krank- heitserreger imd damit der Verbreitungsweise der Seuchen, von Sperren, außer für bestimmte Waren, ganz absieht, Quarantänen nur an den See- grenzen, Absonderung nur für infizierte oder stark infektionsverdächtige Personen zuläßt und im übrigen durch Untersuchung und eventuelle Beobachtung der von verseuchten Gegenden Zureisenden und durch Desinfektion verdächtiger Objekte der Einsclüeppuug vorzubeugen sucht. Von wesentlicher Bedeutung für die internationale Eegelung der Ab- wehrmaßregeln waren die internationalen Sanitätskonferenzen, die zu Paris 1851 und 1859, Konstautinopel 1866, Wien 1874, Washington 1881 (Gelbfieber), Kom 1885, Venedig 1892 (Cholera), Dresden 1893 (Cholera), Paris 1894 und Venedig 1897 (Pest) stattfanden. Sie führten zu einer Verständigung über ein gleichmäßiges Vorgehen der meisten Knlturstaaten wenigstens gegen Cholera und Pest und hatten auch die Errichtung besonderer sanitärer Einrichtungen im Orient zur Erkundung und Abhaltung dieser von dort drohenden gefährlichen Volksseuchen zur Folge. Die zahllosen »Pestverordnungen« in Deutschland vom 15. Jahrhundert an berücksichtigen schon alle für die Unterdrückung einer eingeschlepp- ten Seuche wichtigen Verhältnisse: Schnelle Erkennung des ersten Krankheitsfalles, daher Anstellung von Seuchenärzten und Gesundheits- inspektoren, Meldepflicht für Erkrankungen, Vorsorge für Räume zur Isolierung Kranker und Beobachtung Infektionsverdächtiger, Desinfektion der infizierten Häuser und Utensilien, Sorge für gute Nahrungsmittel und Sauberkeit, schnelle Beerdigung der Leichen außerhalb der Ort- schaften. Vermeidung von Volksansammlungen und Lustbarkeiten, Be- lehrung des Publikums über die individuellen Schutzmaßregeln. Der geringe Nutzen dieser guten Maßnahmen in früheren Zeiten erklärt sich im wesentlichen aus den schlechten allgemeinen hygienischen Bedingungen und dem Fehlen einer exakten Krankheitsdiagnostik. Eine systematische Bekämpfung der einheimischen Infektionskrank- heiten hat erst die neuere Zeit gebracht. Der Kampf gegen Pocken, Tuberkulose, Hundswut und eine lleihe von Tierseuchen datiert z. T. noch aus dem 18. Jahrhundert. Masern und Scharlach gelten selbst heute noch als fast unvermeidbar. 26 R- Abel, Die Notwendigkeit der Desinfektion zur Zerstörung von An- steckungsstofien erkannte man von jeher. Die Desinfektionsmittel und Methoden waren natürlich im Laufe der Zeiten verschieden. Als Desinfektionsmittel brauchten frühere Zeiten mit Vorliebe gasförmige Stoffe, da man sich die Ansteckungsstoffe in der Luft ent- halten dachte. Schon aus dem Altertum stammt die Desinfektion durch Lüftung. Der Wind, zumal der Nordwind, reinigte die Luft und ver- teilte die Miasmen. Häuser und Waren desinfizierte mau durch viel- tägige kräftige Lüftung; noch die preußische Desinfektionsordnuug von 1835 empfiehlt diese Methode als sehr w irksam. Neben der reinen Luft brauchte man von alters herKäuchern mit Holzrauch zur Desinfektion. Im Freien zündete man grosse Feuer an, deren Kauch die Miasmen zerstören sollte. Nach Ansicht der Anhänger des Contagium vivum um 1700 wirkte dabei nicht der Eaucli, sondern das Feuer selbst, indem es den Infektionstierchen in der Luft Flügel und Beine verbrannte und sie dadurch unschädlich machte. Besser als Holzrauch sollte der Qualm von Schieß pul ver wirken; man schoss daher bis ins 18. Jahrhundert täglich mit Kanonen über infizierte Orte hin. Aromatische Stoffe, Wohlgerüche aller Art Avurden zum Durchräuchern der Häuser gebraucht, um die Luft zu desinfizieren. Ebenso kaute man in Seuchenzeiten beim Ausgehen stets aromatische Wurzeln und trug »Eiechäpfel«, d. h. mit aromatischen Stofi'en gefüllte siebartig durchlöcherte Büchschen in der Hand. Wie Wohlgerüche, so sollte auch intensiver Gestank die Ansteckungsstofle zerstören, weshalb im 17. und 18. Jahrhundert das Halten von Ziegenböcken im Hause bei Pest geraten wurde. Räucherung mit Schwefeldämpfen wendet schon Odysseus an, um den Saal zu desinfizieren, in dem er die Freier erschlagen hat; bis in die neueste Zeit blieb die schweflige Säure in Gasform ein beliebtes Desinfektions- mittel. 1773 führte Guytox-Morveau Eäucherung mit Chlor- und Salpeter säure dämpfen ein und fand damit viel Anklang. Wasser in Schalen aufzustellen, um darin die giftigen Gase aus der Luft absorbieren zu lassen, rieten noch Autoren des 19. Jahrhunderts. Allgemein galt Wasser in reichlicher Menge als ein treffliches Mittel zur Desinfektion von Gegenständen, Vieh und Menschen. Essig wurde zur Desinfektion der Hände und kleiner Objekte wie Münzen seit dem Mittelalter bis zur neuen Zeit viel gebraucht. Kalk in Form von Tünche diente seit derselben Zeit zur Desinfektion der Wände in den Häusern. Der Brauch, die Leichen bei Menschen- und Tierseuchen im Grabe mit Kalk zu beschütten, wurde im 17. Jahrhundert allgemeiner. Höhere Temperatur in Form trockener Hitze, ebenso starke Säuren und Alkalien kamen erst in der Neuzeit mehr in Gebrauch. Um festzustellen, ob die Desinfektion pestinfizierter Häuser oder Waren von Erfolg gewesen war, brachte man im 17. und 18. Jahr- hundert Tiere, namentlich Vögel, und auch Menschen, die sich dazu her- gaben (sog. »essayeurs«, Frankreich 17. Jahrhundert) in sie hinein oder mit ihnen in längere Berührung. Blieben sie gesund, so galt der Zweck als erreicht. Versuche zu einer Desinfektion am lebenden Körper reichen in Form der Anwendung antiseptischer Wundmittel bis ins Altertum zurück. Ebenso ziehen sich Bestrebungen, Infektionskrankheiten durch Zerstörung der Ansteckungsstoflfe im Körper, also antiseptisch zu be- handeln, durch die ganze Geschichte der Medizin hin. Eisenmann rät Ueberblick über die geschichtliche Entwickelung der Lehre u. s. w. 27 bereits 1830, die Aui;eu Neugeboreuer zm* Verhütung- von lilenuorrhoe mit einer dünnen Chlorwasserlösung- zu waschen, ein Vorschlag-, der nicht EisENMAXx, sondern Ckede, der ihn 1881 in etwas modernisierter Form wiederholte, berühmt machte. Dass die Puerperalinfektionen durch infizierte Hände verbreitet werden, erkannte seit 1847 Semmelweis klar; er ließ daher die Hände des Geburtshelfers in ganz rationeller Weise mit Chlorwasser desinfizieren. Seit etwa 17(X) begann man, die Desinfektionsmittel etwas mehr wissenschaftlich zu prüfen. Mau versuchte, welche Stoffe und Ver- fahren Fäulnis verhindern, Infusionstierchen töten und das Pockenvirus seiner Infektiosität berauben und erprobte diese als Desinficientia und Therapeutica. Ein Teil der modernen Antiseptica, wie das Sublimat und die Karbolsäure, sind auf diese Weise schon in der vorbakterio- logisclien Zeit gefunden worden. Die Aera wissenschaftlich begründeter Desinfektionsmethoden datiert aber erst seit den 1881 veröffentlichten Versuchen Kochs und seiner Mitarbeiter über die Abtötung von Bakterien und namentlich Milzbrandsporen durch Wasserdampf, durch Dämpfe schwefliger Säure und durch allerlei Chemikalien. Litteraturverzeichnis. Nur einige der wichtigsten und zur Orientierung geeigneten Werke sind genannt. Billroth, Th. Untersuchungen über die Vegetationsformen von Coccobakteria septica. Berlin 1874. BiRCH-HmscHFELD, Sammelberichte in Schmidts Jahrbüchern 187'2, Bd. 155, S. 97, 1875, Bd. 166, S. 169. Chenot, Tractatus de peste. Vindobonae 1766. CoHN, F. Beiträge zur Biol. der Pflanzen. Bd. I— III. Breslau 187->— 1883. CoLLiNGRiDGE, Lectures on Quarantine. Lancet 1897, Bd. I. Ehrenberg, Die Infusionstierchen als vollk. Organismen. Leipzig 1838. Fracastorius, De contagione. Lugduni 1550. Gastaldi. Tract. de avertenda . . . peste. Bonon. 1684. GuYTON-MoRvEAU, Traite des moyens de desinfecter l'air. Paris ISO'2. Hallier, Parasitolog. Untersuchungen. Leipzig 1868. IIenle, Pathol. Untersuchungen. Berlin 1840. Henle, Handb. der ration. Pathol., Bd. II, Abt. 2. Braunschweig 1853. IIiLLER, Die Lehre von der Fäulnis. Berlin 1879. Hirsch, Handb. der histor.-geogr. Pathol, 2. Aufl. Stuttgart 1883—1886. Hübener, Die Lehre von der Ansteckung. Leipzig 184-2. Kircher, Scrutinium .... pestis. Leipzig 1659. Klebs, Beiträge zur pathol. Anat. der Schusswunden. Leipzig 1872. Koch, R. Cohns Beitr., Bd. IL Heft 2. S. 277, 1876. Ebda, Bd. II, Heft 3. S. 399, 1877. Koch, R. Untersuchungen über die Aetiol. der Wundinfektionskrankh. Leipzig 1878. Koch, R. Mitt. a. dem Kais. Ges. -Amte. Bd. I, S. 1, 1881. Löefler. Vorlesungen über die geschichtl. Entwick. der Lehre v. d. Bacterien. Leipzig 1887. Muraturi, Li tre governi in tempo di peste. Lucca 1743. 4. Aufl. Nägeli, Die niederen Pilze in ihren Bez. zu den Infektions-Krankheiten. Mün- chen 1877. Neuberger, Die Vorgeschichte der antitox. Therapie der acuten Inf.-Krankh. Stuttgart 1901. Nyander, Exanthemata viva in Linnes Amoenitates academicae, Bd. V. Holmiae 1760. Pasteur, Abhandlungen in den C. r. de l'Acad. des Sciences, fast alle Bände seit 1855. Pasteur, Die in der Atmosphäre vorband, organis. Körperchen. (Ostwalds Klas- siker, Leipzig 1892.) 28 R- Abel Ueberblick über die geschichtliche Entwickelang u. s. w. Plenciz, Opera luedico-physica. Wien 1702. Reimarus. Vorrede zu Knigges Uebersetz. v. Autrechans' Pest zu Toulon. Ham- burg 1794. Semmelweis, J. Die Aetiologie u. s. w. des Kindbettfiebers. Pest, Wien, Leipzig 18Ö1. Spallanzani, Physikal. u. mathem. Abhandl. Leipzig 1769. Opuscules de physique. Uebers. v. Sennebier. 1777. Weigert, Ueber pockenähnl. Gebilde in parenchym. Organen etc. Habilitationsschr. Breslau 1875. II. Allgemeine Morphologie und Biologie der patliogeneu Mikroorganismen. Von Dr. E. Gotschlich, Sanitäts-Iiispektor von Alexanrlrien. A. Definition und Plan der Darstellung. Unter dem Namen der pathog'enen Mikroorg-auismcn fasst mau gegenwärtig- eine große Anzahl von niedersten Lebewesen zusammen, die nur das eine gemeinsame, aber praktisch dafür um so bedeutungs- vollere Merkmal haben, dass sie als Ursachen der Infektionskrank- heiten des Menschen und der Tiere angesehen werden müssen. Im übrigen aber gehören sie sehr verschiedenen Klassen von Lebewesen an, indem einige (Schimmel- und Sprosspilze, Streptotricheen) zu den niedersten Pflanzen, andere (Protozoen) zu den niedersten ein- zelligen Tieren zu rechnen sind, noch andere endlich (Bakterien) eine Mittelstellung einnehmen. Unter diesen fünf Formkreisen der pathogcnen Mikroorganismen sind es die Bakterien, die, sowohl nach ihrer Bedeu- tung für den Arzt und Hygieniker, als auch nach dem außerordentlichen Umfang und der eingehenden Durchforschung des Uebietes, die erste Stelle einnehmen. Nur für die pathogeneu Bakterien ist es bisher auch möglich gewesen, allgemeine morphologische imd biologische Ge- sichtspunkte ausführlich darzulegen, während die Angehörigen der vier anderen, oben angeführten Gruppen pathogener Mikroorganismen bisher relativ vereinzelt geblieben sind und unter sich, von Fall zu Fall, so große Verschiedenheiten und Besonderheiten aufweisen, dass hier eine allgemeine Darstellung nur in sehr beschränktem Umfang möglich ist. Die allgemeinen Bemerkungen, w^elche über diese Gruppen zu machen sind, finden daher in den betreffenden speziellen Kapiteln dieses Werkes ihren Platz, während wir uns hier nur mit den patliogenen Bakterien zu befassen haben. Die Bakterien lassen sich detinicrcn als kleinste einzellige Lebe- wesen — von kugeliger, cylindrischer oder schraubenförmiger Gestalt — , teils mit Eigenbewegung begabt, teils ohne solche — , die sich durch Zweiteilung (und zwar mit einer ganz ungeheuren, bei anderen Lebe- w^esen gar nicht vorkommenden Geschwindigkeit; vermehren — , die sich ohne Vermittelung von Chlorophyll ernähren und in ihrer Ernährung, sowie in allen ihren sonstigen Lebensbedingungen ebenfalls eine, mit 30 E. Gotschlich, anderen Lebewesen nicht entfernt vergleichl3are, ganz außerordentliche Mannigfaltigkeit und Anpassungsfähigkeit bekunden. Der Mangel des Chlorophylls und die Fähigkeit der Ernährung durcli hochkomplizierte organisierte Körper (Eiweiß u. s. w.) bekunden eine nahe natürliche Verwandtschaft der Bakterien mit den Pilzen, weshalb sie auch von Nägeli kurzer Hand als Spaltpilze oder Öchizomyceten bezeichnet wurden. Eine solche einfache Subsumie- rung der " Bakterien unter die Klasse der Pilze ist jedoch heutzutage nicht mehr haltbar, da hierdurch einerseits den Bakterien ein rein pflanzlicher Charakter zugeschrieben wurde, und andererseits die sonsti- gen wichtigen Verwandtschaftsbezichungen der Bakterien gänzlich ohne Würdigung blieben. Solche natürliche Verwandtschaften bestehen zunächst zu den zur Klasse der Algen gehörigen Cyanophyceen, insbesondere mit Bezug auf die Fähigkeit der Ernährung aus einfiichsten mineralischen Substanzen (anorganische Salze, Wasser, COo, NH3) mit synthetischem Aufbau des Eiweißmoleküls; ferner zu den dem Kreise der Protozoen angehörigen Flagellaten, durch das beiden Formen von Lebewesen gemeinsame Charakteristikum der Eigenbewegung durch Geißeln; endlich zeigen gewisse Arten von Bakterien, insbesondere durch eine sonderbare, sonst bei den Bakterien ganz ungewohnte Art der Vermehrung, die Teilung mit echten Verzweigungen, sehr nahe Beziehungen zu den Streptotricheen, die ihrerseits wieder den Schimmelpilzen nahe stehen. Dabei ist es bemerkenswert, dass selbst unter nahe mit einander ver- wandten Bakterienarten, die der gleichen natürlichen Gruppe angehören, diese Verwandtschaftsbeziehungen zu anderen Reichen der Lebewesen bei der einen Art fehlen, bei der anderen vorhanden sein können; ins- besondere gilt dies von der Eigenbewegung. Man hat es eben offenbar bei den Bakterien mit einer der niedersten, phylogenetisch ursprünglichsten, großen Gruppe der Lebewesen zu thun, in der sich die Differenzierung noch ganz frei nach sehr verschiedenen Seiten hin entfalten konnte; daher die zahlreichen divergenten Verwandtschaftsbezie- hungen, daher auch die erstaunliche Mannigfaltigkeit in den Lebensbedingungen und Ernährungsverhältnisseu. Bei Temperaturen von 0° und 75° begegnen wir noch Bakterienwachstum, und die Energiequellen, die das lebende Plasma der Bakterien verarbeitet, zeigen größere Verschiedenheiten, als bei allen übrigen Lebewesen zusammengenommen. Bald sind es die lebenden Körper- säfte und Gewebe ausschbeßlich des Menschen, die das betr. Bakterium als Nährstoff verwenden kann (Syphiliserreger), bald sind es ausschließlich die einfachsten Nährstoffe, aus denen sich der Zellleib des Bakteriums aufbaut (viele Saprophyten). Bald vermag die gleiche Art sowohl die eine wie die andere Form der Ernährung durchzuführen (Tuberkelbazillen); bald ist der Sauerstoff unentbehrlich (Influenzabazillen), wie bei anderen Lebewesen, bald kann er fehlen (Typhusbacillus) , bald ist seine Anwesenheit tödUches Gift und nur Leben ohne freien Sauerstoff möglich (Tetanusbacillus). Endlich gehen bei einigen (den Arzt nicht näher interessierenden) Arten die Ab- weichungen vom normalen Lebensprozess so weit, dass die Kraftquelle gar nicht mehr in der Zersetzung von Kohlenstoffverbindungen mit Bildung von CO2 (der fundamentalsten Lebenserscheinung aller sonstigen Lebewesen) ge- sucht wird; Verbrennung von NH3 zu Nitriten und Nitraten (Nitrobakterien), Oxydation von H2S zu Sulfaten (Schwefelbakterien) werden zum gleichen Zwecke herangezogen, und selbst der chemisch träge atmosphärische Stick- Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 31 Stoff kann zum Aufbau des Bakterienleibes verwendet werden (Knöllchen- bakterien der Leguminosen . — • In gegenwärtigem, für den Arzt und Hygieniker geschriebenen Buche müssen diese kurzen Andeutungen genügen, um die allgemeine Rolle der Bakterien in der Natur zu kennzeichnen; dieselbe lässt sich kurz dahin prä- zisieren, dass die Bakterien die mannigfaltigsten Zersetzungsvorgänge in Boden und Wasser vollbringen und vornehmlich die Aufgabe haben, die Endprodukte des tierischen Stoffwechsels (Ausscheidungen und Kadaver) rasch und vollständig zu zersetzen und so umzuformen, dass sie aufs neue als Anfangsmaterial des pflanzlichen Stoffwechsels dienen können, womit der Kreislauf organischen Lebens sich als geschlossener Ring darstellt. Die ursprüngliche Rolle der Bakterien in der Natur ist also eine durchaus nützliche und geradezu un- entbehrliche. Die verderblichen Wirkungen, Avelche ein Teil der Bakterien, die pathogenen Arten, im menschlichen und tierischen Organismus entfalten und die uns hier besonders interessieren, sind phylogenetisch nur als Aus- nahmsfälle zu betrachten und unter folgendem Gesichtspunkte zu verstehen. Zunächst ist schon die Anzahl der krankheitserregenden Arten nur klein zu nennen gegenüber der ungeheuren Menge rein saprophy tischer, völlig un- schädlicher Arten; meist sind nur ein einziger oder wenige pathogene Re- präsentanten inmitten einer großen natürlichen Gruppe saprophytischer Arten, so der Choleravibrio unter den zahllosen choleraähulichen Vibrionen. Ferner finden sich phylogenetisch alle Uebergänge von rein saprophy tischen völlig unschädlichen Arten bis hinauf zu den exquisit pathogenen Bakterien. Da sind zunächst Saprophyten, denen noch die Fähigkeit des Wachstums im Tierkörper völlig abgeht und die demnach, in geringen Mengen dem Orga- nismus einverleibt, gänzlich ohne krankheitserregende Wirkung bleiben ; eine solche stellt sich jedoch sofort ein, wenn diese Mikroben in großen Mengen eingeführt werden, wobei die fertig gebildeten Stoffwechselprodukte eine reine Giftwirkung entfalten; zu diesen rein toxischen, nicht infektiösen Bak- terien gehören z. B. gewisse peptonisierende Bakterien der Kuhmilch (FlüggeI — Dann kommen Bakterienarten, denen die Lebensbedingungen im Innern des Organismus sehr wohl zusagen und die, auch in geringen Mengen ein- gebracht, doch üppig zu wachsen und pathogene Effekte zu entfalten vermögen; aber, sei es, dass diese Arten doch in der Außenwelt noch günstigere Daseins- bedingungen finden, sei es, dass die Infektionsgelegenheit relativ selten sich darbietet, — das parasitäre Leben dieser Mikroben bildet doch nur eine Aus- nahme gegenüber ihrer saprophytischen Existenz; hierher gehören z. B. der Erreger des WEiLschen infektiösen Ikterus, sowie gewisse Koliarten, die für gewöhnlich ein friedliches saprophytisches Dasein im Darmkaual fristen, unter Mitwirkung gewisser begünstigenden Umstände jedoch pathogen werden. — In beiden bisher besprochenen Fällen haben wir es offenbar mit einem relativ seltenen und mehr gelegentlichen Exkurs aus der gewöhnlichen saprophytischen Wirkungssphäre dieser Bakterien zu thun. — Nun aber gelangen wir zu den echt parasitischen Arten, und zwar zunächst zu den fakultativen Parasiten, für die sowohl parasitische Exi- stenz im infizierten Organismus als auch saprophytisches Leben in der Außen- welt möglich ist (Typhus- und Cholerabazillen); endlich zu den obligaten Parasiten (Tuberkelbazillen, Influenzabazillen, Recurrensspirillen, Hundswut- und Syphiliserreger), Arten, die sich dem parasitischen Leben so innig an- gepasst haben, dass eine Rückkehr zur saprophytischen Existenz völlig aus- geschlossen ist und in der Außenwelt kein Wachstum mehr möglich ist und oft sogar rasche Vernichtung eintritt. — Wir gelangen also zu dem Schluss, dass die Existenz pathogener Arten phylogenetisch aufzufassen ist als das 32 E. Gotschlich. Resultat einer allmählichen Anpassung an die ursprünglich durchaus fremden Verhältnisse des Organismus, ein Anpassungs Vorgang, dessen verschiedene Etappen noch jetzt vorhanden sind in Gestalt der soeben skizzierten verschie- denen Arten krankheitserregenden Wirkens, und von denen aus der Rück- gang zum saprophytischen Zustand und die Fähigkeit zum Leben in der Außenwelt immer schwieriger wird. — Um jedem Missverständnis vorzubeugen, betonen wir ausdrücklich, dass dieser Entwicklungsgang und diese Anpassung durchaus nur in phylogenetischem, keineswegs in ontogenetischem Sinne verstanden werden dürfen; in letzterem Sinne behält jede Art völlig konstant ihren (saprophytischen oder pathogenen) Charakter bei und ist bei- spielsweise eine autochthone Entstehung von Epidemieen als vollständig aus- geschlossen zu erachten. (Vgl. Abschn. Konstanz und Spezifität der Art!) — Dem Plan dieses Handbuchs entsprechend, gelangen in diesem all- gemeinen morphologisch -biologischen Teile nur solche Verhältnisse zur Besprechung, die sich auf krankheitserregende Bakterien (im weitesten Sinne) beziehen ; in erster Linie also natürlich alle au pathogenen Bak- terien beobachteten Thatsachen, — ferner von den mit Saprophyten ange- stellten Forschungen, nur diejenigen, die in diflerential- diagnostischer Beziehung zu pathogenen Arten wichtig sind, oder solche Thatsachen, die, wenn auch bisher nur an Sapr(»})byten festgestellt, doch nach Ana- logie auch auf die pathogenen Arten bezogen werden müssen und zum Verständnis des Lebens und Wirkens der letzteren unbedingt erforderlich sind. — Gegenstände rein biologischen Interesses, ohne jede Beziehung zur Lehre von den pathogenen Arten, (wie z. B. Gärungschemie, Nitri- fikation und Denitrifikation etc.) müssen hier völlig außer Betracht bleiben, und muss für solche Fragen auf Flügges »Mikroorganismen«, 3. Aufl. Leipzig 1896 verwiesen werden, wo der Versuch gemacht worden ist, eine vollständige Physiologie der Bakterienzelle zu liefern, (ein Gebiet, welches, beiläufig bemerkt, auch für die Physiologie höherer Lebewesen reiche Anregung bietet). — Die Darlegung des Verhältnisses der pathogenen Bakterien zu den saprophytischen Arten hat bereits erkennen lassen, dass 2 Hauptbe- ziehungen im Leben der pathogenen Arten die ausschlaggebende Rolle spielen: das Verhältnis zum infizierten Organismus einerseits und zur Außenwelt andererseits. Beide Beziehungen können jedoch nur dann fruchtbar studiert werden, wenn vorerst die Eigenschaften der pathogenen Arten an und für sich, frei von jenen beiden Beziehungen zum infizierten Organismus und zur Außenwelt, bekannt sind. Daher wird, nach Ab- solvierung des morphologischen Kapitels, die Darstellung der allgemeinen biologischen Verhältnisse drei große Kreise umfassen: I. Reine oder experimentelle Biologie (Leben in der künst- lichen Kultur). IL Biologische Verhältnisse der pathogenen Mikroorganis- men zum infizierten Organismus (Pathogenität und In- fektionswege). III. Biologisches Verhalten der pathogenen Mikroorganis- men in der Außenwelt. Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 33 B. Allgemeine Morphologie der pathogenen Bakterien. L Formen und morphologisches System. I. GröCseuverliältiiisse. Zu den größten Species unter den patho- genen Bakterien gehört der Bac. oedemat. malign., der bis 9 Mikr(»- millimeter (« = 0,001 mm) lang und etwas weniger als 1 f^i dick ist: der Milzbrandbacillus ist zwar noch dicker, doch sind die Einzelindi- viduen viel kürzer (2 /<). Zu den kleinsten genau bekannten Bakterien gehört der Infiuenzabacillus mit ca. 0,5 /.i Länge und 0,2 u Dicke, sowie der »Mikrococcus der progressiven Abszessbildung- bei Kaninchen« (Koch), der nur etwa 0,15 fi im Durchmesser hält. Dann g'iebt es aber noch pathogene Mikroorganismen, die mit Hilfe ihrer ])athogenen Wirkung experimentell genau bekannt sind und sogar der künstlichen Züchtung sich als zugänglich erweisen, — die aber so klein sind, dass ihre mor- phologische Bestimmung im Stich lässt; liierher gehören die von Xocard & Roux^ gezüchteten Erreger der infektiösen Perii)neumonie des Rindes, die mit den stärksten Vergrößerungen (2—3000) noch eben sichtbar ge- macht werden können, sowie die noch kleineren Erreger der Maul- und Klauenseuche, welche auch bei diesen Vergrößerungen absolut unsichtbar bleiben und sogar die (für alle sonstigen Mikroben undurchgängigen) überaus feinen Poren der Chamberland- und Berckefeldfilter passieren; vgl. speziellen Teil. — IL Normale Grimdformen und Wachstumsformell. Zu der Zeit, als die bakteriologische Forschung noch in ihren Anfängen war und die noch wenig ausgebildeten Methoden Missdeutungen, und speziell zufällige Verunreinigungen einer Kultur mit anderen Mikroben, nicht mit der gleichen Sicherheit verhüten konnten wie heutzutage, vertraten eine lleihe von Forschern, insbesondere Nägeli- und Zopf-' die Ansicht, dass die Bakterien, wie in allen anderen Beziehungen, so auch in ihrer Form außerordentlich variabel seien, und dass das gleiche Bakterium bald in Form von Kugeln, bald als Stäbchen- oder Schraubenform auftreten kann. Demgegenüber betonte schon F. Cohn^ die Konstanz der Form, sowohl des Einzelindividuums als der Bakterienverbände, und gründete hierauf sein morphologisches System der Bakterien, das auch heute noch giltig ist. Die Forschungen R. K(jchs und seiner Schüler haben F. CoHNs Ansicht vollauf bestätigt. Es giebt hiernach drei Grundformen der Bakterien: Kug-el, Stäbchen und Schraube (bezw. Schrauben teil stück). Diese drei Grundformen entsprechen drei morphologisch wohl charakteri- sierten Gattungen: Coccus, Bacillus, Spirillu'm. Nach Kruses Vorgang empfiehlt es sich, die letzteren Ausdrücke in gencrischen Sinne zu gebrauchen, während die ersteren geometrischen Ausdrücke nur einen morphologischen Sinn haben. Abgesehen von den unter abnormen Verhältnissen auftetenden Invo- lutionsformen, sowie von der Si)orenl)ildung (beides später zu besprechen), herrscht nun innerhall) jeder einzelnen Art, welcher der drei obigen Gattungen sie auch angehören möge, Konstanz der typischen Grundform; d. h. bei der Gattung > Coccus« entstehen aus Kugel- formen immer wieder Kugeln — bei »Bacillus« aus Stäbchen immer wieder Stäbchen u. s. w. ; die, übrigens recht geringfügigen, Ausnahmen HandluicU diT pathogenen Mikroorganismen. I. 3 34 E. Gotschlich. von dieser Regel sind nur scheinbar und berühren jedenfalls nie den l\v])us der Art, der stets unverkennbar bleibt. Hierher gehören die Tcilungs- und Wachstumsformen; so nehmen viele Kokken (be- sonders die Pneumoniekokken) vor der Teilung eine längliche Form an um dann in der Mitte, in der Richtung des kürzeren Durchmessers wieder in zwei Kugeln zu zerfallen; — so zeigen manche Bakterienarten (Bac. l)r(iteus) unter ungünstigen Ernährungsbedingungen allmählichen Ueber- gang aus deutlichen cvlindrischen Formen durch kürzere Stäbchen l)is zu reinen Kugellormen; in diesen Fällen hat das Wachstum (infolge Er- seh(3i)fung des Nährboden u. s. w.) eine Verlangsamung erfahren, während die Teilungsenergie ungeschwächt fortbestand; Uebertragung dieser Kugel- formen auf neues Nährsubstrat lässt daher wieder typische Stäbchen her- vorgehen. Diese Wachstums- und Teilungsvorgänge dokumentieren sich stets ohne weiteres als vorübergehende Zustände, nach denen stets Rückkehr zum urs])rünglichen Typ stattfindet. Wirkliche, gut beglaubigte Ausnahmen von diesem morphologischen (irundgesetz sind sehr selten (vgl. unten »pleomorphe Bakterien«) und kommen unter den wohl charakterisierten Arten der bekannten In- fektionserreger überhau})t nicht vor; diese letztern lassen sich stets ohne Schwierigkeit in eine der drei genannten morphologischen Gattungen ein- reihen. Als Repräsentanten einer wahren U e b e r g a n g s g a 1 1 u n g zwischen Kokken und Bazillen könnte man vielleicht die eiförmigen Bakterien (Bac. ]>rodigiosus, Pestbacillus, Bakterien der hämorrhagischen Septikämie) bezeichnen, von denen z. B. der Bac. prodigiosus zwar unstreitig ein- zelne Bazillenformen in jeder Kultur bildet imd solche gauz allgemein bei saurer Reaktion des Mediums zeigt, aber unter günstigsten Ernäh- rungsbedingungen fast ausschließlich kurze eiförmige Elemente bildet, die den Kokken viel näher stehen als den Bazillen. Unter den Kokkeu uuterscheiden sich die verschiedenen Arten zunäclist durch Größenverhältnisse; die Eiterkokkeu haben kaum I ii im Durch- messer, während die grcißten saprophytischen Kokken fast bis zur Größe kleiner llefezellen heranreichen. Ferner bestehen charakteristische Unterschiede in der Form; dieselbe ist entweder vollkommen kugelig (isodiametrisch) (Staphylococc. pyogen.) oder elliptisch (manche Streptokokken) oder lanzettförmig (Pneumonie- coccus); andererseits kann auch die Längsaxe elliptischer Kokken senkrecht auf der Wachstumsrichtung stehen, so bei manchen Streptokokken mit scheiben- förmigen Gliedern und bei den semmel- oder nierenförmigen Gonokokken. Bei den sogleich zu besprechenden zusammengesetzten Formen des Tetragenus und der Sarcine erscheinen die dem gleichen Verband angehörigen Einzel- individueu an den Berührungsflächen abgeflacht und nehmen demnach die Gestalt von Kugelsektoren oder von an den Ecken abgerundeten Würfeln an. Am wichtigsten für die Systematik sind die Gesetzmäßigkeiten in der Wachstums- und Teiluugsrichtung und die daraus hervor- gehenden regelmäßigen Gestalten der durch die Teilung geformten Bak- terienverbände. Die Teilung erfolgt entweder immer nur in einer Richtung des Raumes, woraus kettenförmige Verbände entstehen (Strei)to- kokkeii); oder in zwei auf einander senkrechten Dimensionen, mit Bil- dung tafelförmiger Verbände (Tetragenus, Gonococcus), oder in drei Richtimgcn des Raumes mit würfelförmigen Packeten (Sarcine); oder endlich in 2-3 Dimensionen, aber ohne regelmäßige Anordnung der Teilindividuen (Stai)hylokokkeu). Bazillen. Betr. der Größenverhältnisse vgl. oben. Nach dem Verhältnis Allgemeine Morphologie und Biologie n. s. w. 35 der Dicke zur Lauge untersclieidet man plumpe und schlanke Stäbchen. Die geometrische Grundform des (Jylinders wird am genauesten durch den Milzbrandbacillus repräsentiert; seine Polflächeu sind völlig eben, nicht, wie man früher glaubte, konkav (Kunstprodukt!]. Dagegen sind bei vielen Bazillen die Polflächen nach außen abgerundet, konvex. Kommt hierzu noch, dass diese Abriindung der Enden sich auch auf die Seitenflächen fortsetzt und dass letztere nicht mehr völlig parallel bleiben, so resultiert hieraus eine eiförmige Gestalt; besonders exquisit oft am Pestbacillus zu Ijeobacliten, wo dann unter gewissen Umständen (Bouillonkultur) die Aehnlichkeit mit elliptischen Strepto- kokken eine vollständige wird. Unregelmäßige Abweichungen vom Parallelismus der Seitenkonturen finden sich besonders bei Diphtheriebazillen, wodurch charakteristische Keulen-, Hantelnformen u. dgl. entstehen. — Die Axe der Bazillen ist beim Milzbrandbacillus, der offenbar ein relativ starres Gebilde darstellt, ganz gerade, bei anderen, besonders bei flexilen beweglichen Bazillen (Bac. oedemat. maligni = Vibrion septique) oft etwas gekrümmt. Wachstum und Teilung erfolgt nur in einer durch die Längsaxe bestimmten Richtung, auf welcher die Teilungsebenen senkrecht stehen. Längsspaltung eines Bacillus findet niemals statt; über echte Astbildungen ^gl. unten. Die neugebildeten Stäbclien bleiben nach der Teilung entweder in kettenförmigen Ver1)änden zusammen, wobei oft die Abgrenzung der Einzelzelleu unter einander undeutlich oder gar nicht erkennbar sind (Scheinfäden). Ein besonders charakteristisches Beispiel hierfür bietet der Milzbrandbacillus (vgl. speziellen Teil), von dem erst neuerdings erwiesen wurde, dass die im Blut infizierter Tiere gefundenen Stäbchen (bis 8 u lang) in der That keine individuelle Ein- heit darstellen, sondern aus einzelnen kurzen Zellen, die von einer gemein- samen Hülle umlagert sind, bestehen. Oder die Stäbchen lösen sich bald an ihren Enden und liegen frei, wobei aber doch ihre gegenseitige Lagerung oft etwas für die betr. Art sehr Charakteristisches bietet; parallel dicht an ein- ander gelagert, mit den Längsseiten fast wie verklebt aussehend, oder in pal- lisadenförmiger Anordnung (Diphtherie) n. s. w. Spirillen zeigen gewaltige Größenunterschiede, angefangen von den großen Jauche- und Wasserspirillen (Zettnow^i bis zu den selbst bei lOOOfacher Ver- größerung noch haarfein erscheinenden Spirillen im Kot (Boniioff" u. a.). Je nachdem die Schraubenbakterien eine vollständige Schraube mit mehreren wohlausgebildeten Windungen oder nur einen Abschnitt einer Schraubenwinduug darstellen, spricht man von Spirochäten oder Spirillen im engeren Sinne einerseits und Vibrionen andererseits. Unter den pathogenen Bakterien ist das Recurrensspirillum ein Repräsentant der ersten, der Choleravibrio ein Vertreter der zweiten Gruppe. Auch diese letzteren sind nicht etwa (wie die landläufige Bezeichnung »Kommabacillus« anzudeuten schien) nur in einer Ebene gekrümmt, sondern echte Schraubenabschnitte. — Wachstum und Teilung sind wie bei den Bazillen durch den einaxigen Bau in einer Richtung bestimmt; Verbände sind Avegen der starken Beweglichkeit der Spirillen seltener zu beobachten, existieren aber sowohl in Form lauger Scheinfäden, als ins- besondere beim Choleravibrio in Form zweier S-förmig zusammengelagerter Teilstücke. — Zu den pleomorphen Bakterien sind zu rechnen die von Boniioff'' rein gezüchteten feinsten Spirillen, die besonders oft in Cholerastühlen, aber auch in gewöhnlichem Darminhalt vorkommen, und auf Agarplatten in Form koli-artiger dicker Kurzstäbchen auftreten; ferner das von Hashimoto" be- schriebene Bakterium Fränkelii (aus Milch gezüchtet), welches teils in Form eigeubeweglicher kleiner Stäbchen, teils in Gestalt unbeweglicher dicker Kokken und Sarcinen auftritt. 3* 36 E. Gotschlich. Litteratiir. 1 NocAUD >S: Roux, Ann. Pasteur, 1898. no. 4. — ^ Nägeli, Die nied. Pilze in ihren Bez. z. d. Infektionskrankh. München 1877. Untersuchungen üb. niedere Pilze. München und Leipzig 1882. - ■> Zopf, Zur Morphologie der Spaltpflanzen. Leipzig 1882. — ^ F. (Joiix. Bt^iträge zur Biologie der Pflanzen. I, 2. 18<5; II, 2, 18/ /. — •- Zettnoav, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf.. Bd. 24. 1897. ^ <> Bonhoff, Archiv f. Hyg., Bd. 2(). — " ILvsiiiMOTo. Zeitschr. f. Hyg. u. Inf.. Bd. 31. 1899. III. Besondere AVuclisformeu. Neben dem allg-emeiuen, für sämt- liche Bakterieiiarten tyi)ischeu Wachstum durch Spaltung (Querteiluug) kommen noch gewisse relativ seltenere Wuclisformen vor, nämlich die echten Verzweigungen und Bildung von Keulenformen, die erst in den letzten Jahren eingehend studiert und nunmehr schon hei einer ganzen Reihe von Arten nachgewiesen sind. Diese besonderen Wuchs- formen haben deshalb ein bedeutendes Interesse, weil sie eine gewisse Verwandtf^chaft der betr. Bakterien zu höheren Pilzen beweisen. Ganz regelmäßig treten diese beiden besonderen Wuchsformeu bei den Streptotriclieen auf (vgl. im speziellen Teil Actinomyces). Unter den Bak- terien sind dieselben zuerst am Tuberkelbacillus beobachtet und hier aucli am genauesten studiert. In Pieiukulturen desselben und im tuberkulösen Sputum sind sie von FischelI, e_ Klein 2, Coppen Jones ^^ HugoBruns^, Dixon!^, Semmer'', Craig'^ konstatiert. Im Gewebe hatten zwar schon A. Petrone** und Metsc'HNikoff "' älinUclie Befunde gesehen; aber erst Babes &Levauiti1", sowie fast gleichzeitig Friedrich J^ gelang es, diese Formen mit großer Regel- mäßigkeit experimentell zu erzeugen, teils durch subdurale, teils durch intra- arterielle Injektion (Näheres im speziellen Teil »Tuberkelbacillus«). LubarschI'-^ und Schulze i-^ fanden, gelegeutbch der Erforschung der Bedingungen zum Zustandekommen dieser Formen, dass dieselben besonders dann sich zeigen, wenn zablreiche Bazillen auf beschränktem Raum wuchern, und zwar besonders auf dem Höhepunkt der Vegetation; sie fassen daher diese Formen als abortive Wuchsformen auf. Diese Lösung vereinigt in glücklicher Weise zwei bisher einander eutgegeugesetzte Ansichten; Avährend nämlich diese Formen nach den Angaben früherer Forscher lediglich als Degenerationsformeu aufgefasst wurden, sah sich Friedrich durch seine Beobachtungen vielmehr zu dem Schlüsse genötigt, dieselben als Ausdruck einer ganz besonderen Wachstumsenergie auf dem Höhepunkt der Entwickeluug zu betrachten. Dass es sich nicht um eine reine Degeneration, sondern um wirkliche Wuchsformen handelt, gebt schon daraus hervor, dass diese Formen unter besonders ungünstigen Bedingungen (wo überhaupt kein Wachstum mehr möglich ist und am ehesten Degeneration zu erwarten wäre) überhaupt nicht auftreten, so bei Uebertragung von Bazillen der menschliclien Tuberkulose in den Froschkörper; auch treten bei Injektion vorher abgetöteter Tuberkelbazillen in die Kaninchenniere keinerlei solcher abnormen Formen auf, womit bewiesen ist, dass die Kolbenbildungen nicht lediglich auf passivem Wege, etwa durch Quelluug der Membran des Bacillus, entstehen. Die sog. Strahlenpilzformen der Tuberkelbazillen entstehen viel- mehr in ihrer ganzen Ueppigkeit nur dann, wenn relativ günstige Ernahruugs- bedingungen geboten werden ; daher treten sie im Kaninchenkörper am schönsten beim Bacillus der Säugetiertnberkulose, weniger gut schon beim Bacillus der Vogeltul)erkulose auf, ganz kümmerlich bei den durch den Aufenthalt im Körper des Kaltblüters (Frosch, Blindschleiche) dauernd modifizierten Tuberkel- bazillen, entsprechend der größeren oder geringeren Anpassung dieser ver- schiedenen Tuberkelbazilleu-Rasseu an den Säugetierkörper. Umgekehrt zeigen gerade diese letzteren Rassen, die »modifizierten Tuberkelbazillen« in der Allgemeine Morphologie uinl Biologie u. s. w. 37 kfinstliclUMi Kultnv viel voicliHchore SIralilciipilzformcii als clcr echte ursprüng- liclie Tnlierkelhueillus, weil sie (iben viel besser als der letztere au die sapro- pliytisclie Existenz augepasst sind (Lui?Aus(;ii '''^). — l>eim IJaeillus der Vogel- tultcrkulose waren übrigens sclion früher verzweigte und kolbige Formen von Hu(40 Bruxs ^ und Maffucci ' ^ nachgewiesen Avorden. — In Kulturen des dem Tuberkelbacillus so nahe st(>lienden Leprabacillus siiul sie von IIaues "', Levy"'^ CzArLFAVSKi '^ und Kkdkowski ^"^ ))eschrieben. - Vom Diphtheriebacillus waren ähnliche Befunde sclion seit längerer Zeit durch A. Nkisskr''-' und liAiuos-" bekannt, jedoch nur als seltener Befund, den man im Sinne von Involutionsformen deuten zu müssen glaubte. Später konnte C. Fränkel^i iliese Formen bei sehr vielen Diphthcriekulturen nach- weisen, mit besonderer Regelmäßigkeit bei Züchtung auf Eiweiß (ein Befund, den Kruse 22 allerdings nicht bestätigen konnte). Schutzes beobachtete diese außergewöhnlichen Formen sehr scliön auf Glycerin-iVgar-Kulturen, Mkyer- iiof'^i besonders auf alkalinisiertcu Kartofteln; Hill'-'"' konnte sie sehr oft in Kulturen auf Löfflerschen Blutserum nachweisen, ^während nach anderen Autoren gerade auf diesem optimalen Nähr1)oden die Tendenz zur Bildung solcher Formen besonders gering sein sollte. Aus diesen verschiedenen Be- obachtungen geht schon hervor, dass die Neigung zum Auftreten verzweigter und kol))iger Formen bei verschiedeneu Stämmen von Diphtheriebazillen und unter verschiedenen Ernährungsbedingungen eine sehr verschiedene ist. Im Ti(n-körper treten diese Formen nicht auf, doch konnten sie in diphtherischen Pseudomembranen von Bernheim & Foeger'-*' nachgewiesen werden. Offen- bar stellen diese Formen auch beim Diphtheriebacillus keine Degenerations- erscheinung, sondern besondere Wuchsformen dar; denn einerseits sind dieselben von Berestnew'-^ und Hill 25 an sehr virulenten, in allen übrigen Merkmalen durchaus normalen Kulturen, und zwar sogleich nach Ueberimpfung aus dem infizierten Organismus auf künstliches Nährsubstrat, konstatiert worden; zweitens beschreil)en Spirk; 2^^ und ganz neuerdings Cache 2'' (unter Uschinskys Leitung) Diphtheriekultiiren, die eine vollständige Mycelentwickelung aufwiesen und in denen die Vermehrung durch echte Verzweigungen geradezu zur Norm gew^orden war; Cache konnte durch Rückübertragung aus der mineralischen Nährlösung in Bouillon den ursprünglichen Typus des gewöhnlichen Diphtherie- bacillus wieder herstellen. Mehrfach (Spiric4, Hill, Cache) sind Einlagerungen von rundlichen oder ovalen Körperchen in den Fäden beschrieben, die wahr- scheinlich zu den seitlichen Verzweigungen und zur Bildung neuer Bazillen in Beziehung stehen. Kolbige Bildungen bis 23 /< Länge (Riesenwuchs!) wurde bei einer Diphtheriekultur von Meyerhof 2^ konstatiert. Beim Rotzbacillus wurden in Kulturen verzweigte und kolbige Formen von Marx'^", Galli-Valerio31, Levy-'2 und Conradi-'^ nachgewiesen, von letzterem Autor mit solcher Regelmäßigkeit und in so üppiger AVachstums- euergie (schon am 2. Tage der Kultur), dass der Gedanke an Invohitions- formen durchaus abgewiesen werden muss; Conradi beobachtete auch im hängenden Tropfen direkt den Ursprung dieser verzweigten Formen aus echten Knospungen. Neuerdings gelang es G. Mayer", diese Formen auch im tierischen Gewebe zu beobachten; l)ei perakuten Rotzerkrankungen zeigte der Rotzbacillus alle morpliologischen Charakteristika einer echten Streptotlirix. Außerdem sind verzweigte Formen beobachtet beim Pestbacillus durch KoLLE-"'\ durch Galli-Valerio und Skschivan''\ beim Pyocyaneus durch Heim -'6, beim Intluenzabacillus durch Grassberger =", beim Bact. coli und typhusähnlichen Bazillen durch Moeller»^ und Wixkler'^'J, beim Typhus- Imcillus durch Almquist3'^^\ beim Bac. tetani durch Vixcenzi-i", bei Strepto- und Pneumokokken durch BAnEs2i> ^„id Stolz ^i, bei großen Spirillen durch 38 E- Gotschlich, Kutsch KU -i"-^ und Zettnow*'^, bei Spirillum rubrum durch Reichexi?ach -i-i (wobei zuweilen ganz sonderbare multipolarcn Ganglienzellen äbnliche Gebilde auftraten). — Nach dem gegenwärtig vorliegenden sehr bedeutenden Material kann man diese sonderbaren verzweigten und kolbigen Formen nicht einfach mit der Bezeichnung als abnorme regressive Bildungen abthun, wie dies wohl noch vor einigen Jahren der Fall war, wo die seltener beobachteten Fälle mehr Kuriositäten darstellten. — Wir haben es vielmehr offenbar mit einer noch normalen, wenn auch relativ seltenen, außergewöhn- lichen Wachstumsform zu thun, die offenbar nur unter gewissen, noch nicht allgemein gekannten Bedingungen hervortritt, w^ährend unter opti- malen Bedingungen und zumal im Ticrkör])er, der zu ungleich schnellerer Vermehrung führende gevi^öhnliche Modus der Teilung durch Querspaltung fast ausschließlich eingeschlagen wird. A. Meyer/I^ glaubt die Zweig- bildung bei Bakterien als einen Atavismus ansehen zu müssen und findet, dass sie besonders in der Jugendform der Species leicht vorkommt. Ob es aber berechtigt und nicht mindestens verfrüht ist, auf diese Merkmale hin, gewisse bisher als Bazillen bezeichnete pathogene Mikroben (so ins^ besondere den Tuberkel-, Diphtherie- und Kotzbacillus) ganz aus der Klasse der Bakterien zu streichen und ihre Einreihung unter die Hypho- myceten zu verlangen (wie dies z. B. von Lehmann & Neumaxx^", CoNKADi-'^ u. a. geschieht), muss doch fraglich erscheinen. Solchen Bestrebungen gegenüber muss immer wieder hervorgehoben werdeo, dass auch bei den genannten Klassen die verzweigte und kolbige Wuchsform entschieden nicht die Hegel, sondern die Ausnahme bildet, wie bei anderen Bakterien auch, — wenn auch diese außergewöhnlichen Formen bei gewissen Arten häufiger zur Beobachtung gelangen als bei anderen. — Anhangsweise mögen hier noch zwei Vorgänge besprochen werden, die mit den echten Verzweigungen eine gewisse Aehnlichkeit haben und nicht mit ihnen verwechselt werden dürfen. Da ist zunächst die Auskeimung von, noch in der Mutterzelle liegenden, Sporen, Avie sie zwar bei pathogenen Bakterien bisher nie beobachtet wurde, aber sehr wohl beim saprophytischen Spirillum endoparagogicum (Sorokin^^) vorkommt. In dieser Weise suchte A. NeisserI^ ursprünglicli die Verzweigungen beim Diplitheriebacillus zu erklären, indem er die Keuleuformcn als sporentragende Gonidien auffasste — eine Annahme, die angesichts des Mangels jeder Widerstandskraft, die sonst Sporengebilde charakterisiert, fallen gelassen Averden muss. Ferner ist hier der Pseudo- ramifikation zu gedenken, einer Erscheinung, die z. B. bei gewissen Pro- tensarten beobachtet wird und dadurch zustande kommt, dass bei fadenbilden- den Bazillen an einer Stelle eine Trennung des Scheinfadens eintritt, worauf die nunmehr frei gewordenen Enden sich an einander vorbeischieben und jedes Teilstück für sich neu auswächst; die so entstehenden Bilder können sehr den echten Verzweigungen ähneln und leicht zu Täuschungen Veranlassung geben. Litteratiir. 1 FiscHEL, Fortschr. d. Medicin, 1802, 22. Morpholog. u. Biologie d. Tb. Wien 1893. — 2 C. Klein, Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 7, 25, 1890; Bd. 32, 2.0. 1892. - ■i CoppEN Jones, ebd., Bd. 17. 11, 1895. — 4 H, Buuns, ebd., I. Abt., Bd. 17, 88, 1895. — •"' DixoN, ref.: ebd., Bd. 15, 13. 1894. — ^' Semmer, Deutsche Zeitschr. f. Tiermedizin, Bd. 21, Nr. 3/4. - ' Craig, ref. Baumgartens Jahresber., 1898, S. 4(33. — ^ A. Petrone, zitiert nach '■*. — '■' Metschnikoff, Vircliows Archiv, Bd. 113, 63. — 10 Babes & Levaditi, Arch. de med. experim. et d'anat. path., 1897, Nr. 6. — 11 Friedrich, Deutsche med. Wochenschr., 1897, Nr. 41. — i- Lubarsch, Zeitschr. Tnfrl I. Echte Yerzweigungen. — Geifseln. — Involutionsformen. Plasmolyse und Plasmoptyse. 1 ^ -A \;' '\ />; I k^ ^) ^^V 10 lia ^t Kj t ^f> i^i 'S. >^ \ iL ^^ IG 17 '• ^>5;i^i^i 18 1. Echte Verzweigungen des Rotzbacillus. — 2. dito mit Kolben. — -i. KcMp. Verzweigungen des Diphtlieriebacillus (Kurth). — 4 und 5. Echte Verzweigungen von Spirillen (Reichenbach); bei No. i an der Verzweigungsstelle ganglienzellähnliche Bililung. — ü. Monotriche: (^holeravibrio (Hinterberger). — 7. Amphitriche (Bac. flagellotort.). — 8—10. Peritriche: 8. Micrococc. agilis. !». Typhusbacillus. 10. Proteus vulgaris. — 11. Lophotriche (grosses Spirillum). [7—11 nach Ze«/iojp.] — 12. /nvo/uiions/ormen des Pestbacillus auf Salzagar (Matzuschita); 13. Involutionsformen des Diphtberiebacillus in alter Cultur (Madsen). — li b— f. Involutionsformen des Milzbrandbac. im faulendem Blut; a. normaler JUc. mit Kapsel (Berndt). — 15. Plasmo- lyse und Plasmoptyse beim Choleravibrio. — 16. Plasmoptyse beim Choleravibrio. — 17. beim Milzbrand- bacillus. — 18. beim Staphylococc. pyogen, aur. (15 — 18 nach A. Fischer.) 40 E. GotBchlich. f. Hvg. u. Inf., Bd. 31, 18f;. 181)9. ':* SciirLZE. ebd., 15d. HI, 153, 1S90. — i* Maf- vm'ci, ebd.. IM. 11. - i"- Babes, Centralbl. f. Bakt.. 1. Abt.. Bd. 25. 44. JS99. — i'i Lew. Archiv f. Hyg., Bd. 30, 1(5 Hill, ref Baumgartens Jahresber., 1899, S. 21(;. — ^r, Bernheim & Folger, Centralbl. f. Bakt., 1. Abt., Bd. 20. S. 1. 189<). 2' Berestnew, ref. Baumgartens Jahresber.. 1898, S. 260. — •-'^ Si'iRio, Central!)!, f. Bakt., Bd. 26. S. 540. 1899. ~ 2'.) Cache, ebd., Bd. 29, 975. 1 Aiisiin limezellen« , deren erliiihte Ivosis^tenz lediglich auf biolog-isclieni Wege, durch uatürlichc Selektion zustande kommt, giebt es nun aber bei gewissen Bakterienarten eclite, mor])lio- logiscii wohl charakterisierte und von der gewöhnlichen Wuchs- forni des Bakteriums scharf unterschiedene Dauerformen, die endo- g-enen Sporen. Die Sporenbildung ist nicht sehr verbreitet, und unter den pathogenen Mikroben kommt sie nur dem Milzbrandbacillus, sowie den pathogenen Anaerobiern (Bac. tetani, Bac. oedomat. malign., Kausch- brandbac), daneben gewissen toxisch wirksamen Bakterien (den peptoni- sierenden Milchbazillen Flügges) zu. Unter den Sapro]ihyten ist die Sporenbildung am meisten verbreitet bei den Bazillen, Avährend sie bei Kokken und Spirillen nur äußerst selten vorkommt; Näheres darüber und Historisches s. bei Kkuse'. Die S])ore ist m(n-phoh)gisch charakterisiert als ein kugeliges oder elliptisches Gebilde von sehr konzentrierter Leiljessubstanz (wie sich aus dem starken Lichtbrechungsvermögen und der chemisclien Beschaffenheit ergiebt), von sehr bedeutender Widerstandsfähig- keit gegen Färbung und äußere schädigende Einwirkungen jeglicher Art und von ausnahmslos endogener Entstehung-. Die Spore liegt daher zuerst stets innerhalb der Mutterzelle und wird erst später frei. Bei den einzelnen Arten ist das Verhältnis der Spore zur Mutterzelle, nach Dimension und Lage, konstant; entweder ist der Querdurchmesser der Spore kleiner oder ebenso groß wie derjenige der Mutterzelle (Milz- brandbacillus) — oder größer, wobei dann wieder entweder die Si>ore in der Mitte des Stäbchens liegt und das letztere spindelförmig auftreibt (Clostridium butyricum), oder an einem Ende des Stäbchens, wobei uagel- oder trommelschlägerartige Gebilde entstehen (Tetanusbacillus). Ueber die morphologischen Details bei der endogenen Sporenbilduug vgl. unten im Kapitel: »Feinerer Bau der Bakterien«. Nach Freiwerden der Spore zerfällt die Mutterzelle gewcthnlich. Die reife Spore besteht aus einem Innenkörper ( Sporenkeru«, > Glanzkörper«) und der Sporenmembran. Nach der NAKAXiSHischen'' Färbungsmethode (vgl. unten) lässt sich im In- nern der Spore (ganz wie in der vegetativen Zelle) ein Kern nachweisen, wenigstens stets in jungen und in keimenden Sporen; beim Heubacillns auch in ausgewachsenen ruhenden Sporen. — Das Sporenplasma ist homogen, vor der Auskeimung jedoch in (stärker färbbares) Ektoplasma und (blasseres) Endoplasma differenziert. BrucHARD-^ und Mühlschlegel ^ haben bei ge- wissen saprophytischen Bazillen eine doppelte Sporenraerabra u nach- weisen können; Nakaxishi- dasselbe auch für den Milzbrandbacillus. nicht aber für den Heu- und Tetanusbacillus; ein äußeres, derb-elastisches Ekto- sporium und ein inneres zartes Entosporium; das letztere wird bei der Aus- keimuug der Sporen wahrscheinlich zur Zellmembran des ausschlüpfenden Bacillus. An der äußeren Sporenmembran haften oft noch Ueberreste des Protoplasmas der Mutterzelle, sei es in Form regelmäßiger polarer Kappen (Milzbrandbacillus), sei es in Form unregelmäßiger Fetzen (Heubacillns). — Die Widerstandsfähigkeit der Spore gegenüber schädigenden äußeren Ein- wirkungen und gegenüber der Färbung, wird übrigens weit weniger von der 42 E. Gotschlich, Membran, als hauptsäclilicli von der höchst konzentrierten Beschaflenlieit des Innenkörpers bedingt; nach MrHLSCHLE(iEL und Bunge ^ zeigen bereits die ersten Sporenanfänge, wo noch jede Spur von Membran fehlt, das gleiche färberische Verhalten wie die fertige Spore; desgleichen fanden Buxge und A. Meyer«, dass die Membran oft sogar Farbstoff aufnimmt bezw. sich mit Methylenblau leicht umfärbt, während das Sporeninnere sowohl gegen Fär- bung als Ent- uud ümfärbung sich widerstandsfähig erweist; auf der anderen Seite erwies Grethe', dass Sporen, die sich zur Keimung an- schicken und bei denen der lunenkörper schon sichtlich modifiziert ist (seinen Glanz verloren hat; , Avährend die Sporenmembran nach Avohl erhalten ist, ihre Widerstandsfähigkeit verloren haben und sich ganz wie vegetative For- men färben. Die Art der Auskeimung der Sporen ist für jede Art in der Regel konstant und daher differential-diagnostisch verwertbar; betr. Degenerations- erscheinungen in älteren Kulturen vgl. unten. Jedoch finden sich nacli Grethe selbst bei nahe verwandten Arten bedeutende Unterschiede. Beim Milzbrandbacillus erfolgt nach Frazmoavski ^ die Anskeimung polar; die Spore verliert zunächst ihr starkes Lichtbrechungsvermögen und ihren Glanz; dann streckt sie sich in die Länge, bis endlich die Membran an einem Pol reißt und der Keimling als kurzes Stäbchen, an dessen hinterem Ende die ge- borstene Hülle haftet, heraustritt; der Keimling wächst sodann in die Länge uud beginnt in bekannter Weise sich durch Querteilnng zu vermehren; bei Bruttemperatur verläuft die Keimung in einer oder wenigen Stunden. — Der Heubacillus zeigt äquatoriale Sporenauskeimung; die Austrittspforte des Keim- lings ist schon vorher, in Gestalt einer kleinen hügelförmigen Erhebung der Sporenmembran wahrzuneliraen (Nakanishi 2). Daneben giebt es nach Bur- CHARD'^ auch alle Uebergäuge zwischen polarer und äquatorialer Auskeimung, sowie auch polare Auskeimung mit äquatorialer Zerreißung der Sporenmem- bran; ein Beispiel solcher Uebergäuge ist nach Nakanisiii ^ auch der Tetanus- bacillus. In älteren Kultureu des Milzbrandbacillus fand Nakanishi^ regelmäßig eine besondere Form von Sporen, die mehr rundlich gestaltet sind und äqua- torial auskeimen; die geringe Widerstandsfähigkeit dieser Sporen sowohl der Färbung als anderen schädigenden Einwirkungen gegenüber, charakterisiert sie deutlich als degenerative Produkte. — In der Regel wird von jedem BmcüIub nur eine Spore ge- bildet; die Bildung zweier Sporen in einem Bacillus ist bei gewissen Saprophyten, und auch da nur ausnahmsweise, Ijeobaclitet (Litteratur l)ei MüiiLscHLKOKL, p. 99); heim Milzbrandbacillus gehört nach Nakaxisiii^ das Vorhandensein zweier Sporen in einem Bacillus zu den größten Seltenheiten. Mehr als zwei Sporen in einem Stäbchen sind überhau]>t noch nie l)e(diachtet. Diese Thatsache, dass die endogene Sporenbildnng bei den Bakterien nicht zur Vermehrung, sondern nur zur Erhaltung der Art dient, wird von Kruse (a. a. 0. S. 59) als gewichtiges Argument gegen die landläufige Auffassung der endogenen Si)orenbildung als Fruk- tifikationsvorgang ins Feld geführt; Kruse stellt die endogene Sporen- bildung der Bakterien vielmehr in Parallele zu der Bildung von Dauer- cysten bei den Protozoen, wobei jedoch zu bemerken ist, dass bei letz- terem Vorgang von der für die Sporulation der Bakterien so charak- teristischen Konzentration der Leibessubstanz der Spore nichts zu merken ist. Allgemeine 3Iorphologie und Hiologie u. s. w. 43 Litteratur. 1 Kruse in Flügges »Mikroorganismen«. H. Aufl., Bd. l. S. 60. 18%. -- - BuKCHARn, ref. Baumgartens Jaliresber., ISllS, S. 788. - ■' Mühlsciilkgel Centralbl. f. Bakt., II. Abt., Bd. (1. Nr. 3/4. (Litteratur !i 1<»00. — t NAKAXiSHii Münchener med. Wochensclir. 1000. S. 680; C. f. Bakt., I. Abt.. Bd. 30, Nr. 5 u. 6 1901. — ■"' BuNGK. Fortsein-, d. Med. 1S95, Nr. 20/21. — << A.Meyer, »Flora«, Er- gänzungsbd.. Bd. 84. Nr. 3. — " Grethe, Fortschr. d. Med., 1897. — « Praziiowski. Unters, üb. d. Entwicklungsgesch. etc. einiger Bakt., 1880, Leipzig. V. DejU'eiieratioiis- und Iiivolutioiis formen. Während unter uormalen Wachstums- und Ernährung'sbediugungen die Konstanz der Form inner- halb jeder Art streng gewahrt bleibt (betr. Pleomorphismus vgl. oben), treten unter ungünstigen Bedingungen, besonders in alten Kulturen, un- regelmäßige Bildungen auf, die sich sämtlich als Ausdruck einer ver- minderten Wachstumsenergie und verringerten Widerstandsfähigkeit dokumentieren; insofern unterscheiden sie sich scharf von den unter III beschriebenen »besonderen Wuchsformen: der echten Verzweigungen, die doch entschieden eine ganz neue Form der Lebensäußerung dar- stellen und daher keineswegs einen degenerativen Charakter tragen. Gewisse Degenerationsformen entstehen durch verminderte Teilungs- energie bei ungeschwächt fortbestehendem (oder doch minder geschädig- tem) Wachstum. Hieraus resultieren z. B. bei Pneumokokken auf künst- lichem Nährboden mehr oder weniger lange, unregelmäßig geformte, stäbchenartige Gebilde (Kruse & Pansini i), bei Bouillon lange, oft vielfach verschlungene und unregelmäßig gekrümmte Scheinfäden, so in älteren Kulturen des Milzbrandbacillus und Proteus, ferner beim Pyocyaneus in borsäurehaltigen Nährmedien (Wasserzug'-). Umgekehrt entstehen unregelmäßige, fast kokkenartige, Gebilde bei manchen Pro- teusarten, wenn bei erhaltener Teilungsenergie das Wachstum sistiert ist. Tiefer gehende Degenerationen treten ein, wenn die Bak- terieuzelle, sei es infolge abnehmender Turgorkraft im Alter, sei es infolge direkter schädlicher Einwirkungen von außen, außer stände ist, ihre normale Form zu behalten; dann treten Aufblähungen, Quellungen u. s. w. ein, wodurch die Bakterien zu geradezu unkenntlichen Formen verunstaltet werden können (vgl. sjjäter auch bei Plasmcdyse und Plas- moptyse). Besondere Bedeutung, aucli für die Differential- Diagnose, haben die unförmlichen blasigen, oft hefezellartigen Degeuerationsformen des Pestbacillus auf Salzagar {^^/iS^/i^ NaCl) gewonnen; dieselben sind zuerst von Hankix & Leumann •' beschrieben; auf Grund uni- fangreiclier Kontrollnntersuchungen erwies Teisi Matzusciuta^, dass diese Degeuerationsformen in gleichem Grade wie beim Pestbacillus, und schon nach 24— 48 Stunden, bei keinem andern untersuchten i\Iikroben vorkamen; manche Bakterien vertrugen einen Kochsalzgehalt von 10%, ohne in ihrer Wuclisform verändert zu werden, während andere aller- dings schon bei geringerer Konzentration Degenerationsformen zeigten. — Der äußerste Grad von Degeneration zeigt sich in alten Kulturen in völligem Zerfall der Bakterien in unregelmäßige Teilstücke und Körner (Krajewsky'', Botzbacillus), ein Vorgang, für den Kk'Use'' die Bezeichnung »Fragmentation« vorschlägt; auch hielt er es durchaus nicht für ausgeschlossen, dass diese Körnchen bei Uebertragung auf neues Nährsubstrat sich wieder regenerieren. In dieser AN eise smd auch wahrscheinlich die Befunde Blieseners ' bei Cholerabazillen (Existenz ovaler glänzender Körperchen in alten Cholerakulturcu in Wasser, aus 44 -E- Gotschlich, (leiu'u dann wieder n(»nii;ile Mhrioiien hervorgehen) zu deuten. Ver- nlciehc auch S])iitcr unter Plasni()j)tys^e' über die Regeneration der durch stark gesteigerten osmotischen Innendruck aus dem Zellleil) aus- geschleuderten ria smakörner. Von hesonderem Interesse sind die Degenerations- und Zer- fallsprodukte pathogcner Bazillen im infizierten Organis- mus. Sehr sonderbare Formen (aufgequollene Klümpchen ohne regel- mäBige Begrenzung, Ilingformeu etc.) nehmen die Pestbazillen im liubonensaft, und ganz l)esonders im Ilattenkörper an, so dass fast gar keine Aehnlichkeit mehr mit dem normalen IJacillus besteht und Schwie- rigkeiten für die Erkennung vereinzelter Formen entstehen kijnnen. P)ei vielen Bakterien findet eine deutliche Ditferenzierung beim Zerfall im tierischen Organismus statt, wie z.B. Radzieavski ^^ für Cholerabazillen, Pyocyaneus, Typhusbacillus und Pneumokokken festgestellt hat; bei letzteren verschwinden die Kokken selbst schneller als die Kapseln, so dass als Uebergangsformen leere Kapseln und solche mit minimalen Kokkenresten im Innern massenhaft auftreten; einen ähnlichen Zerfall von innen nach außen konstatierte auch Bern dt-' für Milzbrandbazillen in faulendem Einderblut. Nach Radziewski zeigen nur lebende Mikroben diesen differenzierten Zerfall, während solche, die vorher mittelst Chloroform abgetötet waren, im Tierkörper einer einfachen gleichmäßigen Auf(iuellung und Auflösung anheimfallen. — Ueber die Pfeiffersche Reaktion vgl. im speziellen Teil beim Cholerabacillus. — Aus der morphologischen Betrachtung lässt sich kein sicherer Schluss auf die Lebensfähigkeit eines in Degeneration begriffenen Bakteriums ziehen: einerseits können völlig normal erscheinende Bakterien (z. B. nach Abtötung mit Chloroform) definitiv abgestorben sein, andererseits können Gebilde, die mit dem betreffenden Bakterium gar keine Aehn- lichkeit haben (in Körnchen zerfallene Choleravibrionen bei Pfeiffers Reaktion — Degenerationsformen des Pestbacillus im infizierten Körper) noch völlig lebensfähig sein und sich bei Uebertragung auf frisches günstiges Nährsubstrat regenerieren. Litteratiir. t Kruse & Paxsini, Zeitsclir. f. Hyg. u. Inf., Bd. U, 283. — -' Wasserzug, Ann. de Flnst. Pasteur, 1S8S. — •' Hankin & Leumann. Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 22. 438. 1897. — * Teisi Matzuschita. Zeitschr. f. Hyg. n. Inf.. Bd. 35. 495. 1900. •"' KRA.JEAVSKY, ref. Baumgartens Jahresber., 1899, 329. — '■ Kruse in Flügges Mikroorganismens Bd. I. 55. 1890. " Bliesener, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf.. Bd. 32, 71. 1899. — ■'^ Radziewski. ebd.. Bd. 34, 442, 1900; Bd. 37, 1 3." 1901. — '■' Berndt, Centralbl. f. Bakt.. I. Abt., Bd. 28, (548. 1900. 2. Feinerer Bau der Bakterienzelle. I. Kerne und kernähnliche Gebilde. Die Frage, ob die Bakterien, wie die Zellen liüherer Lebewesen, die bekannten beiden Hauptbestandteile der Zelle, Kern und Protoplasma, aufweisen, war eine heißumstrittene, kann aber gegenwärtig als mit Bicherbeit in positivem Sinne entschieden betrachtet werden. Die Hanptsehwierigkeit liegt darin, dass die Kerngebilde der Bak- terien nicht ein nach Lage, Form und Färbbarkeit so regelmäßiges und kon- stantes Verhalten zeigen, wie wir es an den Kernen höherer Zellen zu sehen gewohnt sind; vielmehr ergaben sich bei den verschiedenen Arten und bei der gleichen Species unter verschiedenen Bedingungen (Alter etc.) sehr bedeutende Differenzen, so dass eine vergleichende Betrachtung unter einem gemeinsamen Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 45 Gesielitspimkt auf den ersten Blick fast unmöglich erscheint; über die Gründe dieser großen Verschiedenheiten vgl. unten. Die Schwierigkeit wird noch da- durch vermehrt, dass die einzelnen Autoren nach sehr verschiedene ]\Iethoden gearbeitet haben. Im ungefärbten Zustand uud bei der gewöhnlichen Färbung der Präparate mit Anilinfarben zeigen die Bakterien keinerlei Differenzierung im Protoplasma und Kern; dies führte einerseits zu der von Fiscinnt' und Migula2 vertretenen Auffassung der Kernlosigkeit der Bakterien, andererseits, mit Piücksicht auf die enorme Affinität des Bakterienleibes zu Kernfärbemitteln (basische Anilinfarben), zu der geradezu entgegengesetzten Auffassung (Zettnow''), wonach der ganze, bei der gewöhnlichen Färbung sichtbar werdende l>akterienleib als Zellkern zu interpretieren sei, während das Plasma für ge- wöhnlich unsichtbar bleibe uud erst durch besondere Präparatiou (Färbung nach vorgängiger Beizung etc.) dargestellt werden könne. Später bat Zeltnov/^ selbst diese seine ursprüngliche Theorie in folgendem Sinne modifiziert: Der durch die gewöhnlichen Färbuug-s- methoden darstellbare IJakterienleib enthält Kernsiibstanz (Chromatin) in Mischung mit Pr(>toi)lasma ( >Entoplasma<), während die nur durch besondere Präparationsmethode sichtbar werdende äußere Hülle aus einem modifizierten Protoplasma ( »Ektoplasma«) besteht. Diese neue ZETTNOAVsche Theorie stellt die befriedigendste Znsannnenfassung und Deutung aller auf diesem Gebiete bekannten Thatsachen dar. Gestützt wird dieselbe zunächst durch Zettnows Beobachtungen an großen S])i- rillen, die um so wertvoller sind, als die Färbung in vivo vorgenonnnen wurde, bei völlig intakt erhaltener Lebensfähigkeit, oft sogar bei Erhaltung lebhafter Eigenbewegung, — und denmach Artefakte absolut aus- geschlossen sind. Es ergab sich das Vorhandensein eines mächtigen Zentralkörpers, bestehend aus einer hellen, schwach färbbaren Gerüst- substanz von (dem zuerst von Bütschli^ für das Protoplasma be- schriebenen) wabigem Bau, in deren Maschen kugelige den Farbstoff stark aufnehmende Massen (Chromatin, Kernsubstanz) liegen, oft in so großer Masse, dass dadurch die Gerüstsubstanz ganz verdeckt werden kann und der ganze Zentralköri)er als Kern imi)oniert; umgeben ist der Zentral- körper von Ektoplasma, das sich besonders an den Polen stark anhäuft und von dem die Geißeln entsi)ringen. Uebereinstinmiende Ergebnisse für die pathogenen Bakterien fand Zettnow und bald darauf Feinuerg'' mit- telst der EoMANOWSKischen Färbungsmethode (vgl. Methodik), mit der übrigens schon Ziemann^ vereinzelte positive Eesultate erhalten hatte. Bei einer großen Anzahl von Bakterien konnten diese Autoren in dem (bei den gewöhnlichen Färl)niethoden sichtbar werdenden) Bakterienleib (Analogie zum »Zentralköri)er« der großen Spirillen) zwei färberisch verschieden sich verhaltende Bestandteile nachweisen, einen rot gefärbten (»Chromatin«, Kernsubstanz) und einen blau gefärbten (Entoplasma); das Ektoi)lasma blieb bei der EoMANOWSKischen, wie l)ei der gewöhn- lichen Methode, farblos. Manche Bakterien (z. B. Vibrionen) schienen ganz aus Chromatin zu bestehen, was der ZETTNOWSchcn Theorie in ihrer ursprünglichen Fassung entspräche; doch ist in diesen Fällen wahr- scheinlich nur das Entoplasma in sehr geringer Quantität vorhanden und äußerst innig mit dem Chromatin genascht, Avie aus der nach- weislich schaumigen Struktur des Chromatins hervorzugehen scheint und wie es auch in Analogie stehen würde zu anderen Bakterien mit ctwsis reichlicherem Entoplasma, z. B. dem ]\Iilzbrandbacillus, bei welchem^ die llauittmasse des Stäbchens aus rotem Chromatin besteht uud nur mit feinen 46 E. Gotschlich. Rissen und Sprüngen von blauer Farhe durchsetzt ist. Bei den meisten Bakterien überwiegt das (^hromatin bedeutend; nur bei einigen Arten (Wurzelbazillus, Megaterium) trat das Chromatin dem blaugefärbten Plasma gegenüber zurück, aber auch da nur in jungen Kulturen, während mit Abnahme der Teilungsenergic und zumal kurz vor der Sporenbildung die Masse des Chromatins erheblich zunahm. Das bhiugefärbte Plasma zeigte sich bei manchen Arten (Proteus) an den Polen zusammengedrängt (gleichfalls analog dem Verhalten der großen Spirillen). Der Grund dafür, dass bei den Bakterien die Kernsubstanz, — statt wie bei höher entwickelten Zellen in ein besonderes morphologisch differenziertes Gebilde, den Kern, konzentriert zu sein, — mit dem Entoplasma sich meist noch innig vermischt zeigt, liegt vielleicht einfach in der schon mehrfach be- tonten niedersten Stellung der Bakterien im Pteiclie der Lebewesen; die Differen- zierung zwischen Kernsubstanz und Plasma beginnt erst, und ist daher wohl chemisch, meist aber noch nicht oder nur unvollkommen morphologisch voll- zogen. Außerdem hat Ve.tdovsky "^ noch auf eine andere Erklärung aufmerksam gemacht; da die Bakterien sich sehr rasch teilen, so gelangt die Kernsnbstanz selten oder nie in ein Ruhestadium, wie es zur Erzieluug morphologisch kon- stanter Resultate vorausgesetzt werden musste; in der That ist es Ve.tdovsky gelungen, an einem großen Bakterium, welches unter eigentümlichen parasitischen Verhältnissen in einem Süßwasserkrebs zeitweise in völligem Ruhestadinm, ohne jegliclie Zellteilung, lebt, ausnahmslos in allen Exemplaren einen ganz cliarakteristischen zentral gelagerten, mit Karmin und Hämotoxylin färbbaren Kern darzustellen. Vielfach ist auch versucht worden, in dem gefärbten Bakterieuleib (be- stehend aus Chromatin und Entoplasma) durch verschiedene Methoden mor- phologische Differenzierungen zu erhalten und diese als Kerne oder kern- ähnliche Gebilde zu deuten. So glaubte Sciiottelius^ ein stärker färbbares zentral gelegenes feines Kernstäbchen nachgewiesen zu haben, Avas jedoch Kruse-* keineswegs bestätigen konnte; oft schien gerade umgekehrt der zentrale Anteil schwächer gefärbt zu sein (Migulas zentrale Vakuole). LöwiT^^ fand l)ei Geißelfärbung nach Löffler den zentralen Anteil stärker gefärbt als die Peripherie, in welch letzterer wieder Granula eingelagert waren. Aehnliche » Kerne « und » Kernteilungsfiguren « wurden ferner von Trambusti & Galeotti^' und Wagner '2 beschrieben (von letzterem mit Anwendung eines originellen, dem Diazotierverfahren in der Wollfärberei nachgebildeten Färb- prozesses). Eine Doppelfärbuug des »Kernstäbchens« innerhalb des Milzbrand- bacillus gelang Klett^''. Besondere Beachtung verdienen die Forschungen Nakanisiiis ^^, weil seine Färbungsmethode sehr schonend und differenziert färbt, auch in vivo ausführbar ist und demnach Artetakte sicher vermeidet; er fand, dass alle von ihm untersuchten pathogenen Bakterien (sämtliche praktisch wichtigen Arten) im Jugendstadium einkernige, kurze Zellen sind; der ziemlich kleine rundliche oder Stäbchen- oder hanteiförmige »Kern« zeigt bei Methylenblaufärl)ung eine von der Protoplasmafärbung ver- schiedene, mehr rötliche Nuance; in alternden Zellen tritt reichliche chromatische Substanz auch im Protoplasma auf. Die Uebereiustim- mung mit Zettxows Resultaten nach RoMANOWSKi-Färbung ist also ziemlich weitgehend; nur bleibt die Frage offen, hier sowohl wie bei den früheren Befunden (von denen übrigens einige nicht sehr gut be- gründet erscheinen), ob die als »Kerne« angesprochenen Gebilde wirklich den Kernen höherer Zellen, oder nicht vielmehr etwa den Tafd IL Kerne und Körnungen der Bakterienzellc. Sporenbildung und Sporenkeimung. i S -? A^ ^. .9 i^ a "^^^^-.ß Ä> ^ ^<\ 12 13 10 ££) .^ ^' CV i^i '^'% 17 /^' 11 'V' 18 14 0 lö 10 1. Milzbrandbacillus. 2. Proteus vulgaris. 3. Bac. Megateriuui, nach Romanowski gefärbte Kernsubstanz (nach Zrftnow]. 4. Milzljrandbacillus mit nietachromat. Körnchen fnacli Kro))ipeclirr]. 5. Derselbe, gleichzeitig mit Babes- Ernst'schen Körnchen. 6. Letztere allein nach Eriisf?,G\\&v Fär- bung (5 und 6 nach Kronipedier). 7. Billiges sporogene Körnchen (nach Krompecher). 8. Babes-Ernst'sche Körnch. in Sarcine. 9. In Pyocyaneus nach M(trx <(' Woillir . 10 — 16. Färbung nach Xnhimis/n'. 10. Staphylococc. pyogen, aureus. 11. Typhusbacillus. 12. Milzbrandbacillus (vegetat. Formen'i. 13. Vibrio Finkler-Prior. 14. a. junge, b. ausgebildete Milzbrand- Sporen. 15. a. junge, b. ausgebildete Hcubacillen- Spcn-en. 16. Tetanussporen. 17. Keimung der INIilzbrandspureu. 18. Keimung der Tetanussporen. 48 E. Gotschlich, Kerakörperchen, Chromosomen u. s. w. entsprechen. Die Teilung- dieses NAKANisiiischen Kernes geht stets der Zellteihing voraus (ganz wie bei liüheren Zellen). In gewissen Fällen, avo das Wachstum der Zelle fort- schreitet, ohne dass Teilung eintritt, kommen mehrkernige Zellen zu- stande"^ (Scheinfäden, Keuleuformeu beim Diphtheriebacillus). Sjöbring^^ glaubte eine Mehrheit von Kernen in einem Bakterium als die Regel annehmen zu sollen, indem er als Kern die im nächsten Paragrapli zu besprechenden »metacbromatischen Granula« anspricht. Endbch sei hier noch der kokkenförmige Inuenkörper in Tuberkel- und Leprabazillen gedacht (»Coccothr ix« formen), welche Unna^'^ mit Hilfe einer sehr eingreifenden Färbungsmethode darstellte (Artefakte?). Litteratur. 1 A. Fischer, Jahrbücher f wissenschaftl. Botanik, Bd. 27, 152. — -' Migula. Centralbl. f Bakt., IL Abt., Bd. 1. 6. 1890. — ;' Zettnow, ebd., I. Abt., Bd. 10, 21. 1891. — 4 Zettnow, Zeitschr. f Hyg., Bd. 24, S. 74, 1897; Bd. 30, S. 18. 1899. - 4a BÜTSCiiLi, Bau d. Bakt., Leipzig 1890. — ^ Feinberg, Centralbl. f Bakt, I. Abt., Bd. 27, S. 417; Zettnows Polemik, ebd.. S. 803, 1900. — <' Ziemann, ebd., Bd. 24, S. 954. 1898. — ' Vejdovsky, ebd.. IL Abt.. Bd. G, S. 577. 1900. ~- « Schottelius, ebd., I. Abt., Bd. 4, 23, 1888. — " Kruse, in Flügges »Mikroorganismen«, 3. Aufl., L 72. 1896. — 10 LöwiT, Centralbl. f. Bakt., I. Abt.. Bd. 19, S. (593. 1896. ^ 11 Trambusti & Galeotti, ebd., Bd. 11, 23. 1892. — i^ Wagner, ebd., Bd. 23. Nr. 11/12, 1898. — i'< Klett, Inaug.-Diss. Gießen, ref. Baurogartens Jahresber. , 1894. S. 128. — 14 Nakanishi, Münchener med. Wochenschr.. 1900, Nr. 6; Centralbl. t. Bakt. I. Abt, Bd. 30, Nr. 5 u. ß. — i'' SjÖBRiN>euchromatische< und die »hypochromatische:, erstere von sehr bedeutender, letztere von geringer Affinität zu Farbstofieu (beiläufig bemerkt, eine mit den ZETTXOWschen Resultaten der innigen Vermischung von Chromatin und Eutoplasma sehr wohl übereinstimmende Auffassung); daher sind solche körnerlose Bakterien völlig gleichmäßig der Färbung und Entfärbung zugänglich. Mit dem Auftreten der Körner, das nach AscüliI-^ beim Altern der Zelle eintritt, ergibt sich eine Scheidung der beiden oben genannten färberisch verschiedenen Substanzen; so erklären Marx und AYoithe, dass der neben den Körnchen in der Gegen- farbe erscheinende Bakterienleib stets nur sehr schwach gefärbt ist (weil aus- schließlich aus hypochromatischer Substanz bestehend). Die bipolare An- ordnung dieser Körnchen in Bazillen und Vibrioneu und ihr Verhalten bei der Zellteilung (wobei stets die Teilung der metachroraatischen Körperchen vor- angeht, und zwar stets in der Längsaxe, d. h. der Wachstumsrichtung) spricht gegen ihre Auffassung als Kerne und lässt sie eher den Zeutrosomen höherer Zellen vergleichbar erscheinen. Marx und Woithe fanden ferner, dass diese Körperchen in einer Kultur an um so zahlreicheren Individuen auftreten, je lebenskräftiger die Kultur ist; in häufig umgeimpften Kulturen sowie in solchen, die auch sonst eine deutliche Einbuße ihrer Lebenskraft 'z. B. in der Farb- stoffproduktion) erkennen lassen, nimmt die Zahl der körnchenführenden Indi- viduen mehr und mehr ab; umgekehrt nimmt dieselbe zu unter Bedingungen, wo die Bakterien im Kampf ums Dasein ihre höchste Lebensenergie entfalten müssen, so im Tierkörper (besonders bei akuten Infektionen) und in vitaler Konkurrenz mit anderen Mikroben (Mischkulturen). Diejenigen Bakterien- Individuen, welche BABES-ERXSTSche Körperchen enthalten, sind demnach die lebensfähigsten Exemplare der Kultur; sie sind zur Erhaltung und Fortpflanzung der Art hauptsächlich bestimmt, wie auch daraus hervorgeht, dass innerhalb der ersten 24 Stunden nach jeder Uebertragung auf frischen Nährboden die Zahl der körnchenführenden Bakterien beträchtlich zunimmt. Man wird wohl nicht irre gehen, wenn man diese körnchenführenden Individuen mit den »Ausnahmezellen« identifiziert (vgl. oben bei Sporenbildung), denen eine größere Widerstandsfähigkeit gegenüber allen äußeren schädigenden Einwirkungen zu- kommt. — Analoge Beziehungen zwischen Körncheureichtum und Virulenz einer Kultur, wie sie von Marx und Woithe nach Beobachtungen an Streptokokken und pathogenen Kolibazillen aufgestellt und von Piorkowski" für Diptherie- bazillen angenommen wurden, konnte AscoLi an Milzbrandbazillen nicht be- stätigen, indem er hier sowohl bei virulenten wie bei avirulenteu Kulturen reichlichste Körnchenbildung fand. Litteratur. iBabes. Z.f.Hyg. u. Inf., Bd. 5, 1; Bd. 20, 3. 1S95. — -' Eiinst. ebd., Bd. 4, 1 : Bd. 5, 3. — 3 A. Neissek. ebd., Bd. 4, 2. — t Büchner, C. f. Bakt. I.Abt., 4, 3.53, 1888. — 5 L. Müller, ref. Baumgartens Jahresber., 1894, S. 251. — •'•» Podwyssozki, Cen- Handtuch der pathogenen Mikroorganismen. L 4 50 E. Gotschlich. tralbl. f. allg. Patli. u. patholog. Anat., IV. (>75. — ß Rahmer, C'entralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 13, 78(5. 1893. — " Noxiewicz, Deutsche Zeitschr. f. Tiermedic. Bd. 17. 196. — « Galli-Valerio. Centralbl. f. Bakt. I. Abt., Bd. 26, 177. J899. — " G. Mayer, ebd., Bd. 28, 679. 1900. — i" M. Neisser. Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 24, 413, 1897. — h Bunge, Fortschr. d. Med.. Bd. 13. — i-' Marx ^ Woithe, Centralbl. f. Bakt., I. Abt.. Bd. 28. S. 1, 33. 65, 97. 1900. — « Ascoli. Deutsche med. Wochenschr., 1901, Nr. 20. — " Piorkowski, ref. Centralbl. f. Bakt., I. Abt.. Bd. 29, S. 63, 1901. III. Echte sporogene Köruclieii wurden früher meist mit den Babes- ERNSTSchen metachromatischen Körperchen zusammenge^Yorfeu ; Bunge i bewies die Verschiedenheit beider Arten von Granulationen, indem die BABES-ERNSTSchen Körperchen durch kochendes Methylenblau zerstört werden, die echten Sporenvorstufen hingegen sich färl)en; die letzteren zeigen auch bereits die für die fertige Spore charakteristische Eigen- schaft eines außerordentlich großen Widerstandes gegen Färbung und Entfärbung (Säurefestigkeit). Die Resultate Bunges wurden durch Marx und Woithe'- und Marx ' bestätigt. Neuerdings hat Kr(jmpecher-^'' beim Milzbrandbacillus bei Färbung mit Karbolmethylenblau metachro- matisch rot sich färbende Körnchen konstatiert, die sich sowohl von den BABES-ERNSTSchen als auch von den BuxGESchen Körperchen unter- scheiden und von denen es unentschieden ist, ob sie zur Sporenbildung in Beziehung stehen oder ob sie nicht vielmehr mit den durch die RoMANOwsKische Färbung nachweisbaren keruähnlichen Gebilden (s. oben) in Parallele zu stellen sind. Der feinere Mecbauismus der Sporenbildung ist nach Mühlschlegel^ (daselbst Litteratur!) der folgende: Die sporogenen Körnchen treten zuerst in Form einer feinen Puderung oder maschenartigen Struktur des Protoplasma auf, aus der sieh dann entweder ein oder mehrere sporogene Körnchen heraus diflferenziereu. Früher glaubte man nun, dass aus diesen Körnchen allein durch AVachstum, bezw. Znsammenfließen mehrerer die Spore entsteht." Die Sache liegt jedoch komplizierter; nach den Beobachtungen Mühlschlegel's, die neuerdings von Nakanishi^ und Ascoli'' durch Beobachtungen am Milzbrand- bacillus bestätigt sind, entsteht die fertige Spore durch Wechselwirkung und Ver- schmelzung der sporogenen Körnchen mit dem Protoplasma, wahrscheinlich unter Mitwirkung des Kerns. Nach Mühlschlegel und Ascoli entsteht, nach dem Auftreten der Kügelchen, ein grauer Fleck im Plasma, um den sich die Kügelchen zusammendrängen und mit dem sie verschmelzen; Nakanishi will direkt die Verschmelzung der Kügelchen mit dem Kern konstatiert haben. Die Vereinigung und Umwandlung der Substanz der Kügelchen und des Protoplasmas zur definitiven Spore lässt sich färberisch direkt nachweisen; während dieses Uebergangsstadiums uimmt nämlich die Sporenaulage bei der gewöhnlichen Sporendoppelfärbung weder eine rein rote, noch eine rein blaue Farbe, sondern eine mittlere violettrote Nuance an. Die Sporenbildung geht von innen nach außen vor sich und endigt mit der Bildung der Sporenmembran. Litteratur. 1 Bunge, Fortschr. d. Medicin, Bd. 13. — ^ Marx & Woithe, Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 28, S. 3. 1900. — -^ Marx, ebd.. Bd. 29, S. 11, 1901. — 3a Krom- pecher, ebd, I. Abt.. Bd. 30, Nr. 10/11. 1901. — 4 Mühlschlegel, ebd.. IL Abt., Bd. 6, Nr. 3/9, 1900. — '^ Nakanisiil Miinchener med. Wochenschr.. 1900, Nr. 20. — 6 Ascoli, Deutsche med. Wochenschr., 1901. Nr. 20. Allgemeine Morphologie und Biologie n. s. w. 51 IV. Plasma uiul Meml)raii. Xach dem Vorgaug- Zettnows (vgl. oben S. 15) unterscheiden wir Ento- und Ektoplasma. von denen ersteres in dem nach den gewöhnlichen Färbungsmethoden darstellbaren Bakte- ricnleib mehr oder minder innig mit der Kernsubstanz gemischt oder auch polar angeordnet ist, und sich nach der Ivc^MAXowsKischen Me- thode blau färbt, — während das Ektoplasma ungefärbt bleibt und erst nach besonderer Vorbehandlung in Gestalt von Hülle und Geißeln zum Vorschein kommt (wovon in den beiden folgenden Abschnitten . Nach der oS'AKANiSHischen Methode zeigt sich stets das Ektoplasma stärker gefärbt als das Entoplasma; beide Schichten sind nicht scharf gegen einander abgegrenzt. Das Ektoplasma macht einen quantitativ nicht zu unterschätzenden Bestandteil der Bakterienzelle aus und wird z. B. für gewisse mit sehr vielen Geißeln versehenen Proteusarten, von Zettnow auf mindestens die Hälfte des gesamten Zellleibs geschätzt. Das Ektoplasma stellt eine relativ wasserarme und kouzentriertere Sub- stanz dar als das Entoplasma, wie aus seiner größeren Widerstands- fähigkeit gegen Färbung, Plasmolyse und zerstörende Einwirkungen hervorgeht; auch mag hier nochmals daran erinnert werden, dass Zer- fall des Bakterienleibes innerhalb der Kapsel beobachtet wird. An der Grenzschicht zwischen Inneukörper und Ektoplasma stellt das letztere jedenfalls schon au sich, infolge seiner chemischen Differen- zierung, eine genügend feste Begrenzuugsschicht dar, die ein Zurück- weichen des Inneukörpers und das Zustandekommen plasmolytischer Erscheinungen erklären kann. Ob diese Grenzschicht als besondere Zellmembran diöerenziert ist, erscheint fast mehr als ein Streit um Worte. Jedenfalls ist an eine Cellulosemembran, wie sie den Pflanzenzellen zukommt, nicht zu denken; Zettxow^ betont mit Eecht, dass die Widerstandslähigkeit der Bakterien gegenüber Alkalien nicht, wie CoHX- früher glaubte, auf eine Cellulosemembran zurückgeführt werden könne, indem er an zerquetschten großen Spirillen fest- stellte, dass gerade der grobkörnige Inhalt die größte Widerstandskraft zeigte. Im übrigen scheint die Ausbildung einer solchen Membran bei verschiedenen Bakterien sehr verschieden zu sein; während z. B. Zettxow an großen Spirillen bei Wiederholung der A. FiscHEKSchen plasmolytischen Versuche, an den Stelleu, wo der Protoplast sich kontrahiert hatte, nichts von einer freigewordenen Membran sehen konnte, gelang dies sehr wohl L. Heim* am Bac. cyauogenes, wo nach Plasmolysierung mit Karbol- säure die Membran in Form eines feinen Kontur deutlich zu sehen war. Auch spricht das von Kruse ^ betonte Vorkommen sog. »Schatten«, d. h. leerer, scharf konturierter Zellen in absterbenden Kulturen für das Vorhandensein einer Membran, die auch nach Austritt des Protoplasma die äußere Form des Bakterium konserviert; desgleichen ist die Membran deutlich zur Anschauung zu bringen bei den durch Einwirkung der Pyo- cyanose aufgequollenen Milzbrandbazillen (Emmerich und Saida^> Bei manchen Bakterien, z. B. Milzbraudbazillen und Sta])hylokokken ist nach Nakaxishi'' die Meml)ran stark entwickelt; beim Tuberkelbacillus besteht sie sogar aus ganz besonders widerstandsfähigem Material und enthält fett- und wachsartige Substanzen eingelagert. — Litteratur. 1 Zettnow, Zeitschr. f. Uyg.. Bd. 24. 74. 1897. — -' Cohx. Beitr. z. Biologie d. Pflanzen, 1875, S. 138. — -^ L. Heim. Arbeiten a. d. Kais. Gesundheitsamt. Bd. 5. ■i* 52 E. Gotschlich, S. 520. — * Kruse, in Flügges --Mikroorganismen«, I. 70. 18Ö0. — ■'• Emmerich & ^AiDA, C. f. Bakt.. I. Abt., Bd. 27, 776, UJOO. — <■ Nakanishi, Münchener med. Wochenschr. , 190O, Ö. 187. V. Kapseln, d. li. schleimige Hüllen, die im gefärbten Präparat den intensiv gefärbten Bakterienleib in Gestalt eines hellen Hofes um- geben, zuweilen auch einer schwachen Färbung oder einer Doppel- färbung zugänglich erscheinen, sind bei einer ganzen Keihe von Bakterien nachgewiesen. In manchen Fällen, wo sie besonders konstant und schön entwickelt zur Beobachtung gelangen, haben sie zur Nomenklatur des betr. Bakteriums beigetragen, so beim FRÄNKELSchen Diplococcus pneumoniae, beim FiiiEDLÄNDERSchen Pueumoniebacillus, beim Pfeiffer- schen Kapselbacillus u. s. w. Bei Bakterien, die charakteristische AVachs- tumsverbände bilden, ist der Verband in toto von der Kapsel umschlossen (so beim Diplococc. pneumoniae, Micrococc. tetragenus u. s. w.). Liegen zahlreiche Bakterien in einer gemeinsamen Schleimhülle umschlossen, so spricht man von Zooglöen. Bei verschiedenen Bakterien, die bei der gewöhnlichen Färbung nur in- konstante und wenig entwickelte Kapseln zeigen, führen oft besondere Ver- fahren zum Ziele. So konnte Noetzel ^ durch Behandlung mit verdünnter Kalilauge Kapseln an Staphylo- und Streptokokken darstellen (au letzteren übri- gens auch schon von PASCiUALE^ nachgewiesen). So gelang die Darstellung von Kapseln mittelst der LöFFLER'schen Geißelfiirbuug Zettnow'^ am Pestbacillus, Bunge ^ am Typhusbacillus, sowie Proteus- und Koliarten; überhaupt erscheint der Körper aller Bakterien, nach diesem Verfahren gefärbt, viel dicker als nach den gewöhnlichen Färbungsmethoden. An Tuberkel- und Leprabazilleu konnte Unna^ (durch ein ziemlich eingreifendes Verfahren, bei dem Kunst- produkte nicht völlig ausgeschlossen erseheinen) den Inneugehalt der Bazillen in Gestalt dunkelblauer Körner in eine hellrote Hülle eingebettet darstellen (Coccothrix-Form); übrigens ist das Vorhandensein einer Hülle bei Tuberkel- bazillen schou dadurch erwiesen, dass dieselben bei Färbung mit Methylenblau schlanker erscheinen als mit Fuchsin oder Violett gefärbt; im ersteren Falle bleibt die Hülle ungefärbt und stoßen daher auch in Reinkulturen die Tuberkel- bazillen nicht mit ihren gefärbten Leibern, sondern mit ungefärbt bleibenden Konturen aneinander. Besondere diflerential-diagnostische Bedeutung hat die Kapsel des Milzbrandbacillus erlangt, indem dieselbe nach Johne in typischer Weise gefärbt, in gleicher oder auch nur ähnlicher Weise bei den im Blute gefallener Tiere vorkommenden, milzbrandäbnlichen »Kadaverbazillen« vor- kommt; die Kapsel des Milzbrandbacillus wurde zuerst von Serafixi" ge- sehen und dann von Johne ^, Klett^, Kaufmann'', Olt ^**, HeimI^ mittelst verschiedener Doppelfärbuugs -Verfahren zur Anschauung gebracht (vgl. spe- ziellen Teil). Bei fast allen genannten Bakterienarten gelang die Darstellung der Kapsel nur im Tierkörper, bezw. in tierischen Se- und Exkreten; in künst- lichen Kulturen gelang der Nachweis früher relativ selten, so z. B. Paulsen '^ in Milchkulturen, Kern ' '^ beim Milchbrandbacillus in älteren Kulturen. Erst J. Boni^* erfand eine Methode, welche die Darstellung von Kapseln bei Züchtung auf allen gewöhnlichen Nährböden gestattete; selbst an Bakterienarten, bei denen bisher noch keine Kapsel darstellbar gewesen war (Diphtherie- und Rotzbazillen, Vibrionen) eine solche zur Erscheinung brachte; die Methode besteht einfach in Aufschwemmung des Kulturmaterials in einer Glycerin-Ei- weißlösung mit nachträglicher Karbolfuchsinfärbung. Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 53 Die Kapsel entstellt durch Aufquclluiig-, Vergallertunf;- des Ektoplasma ; in geringem Grade ist sie wahrsclieinlicli bei allen Bakterienarteu vor- handen (Migulais); die Thatsache. dass sie hei gewissen Arten quan- titativ stärker entwickelt ist und deutlich sichtbar wird, lässt sich in ver- schiedener Weise deuten. Babes^^ glaubt darin eine Art von Scliutz- wirkung unter ungünstigen Ernährungsverhältnissen zu sehen, während PaneI" darin vielmehr einen degenerativen Prozess erkennt; er stützt sich hierbei auf Beobachtungen an Pneumokokken, l)ei denen im Lungen- auswurf die Kapseln im akutesten Stadium der Krankheit selten oder gar nicht zu beobachten sind und erst in den späteren Stadien reichlich auftreten; ferner fand er, dass bei Konservierung des Blutes an Pneumo- kokken-Sepsis verendeter Kaninchen, die anfangs geringe Anzahl der Kapseln bis zum zehnten Tag eine kontinuierliche Zunahme erfährt. In gewissen Kulturen (peptonisierende Bakterien, Pestbacillus) ist die Bildung einer schleimigen Int erzellular Substanz auch makro- skopisch zu konstatieren, indem die Kulturmasse außerordentlich viskos und fadenzieheud erscheint; in solchen Fällen ist die Interzellularsub- stanz Avohl nicht bloß als Stolfwechselprodukt aufzufassen, sondern geht aus den, besonders in nicht mehr ganz jungen Kulturen äußerst zahl- reichen, abgestorbenen Individuen hervor. Eine analoge Entstehung, durch Verquellung und Verschmelzung abgestorbener Bacillen selbst hat Unxa^i für den sog. Lepraschleim im menschlichen CTewel)e nachzuweisen ver- mocht. Ein ganz eigenartige feine netzartige Struktur der Interzellular- substanz, die in der Nähe der Bakterienleiber oft große Aehnlichkeit mit Geißelbildungen hat, ist neuerdings beim Milzbrandbacillus von Hintek- bekgeriö beschrieben. Litter«atur. 1 NOETZEL, Fortsein-, d. Medicin, Bd. 14, 41. — -' Pasquale, Zieglers Beiträge z. path. Anat., Bd. 12, 433. — ■'' Zettnow, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 21. S. 165. 18%. — 4 Bunge. Fortschr. d. :Med.. Bd. 12, 462. — 5 Unn.^, Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 3, 97. 1S88. — c Serafini, ref. Baumgartens Jahresber.. 1888, 102. — ' Johne. Deutsche Zeitschr. f. Tiermedicin. Bd. 19. 244. — « Klett, Inaug.-Diss. Giei3en 1894: ref. Baumgartens Jahresber.. 1894. 128. — '' Kaufmann, HAg. Rundschau, 8. 873. 1S9S. - 10 Olt, ref. Centralbl. f. Bakt.. I. Abt., Bd. 26, 157, "1899. n Heim. Archiv f. Hyg.. Bd. 40, S. 55, 1901. — i-' Paulsen, Centralbl. f. Bakt.. I. Abt.. Bd. 14, 252, 1893. — « Kern, ebd., Bd. 22, 166. 1897. — i* J. BoNi, ebd., Bd. 28, 705, 1900; Münchener med. Wochenschr., 1900, Nr. 37. — iJ Migula, Deutsche tier- ärztl. Wochenschr., 1896, 8. 28. — i'> Babes, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 20, 412. 1895. — 1' Pane, Centralbl. f. Bakt.. I. Abt., Bd. 24, 289, 1898. — i« Unna, ref Baumgartens Jahresber.. 1897, 471. — i'' Hinterbergek, Centralbl. f. Bakt., 1. Abt., Bd. 30, 417, 1901. VI. (Teifselu. die Bewegungsorgane der Bakterien, wurden zuerst von F. CoHNi und K. Koch^ an großen Spirillen in ungefärbtem Zustand gesehen; eine allgemein brauchbare Färbungsmethode, mittelst deren die Geißeln aller, auch der kleinsten, eigenbeweglichen Bakterien dar- gestellt werden können, gab zuerst Löfeler-^ an; ihr Wesen besteht darin, dass die oöeubar ganz eigenartig beschaffene, stark konzentrierte und sehr schwierig färbbare Substanz der Geißeln zunächst einem Beizungsprozess unterworfen wird, worauf sie der Färbung sich als zu- gänglich erweist. Betreffs der technischen Einzelheiten sowie aller späteren Geißelfärbungsverfahren vgl. den Abschnitt »Methodik«. Nur eines dieser Verfahren mag seines theoretisclien Interesses halber hier kurz erwähnt werden, die Darstellung der Geißeln durch Versilberung, nach VAX Ermexgem^, modifiziert von niXTERBER(iER\ eine Methode, welche 54 E. Gotschlich, mit gewissen photographischen Verfahren große Aehnlichkeit besitzt. Es handelt sich bei diesem Verfahren nicht einfach um Silberniederschläge auf Bakterien und Geißeln, sondern um eine echte chemische Verbindung (mög- licherweise kolloidales Silber], wobei insbesondere der Bakterienkörper und die Geißeln eine verschiedene mikrochemische Reaktion zeigen (Beweis für die chemische Verschiedenheit des Ektoplasma vom Bakterienkörper!); die Geißeln erscheinen grauschAvarz gefärbt, der Bakterienkörper orange bis dunkel- braun; auch entfärbt sich der Bakterienkörper im Goldbad viel stärker als die Geißeln, deren Substanz offenbar eine besonders starke Affinität zum Silber hat. Die gefärbten Geißeln erseheinen als außerordentlich zarte, lange (stets den Dickendurchmesser des Bakteriums in ihrer Länge um ein Vielfaches übertreffende) wellenförmig gekrümmte Fäden, die außen stumpfenden, oft sogar mit etwas verdickten Enden. In manchen Kulturen (besonders des Rauschbrand- und Tetanusbacillus) vereinigen sich die von den Bak- terien losgerissenen Geißeln zu größeren zopfartigen Gebilden (Geißel- zöpfen), die an Größe den einzelnen Bacillus ganz erbeblich über- treffen und zuweilen selbst in ungefärbtem Zustand siclitbar sind 'Löffleh', Novy'', Kanthack u. Connell', Sakharüff"''). Zahl und Anordnung der Geißeln ist bei den einzelnen Bakterienarten ver- schieden und bei jeder einzelnen ziemlich konstant; Messea* stellt hiernach folgende Typen auf: Atricha; geißellose, unbewegliche Bakterien (z. B. Milzbrandbacillus). Monotricha; eine einzige Geißel au einem Pol (Choleravibrio). Amphitricha; eine Geißel an je einem Pole (manche Vibrionen). Lophotricha; mit einem Geißelbüschel an einem Pol (große Spirillen). Peritricha; Geißeln in verschiedener Anzahl rings um den Bakterien- leib verteilt und auch von seinen Seiten entspringend (Typhusbacillus). Desgleichen hat A. Fischer '^•^ versucht, ein System aufzustellen, das den Verhältnissen der Geißeln und der Sporenbildnug gleichzeitig Rechnung trägt. Doch macht Ferrier'^ auf Unregelmäßigkeiten bei der gleichen Art aufmerksam, so dass an eine strenge Durchführung solcher Systeme nicht zu denken ist. — Die Geißeln stellen, wie schon mehrfach betont, die äußerste, besonders differenzierte Schicht des Ektoplasma dar: ihr direkter Ursprung von der Hülle bezw. Kapsel der Bakterien ist mehrfach direkt beobachtet worden, so von BüTSCHLii", Bunge 11, Zettnow^^ und Hinterberger -^ Bei großen Spirillen konstatierte Zettnow überdies, dass das Plasma an den Polen augehäuft ist und hier mit dem Geißelbüschel in direkter Verbindung steht. Eine Schwie- rigkeit in der Annahme der Insertion der Geißeln an der BakterieuhüUe be- stand nur solange, als man sich diese letztere unter dem Bilde einer starren Cellulosemembran vorstellte; wo eine solche vorhanden wäre, müsste sie offen- bar von den Geißeln durchbrochen werden, was Trenkmann '^ direkt be- obachtet zu haben glaubt und auch A. Fischer auf Grund des Verhaltens bei der Plasmoptyse annimmt. — Auf festem Nährboden, wo die Bakterien ganz dicht an einander gelagert sind, bleiben jedenfalls die Geißeln dicht an die äußere Grenze des Ektoplasma angeschmiegt und entfalten sich erst in flüssigen Medien. Wahrscheinlich sind die Geißeln ersetzbar. Litteratur. 1 F. COHN, Beiträge z. Biologie d. Pflanzen, 1875. 1. 2. — - R. Koch, ebd., 2, 3, 1877. — -^ LÖFFLER, Centralbl. f. Bakt.. I. Abt., Bd. 7, 20, 1890. — 4 van Er- MENGEM, ref. ebd., Bd. 15, 969, 1894. — ■> Hinterberger, ebd.. Bd. 27, 597. IWO. Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 55 — ^ NovY. Zeitschr. f. Hyc'. u. Inf., Bd. 17, 2. — " Kanthack & Connell. ref. Baumgartens Jahresber., 1897, 225. — '"- Sakharoff. Ann. de linst. Pasteur, 1893, 550. — « Messea, zitiert nach Kruse, in Flügges »Mikroorganismen*. 3. Aufl., Bd. I, S. 65, 1896. — ^a \_ Fischer, Jahrbücher f. wissenschaftl. Botanik, Bd. 27, Nr. 1. — 9 Ferrier, Archives de med. experiment., iorae 7. Nr. 1. — i" Bütschu, Bau d. Bakterien, Leipzig 1890. — ii Bunge, ref. Baumgartens Jahresber., 1894, 445. — '2 Zettxow, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf.. Bd. 24. S. 72. 1897. — « Trenkmann, Centralbl. f. Bakt.. I. Abt., Bd. 8. 381, 1890. Allgemeiue Biologie. I. Absclmitt. Keine oder experimentelle Biologie. C. Physikalisches Verhalten des Zellleibes der pathogenen Bakterien. I. Lichtbrechiiiigsverhältuisse. Die vegetativen Formen der pathogenen Bakterien zeigen, unter normalen Bedingungen, ein nur mäßiges Liclitbrechungs- vermögeu: die Sporen hingegen sind durch starke Lichtbrechung und inten- siven, fetttropfeuartigen Glanz (oft etwas ins Grünliche spielend) ausgezeichnet. Der schmale hellere Saum, der bei scharfer Einstellung des Mikroskops um jedes einzelne Individuum sichtbar wird, ist nicht etwa der Ausdruck einer Kapsel oder Hülle, sondern entsteht auf rein optischem Wege und ist in ganz ähnlicher Weise auch an unorganisierten kleinsten Körperchen wahrnehmbar. Im Gegenteil fand Klett^ beim Milzbrandbacillus die Plasmahülle dunkel, also von geringerer Lichtbrechung, gegenüber den darin eingebetteten helleren einzelnen Ba- zillen. Die Zellmembran jedes einzelneu Milzbrandbacillus ist nach A. Flschek- stärker lichtbrechend als das Zellinnere; selbst in reinem Acid. carbol. lique- fact. (Di5 = 1,55), wo infolge des hohen Brechungsindex des Mediums das Zellinnere vollständig ausgelöscht erscheint und wo zartere Objekte (wie Cholera- und Typhusbazillen) aus dem gleichen Grunde vollständig unsichtbar bleiben, sind doch die Membraukonturen des Milzbrandbacillus deutlich sicht- bar. (Nach Amaxn^ enthält die Zellmembran des Milzbrandbacillus doppelt- brechende Elemente, wie sich aus dem pleochroitischen Verhalten gefär))ter Präparate in polarisiertem Licht ergiebt.) Die Substanz der Geißeln muss gleichfalls durch höheres Lichtbreclmngsvermögen ausgezeichnet sein; Günther-* gelang es zuweilen bei großen Spirillen, die Geißeln im lebenden Zustand. im hängenden Tropfen zu sehen. — IL Osmotische Verhältuisse (^Plasmolyse imd Plasmoptyse). Im Inneren des Zellleibes lierrsclit ein von der Natur und Konzentration der gelösten Störte abhäng-iger osmotischer Druck, der den Protoplasten an die Zellwand innig angeschmiegt erhält; unter normalen Verhält- nissen befindet sich dieser Innendruck (die Turgorkraft des Zellleibes) im Gleichgewicht mit dem von außen auf die Zellmembran wirkenden osmotischen Druck des äußeren Mediums. Langsame Veränderungen dieses Außendruckes (durch allmähliche Konzentrationsveränderung des Nährmediums) können ohne morphologische Veränderung des Protoplasten ausgeglichen werden, teils durch Diffusion, teils durch kompensatorische zelleigene Steigerung der Turgorkraft (durch Bildung osmotisch wirk- samer Stoffwechselprodukte, Säuren etc.). Bei starken und plötzlichen Ver- änderungen des osmotischen äußeren Druckes hingegen (insbesondere bei Uebertragung von einem Nährmedium auf ein anderes von gänzlich ab- 56 E. Gotschlich, weichender Konzentration) treten bemerkenswerte morphologische Ver- änderungen auf. a) Plasmolyse, d.h. das Zurückweichen des Protoplasten von der Membran unter g-lcichzeitig-er Kontraktion und Verdichtung- zu einem oder mehreren stärker lichtbrechenden Körpern, kommt unter dem Eiu- fluss wasserentziehender Mittel (8alzl(3sungen, Glvcerin) im äußeren Medium zustande. Vorbedingung ist dabei, dass die Membran »semi- permeabel«, d. h. für Wasser und den betr. gelösten Stoff in ungleichem Grade durchgängig ist; denn wenn das Salz mit gleicher Geschwindig- keit in das Zellinnere hinein diftundiert, wie das Wasser heraus, so steigt selbstverständlich auch der Inneudruck sehr rasch und das Gleich- gewicht ist wiederhergestellt, olme dass Plasmolyse zustande käme. Die einzelnen Bakterieuarten verhalten sich in dieser Beziehung verschiede- nen chemischen Stoßen gegenüber in sehr verschiedener Weise; so ist z. B. nach A. Fischer ^ (a. a. 0. S. 8) der Milzbrandbacillus durch '2% NaCl- Lösung überhaupt nicht plasmolysierbar, während Cholerabacillus, Typhus- bacillus, Pj'Ocyaneus in der gleichen Lösung sehr scharfe Plasmolyse zeigen. Dagegen zeigt der Milzbrandbacillus in lecithinhaltigen Medien (Podavyssotzki und TARANUCiiiiy •'^), sowie in Blutserum (Baumgakten '''j deutliche Plasmolyse. Unter sonst gleichen umständen werden die älteren Bakterienzellen leichter und stärker plasmolysiert als die jüngeren, was durch A. Fischer" bei Clostri- dium butyricum direkt nachgewiesen ist und sich durch Abnahme der Turgor- kraft der älteren Protoplasten erklärt. Hiermit stimmt auch die geringere Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Eintrocknen überein, welche die älteren plasmolysierten (»Polkörner« oder »Arthrosporen« enthaltenden) Individuen im Vergleich mit den jungen »körnerlosen« Formen zeigen: für Choleral)azillen von A. Neisser*^ und M. Ficker^, für Typhusbazillen von Büchner ^^ imd Pfuhl ' ' nachgewiesen. Bei gewissen Bakterienarten treten plasmolytische Erscheinungen ganz spontan ohne künstlichen Eingriff, mit großer Regel- mäßigkeit auf; auch hier sind es meist die jüngsten Individuen, die verschont bleiben. Hierher gehören die Polfärbung der Pestbazillen, der Hühnercholera- bazillen und verwandter Arten, die » Chromatinbanden « und farblosen Lücken bei Tuberkel-, Lepra- und Diphteriebazillen. Die Anordnung des kontrahierten Protoplasten erfolgt in diesen Fällen bei jeder Art mit einer gewissen Regel- mäßigkeit und hat dementsprechend differential- diagnostische Bedeutung. — Die Plasmolyse ist, als Reaktion des lebenden Protoplasten, nur bei lebenden Bakterien zu beobachten. Sie stellt zwar immer eine Läsion der Zelle dar, welche dieselbe für spätere schädliche Einwirkungen be- sonders empfindlich macht; jedoch bedeutet sie an und für sich keines- wegs die Abtötung des Bakteriums. Vielmehr kann sich der kontrahierte Protoplast wieder ausdehnen und an die Zell wand anlegen, sowohl durch Auswaschen der Salze aus dem umgebenden Medium (wonach die Bakterieuzelle sogleich wieder zu einer neuen Plasmolyse befähigt ist), als auch bei längerem Verweilen in der i)lasmolysierenden Salzlösung, indem dann allmählich auch das Salz in das Innere des Zelleibes dif- fundiert und den Innendruck steigert. So fand A. Fischer 12 beim Cholera- und Typhusbacillus vollständigen Rückgang der Plasmolyse beim längeren Verweilen in KNO3-, NaCl-, NH4CI- und Rohrzuckerlösungen; in konzentrierteren Lösungen erfolgte der Rückgang, der raschern Diffusion entsprechend, in kürzerer Zeit, oft schon nach wenigen Minuten. Auch hier zeigt sich wieder, dass das Bakterienplasma für ver- Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 57 schiedeue Stoöe in sehr ungleicliem Maße permeabel ist: so dringen z. B. nach A. Fischer ^^ Osmiumsäure, Sublimat und 2i) % Alkohol sehr schwer ein, weshalb eine Fixierung plasmolysierter Bakterien durch diese Reagentien nicht möglich ist: dagegen dringen Milchsäure und Glycerin fast augen- blicklich ein. Die Geißeln werden ausnahmslos erst durch weit konzentriertere Lösungen plasmolysiert als die Leibessubstauz der Bakterien: auch ihre Plasmolyse kann durch längeres A'erweilen in der wasserentziehendeu Lösung rückgängig gemacht werden und so die zuerst sistierte Eigenbewegung wieder beginnen. Die Substanz der Geißeln ist also wasserärmer und konzentrierter als das Zellplasma. Deshalb ist auch die Schädigung der Eigenbewegung in Salz- lösungen nicht als Lidikator für die eingetretene Plasmolyse und die osmotische Spannung des Zellplasmas zu verwenden, wie dies Wladimiroff ' ^ wollte. Käheres darüber vgl. Flügges »Mikroorganismen« 3. Aufl. Bd. I, S. 91. b) Plasmoptyse, die Ausstoßung (»Ausspeiuiig-«) des Zellplasmas aus der Zellmembran, kommt durch starke Erhöhung- des Innendruckes im Zellleib gegenüber dem osmotischen Druck des Mediums zustande und stellt also das gerade Gegenteil der Plasmolyse dar. Diese Er- scheinung ist erst in neuester Zeit von A. Fischer^ in ihrem Wesen erkannt und eingehend beschrieben worden. Das Phänomen beginnt, unter den noch zu besprechenden Versuchsbedingungen, mit einer Auf- blähung der Bakterien, infolge des gesteigerten Innendruckes; dann tritt das Plasma in Form eines, dem Bacillus anliegenden, kleinen glänzenden Kügelchen aus, das sich durch Quellung langsam vergrößert. Für geißel- tragende Bakterien nimmt A. Fischer an, dass die Durchtrittsstelle der Geißel durch die Membran, als locus minoris resistentiae, eine Prädilektions- stelle für den Plasmaaustritt abgebe; beim Cholerabacillus erfolgt derselbe stets polar, wodurch sonderbare Bilder von köpfchentragenden Bazillen entstehen. Nach einiger Zeit lösen sich die Plasmakügelchen von den Bazillen ab und schwimmen frei, in zitternder Molekularbewegung, umher. Die Plasmoptyse kommt nach A. Fischer 2 unter folgenden beiden Hauptbedingungen zustande : 1) Beim plötzlichen Uebergang aus einem salzreichen in ein salzarmes Medium, z. B. aus 2 % NaCl Lösung in Wasser. Die Bazillen haben in dem salzreichen Medium starke Mengen von Salz in ihr Protoplasma aufgenommen und stehen daher unter hohem osmotischen Innendruck ; sinkt nun der Außen- druck, der bisher mit dem inneren Druck im Gleichgewicht war, plötzlich auf Null, so platzt die Zelle. Begreiflicherweise tritt die Plasmoptyse im Wasser um so schneller ein, je längere Zeit die Bakterien vorher in der konzentrierten Salzlösung verweilt haben. Die zeitlichen Verhältnisse des Vorganges be- weisen, dass die Exosmose aus dem Protoplasten viel langsamer erfolgen muss als die Endosmose. 2; Sehr merkwürdiger Weise tritt nun aber Plasmoptyse auch bei uebergang aus schwachen Salzlösungen in konzentriertere (aus 0,75 % in 2% NaCl), bei längerem Verweilen in der letzteren ein, nachem eventuell (z. B. beim Choleravibrio) Plasmolyse vorangegangen und wieder ausgeglichen ist. Diese Erscheinung steht auf den ersten Blick in Widerspruch mit den osmotischen Gesetzen, indem nicht einzusehen ist, wie unter diesen Versuchs- bedingungen der osmotische Druck im Innern des ZellleÜK'S durch blor)e Difl'usion höher werden kann als der Außendruck. A. FisciiEU- (a. a. 0. p. 28 ff.) sucht dafür folgende Erklärung zu geben, auf der Beobachtung fußend, dass nur cvlindrisch geformte Bakterien zu dieser Erscheinung dis- 58 E. Gotschlich, poniert sind, während Kugelformen fast völlig verschont bleiben: Cylindrisch geformte Bakterien bieten, im Vergleich mit Kugelbakterien, im Verhältnis zum gleichen Volumen eine bei weitem größere Oberfläche dar; die Diflusion erfolgt also rascher und der Druck im Innern des Zellleibes steigt rapider. Diese Bemerkung vermag nun sehr wohl den beobachteten Unterschied im Verhalten von Kokken und Bazillen zu erklären, aber sie ist ganz unfähig darzuthun, wie es denn üljerhaupt möglich ist, dass der Innendruck unter diesen Verhältnissen jemals über den Außendruck steigt; die Vergrößerung der der Diflusion dargebotenen Oberfläche kann nur die Geschwindigkeit steigern, mit der im Zellleib derselbe maximale Druck erreicht wird, wie im äußeren Medium; aber niemals kann durch bloße Diflusion, und mag die Difl'usionsfläche noch so sehr vergrößert werden, ein höherer Innendruck resul- tieren, als der Salzkonzentration des äußeren Mediums entspricht. Ganz un- erklärlich bliebe hiernach auch die von A. Fischer selbst konstatierte That- sache, das Piasmop tyse eintreten kann, trotzdem an der gleichen Zelle noch Plasmolyse fortbesteht. Ich glaube, dass die von A. Fischer be- schriebene »Plasmoptyse bei Uebergang in konzentriertere Lösungen« nur unter Annahme einer abnormen zelleigenen Turgorsteigerung des Protoplasten erklärt werden kann, Avobei die hohe Salzkonzentration im Zellleib wahrschein- lich als Reiz wirkt. Bemerkenswert hierfür ist auch, dass von Lixgels- heimI^ starke Plasmoptyse auch in sehr salzarmer (0,05^) Bouillon in älteren Cholerakulturen auftreten sah; wahrscheinlich waren hier, wie in den Versuchen von E.abierich und Saida*^^, deren Versuche über Bakterienauf- lösung durch Pyocyanase gleichfalls an Plasmoptyse erinnern, fermentartige Körper im Spiel. — Bei Anwesenheit von geeignetem Nährmaterial verfallen die Bakterien weniger leicht der Plasmoptyse; schon 1% Pepton genügt, um dieselbe voll- ständig hintanzuhalten. In welcher Weise dieser »kräftigende« Einfluss der Ernährung zu denken ist, ob durch Verstärkung der Zellmembran oder Ver- änderung ihrer Permeabilität, ist vorläufig nicht festzustellen. — Ueberhaupt zerfallen auch unter den ungünstigsten Umständen, selbst bei starker Plasmo- ptyse, nie alle Bakterien; ein bestimmter Bruchteil (in A. Fischers Ver- suchen etwa die Hälfte) der Bakterien bleibt intakt. Es findet also eine osmotische Selektion statt, wobei sicherlich sehr verschiedene Momente (vor allem wohl das Alter) für die verschiedene Widerstandsfähigkeit der einzelnen Individuen mitbestimmend wirken. Nach VON Lingelsheim ^^ (a. a. 0. S. 144) findet auch eine allmähliche Anpassung an andere, der betr. Bak- terienart früher ungewohnte Salzkonzentrationeu statt. Jedenfalls ist die Plasmoptyse als eine weit schwerere Läsion der Bakterienzelle anzusehen, als die Plasmolyse, weil bei ersterer der aus- gestoßeue nackte Protoplast, jeglichen Schutzes bar, den destruktiven Einflüssen des Mediums preisgegeben ist, und, wie sich durch Be- obachtung direkt feststellen lässt, durch Quellung allmählich völlig zer- stört und aufgelöst wird. Werden jedoch die ausgestoßeuen Protoplasten wieder unter günstige Ernährungsbedingungeu gebracht, so ist es wahr- scheinlich, dass ein Teil derselben durch Membranbilduug wieder sich zu normalen Bakterienzellen regenerieren kann. Dafür spricht die Thatsache, dass die sonderbaren »körnigen« Degenerationsprodukte der Cholerabazillen beim PPEiFFER'schen Phänomen, sowie der Pestbazillen in Bubonen, (bei deren Entstehung, wenigstens in den ersten Phasen, die Plasmoptyse wahrscheinlich eine Rolle spielt; vgl. unten), eine Zeit- lang ihre Lelaens- und Regenerationsfähigkeit in Kulturen behalten. — Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 59 Diese eingehende Behandlung der osmotischen Verhältnisse möge mit der praktischen Bedeutung entschuldigt werden, welche diese Tliatsaeheu neuerdings für eminent wichtige Fragen der Lehre von den i)athogenen Bakterien erlangt haben. So Avirft von Lingelsheim i' mit Recht die Frage auf, ob denn der übliche Salzgehalt (0,5 %) der Nährmedieu nicht zu hoch gegriffen sei ; im infizierten Organismus, zumal in den Gewebs- spalten, wo die Salze zum großen Teil in osmotisch unwirksamer Weise gebunden sind, stehen die pathogenen Bakterien gewiss unter niedrigerem osmotischem Druck. Bei Uebertragung auf das salzreichere Xährsubstrat können sich nun Schwierigkeiten für diejenigen Bakterien ergeben, die, ihrem Chemismus gemäß, nicht in der Lage sind, durch schnelle Pro- duktion osmotisch wirksamer Stoffe ihren Turgor zu steigern. Hierher gehören nach von Lingelsheim z. B. die Tuberkelbazillen mit ihrem starken Gehalt an osmotisch unwirksamen Material (Fette und Wachs); es ist in der That auffallend, dass diese in ihrer Ernährung sonst relativ anspruchslosen Bazillen so schlecht auf den gewöhnlichen glycerinfreien Nährböden fortkommen, und Autor glaubt den günstigen Eiufluss des Glycerins darin zu finden, dass es bei seiner großen Penetrationsfähig- keit rasch das osmotische Gleichgewicht herstellt. Eine ganz besondere Berücksichtigung beanspruchen die osmotischen Verhältnisse, nachdem von Baumgarten*', Walz^'' und A. Fischer-^ ver- sucht worden ist, die baktericide Wirkung des Serums durch rein os- motische Störungen zu erklären. Es ist ja nun ohne Zweifel, dass der Bakterienzerfall im Serum teilweise unter dem Bilde osmotischer Störungen erfolgt; auch lassen selbst die von gegnerischer Seite ganz unbefangen gegebenen Beschreibungen und Abbildungen (vgl. z. B. Rosatzin^'', Radzievski 1^) ganz unzweideutig Plasmolyse und Plasmoptyse erkennen. Aber, wie von Lingelsheim ^^ mit Recht betont, sind es nur die ersten Phasen des Prozesses, in denen Uebereinstimmung zwischen den Vor- gängen in Salzlösungen und im Blutserum besteht; dann verschärfen sich die Gegensätze immer mehr. Auch muss nochmals daran erinnert werden, dass die osmotischen Störungen nicht gleichbedeutend mit Ab- tötung sind; es genügt also in vergleichenden Versuchen mit Blutserum und Salzlösungen nicht, sich auf die mikroskopische Untersuchung zu beschränken; unbedingt muss auch die Lebensfähigkeit der so veränderten Formen auf kulturellem Wege geprüft werden. Ein Vergleich zwischen der baktericiden Wirkung von Serum und isotonischer Salzlösung ergiebt aber nach von Lingelsheim ganz unzweideutig, dass die Serumwirkuug sich nicht auf osmotische Störungen zurückführen lässt; auch ist der Einwand Baumgartens, dass bei Uebertragung der Mikroben aus dem Serum auf das salzärmere Kulturmaterial massenhaftes Absterben durch Plasmoptyse eintrete, nach Klimoffs^'' Versuchen als widerlegt zu er- achten. Ferner hat von Lingelsheiji gezeigt, dass die baktericide Wirkung des Serums, weit entfernt durch Salzzusatz oder Einengung der Fltissigkeitsmenge gesteigert zu werden, wie es nach der osmotischen Theorie der Fall sein müsste, durch diese Eingriffe eine erhebliche Ein- buße erleidet. Endlich ist durch Hegeler i''^ und Tkommsdouf^" erwiesen, dass die baktericide Wirkung des aktiven Serums auch unter Versuchs- bedingungen eintritt, wo jede osmotische Störung absolut ausge- schlossen ist. — HL Eigeubewegung findet sich besonders häufig bei Spirillen und Vibrionen, ferner bei vielen Bazillen und bei einigen Kokken und Sar- 60 E. Gotscblich, einen. Das Vorhandensein oder Fehlen der Eigenbewegung bildet ein sehr konstantes und differential-diagnostisch wichtiges Merkmal. Jedoch hat Preisz-''^" am Bacillus der Pseudotuberkulose der Nagetiere nachge- wiesen, dass einzelne Individuen der gleichen Kultur Eigenbewegung besaßen, während andere völlig unbeweglich waren. In zweifelhaften Fällen ist es nicht immer leicht, die Frage zu entscheiden, ob ein gegebenes Pjakterium eigenbeweglich ist oder nicht; so war es in den letzten Jahren eine vielumstrittene Frage, ob der Pestbacillus mit Lokomotion begabt sei oder nicht, eine Frage, die jetzt endgiltig in ne- gativem Sinne entschieden ist. Rätselhaft ist auch jetzt noch die Natur der Beweglichkeit der Tuberkel- bazillen bei der AuLOiNfi und CoußMOUTSchen Serumdiagnose der Tuber- kulose; während Bexdix'-'^ die Frage nach der Natur dieser Bewegung noch offen lässt, gelangt C. Fränkel^s zu dem Schlnss, dass es sich jedenfalls nicht um eine durch Geißeln vermittelte Lokomotion, sondern nur um eine aus allerdings unbekannten Gründen) außerordentlich gesteigerte »Molekiüai- bewegung« bandelt; diese letztere Deutung ist nicht ohne Analogie, da Pod- WYSSOTZKi und Taranuchin^ beim Milzbrandbacilhis ebenfalls unter außer- gewöhnlichen Bedingungen (auf Lecithiu-Nährboden) eine auffallend starke »Molekularbeweguug« des Bacillus innerhalb der PlasmabttUe konstatierten. In solchen zweifelhaften Fällen empfiehlt es sich, die Versuchs- bedingungen möglichst zu variieren, und insbesondere die Bakterien bei ihrem Temperaturoptimum und in zusagender Nährlösung (Bouillon) im hängenden Tropfen zu beobachten. Daneben ist natürlich auch der positive Ausfall der Geißelfärbung beweisend; auch hierbei hat man sich indessen vor fehlerhafter Deutung gewisser Bilder (Silbernieder- schläge!) in acht zu nehmen, wie ja gewisse Autoren auch beim Pest- bacillus fälschlicher Weise »Geißeln« nachgewiesen haben wollten. Art und Intensität der Bewegvmg ist bei verschiedenen Arten sehr ver- schieden; neben Ortsveränderung findet sich oft noch Biegung des Bakterien- leibes und Drehung um die Längsaxe; daneben, besonders bei Spirillen, Schrauben- und Wirbelbewegungen. Mit dem Alter der Kultur nimmt die Intensität der Bewegung ab; desgleichen verlieren aerobe Bakterien ihre Be- wegung bei der Sporulation, während anaerobe aucli in sporentragendem Zu- stand eigeubeweglicli bleiben können. — GAi?RTTSonEW,SKY2'' hat die Geschwindigkeit der Fortbewegung in Kul- turen bei verschiedenen Arten vergleichend zu bestimmen gesucht und fand auf diese Weise Werte bis 6 mm pro Stunde. Wohl zu unterscheiden von diesem Fortkriechen in einer Richtung ist die wirkliche Geschwindigkeit bei der schwärmenden Bewegung im hängenden Tropfen; dieselbe erreicht viel höhere Werte und geht sicher, z. B. bei Cholerabazilleu bis 0,1 — 0,2 mm per Sekunde. (ÜAURiTSCHEWiSKY bespricht auch die Möglichkeit, bestimmte Bakterien, dank ihrer größereu Eigenbeweglichkeit, aus Gemischen heraus- zuzüchten; praktische Anwendung hat dies z. B. in der Peptonwasser-Vor- kultur der Cholerabazilleu aus Faeces erlangt, sowie auch in der ursprüng- lichen Kociischen Methode, wobei eine geringe Menge Cholerastulil auf bouillongetränkte Leinwand gebracht wurde und die Cholerabazillen sich nach einigen Stunden in der Peripherie in Reinkultur vorfanden. Bei obligat aeroben Bakterien ist die Anwesenheit freien Sauerstoffs notwendige Vorbedingung zum Zustandekommen der Eigenbewegung; jedoch sind verschiedene Bakterienarten auf sehr verschiedene optimale Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 61 Sauerstoffspauuungeu abgestimmt, wie sich (lurch Exgklmaxns^' »Bak- terienmethode« und durch Bei.jerixcks^'> »AtmuDgstig'uren« zeigen läßt; das große Sauerstoft'bedUrfnis und dadurch bedingte Oberflächenwachs- tum des Choleravibrio wird in der Peptouwasserkultur jiraktisch zur Diagnose verwertet. — Auf ungünstigem Nährsubstrat l)lcibt die Eigen- beweguug aus; auch kann sie durch Geißelplasmolyse, (litte 0,1^^^ Kar- bolsäure) und Kälte sistiert werden. Temperatur-Grenzen und -0])timum lallen meist mit den später zu besprechenden Werten, die für das Wachstum gelten, zusammen. Eine auffallende Ausnahme hiervon konstatierten Mironesco und Grx- ther2*' an einem aus Milch gezüchteten, ungemein typhusähnlichen Bacillus; derselbe zeigte bei 10" und 23" lebhafte Eigenbewegung, erwies sich dagegen oberhalb 34" als vollständig unbeweglich, obwohl im übrigen das Wachstum bei Bruttemperatur sogar etwas üppiger war. Eine andere Inkongruenz zwischen optimalen Bedingungen des Wachstums und der Eigenbewegung ist von Schottelius und WASSERZU(i27 füi- den Prodigiosus konstatiert, indem sie denselben besonders bei saurer Reaktion beweglich fanden, die ihm sonst nicht gerade förderlich ist; indessen ist diese Ausnahme vielleicht nur scheinbar und erklärt sich durch das Ausbleiben der Schleimbildung bei saurer Reaktion. Viele chemische Stofle üben einen bewegungsrichtenden E In- fi uss aus, indem die Bakterien entweder zu dem Orte der höheren Konzentration angezogen (positive Chemotaxis) oder von demselben abgestossen werden (negative Chemotaxis). In positivem Sinne wirken unter anorganischen Körpern besonders Kaliumsalze, unter orga- nischen besonders Pepton; negativ chemotaktisch wirken starke Säuren und Alkalien, sowie stark konzentrierte Salzlösungen. Im allgemeinen sind es die ftir die Bakterien günstigen Nährstoffe, die positiv chem(t- taktisch wirken, während schädliche Momente meist eine abstoßende Wirkung ausüben. Doch trift't diese teleologische Auffassung keineswegs durchgängig zu; insbesondere kommt dem Glycerin, das ein trefflicher Nährstoff für Bakterien ist, keinerlei chemotaktische Wirkung zu, wäh- rend andererseits starke Gifte wie 0,5 %o Sublimatlösung, oft keine repulsive Wirkung äußern. Auch verhalten sich die verschiedenen Bakterienarten der gleichen Substanz gegenüber in sehr differenter Weise. — Näheres über Chemotaxis und verwandte Erscheinungen bei Pfeffer 2s und in Flügges »Mikroorganismen« 3. Autl., Bd. I, S. 160 If. Beim Leben der pathogenen Mikroben im intizierten Organismus spielt die Chemotaxis wahrscheinlich eine große Bolle, so z. B. bei der Ansiedlung von Bakterien an gewissen Prädilektionsstellen, in bestimmten Geweben etc. — Ali-Cohex-" versuchte, jedoch ohne sonderlichen praktischen Erfolg, die Chemotaxis zur Isolierung bestimmter pathogener Bakterien aus Ge- mischen, unter anderem zur Clnderadiagnose, zu verNvenden. Lortet29>' fand, dass bewegliche Bakterien unter dem Einfluss eines Induktionsstroms sich mit ihrer Längsaxe in die Stromrichtung einstellen, wobei ihre Eigenbewegung fast völlig sistiert wird, aber nach dem Aufhören des Stromes sofort wieder beginnt; unbewegliche und tote Bakterien zeigen das Phänomen nicht. Dagegen ist der bewegungsrichtende Einfluss des kon- stanten galvanischen Stromes rein physikalischer Natur und wird ebenso wie bei Bakterien auch an unorganisierten kleinsten Körperchen beobachtet (BiLi/-^'"> 62 E. Gotschlich, IV. Licliteiifwickolimg findet sicli insbesondere l)ei gewissen Bakterien des Meerwassers die am Zustandekommen des Meerleuchtens beteiligt sind); differential-diagnostisch interessant ist das von Duxbar nnd Kutscher ■'•" be- schriebene Lencliten choleraälnüicher Wasservibrionen, während die seinerzeit von Kumpel 31 behauptete künstliche Heranzüchtung leuchtender Kulturen des echten Choleravibrios auf einem Irrtum beruht. — Näheres in Flügges »Mikro- organismen«. 3. Aufl. S. 165 fi'. Y. Das spezifische Gewiclit der Kulturmasse der Bakterien ist zuerst von Rubner32 nach pyknometrischer Methode durch Wägung von mit der Kniturmasse erfüllten Kapillarröhrcheu bestimmt worden und fand sieh durchgängig größer als 1. Dies war von vornherein zu erwarten, nachdem schon durch Boltüx-'^ bekannt geworden, dass unbewegliche Bakterien in ruhendem Wasser sich langsam absetzen. Die RuBKERSche Methode bestimmt jedoch nicht eigentlich das spezifische (gewicht der Bakterienleiber selbst, sondern dasjenige der ganzen Kulturmasse plus Interzellularsubstanz, De- tritus etc. ; diese Fehlerquelle suchte Almuvist^-i zu vermeiden, indem er Bakterien in passenden Emulsionsflüssigkeiten (NaJ-Lösungen) von bekanntem spezifischen Gewicht zentrifugierte ; war das spezifische Gewicht der Bakterien gleich dem der Emulsionsflüssigkeit, so blieb die Bildung eines Bodensatzes aus. Auf diese Weise gelang auch der Nachweis, dass die Sporen (des Heubacillus) schwerer sind als die vegetativen Formen. Wegen de? Ver- schiedenheit des spezifischen Gewichts lassen sich verschiedene Bakterienarten durch Zentrifugierung von einander trennen (Krzyzonowska^-'^). Diese Autorin sowie ZiKES'^*' fanden ferner, dass die Sedimentierung durch Zusatz feiner Pulver (Infusorienerde, Tierkohle etc. ) bedeutend vervollkommnet werden kann ; viele (besonders bewegliche) Bakterien, die sonst leicht der Beobachtung ent- gehen, lassen sich auf diese Weise in Flüssigkeiten nachweisen; die Sedimen- tierung -wird um so vollständiger, je langsamer sie erfolgt. — Einen anderen Kunstgrifl^" zur Beschleunigung der Sedimentierung wandte Strasburger 3" mit Erfolg au, indem er durch Alkoholzusatz das spezifische Gewicht der zu zen- trifugierenden Flüssigkeit verringerte. Litteratiir. Lichtverhältnisse, i Klett, ref Bauiugartens Jahresber.. 1S94, S. 128. 130. — 2 A. Fischer, Zeitschr. f. Hvg. u. Inf., Bd. 35, S. 37. 1900. — -^ Amanx, Cen- tralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 13. S'. 775. 1893. — * Günther, Einführung in d. Studium d. Bakteriologie, 3. Aufl.. vS. 74. Osmotische Verhältnisse Plasmolyse und Plasmoptyse). •"■ Podwys- soTZKi & Taranuchin, ref Baumgartens Jahresber., 1898, S. lo8 f. — f' Baum- garten, Orig.-Referat: Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 27, S. 387, 1900. — " A. Fischer, Ber. d. Kgl. sächs. Gesellschaft d. Wissensch. , Math. -phys. Gl., 1891, S. 62. — « A. Neisser, Zeitschr. f Hyg. u. Inf., Bd. 4, S. 165. — '■' M. Ficker, ebd., Bd. 29, 1898. — lo Buchner, Centralbl. l Bakt., I. Abt., Bd. 4, S. 353. 1888. — 11 Pfuhl, ebd., Bd. 4, S. 769. 1888. — 12 a. Fischer. Untersuchungen üb. Bakterien, Berlin 18M, S. 9 ff. — « Wladimiroff, Zeitschr. l Hyg. u. Inf., Bd. 10, S. 89; Zeitschr. f. physikal. Chemie. Bd. 7, 524. — ** vox Lixgelsheim, Zeit- schr. f. Hvg. u. Inf.. Bd."37. «. 136. 1901. — n* Emmerich & Saida, Centralbl. f Bakt., I. Abt., Bd. 27. S. 976. 1900. — i"' Walz. Orig.-Referat: Centralbl. f. Bakt. I. Abt., Bd. 27, 385, 1900. — i'' Rosatzin, zitiert nach A. Fischer-, S. 5. — 1' Radzievsky. Zeitschr. f. Hvg. u. Inf, Bd. 34, S. 442. 1900; Bd. 37, S. 13. 1901. — 1^ Klimoff, ebd., Bd. 37, S. 120. 1901. — « Hegeler, ebd.. Bd. 37, ö. 115, 1901. — 20 Trommsdorf, Arch. f Hygiene, Bd. 39, S. 31, 1900. Eigenbewegung. -"-'■ Prelsz, Annal. de l'Inst. Pasteur, 1894, Nr. 4. — -1 Bexdix. Deutsche medicin. Wochenschr., 1900, S. 224. — -- C. Fränkel. Hj^g. Rundschau, 190O, S. 632. — -> Gabritschewskv, Zeitschr. f Hvg. u. Inf, Bd. 35, S. 104, 1900. — ii Engelmaxn, Botan. Zeitung, 1881, S. 441; 1882, S. 338; 1888, S. 696. — 25 Beijerinck, Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 15, S. 44, 1894. — 20 Miro- Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 63 NESCO, Hyg. Eundschan. 1891), S. 9(51. — -' citiert nach Kia:si: in Flügges »Mikro- organismen«. 3. Aufl., Bd. 1, S. 489, 1S96. — -"' Pfeffer, lieber chemotakt. Be- wegungen von Bakt. etc. — -j Ali Cohen, ref. Bauragartens Jahresber.. 1S93, S. 35-1. -- i'"^ LORTET, C. r. de l'acad. d. sc, 1896, 1, 892. — -^'Ji' Bill, C. f. Bakt.. I. Abt., Bd. 2(;, 257. 1899. Licbtent Wicklung. ="' Dunbar & Kutscher, Centralbl. f. Bakt., Bd. 15 (I. Abt.), S. 44. 1894. — *i Kumpel, Berliner klin. Wochenschr., 1895. Spezifisches Gewicht. •*- Rubner, Archiv f. Hyg., Bd. 11, S. 384. — 33 Bolton, Zeitschr. f. Hvg. u. Inf., Bd. 1, S. 72. 1880. — '^^^ Almqvist, ebd.. Bd. 28, S. 321. 1898. — ->■' u. ■«> ref. Centralbl. f. Bakt.. I. Abt., Bd. 27, S. 627 f., 1900. — ■^" Strasburger, Münchener med. Wochenschr., 19U0, S. 533. D. Chemische Beschaffenheit des Zellleibes der pathogenen Bakterien. I. Quantitative chemische Zusammeiisetzuug. Als Material zur Analyse verwendet man am besten die von Oberfläclieu- strichkulturen ohue Verletzung des Substrats vorsiclitig abgehobenen Bakterieu- leiber. Kencki versuchte, in seinen ältesten analytischen Untersuchungen, die Bakterienleiber aus flüssigen Nährsubstraten durch Koagulation mittels Salz- säurezusatz und Aufkochen zu gewinnen; jedoch mussten eiweißhaltige Nähr- böden hierbei vermieden werden. Auf praktischere und schonendere Weise könnte man die Bakterienleiber aus Kulturflüssigkeiten durch Zentrifugieren gewinnen. Die älteren x4iialyseD, welcbe ohne genaue Angabe und Variierung der Versuchsbedingungen ausgeführt w^ordeu waren, haben aus sogleich zu erwähnenden Gründen viel an ihrer Bedeutung verloren; betr. Litte- ratur und ziffermäBigen Resultate vgl. Flügges »Mikroorganismen« 3. Aufl., Bd. I, S. 97 ff. Ah einziges gemeinsames Resultat aller dieser älteren Analysen ergab sich ein sehr bedeutendes Ueberwiegen der stick- stoffhaltigen Stoffe (Eiweiß) gegenüber den stickstofffreien Substanzen (während bei den Schimmelpilzen das Verhältnis gerade umgekehrt ist). Im übrigen aber bestanden zwischen den Analysen verschiedener Spalt- pilze, ja selbst zwischen verschiedenen Analysen des gleichen Bakteriums, ganz ungeheure Differenzen, wie sie sonst, zumal bei so nahe ver- wandten Lebewesen, nicht bekannt sind. Erst die grundlegenden Unter- suchungen Ckameks^ haben Licht in diese Verhältnisse gebracht: es ist dadurch erwiesen, dass >von einer typischen Zusammensetzung der Bak- terien in dem Sinne, wie sie für höher organisierte Wesen bekannt ist, nicht die Rede sein kann, sondern dass dieselbe in hohem MaBe selbst bei einem und demselben Bacillus schwankt, indem sie bis zu einem gewissen Grade ganz von der Zusammensetzung des Nährmaterials abhängt. « An einer Reihe von Bakterien (Choleravibrio, Pfeifters Kapselbacillus, Friedländers Pneumoniebacillus, Rhinosklerusbacillus, Prodigiosus) erwies Ckameu, dass der Gehalt des Bakterienleibes an Trockensubstanz, Asche, Eiweißkörperu und stickstofffreien Stoffen von dem des Nährsubstrats abhängt und sich mit dem letzteren in gleichem Sinuc ändert. So ergab z. B. der Cholera\ibrio bei Züchtung in gewöhnlicher l^iger DAMENScher Sodabouillon nur 8^% Asche (auf Trockensubstanz bezogen), während sein Aschegehah bei Züchtung in salzreicheren Medien bis auf 30^ stieg; ferner war auch das quantitative Verhältnis der einzeluen Aschenbestandteile unter einander durchaus parallel 64 E. Gotschlich, dem Verhalten des Nährmediums, so dass z. B. aus den mit NaCl oder Phosphaten künstlich versetzten Nährlösungen entsprechend Kulturen mit sehr chlor- und phosphatreichen Asclien heranwuclisen. Desgleichen betrug der Eiweißgehalt des Choleravibrio in Bouillon 65 % der Trockensubstanz, während er in der rein mineralischen UscHixsKYSchen Nährlösung nur 45^ betrug. Diese Ergebnisse Avurden von Lyons 2, mit besonderer Berücksichtigung der stickstofffreien Substanzen, vollauf bestätigt. — Auch das Alter der Kultur und die AVachstumstemperatur haben nach Gramer einen deutlichen Einfluss auf die quantitative Zusammensetzung des Bakterienleibes; bei Bruttemperatnr ist der Trockengehalt, wohl infolge der vermehrten Produktion organischen Materials bei dem üppigeren Wachstum, größer als bei 22"; desgleichen ist der Trockengehalt in jungen Kulturen größer als in alten (was mit den Differenzen im plasmolytischen Verhalten junger und alter Individuen durchaus übereinstimmt!). — Der Eiweißgehalt der Bakterien auf den gewöhnlichen festen Nährböden erwies sich, in Uebereinstimmung mit den älteren Forschungs- resultaten, als ein sehr hoher, bis 80^ der Trockensubstanz. Der Eiweiß- gehalt des Bakterienleibes steigt mit zunehmenden Stickstoflgehalt des Nähr- bodens nicht proportional, sondern langsamer und nur bis zu einem gewissen Punkte, über den hinaus keine Aveitere Anreicherung möglich ist; ähnliche Verhältnisse gelten auch für die anderen Bestandteile des Zellleibes. Ueppiges Wachstum und hoher Eiweißgehalt brauchen übrigens keineswegs zusammen zu fallen; so ist z. B. auf 'ö% Traubenzucker-Agar, verglichen mit zucker- freiem Agar von gleichem Peptongehalt (1^), der relative Eiweißgehalt der Kultur geringer, weil, trotz gleichem Stickstoffgehalt im Nährboden, doch für das Einzelindividuum im zuckerhaltigen Agar, avo die geerntete Kultur eine üppigere ist, nur eine geringere Eiweißmenge verfügbar bleibt. Die Bakterien besitzen also in sehr hohem Grade die Fähigkeit, ihre quantitative chemische Zusammensetzung derjenigen des Nährsubstrats anzupassen; offenbar eine für die Bakterien außerordentlich ZAveck- mäßige Fähigkeit, die sie so recht zu ihrer Rolle im Haushalt der Natur geeignet macht, große Mengen verschiedenartigster Stoffe, die zudem noch während des Zersetzungsprozesses ihre Konzentration und sonstige chemische Beschaffenheit ändern, in kürzester Zeit zu zerlegen; insbesondere kommt diese Anpassungsfähigkeit den fakultativ pathogenen Bakterien zu gute, wenn sie eine so tiefgreifende Veränderung der Lebensbedingungen durchmachen müssen, wie sie der Wechsel vom saprophytischem Leben (z. B. im Wasser) und parasitischer Existenz (z. B. im Darm und in den Körpersäften) notwendig mit sich führt. — Wenn nun auch die quantitative chemische Zusammensetzung jeder einzelnen Bakterienart in sehr weiten Grenzen variabel ist, so muss doch trotzdem für jede Art eine ganz spezifische chemische Charakte- ristik angenommen werden; dies ergiebt sich mit Sicherheit aus der konstanten Produktion ganz spezifischer Produkte (Fermente, Gärpro- dukte, Gifte), auf deren Existenz und absoluten Spezifität ja die ganze Differential-Diagnose und Serumtherapie in der praktischen Bakteriologie beruht (cf. Kapitel: Spezifität). — Was die Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung der Sporen und vegetativen Formen anbelangt, so ist darüber bei Bakterien nur wenig bekannt; Dyrmont^ fand beim Milzbrandbacillns den Eiweißgehalt der Sporen Aveit größer als den der vegetativen Zellen. Bei Schimmelpilzen ist diese Frage von Gramer^ sehr gründlich untersucht; hiernach enthalten die Sporen über ^{)% Trockensubstanz und fast alles Wasser nur hygroskopisch ge- Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. ß5 bimden; der Kern der Spore scheint ein höchst konzentrierter, wasser- und salzarmer Eiweißkorper zu sein, während die Hülle aus sehr hygroskopischen Extraktivstoffen und Cellulose besteht. Diese Ergebnisse würden, wie noch später auseinander gesetzt werden soll, die hohe Widerstandsfähigkeit der Sporen vollständig erklären. Indessen bleibt es doch zweifelhaft, ob es ge- stattet ist, diese Ergebnisse, die an Schimmelpilzen gewonnen sind, ohne weiteres auf Bakterien zu übertragen. — Litteratur. 1 Gramer, Archiv f. Ilvgiene, Bd. 12. S. 157; Bd. 13, S. TG; Bd. IG, S. 171; Bd. 22, S. 1()7; Bd. 28, Nr. 1. — -' Lyons, ebd.. Bd. 28, S. 30. — 3 Dyrmont, Ar- chiv f. experiment. Pathologie u. Pharmakologie, Bd. 21, S. 309. — * Gramer, Ar- chiv f. Hygiene, Bd. 13, S. 71; Bd. 20, S. 197. II. Die einzelnen cheniisclieu Bestandteile des Zellleibes der patho- genen Bakterien. 1. Eiweißkörijer verschiedener (und zum Teil von einer von den gewöhnlichen bekannten Albnminaten durchaus ab- weichenden) Konstitution wurden von Nencki ^ aus den Milzbrandbazillen, von Brieger- ans den Pneumoniebazillen, von Hammersciilag ' und V. H(>FMAxx^ aus den Tuberkelbazillen isoliert und chemisch näher charakterisiert. Th. Weyl ^ gelang es, in seinen Studien zur Chemie des Tuberkel- bacillus, Bestandteile der Hülle und des eigentlichen Zellleibes getrennt zur Anschauung zu bringen ; die aus dem Zellleib hervorgegangene Sub- stanz, von gallartiger Beschaffenheit, ergab bei Fällung mit Essigsäure einen nmcinähnlichen Körper (»Toxomucin«); die aus der Hülle stam- mende Substanz, in Form weißer Fetzen auftretend, zeichnete sich da- durch aus, dass sie sich erst in konzentrierter Schwefelsäure langsam löste und dass ihr die spezifische Färbbarkeit der Tuberkelbazillen eigen war. — Von Hellmich*' wurde aus einem Bakterium ein echtes Globulin dargestellt. — Hitze bestand ige Proteine wurden von H. Büchner'^ aus einer großen Reihe saprophytischer und pathogener Bakterien (Eiterkokken, Pyocyaneus, Milzbrandbacillus, Rotzbacillus, Bac. Friedländer] dargestellt; diese Stoffe stammen direkt aus den B;ikterieu- leibern imd sind im sterilen Filtrat der Kultur nicht vorhanden; sie wurden aus den Bakterien durch Auflösung in verdünnten Alkalien und Ausfällung mittelst verdünnter Säuren gewonnen. Sie zeigen die be- kannten Farbreaktionen der Eiweißkörper und sind löslich in Wasser, verdünnten Alkalien und stärkeren Säuren, unlöslich dagegen in ver- dünnten Säuren; sie zeigen in ihrem chemischen Verhalfeu Aehnlichkeit mit den Pflanzeukaseinen. Sehr bemerkenswert ist ihre Affinität zu den basischen Anilinfarbstoffen, mit denen sie eine chemische Verbindung eingehen, die sich von den ursprünglichen (im Tierkörper eitererregen- den) Proteinen durch ihre Unwirksamkeit im Tierversuch unterscheidet; wahrscheinlich sind es also diese Körper, welche die Färbbarkeit des Bakterienleibes durch basische Anilinfarben bedingen. — Echte Albu- mine, die bei Erhitzung gerinnen, haben E. Büchner'' imd M. H.\hx in ihren Presssäften pathogener Bakterien, den sogenannten »Piasminen , nachgewiesen. — Hitzeuubeständige Leibessubstanzen von außerordentlich labiler Konstitution sind ferner die zuerst von R. Pfeiffer aus Cholerakulturen, später in gleicher Yv'eise aus Typhus-, Pestkultureu n. s. w. dargestellten sogenannten primären Toxine«, sowie R. Kochs Tuberculinum R. ; diese Substanzen finden an anderer Stelle dieses HaiuTliucli der i)athogenen Mikroorganismen. I. 5 66 E. Gotschlich, Handbuchs ihre Besprechung. Nach Kuppel^' besteht der Tuberkelbacillus ^großenteils aus Eiweißkörpern, die dem Chitin oder Keratin nahestehen, daneben noch aus protamiuartigen und pseudomucinartigen Substanzen. 2. Nukle'ine wurden in Bakterien in einwandfreier Weise nach- gewiesen durch Klshimüra'J mittelst Darstellung ihrer Spaltprodukte, der Nukleinbasen (Xanthin, Guanin, Adenin), ferner aus Bakterien rein dargestellt von GaleottiI" und ganz neuerdings aus dem Tuberkel- bacillus von Bendixii; (jas letztere Nukleoproteid enthält auch die für die Gruppe der Kerneiweiße charakteristische Pentosengruppe. Der auf diese Weise einwandfrei erbrachte Nachweis von Nukleinen in Bak- terien hat deshalb große theoretische Bedeutung, weil er eine mächtige Stütze für die morphologischen Beweise des Vorhandenseins eines Kerns im Zellleib der Bakterien abgiebt. — Kuppel ^^ fand im Tuberkel- bacillus Nukleinsäuren. 3. Kohlehydrate. Echte Cellulose fanden Dziekzgowski und Rekowski12 in Diphtheriebazillen (bis 28^ der Trockensubstanz). Ferner glaubte Hammekschlag-^ in Tuberkelbazillen echte Cellulose nachgewiesen zu haben, ein Befund, den Nishimura i-' nicht bestätigen konnte ; dagegen fand letzterer Autor in den Tuberkelbazillen, sowie in Eiterkokken, reichliche Mengen von Hemicellulosen (von der echten Cellulose durch die Löslichkeit in verdünnter Salzsäure und die Inversion beim Kochen mit verdünnten Säuren unterschieden). Neuerdings glaubt HelbixgI*, in den Tuberkelbazillen Chitin annehmen zu müssen. 4. Fette und verwandte Substanzen. Fette wurden auf mikro- chemischem Wege, durch Behandlung mit Osmiumsäure oder Färbung mit einem Fettfarbstoff (Sudan III), in einer ganzen Reihe von Bakterien nachgewiesen; so von UNNa^-^ in Lepra- und Tuberkelbazillen, von Shattock^ö in Rotzbazillen, von Delbancoi^ imd Sata^"' in Actino- myces, sowie von letzterem Autor in Milzbrandbazillen, Eiterkokken u. s.w., von Dzierzgowski & Rkkowski in Diphtheriebazillcn 12. Als weitere mikrochemische Reaktionen für Bakterienfett werden von A. Meyer ^'-^ die Löslichkeit in konzentrierter Chloralhydratlösung und die große Resistenz gegen Eau de Javelle angegeben. Eine genaue chemische Untersuchung des sogenannten Fettes der Tuberkelbazillen durch Aronsox^» ergab, dass es sich um ein echtes Wachs handle, das zu ungefähr 10^ der Trockensul)stanz des Bacillus vorhanden war. Da- neben fanden sich Fettsäuren, die übrigens auch schon in krystallisierter Gestalt aus Tuberkelbazillen-Kulturen durch de Schweixitz & Dorset^^ dargestellt worden waren. Besonders wichtig ist die Beobachtung R. Kochs 23, dass die Hülle der Tuberkelbazillen, welche ihnen die Säurefestigkeit und die große Widerstandsfähigkeit gegen die Resorption verleiht, aus ungesättigten Fettsäuren besteht. Es steht hiernach jetzt außer Zweifel (vgl. folgenden Abschnitt), dass die »Säurefestigkeit«; der Tuberkel- und Leprabazillen auf ihrem Fettgehalt beruht; sehr be- weisend ist auch der Versuch von Klebs^^, w^onach die specilische Färbung an das aus den Tuberkelbazillen mittels Aether extrahierte Fett gebunden ist und andererseits die extrahierten Bazillenleiber selbst ihre Säurefestigkeit verloren haben. 5. Asche. Unter den Aschebestandteilen der Bakterien spielt all- gemein die Phosphorsäure eine hervorragende Rolle; ganz besonders ist dies beim Tuberkelbacillus der Fall, wo sie nach de Schweixitz & DoRisET 22 über 55X der Asche bildet. — Außerdem sind Kali, Natron, Magnesia, Kalk und Chloride in wechselnden Mengen vorhanden. Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 67 Litteratur. 1 NencivI. Berichte d. deutsch, ehem. Gesellsch., Bd. 1H. ^j. 2(io.'j. ^ Buucger. Zeitschr. f. phvsiol. Chemie, Jahrg. ISIM. — '■'■ Hammerschi..\(;, Centralbl. f. innere Medicin. 1891, Nr. 1. — * vox Hoi mann, Wiener klin. Wochenschr.. 1S94, S. 712. — •> Th. Wevl. Deutsche med. Wochenschr.. 1891. S. 25i). — '■ Hellmich. Archiv f. expef. Pathologie u. Pharmakologie. Bd. 2(). S. 328. — ' H. Buchxer, Berliner klin. Wochenschr.. 1S90. S. 678 u. lOH-1. — ^^ E. Buchner. München, med. Wochenschr.. 1897, Nr. 48. — J^' Kuppel. Zeitschr. f. physiol. Chemie. 2(5, 218. — '•' Xishimura, Archiv f. Hyg., Bd. 18, S. 318. — i'» Galeotti. Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 25. — 11 Bendix, Deutsche med. Wochenschr., 1901, S. 18. — i- "Dzierzuowski & Re- KOWSKI. Archives des sciences biolog. , 1892, p. 167. — i'' Nishimuha, Archiv f. Hj^giene, Bd. 21, Ö. 61. — ^ Helüinci. Deutsche med. Wochenschr., 1900. Nr. 23. — 1'^ UNNA, ref. Centralbl. f. Bakt. I. Abt., Bd. 21, S. 938. 1897. - "i Shattock. The Lancet, 1898, May 21. — i' Delbanco. Münchener med. Wochenschr., 189S, Nr. 2. — 1« Sai'a. Centralbl. f. allg. Pathologie u. patholog. Anatomie, 1930. S. 97. — w A. Mever, Centralbl. f. Bakt, I. Abt.. Bd. 29, S. 810, 1901. — 20 Aronson, Berliner klin. Wochenschr., 189S, Nr. 22. — -i Schweinitz &: Dorset, Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 22, S. 209. 1897. — 22 Schweinitz & Dorset, ebd.. Bd. 23. S. 993. 1898. — 2! R. Koch. Deutsche med. Wochenschr., 1897. Nr. 14. — 24 Klebs, Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 20. S. 488, 1896. III. Mikroclieniisclie Reaktionen und Färbbarkeit*) des Zellleibs. Von besonderer Wichtigkeit ist die AViderstandsfäliigkeit der Bakterien gegen verdünnte Alkalien; da die meisten tierischen Gewebe durcb Alkalibehand- lung zur Auflösung und zum Verschwinden gebracht werden, so eignet sich dieses Verfahren zur Sichtbarmacliung der Bakterien im Gewebe im ungefärbten Zustand (Baumgartexs? ursprüngliche «Kalimethode« zur Darstellung der Tuberkelbazillen in ungefärbten Schnitteu). — Mit Jodlösung f?rben sich die Bakterien in der Regel blassgelb: nur wenige (z. B. Clostridium butyricum, gewisse Mundbazillen), infolge Gehalt an Stärkekörnchen, blau. — Bakterien lassen sich mit Farbstoflen von sehr verschiedener chemischer Natur färben: so gelang es Weigert^, mittelst Hämatoxylin Bakterien isoliert im Gewebe darzustellen, gleichzeitig jedoch auch nachzuweisen, dass gewisse Arten von Bazillen durch Hämatoxylin nicht färbbar siud. Ganz neuerdings werden von Claudius^ Pflanzeufarbstoffe (IloUunderbeerrot u. s. w.) empfohlen. Doch sind dies nur vereinzelte Versuche gegenüber der universellen Bedeutung, welche die basischen AnilinfarTistoffe für die Bakte- rienfilrbimg erlaugt haben. E. KocH'^ erkannte die enorme Affinität der Bakterien zu diesen Farhstoifcn und ihre Bedeutung für die augen- blickliche Erkennung der Bakterien als solche und für ihre (früher oft sehr schwierige) Unterscheidung von anderen korpuskularen Elementen. Das Wesen der Färbung ist nicht etwa f woran z. B. Gott.stein-* mit Rücksicht auf die Entfärbung durch Auswaschen mittels ^alzlösimgen und verdünntem Alkohol dachte) einlach als mechanische Durchtränkung des Bakterienleibes mit dem Farbstoff, wobei letzterer im Plasma gelöst würde, aufzufassen; es handelt sich vielmehr sicherlich um eine che- mische Bindung des Farl)stoffes im Plasma. Hierfür spricht, dass die BucHXERSchen Bakterienproteine nach Behandlung mit basischen Anilinfarbstoften ihre Wirkung auf den Tierkörper einl)üßcn (s. oben S. 65), d. h. mit dem Farl)Stoff offenbar eine von der ursprünglichen *) In diesem Kapitel wird die Färbbarkeit nur nach ihrer theoretischen Seite, als mikrochemische Reaktion, betrachtet; betreös genauer Angabe der einzelnen Färbemethoden und der zu befolgenden Technik muss auf den Ab- schnitt »Methodik« verwiesen werden. 68 E. Gotschlich, Substanz scharf unterschiedene ehemische Verbindung- bilden ; ferner liat Kxaak5 nacligcwiesen, dass das in den Bakterienleibern gebundene Methylenblau weit schwieriger reduziert wird (durch Schwefelwasser- stoffwasser oder Argoniulösung) als der in den Zellen und im Präparat- grund befindliche Farbstoff nnd hierauf sogar eine spezielle Gegen- färbungsmethode von Bakterien im Gewebe gegründet; endlich ist hier die Angabe von DREYruss^' zu erwähnen, wonach Bakterien nach Be- handlung mit Natronlauge ihre Färbbarkeit fast ganz verlieren. Offen- bar ist jedoch diese chemische Verbindung zwischen Plasma und Farb- stoff' nur eine lockere, und in guten Lösungsmitteln des Farbstoffes leicht dissoziierbar; mit dieser Annahme stehen alle w^eiter unten zu besprechenden Thatsachen, betreffend den Eiufluss des Lösungs- mittels, die Entfärbung u. s. w. in bestem Einklang. Insbesondere ist hier eine Bemerkung Unnas" zu erwähnen; die basischen Auilinfarb- stoffe (nach Ehklichs Nomenklatur] sind ihrer chemischen Natur nach nicht etwa Basen, sondern neutrale Salze (z. B. das Fuchsin = salz- saures Rosanilin) ; sie heißen nur deswegen »basisch«, Aveil die färbende Komponente hier das Rosaniliu) in dem Salz basischer Natur ist. Nach Unna ist nun der Färbungsprozess keineswegs so zu verstehen, als ob bei der Färbung der Farbstoff in seine beiden Komponenten zerfiele und nur die färbende Komponente mit dem Zellleib sich verbände; schon aus dem Grunde nicht, weil diejenigen Gewebsbestandteile, welche eine spezifische Affinität zu den »basischen Anilinfarbstoften« haben, nämlich die Zellkerne, ihrer chemischen Natur nach (Reaktion gegen Lackmus) selbst basisch sind. Es tritt vielmehr der ganze Farbstoff mit dem Plasma in eine, den Doppelsalzen vergleichbare, lockere Verbindung ein. Die Abhängigkeit der Färbung vom Lösungszustand des Farbstoffes zeigt sich in folgenden Thatsachen: 1. Völlig wasserfreie, rein alkohoUsche Farblösungen färben überhaupt nicht (GtJNTHERS). 2. Desgleichen geht dem völlig wasserfreien, reinen Alkohol auch jede entfärbende Wirkung ab (Günther*), während verdünnter Alkohol energisch entfärbend wirkt. Die Verbindung: Farbstoff -}- Plasma ist eben in reinem Alkohol offenbar völlig unlöslich. 3. Je vollkommener ein Farbstoff in der Farbflüssigkeit gelöst ist, desto schwächer die Färbkraft; je unvollkommener der Lösungszustand, desto inten- siver ist die Färbkraft. Aus der ersten Hälfte dieses Satzes erklärt sich die völlige Unwirksamkeit rein alkoholischer Farblösuugen; desgleichen gehört hierher die Wirkung der sog. »farbschAvachen < Lösungen, in denen, durch Zusatz stark farbenlösender Stoffe zur Farbflotte, die färbende Wirkung auf gewisse Gewebselemente, bezw. auf gewisse Bakterienarten, (in denen offenbar der Farbstoff besonders fest gebunden wird) beschränkt ist: so vermochte Rindfleisch-' Tuberkelbazillen in einer mit Salpetersäure angesäuerten Fuchsin- lösung isobert zu färben, desgleichen Ziehl^*' in einer mit Essigsäure ange- säuerten Methylviolettlösung; dies ist auch das Prinzip der M. NEissERSchenii Körnchenfärbung der Diphtheriebazillen in essigsaurer Methylenblaulösung. — Umgekehrt bewirkt Zusatz von Alkali zur Farbflotte, dass der Lösungs- zustand des Farbstofts unvollkommener wird, was sich auch äußerbch durch leichte Trübung kundgiebt und bei stärkerem Zusatz bis zur Ausfällung fort- schreiten kann, ein Zustand, den Unna (a. a. 0. S. 220) sehr passend mit »Schwebefällung« - bezeichnet. Farb-Lösungen in »Schwebefällung« be- sitzen eine ganz besonders intensive Färbkraft (vgl. auch Günther, a. a. O. Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 69 S. 96'. — Uebrigens ist der begüustigeiide Einfluss des Alkalizusatzes nicht immer in diesem Sinne aufzufassen (was gleichfalls schon Unxa erkannte ; für das LciFFLERsche alkalische Methylenblau z. B. hat ganz neuerdin^'s Michaelis 12 nachgewiesen, dass die Rolle des Alkali rein chemischer Natur ist und auf der Umwandlung des Methylenblau in Methylenazur beruht. — Die Abliäiii;'igkeit der Färbung' von der Natur des Bakte- riums äußert sieh in folgenden Thatsachen: Es giebt unter den Mikroben leicht- und schwer-färbbare Objekte; zu letzteren gehören die Tuberkel- und Leprabazillen, sowie die Sporen und Geißeln: zu ersteren gehören alle übrigen pathogenen und saprophytischen Bakterien. Der Unterschied besteht darin, dass die leicht färbbaren Objekte ohne weiteres, und meist schon in einem kleinen Bruchteil einer Sekunde, durch wässerige Farblösuugen geftirbt werden können, während die schwer färbbaren Objekte zu ihrer Färbung einer gewissen Vorbehandlung oder ge- wisser Hilfsmomente (Erhitzung, Beizen, zu welch letzteren auch die Zusätze von Anilin, Phenol, Aldehyden zu den Farblösungen zu reclmenj bedürfen. Die schwer färbbaren Objekte sind gleichzeitig auch schwer entfärbbar (insbesondere säurefest), desgleichen sind es diejenigen, welche auch sonst äußeren Einwirkungen (Hitze, Desinfizientien) , den größten Widerstand ent- gegensetzen. Der örund für den bedeutenden Widerstand, den diese Objekte sowohl gegenüber der Färbung als der Entfiirbung bekunden ist in zweierlei verschiedenen Momenten gesucht Avorden : Annahme einer schwierig permeablen, widerstandsfähigen Hülle einerseits, — Annahme einer besonders gearteten chemischen Beschafienheit dieser Objekte andererseits. Die letztere Hypothese kommt ausschließlich in Betracht für die Geißeln, deren Substanz oflenbar (auch nach ihrem plasmolytischen Verhalten) besonders wasserarm und schwer angreifbar ist: desgleichen für die erste Anlage der Spore, die ja noch von keiner Membran umhüllt ist und die dennoch bereits die spezifische Färb- barkeit und starke Säureresistenz der fertigen Spore hat. Die Annahme einer widerstandsfähigen Hülle ist besonders für den Tul)erkelbacillus gemacht worden und hat außerordentlich au Wahrscheinlichkeit gewonnen, nachdem einerseits das Vorhandensein fett- und wachsartiger Körper in der Hülle des Tuberkel- bacillus nachgewiesen ist (nach Extraktion dieser Substanzen mit Aether ver- lieren die Tuberkelbazillen ihre Säurefestigkeit, Klebs'-'j, und nachdem an- dererseits durch BiENSTOCK^^, Gottsteix'^ u. a. gezeigt worden war, dass künstliche Einfettung (Züchtung auf Butter, Agar) auch solchen Bazillen Säurefestigkeit verleiht, die sie normaler Weise nicht besitzen: hierher gehört auch die Beobachtung Gibieks ^*\ dass Bazillen, die normaler Weise nicht säure- fest sind (z. B. Milzbrandbazillen), dieselbe Säurefestigkeit, wie sie den Tuberkel- bazillen eigen ist, künstlich gewinnen, wenn sie in den flüssigen Kultursub- straten der letzteren gezüchtet werden. — In sehr vielen Fällen werden wohl beide Momente (Hülle und chemisch difterentes Plasma) mitwirken, um die Widerstandsfähigkeit der schwer färbbaren Mikroben zu begründen. Ein- gehende Diskussion über die Bedeutung dieser beiden Faktoren für den Tuberkel- bacillus bei Unna (a. a. 0. 96 ff., 153 fl*.) — Sehr bemerkenswert sind die individuellen Differenzen in der Säure- festigkeit, wie sie für den Tuberkelbacillus von Ziehe i", Ehrlich i^, E. KleixI'-* nachgewiesen wurden; nach letzterem Autor finden sich »säureschwache« Individuen insbesondere unter den jüngeren Exemplaren. — Auch bei den leicht färbbaren Mikroben finden sich Art- und individuelle Differenzen, so färben sich z. B. der Choleravibrio und verwandte Arten am besten mit Fuchsin, weniger gut mit Methylenblau: ganz junge Kulturen des 70 E. C4otschlich, Pyocyaneus fäibeii sich nach Czaplewski^o sehr schlecht mit Methylenblau, ältere weitaus besser. — Kompliziert sind die Verhältnisse zwischen Färbbarkeit und Degeneratious- zu stand der Bakterien. Völliger Verlust der Färbbarkeit lässt mit Sicher- heit auf eingetretenen Tod der Bakterienzelle schließen (KocH^i). Jedoch ist es zuweilen schwierig, den Moment des völligen Verlustes der Färbbarkeit zu bestimmen; so verlieren die Degeuerationsprodukte der Cholerabazillen bei der Auflösung in der Bauchhöhle des jMeerschweinchens (PFEiFFERsches Phänomen) sehr bald die Färbbarkeit mit Methylenblau, Avährend sie sich in verdünntem Karbolfuchsin gut färben (Rai)ZIEvski22] — Andererseits können abgestorbene Bakterien sehr wohl noch ihre Färbbarkeit bewahrt haben ; so fand Kita!5ATo22=^. dass auch al)gestorbene Tuberkelbazillen im Auswurf normale Färbung an- nehmen; so zeigt sich die Färbbarkeit nach Rauzievski beim Colibacillus nach vorsichtiger Abtötung mit Chloroform völlig intakt; das gleiche konnten Baumgarten & Braem^'^ für Milzbrandbazillen, beim Absterben in destilliertem Wasser, gegenüber der Gentianaviolettfärbung nachweisen; dieselbe konnte bei nachweislich völlig abgestorbeneu Kulturen durchaus normal sein, \\ ährend die GRAMSche Färbung völlig versagte. — Elektive Färbungen, die bestimmte Arten ausschließlifh oder docli ganz besonders rasch und intensiv färben, sind mehrfach be- schrieben worden; so von London 2^ die Pikrinsäurefärbung des Cholera- vibrio, der sich unter vielen untersuchten Arten als der einzige dieser Färbung zugängliche erwies; so von Uhma^s und Hombeegee^ö für Gonokokken mittels Neutralrot bezw. Kresylechtviolett. Eine ganz be- sondere StelluDg nimmt endlich die GRAMSche Färbung ein, die für die Dififerentialdiagnose in vielen Fällen von hohem praktischen Wert geworden ist. Jedoch hat sich gezeigt, dass eine ganz scharfe Schei- dung der Bakterien in zwei Klassen: »nach Geam färbbar« und -nach Geam nicht färbbar« unmöglich ist. Es giebt zwar Bakterien, die gegenüber der GEAMschen Färbung sich unter allen Umständen in dem gleichen Sinne verhalten (so Milzbrandbazillen, Eiterkokken stets in positivem, Cholerabazillen, Gonokokken, Pestbazillen stets in negativem Sinne); aber andererseits giebt es Arten, die sich bald nach Geam färben, bald nicht; so sind z. B. beim Pyocyaneus nur die jungen In- dividuen nach Gram färbbar; ferner nimmt das Bact. coli nach A. Schmidt 27 in gewissen Darmabschnitten die GRAMSche Färbung an, während es sich in Kulturen derselben gegenüber stets negativ verhält: eine Beobachtung, die jedoch von Jacobstiiai/^^'^ und Lehreann & Neumann 28 nicht bestätigt werden konnte. — NiKrnNE28^ hat den Ein- fluss verschiedener Faktoren auf das Gelingen der GRAMschen Färbung studiert; vorgängige Erhitzung oder Aetherextraktion beeinträchtigte die Färbung nicht, wogegen ihr Gelingen durch vorgängige Behandlung mit Säuren oder Alkalien (jedoch bei den einzelnen Substanzen nach sehr verschiedener Einwirkungsdauer) unmöglich gemacht wurde; sehr bemerkenswert ist, dass die so vorbehandelten Bakterien, nach einstün- diger Einwirkung LüFFLERScher Beize, die Fähigkeit wieder erlangten, sich nach Gram zu färben. — Für die Theorie der GRAMschen Färbung ist besonders hervorzuheben, dass nur Pararosaniline (Gentianaviolett, Methylviolett, Victoriablau) dazu geeignet sind, während Rosaniline (Fuchsin, Methylenblau) kein Resultat geben; über die chemische Ditterenz dieser beiden Klassen von Farbstoffen vgl. Unna (a. a. 0. S. 194, 218). Der Grund liegt darin, dass die Jodverbindung Allgemeine Morphologie und Biologie n. s. w. 71 der Pararosanilinc relativ fest ist, während das Jodrosanilin nur sehr locker gebunden ist. Letztere Verbindung wird bei der nachträglichen Alkoholbehandlung in ihre beiden Bestandteile dissoziiert, wobei das Jod ausgewaschen wird und der Farbstoff" im Gewebe zurückbleibt, d. h. das Gewebe gleichmäßig, ohne Differenzierung, getärbt bleibt. Das Jodpararosanilin aber wird nicht dissoziiert, sondern wird entweder in toto ausgewaschen oder bleibt in toto im Gewebe zurück, je nach- dem die Affinität der gefärbten Teile zu diesem komplexen Farbstoff" eine geringe (tierische Zellen, nach Gram nicht färbl)are Mikroben^ oder eine bedeutende (nach Gra:m färbbare Mikroben) ist. Daher er- klärt es sich auch, dass die nach Gram gefärbt bleibenden Teile auch qualitativ, nicht nur der Intensität nach, sich von einfach violett ge- färbten unterscheiden (mehr schwarzblau erscheinen); es handelt sich eben nicht mehr um eine Gentianaviolettfärbung, sondern um eine Jod- pararosanilinfärbung. Die differenzierten Färbungen verschiedener Teile des Bakterienleibes (RoMAXowsKY-Färbung, Körnchen-, Kapselfärbung u. s. w.) haben ihres vorwiegend morphologischen Interesses wegen im vorigen ilbschnitt ihre Besprechung gefunden. Färbungen von Bakterien in vivo sind mittelst Methylenblau von Zett- NOw29 und Nakaxishi''ö (von letzterem mittelst besonderer Methode, durch Aufnahme des in dünner Schicht am Objektträger angetrockneten Farbstoffs) an großen Spirillen und Cholerabazillen ausgeführt; trotz intensiver Farbstoff- aufnahme bleiben die Mikroben lange lebend und sogar intensiv beweglich; desgleichen fand Hehewerth^i Bac. typhii und Bact. coli in wässeriger Gentianaviolettlösung noch nach 10 Minuten lebend, in Ehrlichschen Anilin- wassergentianaviolett dagegen schon nach 1/4 Minute abgetötet. In feuchtem Zustande haben ferner A. Klein ''2 und Marx 3' Bakterien und Sporen gefärbt und fanden, dass die Mikroben in feuchtem Zustand viel leichter färbbar (sogar Sporen und Tuberkelbazillen) sind als in trockener Schicht; dem ent- spricht allerdings auch eine um so leichtere Entfärbung. — Diese Färbungen haben deshalb besonderen Wert, weil die durch sie erschlossenen Struktur- verhältnisse der Mikroben sicher auf die lebende Zelle zu beziehen sind und Artefakte völlig ausgeschlossen erscheinen. Litteratiir. 1 Weigert, zitiert nach Unna, Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 3, 1888. Litteratur- verzeichnis Nr. G2. — -' Claudius, Cen-ralbl. f. Bakt.. I. Abt., Bd. 23. S. 579, 1898. — •* R. Koch, Coiins Beitr. z. Biologie d. Pflanzen, Bd. II, 1877. — 4 Gottstein, Fortschritte d. Medicin. 188."), Nr. 19. — ■' Knaak, l'eutsche med. Wochenschr.. 1897, Nr. 42. — •' Dreyfuss, Zeitschr. f. physlolog. Chemie. Bd. 18, S. 338. — " Unna, cf. K — « Günther, Einführung in d"^. Studium d. Bakt., 3. Anfi., S. 90. — ■' Rindfleisch, Sitzungsber. d. Würzburger med.-phys. Gesellsch.. 1882, Nr. 8. — "' Ziehe. Deutsche med. Wochenschr., 1882, Nr. 33. — n yi. Nels.seu, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf, Bd. 24. S. 443. — 12 Michaelis, Centralbl. f Bakt.. I. Abt.. Bd. 29. 7fiS. — !■' Klebs, ebd., Bd. 20, 488. — i* Bienstock, Kortsclir. d. :\Iedicin, 1880, Nr. (i. — 1 ' Gottstein, ebd., Nr. 8. — i^ Gibieh, ref. Centralbl. f Bakt.. I. Abt., Bd. 2Ö, 392. 1899. ~ 1" Ziehe, Deutsche med. Wochenschr., 1883, S. (i2 u. 247. — 1*^ Ehrlich, ebd., 1882, S. 269; 1883, S. 159. — f C. Klein, Centralbl. f Bakt.. I. Abt.. Bd. 28, S. 113. 1900. — 20 CzAPLEWSKi. Hyg. Rundschau, 18%, S. 1029. — ^t r. Koch, Unters, üb. d. Aetiologie d. Wundinfektionskrankheiten. Leipzig 1878. S. 53. — -~ Radziev.-jki, Zeitschr. f. Hyg. n. Inf., Bd. 37, S. 13. 1901. - -'-'^ Kitasato, Zeitschr. f. Hvg. n. Inf.. Bd. 11, 44.3. — ^:* Baumgarten & Braem, Centralbl. f. klin. Med.. 1888, Nr. 29. — 24 LoNDO.v, ref. Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 25, S39. — 2- Uhma. Archiv f. Der- matologie n. Syph., Bd. 50. Heft 2. — -'■ Homberger, Centralbl. f. Bakt.. I. Abt., Bd. 27, S. 533. — 27 A. Schmidt, Wiener klin. Wochenschr., 1892, S. 643. — 72 E. GotBchlich, -'•>■ Jabobsthal. Ily^. Rundschau, 1897, S. 849. — 28 Lehmann & Neumann, Hyg. Rundschau 1897, liSO. — -^^ Nikitixe. ref. Bauragartens Jahresber., 1898, S. 7'83. - -'i' Zettnovv. Zeitschr. f. Ilyg. u. Infekt, Bd. 24. S. 72, 1897. — so Nakanishi, Münchener med. Wochenschr., 1900, Nr. 6. — '^i Hehewerth, Arch. f. Hyg., Bd. 39, S. 322. — :*-' A. Klein, Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 25, 376. 1899: Bd. 27, 834, 1900. — 33 Marx, Centralbl. f. Bakt., 1. Abt.. Bd. 29, S. 11, 1901. E. Die wichtigsten Lebensbedingungen der pathogenen Bakterien. (Verhalten zur Temperatur und zum Sauerstoff.) I. Temperaturverliältuisse. Nur innerhalb einer bestimmten Tempe- raturbreite ist aktives Leben und Wachstum der j3athog'eneu Bakterien möglich; bei Annäherung an die Grenzen werden zuerst gewisse Funk- tionen behindert; (so verliert z. B. der Bac. prodigiosus bei Brüttempe- ratur die Fähigkeit der Farbstoffentwicklung, — so verliert andererseits der Milzbrandbacillus im Froschkörper bei niedrigen Temperaturen seine krankheitserregenden Eigenschaften, während er sie bei 37° auch in diesem Medium ausübt, — so verlangsamt sich tmd sistiert endlich völlig die Eigenbewegung der Bakterien bei Temperaturerniedrigung) ; — werden die Grenzwerte überschritten, so sistiert das Leben völlig. Das weitere Schicksal eines unter solche außergewöhnliche Bedingungen gebrachten Bakteriums ist nun aber völlig verschieden, je nachdem es sich unter dem Temperaturminimuni oder über dem Temperaturmaximum befindet. Im ersten Falle kann das Bakterium sehr lange Zeit (viele Tage und oft sogar Monate und Jahre) im Zustand latenten Lebens verharren, d. h. ohne irgend ein Zeichen seines Lebens zu geben, seine Artcharak- teristik und seine sämtlichen Eigenschaften bewahren, und später, wenn wieder unter günstige Temperatur- und Ernährungsverhältnisse gebracht, aufs neue mit ungeschwächter Kraft wuchern und seine sämtlichen Lebensäußerungen entfalten. Da auch die pathogenen Eigenschaften und die Virulenz der Bakterien unter diesen Verhältnissen lange Zeit völlig erhalten bleibt, so ist dieser Zustand des latenten Lebens, in dem ein i)athogenes Bakterium lange Zeit scheinbar unschädlich und völlig unerkannt zubringen kann, um dann jederzeit im geeigneten Augen- blick aufs neue zu verderblicher krankheitserregender Wirkung hervor- zubrechen, von größter praktischer Bedeutung. Selbst gegen hohe Kälte- grade sind pathogene Bakterien relativ unempfindlich, worüber man mehr nachsehen möge beim Kapitel » Absterbebeding uugen« im Abschnitt »Desinfektion«. — Ganz anders wenn das Temperaturmaximum über- schritten wird; hier tritt nicht eine einfache Hemmung des Lebens- prozesses ein, sondern es zeigt sich ganz unverkennbar eine deletäre Wirkung, die sehr bald (selbst nach Ucberschreitung des Grenzwerts um wenige Grade schon in Stunden) zur definitiven Abtötung führt ; be- treffs der schädigenden AVirkung dieser höheren Temperaturgrade, ver- gleiche wiederum unter »Absterl)ebcdingungen«. — Innerhalb des zwischen beiden Grenzwerten gelegenen Temperaturbereichs existirt ein Optimum, bei welchem die intensivste Vermehrung und kraftvollste Entfaltung aller Lebensäußerungen stattfindet; in der Regel ist das Optimum dem oberen Grenzwert viel näher benachbart als dem unteren. — Vorausgesetzt ist dabei, dass die Bakterien sich auch im übrigen unter günstigen Lebens- bedingungen befinden, insbesondere, dass ihnen reichlich Nährstoffe zur Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 73 Verfügung- stehen; ist dies niclit der Fall, (vgl. S. 82 über Bakterien im Hungerziistand], so Aermögen sich die Bakterien nur im latenten Leben, l)ei niedrigen Temperaturen, lebensfähig zu erhalten, und jede Tempera- tursteigerung, -auch innerhalb des Bereichs, in dem sonst normales Wachs- tum stattfindet, beschleunigt nur um so mehr das Absterben. — Den besten Beweis für dieses Verhalten der Bakterien gegenüber den Tem- peraturverhältnissen geben die quantitativen Bestimmungen des Keim- gehalts der Kulturen und der Geschwindigkeit der Entwickelung unter verschiedenen Bedingungen (vgl. Kaj). I dieses Al)schnittsj. Die Erklärung für die Wirkungsweise der Temperatur liegt in folgendem. Wie bei allen anderen Lebewesen, so ist auch bei den pathogenen Bakterien der Lebeusprozess verursaclit durch einen beständig vor sicli gehenden chemi- schen Spaltungsprozess des lebenden Plasma, durch den das hochkomplizierte äußerst labile Molekül, unter Sättigung stärkerer Affinitäten und Freiwerden von Energie, in einfachere, fester gebundene Teilstücke zerfällt. Dieser Selbstzersetzungsprozess (auch als intramolekulare Atmung bezeichnet, weil als sein Endprodukt ausnahmslos C0> auftritt), ist in der Labilität des lebenden Plasma selbst begründet und geht (ganz wie die Zersetzung eines Explosivstofls t scheinbar spontan vor sich; in Wirklichkeit ist er bedingt durcli die Wärmeschwingungen, die aus dem umgel)endeu Medium sich dem lebenden Molekül mitteilen und oberhalb eines bestimmten Temperaturgrades eine solche Intensität annehmen, dass die chemischen Bindungen (die ja ohne- hin in einem so komplizierten Molekül locker genug sind) nicht mehr aus- reichen und das Molekül zerfällt. Unterhalb dieses Temperaturgrades bleibt der Bestand des Moleküls dauernd erhalten, aber es findet natürlich auch keine Energieabgabe, d. h. keine Lebensäußerung statt; das Leben ist latent und in diesem Zustand sehr lange haltbar. Oberhalb dieses Temperatur- minimums wird mit steigender Temperatur der Selbstzersetzungsprozess des le))enden Plasma natürlich immer intensiver und dadurch die Energieabgabe und alle Lebensäußerungen entsprechend gesteigert. Wie aber theoretisch leicht einzusehen, und Avie es die Erfahrung au Bakterien im Hungerzustand bestätigt, ist der Lebeusprozess an sich rein destruktiver Natur; da alle Energie aus der Selbstzersetzung der lebenden Moleküle sell)st erzeugt wird, so muss notgedrungen mit der völligen Zerstörung des Iel)enden Plasmas auch jene Euergiequelle und danjit das Leben überhaupt erlöschen — wenn kein Ersatz des Plasma erfolgt; und zwar um so schneller, je intensiver der Lebeusprozess selbst vor sich ging. Daher sterben Bakterien, denen keine Kährstofle zu Gebote stehen, bei jeder Temperatur oberhalb des Minimums ab und zwar um so rascher, je höher die Temperatur. Anders liegt die Sache bei günstiger Ernährung der Mikroben, wo sich das lebende Plasma durch Assi- milation geeigneter Nährstofle stets aufs neue regenerieren kann. Die Inten- sität dieses Ptegeneratiousprozesses wird gleichfalls mit zunehmender Temperatur gesteigert; offenbar kann derselbe aber von einem bestimmten Temperatur- grad ab nicht mehr mit der Zersetzung gleichen Schritt halten; daher werden oberhalb dieses Temperaturgrades, der das Optimum darstellt, die Bedingungen für das Leben wieder ungünstiger und bald tritt durcli ^-^>lliges Ueberhaud- nehmen des Selbstzersetzungsprozesses völlige Zerstörung ein. Das Verhältnis von Temperatur und Ernährung zum lebenden Plasma lässt sich also kurz in dem Sinne formuHeren, dass die AVärme der eigent- liche Träger, die Ernährung aber der beständige Erhalter und Erneuerer des Lebeusprozess es ist. Gegenüber diesen beiden funda- mentalen Faktoren ist der Einfluss des Sauerstoffs mehr sekundärer Art, wie im folgenden Paragraph zu besprechen. — 74 E. Gotschlich, Ein ganz abweichendes Verhalten gegenüber der Temperatur zeigen die echten Dauerformen der Bakterien, die Sporen. In diesem Gebilde be- findet sich das Leben ebenfalls im latenten Zustand, und zwar unabhängig von den Temperaturverhältnissen, indem durch außerordentliche Konzentration der Leibessubstanz die Labilität des lebenden Plasmas beseitigt oder doch auf ein Minimum herabgesetzt ist und damit die Möglichkeit eines latenten Lebens ohne jede Energieabgabe und Nahrungsaufnahme bei den verschie- densten Temperaturen gegeben ist ; erst bei sehr hoch gelegenen Temperaturen (100° und darüber) tritt Schädigung und Vernichtung der Sporen ein, worüber vgl. mehr unter »Absterbebedingungen«. Der Temperaturbereich, innerhalb dessen die pathogenen Bak- terien zu wuchern vermögen, und insbesondere das Wachstumsoptimum sind natürlich durch die normale Körpertemperatur des Organismus, dem sich die pathogenen Bakterien augepasst haben, bestimmt; das Optimum liegt meist bei 37'', das zulässige Maximum überschreitet selten 42°. Als interessante Abweichungen sind zu zitieren: der Pestbacillus, dessen 0})- timum entschieden näher an 30" liegt und der schon wenig oberhalb 37^ Störungen des AVachstums aufweist; andererseits der Bacillus der Säugetiertuberkulose, dessen Optimum etwas oberhalb 37° (bis 38") ge- legen ist; der Bacillus der Hühnertuberkulose, entsprechend seiner An- passung an die höhere Bluttemperatur des Vogelkörpers (41,6—42,5°), zeigt ein Optimum von 37—43° und gedeiht noch bei 45°, während die oberste zulässige Grenze für den Bacillus der Säugetiertuberkulose etwa 41° darstellt. Praktische Bedeutung hat die Empfindlichkeit des Gonococcus gegen höhere Temperaturgrade (über 38,5°), als sich dadurch die günstige Beeinflussung ja Heilung mancher Gonorrhoe durch inter- kurrentes hohes Fieber erklärt. (Giiox & Schlagenhaufer^ Abutkow^^^) — Bedeutend größere Artverschiedenheiten zeigen sich im Verhalten des Temperaturminimums; diejenigen Mikroben, Avelche der parasitischen Existenz am innigsten angepasst sind und deshalb auch der künstlichen Züchtung größere Schwierigkeiten entgegensetzen, gedeihen nur bei Bruttemperatur; so der Bacillus der Säugetiertuberkulose nicht unter 29", der Bacillus der Hühnertuberkulose nicht unter 35°, der Gonococcus und Meningococcus nicht unter etwa 30", der Diplococcus pneumoniae meist nicht unter 25°, selten bis 18° herunter. — Anders diejenigen pathogenen Bakterien, die auch in der Außenwelt ihr Dasein zu fristen (oder doch wenigstens sich sehr lange lebensfähig zu erhalten) vermögen; naturgemäß liegt ihr Temperaturminimum tiefer; so beim Cholcrabacillus bei etwa 16", beim Diphteriebacillus bei 20°, beim Tetanusbacillus bei etwa 19°, beim Milzbrandbacillus meist bei 19° (aber auch bis 7° herunter), beim Ty- phusbacillus bei 9°, beim Staphylcocc. pyogen, aureus bis etwa 6"; be- sonders interessant ist wieder das Verhalten des Pestbacillus, der. ent- sprechend der niedrigen Lage seines Temperaturoptimums auch ein ganz auffallend niedriges Minimum aufweist; die deutsche Pestkommis- sion konstatierte noch bei einer Temperatur zwischen V2" ^^"^ ^° deut- liches Wachstum. — Ueber Anpassung der pathogenen Mikroben an ursprünglich ihnen fremde und unzuträgliche Temperaturverhältnisse vgl. später unter »Variabilität». — Bemerkenswert, und mit den obigen theoretischen Ausführungen durch- aus im Einklang, ist der Einfluss der Eruährungsverhältnisse auf die Grenzwerte und das Temperaturoptimum; bei ungünstiger, bezw. den betreffenden Mikroben ungewohnter Ernährung sind die Grenzwerte Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 75 enger gesteckt; so getleilit der Choleravibrio, der auf günstigem Substrat noch bei 16° wuchert, auf Kartortelu nicht unter 21—22"; so gestattet andrerseits Zugabe von Traubenzucker dem Milchsäurebacillus ein Wachs- tum bis 42 °, während in zuckerfreier Bouillon der obere Grenzwert schon bei 30" liegt (Schieubecki^). — Neben der uns hauptsächlich interessi- renden Gruppe der pathogeneu Bakterien, deren Temperaturoptimum der menschlichen Blutwärme angepasst ist, mögen einige andere Gruppen kurze Erwähnung finden. Die Wasserbakterieu haben ihr Optimum bei etwa 20", entsprechend ihrem äußeren Medium, und zeigen oft schon bei 30° Entwicklungshemmung; daher sind zu quantitativen Keimbestimmungen im Wasser immer nur Platten bei 22" zu verwenden und Bruttemperatur zu vermeiden, weil bei letzterer viel geringere Werte erhalten werden. Das gleiche gilt von Züchtungen der gewöhnlichen Milchsäurebazilleu. Dann giebt es Bakterien, besonders im Meerwasser und im Boden ge- funden (FoiiSTf:R-, Fischek'), die bei 0° intensiv zu wuchern und sogar zu phosphoreszieren vermögen; in der Mitte zwischen diesen und den Wasser- bakterien steht Beijerixcks^ Bac. cyaneo-fuscus, dessen Optimum bei 10" liegt und der schon bei 20" nachteilig beeinflusst wird. — Das andere Extrem stellen die sogenannten thermophilen Bakterien dar, die bis zu 75° hinauf wuchern und, was noch merkwürdiger ist, oft bei gewöhnlicher Temperatur (unterhalb 40—50°) sich überhaupt nicht zu ent- wickeln vermögen. Pathogene Mikroben gehören dieser Gruppe nicht an, wohl aber einige Toxinbildner (peptonisierende Bakterien der Milch). Die- selben sind mehrfach in heißen Quellen gefunden worden, so von Certes und Garrigon'^, Karlinski'', Teich', Tsiklinsky*, ferner in gewöhnlichem Flusswasser von Miquelö (erste Beobachtung über Bakterienwachstum bei exzessiv hohen Temperaturen), van Tie(4hem1Öj F. Cohn^', Macfadyan & BlaxaliJ2^ KedziorI' (thermophile Cladothrix), Oprescu '^, Michaelis i\ Die eingehendsten Forschungen, und insbesondere die Feststellung des geradezu universellen Vorkommens dieser Bakterien, besonders im Boden und in tieri- schen Abgängen (Darminhalt, Faeces, Dünger, Jauche) verdanken wir Globig ^'' und L. Rabinowitsch^". Häufig üben diese thermophilen Bakterien sehr in- tensive Gärwirkungen aus und stehen möghcherweise mit den besonders vom Dünger bekannten sogenannten »spontanen Erhitzungen« in ursächlichem Zu- sammenhang. — Die Frage, wie diese bei der Züchtung auf exzessiv hohe Temperaturen angewiesenen Bakterien in der Natur normalerweise fortkommen, ist gleich- falls gelöst; es bieten sich hierfür verschiedene Möglichkeiten dar. Zunächst wies Globig nach, dass in den obersten Bodenschichten durch Insolation, wenigstens zeitweise, sehr hohe Temperaturen (bis über 60°) geschafien wer- den; daher sind Bodenproben aus den Tropen viel reicher an thermophilen Bakterien als solche des gemäßigten Klimas. Ferner zeigte Rabinowitscii, dass viele thermophile Bakterien, die bei Luftzutritt nur über 50" zu wachsen vermochten, unter anaeroben Bedingungen auch bei gewöhnlicher Bruttem- peratur (bis 34° herab) gut fortkommen, und so wahrscheinHch ihr Dasein im menschlichen und tierischen Darmkaual fristen. Endlich existiert eine Gruppe dieser Bakterien, die man als tliermo- tolerante bezeichnen kann, die zwar bei höheren Temperaturen zu wuchern vermögen, aber doch oflenkuudig ihr Optimum (auch bei aerober Züchtung) bei gewöhnlicher Bruttemperatur haben; Schillinger '^ glaubte sogar, diese Feststellung auf alle thermophilen Arten ausdehnen zu sollen, eine Ansicht, 76 E. Gotschlich, die jedoch nach Raüixowitsch und Sames^^ ((Jer auch eine thermophile Streptothrix fand) als widerlegt zu erachten ist; es giebt unzweifelhaft neben den thermotoleranten Bakterien auch obligat thermophile Arten, die auf die hohen Temperaturen ausschließlich angewiesen sind. — Litteratur. 1 Ghon & ScriLAGENHAUFER, Wien. klin. Wochenschr., 189S, 1(5. — i^^ Abutkow, ref. Baumgartens Jahresber. . 1898, US. — n^ Schierbeck, Archiv f. Hvg. , Bd. 38, S. 298. — -' Forster, Centralbl. f. Bakt., I. Abt.. Bd. 2, 837. 1887; Bd. 12. 431. 1892. — ;* Fischer, ebd., Bd. 4, S. 89. 1888. — i Beijekinck, Botan. Zeitung, 1891. — "> Certes & Garrigon. Comptes rerschuss) keine Spur von Reoxydation erkennen lässt, — in denen endlich obligat aerobe Mikroben nach wenigen Zellteilungen zu Grunde gehen. Hiernach ist die Thatsache eines absolut anaeroben Lebens, ohne jede Spur von 0.^ (soweit sich das nach dem jetzigen Stande der Chemie überhaupt sagen lässt) einwandsfrei nach- gewiesen. Eine andere Frage ist es nun freilich, ob dieser absolute Sauerstofi- abschluss für die Anaeroben unumgänglich notwendig sei, oder ob sie nicht ebenso gut (oder vielleicht sogar besser) bei Anwesenheit sehr geringer Sauer- stoffmengen zu wuchern vermögen. Diese Möglichkeit ist schon von Gunning''-^ betont und von BeijerinkI'^ insbesondere mit Rücksicht auf die natürlichen Lebensbedingungen der Anaeroben hervorgehoben worden; sollten die Anaerobeu nicht bei ihrem Wachstum in Wasser, Schlamm etc. von Zeit zu Zeit durch die sich entwickelnden Gasblasen an die Oberfläche geführt werden, um dort aufs neue eine Sauerstoffreserve für künftiges Wachstum an sich zu nehmen? Auch hier ist durch die Forschungen der neuesten Zeit Klarheit geschaffen; Beijerixk'^ wies nach, dass der absolute Sauerstoffabschluss für seine Anaeroben keineswegs das Optimum der Existenzbedingungen darstellte, indem dieselben bei Gegen- wart geringer O2- Mengen weit intensiver wuchsen; Chudiakow^ erwies sogar an der Hand absolut einwandsfreier Versuche, dass die geringe Sauer- stoffmenge von 0,5 ^, bei der maligne Oedembazillen und Tetanusbazillen gut gedeihen, sich nicht etwa als indifferentes Gas verhält, sondern im chemischen Stoffwechsel dieser Lebewesen faktisch verbraucht wird. Chudiakow zeigte auch, was übrigens schon Righi1'\ Grixosi^^' und Ferrax^'^^ für den Tetanus- bazillus (aber mit Verlust seiner Virulenz) gelungen war, dass es möglich ist, die Anaeroben bei fortgesetzter Züchtung unter langsam steigendem Os-Druck an den lOfach höheren Sauerstoffgehalt zu gewöhnen, den sie normaler Weise ertragen; umgekehrt ließ sich die so angepasste Kultur auch Avieder an streng anaerobe Verhältnisse zurückgewöhnen. Die Thatsache, dass diese Anpassungen relativ leicht ausführbar waren, lässt darauf schließen, dass ähnliche Vorgänge in der Natur eiue große Rolle spielen. Diese Feststelhmgen haben den prinzipiellen Gegensatz, der früher zwischen Anaeroben und Aeroben angenommen wurde, beseitigt; die Anaeroben sind Bakterien, die auf eine minimale Sauerstoffspannung abgestimmt sind; sehr nahe stehen ihnen unter den Aeroben die WiNOGRADSKYSchen^" roten Schwefelbakterien. Dabei aber ist die Möglichkeit der Existenz in (wenn auch vielleicht in so voll- kommenem Grade nur zeitweise) absoluter Anaerobiose gleichfalls sicher festgestellt. Um die biologische Bedeutung der Anaerobiose zu verstehen, muss man sich die Rolle des Sauerstoffes im Lebensprozess klar machen; hierbei möge an Pfli'gersI" Versuche über C02-Ausscheidung von Fröschen in reinem Stick- stoff erinnert werden, durch welche einwandsfrei die Möglichkeit der I'ortdauer des Lebensprozesses bei völligem Sauerstoffabschluss auch für höhere Lel)ewesen nachgewiesen wurde. Der Sauerstoff spielt eben keineswegs, wie früher öftei'S irrig angenommen, im Lebensprozess die erste Rolle; das Primäre am Lebens- prozess ist nicht eine Oxydation, sondern eine Spaltung (vgl. oben S. 73). Die Rolle des Sauerstoffes, bei der weitaus überwiegenden Mehrzahl aller Lebewesen, besteht nun darin, dass er mit den durch die intramolekulare Atmung erzeugten Allgemeine Morphologie und Biologie ii. s. w. 79 Teilstücken des lebenden Moleküls sich verbindet und diesell)en rasch bis zu ein- fachsten Produkten [U^O, CU-j) heral) verbrennt, wodurch sehr bedeutende Mengen von Energie erzeugt werden. Bei Fehlen des Sauerstoftes und der durch sein Ein- greifen erzeugten Energiemengen vermag bei den allermeisten (den aeroben) Lebewesen das Leben mangels Energie nicht dauernd fortgeführt Averden. Die zu anaerober Existenz befähigten Spaltpilze aber sind dazu imstande, sei es, dass bei ihnen der primäre Bpaltungsprozess so verläuft, dass er an sich genügende Energiemengen zu liefern vermag, — sei es, dass für den Sauer- stofl' vikariierend andere Energiequellen eintreten. Als solche sind zu nennen Gärthätigkeit und Reduktionsvorgänge. Von der ersteren nahm man sogar früher, nach der von Pasteur^^ und NägeliI*'' verfochtenen Theorie der Gärung, an, dass sie mit der Anaerobiose notwendig verknüpft sei; Anae- robiose sei nur bei gleichzeitiger Entfaltung von Gärthätigkeit möglich — und Gärung sei Leben ohne freien Sauerstoff. Diese PASTEUiische Gäruugstheorie ist (wenigstens in ihrer ursprünglichen Fassung) nicht mehr haltbar, nachdem einerseits durch Liborius^'"* nachgewiesen ist, dass sowohl o))ligate wie fakul- tative Anaeroben (z. B. der Bac. oedemat. maligni, der Tetanusbacillus , der Typhusbacillus) trefflich ohne jede Gärthätigkeit gedeihen können, — und nachdem andererseits für die Gärungsprozesse erwiesen war, dass dieselben keineswegs stets nur unter Luftabschluss zustande kommen und sogar oft durch Sauerstoözutritt gefördert werden (betr. dieser Verhältnisse, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, vgl. Flügges > Mikroorganismen <, 3. Aufl., Bd. I, S. 268 f.). Für viele Fälle hingegen ist die PASTEURsche Theorie durchaus zutreffend, so z. B. für den Bac. lactis aerogenes Escherich sowie für den Rauschl)randbacillus (Th. Smith 20)^ bei denen die Gärthätigkeit eine unerlässliche Vorbedingung für sein anaerobes Wachstum darstellt. — Die begünstigende Wirkung reduzierender Substanzen im Nährmaterial auf die Entwickeluug der Anaeroben wurde von Kitasato et Weyl 2 1 erkannt : besonders geeignet fanden sie ameiseusaures Natron, indigosulfosaures Natron und Eikonogeu (Amido- Naphthol- Monosulfosäure) ; umgekehrt wirkten Oxy- dationsmittel auf Anaeroben schon in Konzentrationen, die auf aerobe Bak- terien keinerlei hemmenden Einfluss hatten. Vgl. ferner unten die Versuche von Trenkmasn22 iiber den begünstigenden Einfluss des H2S und des Na2S, sogar in oflenen Kulturgefäßen. Allgemein bekannt und empfohlen ist ferner der begünstigende Eiufluss des Traubenzucker-Zusatzes zum Nährboden; doch machten neuerdings Ucke 2:^ und v. Hibler'^^ darauf aufmerksam, dass auf zuckerhaltigem Nährboden die Sporenbildung der Anaeroben leidet und eine bedeutende Tendenz zur Bildung von Degenerationsformen und zur Schwächung der Kultur (wahrscheinlich infolge der eintretenden Säuerung) besteht. Für manche Bakterien ist ein Gehalt des Nährbodens an reduktionsfähigem Material unumgängliches Erfordernis für anaerobe Existenz, so für den Bac. prodigiosus, der nach PvITTER^s mit Pepton allein bei Luftabschluss nicht auskommen kann, sondern einer zweiten C-Quelle in Gestalt von Zucker bedarf. Hingegen ver- mag nach Chudiakow^ der Tetanusbacillus mit Pepton allein sich genügend zu ernähren. Bei derartigen Versuchen muss man sich vor einer Fehlerquelle hüten, auf die zuerst Th. Smith 2'"' hingewiesen hat; der zur Herstellung der Nährböden verwendete Fleischsaft enthält nämlich gewöhnlich Zucker; um ganz zuckerfreie Bouillon zu erhalten, muss man nach Smiths Vorschlag dieselbe zuerst kurze Zeit durch Bact. coli vergären lassen ; noch besser eignet sich hierzu ein von Weiss isolierter Bacillus (zitiert nach Ritter25), der aiis- schließlich den in der Nährlösung enthaltenen Zucker verzehrt und die übrigen Nährstoffe intakt lässt. — ■ 80 E. Gotschlich, In der Natur und im infizierten Organismus werden die für die anaeroben Bakterien erforderlichen Existenzbedingungen in sehr verschiedener AYeise geschaffen. Beim natürlichen Infektiousmodus, z. B. beim Tetanus, gelangen die pathogeuen Anaeroben in tiefe Wunden (besonders Stichwunden), wo der Luftsauerstoft" keinen Zutritt hat und sie sich ungestört entwickeln können. In der Außenwelt (im Boden, in Fäulnisgemischen u. s. w.) wird den Anaeroben der Weg geebnet meist durch Symbiose mit aeroben Arten. Schon Pasteuk wies darauf hin, wie durch die an der Oberfläche eines Fäulnisgemisches in Form eines Häutchens Avuchernden Mikroben der gesamte Sauerstoff der Flüssigkeit verzehrt und jeder weitere Sauer- stoffzutritt unmöglich gemacht werde; erst dann beginnen die Anaeroben in der Tiefe ihr Werk; Bienstock^^ bestätigte dies durch exakte Ver- suche mit Reinkulturen (worüber vgl. mehr unter »Fäulnis«). Ferner ist in den letzten Jahren von Kedrowski^s und Sciioltz^^ nachgewiesen worden, dass auch streng anaerobe Bakterien in flüssigen Nährböden, in offenen KulturgefäBen, ohne Luftabschluss gezüchtet werden können, wenn sie in der Nährlösung mit beliebigen aeroben Saprophyten zu- sammen wuchern; selbst langsame beständige Durchleituug von Sauer- stoff vermag das Wachstum nicht aufzuhalten; dagegen sistiert das Wachs- tum bei sehr energischer O2- Durch leitung (5 Liter per Stunde auf 5 bis 10 cm Nährbouillou!). Nach Scholtz ist hierbei die Sauerstoffverzehrung seitens der Aeroben das einzig Wirksame, da die Art der Aeroben für das Gelingen des Versuches prinzipiell gleichgültig ist und nur insofern in Betracht kommt, als das Resultat um so günstiger, je rascher das Wachstum der betr. Aeroben; bei Symbiose mit Tuberkelbacillus und Actinomyces ist die Entwicklung der Anaeroben am langsamsten und er- folgt zuerst ausschlieülicli im Innern der Actinomyces-Knöllchen selbst. Kedrowski jedoch glaul)t daneben noch eine » Fermentwirkung < annehmen zu müssen, da auch abgetötete Aeroben den Anaerol)en den gleichen Dienst leisten; nach Tkenkmanns^s Versuchen über den begünstigenden Ein- fluss des H2S bei Züchtung anaerober Bakterien unter Luftzutritt, ist Kedrowskis »Ferment- (das sich zudem bei Bruttemperatur leicht ver- flüchtigte!) höchst wahrscheinlich identisch mit H2S. — Aehnlich, wie in diesen Versuchen die Symbiose mit andern Bakterien, können in an- deren Fällen die eigenen St off Wechsel]) rodukte der Anaeroben ihnen den Weg bereiten. Hierher gehören die Beol)achtungen von Novy^", Kitt 31, Braatz-'^ über das Wachstum der Anaeroben in Reinkultur in flüssigen Nährmedien bei Luftzutritt; wie Kitt fand, empfiehlt es sich, möglichst große Mengen von Bouillon und eine möglichst reichliche Ein- saatmenge zu nehmen; auch soll die Nährlösung möglichst frisch sein, was V. Hibler2* bei aerober Züchtung des Tetanusbacillus in Hasenblut bestätigen konnte. Der Vorgang ist dabei nach Schultz 29 in der Weise 7A\ erklären, dass die Anaeroben zuerst im Innern des eingesäten Kultur- bröckchens oder ganz am Grunde des großen Kulturgefäßes annähernd vollständige anaerobe Bedingungen finden und dann allmählich mit ihren Stoff\vechseli)rodukten mehr und mehr die Kulturflüssigkeit imi)rägnieren und so schließlich bis an die Oberfläche hin alle Luft verdrängt haben ; so erklärt sich auch, durch Imprägnierung des Nährbodens mit H2S, das vortreffliche Wachstum der Anaeroben auf dem v. HiBLERSchen sauren Gehirunährboden unter scheinbar aeroben Bedingungen. — Endlich wird in der Natur den Anaeroben auch ihre oben erwähnte An- passungsfähigkeit an relativ aerobes Wachstum oft sehr zu statten kommen. Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 81 Die direkte Gasatmung der aeroben Bakterien, die ganz wie bei höheren Lebewesen, aus CO2- Abgabe und Sauerstoffaufnahme besteht, ist gelegentlich von Lübbert^'^ und in umfangreicher Weise von Hesse 3^ unter- sucht worden. Es ergab sich, dass die Intensität des Gaswechsels der Ge- schwindigkeit des Wachstums und der Vermehrung parallel geht und bei optimalen Versuchsbedingungen am stärksten ist. Unter gleichen Versuchs- bedingungen sind die Kesultate bei der gleichen Art konstant: verschiedene Arten dagegen zeigen starke und oft recht charakteristische Verschiedenheiten. Besonders bemerkenswert ist die Thatsache, dass weit mehr O2 aufgenommen Avird, als in der ausgeschiedenen CO2 erscheint; das Plus an SauerstoÖ" wird zu plastischen Zwecken verwandt (Aufbau der Bakterienleiber), wie auch daraus hervorgeht, dass die Größe der Sauerstoffretentiou mit der Intensität der CO2 -Ausscheidung parallel geht und während der Zeit des stärksten Wachstums den höchsten Wert erreicht. — ■ Anaerobe zeigen gleichfalls CO2- Abscheidung, die aus der »intramolekularen Atmung«, der primären Spaltung des lebendigen Plasma ohne Mitwirkung äußeren O2 herrührt. — Scheurlen-^.t machte auf die Möglichkeit aufmerksam, dass die in Hesses Versuchen auf- getretene CO2 -Abscheidung vielleicht nicht von der Atmung der Bakterien herrühre, sondern aus der (zur Neutralisation des Agar) verwendeten Soda (durch saure Stoffwechselprodukte) abgespalten sein könne; nach Hesse 3« ist jedoch die abgeschiedene COo -Menge viel größer als diejenige, die aus der Soda stammen könnte: auch wäre Scheurlens Annahme in keiner Weise imstande, weder die funktionelle Abhängigkeit des Gaswechsels von der Wachs- tumsenergie, noch auch die Thatsache der Sauerstoff- Retention zu erklären. Noch sei hier der von Pfeffer-'^ festgestellten bemerkenswerten Er- scheinung gedacht, dass farbstoffbildende Bakterien den Sauerstoff locker zu binden vermögen (ähnlich wie das Hämoglobin) und ihn im sauerstofffreien Raum wieder abgeben. Der Träger dieser Erscheinung ist der Farbstoff, der die gleiche Wirkung auch isoliert, im alkoholischen Extrakt, zeigt, während bei farblosen Bakterien ein Gleiches noch nie beobachtet ist. Die Farbstoff bildung, die bisher nur mehr als eine gewisse Luxusproduktion erscheint, erscheint hiernach vielleicht in einem für die Art ungleich zweck- mäßigeren Sinne, indem sie vielleicht die Bedeutung hat, dem betr. Bakterium eine stets bereite Sauerstoffreserve zu sichern. Litteratur. 1 ExGELMANN. Botan. Zeitung, 18S1. 441; 1882, 3:38: 1888. 69G. — 2 Beijerinck, Centralbl. f. Bakt., I. Abt.. Bd. 14. 8:37. 1893. — 2. Obici, ebd., I. Abt., Bd. 19. Nr. 9/10. 1896. — 3 BoLLEY. ebd.. IL Abt.. Bd. 6, m. 19U0. — * Chudiakow russisch , ref. ebd.. IL Abt.. 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Bakt., I.Abt., Bd. 24, S. 28. — iFFLEKS Vorschrift am besten das (mit Traubenzucker versetzte) Kälberserum, nach Joosi'-' noch besser Schweine-, nächstdem Pferdeserum eignet; Deycke'-" empfiehlt 86 E. Gotschlich, zu gleichem Zweck einen künstlich mit Pankreassaft verdauten Alkali- albuminatnährboden. Selbst bei Arten, die sonst nicht sehr anspruchsvoll in ihrer Ernährung sind und auf den verschiedensten einfachen Substraten fortkommen , finden sich solche spezifische Begünstigungen oder Hem- mungen durch bestimmte Eiweißkörper; so wächst nach Deycke der Choleravibrio auf Alkalialbuminatnährboden auffallend üppig, während Streptococc. erysipelat. darauf gar nicht fortkommt. Desgleichen wirkt »Nährstoff Heyden« (ein Gemenge verschiedener Albuminosen) spezifisch begünstigend auf das Wachstum von Tuberkelbazillen, wie zuerst Hesse^i fand und wie dann von Soudern'-'^^ Bronstein^', Jochmanm'^^ und C. Fränkel^s bestätigt wurde. Hier mag auch der zahh'eichen Versuche gedacht werden, durch Verwendung bestimmter Organe oder Organextrakte zur Nährbodenbereitung spezi- fische Wirkungen auf pathogene Mikroorganismen, und womöglich diflerential- diagnostisch verwendbare Verschiedenheiten zwischen verschiedenen Arten zu erreichen. Begünstigende Wirkungen wurden hierbei ziemlich selten kon- statiert, so von Cantani ^^ '' die Wachstumsförderung von Gonokokken, Tuberkel- und Intluenzabazillen durch Sperma und Hodensaft des Rindes, so von Römer 2*^ und Ficker27 ^^y begünstigende Einfluss des Mucins (ausgestrichene Sputum- teilchen) auf die Eutwickelung der Tuberkelbazillen ; ferner von Ficker^" und V. HiBLER ^^ die bedeutende Begünstigung der Tuberkelbazillen und verschiedener Anaeroben auf Gehirnnährböden. Viel häufiger wurden auf solchen Organ- extraktnährböden Entwickelungshemmung (und zwar verschiedenen Arten gegenüber oft in sehr verschiedener Weise) beobachtet; so von Triolo^'» und Sanarelli28^ im Mundspeichel, von Ahlstrüm^ö^ Berkheim'^o^ Bach^i in Thränenflüssigkeit, von Heussen-^s^ Kopp-'s, Kotlar^^, Wroblewski '■», Livingood''6j 6. Mayer 37 in Nieren-, Thyreoidea-, Pankreas-, Nebennieren- Milzextrakt-, Gallen- und Speicheldrüsen -Nährböden; häufig Avurde hierbei konstatiert, dass der entwickelungshemmende Einfluss beim Kochen der Organ- nährböden verschwand, — ein Umstand, der diese Erscheinungen den an anderer Stelle dieses Handbuchs zu beschreibenden bakterienfeindlichen Eigen- schaften der Körpersäfte annähert. Nächst den eigentlichen Eiweißkörpern kommen für die Stickstoft- ernährung der pathogenen Mikroorganismen hauptsächlich Peptone rmd Leimsubstanzen (beide bekanntlich allgemein in den künstlichen Kultur- medien angewandt) in Betracht. Mit Hilfe der peptouisierenden Fermente (vgl. unten) können auch die Bakterien selbst nicht-dittusible Eiweißstoffe spalten und der Assimilation zugänglich machen. — Sehr bemerkenswert ist nun aber, dass die pathogenen Bakterien, obgleich doch dem eiweißreichen Nährboden des infizierten Organismus angepasst, auch in Nährlösungen zu wachsen vermögen (und oft sogar zu üppiger Eutwickelung gelangen), die gar keine Eiweißsubstauzen oder eiweißähnliche Körper enthalten, sondern die den Nährstoff lediglich in Form einfacher, ihrer chemischen Konstitution nach wohl gekannter (und der künstlichen Synthese aus den Elementen zugänglicher) chemischer Verbindungen darbieten. Hierzu eignen sich am besten Amidosäuren und Amide (Leucin, Asparagin), die ja auch integrierende Bestandteile des Eiweißmoleküls sind; insbesondere hat das Asparagin in der sogen. UscHiNSKYSchen^*^' eiweißfreien Nähr- lösung Verwendung gefunden, in der eine große Anzahl pathogeuer Mikro- organismen leicht zur Eutwickelung zu bringen ist; das ursprüngliche Rezept derselben (1^^ milchsaures Ammoniak, 0,34^ Asparagin, 4^ Glycerin, 5^ NaCl, 0,1^ K2HPO4, 0,02^ MgS04, 0,01^ CaCy Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 87 wurde später von C. Fränkel-'-^ vereinfacht 10,4,^ Asparagin, 0,6 >; milchsanres Ammoniak, 0,5 ^ NaCl, 0,2 ^ K2HPO4;. — Kreatinin wurde von LÜBBERT^" als diejenige einfachste Verbindung erkannt, die für den Staphylococc. pyogen, aureus gleichzeitig als C- und N-Quelle dienen kann. — Sorgt man jedoch für eine Deckung des C- Bedarfs aus einer besonderen stickstoiflosen Verbindung (vgl. weiter unten), so kann man als N-Quelle noch weit einfachere Verbindungen darreichen. So erzielten PiiOSKAüER & Beck'^ beim Tuberkelbacillus (nachdem schon Kühne 'i denselben in einer kompliziert zusammengesetzten eiweißfreien Nähr- lösung gezüchtet hatte) Wachstum in folgender einfachster Nährlösung: 0,35 % käufliches Ammoniumkarbonat, 0,15 ^ Monokaliumphosphat, 0,25 X MgS04, 1,5^ Glycerin; charakteristisch für die spezifischen Artverschiedenheiten in der Ernährung ist auch die Thatsache, dass viel höhere organische N-haltige Stoffe, die für andere Mikroben treft'lich ver- wendbar sind (Harnstoft' und seine Derivate, — die Substitutionsprodukte der Amidosäuren, als Sarkosin, Hippursäure) zur Ernährung des Tuberkel- bacillus sich als durchaus untauglich erwiesen. — Ferner gelang es VoGES & Proskauer^2, die zahlreichen Arten der Bakterien der hämor- rhagischen Septikämie mit Ammonsulfat als einziger N-Quelle zu züchten. — Bisweilen ergaben sich durch solche Züchtungsversuche auf möglichst einfachen Substraten auch diflfereutial-diagnostisch verwertbare Momente; so vermag, nach Capaldi & Proskaüer^-^, Bact. coli in eiweißfreier Lösung trefflich zu wachsen, während der Typhusbacillus nur kümmer- lich darin gedeiht; dagegen findet der letztere besonders gute Ernährungs- bedingungen in einer Lösung von 2^ Pepton. Witte mit 1,1 — 0,2;^ Mannit, und kommt darin sogar rascher fort als fJact. coli. — Cyan- verbindungen und Nitrate sind als Nährstoffe für Bakterien absolut un- verwendbar. Was die stickstofffreien Nährstoffe anbelangt, so ist schon erwähnt, dass viele Bakterien in geeignetem N- haltigen Nährsubstrat keiner solchen bedürfen, sondern ihren C-Bedarf gleichzeitig mit ihrem N-Bedarf aus der gleichen Verbindung decken; so Cholerabazillen in Peptonwasser, so der Tetanusbacillus bei ausschließlicher Peptonernähruug (Ciiudiakow^^). Andere Bakterien bedürfen jedoch durchaus einer eigenen C-Quelle; als solche sind insbesondere Kohlehydrate und Glycerin zu nennen. Für den Tuberkelbacillus ist Glycerin ein fast unentbehrlicher Nährstoff; am ehesten können noch Stärke und Fruchtzucker dafür ein- treten. Organische Säuren sind nach Maassen'^' für Typhus- und Koli- bazillen. Pfeifferschen Kapselbacillus und auch (aber nur bei gleichzeitiger Anwesenheit von Glycerin) für den Tuberkelbacillus treft'lich verwendbar; dagegen nur wenig geeignet für Diphtheriebazillen und ganz ungeeignet für Milzbrandbazillen. Von elektivem Verhalten sei erwähnt, dass der Typhusbacillus Tricarballytsäure verwenden kann, was Coli nicht vermag (Maassen) ; vor allem sei hier noch kurz der zuerst von Pasteür^^ ent- deckten Spaltung optisch inaktiver Verbindungen (z. B. der Trauben- säure) gedacht, bei der die eine optisch aktive Komponente (die Rechts- Weinsäure) völlig aufgezehrt und die andere (die Links-Weinsäure) übrig bleibt ; Litteratur über solche Spaltungen racemischer Verbindungen siehe bei WiNKLER^'\ — Fette werden durch viele pathogene Mikroorganismen gespalten, wobei dann das Glycerin als Nährmaterial ausgenutzt wird (v. SoMMARUGA^'); anderseits kommt bei hohem Fettgehalt des Nährbodens Entwickelungshemmung zustande (Maneredi^*'], durch die sich vielleicht das spontane Absterben pathogener Bakterien in den fettig degenerierten 88 E. Gotschlich, Produkten der durch sie gesetzten Krankheitsherde erklärt. Lanolin fand GoTTSTEiN^'^ völlig- unverweudbar für Bakterien. Lezithin erwies sieh als wachstumsbegUnstig-end besonders für den Milzbrandbacillus (P0DWY8SOTZKI & Taranuchin^") , auch für Diphtherie- und Tuberkel- bazillen (Makpmaxn^i) ; durch Kochen der lezithinhaltigen Nährböden geht die begünstigende Wirksamkeit verloren. Die zur Ernährung der pathogenen Spaltpilze erforderlichen mine- ralischen Bestandteile sind oben bei den Angaben über eiweißfreie Nährlösungen erwähnt ; entsprechend ihrem Ueberwiegen als Bestandteil der Bakterienasche, spielt die Phosphorsäure die erste Kolle; Chloride fanden Proskauek & Beck^ beim Tuberkelbacillus ganz entbehrlich, desgleichen Kalksalze bei anderen Bakterien (Loew''^). Zwischen Co und Mg einerseits, K und Na andrerseits scheint nach Kappes ^ eine wechselseitige Vertretung möglich zu sein. Auch gegenüber den Salzen ist elektives Verhalten beobachtet, indem der Cholerabacillus insbesondere die leichtlöslichen Erdalkalisalze der Nährlösung- aufnimmt (R. Kauf- mann ^3^. Auch sind nach Voges^^^ Natriumsalze für das Wachstum des Cholerabacillus weit günstiger als K.- Salze. Ein geringer Eisen- zusatz soll bisweilen begünstigend wirken (Uschinsky-^^''). IV. Konzentration und Reaktion des Nährsubstrats. Die Konzen- tration des Nährbodens kann innerhalb ziemlich weiter Grenzen schwan- ken; doch sind die Bakterien im allgemeinen viel mehr befähigt in sehr verdünnten Nährlösungen zu wachsen, als auf sehr konzentriertem Sub- strat; auf letzterem tritt leicht Entwicklungshemmung ein, weshalb Wasserentziehung, wie bekannt, ein vortreffliches Konservierungsmittel für fäulnisfähige organische Substanzen bildet; dagegen vermögen Schim- melpilze noch auf sehr konzentriertem, oberflächlich eingetrockneten Substrat zu wuchern. Was die obere Grenze der zulässigen Konzen- tration anbelangt, so kommt es sehr auf die chemische Natur der in so starken Mengen anwesenden Substanz an; so fand Kappes ** bei einer Steigerung des Peptongehalts über 5^ uiad des Fleischextraktgehalts bis 7,5^ schon völlige Wachstumshemmung bei einem Gesamttrockengehalt des Nährbodens von 25^, während L. Wülf-^^ auf Nährböden, in denen die abnorm hohe Konzentration durch Gelatine oder Agar bewirkt war, Cholera-, Typhus- und Milzbrandbazillen noch bis bO% Trockensubstanz gedeihen und das Wachstum erst bei 60^ sistieren sah. Den Staphylo- cocc. pyogen, aureus sah Lübbert^o noch bis 48^ Rohzuckergehalt ge- deihen (und andererseits bis hinab zu 0,3^ gelöster Stoffe!); beim Milz- brandbacillus beobachtete Schreiber ^'^ folgende Maxima, die nicht über- schritten werden durften: Traubenzucker 15^, Maltose 6^, Glycerinö^, Fleischextrakt 12^^, Kaliumphosphat 3^ (Minimum 0,1;^), Maguesium- sulfat 2^ (Minimum 0,05^) u. s. w. Gegen hohe Konzentrationen von Kochsalz sind viele Bakterien sehr unempfindlich (Mazu.schita^'^j; Lach- ner-Sandoval^' beobachtete eine Streptothrix, die noch bis 16^ NaCl schwaches Wachstum zeigte; die »salzliebenden« Bakterien Lamberts^* wachsen noch üppig bei 20;^ NaCl-Gehalt. — Von interessanten Art- dififerenzen betr. das Wachstum in sehr verdünnten Lösungen sei er- wähnt, dass der Cholerabacillus noch in 30—40 fach verdünnter Bouillon gut wächst, während der Pestbacillus schon bei einer Verdünnung von 1 : 3 erhebliche Beeinträchtigung erkennen lässt und in 10 fach ver- dünnter Bouillon überhaupt nicht mehr wächst. (Bericht d. Deutscheu Pestkommission. — Arb. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamt. Bd. 16, S. 259). — Allgemeine Mori)hologie und Biologie u. s. w. 89 Was die Keaktioii des Nährsubstrats aiibelaugt. so ist im allge- meinen eine schwache Alkalescenz den pathogenen Bakterien am zu- träglichsten; Soda ist für die meisten Arten zuträglicher als Aetznatron (Deelemax^-^); nur der Milzbrandbacillus zeigt das entgegengesetzte Verhalten. Sehr starken AlkaliUberschuss verträgt der Clioleravibrio (Hesse "^^j, der noch auf Nährböden von so hoher Alkalesceuz wächst, dass Curcumapapier deutlich gebräunt wird. Das Optimum und die Grenzwerte der alkalischen und sauren Reaktion sind vielfach bestimmt; vgl. bei LüBBEKT-i^', Deelemax-^'', Cobbett'^1, Schreiber'''', Laitixex'^^^ sowie im speziellen Teil bei den einzelnen Bakterienarteu ; auch an widersprechenden Angaben, insbesondere betr. den Gonococcus, fehlt es nicht. — Neutrale Keaktion stellt nach Wladimiroff & Kreslixg^'-^ fi^. de^ Pestbacillus das Optimum dar. — Saure Reaktion ist vorteilhaft für Typhusbazillen (Uffelmaxn''^) und Tuberkelbazillen (wie neuerdings insbesondere von Ficker^" festgestellt und von Jochmaxx'''^ bestätigt); ferner seien die sog. »acidophilen« (besser »säure widerstandsfähigen«) Bazillen des Säuglingsstiüils erwähnt (Finkelsteix f''', Rodella''") die noch bis zu einem Gehalt von 0,5 — \% Essigsäure gedeihen. Ueber- haupt ist die Säureemplindlichkeit der pathogenen Bakterien gar nicht so groß als mau früher annahm; unter zahlreichen untersuchten Arten fand Schlüter""^ nur beim Erysipel- Streptococcus Schädigung selbst durch die kleinsten Säuremengeu; auch der Choleravibrio geht schon in sehr schwach sauren Lösungen zu Grunde (Hesse ''•'). Sehr eingehende Untersuchungen und tabellarische Zusammenstellungen über die Empfind- lichkeit zahlreicher Arten gegenüber Säuren, Alkali und einigen anderen Substanzen bei Fermi'''*. — Das verschiedene Verhalten der einzelnen Arten gegenüber der Re- aktion des Nährmediums wird vielfach in difterential-diagnostischer Hin- sicht verwertet, indem mau zur Herauszüchtung der spezifischen Arten aus Gemischen Nährböden von einer stark abweichenden Reaktion wählt, auf denen die gesuchte Art trefflich fortkommt, während andere Bak- terien mehr oder minder gehindert werden ; so benutzt man zur Cholera- diagnose stark alkalische, zur Typhuskultur saure Nährböden. — Litteratur über Ernälirimg der pathogenen Bakterien. I. Bakterien im Hungerzustand, i Ficker. Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 29. 1898. — ^ London. Arch. d. sciences biol.. Petersbourg 1897, VI, p. 71. — 3 GoTSCHLiCH & WeiCtAng, Zcitschr. f. Hyg. u. Inf.. Bd. 20, 1895. IL Allgemeines über Ernährung. * Loew, Centrcalbl. f. 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Wochenschr., 1900, Nr. 16. — <" Rodella, Centralbl. f Bakt., I. Abt, Bd. 29, 717. 1901. — <« Schlüter, ebd., Abt. I, Bd. 11, 589, 1892. — fi" Fermi, ebd., Abt. I, Bd. 23, 208 u. 266, 1898. G. StofFwechselprodukte der pathogenen Bakterien. I. Allgemeines. Die Kenntnis der Stoffwecliselprodukte der patho- genen Bakterien ist aus mehreren Gründen von ganz besonderem prak- tischen Wert. Erstens ermöglicht dieselbe vielfach eine Erkenntnis der pathogenen Wirksamkeit der Bakterien im infizierten Organismus; dies gilt vor allem von den giftigen Produkten der Bakterien, die wegen ihrer besonderen Bedeutung in einem eigenen Kapitel dieses Handbuchs abgehandelt werden. Ferner bietet die Kenntnis der Stoffwechsel- produkte ein vortreffliches Hilfsmittel zur Unterscheidung nahe verwandter Arten; zumal nachdem in neuerer Zeit fast für jeden einzelnen pathogenen Mikroben eine ganze Keihe verwandter Arten be- kannt geworden ist, die sich durch rein morphologische Merkmale schwierig oder gar nicht von den pathogenen Repräsentanten der Gruppe unterscheiden lassen (Choleravibrio und clioleraähnliche Vibrionen, Ty- phus- und Kolibazillen, Bazillengruppe der hämorrhagischen Septikämien), hat man mehr und mehr die Wichtigkeit biologischer Unterscheidungs- merkmale zu schätzen gelernt. Auch hier bieten sich indessen einige Schwierigkeiten dar. Erstens ist nur in den allcrseltensten Phallen ein Stoffwechselprodukt oder eine chemische Reaktion für sich allein nur für ein bestimmtes Bakterium charakteristisch (abgesehen von der an anderer Stelle dieses Werkes zu besprechenden spezifischen Immunitäts- reaktion) ; fast immer liegt die Sache so, dass eine gegebene chemische Wirkung einer ganzen Reihe von (unter sich sehr verschiedenen) Arten Allgemeine Morphologie und Biologie n. s. w. 91 zukommt, und class andererseits eine gegebene Pjakteriens])ecies sich durch ^ieltaltige Stottwechselprodukte und chemische Eeaktionen aus- zeichnet. Es ist daher meist nicht eine einzelne Reaktion oder ein einzehies Produkt, sondern vielmehr das gleichzeitige Nebeneinandersein verschiedener Produkte und chemischer Wirkungen, in Verbindung mit dem sonstigen Verhalten (Wachstum bei verschiedenen Tem])eraturen, Kolonieformen etc.), worauf die Charakteristik einer Bakterienspecies beruht. Oft ist auch gerade das Fehlen bestimmter Stoifwechselpro- dukte für eine Art charakteristisch, so für den Tj^phusbacillus der nega- tive Ausfall der Indolreaktion. — Zweitens erhebt sich die Frage, ob auch die Stotfwechselprodukte bei jeder Art genügend konstant sind, um darauf die Charakteristik der Art zu gründen. Hierbei ist zunächst zu bemerken, dass die Bildung gewisser Stotfwechselprodukte nicht notwendig mit dem Leben und Wachstum eines gegebenen Bakteriums verknüpft sind, sondern nur unter ganz bestimmten Versuchsbedingungen erfolgt (vgl. z. B. weiter unten über die Abhängigkeit der Farbstort'bildung von gewissen Tem- peraturverhältnissen und von der Anwesenheit bestimmter Nährstoffe, über die Beziehungen zwischen Säurebildung und Anwesenheit von Zucker im Nährmaterial; selbstverständlich sind auch insbesondere die Gärwirkungen notwendig an das Vorhandensein gärfähigeu Materials gebunden), sind diese speziellen Bedingungen nicht erfüllt, so erfolgt zwar Wachstum das Bakteriums, aber ohne Bildung der Ijetreffenden charakteristischen Stoffvvechselprodukte. Jedoch ist in solchen Fällen doch immer die Variationsbreite, sowie die Art der Abhängig- keit von bestimmten Bedingungen konstant und kann differeutial- diagnostisch verwendet werden; man hat dann nur streng auf die Ein- haltung bestimmter Versuchsbedingungen zu achten. — In anderen Fällen tritt unter dem Einfluss schädigender Momente (z. B. ungenügende Ernährung, Luftabschluss etc.) eine temporäre Behinderung oder sell)8t Unterdrückung der Produktion gewisser charakteristischer Stoffwechsel- produkte ein, wobei jedoch nach Wegräumung der äußeren schädigen- den Einwirkung (z. B. durch einfache Uebertragung auf frisches Kultur- substrat unter günstigen Lebensbedingungen) der ursprüngliche Art- charakter sofort wieder hervortritt; auch diese Erscheinungen einer vorübergehenden Abschwächung gewisser Funktionen unter un- günstigen Verhältnissen vermag der Bedeutung und praktischen Ver- wendbarkeit der Stoffwechselprodukte für die Differential - Diagnose keinerlei Eintrag zu thun. — Wirkliche Schwierigkeiten entstehen nur in den (immerhin relativ seltenen) Fällen von echter Ras senbil düng oder Umzüchtung, wo einzelne bisher charakteristische Funktionen der betreffenden Bakterienart dauernd verloren gehen, oder, (was aller- dings noch viel seltener ist), wo ganz neue Eigenschaften durch An- passung erworben werden. — Vgl. darüber im Kapitel -Variabilität«. Ihrer physiologischen Dignität und Herkunft nach sind die aus einer ge- gebenen Kultur isolierbaren StofiVechselprodukte sehr verschiedener Natur. Teils handelt es sich um Restbestandteile des Nährmaterials, die von den Bakterien als unbrauchbar übrig gelassen wurden; teils sind es echte Sekrete von einer bestimmten physiologischen Funktion (insbesondere die von vielen Arten gebildeten isolierbaren Fermente, die das Nährmaterial durch hydrolytische Spaltungen zur Assimilation geeignet machen); teils haben wir endlich echte Exkrete der Bakterienzellen vor uns, die für die letzteren nicht nur völlig un- 92 E. Gotschlich, verwendbar sind, sondern bei stärkerer Anhäufung im Kultursubstrat direkt schädigende Wirkungen entfalten. Zu den echten Exkreten gehört insbesondere die COo, die als StoftVechselprodukt bei allen untersuchten Arten aufgefunden Avurde und die auch für kein pathogenes Bakterium als Nährstoff dienen kann. Dagegen sind in vielen anderen Fällen Stoffe, die von einer Art als unverwendbare und selbst schädliche Exkrete ausgeschieden Averden, für andere Arten Avieder aufs neue als Nährstofle verAvendbar; diese Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit im chemischen Verhalten der Bakterien spielt in der Natur in Mischkulturen eine große Rolle (vgl. Kapitel »Vitale Konkurrenz«,; auch Avird es durch diese für die Bakterien außerordentlich ZAveckmäßige Ein- richtung verständlich, wie so manche Arten mit minimalsten Spuren von Nähr- stoffen (wie sie sich z. B. im »reinen« destillierten Wasser finden) ihr Aus- kommen finden. Ganz Ijesonders gilt dieses sparsame und zweckmäßige Ver- halten für die stickstofi'haltigen Ausscheiduugsprodukte; dieselben werden fast immer in einer Form ausgeschieden, dass sie für andere Arten (nach geringen Aveiteren Veränderungen Avahrscheinlich sogar für dieselbe Art) Avieder ver- Avendbar sind. Zu den relativ seltenen Fällen, avo stickstofl'haltige Exkrete in Avirklich Aveiterhin völlig unverAvendbarer Form, z. B. als freier Stickstoft", ausgeschieden Averden, gehört die Denitrifikation (vgl. darüber Flügges »Mikroorganismen« 3. Aufl., Bd. I, S. 155 und 261); von pathogenen Bak- terien zeigen z. B. Typhus- und Kolibazillen Entwicklung freien Stickstofls in nitrathaltigen Peptonlösungen (Grimbert^, Hugounency & Dogon^jj doch ist es noch fraglich, ob die freigCAvordene N,j wirklich als echtes Exkret der Bakterienzelle aufzufassen sei, oder ob es nicht vielmehr einer Avechsel- seitigen Einwirkung anderer StoflfAvechselprodukte (Amide und Nitrite) seinen Ursprung verdankt. -- Nach Perdrix-' spaltet der Milzbrandbacillus aus Ei- Aveißstofl'en feines NH3 ab. — Umgekehrt kommt auch Nitratbildung durch pathogene Keime vor ; so hatte Heraeus ^ ' in 4 fach verdünntem starken Harn positive Befunde bei Milzbrand- und Typhusbazillen sowie beim Finkler- Priorschen Vibrio, — negative Resultate beim Friedländerschen Pneumo- bacillus und Pyocyaneus. Im folgenden Averden nun einzelne Klassen Avichtiger Stoffwechselprodukte und chemischer Reaktionen im speziellen besprochen. IL Redaktionsvorgänge sind bei sehr vielen pathogenen Bakterien konstatiert und kommen Avahrscheinlich allen Arten zu, wenn sie sich bei manchen derselben auch nur au einer oder wenigen bestimmten reduktionstahigeu Substanzen äußern. Die reduzierende Wirkung der Bakterien lässt sich durch Zusatz organischer Farbstofie zum Nähr- material leicht demonstrieren , Avobei durch die Reduktion farblose Leukoprodukte entstehen und der gefärbte Nährboden entfärbt Avird. Um Trugschlüssen in der Beurteilung solcher Entfärbuugsphänomene (die nämlich zuweilen auch auf anderen Ursachen beruhen können) zu ent- gehen, empfiehlt es sich, nach Ehrlichst Vorgang, zum Studium der ReduktionsAvirkungen, nur solche organische Farbstoffe zu benutzen, die »küpenbildend« sind, d. h. bei denen das durch Reduktion entstandene Leukoprodukt durch reichliclien Luftzutritt leicht Avieder reoxydiert und zu dem ursprünglichen Farbstoff regeneriert Averden kann; das Gelingen der »Verküpung bcAveist eben immer, dass man es mit einer reinen Reduktionswirkung zu thun hat. Dieser Bedingung genügen insbesondere Lackmus und Methylenblau, mit denen in der That auch die meisten Versuche angestellt sind. LIittelst lackmushaltiger Glutinlösung wies bereits Helmiiül rz ^ Reduktionswirkungen bei der Fäulnis nach ; an Allgemeine Morphologie und Biologie n. s. w. 93 Reiiikulturen arbeiteten dann Cahkx'', liuciiNEu" und Hkiiuinc; "^ mit lackiniisgefärbten Nährböden. Mit Methylenblau wiesen Si'ixa'', Ba- GINSKY^", PeTKUSCHKY 1^, WURTZ ^2^ KasHIDAI', Rosixl', S.MlTHlS, F. Müller 1"^ mid M. Neisser und WechshergI" Reduktionswirkungen an vielen verschiedenen Bakterienarten nach; vor dem Lakmus hat es die Vorteile leichterer Reduktionsfahigkeit und genau l»ekannter chemi- scher Konstitution voraus, wirkt aber auf manche Arten entwicklungs- hemmend. Von KiTASATO & Weyl^^ wurde Indig(»karmin ( — indig- schwefelsaures Natrium) benutzt; doch bietet gerade dieser Farbstoft" eine Reihe von Nachteilen, indem er nicht nur durch Reduktion, son- dern auch durch Oxydation farblose Produkte liefert (so dass die chemische Deutung der Entfärbung zweifelhaft sein kann (Wolfe i''j, indem es ferner nicht verküi)bar ist und endlich sich schon in sterilen Kultursubstraten sehr rasch zersetzt, so dass haltbare Nährböden mit demselben nicht hergestellt werden können (F. Müller ^^^j. Aehuliche Nachteile kommen auch der von v. Sommaruga-" verwendeten Rosol- säure und dem essigsauren Rosanilin (F. Müller i6) zu. Andere, be- sonders zu ditferential-diagnosti sehen Zwecken in gefärbten Nährböden verwendete Farbstoffe sind: Gentiana- und Methylviolett (IJi'TELMAXx21), Vesurin, Kermestinktur (Roszaiiegyi22), Fuchsin (Gasseu^s)^ Gemische mehrerer Farbstoffe (Nöggeratii^^, Marpmaxn'^^ Mankowsky^b); Roth- berger 2" hat 35 verschiedene Farbstoffe in ihrem Verhalten zu den verschiedensten Reinkulturen untersucht. Mehrfach haben sich bei solchen Versuchen bemerkenswerte und konstante differential-diagnostisch verwendbare Unterschiede ergeben. So ist z. B. nach Rothberger das Neutralrot brauchbar zur Unterscheidung zwischen Bac. typhi und Bact. coli, indem der erstere es unverändert lässt, der letztere hingegen das- selbe unter Aufhellung in einen grünfluoreszierenden Farbstoff" verwan- delt; Sciieffler28 bestätigte dieses Resultat, fand jedoch zugleich, dass die Reaktion für Coli nicht absolut spezitisch ist, sondern auch bei anderen nicht typhusähnlichen Bakterien (aus Kot, Wasser etc.) sich tindet. Nach Cesaris-Dehmel29 und Gorbunoff (zitiert ebenda) unter- scheiden sich Typhus- und Colibacillus scharf durch ihr Verhalten in Lackmus-Leberbrühe; bei 37" zeigt Coli nach 24^ Rotfärbuug und Gärung, Typhus hingegen keine Gärung und Entfärbung mit bläulichem Nieder- schlag; im weiteren Verlauf entfärbt sich dann die Kolikultur und wird schliesslich violett; umgekehrt verfärbt sich die Typhuskultur vom 2. Tag ab rosa, um dann dauernd so zu bleiben. Die Endstadien sind völlig charakteristisch ; zur Verwertung der Anfangsstadien aber müssen bestimmte Versuchsbedinginigen genau eingehalten werden, weil sonst Verwechslungen möglich sind; so folgen die Phasen z. B. in sehr ver- dünnter Leberbrühe (offenbar wegen der rascheren Aufzehrung des Zuckers] viel rascher und schon nach 2-i^ ist die Typhuskultur rosa, die Kolikultur farbios. — Nach Wolff reduziert Bac. typhi Orcein rascher als Coli. — Bemerkenswert ist endlich, dass der Choleravibrio, entgegen dem Verhalten der meisten andern Arten Lackmus viel rascher reduziert als Methylenblau (F. Müller ^f^). — Eine wohl zu beachtende Fehlerquelle ist die reduzierende Wirkung, welche die sterilen Kultur- substrate an sich, ohne jede Mitwirkung von Bakterien, auf gewisse Farbstoffe und unter gewissen Bedingungen ausüben; am widerstandt^- fähigsten sind Lackmus und Methylenblau ; doch auch diese beiden Farb- stoffe werden bei Luftabschluss (im geschlossenen Schenkel eines Gäruugs- röhrchens) entfärbt (Smith ^'^j, besonders durch zuckerhaltige Nährmedien: 94 E. Gotschlich, in ofifenen (nur mit Wattepfropfen verselienen] Reagensgläschen und vor Licht geschützt hingegen sind sie haltbar (F. Müller ^^). — In origineller Weise ist die Reduktionsthätigkeit von Bakterien neuerdings durch Scheurlen-^o undKLErr^i an mit Natrium selenosum oder tellurosum versetzten Nährböden demonstriert worden; durch Re- duktion wird das metallische Selen bezw. Tellur frei, wodurch die Kulturmasse rot bezw. schwarz gefärbt erscheint; völlig wachstums- hemmend wirkt dieser Zusatz nur auf Actinomyces, stark behindernd auf Streptococcus, Diphtheriebacillus, Rauschbrand und malignes Oedem, während alle übrigen Arten nur Avenig oder gar nicht gehemmt werden. Der Chemismus der durch Bakterien ausgeübten Reduktions- wirkungen verläuft in sehr verschiedener Weise. Früher stellte man sich, in etwas schematischer Form, die Sache so vor, dass die hier besprochenen Erscheinungen stets durch Sauerstoftabspaltung aus dem reduktionsfähigen Material bewirkt wurden, und dass der hierbei abgespaltene Sauerstoff den Bedürfnissen der Bakterien diene. Insbesondere glaubte man, auf diese Weise die Bedeutung der Reduktionserscheinungen in Anaerobenkulturen interpre- tieren zu müssen, zumal nachdem Behring* beobachtet hatte, dass gewissen Anaeroben (mahgnes Oedem und Tetanus) eine ganz besonders starke redu- zierende Fähigkeit zukomme. Cahen" glaubt sogar, in diesem Punkte den wesentlichsten Unterschied zwischen Aeroben und Anaeroben aufgedeckt zu haben; die ersteren bedürfen des freien Sauerstoffs, während die letzteren den ihnen erforderhchen Sauerstoff durch Reduktionsprozesse gewinnen. Indessen konnte schon Behring nachweisen, dass der obligat anaerobe Rauschbrand- bacillus nur geringe reduzierende Fähigkeiten entfaltet; vollends Säuth '-^ und F. Müller'^ stellten fest, dass zwischen Anaerobiose und Reduktionsfähigkeit keinerlei direkter Zusammenhang besteht, — dass vielmehr sowohl bei aeroben wie bei auaeroben Bakterien die reduzierende Wirkung der Intensität des Wachstums parallel geht und daher z. B. bei Aeroben in oberflächlichen, der Luft ausgesetzten Strichkulturen weit intensiver ist (trotz der verküpenden Gegenwirkung des Luftsauerstoflfs!) als in der Tiefe des Nährbodens. Gerade das Umgekehrte müsste der Fall sein, wenn die reduzierende Wirkung als Aequivalent für die fehlende oder behinderte Aufnahme freien Sauerstofis ein- treten könnte. Endlich konnte Klett'^ auch direkt nachweisen, dass für sehr sauerstoflfbedürftige Arten bei Züchtung unter Luftabschluss der durch Reduktion aus Natrium selenosum abgespaltene Sauerstoff keineswegs einen Vorteil bedeutet; die Kulturen wuchsen noch kümmerlicher als die einfachen anaeroben Kontrollkulturen. — Dass in vielen Fällen die durch reduzierende Wirkungen der Bakterien hervorgerufene Entfärbung organischer Farbstoffe nicht auf Sauerstoflfabspaltung beruhen kann, geht schon daraus hervor, dass manche der in Rede stehenden Farbstofle überhaupt keinen Sauerstoff enthalten (Wolfe i'* und F. Müllerin); so z. B. das Methylenblau = CifiHjgNßSCl (Michaelis 32] ; iu solchen Fällen äußert sich die reduzierende Wirkung offenbar durch Aulagerung von H-Atomen und wird wahrscheinlich durch naszierenden H bewirkt. — Dies führt auf die Frage, ob die reduzierenden Wirkungen der Bakterien vom lebenden Bakterieuleib direkt oder indirekt von gewissen Stoffwechselprodukten ausgehen. In dieser Beziehung scheinen bei verschiedeneu Reduktiousprozessen verschiedene Verhältnisse obzuwalten; auf Grund mikrochemischer Beobach- tungen schließt Klett-'i, dass die Reduktion der selenigeu und tellurigen Säure einzig und allein durch die Bakterienzelle selbst zustande kommt, wie auch daraus hervorg-eht, dass hier die reduzierende Wirkung sich streng an Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 95 die Grenzen der Kulturmasse hält und nicht auch in der Umgebung sich zeigt. Letzteres ist thatsächlich bei mit Methylenblau gefärbten iSIährböden nachgewiesen (Spina ^, Baginsky'", F. Müller i"), wo die reduzierende Wir- kung, entsprechend der Dififusion der Stoffwechselprodukte, in weitem Umkreis der Kolonie und auch in der Tiefe des Nährbodens sich zeigt. Die dem- gegenüber erhobenen Einwände von Spina'-', Rothberger"^" und Smith ^^, dass den erhitzten oder durcli Thonfilter keimfrei gemachten Kulturflüssigkeiten jede reduzierende Wirkung völlig al)gehe, sind nicht stichhaltig; die betreffen- den Stoft'wechselprodukte sind offenbar sehr labiler Natur. Dafür, dass die reduzierende Wirkung indirekt durch Stoffwechselprodukte zustande kommt, spricht insbesondere der Umstand (F. Müller i''), dass nach »Verküpung« der durch das Schütteln mit Luft regenerierte Farbstoff schon nach wenigen (3 — 20) Minuten durch (12tägige) Kulturen von Coli, Typhus und Cholera entfärbt wird; so lassen sich Wiederfärbung und Entfärbung mehrmals hintereinander hervorrufen, bis schließlich die Färbung dauernd bestehen bleibt; dann sind offenbar die reduzierend wirkenden Stoffwechselprodukte durch den atmo- sphärischen Sauerstoff völlig zerstört. Jedenfalls müssen die Substanzen, welche der Träger der reduzierenden Wirkungen sind, sehr leicht zerstörbar sein; M. Neisser und Wechsberg i" fanden, dass bereits Zusatz bakteri- eiden Serums die Reduktionskraft der Milzbrandbazillen sofort vernichtet, und glauben hiernach ihre (»bioskopische«) Methode der Beobachtung der Reduktionserscheinungen geradezu als einfaches und praktisches Reagens zur Erkennung von Schädigungen lebender Bakterien und anderer Zellen ver- wenden zu können. — III. HiS-Entwicklung kommt regelmäßig bei der Fäulnis vor (s. S. 111); Strassmann & Strecker -^3 isolierten aus faulenden Leichen ein H^S ent- wickelndes Bakterium. Von ärztlichem Interesse ist die H2S-Entwicklung im Harn unter gewissen krankhaften Verhältnissen (Hydrothionurie). Die Isolierung wohl charakterisierter Bakterienarten aus solchem Harn, die dann auf sterilen Harn übertragen, in letzterem gleichfalls HiS-Entwicklung hervor- rufen, gelang F. Müller-*^, Härtling-^^ Rosenheim & Gutzmann '^^ Karplus •^", Savor^^^ Morris 3^^ Müller'/O; der letztere Fall ist von be- sonderem Interesse, weil hier das gleiche HoS entwickelnde Bakterium zu all- gemeiner Sepsis und Pneumonie geführt hatte. Von sonstigen Befunden aus dem infizierten Organismus ist zu nennen, dass Petri & Maassen^i der Nachweis von H^S bei Schweinerotlauf im Blut, sowie bei malignen Oedem in der Oedemflüssigkeit und im Blut (auf spektroskopischem Wege gelang. Die letzteren Autoren, sowie Stagnitta-Balistreri^2 wiesen nach, dass die HjS-Bildung unter den Bakterien sehr verbreitet ist und insbesondere auch allen pathogeuen Arten zukommt. Eine viel umstrittene Frage war lange Zeit die H2S-Bildung des Choleravibrio in Hühnereiern: während Hueppe it Scholl 44^ Kkmpner^^ konstant eine sehr bedeutende H2S-Entwicklung nach- gewiesen haben wollten, ergaben sehr exakte Nachprüfungen durch R.Pfeiffer^'', Zenthöfer^^ und Dönitz^'', dass wirkliche Cholerareinkulturen im Ei stets nur sehr geringe H2S-Mengen entwickeln, wobei das Aussehen des Eidotters fast völlig normal bleibt; stärkere Zersetzungen sind stets auf (zuweilen sehr schwer kontrollierbare) Verunreinigungen durch Anaeroben zurückzuführen. Hammerl^'J und Abel & Dräer^" fanden überdies, dass die Erscheinung durchaus inkonstant und von Stammesdifferenzen abhängig ist. Im allgemeinen sind schon geringe Differenzen in den Versuchsbedingungen genügend, um ab- weichende Resultate hervorzurufen; bei einem Peptongehalt des Nährl)odens von b — 10% tritt HsS-Bildung bei allen Arten auf. Außer Eiweiß und 96 E. Gotschlich, Pepton können als Quellen für H2S-Bildung auch alle jene Körper dienen, die Schwefel in leicht reduzierbarer Form enthalten (Sulfate, Thiosulfate etc.); endlich führt auch regulinischer Schwefel, als feines Pulver der Kulturflüssig- keit zugesetzt, ausnahmslos zur H.^S-Entwicklung. In letzterem Falle ist die einzig mögliche Entstehungsweise nur diejenige durch naszier enden Wasser- stoff, der offenbar auch sonst bei den Reduktionswirkungen pathogener Bak- terien eine bedeutende Rolle spielt. In anderen Fällen, besonders bei der Bildung des H2S aus Eiweiß und Peptonen, handelt es sich gewiss häufig nicht um eine Reduktionswirkung, sondern um Spaltung des Eiweiß- moleküls; dies geht l)esonders daraus hervor, dass Reduktionswirkung und H.,S-Bilduug, ihrer Intensität nach, bei der gleichen Art keineswegs immer parallel gehen, sowie dass auch bei energischer Durchlüftung der Kultur- flüssigkeit die H.jS-Bildung fortbestehen kann (Rubser-43); in anderen Fällen freilich wird l)ei Lüftung der Kultur der Schwefelwasserstoff zu Sulfaten oxydiert. — Der Nachweis des H2S in Kulturen erfolgt meist mittelst eines befeuch- teten, mit einer Lösung von basischem Bleiacetat getränkten Papieres, even- tuell nach Erwärmung des Nährsubstrats, um den H2S auszutreiben. Beljk- RiNCK^i empfiehlt zum Nachweis des HoS Zusatz von Bleiweiß zum Nähr- substrat bei alkalischer Reaktion: in Gelatineplatten erscheinen dann die Kolonien H2S bildender Bakterien braunschwarz auf schneeweißem Grunde. Stagnitta-Balistreri ^2 verwendet zu gleichem Zweck Eisengelatine, Morris-"^ Gelatine mit 0,1^ Bleizuckerzusatz (keine Entwicklungshemmung!). — Mer- captan wurde von Morris '^ einwandfrei (mittelst Isatin-Schwefelsäure) nur bei Proteus nachgewiesen. — IV. Illdol - Bildung ist bei vielen pathogenen Bakterien beobachtet (KiTASAT0^2, PetrI'^3) ^^^ oft differential-diaguostisch verwendbar (Coli und Typhus) Ferner findet sieh dieselbe fast stets bei der spontanen Fäulnis und wurde sogar früher für diese letztere als charakteristisch angesehen. Indessen haben neuere Untersuchungen Bienstocks^^ gezeigt, dass die durch Anaerobe in Reinkultur hervorgebrachte typische Eiweißfäulnis stets ohne Indolbildung eiuhergeht, und dass das Indol (und verwandte Körper, Skatol etc.) erst durch sekundäre Mitwirkung anderer Bakterien entsteht (vgl. S. 110). Andererseits kann, nach demselben Autor, Indol unter Verhältnissen gebildet werden, wo von Fäulnis keine Rede ist; Indolbildung und Fäulnis sind zwei völlig von einander verschiedene Prozesse, wenn sie auch oft ver- einigt angetroffen werden. Als Mutter Substanz des Indols scheint ausschließ- lich Pepton dienen zu können; bei Abwesenheit von Peptonen fehlt die Indol- bildung vöUig, selbst bei Darreichung trefflich geeigneten N-haltigen Nähr- materials, wie Asparagin, Harnstoff (Voges & Proskauer^'^). Die stärksten Indolreaktionen erhielten diese Autoren mit Peptonum e carne, während andere Peptone wenig oder gar nicht brauchbar waren. Nach Gorini ^'', Smith 5^, Peckham=^* und Seelig ^^ hindert Zuckergehalt des Nährsubstrats die Indolbildung (infolge der Säureproduktion): doch äußert sich diese hemmende Wirkung nicht bei allen Arten gleichmäßig; so kann nach Biexstock •'^^ Proteus und Vibrio Finkler-Prior noch bei Anwesenheit von \% Milchzucker Indol bilden, während die Indolbildung bei Coli dann schon völlig unterdrückt ist. Andererseits fand Biexstock, dass in zuckerhaltigen Mischkulturen von Coli und anderen Indolbildnern , diese letzteren in ihrer Indolproduktion schon bei einem viel geringeren Zuckergehalt gehemmt werden, als in Rein- kultur. — In ganz zuckerfreien Peptonlösungen (wo vorher auch die geringen Mengen von Zucker, die sich in jeder Bouillon finden, durch Vergärung mit Allgemeine Morphologie und Biologie u. 8. av. 97 Coli beseitigt wurden), soll nach Peckham''^ sogar der Tvphusbacilhis zu- weilen Indol erzeugen, für den sonst der negative Ausfall dieser Reaktion charakteristisch ist. — Der Nachweis des Indols erfolgt in bekannter Weise durch die nach Zusatz von Nitrit (1 ccm einer 0,02^ Lösung von KNOo auf 10 ccm Nährlösung) und Schwefelsäure entstehende Kotfärbung; bei sehr schwachem, zweifelhaftem Ausfall der Reaktion kann man die Färbung durch Ausziehen mit Amylalkohol sichtbar machen. — Bei einigen pathogenen Bakterien findet gleichzeitig mit der Indolbildung auch eine Reduktion der (fast stets in den gebräuchlichen Nährmedien ent- haltenen) Nitrate zu Nitriten statt: dann entsteht bereits auf Zusatz von Schwefelsäure allein die charakteristische Rotfärbung. Diese Nitroso-Indol- reaktion hat besonders beim Choleravibrio eine diagnostische Bedeutung erlangt, wo ihre Bedingungen von Blkisch*'^ besonders genau erforscht worden sind (vgl. daselbst im speziellen Teil). Ferner findet sich dieselbe in alten Kulturen des Diphtheriebacillus (Palmiuski & Orlowski'''), sowie bei vielen Bakterien der hämorrhagischen Septikämie (Voges & PROi^KAUER^s). Auf eine Fehlerquelle ist hierbei zu achten ; bei Zusatz von konzentrierter Schwefel- säure kann bei Anwesenheit von Indol und Nitraten eine künstliche Reduktion der letzteren zu Nitriten erfolgen nnd so eine Nitroso-Indolreaktion vorge- täuscht werden, wo nur eine einfache Indolreaktion besteht; diesen Fehler vermeidet man durch Verwendung verdünnter Schwefelsäure oder Salzsäure, oder am sichersten (Liebreich *^2) von Weinsäure oder Oxalsäure. — Auch der Nitritnachweis für sich allein (mittelst Sulfansäure und Naphthylamin Rotfärbung) ist diflereutial-diaguostisch verwendbar ; nach Dieudonne '^^ zeigt sich, bei Kultur vi 1% Peptoulösung, bei Coli schon nach 4 Stunden posi- tive Reaktion, die nach 17 Stunden (infolge Weiterschreitens der Reduktion und Bildung von NH3 aus den Nitriten) schon wieder verschwunden ist, während der Typhusbacillus umgekehrt erst nach 17 Stunden positive Re- aktion zeigt. — V. Andere Zersetzungen von Eiweil'skörpern und eiweifsartige Stoff- wecliselprodukte.*) Der Tuberkelbacillus bildet, (ohne doch ein peptoni- sierendes Ferment zu besitzen) aus Eiweißkörpern Pepton und Tryptophan (RupPEi/'3!i). Nach Zixxo^^ wird in peptonhaltigen Nährmedien Kreatinin gebildet durch Coli, Cholera und Metschnikoff, — nicht dagegen durch Typhus, Finkler und Deneke. ■ — Nach Gilbert & Fournier''^ verwandelt der Pneumo- coccus bei Wachstum in tlüssigem defibriniertem Blut das Hämoglobin in Methämoglobin; auf geronnenem defibriniertem Blut kommt gleichfalls eine (ihrer chemischen Natur nach unerkannte) Farbenänderung zustande, während an- dere pathogene Bakterien die Farbe unverändert lassen. — Nach Hu(;ouxexcq d; DoYox*^f zersetzen einige pathogene Bakterien (Staphyloeoccus aureus, Cholera- vibrio, Bac. oedemat. malign.) das Biliverdin unter Bildung eines roten Farb- stoffs, der mit keinem der bekannten Bilirubinderivate verglichen werden konnte. — Libmann"^^ konstatierte bei einem pathogenen Streptococcus eine (wahrscheinlich auf Säurebildung beruhende) milchweiße Verfärbung des Nähr- bodens durch Eiweißfällung; diese Reaktion kommt nur bei Anwesenheit von Trauben- oder Milchzucker (nicht von Rohrzucker) zustande und scheint auch bei anderen pathogenen Bakterien vorzukommen. — Eine ähnliche Reaktion konnten No(;ues & Wassermann""'' sogar diflerential-diagnostisch verwerten; der anfangs klare Nutrose-Serumnährboden wird vom Gonococcus unverändert gelassen, während andere Bakterien ihn trüben. — Von eiweißartigen *) Betr. Fäulnis der Eiweißkörper vgl. S. 109 ff. Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 98 E- Gotschlich, Stoffwechselprodukten sei die vom Pyocyaneus imd Flnoresceus gebil- dete fluoreszierende Substanz (Hoffa*'^) genannt, ferner die von Charrin & Desprez*'^ und Lepierre'O bei Staphylococcus, Choleravibrio, Bact. coli, Fluorescens und Pyocyaneus nachgewiesenen mucinartigen Produkte: von ärztlichem Interesse sind liesonders die Fälle von pathologischer Schleimbildung im Harn durch Bakterien (Malerba et Sanna-Salaris 'i, Colla & Forxaca^^j^ sowie ein von Babes"^ konstatierter Fall, avo sich bei der Autopsie alle weiteren Blutgefäße mit Schleim erfüllt zeigten (durch Wirkung eines dem Bac. Friedläuder ähnlichen »Bac. septicus mucogen. hominis«). — Hier sei auch der schleimigen Intercellularsubstanz gedacht, die mehr oder minder bei allen Arten sich findet, ganz besonders stark beim Pestbacillus. Dieselbe entsteht durch Verquellung der äußersten Schicht des Bakterienleibes (vgl. im Kapitel »Morphologie« bei »Kapselbildung«). VI. Krystalliuische uud gasförmige Stoffwechselprodnkte u. s. w. Krystalliuische Produkte wurden von Nowak & Ciechanowski ' ^, Dorset"^ und G. Mayer '"^ in älteren Kulturen verschiedener Bakterien konstatiert und ihre Verwendbarkeit zu diiferential-diagnostischeu Zwecken betont. — Betr. der gasförmigen Stoffwechselprodukte vgl. die Angaben in den Abschnitten »Verhalten zum Sauerstoff«, sowie »Gärung« und »Fäulnis«. Hier sei noch des (nicht sehr starken) charakteristischen Geruchs der Cholera- kulturen gedacht, der jedem auffallen muss, der lauge damit arbeitet, sowie der Trimethylaminproduktion durch Prodigiosus (Geruch nach Heringslake). Auf Bildung flüchtiger Stoffwechselprodukte beruht auch die von P. Frank- land "^ konstatierte Wirkung nicht-phosphoreszierender Kulturen auf die photo- graphische Platte, die sich bis auf etwa 1 cm Entfernung bemerklich macht, aber nicht durch Glas hindurch stattfindet. — Die Veränderung der elek- trischen Leitfähigkeit der Kulturflüssigkeit durch den Stoffwechsel der Mikroben wurde von Stewart '"'"^ untersucht — VII. Farbstoffe imd Farhreaktioueu. Die Farbstoffbildung ist eines der augenfälligsten, aber allerdings auch eines der am meisten der Variabilität (s. d.) unterworfenen Charakteristika eines Bakteriums. Von pathogenen farbstoff- Ibildenden Arten seien erwähnt: der Staphylococc. pyogenes aureus uud citreus mit goldgelbem bezw. hellgelbem Pigment, — einzelne sehr virulente Pneumo- imd Streptokokkenarten (Kruse"*) mit bräunlichem Pigment, — der Milz- brandbacillus ( Anurejew "'^) mit brauner Verfärbung der Kulturmedien (bei lang anhaltender Züchtung), — der Rotzbacillus und der Choleravibrio in ihrer rotbraun bezw. hellbraun gefärbten Kartoffelkultur — der Bacillus der Geflügeltuberkulose mit gelbrötlichem bis braunem Pigment — , einige gelbe und rubinrote Pseudodiphtheriekulturen (de Simoni'9*) — z^ei von Ferch- MiN^*^ und Thevenin^^ aus rotem menschlichen Eiter gezüchtete Bazillen, — der Bac. pyocyaneus mit grünblauer Pigmentierung des Substrats (über die verschiedenen Farbstoffe desselben vgl. Kapitel »Pyocyaneus« im speziellen Teil). Von der Unzahl saprophytischer farbstoffbildender Bakterien seien hier nur genannt der Bac. prodigiosus mit seinem bekannten roten Farbstoff", — der Bac. cyanogenes, der Erreger des Blauwerdens der Milch — sowie die verschiedenen grün fluoreszierenden Bazillen, die besonders häufig im Wasser gefunden werden. Prodigiosus und Cyanogenes sind deshalb von allgemeine- rem Interesse, weil sie schon öfters in geradezu epidemischer Form aufgetreten sind; Prodigiosus-Epidemieen sind schon aus dem Mittelalter bekannt und gaben in Jener Zeit vielfach zu abergläubischen Deutungen Aulass. — Einteilungen der Bakterien nach ihrer Farbstoffproduktion sind mehrfach versucht worden; so von Beijertnck *'-, der 3 Gruppen unterscheidet: chro- Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 99 mopliore Bakterien, bei denen das Pigment (analog dem Chlorophyll höherer Pflanzen] in der Leibessubstanz der Bakterienzelle selbst erhalten ist, — parachromophore, bei denen der Farbstoff nur der Hülle anhaftet, — chromopare, bei denen der Farbstoti' als echtes Exkret ausgeschieden wird; zu letzterer Gruppe gehören alle oben genannten pathogenen Farbstoffbildner. — Ein anderes Einteilungsprinzip hat Galeotti*-^ gewählt, je nachdem der Farbstoff in das Kährmedium diffundiert (Pyocyaneus) oder ausschließlich der Kolonie anhaftet (Staphylococc. aureus); die erste Grupi)e wird in ihrer Farb- stoffbildung in flüssigen Medien begünstigt, die letztere beeinträclitigt. — Der gleiche Farbstoff' kann von einer ganzen Reihe von Bakterien gel)ildet werden; so ist durch Tiiumm^^ erwiesen, dass das gleiche fluoreszierende Pig- ment, — seiner chemischen Natur nach ein Eiweißkörper, von gelber Farbe und blau fluoreszierend, bei gleichzeitiger NHg-Bildung grün fluoreszierend letzteres auch von Hoffa'"'^ konstatiert) — von sämtlichen fluoreszierenden iSakterien, sowie von Pyocyaneus und Bacillus der blauen Milch gebildet wird. Andererseits vermag der gleiche Bacillus oft auch verschiedene Farbstoffe zu produzieren; so der Pyocyaneus (vgl. speziellen Teil) und in besonders auf- fallender Weise ein von Thiry*-'^ beschriebener Bac. polychromus (Kulturen in Peptonwassergelatine grün, in Peptonbouillongelatine rot, in gewöhnlicher Bouillon farblos). — Unter den Bedingungen der Farbstoffproduktion spielen zunächst die Verhältnisse des Nährbodens eine große PtoUe. Viele Arten bilden über- haupt nur auf bestimmten Nährsubstraten Farbstoff', so der Rotzbacillus und der Choleravibrio nur auf Kartoffeln, der Pyocyaneus seinen grünblauen Farb- stoff nur bei Peptongehalt des Substrats, seinen rotbraunen Farbstoff" in eiweiß- freien Nährlösungen nur bei Gegenwart von Tyrosin (Gessard»«); so FRiCKS^e^ Bacillus des grünen Sputums seineu Farbstoff' nur aus eiweißartigen Körpern, nicht in mineralischer Nährlösung (trotz üppiger Entwicklung in letzterer). Be- sonders bemerkenswert ist, dass gewisse Mineralsalze für die Erzeugung der Farbstoft'e unentbehrlich sind; so ist insbesondere Magnesium in Verbindung mit Schwefel (und zwar letzterer notwendig in Form von Sulfaten) nach KuNTZE^^ und NüssKE^s unentbehrlich zur Farbstoff bildung des Bac. prodi- giosus und pyocyaneus (wobei allerdings schon sehr geringe Mengen, etwa 0,001 ö n^, genügen, so dass diese Bakterien geradezu als feines Picagens zum Nachweis von Spuren der genannten Salze benutzt werden können!); neben diesen beiden Elementen ist zur Erzeugung des fluoreszierenden Farbstofl's noch die Anwesenheit von Phosphaten (gleichfalls schon bei 0,001 _%^) er- forderlich (Gessard^ö, Thumm»-', Jordan **öj_ — Ferner ist für die meisten Arten ungehinderter Zutritt des Sauerstoffs notwendige Bedingung der Farb- stoffbildung; bei Sauerstoft'abschluss wachsen farblose Kulturen; für Prodigiosus von LiBORius -^0. für Pyocyaneus n. a. von Wasserzug'-^^, Krause ^^^ Noesske*^ nachgewiesen. Im Gegensatz hierzu bildet allerdings das Spirillum rubrum EsMARCH seinen Farbstoff" gerade nur bei Luftabschluss, Bei denjenigen Arten, die des Sauerstofl'zutritts zu ihrer chromogenen Funktion notwendig bedürfen, wird der Farbstoff wahrscheinlich zunächst in einer ungefärbten Vorstufe, als Leukoprodukt, ausgeschieden und dieses dann erst zum Farbstoff" oxydiert. — Endlich spielen auch Temperaturverhältnisse eine wichtige Rolle ; insbesondere ist bekannt (Suhotteliuss'^^j^ dass der Prodigiosus bei Bruttemperatur völlig farblos wächst. — Ihrer chemischen Natur nach sind die von Bakterien gebildeten Pig- mente sehr verschieden. Von der fluoreszierenden Substanz ist schon oben erwähnt, dass sie einen Eiweißkörper darstellt; das Pyocyanin ist nach Gessard-J^ eine den Ptomainen verwandte Base; der durch den Bac. cyano- 7* 100 E. Gotschlich, genes in der blauen Milch gebildete Farbstoif ist ein Salz, bestehend aus Ammoniak und einer fetten Säure fHuEPPE & Scholl '^^j; der Farbstoff des Prodigiosus steht nach Schroeter ^"^ in seinen Reaktionen den Anilinfarl)stoffen nahe; der Farbstoff des Staphylococc. pyogen, aureus endlich ist fettartiger Natur und gehört zu den sog. Lipochromen Zopf'^", Overbeck'**. von Schrötter99). — Von Farbreaktioneu sei als differential-diaguostisch besonders wichtig die von Vo(;es & Proskauer^s bei einem Schweinepest-Bacillus konstatierte charakteristische Rotfärbung der Peptonwasserkultur nach Kalilaugezusatz erwähnt; kein einziger unter ca. 20 untersuchten verwandten Erregern von Tierseuchen gab diese Reaktion, auch das Bact. coli nicht. — Ferner seien erwähnt die von Roger ^ö** angegebene Grünfärbung steriler Artischocken, sowie die von Pacixotti & Maniecki'*^' l)eschriebene (gelbe bis braunrote) Verfärbung eines durch rohe Kaffeebohnen grün gefärbten Hühnereiweißnähr- bodens, — die durch l)estimmte pathogene Arten in charakteristischer Weise eintreten sollen. — Ueber gefärbte Nährböden vgl. die Paragraphen II, VIII dieses Abschnitts. — VIII. Veränderuiigeu der Reaktion des Nälirmediiims durch Säure- oder Alkalibilduiig wurden zuerst von Büchner ' und WelsserI"'- durch Lackmuszusatz zu den gewöhnlichen Nährböden bestimmt ; doch machten sich dabei die gleichzeitig stattfindenden reduzierenden Wirkungen der Bakterien in störender Weise bemerkbar. Eine sehr geeignete Methode schuf Petruschkyi^ durch Verwendung von Lackmusmolke; nur wenige Arten (Hühnercholera, Kauinchenseptikämie , Mäuseseptikämie) lassen ihre Reaktion unverändert; die meisten Arten bringen eine sowohl ihrem Sinne, als auch quantitativ unter gleichen Versuchsbedingungen, annähernd konstante Veränderung der Reaktion hervor, so zeigten sich als Säurebilduer (in aufsteigender Reihe) Tetragenus, Typhusbacillus, Bac. Friedländer, Pfeiffers Kapselbacillus; Alkali wurde gebildet von Staphylococc. pyogen, aureus, Streptococcus, Pyocyaneus, Proteus, den Bazillen der Scliweineseuche und des Schweinrotlaufs, dem Choleravibrio und verwandten Arten. — In scheinbarem Gegensatz zu diesen Be- obachtungen Petruschkys stehen die Versuche v. SoMMARUGAS^f*, der bei Züchtung in gewöhnlichen Nährmedieu (und hei Titration mit Rosolsäure) fast ausschließlich Alkalibildung fand; der Widerspruch löste sich durch eine spätere Versuchsreihe desselben Autors ^"-^ mit glycerinhaltigen Nährböden, wo durch Abspaltung von Säure aus dem Glycerin die alkalischen Stoffwechselprodukte neutralisirt werden und sogar saure Reaktion eintreten kann (bestätigt von Burri ^"4). Hellin if'^ und TiL Smith ^'^''' gehing es sogar nachzuweisen, dass in einer und der- selben Kultur iGärungsröhrchen) zu gleicher Zeit, in der Tiefe, unter anaeroben Verhältnissen, Säurebildung durch Zersetzung des Zuckers, an der Oberfläche, bei Luftzutritt, Alkalibildung durch das aerobe Wachstum der Kultur stattfinden kann. (Ueber die bei solchen Versuchen mögliche Fehlerquelle, durch den nicht zu vernachlässigenden und dabei inkonstanten Zuckergehalt des Fleischsaftes und über die Beseitigung desselben durch 24 stündige Vergärung des Fleischsaftes vor seiner Verwendung zur Kähr- bodenbereitung vgl. S.79 (Smith). Im allgemeinen lässt sich hiernach sagen, dass die Säurebildung stets auf einer Spaltung von Zucker (oder ähnlicher Substanzen, wie Glycerin etc.) beruht; während die Alkali- bildung ein synthetischer Vorgang ist und mit Wachstum und Vermehrung der Bakterien in innigem ursächlichem Zu- Allgemeine Morphologie und Biologie u. 3. w. 101 sammenhang' steht. Rcsoiulers charakteristisch treten diese Verhält- nisse beim Diphtheriebacillus zu Tage. Nach K(jix & YersixI"^ und Mad.sen ^"^ ist der normale Typus der Reaktiousveränderungen in einer Diphtheriekultur der Art, dass nach einem Stadium vorübergehender Säuerung zunächst Abnahme der Acidität und dann allmählich zu- nehmende Alkaliuität eintritt. Daneben nntersclieidet Sproxck i"" zwei abweichende Typen; bei dem einen bleibt die Kultur dauernd sauer (auch von Madsex ^"*'- bestätigt); bei dem andern tritt von vornherein, ohne jedes Stadium der Acidität, eine mehr und mehr zunehmende Alkaleszenz ein (von Madsex i"*' nicht bestätigt, aber durch vax Tukex- Hour^'" und Cobbetti^^ iu völlig zuckerfreien Kulturen erhalten). Die gänzlich verschiedene biologische Dignität der sauren und alkalischen Stoft'wechselprodukte dokumentiert sich hier noch darin, dass nur im alkalischen Stadium der Kulturen Toxinbiklung eintritt. Die Säure- bildung in den Diphtheriekulturen entspricht der Zersetzung des im Nährboden enthaltenen Zuckers (daher in völlig zuckerfreiem Substrat fehlend!), die Alkalibildung dem Wachstum der Kultur. Ob nun aber, wie Spuoxck i"-^, vax Tuuexhout^"^ und Hellstköm ^i- wollen (gemäß dem Nachweis des schädigenden Einflusses selbst geringer Glukose- mengen in der Kultur; vgl. auch S. 79), der durch dauernde Acidität und Mangel von Giftprodukten charakterisierte abweichende Typ wirk- lich durch anfängliches Vorhandensein einer etwas größeren Zuckermenge in der Bouillon hervorgebracht wird, muss doch nach den eingehenden Versuchen Madsens ^^^ und Hilberts ^^-^ zweifelhaft bleiben; beide Autoren fanden weder den größereu oder geringeren Zuckergehalt, noch alle sonst durchgeprüften Versuchsbedingungen als ausschlaggebend; einzig durch extrem hohe oder niedrige initiale Werte der Alkaleszenz des Nährbodens gelang es, den Verlauf der Reaktionsänderungen in konstanter ein- deutiger Weise zu bestimmen, indem in sehr schwach alkalischem Sub- strat der rein saure abweichende) Typ zu Tage trat (übrigens analog auch für den Gonococcus von Laitixex konstatiert], während in stark alkalischem Substrat der normale Typ konstant erzielt wurde; innerhalb dieser beiden weit auseinanderliegeuden Extreme aber w^aren die Ee- sultate durchaus inkonstant, selbst bei (soweit zu beurteilen) völlig gleicher Versuchsauorduuug; sei es, dass die natürliche Variationsfähig- keit des Bacillus oder uugekannte kleinste Abweichungen der Versuchs- anordnung hierbei bestimmend einwirkten. Für die Wirksamkeit solcher kleinster Differenzen spricht auch der durchaus inkonstante Ausfall der Versuche Tatakoffs^^^ in Tetruschkyscher Lackmusmolke. — Hiernach kam von einer allgemeiueu schematischeu Einteihmg der Bakterien in Säure und Alkalibildner keine Rede sein; dagegen kann die Bestimmung der Reaktionsäuderuug sehr wohl zur diagnostischen Unter- scheidung zwischen nahe verwandten Arten dienen. In dieser Hinsicht sei besonders die Unterscheidung des Typhusbacillns von dem ihm sonst sehr ähnlichen Bac. faecalis alcaligen. Fetruschky"-^ hervorgehoben: ein Bacillus, der Lackmnsmolke stark säuert oder gar alkalisch macht, ist sicher kein Typhusbacillns A. Fischer ^i*^). Anderseits haben Capaldi & ProskauerU" nachstehende charakteristische Unterschiede zwischen Typhusbacillus und Bact. coli (verschiedenster Herkunft) konstatiert: in einer Lösung von 2^ Pepton (Witte) + 0,1^ Maunit ruft der Typhusbacillus bei 37" nach 20'' deutliche Säuerung hervor, während bei Coli noch die anfängliche schwache Alkaleszenz vorhanden : umgekehrt bewirkt Coli starke Säuerung in eiweißfreier Asparagin- lösung, in der Bac. typhi fast gar nicht gedeiht. 102 E. Gotschlkh, In hübscher Weise lässt sich die Säurebildimg nach Beueriis^ck ^^^^ in Gelatineplatten demonstrieren, die mittelst einer dichten Anfschwemmnng fein- geschlämmter Kreide nndnrchsichtig gemacht sind: jede sänrebildende Koloaie erzeugt um sich herum durch Autlösung der Kreide einen hellen Hof. — Kaufmaxx^''* macht die Reaktionsveränderuugeu in einem mit Dekokt von Jequiritysamen versetzten Nährsubstrat sichtbar, welches bei neutraler Reaktion gelb ist, durch Säuren entfärbt und durch Alkali grün gefärbt wird. Ferner hat RoMOXD 120 einen auf Reaktionsveränderung sich basierenden gefärbten Nährboden zur Unterscheidung von T^yphusbacillus und Bact. coli augegeben. Betrefls der qualitativen Untersuchung der bei Spaltung der Zuckerarteu durch verschiedene Arten erzeugten Säure vgl. Kapitel »Gärung«. Litteratur zum Al)scliuitt „Stoffwecliselprodukte". I. Allgemeines: i Grimbert, Ann. de l'Inst. Pasteur 1900, Nr. 1; C. r. soc. biol. 189S, 385 & 1135. - - - Hugounencq & Doyon, Comptes rendus de la soc. de biol. 1897. p. 198; 1898, p. 635 & 835. — '^^ Heraeus. Zeitsclir. f. Hyg., Bd. 1, 1886. — '■i Perdrix. Ann. de l'Inst. Pasteur, 1888, 354. IL Reduktionsvorgänge: ^ Ehrlich, Das Sauerstoffbediirfnis des Organis- mus, Berlin 1885. — ■"' Helmholtz, Archiv f. Physiologie, 1843. — *'• Cahen, Zeitschr. f. Hyg. n. Inf., Bd. 2, 380. — ' Büchner, Arcliiv f. Hyg., Bd. 3, 361. — -^ Behring, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 6, 177. — '•' Spina, Ceutralbl. f Bakt., I. 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Smffh, Centr. f. Bakt., I. Abt.. Bd. 18. 1. 1895. vgl. auch ä7. _ 107 Roux & Yersin, Ann. Pasteur, 1888. — «« Madsen, a) Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 26, 157, 1897; b; Polemik contra Hellström n^: Centr. f. Bakt. I.Abt., Bd. 25, 712, 1899. — io;i Spronck, Ann. Pastenr, 1895. — no van Turenhout, Inaug.- Diss.. Utrecht 1895; ret Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 18, 295. — m Coebett, Ann. Pasteur, 1897, 251. — n-' HELLSTRciM, Centr. f. Bakt.. I. Abt.. Bd. 25. 170 u. 223. 1899. — ii'< HiLBERT, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf, Bd. 29. 157, 1898. — "* Tataroff. Inaug.-Diss. Dorpat 1891. — n- Petruschky, Centralbl. f. Bakt. I. Abt., Bd. 19, Nr. 6/7. IHm. — 11'' A. Fischer, ebd., Bd. 25, 693, 1899. — n" Capaldi 6* Pkoskauer, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf.. Bd. 2:i. 452, 1896. — "« Beijerinck, Centralbl. f. Bakt.. I. Abt.. Bd. 9, 781, 1891. — iw Kaufmann, ebd., Bd. 10, Nr. 2/3, 1891. — 120 Romünd, C. r. soc. biolog., 1896, 883. H. Ferment- und Gärwirkungen pathogener Bakterien. I. Allgemeines. — Begriffsbestimmung und 1 nterschied zwischen Ferment- und (rärwirkung. Bei gewissen Arten von Bakterien und unter bestimmten Versuchsbedingungen gelangen, außer dem gewühu- lichen Stoffwechsel, noch andere chemische Zersetzungen im Nähr- material zur Beobachtung, die das sehr auffallende gemeinsame äußer- liche Charakteristikum aufweisen, dass die Quantität der gebildeten Zersetzungsprodukte ganz unverhältnismäßig groß ist im Vergleich zu der plastischen Thätigkeit der bei diesen Prozessen ursächlich beteiligten Mikroben. Diese Prozesse werden als Ferment- (oder Enzym-) und Grärwirkungeu bezeichnet. Die äußere Aehnlichkeit zwischen beiden Arten von Prozessen hat früher vielfach Anlass gegeben, dieselben als völlig identisch anzusehen und mit dem gemeinsamen iS^ameu » Fermente <; (auch gegenwärtig in den romanischen Sprachen für beide der oben ge- 104 E. Gotschlich, nannten Vorgänge gebraucht!) zu belegen; und auch, nachdem man sich über die Begründung einer prinzipiellen Scheidung beider Prozesse klar geworden war, hielt es oft schwer, im gegebenen Fall sich in der einen oder anderen Eichtung zu entscheiden; so wurde z. B. die gegen- wärtig mit voller Sicherheit als einfache Enzymwirkung erkannte am- moniakalische Zersetzung des Harns früher als »Harngärung« aufge- fasst. Die Unterscheidung wird oft noch dadurch erschwert, dass der gleiche Mikrob gleichzeitig Enzym- und Gärwirkung auszuüben vermag. Der prinzipielle Gegensatz zwischen Gärung einerseits und Ferment- (Enzym-)Wirkung andererseits liegt in folgendem: Die Gärwirkung ist eine unmittelbare Funktion des leben- den Plasmas und dient demselben als Energiequelle — ge- radeso wie die Ernährung und Sauerstofifatmung (für welch letztere ja die Gärung unter gewissen Umständen sogar vicariierend eintreten kann; vgl. oben bei Anaerobiose, S. 78); die Gärwirkung ist mit einem Wort der Lebensprozess selbst unter bestimmten äußeren Bedingungen des Nährsubstrats. Die Fermentwirkung hingegen ist nicht au das lebende Plasma direkt gebunden und dient dem Mikroben niemals als Energiequelle; ihr Träger ist ein von dem lebenden Plasma erzeugter Stoff, der, selbst leblos und von den lebenden Mikroben trennbar, auch im isolierten Zustand seine Wirkung ungestört selbständig fortsetzt. Die Ferment-(Enzym-) Wirkung steht völlig außerhalb des Lebensprozesses; die chemische Arbeit, welche durch diese Prozesse geleistet wird, dient nicht zum Aufbau neuer Zellleiber (wie dies von MiQUEL 1 für die ammoniakalische Haruzersetzung speziell nachgewiesen ist, indem die Bakterien nicht den Harnstoff, sondern die im Medium vorhandenen eiweißähnlichen Substanzen zu plastischen Zwecken ver- wenden, so dass daher der Eiweißstickstoff der Kultur nicht vermehrt, sondern vermindert wird) — sondern die Fermentwirkung wird lediglich zur Zerlegung chemischer Stoffe im Nährsubstrat verbraucht. Indirekt kann freilich das Resultat dieser, außerhalb des eigentlichen Lebens- prozesses stattfindenden, Fermentwirkuug dem lebenden Mikroben zu- statten kommen, itidem aus einem ursprünglichen zur Ernährung un- verwendbaren Stoff' (z. B. Stärke) Spaltungsprodukte (Zucker) gebildet werden, die nunmehr der Mikrob zu assimilieren vermag; infofern stellen die Enzyme ein wichtiges Hilfsmoment für die Ernährung der Mikroben dar. Das ändert aber nichts an dem prinzipiellen Gegen- satz im energetischen Sinne, wonach der Spaltungsprozess au sich für diis Leben der betreffenden Mikroben gleichgültig ist, während der Gärprozess eine unmittelbare Energiequelle, ja das Leben selbst unter einer bestimmten Form darstellt. Dieser energetische Gegensatz äußert sich in der ganz verschiedenen Dignität der Gär- und Enzymwirkuugeu vom chemischen Standpunkt aus. Bei den echten Gärwirkungen handelt es sich um tiefgreifende Zersetzungen des Moleküls der gärfähigen Substanz; die Gärprodukte sind im gärfähigen Molekül nicht etwa präformiert als solche enthalten, um durch einfache Spaltung freizuwerden, sondern sie werden unter bedeutenden Umlage- rungen der Atome innerhalb des gärfähigen Moleküls erst neugebildet, und meist ist es noch nicht möglich, mit chemischen Reaktionen das gleiche Resultat zu erreichen. Ganz anders bei den Wirkungen der isolierbaren Fermente (Enzyme); hier handelt es sich stets um ein- fache hydrolytische Spaltungen, die auch künstlich auf rein Allgemeine Morphologie und Biologie u. 3. w. 105 chemischem Wege leicht nachzuahmen sind, und bei denen die im Aus- gangsmittel präformiert vorhandenen Gruppen freigegeben werden. Auf dem soeben dargelegten energetischem Gegensatz zwischen Fer- ment (Enzym) und Gärung muss um so größerer Nachdruck gelegt werden, als die sonstigen früher angegebenen Unterschiede beider Pro- zesse nach den Entdeckungen der neueren Zeit nicht mehr als durch- greifend zu betrachten sind. So hat man früher insbesondere großen Wert darauf gelegt, dass die Fermente (Enzyme) chemisch isolierbare Körper sind, mit denen sich die gleiche Wirkung auch im Keagensglas reproduzieren lässt, während die echte Gärwirkung von den lebenden Mikroben unzertrennlich sein sollte. Nachdem jedoch E. Buchneu 2 der Nachweis gelungen ist, dass auch mit zellfreiem Hefepresssaft (der sog. Zymase) echte alkoholische Gärung, genau wie mit der lebenden Hefe selbst, sich hervorrufen lässt, ist dieser Unterschied nicht mehr durchgreifend. Hingegen wäre es durchaus verfehlt, auf diese That- sache hin die alkoholische Gärung als bloße Enzymwirkung aufzufassen: die Rolle, welche dieselbe als Energiequelle für den Erreger spielt, sowie die außerordentlich komplizierte Zersetzung, die dem Prozeß offenbar zu Grunde liegt, sprechen durchaus dagegen. Die Zymase ist vielmehr als überlebendes Plasma aufzufassen; es ist ja auch schon anderweitig gelungen, Wirkungen, die ausschließlich dem leben- den Mikrol)en (niemals seinen Stoö'vvechselprodukten) zukamen, durch vorsichtige Abtötung mit dem überlebenden Plasma des Mikroben zu reproduzieren, so z. B. das Bild der Choleraerkrankung bei Meer- schweinchen mit abgetöteten Kulturen (Pfeiffers primären Toxinen), die Bildung des Tuberkels durch Impfung mit abgetöteten Tuberkel- bazillen u. s. w. — Ein anderer Unterschied zwischen echter Gärwirkung und hydrolytischer Spaltung durch Enzym wurde früher sehr betont; es ist dies die sehr ungleiche Resistenz gegenüber schädigenden äuße- ren Einwirkungen, die bei den Enzymen sehr viel größer ist als bei den lebenden Gärungserregern und ihre Wirkung unter Bedingungen (z. B, bei höheren Temperaturen, sowie bei Gegenwart gewisser Gifte) fortbestehen ließ, die jeden Lel)ens- und Gärprozess völlig ausschließen. Aber dieser Unterschied, so zutreft'end er in den meisten Fällen sein mag, ist nicht mehr allgemein halt])ar, seitdem JMiquel ' nachgewiesen hat, dass die Urase, das bei der ammoniakalischen Harnzersetzung wirksame Ferment, fast die Labilität des lebenden Plasmas besitzt. So viel zum Verständnis des Begriffes und des prinzipiellen Gegen- satzes zwischen Ferment (Enzym) einerseits, Gärung andererseits. Ein näheres Eingehen auf dieses hochinteressante Gebiet müssen wir uns in diesem, für den Mediziner geschriebenen Handbuch versagen und ver- weisen auf Flügges »Mikroorganismen«, 3. Aufl. I. Bd.; daselbst auch in der Einleitung die historische Entwicklung der Lehre von den Mikro- organismen als Gärungserreger. — Im folgenden werden nur diejenigen Ferment- und Gärwirkungen kurz beschrieben, die entweder bei patlio- genen Mikroben sell)st l)eobachtet sind oder die sonst ein medizinisches Interesse bieten. II. Fermente hei pathogeneii ßakterieu. Ihrer chemischen Wir- kungsweise nach teilt man die Fermente ein in diastatische (welche Stärke verzuckern), invertierende (welche Rohrzucker und andere Disaccharide in die sie zusammensetzenden Monosaccharide, z. B. Trau- ben- und Fruchtzucker, spalten), pcptonisierende (welche die Eiweiß- 106 E. Gotschlich, Stoffe in lösliche diftiuidierljare Produkte spalten), Laljfermente (welche das Kasein der Milch ausfällen), harnstoffspaltende und fett- spaltende Fermente. Diastatische Ferment Wirkung ist unter den pathogeneu Bakterien zu- erst von Bitter '^ beim Choleravibrio und Maumüs^ beim MilzbrandbaciUus nachgewiesen, sowie bei Milchsäurebazillen von Hueppe-''. Die Reindarstellung dieser Fermente bei den genannten und einigen anderen Arten gelang Fermi '' ; keine diastatische Wirkung zeigten Staphylococc. pyogen, citreus, Pyocyaneus und Prodigiosus. Auch auf stärkefreiem Nährl)odeu sah Fermi Bildung des Ferments eintreten; dagegeu blieb dieselbe bei Züchtung auf eiweißfreiem Substrat aus. Invertierendes Ferment kommt bei Bakterien selten vor; Fermi & MONTESANO" fanden dasselbe (trotz umfangreicher Untersuchungen von etwa 70 Arten) nur bei einigen Saprophyteu, sowie inkonstant beim Choleravil)rio und beim Vibrio Metschnikofif. Die Fermentbildung findet auch auf zucker- oder eiweißfreien Nährsubstraten statt. Peptonisierende Fermente sind bei den Bakterien, und speziell l)ei den pathogeuen Arten sehr häufig vertreten; ihre Anwesenheit dokumentiert sich durch die Verflüssigung der Gelatine und anderer Eiweißnährböden (Serum u. s. w.) und ist demnach auch von praktischer Bedeutung für die Erkennung der Arten. Der Nachweis, dass die Gelatiueverflüssigung durch eine echte Fermentwirkung, unabhängig von der lebenden Bakterienzelle zu- stande kommt, wurde zuerst von Bitter' geführt; eine durch halbstündige Erhitzung auf 60° abgetötete Cholerakultur zeigte intensives peptonisierendes Vermögen. Rietsch & Sternberg '^ zeigten, dass peptonisierende Fermente sich nur in Kulturen solcher Arten nachweisen ließeu, die den Gelatinenäbr- boden verflüssigen, während Kulturen nicht- verflüssigender Arten (Tuberkel- und Typhusbacillus) solche Fermente völlig vermissen lassen. Die Reindar- stellung der peptonisierenden Fermente beim Choleravibrio, beim Vibrio Finkler- Prior, Pyocyaneus und Prodigiosus sowie einigen anderen saprophyt. Arten gelaug Fermi"; die intensivste Wirkung zeigte das Ferment des Fiukler-Prior. Die chemische Wirkung des proteolytischen Ferments des MilzbrandbaciUus wurde von Haukix & Wesbuook^^ genau untersucht. Die peptonisieren- den Fermente der Bakterien sind nur bei alkalischer Reaktion wirksam; schon geringe Acidität wirkt hemmend, während selbst ein starker Ueber- schuss au Alkali leicht vertragen wird. Diese Fermente ähneln also in ihrer Wirkung dem Trypsiu; wie dieses letztere, so sind auch einige der peptoni- sierenden Fermente der Bakterien ziemlich stark widerstandsfähig gegen trockene Hitze, so erträgt das Ferment des Vibrio Finkler-Prior eine 10 Minuten dauernde Erhitzung auf 120 — 140°. Gegen feuchte Hitze sind sie weniger widerstandsfähig ; das Ferment des Finkler-Prior wird unter Einwirknug feuchter Hitze bei 70°, das des Prodigiosus schon bei 55° zerstört. Im feuchten Zu- stand aufbewahrt, verlieren die Fermente ihre Wirksamkeit, während sie im trockenen Zustand lange haltbar sind. — Schädigende Einwirkungen (Licht, Gifte), welche auf die Bakterien entwicklungshemmend oder abtötend wirken, beeinträchtigen auch die Fermente; jedoch sind letztere viel widerstandsfähiger als die Bakterien und selbst als die Sporen. Die Fermente vermögen nicht nur Gelatine, sondern auch geronnenes Serum- und Htüiuereiweiß , sowie Fibrin und das Kasein in der Milch zu peptonisieren ; jedoch ist dies nicht bei allen Arten der Fall: insbesondere ist Fibrin schwieriger peptonisierbar als Gelatine und wird daher durch manche verflüssigende Arten überhaupt nicht angegriffen. — Dei' Chemismus der Allgemeine Morpliologie und Biologie u. s. w. 107 Spaltung des Kaseius durch die toxisch wirkenden peptouisierendeu Bakterien der Milch (Flüoge''; ist durch Lübbert'" und KalischerI^ untersucht; ersterer Autor stellte fest, dass die toxische Wirkung dieser Bakterien nicht durch ein giftiges Produkt (etwa ein Pepton) bedingt wird, sondern an die Zellleiber der Bakterien selbst gebunden ist; Kalischer bestimmte durch ge- trennte Versuchsreihen, welchen Auteil an der Kaseiuspaltung das isolierbare Ferment und welchen außerdem die lebenden Zellen haben ; durch das Ferment allein würden Pepton, Leuciu, Tvrosiu, etwas NH;) und aromatische Ox3Säuren gebildet; abgesehen von den letzteren, herrscht also völlige Uebereinstiramung mit der Trypsinwirkung. Auch CacaceI^"^ konnte durch chemischen ISach- weis der bekannten Proto- und Deuteroalbumosen nachweisen, dass die Pro- teolyse bei Bakterien prinzipiell ebenso verläuft, wie bei höheren Lebewesen. — Bemerkenswert ist die Störung bezw. völlige Hemmung der Gelatine -Ver- Hüssigung durch Anwesenheit von Zucker im Nährsubstrat; Auerbach '2 hat festgestellt, dass es sich hier nicht um eine Hemmung der Wirksamkeit des Ferments durch die aus dem Zucker gebildete Säure handelt, sondern dass die Bildung des Ferments selbst durch Zuckergehalt des Nährbodens ge- stört oder gehemmt wird. Unter den übrigen not\\'endigen Vorbedingungen für die Bildung der peptonisiereuden Fermente ist Eiweiß gehalt des Nähr- bodens und ungehinderter Zutritt des Sauerstoffs hervorzuheben; bei Sauerstoflabschluss (LnK)Rius '•') geht die Verflüssigung der Gelatine viel lang- samer vor sich (abgesehen von einigen Auaeroben). Nach Klein i^ zeigen beim Milzbraudbacillus die aus Sporen hervorgegangenen Kolonien ein viel intensiveres peptonisierendes Vermögen als die aus vegetativen Formen ent- standenen. Gewisse Alkaloide vermögen bei einigen Arten die Bildung der Fermente völlig hintanzuhalten, ohne dass dabei das Wachstum der betr. Bakterien irgendwie leidet. — Den peptonisiereuden Enzymen nahe steht auch die Pyocyauase (Emmerich und Loew^''), welcher die Eigenschaft zu- kommt, lebende Bakterienleiber (Milzbrandbazillen) aufzulösen. Näheres im speziellen Teil beim Bac. pyocyaneus. Labfermente, die eine Ausfällung des Kaseins bei alkalischer oder schwach saurer Reaktion der Milch bewirken, kommen insbesondere den FLüGüEschen '^ peptonisiereuden Bakterien der Kuhmilch zu, die übrigens (vgl. oben) auch ein tryptisches Ferment bilden und demnach das ursprüng- lich ausgefällte Kasein nachträglich wieder auflösen. Außerdem sind Lab- fermente beim Milzbrandbacillus (KogerI''), beim Cholera vibrio (Schoeeer'") und beim Prodigiosus (Gorini i*'j gefunden, das letztere Ferment zeichnet sich durch seine bedeutende Widerstandsfähigkeit gegen Hitze aus. Cohn^''' ge- lang die Reindarstelluug des Labferments verschiedener Arten; nach seinen, sowie Aeerbachs i- Untersuchungen , gleichen diese von Bakterien gebildeten Fermente ganz dem gewöhnlichen Lab des Kälbermagens. Harnstoffspaltendes Ferment, welches die ammoniakalische Zer- setzung des Harns bewirkt, war schon von Musculus 2"^ in cystitischem Harn nachgewiesen worden. Die Reindarstellung und das eingehende Studium dieses äußerst leicht zersetzlichen Ferments, Urase genannt, gelaug Miut'kl'; schon bei Berührung mit dem atmosphärischen Sauerstoff zersetzt sich dieses Ferment und ist nur bei 0" einige Wochen haltbar. Hierdurch ist erwiesen, dass die ammoniakalische. Zersetzung des Harns, die früher vielfach als echte Gärung angesehen war (wozu allerdings ihr äußerst einfacher Chemismus, eine h}dro- lytische Spaltung, nicht recht passte) eine reine Enzymwirkung ist. Die Urase wird von vielen verschiedenen Bakterienarten gebildet (nach Miquel etwa von 60). Für die ätiologischen Beziehungen des Bac. proteus zur Cystitis ist be- merkenswert, dass er sowohl in neutraler als in alkalischer Lösung energisch 108 E. Gotschlich, Harnstoff zersetzt (Buodmeier^"^). Quantitative Untersuchungen über die Ver- mehrung der betr. Bakterien und die durch sie hervorgebrachte Harnzersetzung verdanken wir Burchard^I; die Gewichtseinheit eines besonders energisch wirksamen Micrococc. ureae zersetzte pro Stunde circa das 180 — 1200 fache ihres Gewichtes an Harnstoff. Hier sei auch die Spaltung der Harnsäure in Harnstoff" und Ammoniumkarbonat (Gerald 22)^ sowie die durch Eiterkokken bewirkte Spaltung der Hippursäure (CRiSAruLLi25] erwähnt. Fettspaltendes Ferment (Lipase) ist bisher nur beim Tuberkel- bacillns von CARRifeRE^i nachgewiesen; die Befunde von v. Sommaruga^s über Fettspaltung in Kulturen, sowie von PtUBNER^ß über Fettspaltung im Boden sind wahrscheinlich als direkte Leistung der lebenden Bakterienzelle aufzufassen. UI. Die in medizinischer Hinsicht wichtigsten Gärprozesse. Ver- gärungen von Kohlehydraten, insbesondere des Traubenzuckers, weniger häufig des Rohrzuckers und Milchzuckers, finden sich bei einer ganzen Reihe von pathogeuen Bakterien; das Vorhandensein der Gärung und die Natur der Gärprodukte können oft als differential-diagnostische Merkmale verwendet werden. In vielen Fällen genügt es festzustellen, ob auf zuckerhaltigen Medien Gasbildung stattfindet oder nicht; insbesondere bildet das Fehlen der Gas- bildung in Zuckeragar ein charakteristisches Merkmal für den Typhusbacillus gegenüber den meisten Coli-Arten. Die Gase bestehen meist aus H2 und C02 in wechselndem Verhältnis (Th. Smith 27^ Stronu^^-^). Lepine, Lyonnet & Martz^s fanden bei Eiterkokken und Typhusbazillen eine alkoholische Ver- gärung des Traubenzuckers. Genauer untersucht sind folgende Gärungen: Bac. cavicida vergärt Traubenzucker, mit Bildung von Propionsäure als Hauptprodukt (BRiECiER^'J); Bac. Friedländer vergärt sowohl Traubenzucker als Mannit, mit Bildung von Essigsäure als Hauptprodukt, sowie mit reich- licher Gasproduktion (ca. 13 Moleküle COo auf 10 Moleküle Hj) (Frankland, Stanley t<: Frew^^); Glycerin zersetzt der Bac. Friedländer und einige (mit ihm identische?) Wasserbazillen unter Bildung von Linksmilchsäure, — Laktose unter Bildung von Bernsteinsäure (Grimbert 'ö^j. Der Milzbrand- bacillus zersetzt (NaplvS'^i^ Stärke und Zucker unter Bildung von Milchsäure als Hauptprodukt, daneben in den ersten Phasen der Kultur Ameisensäure, später Essigsäure; Jwanow-'^'' fand daneben stets noch Kapronsäure. Ver- schiedene Vergährungen der Zuckerarten durch Bact. coli sind von Baginsky-'-^, BovET^:^, HardeN'^^ und Bienstock (nach letzterem Autor ausschließlich Bildung von Bernsteinsäure) beschrieben; der Pneumococcus erzeugt als Haupt- produkt Ameisensäure (Würtz & Mosny^'"*); der Staphylococc. pyogen, aureus produziert nach Lübbert^^ in Milch, sowie in Lösungen von Zucker- arten, Buttersäure und Milchsäure; der Diphtheriebacillus zersetzt den Milch- zucker unter Bildung von Alkohol, Aldehyd, flüchtigen und nicht-flüchtigen Säuren (Feinberg •^*'); der Bac. oedemat. malign. erzeugt nach Kerry & Fränkel-*" bei anaerober Vergärung des Traubenzuckers Aethylalkohol, Ameisensäure, Buttersäure und Milchsäure. — Von besonderem praktischen Interesse sind die Untersuchungen über das Gär vermögen der Darmbak- terien des Säuglings (vgl. im speziellen Teil); Escherich-"^ konstatierte für seinen Bac. lactis aerogenes intensive Vergärung des Zuckers mit Bildung von Milchsäure als Hauptprodukt; Baginsky^^ beschrieb eine Vergärung des Milch- zuckers und der Stärke mit hauptsächlicher Bildung von Essigsäure; Sommer- feld 3y fand bei einer Milchzuckervergärung durch einen Colibacillus aus Säug- lingsstuhl COj, Alkohol, Ameisen-, Milch- und Bernsteinsäure, sowie höhere feste Fettsäuren : nach Oppenheim -^^ entsteht bei anaeroben Versuchsbedingungen Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 109 vorwiegend, vielleicht sogar ausschließlich, Milchsäure, die erst bei Luftzutritt zu Essigsäure weiter oxydiert wird; so erklärt es sich wohl auch, dass im Säuglingsstuhl selbst nur Milchsäure, nie Essigsäure gefunden wird. — Auch in diflerential - diagnostischer Beziehung giebt das Studium der Gärungsver- hältnisse oft sehr bemerkenswerte Resultate, so z. B. nach Proskauek und VoGES^O' für die Unterscheidung der so nahe verwandten Bazillengruppe der hämorrhagischen Septikämie (Tierseuchen). Bei den Gärungen mit vorwiegender Produktion von Milchsäure lässt sich noch das optische Verhalten der gebildeten Milchsäure zur DitFerential- Diagnose verwenden; als Gärprodukt tritt die Aethylidenmilchsäure CH3. CIIOH.COOH in 3 optisch isomeren Modifikationen als Rechtsmilchsäure, Linksmilchsäure (Schardinger ■*!) und inaktive Milchsäure auf. Unter den choleraähnlichen Vibrioneu bilden nach Gosio^2 ^mä Kuprianow*» der Choleravibrio selbst, sowie die Vibrionen von Finkler-Prior, Metschnikoft", Massauah, Dauubicus u. a. LiuksmilchsJiure, Avährend der Vibrio Deneke die rechtsdrehende, der Vibrio Berolinensis endlich die inaktive Form erzeugt ; auch zur Unterscheidung von Typhus- und Colibazillen sind nach Bloch- STETX-i-^ diese Versuche verwendbar. Der Pestbacillus bildet aus Trauben- zucker Linksmilchsäure (Gosio & Bigikelli^^). Außer vom Erreger, hängt aber die Natur der gebildeten Säure auch von den Versuchsbedingungen, ins- besondere vom Nährsubstrat und vom Luftzutritt ab; nach Pere^^ und Hardex-'^ kann das gleiche Bact. coli unter verschiedenen Bedingungen ver- schiedene optische Modifikationen der Milchsäure produzieren. — In spontan geronnener Milch fanden Günther & Thierfelder^^ in den meisten Fällen ein Gemisch von inaktiver Säure mit der rechtsdrehenden Form, Kozai^^ meist nur die letztere; letzterer Autor glaubt einen Eintluss der Gärungstemperatur auf die bei der spontanen Milchgerinnung entstandene optische Natur der Säure festgestellt zu haben, ein Befund, dessen Konstanz Günther & Thier- FELUER^" nicht bestätigen konnten; die Gründe, warum die Natur der Milch- säure bei der spontanen Gerinnung der Milch nach Zeit und Ort so stark Avechselt, sind noch nicht festgestellt. — Nach Blfmenthal ^^^ ist reine Milchsäuregärung bei der »spontanen« Milchzersetzung selten; häufig tritt Bernsteinsäuregärung auf. Von besonderen medizinischem Interesse ist die Fäulnis, zumal mit Rücksieht auf ihre Rolle im Darmkanal und als Leichenfäulnis. Man verstellt unter Fäulnis eine rasche und intensive Zersetzung- eiweiBartiger Körper, unter Zerfall in Detritus und mit Bildung- übelriechender gas- förmiger Produkte. — Bei der spontanen Fäulnis (d. h. der in der Natur vorkommenden — zum Unterschied von der sogleich zu bespre- chenden künstlich durch Reinkulturen eingeleiteten!) können außerordent- lich zahlreiche und mannigfache Produkte gebildet werden; die wichtigsten sind CO2, CH4, H2, N2,"NH;,, H,S (nach Gordan J" unterscheidet sich die tierische von der pflanzlichen Fäulnis dadurch, dass nur bei ersterer, und zwar regelmäßig, H"-S gebildet wird, während er bei letzterer fehlt ; tette Säuren (Ameisen-, Essig-, Butter-, Valerian-, Palmitinsäure), Oxy- und mehrbasische Säuren (Milchsäure, Bernsteinsäure, Oxalsäure), Amine, Amnide und Amidosäiire, sowie Leucin und Tyrosin, aromatische Säuren, Indol, Skatol, Peptone, Ptomaine und Toxine u. s. w. — Die Art der Zersetzung und die gebildeten Fäulnisprodukte wechseln bei der spon- tanen Fäulnis von Fall zu Fall, je nach den Arten der dabei beteiligten Bakterien, die gleichfalls sehr mannigfaltig sein können. Einen bestim- menden Einfluss auf den Verlauf der Fäulnis, und zwar sowohl auf die 110 E. Gotschlicli. dabei beteiligten Bakterien wie auf die gebildeten Produkte, hat der Sauerstoff (Pasteur). Eigentliche stinkende Fäulnis mit Bildung zahlreicher komplizierter Zwischenprodukte kommt nur bei Beschränkung oder Abschluss des Luftzutritts zustande. Bei reichlicher Luftzufuhr hin- gegen findet eine sehr rasche und vollständige Zersetzung der fäulnis- fäbigeu Substanzen bis hinab zu den einfachsten Endprodukten (COo, H2O, NH3, N2, Hj) statt, ein Prozess den mau als Verwesung bezeichnet. Reine Fäulnis kommt in der Katur leicht zustande, sei es in der Tiefe der Substrate, sei es, dass durch gleichzeitiges Wachstum aerober Arten der Sauerstoff absorbiert wird. Reine Verwesung hingegen, ohne alle Entwickelung übelriechender Gase, ist viel seltener, weil hierzu ein be- ständiger, sehr inniger Kontakt des faulenden Materials mit Luft erfor- derlich ist; am ehesten sind die Bedingungen hierzu in lockerem gut durch- lüfteten Sandboden erfüllt. Künstlich wendet man in neuerer Zeit beide Arten der Zersetzung organischen Materials für die Beseitigung der Ab- fallstoöe an, die stinkende anaerobe Fäulnis in den ..septic tanks«, die aerobe geruchlose Verwesung und rasche Mineralisierung auf den Riesel- feldern und bei der intermittierenden Filtration (vgl. im Kapitel »Vor- kommen der Bakterien in der Außenwelt«)- — So regellos hiernach die spontane Fäulnis, sowohl in Bezug auf Er- reger als auf die gebildeten Produkte, erscheint, so betrifft dies doch nur die dabei accidentell mitwirkenden Mikroben und die späteren Stadien des Fäulnisprozesses. Der Prozess der fauligen Zersetzung des Eiweiß- moleküls an sich hingegen ist, nach neueren Untersuchungen Biex- STOCK8 ^0'', durchaus typisch ; auch sind es nur relativ wenige und wohl- charakterisierte Arten, denen ein wirklich ätiologische Rolle beim Fäul- nisprozess zufällt, während die anderen, zufällig im Substrat vorhandenen Mikroben nur das durch die eigentlichen Fäulniserreger begonnene Werk fortsetzen (und zwar je nach ihren verschiedenen Arten in durchaus regel- loser Weise). Bikkstock kam durch seine Fäulnisversuche mit Reinkul- turen, angestellt an Fibrin, Hühnereiweiß, Nutrose (= Natrium-Kasein) und Aleuronat (letzteres ein pHanzlicher Eiweißkörper!), in eiweißfreier Nähr- lösung, zu folgenden Resultaten. Unter die daraufhin geprüften aeroben bezw. facultativ anaeroben Bakterien (worunter auch die bekanntesten pathogenen Arten, als Staphylococcus pyogenes, Streptococcus pyogenes, Typhus- und Colibazillen, die Erreger der bekanntesten Tierseuchen, choleraähnliche Vil)rioneu, Proteus- und Subtilisarten, fluorescierende und farbstoflbildende Bakterien) vermochte bei Luftzutritt kein einziges eine faulige Zersetzung hervorzurufen. Regelmäßig ließ sich jedoch typische Fäulnis hervorrufen durch eine Reihe obligat anaerober Arten ; insbesondere durch den von Bienstock aus Straßenkot, gedüngter Garten- erde, Jauche u. s. w. gezüchteten Bac. putrificus (den derselbe Autor schon früher, im Jahre 1884, gesehen, aber damals, infolge der noch mangelhafteren bakteriologischen Methodik nicht in Reinkultur erhalten und demnach irrtümlich als aerob beschrieben hatte ^"•'), ferner durch den Bac. oedemat maligni und den Rauschbrandbacillus (während z. B. der Tetanusbacillus völlig unwirksam war). Diese anaeroben Arten sind für das Zustandekommen des Fäulnisprozesses absolut notwendig; andererseits vermögen sie auch, gauz für sich allein, ohne jede Mitwirkung anderer Arten, den Fäulnisprozess zu Ende zu führen; sie sind also die eigent- lichen Fäulnis er reger, während die anderen so zahlreichen bei der spontanen Fäulnis gefundenen Bakterien nur eine sekundäre Rolle spielen und für sich allein ganz unwirksam sind. Allgemeine Morphologie imd Biologie u. a. w. Hl Auch die vereiuzelteu Erfahrungen früherer Autoren über Fäulnisversuche mit Reinkulturen stimmen mit den systematischen Untersuchung-en Bienstocks völlig darin überein; stets waren typische Fäulnisprozesse nur bei anaerober Yersuchsanordnung beobachtet worden, so von Nkxcki & Siiobkr''' mit Kauschbrandbacillus und Bac. spinosus an Serumalbumin, von Kerry *7 mit Bac. oedemat. malign., von Bovet»^ und Zaja''-^ (Elastin-Fäulnis) mit dem Eauschbrandbacillus , von Emmerlixg •''^ (Fibrin-Fäulnis) mit dem Streptococc. pyogen, longus Petruschky bei auaerober Versuchsanorduung. Auch in Bezug auf den Chemismus der Fäulnis herrscht fast völlige Uebereinstimmung zwischen den genannten Arbeiten und den neuesten systematischen Forschungen Bien- stocks. Im allgemeinen wurden, ausser nicht näher bestimmbaren übel- riechenden Produkten, Peptone, Leucin und Tyrosiu, Fettsäuren und aroma- tischen Säuren, Mercaptane, HoS, NH3, CO2, nachgewiesen. Die Zersetzung verläuft in sehr ähnlicher Weise, wie bei der Einwirkung schmelzenden Kalis auf Eiweiß (Nencki^-^). Bemerkenswert ist in sämtlichen Fäuluisversncheu mit Rein- kulturen das Fehlen von Indol und Skatol, die früher gerade immer als Charakteristika des Fäulnisprozesses angesehen wurden. Diese Körper Itilden sich bei der spontanen Fäulnis (bei der sie in der That regel- mäßig angetroffen werden) durch die sekundäre Mitwirkung der anderen im Substrat anwesenden Bakterien auf die durch den eigentlichen Fäul- nisprozess geschaffenen Spaltprodukte. (Näheres über die chemische Bilduugsweise dieser und anderer Fäulnisprodukte in Flügges »Mikro- organismen«, Bd. I, S. 256 f.). In der That konnte Biexstock^"'' bei Versuchen mit Mischkulturen (der anaeroben Fäulniserreger -{- eine aerobe Art) typische Fäulnis mit Indoll)ildung hervorrufen. Im einzelnen er- gaben sich bei solchen Fäulnisversuchen mit Mischkulturen interessante Differenzen je nach der Art der mitwirkenden aeroben Bakterien. Neben ganz vereinzelten Arten, die mit den anaeroben Fäulniserregern zusammen überhaupt nicht zu wachsen vermochten, lassen sich zwei Gruppen unter- scheiden; die eine, welche die meisten aeroben Arten umfasst, vermag nicht nur durch ihre Sauerstoffaufzehrung den Anaeroben das Wachstum zu ermöglichen, sondern erzeugt mit den letzteren gemeinsam intensive Fäulnis, wobei die aeroben Arten die vom Bac. putritieus gelieferten primären Spaltprodukte in ihren Stoffwechsel aufzunehmen und weiter zu verarbeiten vermögen (ludolerzeugung); — die andere Gruppe, welche nur die Coli- und Aerogenesarten umfasst, vermag zwar in Mischkultur mit dem Bac. putrificus gemeinsam zu wachsen, doch Ideiljt, trotz üppiger Entwicklung beider Bakterien, die Fäulnis völlig aus. Diese antago- nistische Wirkung der Coli- und Aerogenesarten gegen die Fäulnis ist für diese Arten durchaus spezifisch : dieselbe l)eruht keineswegs etwa auf der durch diese beiden Mikroben hervorgerufenen Säuerung des Substrats (und ebensowenig etwa auf einer besonderen chemischen Xatur der abgesonderten Säuren), indem einerseits die gleichfalls säurebildeudeu Bac. Proteus und prodigiosus keinerlei fäuluishemmende Wirkung zeigen und indem andererseits die anaeroben Fäulniserreger selbst vortrefflich in saurem Substrat wachsen. Dagegen ist zuzugeben, dass die spezifiscli fäulniserregende Wirkung der Aerogenes- und Coliarten allerdings durch Säurebildung sehr begünstigt wird und z. B. schon l)ei einem Zucker- gehalt von \% vollständig ist. Auf diesem spezifischen Antagonismus der Coli- und Aerogenesarten beruhen einige in medizinischer Hinsicht bemerkenswerte Thatsachen. Hierher 11.2 E. Gotschlich, gehört zunächst die alte (auch praktisch in der Haushaltung verwendete) Er- fahrung, dass rohe Milch sehr wenig zur Fäulnis neigt und sogar andere fäulnisfähige Stoffe (Fleisch) gegen Fäulnis zu schützen vermag. Jedoch konnten FlCcuse''^ und K. Weber ^"^ in seltenen Fällen auch typische faulige Zersetzung der Milch konstatieren. Nach den Versuchen von Hirschler^^, Wtnternitz •''S, Schmitz'^'', Blumenthal "^'^ glaubte man, die fäulniswidrige Eigenschaft der rohen Milch (und des frischen Käses) auf den Milchzucker- gehalt derselben zurückführen zu müssen, nachdem sich ergeben hatte, dass sowohl das Kasein als die Milchsäure in dieser Beziehung völlig ohne Wirkung waren. Bienstock •''"'' zeigte jedoch, dass nur der rohen Milch fäuluis- widrige Eigenschaften zukommen; sterilisierte und pasteurisierte Milch fault bei Infektion mit Putrificus, sei es in Rein- oder Mischkultur, sehr rapid und beschleunigt sogar die Fäulnis anderer ihr zugefügter Eiweißkörper; auch durch sehr reichlichen Zusatz von Milchzucker (bis 30 ^ ) , von liohr- und Traubenzucker (bis 20^) war die Fäulnis nicht hintauzuhalten; einzig bei Anwesenheit von Coli- oder Aerogenesarten blieb die P'äuluis konstant aus. Der fäulnishemmende Einfluss des Milchzuckers in den Versuchen der früheren Autoren war nur ein indirekter, indem durch die Anwesenheit des Milchzuckers die Coli- und Aerogenesarten in ihrem Wachstum außerordent- lich begünstigt wurden. Hieraus ergiebt sich die große Bedeutung der Coli- und Aerogenes- arten, die ja regelmäßige Darmbewolmer sind, für die Darmfäulnis; offenbar liegt ihnen die Aufgabe ob, eine allzu intensive faulige Zer- setzung, bei der auch leicht toxische Substanzen entstehen können, bint- anzuhalten, bezw. die primären Fäulnisprodukte im Darm rasch weiter zu spalten und unschädlich zu machen. So erklärt sich das Fehlen eigentlicher stinkender Fäulnis im Säuglingsstuhl; so erklären sich ferner möglicherweise manche der Xachteile der Säuglingsernährung mit sterilisierter Milch; andererseits lässt sich nach Eschericii ^'^ bei gastrischen Störungen des Säuglings der Stuhlgang durch reichliche Kohlehydrat- ernährung wieder normal gestalten; desgleichen kann auch beim Er- wachsenen durch Milch- und Ketirdiät nach Pühl*'^^^ Biekxacki^^, RoviGHi^i u. a. , die Darmfäulnis bedeutend herabgesetzt werden. In Uebereinstimmung mit diesen klinischen Erfahrungen fand Biexstock^"'', dass sein Bac. putrificus in den Faeces nicht nachweisbar ist, selbst nicht bei Tieren, die ihn mit Straßenkot massenweise aufnehmen (Enten, Schweinen), und auch nicht bei direkten Fütterungsversuchen (an Mensch und Kaninchen). — Bei der Leichenfäuluis scheinen gleichfalls obligate Anaeroben die primäre Rolle zu spielen, insbesondere E. Kleins**-' Bac. cadaveris sporogenes, von dem BiENSTOCK^ob dm-cii genauen Vergleich der Kul- turen feststellte, dass er mit seinem Bac. putrificus identisch ist; die insbesondere von Kuimf'*' undMALvoz"^ als Erreger der Leichenfäulnis angesehenen Proteus- und Coliarten spielen möglicherweise nur eine sekundäre Rolle. — Die unter gewissen Verhältnissen vorkommende Leichenwach sbildung, wobei insbesondere Luftabscbluss und reich- licher Wassergehalt wirksam zu sein scheinen, ist vorläufig weder in ätiologischer noch in chemischer Beziehung aufgeklärt; vgl. Rubners^s Versuche über Fettzerstörung im Boden. — Von gerichtsärztlichem Interesse sind die Beobachtungen Ottolenghis''^ über Zerstörung von giftigen Alkaloiden (Atropin und Strychniu) bei der Fäulnis; dieselbe wird durch die Thätigkeit der Fäulnisbakterien selbst, nicht ihrer Allgemeine Morphologie und Biologie u. 3. w. 113 Stoffwechselprodukte (Ipsex'''-'; bewirkt. Bei Strychniulösungen von bekanntem Wirkungswert geht der Zerstörung zunächst eine Erhöhung der Toxicität voraus (wahrscheinlich iudirekter Natur, indem die Versuclistiere durch gleich- zeitige Injektion der Fäulnisprodukte weniger widerstandsfähig sind). Litteratur über Fermeut- und (jährwirkungen pathogener Bakterien. I. Allgemeines. 1 Miquel, Ann. de micrograpbie, tomes I, II, III, V; Cr. de Tacad. d. sc, tome 111, p. 397. — - E. Buchner, Berichte d. Deutsch, ehem. Gesellsch., Bd. 30, 117. IL Fermente. •' Bitter. Arch. f. 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Hyg., Bd. 21. 114; Bd. 22, 1. — 43 KuPRiANOW, ebd., Bd. 19, Nr. 3. — 44 Gosio & Biginelli, ref. Baumgju-tens Jahresber., 1898. 377. — 45 Blachstein, ref. A. Kochs Jahresber., 1892, 80. — 4^' Pere. Ann. de l'Inst. Pasteur, 1892, 512. — 47 Günther & Thierfelder. Arch. f. Hvg, Bd. 25, 164; Hyg. Rundschau, 1900. Nr. 16. — 4s Kozai, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf.,Bd. 31, 337, 1899. — 4Sa Blumenthal, Virchows Arch., Bd. 146. S. 165. — 4!» Gor- dan, Inaug.-Diss., Erlangen 1897; ref. Centr. f. Bakt., IL Abt., Bd. 4, 247, 1898. — 5" Bienstock, a) Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 8; b: Arch. f. Ilyg., Bd. 36, 335; c) ebd., Bd. 39, 390. — ^'1 Nencki & Sieber. Sitzangsber. d. Wiener Akademie; Math.-phys. (1., 1889. — "'2 Bovet, Ann. de micrograph., 1890, Nr. 7. — "'3 Za.ta. Arch. f. Hyg., Bd. 30. — '^4 Emmerling, Berichte d. Deutsch, ehem. Gesellsch.. 1897, Bd. 14. S. 1863. — •« Nencki, Zeitschr. f. prakt. Chemie. Neue Folge, Bd. 17. — <■'' K. Weber, Arb. d. Kaiserl. Gesundheitsamts, Bd. 17, Nr. 1. — •^' Hirschler, Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 10, 302. — «s Winternitz , ebd.. Bd. 16, 460. — .^'•' Schmitz, ebd., Bd. 14, 378; Bd. 15, 401. — «o Blumenthal, Virchows Arch., 1896. — ^'i Escherich. Therapeut. Monatshefte, 1887. — ^'^ Pohl, Malvs Jahresber. f. Tierchemie. 1887. 277. — '^ BiERNACici, Deutsch. Arch. f. klin. .Aled'icin. Bd. 49. — ''^ Rovighi. Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 16. 43. — i-' E. Klein. Centralbl. f. Bakt.. I. Abt.. Bd. 2o, Handbucli der pathogenen Mikroorganismen. I. 8 114 E. Gotschlich. Nr. 8/9, 1899. — r,n Kuhn, Arch. f. Hyg., Bd. 13, 40. — «" Malvoz, Ann. d'hyg. publ. de med. legale, 1899, octobre/novembre. — f* Ottolenghi, Eiforma medica, 1895. 222, 228; 189ß, 178; ("entralbl. f. Bakt, I. Abt.. Bd. 18, 270, 1895. — f>o Ipsen, Vierteljahrsschrift f. gerichtl. Medicin, Bd. 10, S. 1. J. Vermehrung, Wachstum und Sporenbildung der pathogenen Bakterien. Nachdem diese Vorgänge nach ihrer morpliologischen Seite hin schon im Kapitel B. ihre Besprechung gefmiden haben, erübrigt an dieser Stelle noch die Kenntnis ihres biologischen Verhaltens (Intensität bezw. Geschwindigkeit, Abhängigkeit von äußeren Bedingungen etc.] I. Die Vermelirung durch Zellteilung ist das einzige sichere Krite- rium zur Entscheidung der Frage, ob ein gegebenes pathogenes Bak- terium lebend ist oder nicht; fehlt die Vermehrung, so ist das Leben entweder definitiv erloschen oder sistiert; diese letztere Alter- native ist dann dadurch zu entscheiden, dass man das betr. Bakterium unter optimale Lebensbedingungen (Temperatur, Nährsubstrat, Sauerstoff- zutritt) bringt und längere Zeit beobachtet; war das Leben nur sistiert, so muss dann, unter optimalen Verhältnissen, die Vermehrung wieder beginnen; jedoch ist besonders hervorzuheben, dass die Beob- achtungszeit nicht zu kurz gewählt werden darf (bei gewöhnlichen Arten mindestens eine Woche — bei langsam wachsenden mehrere Wochen!), weil stark geschädigte Bakterien sich oft nur außerordentlich langsam erholen. Unter Umständen ist sogar der Tierversuch heranzuziehen. — Andererseits ist auch die Intensität der Vermehrung der exakteste Wertmesser der Lebensenergie einer Kultur unter gegebenen "Verhältnissen; die Intensität sämtlicher übriger Lebensäußerungen geht mit derjenigen der Vermehrung völlig parallel. Hierfür spricht zunächst der Augenschein, indem beim Optimum des Wachstums auch alle übrigen Funktionen (Beweglichkeit, Bildung von Stoffwechselprodukten u. s. w.) in höchster Blüte stehen und nach den für das Wachstum gesteckten Grenzen hin gleichfalls abnehmen. Ferner existiren auch quantitative Belege; so konstatierte Hesse ', dass die Energie des Gaswechsels je nach der In- tensität der Vermehrung größer resp. kleiner wird; so zeigten Gotschlich & Weigaxg^, dass die Virulenzgröße einer Cholerakultur ausschließ- lich von der in ihr enthaltenen Anzahl lebender Individuen abhängt; so bewies Smirnow -^j dass Kulturen, die eine Abweichung ihrer Lebens- äußerungen (speziell der Virulenz) zeigen, gleichzeitig eine Abnahme ihrer Vermehrungsenergie erkennen lassen; im gleichen Sinne sprechen endlich auch noch die weiter unten anzuführenden Werte der Genera- tiousdauer unter verschiedenen Bedingungen. Ausnahmen von diesem Parallelismus zwischen Vermehrungsenergie und Intensität aller übrigen Lebensäußeruugen kommen nur dann zustande, wenn durch Variieren (vgl. S. 123 ff.) Rassen geschaffen werden, die nur in einer oder ein- zelnen Lebensäußerungen (besonders Pathogene'ität) geschädigt worden sind, deren vegetatives Wachstum jedoch keine Abschwächung erfahren hat. — Einen brauchbaren quantitativen Ausdruck für die Ver- mehrungsenergie liefert die (leicht auszuführende) Bestimmung der Generationsdauer, d. h. derjenigen Zeit, die zwischen der Ent- stehung einer Bakterienzelle und ihrer vollendeten Teilung in zwei neue Individuen verstreicht. Dieselbe ist zuerst von Büchner, Lon- Allgemeine Morpliologie und Diologie u. s. w. 115 GAiiD & RiKDLiN^ auf Grund folgender Ueberleguug bestimmt wor- den: Ist a die Zahl der Bakterien in der Aussaat, b die Zahl der Keime in der (nach einer bestimmten Zeit T gewonnenen) Ernte, n die Zahl der (während der gleichen Zeit T) auf einander gefolgten Genera- tionen, so ist, mit Berücksichtigung der Thatsache, dass die Vermehrung lo"* b — losr a stets durch Zweiteilung erfolgt: b = a . 2" und n = — ^—. ^^-5 — ; ^ ^ log 2 T die Generationsdauer ist dann = — . n Ueber Bakterienzähhmg vgl. Abschnitt »Methodik« iu diesem Hand- buch; hier sei nur erwähnt, dass zwei grundsätzlich verschiedene Prin- zipien in Anwendung kommen können. Entweder wird die Zahl der aus einem bestimmten Bruchteil (Volumen- oder Gewichtseinheit) der Kultur bei Züchtung auf geeignetem Nährsubstrat hervorgegangenen Kolonien bestimmt und so die Zahl der in der Kultur euthaltenen lebenden Individuen erkannt, — unter der Voraussetzung nämlich, dass jede Kolonie aus einem einzigen Keime hervorgegangen ist, eine Annahme, die zwar im allgemeinen, aber doch nicht durchweg, zutreffend ist, indem eine Kolonie auch aus einem Bakterien- häufchen hervorgehen kann (Hehewerth-^ , was einen gewissen unvermeidlichen Fehler dieser Methode darstellt. Oder es wird die Zahl der Bakterienindividuen selbst im gefärbten Präparat bestimmt, eine Methode, die zwar den genannten Fehler vermeidet, dafür aber an dem weit größeren Uebelstand leidet, dass sie nur die Totalzahl der (lebenden + abgestorbenen) Individuen der Kultur angibt, ohne die geringste Möglichkeit zu bieten, beide Kategorien von einander zu trennen. Oft ist vergleichende Anwendung beider Methoden von Nutzen. — Methoden nach dem ersteren Prinzip sind von R. KoCH^'^, später von Ficker^, und GoTSCHLiCH & Weigang^, mit Zuhilfenahme der M. NEisSERSchen " mikro- skopischen Plattenzähluug, ausgearbeitet; Zählungsmethoden im gefärbten Prä- parat von WiXTERBERG '-'' A. Kleix* uud Hehewerth^. Der gegeuseitige Fehler zwischen Kontrollversuchen ist bei Plattenzählung etwa 15^. bei Präparatzählung etwa 19^; die wesentlich höheren Fehler, die Hehewerth^ der Plattenzählung bei Anwendung von Verdünnungen sowie bei Benutzung von Agarplatten zum Vorwurf macht, finden sich bei den oben genannten Autoren nicht und beruhen nur auf seiner unzweckmäßigen Versuchsanordnung (direktes Verteilen der Kulturmasse in Gelatine u. s. w. anstatt in Flüssigkeiten, wobei natürlich eine sehr unregelmäßige Verteilung eintritt;. Die Geuerationsdauer ist für den Choleravibrio bei Wachstum in Fleischwasserpeptonzuckerlösung bei 37° zwischen 19 und 40 Minuten gefunden (Buchxer, Loxgard und Riedlix-'); für den Typhusbacillus bei 37° in Bouillon zu 29 Minuten (M. Müller «j, 33^ , Minuten (Hehe- werth^); für den Colibacillus unter gleichen Bedingungen zu 231/2 Minuten (Hehewerth). Dieser Autor fand ferner, dass bei 22" die Generationsdauer auf etwa das Vierfache verlängert wurde; dass das gleiche stattfand in nährstoffärmereu Substrat, sowie bei erstmaliger Uebertragung auf einen der betr. Kultur noch ungewohnten Nährboden; desgleichen macht sich der ungünstige Einfluss über dem Optimum liegender Temperaturen in diesem Sinne geltend (M. Müller''). Schein- bar hingegen, wenigstens zum großen Teil, ist die außerordentliche Verlängerung der Generationsdau'er, welche beobachtet wird, wenn die Versuchszeit zu lange ausgedehnt wird; es sind dann eben in der Kultur- masse schon viele abgestorbene Individuen vorhanden (vgl. weiter unten), die das Zählungsresultat beeinträchtigen: außerdem nimmt allerdings 8* 116 E. Gotschlich. auch die Vermehruugsenergie selbst ab , infolge der in - der alternden Kultur auftretenden entwickeluugsbemmenden Einflüsse. Bemerkenswert ist ferner, dass uacb Ueberimpfung auf neues Nährsubstrat (selbst wenn dasselbe den Mikroben durchaus angepasst ist) stets eine gewisse Zeit (beim Typhusbaeillus etwa 2 Stunden, Müller'*, Hehewekth^) vergeht, innerhalb deren keine Vermehrung nachweisbar ist; nur wenn als Impf- material ganz junge Kulturen (2 — SstUndige; verwendet werden, beginnt die Vermehrung fast sofort nach der Uebertragung; dieses Inkubations- stadium, während dessen wahrscheinlich viele der übertragenen Individuen zugrunde gehen und die übrigen sich erst erholen müssen, ist um so länger, je älter die als Impfmaterial verwendete Kultur war; als schädigende Momente bei der Uebertragung sind wahrscheinlich haupt- sächlich osmotische Dififerenzen (vgl. S. 55) wirksam. Hieraus erklärt sich die insbesondere beim Pestbacillus (Deutsche Pestkommission), sowie auch beim Meningococcus (Councilmax, Mallory, & WrightI") gemachte Erfahrung, dass die neu angelegten Kulturen oft nicht angehen, wenn das Kulturmaterial in zu geringer Menge übertragen worden war. Quantitative Bestimmungen der Zahl der l'^.b enden Individuen in einer ganzen Kultur, in verschiedenen Phasen derselben und in Abhängigkeit von äußeren Bedingungen, sind zuerst von Gotschlich & Weigang^ am Choleravibrio ausgeführt. Bei einer Aussaat von 500 — 1000 Millionen Individuen ergab sich der Keimgehalt einer ca gleichmäßig bewachsenen Agarfläche (im schrägerstarrten Röhrchen) zu (in Millionen lebender Individuen): nach 8 Stdn. bei 370: 35 300 bei 220: — 12 Stdn. 16 Stdn. 20 Stdn. 44 Stdn. 68 Stdn. 4 Tagen 48100 36 900 28100 3300 775 93 — ! — 29 600 71 400 45 300 20 300 5 Tagen 14 200 Die »Wachstumskurve« (die man erhält, wenn man die Zeiten als Abszissen, die Anzahl der Individuen als Ordinaten aufträgt) ist also bei Zimmer- und Bruttemperatur gänzlich verschieden; bei 37° wird das Maximum sehr rasch (schon nach 12 Std.) erreicht und beginnt hierauf ein zunächst außerordentlich rapides, dann immer langsamer werdendes Absterben; bei Zimmertemperatur flndet ein sehr viel lang- sammeres Ansteigen und Abfallen der Kurve statt, das Maximum liegt erst am Ende des zweiten Tages. Uebrigens beginnt der Absterbe- prozess bei 37 o wahrscheinlich schon während der aufsteigenden Periode der Wachstumskurve und kommt nur deshalb nicht zur Erscheinung, weil er durch die äußerst rasche Vermehrung überkompensiert wird; andererseits geht wohl auch im absteigenden Ast der Wachstumskurve, nur verdeckt von der rapiden Keimabnahme, auch eine gewisse Ver- mehrung einher; die Wachtumskurve stellt die Differenz zwischen einer Vermehrungs- und einer Absterbekurve dar. Der Absterbeprozess kommt sofort zum Stillstand, wenn die ausgewachsene Kultur bei niedriger Temperatur, d. h. im Zustand latenten Lebens, aufbewahrt wird. — Bei verschiedenen Bakterieuarten verläuft der Absterbeprozess in ver- schiedener Weise, so bei Coli viel langsamer als beim Cholera vibrio (Hehewerth •'"'). — Nach allem, was in früheren Abschnitten über das Verhalten der Bakterien zur Temperatur (S. 74), sowie über ihr Verhalten im Hunger- zustand (S. 86) gesagt ist, erscheint dieses natürliche Absterben in der alternden Kultur durchaus verständlich; es ist in erster Linie die Folge AUgeneine Morphologie und Biologie u. s. w. 117 der Erschöpfung- des Xäbrbodeus imd kommt daher augenblicklich zum Stillstand, sobald die Zersetzung-sprozesse im lebenden Plasma auf ein Minimum reduziert werden (bei niederer Temperatur ; sehr bemerkens- wert ist ferner, dass bei 22" die absolute Anzahl der Individuen viel größer ist als bei 37 «; im ersteren Falle erfolgt die Dissimilation des lebenden Plasmas weniger energisch ; der Bedarf ist daher geringer, und es kann mit der gleichen gegebenen Menge von Nährstoff eine größere Anzahl von Individuen, und diese eine viel längere Zeit hindurch er- nährt werden. In Uebereinstimmung hiermit steht auch der Unter- schied im Verhalten von Mitte und Rand einer Kultur; das Maximum der Entwicklung ist am Rande der Kultur bedeutend (bis über 24 Std.) hinausgeschoben und fällt in eine Zeit, da in den mitt- leren Partieen der Kolonie die Zerstörung bereits weit fortgeschritten ist; sobald aber auch in den Randpartieen sämtliche Isährstoffe erschöpft sind, erfolgt der Absterbeprozess ebenso rapid wie in der Mitte der Kolonie. Xeben dem Hungerzustand ist dann noch die schädigende Wirkung der Stoffwechselprodukte zu nennen; letztere zeigt sich am einfachsten in dicht besäten Platten, wo die Kolonieen, trotzdem noch Platz genug zwischen denselben frei bleibt, doch nie über eine gewisse, durch die diffundiereuden Stoffwechselprodukte bestimmte Grenze hinaus- wachsen und nie die Größe erreichen, wie in dünn besäten Platten. — - In völligem Einklang mit dem Gesagten stehen Fickehs'*'' Beobach- tungen über die Beziehung zwischen Größe und Keimgehalt einer Kolo- nie; insbesondere erklärt sich leicht (durch das verschiedene Verhalten von Rand und Mitte), dass die Keimzahl in der Kubikeinheit schon stark abnimmt, während die absolute Zahl der die Kolonie zusammensetzenden Keime noch im Wachsen begriffen ist. Die Keimzahl gleichalteriger Kolonien zeigt sehr große Differenzen (bis 300^), hauptsächlich infolge der durch die verschiedene Lage der Kolonieen bedingten Verschieden- heiten des Luftzutritts. — Die älteren Individuen einer Kultur zeigen, infolge der früher er- wähnten Anpassung an die neuen Verhältnisse, eine bedeutende Re- sistenz gegenüber dem natürlichen Absterbeprozess (keineswegs aber gegenüber anderen schädigenden Einwirkungen, z. B. Hitze, weshalb sie nicht als »Arthrosporen > gedeutet werden dürfen, Fickek '*''); so er- klärt es sich, dass auch l)ei nicht-sporenl)ildenden Bakterien alte Kul- turen sehr lange ihre Uebertragbarkeit behalten; so konstatierte Schultz ^^ in Pestkulturen noch nach vier Jahren lebende Individuen, desgleichen Bolley12 hei Typhuskultureu nach vier Jahren, bei Bac. Fkiedläxder noch nach fast sechs Jahren. — IL AVachstnm nnd Bildung vou Kolouieeu stellen eines der wich- tigsten Artcharakteristika dar; die durch Zellteilung- entstandenen neu- gebildeten Individuen lagern sich, besonders auf festem Nährboden, in bei den einzelnen Arten verschiedener, durchaus gesetzmäßiger Weise an einander und bilden so schließlich makroskopisch (bezw. in ihrem Detail bei schwacher Vergrößerung) sichtbare Kolonieen. Der bio- logische Mechanismus, welcher dieses gesetzmäßige und vielfach spe- zitische Zusammenwirken zahlloser Einzelwesen (deren jedes doch für sich durchaus selbständig ist) zu einem gemeinsamen Gebilde beherrscht, ist noch ganz unbekannt. Es hat nicht an (teilweise gänzlich kritik- losen und phantastischen) Versuchen gefehlt, die Ijakterienkolonie als wirklichen vielzelligen Organismus oder wenigstens als Zellstaat zu 118 E. Gotschlich. betrachten; hierfür fehlt jedoch durchaus der Nachweis, dass den in verschiedenen Partieen der Kolonie gelegenen Bakterien irgend welche morphologische oder biologische Differenzierung zukäme; im Gegenteil erweisen sich die aus beliebigen Teilen der Kolonie abgeimpften Bak- terien stets unter sich als ganz gleichartig; nur Serkowski i^ ^ill nach- gewiesen haben, dass die zentrale Partie der Kolonie (der »Kern«) eine besondere bestimmende Rolle für die Struktur- und Ernährungs- verhältnisse der Kolonie spiele. — Diejenigen Faktoren, die bei der Bildung der Kolonieen mitwirken, sind hauptsächlich die folgenden: Die morphologische Anordnung der Eiuzelindividuen (in Ketten, Fäden u. s. w.) bewirkt eine entsprechende Struktur der Kolonie, besonders am Kande (Streptokokken, Milzbrand) ; durch Ausschwärmen eigenbeweg- licher Fäden entstehen die so merkwürdigen »versprengten« Kolonieen, die besonders bei Proteusarten massenhaft um eine größere geschaart sind. — Ferner wirken die spezifische Wachstumseuergie, die mehr oder minder starke Bildung schleimiger oder fadenziehender Intercellu- larsubstanz, die Bildung von P^arbstoöeu und peptonisierenden Fermenten mit, um der Kolonie ihr Gepräge zu geben. Bei abnormer Konzentration des Nährbodens entstehen oft ganz abweichende Kolonieformen; be- sondere Bedeutung hat in neuester Zeit die schon von Rosenthal i^ und Klie'"^ beobachtete und von Piorkowski^" zu einer für die prak- tische Typhusdiagnose verwertbaren Methode benutzte Eigenheit des Typhusbacillus gefunden, in dünner Gelatine (2,5 — 3^) in Form aufge- lockerter Kolonieen mit spiralförmigen peripheren Fortsätzen zu wachsen. Eine sehr wichtige Rolle spielt endlich der Sauerstoffzutritt, der, im Verein mit den Verschiedenheiten des Wachstumswiderstandes, bei vielen Arten (Typhus, Coli u. s. w.) die Entstehung zweier scheinbar grundverschiedener Formen, der oberflächlichen und der tiefen Kolonien, bedingt. — Auf eigenartige geometrisch regelmäßige Struk- turen der Kolonieen des Staphylococc. pyog. albus weist Saul^' hin. — Sonderbar ist das von vielen Autoren konstatierte Verhalten des Pest- bacillus, in dessen Kulturen völlig regellos kleine tröpfchenartige und größere kompakte Kolonieen zur Entwicklung gelangen; impft man von einem dieser beiden Typen ab, so entstehen wieder kleine und große Kolonieen (Kolle). Möglicherweise hängt diese wie auch manche andere Unregelmäßigkeit in den Kolonieformen damit zusammen, dass die Kolonieen niclit immer aus einem einzelnen Keime, sondern aus einem Bakterienhäufchen entstehen. III. Sporonhilduiig und Sporenkeimuiig. Die Bildung echter endo- gener Sporen ist, wie früher gezeigt wurde, ein wohl charakteri- sierter Vorgang sui generis, der nur bei bestimmten Arten vorkommt (und bei diesen allerdings auch einer gewissen Variabilität unterworfen ist; der aber bei anderen Arten bisher durch keinerlei Mittel künst- lich hervorgerufen werden kann. Die an älteren Individuen nicht sporen1)ildender Arten beobachteten Anpassuugsvorgäuge, die das In- dividuum zu einer längeren Lebensdauer unter ungünstigen Verhält- nissen (vgl. oben S. 86) befähigen, sowie die plasmolytischen Vorgänge (Fischer !''■') haben mit der Sporenbildung manches Gemeinsame, ins- besondere die Konzentration der Leibessubstanz der Bakterien- zelle und mögen eventuell als biologische Aequivalente der Sporenbildung betrachtet werden: vom morphologischen Standpunkt aus sind jedenfalls beide Vorgänge ganz streng geschieden, und die morphologischen Merk- Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 119 male (ins])esondere die sichere lieobaclitimg der Auskeimuug) sind auch das zuverlässigste Kriterium zur Entscheiduug der Frage, ob ein ge- gebenes Gebilde eine echte Spore ist oder nicht; die Resistenzfähigkeit gegen Hitze kommt erst in zweiter Linie in Betracht, nachdem neuer- dings festgestellt ist, dass sie sehr großen Schwankungen unterliegen kann; so sah DanxappelI'^ nur bei 70^ seiner Milzl)randkulturen eine Widerstandsfähigkeit der Sporen gegen die eine Minute dauernde Ein- wirkung strömenden Dampfes von 100°; in manchen Kulturen ertrugen die Sporen nur eine 5—15 Sekunden dauernde Einwirkung des Dampfes. Unter den Bedingungen, die bei sporenbildendcn Arten das Zustandekommen der Sporulation bewirken, spielt die ein- tretende Erschöpfung des Nährbodens die größte Rolle (BuciinerI'']. Bei regelmäßiger, sehr frühzeitiger Erneuerung des Nähr- substrats kann man zahlreiche Generationen rein vegetativer Natur erhalten, ohne dass jemals Sporenbildung einträte; hiermit hängt es wahrscheinlich auch zusammen, dass der Milzbrandbacillus im infizierten Organismus, der einen für ihn absolut adäquaten Nährboden darstellt, nie Sporen bildet (Koch^oj Die Sporenbildung kommt in der Kultur erst dann zustande, wenn die Akme der Entwickelung überschritten ist (Behring 2^]; daher erfolgt ihr Eintritt um so früher, je höher die Wachstumstemperatur war; z. B. beim Milzbrandbacillus (Koches) bei 16° erst nach 7 Tagen spärliche Sporen, bei 21° nach 72 Stunden, bei 25° nach 35—40 Stunden, bei 30—37° etwa nach 24 Stunden; gegenüber diesen durch mikroskopische Beobachtung gewonnenen Werten stellte neuerdings Weil 2-^ durch Kultur fest, dass vereinzelte Sporen schon vor den genannten Terminen, und bis hinab zu 12°, gebildet werden. Besonders rasch und massenhaft erfolgt die Sporenbildung, wenn die vegetativen Formen mitten aus günstigen Ernährungsbedingungen heraus in "Hungerzustand versetzt werden, z. B. durch Uebertragung in Wasser oder Salzlösungen (Büchner ^^^ Schreiber 2^) ; ferner erfolgt dieselbe, der vorzeitigen Erschöpfung des Substrats wegen, rascher auf nährstoff- ärmerem Kulturboden (Stephanidis^s). Iu allen diesen Fällen ist es der eintretende Nähr Stoffmangel, nicht etwa eine von vornherein kümmerliche Ernährung, welche die Sporenbildung begünstigt; vielmehr ist die Sporenbildung um so reichlicher, je besser vorher die Ernährung war; unter von vornherein ungünstigen Bedingungen wird die Sporen- bildung sehr in Frage gestellt und bleibt eventuell ganz aus (Schreiber). Hiermit wird auch der scheinbare Widerspruch behoben, in dem die Versuche Lehmanns26 und Osbornes'-' gegen die soeben dargelegte Theorie Buchners stehen, indem beide Autoren fanden, dass die absolute Zahl der Sporen und auch ihr Verhältnis zur Anzahl der vegetativen Keime um so größer ist, je besser der Nährboden war. — Neben den Ver- hältnissen der Ernährimg und Temperatur spielt ferner der Sauerstoff- zutritt eine wichtige Rolle; bei Sauerstoffabschluss kommt bei aeroben Arten die Sporenbilduug und Sporenkeimung entweder überhaupt nicht (Slupnik27\ Jacobitz2'') oder nur auf besonderem Substrat (beim Milz- brandbacillus auf Schaf blutserum , pflanzlichen Nährböden, Weil23i, Klett2S'') zustande. Die Auskeimung der Sporen erfolgt, wenn dieselbe unter die für die betr. Art günstigen Lebensbedingungen gebracht werden: die zur Auskeimung erforderliche Zeit ist mehrfach bestimmt worden (für den Milzbrandbacillus von KocH2o,PKAZMOWsKi29,GRErHE-'o,WEiL2'\); nach den sehr eingehenden Versuchen des letzteren Autors erfolgt beim Milzbrand- 120 E. Gotscblich, bacillus die Auskeimimg der Mehrzahl der Sporen zwischen 30 und 37° nach 8 Stunden; bei 24° nach 16 Stunden, bei 18° nach 70 Stunden, bei 12° nicht mehr regelmäßig, aber ausnahmsweise bis hinab zu 7°. Vor und nachher aber findet gleichfalls Sporenauskeimung statt, die sich noch bis weit in die Zeit hinein erstreckt, wo die aus den alten Sporen gekeimten Bazillen schon wieder aufs neue Sporen gebildet haben (l)ei 30—37° nach 22 Stunden, bei 24° nach 48 Stunden, bei 18° nach 96 Stunden u. s. w.); es tritt fast nie ein Zeitpunkt ein, an dem nur vegetative Formen und nicht auch Sporen (seien es alte noch nicht aus- gekeimte oder schon wieder neugebildete) vorhanden wären; daher die UnZuverlässigkeit der -fraktionierten Sterilisation«. Litteratur. I. Vermehrung, i Hesse. Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 15, S. 17 u. 183. — 2 GOTSCHLICH & WEIC4ANG, ebd., Bd. 20, 376, 1895. — :' Smirnow. ebd., Bd. 4. 248. — 4 Buchner, Longard & Riedlin, Centr. f. Bakt., I. Abt., Bd. 2, 1, 1887. — -5 Hehe- WERTH, Archiv f. Hyg., Bd. 39, 321. — ^^ E. Koch, Mitteil. a. d. Kaiserl. Gesundh. Amt, 1881, I, 27. 36. — « Ficker, a) Z. f. Hyg. u. Inf., Bd. 29, 1898; b) Inaug.-Diss., Leipzig 189.">. — ' M. Neisser, Zeitschr. f Hyg. n. Inf, Bd. 20. 1895. — '^^ Winter- berg. Zeitschr. f. Hyg., Bd. 29, 75, 1898. — ^ A. Klein. Centr. f. Bakt., I. Abt., Bd. 25, 376, 1899. — '•' M. Müller, Zeitschr. l Hyg. u. Inf, Bd. 20, 245, 1895. — 10 CouNCiLMAN, Mallory & Wright . ref Baumgartens Jahresber. , 1898, 72. — " Schultz. Centr. f Bakt., I. Abt., Bd. 29, 169, 1901. — i-' Bolley, ebd.. II. Abt., Bd. 6, 33, 1900. II. Wachstum und Colonien. ^^ Serkowski, ref Baumgartens Jahresber. 1898, 784. — 14 Rosenthal, Deutsches Archiv f klin. Medicin, Bd. 55. — is Klie, Centr. f Bakt., I. Abt., Bd. 20, 49, 1890. — "' Piorkowski, Berl. kHu. AVochenschr., 1899, 145. — 1" Saul, Hygien. Rundschau, 1900, 575. III. Sporenbildung und Sporenkeimung. i"=i A. Flscher, Berichte d. Kgl. Sachs. Gesellsch. d. Wiss., math.-phys. Cl., Leipzig 1891. — i« Dannappel, ref. Centr. f Bakt., IL Abt., Bd. 6, 841, 1900. — i'> Buchner, ebd., I. Abt., Bd. 8, 1, 1890; Sitzungsber. d. Kgl. bayr. Akad. d. Wiss., math.-phys. Cl. 1880. — 20 Koch, Cohns Beiträge zur Biologie d. Pflanzen, IL 1877. — 21 Behring, Zeitschr. f Hyg. u. Inf. Bd. 6, 126; Bd. 7, 171. — -- Koch, Mitteilungen a. d. Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 1, 65. — 23 Weil, a) Archiv f Hyg., Bd. 35, ;355; b) ebd., Bd. 39, 205; c) Zeit- schrift f. Hyg. u. Inf., Bd. 36, 451, 1901 Polemik gegen KLETT2«a). _ 24 Schreiber, Centr. f Bakt., I. Abt., Bd. 20, 189«. — 25 Stephanidis, Arch. f. Hyg., Bd. 35, 1. — 2fi Lehmann, Würzburger med.-physical. Gesellschaft, 8. Febr. 1890. — 27 Osborne, Arch. f Hyg.. Bd. 9, 51. — 2Ta Slupnik, Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 30, 316, 1901. — 28 Jacobitz, ebd., Bd. 30, S. 232, 1901. — 2sa Klett, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf, Bd. 35, 1900. — 29 Prazmowski, Biolog. Centralbl. 1888. Nr. 10. — »' Grethe, Fortschr. d. Med. 1896. K. Antagonismus und Symbiose in Mischkulturen. Die Kenntnis der wechselseitigen Beziehungen pathogener Bakterien unter einander, sowie zwischen Krankheitserregern und Saprophyten, bei gleichzeitigem oder successivem Wachstum auf demselben Substrat, ist deshalb von großem Wert, weil diese Verhältnisse in der Katur offenbar eine große Rolle spielen, insbesondere mit Bezug auf die Fragen der Haltbarkeit und Fortpflanzungsfähigkeit der pathogenen Bakterien auf leblosem Substrat, lieber »Mischinfektion« des lel)enden Organismus wird an anderer Stelle dieses Handbuchs verhandelt. Die Versuchsanordnung kann sich hierbei in verschiedener Weise gestalten; entweder sind die lebenden Individuen der beiden Kulturen unmittelbar vermischt (indem in die gleiche Kulturflüssigkeit simultan oder successiv verschiedene Arten eingeimpft werden) ; oder es wird nur Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 121 Antagonismus der Funktion« diejenigen Fälle beschreiben , wo zwei Arten sich zwar ungestört nel)eu ein- ander entwickeln und üppig gedeihen, wo aber gewisse Stoffwechselprodukte nicht zur Erscheinung kommen, — sei es, dass dieselben sogleich nach ihrer Bildung von der begleitenden Art verzehrt werden, sei es, dass infolge der veränderten Bedingungen des Substrats schon ihre Bildung unterbleibt. Hierher 122 E. Gotschlich. geli(»rt z. B. die antagouistische Wirkung der Coli- und Aerogenesarten gegenüber der Eiweißfäulnis (vgl. oben S. 111), ferner die Hemmung der Farb- stoflfbildung des Pyocyaneus in Symbiose mit Eiterkokken (Schimmelbusch & MÜHSAM'^', Krause^), die Virulenzschwäcliung des Milzbrandbacillus bei Züch- tung in sterilisierter Cbolerakultur (Zagari^). — Tberapeiitische Verwendung hat in neuester Zeit vielfach die zuerst von Landau i'J konstatierte antagouistische (bezw. heilende) Wirkung der Bierhefe auf Eiterkokken, Gonokokken, bei Fluor albus u. s. w. gefunden (LassarIi, Murer^^. Simpson«, MarieI^, ScottIs, Albert i"). Die antagouistische Wirkung kann sehr verschiedene Gründe haben. Zu- nächst handelt es sich oft gewiss nur um eine Erschöpfung des Nähr- bodens durch die rascher Avachsende, bezw. durch die zuerst eingesäte Kultur. Daneben spielen aber sicher auch die Stoffwechselprodukte eine Rolle; sonst müsste sich ja der ei'schöpfte Nährboden durch nachträglichen Zusatz von Nährstoff wieder restituieren lassen, was nach Kappes i^ nicht gelingt; ferner zeigt sich die Eutwickelungshemmnng auch im Umkreis der Kolonie und in der Tiefe des Nährbodens (FickerI^, Kappes ^^). Diese Stoffwechselprodukte können nun wieder sehr verschiedener Natur sein; oft handelt es sich nur um schädliche Aenderung-en der Eeaktion des Nährsubstrats, die dann durch Neutralisation leicht rückgängig gemacht werden können (Sikotinin i'^, Bittee 20]; doch trifft dies keineswegs immer zu ;Lübbert2i, Olitzky22, Bitter 2', Mühsam und Schimmelbu.sch"''). In anderen Fällen lässt sich der schädigende Einfluss durch Kochen des Substrats rückgängig machen, sei es, dass hierdurch Hüchtige StoftVechselprodukte entfernt werden (Perdrix23, Ammoniak in Milzbrandkulturen), sei es, dass bakterienfeindliche Pro- dukte labiler Natur zerstört werden; solche Produkte sind es z. B., die in rohem Flusswasser den Saprophyten das Uebergewicht über Typhus- bazillen verschaffen, während in gekochtem und dann gleichzeitig mit Typhusbazillen und Saprophyten geimpftem Flusswasser- die Typhus- bazillen sich viel länger lebend erhalten (P. Fraxklaxd2i). In man- chen Fällen scheint endlich direkt eine Auflösung der Bakterien der einen Art durch spezifische Stoffwechselprodukte der anderen Art (Pyocyauase) stattzufinden (Emmerich & Loew25j Seltener sind Fälle gegenseitiger Begünstigung. Zunächst durch die eigenen Stoffwechselprodukte, wie eine solche von Buchner 20 für den Choleravibrio (der ein besonders üppiges und elektives Wachs- tum in einer sterilisierten Nährlösung zeigt, die schon als Choleranähr- boden gedient hat), sowie für den Tuberkelbacillus von Carnot2' (jj^- sonders günstiges Wachstum auf tuberkulinhaltigeu Nährböden) gemeldet wird. Von Fällen mutualistischer Begünstigung durch Produkte einer anderen Species seien erwähnt: Turrös2* Beobachtungen eines beson- ders üppigen Wachstums von Streptokokken in lebenden Cholera-, Milzbrand- und Pyocyaneuskulturen, Sanarellis29 Beobachtung über Association seines Bac. icterodes mit Schimmelpilzrasen, HiLBERTs2y'' Konstatieruug einer gesteigerten Alkaleszenz und Giftproduktion in Diphtheriekulturen in Symbiose mit Streptokokken, Grassbergees^'^ Feststellungen über den auffallend begünstigenden Einfluss, den Sta- phylococc. pyogen, aureus auf benachbarte Kolonieen von Influenza- bazillen ausübt, wodurch die letzteren zu ungewöhnlichen Dimensionen aus wachsen (»Riesenkolonien«) und (ganz im Gegensatz zu ihrer sonsti- gen Empfindlichkeit) sich sehr tolerant gegen bedeutende Reaktions- Allgemeine Morphologie und Biologie u. 3. w. 123 äncleruügen des Substrats zeigen; dieser begünstigende Einfluss kommt wahrscheinlich so zustande, dass das im Substrat enthaltene Hämoglobin durch die Staphylokokken in einer Weise verändert wird, die es für die Intiuenzabazillen leichter assimilierbar macht. Endlich können Bakterien der einen Art denen einer anderen direkt zur Nahrung dienen; so fand Caxtaxi^i, dass Intiuenzabazillen auf gewöhnlichem Agar [dev sonst bekanntlich für sie absolut kein Wachstum zulässt) in Gegenwart sterilisierter Bakterienleiber von verschiedenen Arten, l)esonders der Gonokokken und Diphtheriel)azilleu üppig gedeihen; letztere beiden Arten tt])en auch im lebenden Zustand denselben begünstigenden Einfluss aus. — Auch sei noch an die Symbiose zwischen aeroben und anaeroben Arten in der Natur erinnert, wobei die ersteren durch Yerzehrung des vor- handenen Sauerstoffes den Anaeroben erst die erforderlichen Lebens- bedingungen bereiten (vgl. oben S. 79). Litteratur über Antagonismus und Symbiose. 1 Bitter. Report of the Commission sent at Bombay by the Egyptian Government to study plague, Cairo 1897. — - Corxil & Babes. Las bact.. I. 1887. — 3 Pavone, Giornale internaz. d. scienz. med.. 1887. — * Schäffer, Fortschritte der Medicin, 1896. Nr. 5. — 4a Boxiioff , Hyg. Eundschau. 1896, S. 97. — ■> Ferlito, ref. Baumgartens Jahresber., 1899, 559. — "'* Garre, Correspondenzbl. f. Schweiz. Ärzte, XVII. — f' Pfuhl, Centr. f. Bakt, I. Abt., Bd. 26, 49. 1899. — «^'a Rehsteiner, Arch. f. Hyg., 18, 395. — 6^ GABRrrscHEwsKY, Centr. f. Bakt., 13, 380. 1893. — 0« Schill, ebd., 750. — ' Cacace, Rif. med., 1893, 196. — '■>■ Kempner, Centralbl. f. Bakt. 17, 32, 1895. — "i* ScHiMMELBüsCH & Mühsam, Archiv f. klin. Chirurgie, Bd. 46. — »^ Krause, Centr. f. Bakt., I. Abt., Bd. 27, 771. 1900. — '' Zagari, cf. \ — "• Landau, Deutsche med. Wochenschr., 1899, Nr. 11. — " Lassar, Semaine medicale, 1899, p. 56. — i-i Murer, ebd., 1899, 368. — i3 SimpsOxX, Lancet. 1900, I, 619. — 14 Marie, ebd., 1900, L, 1684. — !•■ Scott, Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 28. 420, 1900. — i<^' Albert, Centr. f. Gynäkol, 1901, Nr. 17. — i" Kapres, Inaug.-Diss.. Leipzig 1890. — 1^ Ficker, Ztschr. f. Hvg. u. Inf.. Bd. 29. 1898. — i" Sirotinin, Ztschr. f. 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Die Individuen der gleichen Species, und selbst die Abkömmlinge eines und desselben Keimes sind untereinander nicht absolut gleichartig, sondern zeigen individuelle Differenzen. Beweise dafür liefert die aufmerksame Betrachtuug jedes Bakterienpräparats und jeder Platteu- kultur; vgl. übrigens weiter unten bei der speziellen Besprechung der einzelnen Phänomene der Variabilität. 2. Ein und dasselbe Bakterien-Individuum zeigt innerhalb ver- schiedener Versuchsbedingungen eine bestimmte Variation seiner Erscheinungsweise und seiner Funktionen. Beweise hierfür liefern sämtliche vorangegangenen Kapitel: imi nur einige recht eklatante Bei- 124 E. Gotschlich. spiele berausziigreifen, so sei liier uochmals daran erinnert, dass die Bakterien sich in ihrer chemischen Zusammensetzung der Beschafifenheit des Substrats anpassen, dass die Farbstottproduktion nur bei Gegenwart bestimmter mineralischer Nährstoffe und bei gewissen Temperaturen stattfindet u. s. w. Analoge Erscheinungen finden sich übrigens auch regel- mäßig bei den höheren Lebewesen; so sei aus der menschlichen Phy- siologie erinnert, dass z. B. der Organismus sich mit sehr verschiedenen Mengen von Nährstorten ins Stickstolfgleichgewicht zu setzen vermag — , dass Drüsenzellen in der Kühe und Sekretion ein vollständig verschie- denes morphologisches Verhalten aufweisen, — dass Leberzellen je nach der Art der Ernährung einen ganz verschiedenen Gehalt an Glykogen haben u. s. w. — Solange die Variationsbreite sowie die funktionelle Ab- hängigkeit der Lebensäußerungen von den Lebensbedingun- gen konstaut bleiben, solange erscheint es überhaupt nicht berechtigt, ein differentes Verhalten des gleichen Mikroben unter verschiedeneu Bedingungen als Ausdruck einer Variabilität zu betrachten; die kon- stante Variationsbreite der Lebensäußerungen gehört eben selbst mit zum Charakteristikum der betreffenden Art. So ist es keineswegs ein Variieren, sondern nur das gesetzmäßige Verhalten des Prodigiosus, wenn er bei 37" seinen roten Farbstoff nicht bildet; im Gegenteil müssten wir eine Prodigiosuskultur, die auch bei 37° rot wüchse, als Abart vom normalen Typus betrachten. Diese beiden Grundthatsachen stehen nun in gesetzmäßigen Be- ziehungen zu einander, und zwar in dem Sinne, dass die individuellen Differenzen zwischen den Abkömmlingen eines Keimes auf ein Minimum sinken, wenn die Lebensbedingungen optimale sind; dann wird der Typus der Art, der ja das Produkt phylogeneti- scher Anpassung an bestimmte äußere Verhältnisse darstellt, in diesen ihm absolut adäquaten Versuchsbedingungen mit großer Zähigkeit fest- gehalten, und etwa vorkommende größere individuelle Differenzen wer- den, Aveil minder vorteilhaft angepasst, in der Konkurrenz mit den außerordentlich viel zahlreicheren normalen Individuen rasch ausge- merzt. So kann z. B. der Milzbrandbacillus bei ständiger Ueberimpfung von Maus zu Maus durch unzählige Generationen fortgezüchtet werden, ohne dass Abweichungen vom normalen Typus stattfinden. Anders, wenn die Versuchsbedingungen sich von dem für die be- treffende Art geltenden Optimum entfernen, ungünstiger werden — oder gar, wenn direkt schädigende Einflüsse auf die Kultur wirken; dann treten die bestehenden individuellen Differenzen in ihr Recht, und es findet eine Auslese statt, wobei diejenigen Individuen die Oberhand behalten und begünstigt werden, die diesen neuen abnormen Bedingungen am ehesten sich anzupassen vermögen. Verweilt die Kultur nicht allzu lange Zeit unter diesen ihr nicht-adäquaten Bedingungen und wird dann wieder in normale Verhältnisse zurück übertragen, so tritt gegen- über den stattgehabten temporären Abweichungen sofort wieder der (als Produkt langdauernder phylogenetischer Anpassung) unvergleichlich viel mächtigere normale Typ in sein Recht; (z. Pj. bei Abimpfung von der bei 37" weiß gewachsenen Prodigiosuskultur auf normales, bei 22° gehaltenes Substrat entsteht sofort wieder der rote Farbstoff). Hat da- gegen die Kultur sehr lange Zeit unter den neuen abnormen Bedingungen gelebt, und wurde hierbei eine große Zahl von Generationen erzeugt, so wird der normale Typus, der diesen neuen Verhältnissen nicht so Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 125 gut augepasst Avar, gegeuüber günstiger gestellten abweichenden Indi- viduen mehr und mehr zurückgedrängt; — bei Ilückübertragung in die ursprünglich normalen Verhältnisse erfolgt die Rückkehr zum frühereu normalen Verhalten immer schwieriger, (die Prodigiosuskultur bleibt auch bei Zimmertemperatur weiß und wird erst nach häufigerer ümimpfung bei 22" wieder rot! ; endlich sind diejenigen Individuen, welche den ursprünglichen Typus repräsentieren, gegenüber den neu abgeänderten so sehr in der Minderzahl (oder gar ganz verschwunden), dass sie den- selben gegenüber nicht mehr aufzukommen vermögen und nun der neue durch Variieren erzielte Typus mit gleicher Zähigkeit festgehalten wird, wie früher der normale (die Prodigiosuskultur bleibt definitiv weiß). Immerhin sind solche definitive Umwandlungen (selbst nur einzelner Funktionen) sehr schwer zu erzielen und nur nach anhaltender Züchtung unter abnormen Bedingungen: dass es überhaupt gelingt, und in einem Grade, wie es bei höheren Lebewesen nicht bekannt ist, liegt daran, wie zuerst Kruse ^ betont hat, dass die normale Generationsdauer bei den Bakterien sehr kurz ist und daher in einer gegebenen Zeit sehr viel mehr Generationen aufeinander folgen, — die natürliche Zuchtwahl, die von Generation zu Generation immer wirksamer wird, also sehr viel mehr Spielraum hat als bei höheren Lebewesen. Dabei empfiehlt es sich ferner, wenn man künstlich Varietäten züchten will, der natür- lichen Zuchtwahl noch durch künstliche Selektion zu Hilfe zu kommen, d. h. (mittels Plattenkulturen) diejenigen Individuen auszusuchen, bei denen die stärksten Abweichungen vom normalen Typus — und zwar stets in gleichem Sinne — vorhanden sind ; nur diese dürfen zur Weiter- züchtung verwendet werden, wenn mau in absehbarer Zeit zu bedeuten- deren künstlich erzeugten Abweichungen gelangen will; überträgt man dagegen Massenkulturen, dann ist, besonders in den ersten Kulturen, die übermächtige Konkurrenz des normalen Typus kaum zu besiegen und allfällig entstandene kleine Abweichungen werden rasch wieder kompensiert. Selbst Kulturen, die man definitiv abgeändert glaubte, können noch durch Rückschläge auf den alten Typus wieder zur Norm zurückkehren. Man muss sich eben durchaus von der Vorstellung frei machen, als ob die Entstehung von Varietäten immer durch eine allmähliche qualitative Umwandlung der Eigenschaften des einzelnen Keimes zustande käme; vielmehr liegt die Sache meistens so, dass durch Selektion das quantitative Verhältnis der typischen zu den ab- w^eichenden Individuen (welches in der Norm ein außerordentlich starkes Ueberwiegen der typischen Keime verbürgt) in dem Sinne abgeändert wird, dass mehr und mehr die Zahl der in einer gegebenen Richtung liegenden atypischen Individuen zunimmt und diese schließlich über die Keime von ursprünglicher Beschaffenheit die Oberhand gewinnen; zahlenmäßig ist dieses Verhalten von Schierbeck 2 beim Variieren der Milchsäurebazillen nachgewiesen; nur auf diese Weise erklärt sich auch das oft ganz sprungweise Auftreten von Varietäten. — Die Entstehung starker individueller Differenzen wird hauptsächlich durch abnorme Verlängerung der Generationsdauer begünstigt; sehr begreif- licherweise, indem dadurch die einmal begonnene Differenzierung einer Bakterienzelle Zeit gewinnt, sich mehr und mehr zu ])efestigen ; hierauf, nicht allein auf der Wirksamkeit schädigender Faktoren (Erschöpfung des Nährbodens, Stoffwechselprodukte), beruht unseres Erachtens das besonders häufige Auftreten starker Varietäten bei den vegetativen Formen alter Kulturen. Umgekehrt werden die individuellen Diffe- 126 E. Gotschlich, renzen auf ein Minimum herabgesetzt (»homogene Kultur«), wenn man für regelmäßige, sehr frühzeitige Erneuerung der noch ganz jungen Kulturen Sorge trägt. Desgleichen ist die Neigung zum Variieren völlig unterdrückt im Zustand des latenten Lebens, sei es bei Aufenthalt unterhalb des Wachstumsminimums (bekanntlich ein treff- liches Mittel zur Konservierung der Virulenz!), sei es in Form von Sporen: im latenten Leben bleibt eben das lebende Plasma in dem- jenigen Zustand ohne Veränderung fixiert, in dem es sich vorher befand. Die Resultate, zu denen das Variieren unter den soeben geschil- derten Bedingungen führt, lassen sich, je nach der Natur der letzteren, in zwei Kategorieen einreihen. AVaren die Bedingungen, denen das be- treffende Bakterium ausgesetzt worden, nicht nur abweichend vom Optimum, sondern schlechthin ungünstig, so treten degenerative Veränderungen des ursprünglichen Tj-pus ein, meistens in dem Sinne, dass gewisse, für das Fortbestehen der Art nicht unbedingt er- forderliche und dabei einen bedeutenden Aufwand vitaler Energie er- fordernde Lebensäußerungen (Farbstoffbildung, Gärung, Produktion von hydrolytischen Fermenten, insbesondere pathogene Wirkung! gänzlich unterdrückt werden und das betreffende Bakterium sich in seinem Haushalt und seinen Lebensäußerungen auf das Notwendigste und Ein- fachste beschränkt; so entstehen die abgeschwächten, ungiftigeu, farb- losen u. s. w. Rassen. Seltener kommt es vor, dass die neuen Be- dingungen, denen ein bisher typisches Bakterium dauernd ausgesetzt ist, wenn auch von der Norm abweichend, doch nicht direkt schäd- lich, sondern nur ungewohnt für die betreffende Art sind ; dann voll- zieht sich das Variieren im Sinne einer echten Anpassung an die neuen Verhältnisse. Hierbei kann es vorkommen, dass die so ver- änderte Kultur vollkommen neue Eigenschaften annimmt, ja sogar, dass sie sich verwandten Arten in dem Maße annähert, dass von einer wahren UmzUchtung gesprochen werden kann. Immerhin sind solche Fälle bisher nur außerordentlich selten sicher konstatiert (vgl. S. 129 ff\); insbesondere sei als praktisch wichtig hervorgehoben, dass noch nie gelungen ist, einen der Erreger der menschlichen Infek- tionskrjankheiten künstlich aus verwandten saprophyti- schen Arten zu züchten; hiermit stimmt die epidemiologische Er- fahrung überein, dass Seuchen nie autochthon entstehen, sondern stets der Einschleppung des spezifischen Virus von außen ihre Ent- stehung verdanken, mag diese auch nicht immer leicht nachweisbar sein; eine scheinbare Ausnahme hiervon machen die Länder, in denen eine Seuche endemisch herrscht, sei es, dass daselbst die Fälle unter den Menschen nie völlig ausgehen, sei es, dass die betreffenden patho- genen Bakterien bei geeigneten Temperaturverhältnissen in der Außen- welt, z. B. im Wasser lauge Zeit ein fakultativ-saprophytisches Dasein führen können. Für den Praktiker entstehen diagnostische Schwierigkeiten aus der Variabilität der Bakterien verhältnismäßig selten und hauptsächlich nur bei vereinzelten Fällen oder am Anfang und Ende einer Epidemie, in- dem gerade unter diesen Verhältnissen, offenbar wegen der Uugleich- artigkeit der äußeren Lebensbedingungen, die Neigung zur Bildung von Varietäten größer ist als sonst. Das Verdienst, zuerst wissenschaftliche Gesichtspunkte in systemati- scher Weise auf das Studium der Variabilität der Bakterien angewandt zu haben, gebührt Kruses Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 127 Im folgendeil werden die wiehtigsteu gut beobacliteten Variationen der verschiedenen Eigenschaften der pathogenen Bakterien im speziellen besprochen, wobei in Bezug auf das Variieren der pathogenen Eigen- schaften und bezüglich der Anwendung spezifischer Serumreaktionen zur Erkennung der Art auf Kolles Bearbeitung des Kapitels »Spezi- fität der Art« in diesem Handbuch hingewiesen sein mag. — Noch sei besonders betont, dass man sich gerade in Fragen betreffend die Varia- bilität der pathogenen Bakterien, sehr vor Täuschungen in Acht nehmen muss, und besonders neue auffallende Angaben stets streng auf ihre Zuverlässigkeit prüfen sollte. Morphologie. Der Verhältnisse des Pleomorphismus und der In- volutionsformen, sowie der echten Verzweigungen ist schon im Ab- schnitt »Allgemeine Morphologie« gedacht. Individuelle Differenzen finden sich bei verschiedenen Arten in sehr verschieden ausgeprägtem Grade ; besonders der Pestbacillus ist morphologisch sehr labil (Kolle^). Auch bei der gleichen Art zeigen verschiedene Stämme eine sehr verschiedene Neigung zu Variabilität, Avie von Kruse i für Cholerabazillen, von Krtse und Pax- sixi"^ für Pneumokokken, von Grassberger^ für lufluenzabazillen erwiesen ist. Verschiedene Größe der Einzelglieder von Streptokokken in Abhängig- keit von Differenzen des Nährbodens ist von Marmorek " und Zenoxi " kon- statiert. — Temporäre oder sogar dauernde Abarten in degenerativem Sinne kommen durch andauernde Züchtung unter ungünstigen Bedingungen zustande; hierher gehört das Auftreten abnorm langer Bazillen und Schein- fäden beim Bac. pyocyaneus und prodigiosus bei Züchtung in Nährbuden, die antiseptische Substanzen enthalten (Guignard & Charrin*, Wasserzug 0, KüblerI^', Kruse 1); der schädigende Einfluss solcher Zusätze zeigt sich zu- nächst in einer Veiiangsamung der Teilungsenergie bei übrigens noch ziem- lich wohl erhaltenem Wachstum: in ähnbcher AVeise erklärt sich Avohl auch die Neigung mancher Streptokokken zur Bildung bazillenähnlicher Gebilde (Arloing & Chaxtre^'). Eine verkümmerte Varietät des Milzbrandbacillus mit besonderer Neigung zu keulenförmigen Involutionsformen (»Bac. clavi- formis«) ist von Chauveau & Phisalix 12 gezüchtet worden. — Für Ab- arten im Sinne einer Anpassung an neue Verhältnisse bietet die durch sehr häufige Uebertragung auf künstlichen Nährmedien erreichte Um- wandlung des FRÄXKELschen Diplococcus pneumoniae, in Streptokokken (Kruse & Pansixi^) ein klassisches Beispiel: sowohl diese Autoren, als auch Levy & Steix'metz 13 fanden , dass zahllose Spielarten mit fließenden Uebergängen existieren und dass es unmöglich ist, scharf umrissene und von einander gesonderte Typen aufzustellen. Betreffs analoger Verhältnisse bei Streptokokken vgl. Pasquale ^\ sowie über die Frage der Homologie oder der spezifischen Verschiedenheit der einzelnen Streptokokken im speziellen Teil. — Morphologische Spielarten des Bac. aerogenes sind von Wii,de^\ des Vibrio Finkler-Prior von FirtschI"^ beschrieben. — Besonders genau sind diese Verhältnisse beim Choleravibrio studiert. Künsthche Varietäten (kurze oder lange Bazillen) sind hier durch langdauernden Aufenthalt in Brunnen- wasser, sowie aus alten Kulturen erhalten worden (Kruse 1, MetsciixikoffI'), wobei die Zurückführung zum normalen Typus erst nach zahlreichen Tier- passageu gelang. Natürliche Varietäten sind von zahlreichen Autoren be- schrieben worden, so von Gruber 1^, Pasquale i-^, Bordoni-Uffreuuzzi et Abba2Öj Wiltschur21: bei letzteren beiden Autoren recht weitgehend, indem kurze, fast kokkenartige Gebilde bezw. bipolare Stäbchen auftraten, die jedoch bei längerer Fortzüchtuna: sich allmählich dem normalen Typ wieder an- 128 E. Gotschlich, näherten. Cunnin(iham22 xmA Sanarell[23 gehen so weit, die morpholo- gische Einheitlichkeit der Art fiir den Choleravibrio gänzlich zu leugnen — eine Ansicht, die als irrig zurückgewiesen werden muss (vgl. speziellen Teil); insbesondere zeigte Friedrich 2^, dass aus den atypischen Abarten bei Ueber- tragung auf neue Nährmedien stets auch wieder typische Individuen hervor- gehen. Nach Friedrich -^ sind die bestimmenden Momente für verschiedene morphologische Abweichungen prinzipiell verschieden; Differenzen in der Länge der Individuen werden hauptsächlich bedingt durch das »Generationsalter« der Kultur (d. h. ob schon mehr oder minder lange aus dem Tiei'körper auf künst- lichem Substrat fortgezüchtet) — , Abweichungen der Krümmung der Vibrionen hingegen seien von der Zusammensetzung des Nährbodens abhängig. — Bezüglich Eigenbeweg uug sind zunächst individuelle Differenzen her- vorzuheben, die beim Bacillus der Pseudotuberkulose der Nagetiere (Preisz^''^ soweit gehen, dass einzelne Individuen dauernd unbeweglich, andere beweglich sind. Eine Cholerakultur ohne Eigenbewegung, aber mit normaler Geißel- bildung ist von BoKHOFr25^ beobachtet. Dauernder Verlust der Eigenbe- wegung und der Geißelbildung ist von Villixger^"^ bei Bact- coli durch Züchtung bei 42^ in karbolhaltiger Bouillon beobachtet. Umgekehrt fanden Zierler27 und K. B. Lehmaxk^s au einem (3 Jahre vorher sehr genau untersuchten) Saprophyten Annahme einer sicheren (wenn auch kümmerlichen) Eigenbewegung; nach Böttcher 29 tritt diese neu erworbene Eigenschaft zu- erst nur auf gewissen Nährböden auf. Die mehrfach beschriebene Ueber- führung des Tuberkelbacillus in eine bewegliche Varietät (Arloing & Cour- MONT^o^ Kral & Dubard'^^) ist noch als zweifelhaft anzusehen, insbesondere bezüglich der Natur der beobachteten sogenannten »Eigenbeweguug« (?)• — Abnorme Formen von Sporen sind von Nakaxishi^^ (endständige runde Sporen bei Milzbrandbazillen) imd von Hibler-^s (elliptische statt runde Sporen bei pathogenen Anaeroben unter ungünstigen Ernährungsverhältnissenj beschrieben. Die Resistenz der Sporen ist individuell und nach Stammes- verschiedenheiten sehr variabel (Geppert^^, Dannappel^s]. Besonders be- merkenswert ist die Existenz asporo gener Rassen; ihre künstliche Er- zeugung gelingt beim Milzbrandbacillus durch Züchtung unter abnormen Ver- suchsbedingungen (bei 420, jq Nährböden mit Zusatz von Sublimat, Karbol, Kaliumbichromat) , wobei jedoch verschiedene Stämme die Fähigkeit der Sporenbildung mit sehr verschiedener Zähigkeit festhalten bezw. verlieren (Chamberland & Roux36, Roux37j Behring^», Phisalix-^ö, Surmond & Arnould^o^ BoRMANS^i); Lehmann^2 beschreibt in solchen asporogenen Kulturen das Vorkommen von glänzenden Körperchen, die echten Sporen sehr ähnlich sehen, sich aber von ihnen durch ihre mangelnde Resistenz nnterscheiden. — Auch die Rückumwandlung asporogener Rassen in sporogene gelingt (Phisalix39). — In der Koloniebildung zeigen sich individuelle Differenzen besonders bei Aussaat von altem Kulturmaterial. Ferner sind bestimmte Arten beson- ders geneigt, abweichende Typen von Kolonien hervorzubringen ; so enthalten Plattenkulturen des Vibrio Metschuikofi" und des Bac. proteus fluorescens (des Erregers der Weilschen Krankheit) (Jäger-*') gleichzeitig »typhusähuliche« häutchenartige und verflüssigende Kolonien regellos durch einander. Mit Recht weist aber Kruse 1 (S. 481) darauf hin, dass scheinbare Abarten in der Kolonieform oft nur aus feineren, bisweilen ganz unkontrollierbaren Verschieden- heiten des Nährbodens hervorgehen können, und dass sich auf diese Weise entgegengesetzte Angaben verschiedener Beobachter über den gleichen Mikro- ben erklären. — Die am häufigsten zur Beobachtung gelangende Erscheinung echten Variierens in Bezug auf Koloniebildung ist die alte Thatsache, dass Allgemeine Morphologie und Biologie u. 3. w. 129 pathogene Keime, die zuerst mir spärlich auf künstlichem Substrat wuchsen Diphtherie- und Pestbazillen auf Agar], allmählich immer üppigeres sapro- phvtisches Gedeihen zeigen, parallel mit der Abnahme ihrer pathogenen Eio-eu- schaften; dieselbe ist im Sinne einer natürlichen Auslese zu erklären, wodurch die virulenteren fd. h. dem Tierkörper am innigsten angepassten) Individuen allmählich verdrängt Averden und die mehr zur saprophytischen Existenz be- fähigten Individuen mehr und mehr die überhand gewinnen. — Andere Varietäten der Koloniebildung sind in degenerativem Sinne zu erklären, teils durch Verminderung der Wachstumsenergie, teils durch Beeinträchtigung des Vertlüssigungsvermögens ; künstlich ist letztere von Sanfelice-*-* (durch an- dauernde anaerobe Züchtung aerober Arten) und von Hi'kppe t<: WooD^-^ durch Züchtung in Karbolbouillon) bewirkt: natürliche Varietäten in diesem Sinne sind von Mazuschita^^' beim Milzbrandbacillus, sowie öfters beim Chpleravibrio (Kleix^^, Kamen -i*») konstatiert; bei künstlicher Fortztichtung treten bisweilen überraschende, sprungweise Aenderungen und Rückschläge auf (Kamen ^8j Atypische Kolonieen, im Sinne echter Rassen- und Abartenbildung sind besonders beim Choleravibrio von vielen Beobachtern konstatiert (vgl. oben, sowie Celli & Santori^^, Nordhook Hegt^o ^^ a.); ferner beim Diphtheriebacillus von Slawyk & Manicatide^i, Kurth^^ ^u^j Zupnik»3^ wobei aber letzterer Autor (ganz abgesehen von dem Zweifel, den einige seiner Beobachtungen — Eigenbewegung von Diphtheriebazillen! — erwecken müssen) entschieden zu weit geht, wenn er die morphologische Einheitlichkeit des Diphtheriebacillus leugnet: betrefts Influeuzabazillen vgl. Grassberoer-'', betreffs der Gruppe der vom Bac. Friedländer sich ableitenden sogenannten Mucosusbazillen der Ozaena vgl. de Slmoni^^, betreffs Pestbazillen eine An- gabe GOTSCHLICHS^^. Von ganz besonderem Interesse ist die Umwandlung des Tuberkel- bacillus der Säugetiertuberkulose in den der Vogeltuberkulose und umgekehrt, durch Züchtung in Kollodinmsäckchen innerhalb des dem be- treffenden Bacillus ursprünglich fremden Organismus (Nocard •''") : schon Kruse ^^^ hatte abnorme Kolonieformen bei den Bazillen der Säugetier- und Hühnertuber- kulose, und zwar im Sinne einer beiderseitigen Annäherung beobachtet. — Bezüglich des Verhaltens zum Sauerstoff sei auf die früher darge- legte Anpassungsfähigkeit der sogenannten obligat anaeroben Bakterien an Luftzutritt, sowie aerobe Rassen des Tetanusbacillus verwiesen. Umgekehrt gelang Sanfelice-*^ auch die allmähliche Angewöhnung streng aerober Bakterien an das Wachstum bei Luftabschluss. — Verhalten zur Temperatur: Manche Bakterien verlieren die Fähig- keit, bei 37° zu wachsen, teils infolge andauernder Züchtung bei niederer Temperatur (beim Vibrio Deneke beobachtet: Kruse 1 S. 483), teils durch Bildung natürlicher Varietäten, so beim Choleravibrio von Celli & San- TORi^9 konstatiert, wobei jedoch nach längerer Fortzüchtung Restitution des Wachstumsvermögens bei Brutwärme stattfand. Künstliche Anpassung an niedere Temperaturen (bis 10°) hat Dieudonne-^^ am Milzbrandbacillus durcli allmähliche Züchtung bei immer niedrigeren Tem- peraturen erreicht, desgleichen Kruse & Pansini-* für Pneumokokken nach längerer künstlicher Züchtung. Besonderes Interesse beanspruchen die durch längeren Aufenthalt im Körper des Kaltblüters (Blindschleiche, Frosch, Fisch) modifizierten Tuberkelbazillen (Möller s^, Bataillon & Terre-^*^, Kräl & Durard •'', Lubarsch *■'") , die bei Bruttemperatur überhaupt nicht mehr (oder erst nach erneuter Wiederanpassung) zu wachsen vermögen, dafür aber bei 20 — 22° üppig gedeihen, bisweilen selbst bis 12° Handbuch der pathogenen Jliliroorganisnien. I. 9 130 E. Gotschlich, abwärts. Andererseits konnten Galeotti*^^ nud Dieudonne^" Pigmentbak- terien durch langsame Angewöhnung bei abnorm hohen Temperaturen (bis 42,5°) züchten, die sonst deletär gewirkt haben würden. — Chemische Zusammensetzung und Ernährung der pathogenen Bakterien. De Giaxa & Lexti''^ fanden bei verschiedenen Cholera- stämmen einen verschiedenen Eiweißgehalt der Kultur. — Die Anpassung älterer Individuen an eine sparsamere Ernährung ist bereits früher (S. 83 fl'.^ erwähnt. — Ferner ist es eine allgemeine bekannte Erfahrung, dass Kulturen pathogener Mikroorganismen, die bei direkter Züchtung aus dem Tierkörper auf künstlichen Nährboden nur spärlich wuchsen, bei längerer Fortzüchtung allmählich auf letzterem ein immer üppigeres Wachstum zeigen; ins))esondere von UscHixsKYö^ für eiweißfreie Nährmedien nachgewiesen. Andererseits sind pathogene Bakterien, die bei chronischem Verlauf des Krankheitsprozesses sehr lange Zeit auf Schleimhäuten des menschlichen Organismus gewachsen sind, bisweilen nur schwierig auf künstlichem Substrat weiter zu züchten, wie gewisse Beobachtungen AVassermaxks ''^ bei chronischer Gonorrhoe, und GoTSCHLiCHS^^ bei chronischer Pestpneumonie beweisen. — Betrefls indi- vidueller Differenzen in der Ernährung sei auf die durchaus unregelmäßigen Resultate Tümaszewskis ''^ über das Wachstum von Tuberkelbazillen auf Kartoffeln hingewiesen. Stoffwechselprodukte, Ferment- und Gärwirkungen. Vgl. die Angaben über individuelle Differenzen verschiedener Cholerastämme in der II^S- Bildung, sowie verschiedener Diphtheriestämme in der Veränderung der Reaktion des Nährbodens. — Verlust oder Schwächung gewisser che- mischer Funktionen kommt häufig vor; künstlich können solche abge- schwächte Varietäten erzeugt werden: teils durch fortdauernde Züchtung in einem Nährsubstrat, in dem die betr. Funktion (z. B. mangels gärfähigen Materials) nicht zustande kommt, so beim Milzbrandbacillus von Grotexfeld *'•' nachgewiesen ; teils durch Züchtung unter Einwirkung schädigender Substanzen, so z. B. in karbolhaltigem Substrat von Schierbeck- (sehr exakte quanti- tative Versuche!) für Milchsäurebazillen, ferner von Rodet & Rouxß" und Malvoz^s für den Colibacillus beobachtet (jedoch entgegenstehende Angaben Villingers 26 ; überhaupt gehen die Angaben von Rodet & Roux''", welche sogar eine Umzüclitung des Bact. coli in den Typliusbacillus annehmen, ent- schieden viel zu weit.) — Der Verlust des peptonisierenden Vermögens ist schon oben bei der Variabilität der Koloniebildung besprochen; Unregelmäßig- keiten bezw. Verlust der Labproduktion wurde von Schoffer^ö, Celli & Santori-^ö bei natürlichen Varietäten des Choleravibrio konstatiert. Letztere Autoreu sowie Claussen^o fanden ferner Fehler der Nitrosoindolreaktion bei gewissen Cholerarassen und Restitution dieser Funktion nach längerer Fort- züchtung auf künstlichem Substrat. ■ — Besonders häufig ist Variieren der Farbstoffproduktion beobachtet; farblose Rassen sind zu erzielen teils durch systematische künstliche Auslese derjenigen Kolonien, die wenig oder keinen Farbstoff erzeugen (Schottelius'i beim Bac. prodigiosus) , teils durch Züch- tung unter ungünstigen Verhältnissen, z. B. bei Sauerstoflabschluss (Sanfelice •*■*), oder bei Wachstum in Bouillon die mit entwickeluugshemmenden Substanzen versetzt ist (Wasserzug 9)^ oder durch Züchtung bei abnorm hohen Tempera- turen (Schottelius^i, Charrin & Phisalix ^2j ; in ,jen Versuchen der beiden letzteren französischen Autoren konnte die (auf künstlichem Substrat bereits dauerhafte) farblose Abart in einer frühereu Kulturgeneration durch Tier- passage wieder zum normalen Typ zurückgeführt werden, während später auch dieses Mittel versagte. — Neue farbige Abarten sind auch mehrfach beobachtet, so von Charrin & Redais "-^ beim Pyocyaneus (Bildung eines Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 13X schwarzen Farbstoft's) , sowie von R. Neumaxx"^ am Staphylococc. pyogen, aureus (Bildung konstanter weißer, gelber und fleischfarbener Rassen, scheinbar ganz spontan, ohne irgend welche künstliche Eingrifl'e). So wie nach letzteren Versuchen die Aufrechterhaltung der überlieferten Artverschiedenheit zwischen dem Staphylococc. aureus, albus und citreus bedenklich erschüttert erscheint, so ist das gleiche der P'all nach Küzickas'-^ Versuchen über die natürlichen Varietäten und die teils künstliche, teils spontane wechselseitige Annäherung zwischen Bac. pyocyaneus und Üuorescens liquefaciens. Litteratiir. 1 Kruse. Kapitel »Variabilität^ in Flügges »Mikroorganismen«. 3. Aufl., 1. Bd.. S. 475 ff.. 1896. — - Schierbeck, Archiv f. Hyg., Bd. 38, 294. — -^ Kolle, Ztschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 36. 397. 1901. — i Kruse & PaxNSixi, ebd., Bd. 11. — ■' Grassberger, Centr. f. Bakt.. I. Abt., Bd. 23, 353. 1898. — f^ Marmorek, Annales Pasteur, 1895. — " Ze.noni, Centr. l Bakt., I. Abt., Bd. 21, S. 10, 1897. — « Guigxard & Charrix, C. r. d. Facad. d. sc. de Paris, tome 1U5. — -^ Wasserzug, Annales Pasteur 1888. — 1" Küuler, Centr. f. Bakt., I. Abt , Bd. 5, 1889. — ii Arloing & Chaxtre, Arch. d. physiol., Serie V, tome 8. — i- Chauveau & Phisalix, C. r. d. Tacad. d. sc. Paris, tome 120, 801. — « Levy & Steinmetz, Arch. f. exper. Pathologie, Bd. 37, 89. — 14 Pasquale, Zieglers Beiträge zur path. Anat. XII, 449. — is Wilde, Inaug.- Diss., Bonn 1896. — «' Firtsch. Archiv f Hyg., Bd. 8. — i" Metschnikoff, Annales Pasteur, 1894, No. 5 u. 8. - « Gruber, Archiv f. Hyg., Bd. 20, 103. — w Pasquale, ref. Baumgartens Jahresber. , 1894, 403. — -'^ Bordoxi-Uffreduzzi & Abba. ref. ebd., 1895, 984. — -^i Wiltschur. Centr. f. Bakt, I.Abt., Bd. 16, 158, 1894. — ~ CuxxixGHAM, ref. Baumgartens Jahresber., 1894, 355. — -'^ Saxarelli, ref ebd.. 1894, 409. — -1 Friedrich, Arb. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamt, Bd. 8, 87. — 2'"' Preisz, Annales Pasteur, 1894, No. 4. — ^''^ Boxhoff, Arch. f. Hyg., Bd. 22. 28. — 20 Villinger, ebd., Bd. 21. — ^t Zierler, ebd., Bd. 34, 192. — ^8 k. B. Leh- mann, ebd.. Bd. 34, 198. — -'Böttcher, Inaug.-Dissert., Würzburg 1897. — 30 Arloing & Courmont. Z. f Tuberk. u. Heilk. I, 11. 1900. — yi Kr.4l & Dubard, ref. Baumgartens Jahresber.. 1898, 468. — '^- Nakaxishi, Münch. med. Wochschr., 1900, 680. — *i V. HiBLER, Centr. f. Bakt., I. Abt.. Bd. 25. 602. 1899. — -n Geppert, Berlin, klin. Wochenschr., 1889, No. 36; 1890, Nr. 12. — 35 Danxappel, Centralbl. f Bakt, II. Abt., Bd. 8, 841. 19l)ü. — 3fi Chamberlaxd & Roux, C. r. d. l'acad. d. sc. Paris, tome 96, 1090. — 37 Roux, Annales Pasteur, 1890. — :» Behring, Zeitschr. f Hyg! u. Inf, Bd. 6, 125; Bd. 7, 181. — w Phisalix, Bulletin med., 1892, 25; Arch. d. physiol. norm, et path.. 1893, 217 u. 256. — ^n Surmoxt & Arxould, Annales Pasteur, 1894, 817. — 4i Bormans, ref. Baumgartens Jahresber. 1895, 138. — 4^ k. B. Lehmaxx, Münch. med. Wochenschr. 1887, 485. — 4;f Jaeger, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf, Bd. 12. — 44 Sanfelice. 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Vorkommen und Verhalten der pathogenen Bakterien im infizierten Organismus. — Infektionswege. M. Kurze Skizzierung des Gebietes. — Infektionswege*]. Die Lebensverhältnisse der pathogenen :Mikroorganismen im iniizierteu Orga- nismus stellen den für den Arzt wichtigsten Teil der Biologie dar. Ein großer Teil der einschlägigen Fragen kann hier nicht behandelt werden, weil einer Reihe der folgenden speziellen Abschnitte vorbehalten. Hier beschränken wir uns lediglich auf das Verhalten und Vorkommen der Krankheitserreger selbst im infizierten Organismus; wir haben die Wege kennen zu lernen, auf denen die Keime in den Körper einbrechen, desgleichen die W^ege, auf denen sie wieder ausgeschieden werden, endlich zu untersuchen, unter Avelchen Ver- hältnissen die pathogeneu Keime selbst im Körper oder auf seinen Ober- flächen vorhanden sein können, ohue Infektion zu verursachen. Diese Be- trachtungen, im Verein mit dem folgenden Abschnitt, geben ein vollständiges Bild von dem Kreislauf der pathogenen Bakterien in der Natur, und von und zum infizierten Organismus. — Diese Betrachtung der Infektionswege, die uns hier beschäftigt, macht aber nur einen Teil des Gebietes aus, welches über die biologischen Verhältnisse der Krankheitserreger im infizierten Orga- nismus handelt; einen anderen Teil stellen z. B. die Bedingungen zum Zustandekommen der Infektion (individuelle Disposition — pathogene Wirkung des Erregers — Virulenz und VirusmengeJ dar, worüber man die Abschnitte »Spezifität«, »Wesen der Infektion« vergleichen wolle. Weiterhin kommen die durch die Krankheitserreger im Organismus geschaffenen pathologischen Veränderungen in Betracht (vgl. Abschnitte »Toxine« und -> Reaktion«); endlich wird die Gegenwehr des Organismus in den dem Studium der Immunitätsfragen gewidmeten Abschnitten des III. Bandes eingehend be- handelt. N. Eintrittspforten der Infektion. I. Eindrillgen der patliogenea Keime von seifen der änfseren und inneren Körperflachen. 1. Die äußere Haut stellt, wenn sie sieh in unverletztem Zustand befindet, dem Eindringen pathogener Keime einen mächtigen Widerstand entgegen; dieser AViderstand Ijeruht im wesent- lichen auf mechanischen Momenten (Undurchdringlichkeit und schvsierige Benetzbarkeit der obersten verhornten Epithelschichten!) und erscheint nicht wunderljar, wenn man sich der physiologischen Thatsache erinnert, dass die äußere Haut auch der Resorption der meisten chemischen Stoffe eine Schranke entgegensetzt. Normaler Weise findet bei der säugenden Frau Eindringen von Staphylokokken besonders des Staph. pyog. albus, durch die Austuhrungsgänge der Brustwarze in die Milchgänge statt, ohue dass jedoch hierdurch infektiöse Prozesse zustande kommen; vgl. über den Bakteriengehalt der Frauenmilch S. 163. — Wird infektiöses Material energisch in die Haut eingerieben, (was besonders gut gelingt, wenn mit *) In den 3 folgenden Abschnitten N, 0 und P sind die Litteraturangaben bis 1895 größtenteils nach Kruses Bearbeitung der betr. Kapitel in Flügges »Mikro- organismen«, 3. Aufl., 1896, Bd. I, wiedergegeben. Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 133 einer Salbe vermischt), so könneu die Bakterien in die AusfUhrungs- gänge der Haarbälge, der Talg- und Schweißdrüsen geraten und von da aus infektiöse Prozesse erzeugen. So konnten Gaure^ und Sciii.mmelbu.sch^ durch Einreiben von Kulturmassen des Staphylococc. pyogen, aur. in ihre eigene gesunde Haut typisch Furunkel erzeugen; bei Anwendung ver- dünnter Kulturaufschwemmungen erhielt BocKHAirr' Impetigopusteln. Auch für Hotz und Milzbrand, sowie für den Mäuseseptikämiebacillus und den Bacillus der RiRBERTSchen Darmdiphtherie gelingen solche Versuche, (RoTH^, Machxoff^, Cornil^, Wasmuth", Kuxdorski*). Besonders wichtig ist die zuerst von der österreichischen Pestkommission'' ge- fundene Thatsache, dass Pestbazillen, auf unverletzter rasierter Haut von Meerschweinchen verrieben, stets tödliche Infektion bewirken; KoLLE ^" zeigte, dass selbst Kulturen, die nach anderen Prüfungsmetho- den sich als ganz avirulent erwiesen, hei dieser, dem natürlichen In- fektionsmodus beim Menschen nachgebildeten Applikation stets positives Resultat ergeben und dass demnach die genannte Methode eines der feinsten diagnostischen Hilfsmittel darstellt. Zweifelhaft erscheint nur, ob bei diesem Infektionsmodus die Haut wirklich als »unverletzt« an- gesehen werden darf, oder ob nicht vielmehr das Eindringen der Pest- bazilleu durch feinste mit bloßem Auge vielleicht kaum sichtbaren) Ver- letzungen der Haut stattfindet, wie ja solche beim Rasieren fast unver- meidlich sind. — 2. Dies führt uns zur Betrachtung der Verhältnisse der Infektion von Wunden aus. Gerade die kleinen, meist nicht genügend beach- teten Wunden und Kontinuitätstrennungen sind recht häufig der Aus- gangspunkt von Infektionen; besonders bei Bubouenpest scheint die Ansteckung meist auf diesem AVege zu erfolgen, und ist daher die Ein- trittspforte de? Virus nur selten nachweisbar. Starke blutende Haut- wunden sind weniger gefährlich (von Urbaxi^ speziell für tuberkulöse Infektion nachgewiesen), indem oft die uns oberflächlich anhaftenden Keime durch das vorquellende Blut hinweggespült werden. Ist aber einmal Eindringen in die offenen kleinen Blutgefäße erfolgt, so geht dann die Resorption der Keime sehr rasch vor sich. Schimmelbüsch^^ wies nach, dass schon 10 Minuten nach Milzbraudinfektion einer am Schwanzende der Maus angelegten frischen Schnittwunde, die Milzbrand- bazillen in den inneren Organen nachweisbar waren, und dass die Am- putation des Schwanzes schon nach dieser kurzen Frist das Tier nicht mehr zu retten vermochte. Analoge Resultate erhielt Noetzel i^ und Pawlow^sky 1^; ersterer Autor zeigte überdies, dass auch bei völliger Aus- schaltung der Lymphbahn doch ausnahmslos Infektion auf dem Blutwege erfolgte :" hiermit fällt die Annahme Halbaxs ^^ der gerade die Verschlep- pung auf demLymphwege als den normalen Infektionsmodus statuiert hatte, eine Annahme, die übrigens schon durch die außerordentliclie Schnellig- keit, mit der die Resorption von Wunden aus erfolgt, recht unwjihrschein- lich geworden war. — Eine ausschlaggebende Rolle spielt bei der von Wunden ausgehenden Infektion der Gewebsdruck (Friedrich i"); ist jede örtliche Druckdifferenz aufgehoben (verwundeter Mäuseschwanz_ in Aufschwemmung von Milzbrandbazillen eintauchend), so erfolgt keine Verschleppung "des Virus in die Blut- oder Lymphbahn; daher der Nutzen der offenen Wundbehandlung und der Drainage von Wunden. — Dass schwere Gewebsläsionen eine" Infektion der Wunde begünstigen, ist aus der alltäglichen chirurgischen Erfahrung bekannt und auch expe- rimentell von Linser 1" (sowie von Roxcalii^ speziell für offene Knochen- 134 E. Gotschlich, fraktion) erwiesen; insliesondere begünstigen Bluter2:iisse (Hämatome) er- heblich das Zustandekommen von Tetanus. — Wunden, die bis ins subkutane oder Muskelgewebe gehen, sind gefährlicher, als solche die nur die Haut ritzen, indem im ersteren Falle die Infektion vom lockeren subkutanen oder Muskelgewebe aus leichter zustande kommt als inner- halb der sehr straffen Cutis. Die Beschaffenheit der Wunde ist, neben der Infektionsgelegen- heit, mitbestimmend auf die Art der sich in der Wunde ansiedelnden pathogenen Keime; in offenen der Luft leicht zugänglichen Wunden können die pathogenen Anaeroben sich nicht ansiedeln, während diese Gefahr für tiefe Stichwunden besteht, in welche der Sauerstoff der Luft nur schwierig oder gar nicht eindringen kann. Die Zahl derjenigen Bakterien arten, welche Wundeiterungen erzeugen können, ist relativ be- schränkt; (vgl. Kap. V »Lokale Eeaktion«). — Ganz besondere Verhält- nisse bieten die Sc huss wunden dar; Versuche mit den moderneu Mantelgeschossen haben ergeben, dass das Projektil Teilchen der den betr. Körperteil bedeckenden Kleidung in den Schusskanal mit hinein reißt und Fäserchen der Kleidung bis in die scheinbar völlig unverletzte Umgebung des Schusskanals hinein versprengt (vgl. Abschn. V.); die älteren Weichbleigeschosse brachten solche Versprengung (oft genug in- fektiöser) Partikeln in die Umgebung nicht zustande. Hiernach ist es auch durchaus unmöglich, Schusswundeu, weder vermittelst Thermokauter noch durch chemische Desinfizientien, ausreichend zu desinfizieren (Müller i'^, Koller 2"). — Schorfe durch Aetzung mit 10^ Höllenstein- oder Kupfersulfatlösung oder konz. Liquor furi sesquichlorati erzeugt, gewähren nach Coiin2i \fQ[ Tieren Schutz gegen Infektion mit Milzbrand, Diph- therie und Hühnercholera; Aetzschorfe durch 7^ Lösung milchsauren Silbers sind der Infektion gegenüber machtlos ; letzteres sah ten Brink 22 auch für Braudschorfe (im Peritoneum), die das Eindringen des Staphy- lococcus pyogen, nicht zu hindern vermochten. — Besondere Bedeutung für die allgemeinen septischen Erkrankungen beim Keugeboreneu hat die Infektion der Nabelwunde; zusammenfassende Darstellung bei Ehren- DORFERR 2 ' ; bei künstlichen Infektionsversuchen mit Staphylokokken an Tieren konnte Basch2^ nur örtliche Prozesse, nie Fortschreiten längs der Kabelgefäße oder gar Allgemeininfektion hervorrufen. — Im Gegensatz zu der von frischen Wunden aus drohenden Infektions- gefahr, setzt das (unverletzte) Granulation sge webe dem Eindringen pathogener Keime einer unüberwindlichen Widerstand entgegen. Experi- mentelle Milzbraudinfektion konnte wieder von alten eiternden Wunden (Sestini2'') noch durch Injektion in geschlossene Abszesse (Bergon- ziNi2'^] erzeugt werden. Die Widerstandsfähigkeit des unverletzten Granulationsgewebes (Afana8Sieff2", ]S[()etzel2s, Jürgelünas 2«) beruht wesentlich auf mechanischen Ursachen; die oberfiächliehe Zellschicht hält die Keime ebenso sicher zurück wie die Epidermis, auch findet mecha- nisches Fortschwemmen der Keime durch Wundsekret statt. — 3. Im äußeren Gehörgang ist einmal eine primäre kruppöse Ent- zündung (durch Bac. pyocyaneus) beobachtet (Hel:\ian-^oj_ — Die normale Paukenhöhle ist keimfrei (Preysing^^). 4. An der Conjunctiva kommen örtliche Infektionen sehr häufig vor. Als Erreger führt Uhthüff32 an: Gonococcus, Pneumococcus, Bac. Koch-Weeks, Streptococc. pyogenes, Staphylococc. pyogenes, die Pseudogonokokken akuter Follikularkatarrhe, den Diphtheriebacillus, den DiplobacillusMorax ; vielleicht gehört dazu auch derOzaenabacillus. Ferner Allgemeine Morphologie und Biologie n. s. w. 135 beschreibt Gelpke^^ ein ßacterium septatum als Erreger des „Scliwellimgs- katarrlis : besonders wichtig ist die Beobachtung C. Fräxkels-^', dass auch der Meuingococcus als Erreger eiteriger Conjunctivitis mit diphthe- rischem Belag auftreten kann. Ein Fall primären Milzbrands wird von Schütte-'^ l)erichtet (Milzbrandblut ins Auge gespritzt! : Fälle i)rimärer Konjimktivaltuberkulose bei Pküscher-**', Bode-'' (daselbst LitteraturI , Eyre"', Remlinger-^''. In völlig unverletztem Zustande scheint die Cou- junctiva gewissen Erregern gegenüber sich refraktär zu verhalten, wie Brauxschweig^ö f[\Y Milzbrand, Hühnercholera, Tetragenus, Staphylocoec. pyogen, feststellte; doch konnte Conte^i für Hühnercholera dies nicht bestätigen. Der Gonococcus ist unzweifelhaft auch für die völlig intakte Bindehaut pathogen ; das gleiche gilt nach Brauxschweig '", Rirbert^-, KoTH^ für den Bacillus der Darmdiphtherie des Kaninchens. Besonders wichtig ist die von der Deutschen Pestkomm ission^-' festgestellte Thatsache, dass die völlig intakte Bindehaut der grauen Ratte äußerst empfänglich für Pestinfektion ist ; die leiseste Berührung mit einer Spur infektiösen Materials genügt, um tödliche Infektion hervorzurufen; vgl. auch KoLLE "'. Auch für das Virus des Rotzes und der Hundswut (Conte^i) Galtier ^^) ist die Conjunctiva durchlässig. Für die vom Bindehautsack aus gelingenden Allgemeininfektionen ist zu beachten (Rom er ^^), dass als Eintrittspforte wahrscheinlich nicht die Conjunctiva an sich in Be- tracht kommt (die sowohl durch ihren anatomischen Bau als auch durch die Thräuenflüssigkeit geschützt ist], sondern vielmehr die Xasenschleim- haut, auf welche die Erreger durch den Thränennasenkanal von den Thränen abwärts geschwemmt werden. Für örtliche Infektionen der Conjunctiva wirken als prädisponierende Momente, die durch Staub ge- setzten feinsten Epithelverletzungen. 5. An der Cornea kommen häufig örtliche infektiöse Prozesse, Ge- schwüre vor, meist veranlasst durch die gewöhnlichen Eiterkokken und den Gonococcus, auch durch den Pneumococcus (ÜHTHOFF^^b) Weiter- schreiten des infektiösen Prozesses ist in dem starren gefäßlosen Ge- webe der Cornea sehr erschwert, so dass sie als Eintrittspforte für AU- gemein-Infektion praktisch nicht in Betracht kommt (G. Frank -"^i: nur bei Verimpfung sehr reichlichen Materials gelang am Kaninchenauge die (auch dann noch immer sehr langsam verlaufende!) Infektion mit Milzbrand (Straus^") und Mäuseseptikämie (Löffler^^). 6. Der Nasenrachenraum stellt eine ganz besonders gefährliche Eintrittspforte für verschiedene Infektionskrankheiten dar, teils Avegen seiner lockeren, an manchen Stellen durch lymphatische Einlagerungen (Rachentousille) besonders empfänglichen Schleimhaut, teils infolge des eigenartigen anatomischen Baues. Schon die überaus große Oberfläche, die der Nasenrachenraum mit seinen Muscheln und mit den zahlreichen Nebenhöhlen (Highmors Höhle, Stirn-Siebbein- und Keilbeinhöhlen der Infektion bietet, — und die zahlreichen verborgenen Winkel und Falten, in denen pathogeile Keime sich lange Zeit latent erhalten kijnnen, stellen für das Zustandekommen der Infektion sehr begünstigende Mo- mente dar. Ferner kann sich die Infektion vom Nasenrachenraum aus sehr leicht in gefahrdrohender Weise verbreiten, so insbesondere durch die Siebbeinplatte auf die Meningen (wie das bei der epidemischen Cerebrospinal-Meningitis geradezu die Regel ist) und selbst auf das Ge- hirn (Stoerk^''), — ferner sehr häufig durch die Ohrtrompete in die Paukenhöhle (Pes c^ Gkadenigo ■'^^) , und sogar bis ins Labyrinth (Moos^i). Dass umgekehrt auch der Nasenrachenraum sekundär von 136 E. Gotschlich, Seiten der Conjunctiva durch den Thränennasengang- infiziert werden kann, ist schon oben erwähnt. — Die experimentelle Pest Infektion ge- lingt bei Ratten von der Nasenschleimhaut aus sehr leicht: es genügt, eine minimale Menge infektiösen Materials in die Nasenöifnuugeu ein- zubringen, um mit Sicherheit tödliche Pestinfektion zu erzielen. — Für Lepra stellt die Kasenschleimhaut nach Sticker ^2 geradezu die typische Lokalisation des Primäraffektes dar; vgl. Bd. II; gleiches gilt für Rotz. — Die Erreger der gemeinsten infektiösen Erkrankung der Nasen- schleimhaut, der Coryza, sind noch nicht ermittelt: betr. die Aetiologie der Ozaena vgl. die Arbeiten von Abel^-^ und Simeoni^^. — Ein bedeutsames Schutzmittel gegen das Eindriogeu der meisten pathogenen Keime besitzt die Nasenschleimhaut in dem baktericiden Vermögen ihres Sekrets; nach Wurtz & Lermoyäz^^ sollen selbst Milzbrandsporen im menschlichen Nasensekret binnen 3 Stunden absterben. So erklären sich die negativen Resultate experimenteller Infektion der Nasenschleim- haut mit den gewöhnlichen Septikämieerregern (Roth^^ Ribbert^^j^ you denen nur der Bacillus der Darmdiphtherie des Kaninchens einzudringen vermochte. 7. Die Mundhöhle ist unter gewöhnlichen Verhältnissen sowohl durch ihr sehr resistentes Pflasterepithel als auch durch die baktericiden Eigenschaften des Speichels gegen Infektion geschützt ; nach Sanarelli^" werden nur der Diphtheriebacillus und der Pneumococcus von der letz- teren schädigenden Wirkung nicht betroflen; die baktericide Wirksam- keit wird von Edixger''', Müller'»* und Martinotti''ö auf die im Speichel enthaltenen antiseptisch wirksamen Rhodanate zurückgeführt. Die experimentelle Infektion gelingt selbst mit dem sonst so invasiven Bacillus der Darmdiphtherie der Kaninchen nicht. Beim Neugeborenen, mit seinem zarteren Epithel, vermag der Gonococcus eine gutartige primäre Affektiou der Mundhöhle zu erzeugen (Kast*'", Ahlfeld ^i). — Ueber die Aetiologie jener so überaus gefährlichen Infektionen der Mund- höhle, der Noma und der Angina Ludovici ist nichts Sicheres be- kannt; Bedingung zu ihrem Zustandekommen scheint Herabsetzung der Widerstandsfähigkeit, schlechter Ernährungszustand u. dergl. zu sein. — Bei Vorhandensein von Verletzungen können in der Mundhöhle die verschiedensten Infektionen zustande kommen; so stellt die Mundhöhle die typische Lokalisation für Aktiuo mykose dar; so nehmen unter den extragenitalen Primäratitekten der Syphilis diejenigen der Lippen und der Mundschleimhaut der Häufigkeit nach die erste Stelle ein (Uebertragung durch Küssen!) Besonders wichtig ist die Beobachtung K(JLLEsi", dass bei der natürlichen Uebertragung der Pest unter den Ratten (wobei die an Pest verendeten Tiere von den übrigen ange- fressen werden) sehr häufig nicht in der Darmschleimhaut, sondern in der Mundhöhle die Eintrittsi)forte zu suchen ist (Submaxillarbubonen). — Von Zahnextraktionswunden aus kann tödliche septische Infektion ausgehen (Purt'^'Sj 8. Ganz besondere Prädilektioustellen für das Eindringen der ver- schiedensten Infektionserreger stellen die Tonsillen dar; die Eigenheit ihres anatomischen Baues (tief zerklüftete, lockere und von lymphatischen Elementen durchsetzte Schleimhaut) lassen das leicht erklärlich erscheinen. Oefters stellen die Mandeln die Eintrittspforte für Pest, kryptogenetische Septikämie (Hartzge«', Stoicescu & Babes^i, Jessen "^^ sowie akute infektiöse Osteomyelitis (Herzog & IvRAUTWiG^e) dar; auch von kleinen chronischen Tousillarabszessen (wie sie meistens ganz unbeachtet bleiben) Allgemeine Morphologie und Biologie u. 3. w. 137 können solche schweren Allg-emeinintektionen ausgehen (Trkitei/»'). Für Diphterie und zahlreiclie Stre])tokokken (Angina) stellt die Tonsille ge- radezu die typische Einbruchspforte dar. Fälle primärer Tonsilleu- tuberkulose sind jedenfalls selten: von 82 Sektionsbefunden glaubt V. Scheibxer"* nur zwei mit größter Wahrscheinlichkeit als solche an- sprechen zu müssen, während 42 von Lebenden entnommene Tonsillcn- l)roben niemals T-B enthielten; ein von Friedmaxn'^-' berichteter »sicherer: Fall wird gleichfalls (vom lief. W. Kempner^-^j ange- zweifelt. — 9. Für das Verständnis des Zustandekommens einer Infektion von Seiten der Luftwege und speziell der Lungen sind die unter Flügges'" Leitung angestellten experimentellen Lifektionsversuche mit feinstem flüssig versprühten Material von größter Bedeutung; vgl. über »Tröpfchen- infektion« weiter unten, S. 171 ff. Nenninger"" fand, dass bei einem Tier, das einem Spray mit Aufschwemmung von Prodigiosuskultur ausgesetzt ist, unter ganz natürlichen Versuchsbedingungeu die eing-eatmeten bazillcn- haltigeu Tröpfchen durch den Inspirationsstrom rasch bis in die Lungen- alveolen getragen werden; dasselbe fand, wenn auch mit quantitativ geringerem Resultat, bei Verwendung trocken verstäubten Materials statt. Schon der forcierte Inspirationsstrom an sich genügt, um spezitische Keime aus der Mundhöhle abzulösen und in großer Zahl bis in die feinsten Verzweigungen der Luftwege zu führen. Praktisch wichtiger noch sind die Resultate Laschtschexkos '" und Heymanns "" über die experimentelle tuberkulöse Infektion an Meerschweinchen durch Anhusten seitens phthisischer Personen; besonders bemerkenswerth ist, dass hierbei öfters Infektionen erzeugt wurden, die ganz streng auf die Bronchial- lymi)hdrüsen beschränkt waren, ja sogar solche, wo nur eine Schwellung der Lymphdrüsen vorhanden war, Tuberkelbazillen aber in ihrem Innern nicht mehr nachgewiesen werden konnten, Fälle, die wahrscheinlich im Sinne einer Spontanheilung aufzufassen sind. Durch keinen andern Infektionsmodus sind so geringfügige und örtlich beschränkte tuberkulöse Veränderungen zu erzielen; otfenbar erfolgt bei der genannten ^'ersuchs- anordnung die Infektion oft nur durch ganz vereinzelte Bazillen, wie in der Praxis, und sind daher die allerersten Anfänge der tuberkulösen Infektion beim Menschen höchst wahrscheinlich nach Analogie dieser Tröpfcheninfektionsversuche zu beurteilen. Nach seinen pathologisch- anatomischen Untersuchungen folgert Bircii-Hirsciifeld'^, dass die Lungentuberkulose in ihrem ersten Stadium in der Regel ihren Sitz in der Schleimhaut eines mittelgroßen Spitzenbronchus habe; doch schließen diese Beobachtungen keineswegs die Möglichkeit aus, dass schon längere Zeit, bevor tuberkulöse Prozesse in den Bronchien oder im Lungengewebe selbst sich etablieren konnten, T-B bereits in die Brouchiallymphdrüsen mit dem Lymphstrom verschleppt worden sind*): ganz nach Analogie der ARNOLü'schen"' Versuche über Inhalation feinsten unorganisierten Staubes. Das intakte Luugengewebe und der intake Bronchialbaum scheinen eben dem Wachstum vereinzelt eingedrungener pathogener Keime (selbst T-B) einen gewissen Widerstand entgegen zu setzen; erst wenn eine Schädigung der Bronchialschleimhaut durch Sekretstauuug, Fremdkörper (Staub) u. s. w., eingetreten ist, wozu besonders gewisse mittel- große Bronchien der rechten Lungenspitze disponiert sind, — erst dann * Positive Befunde von T-B. in Bronchiallymphdrüsen von Menschen, die ab- solut sicher frei von Lungentuberkulose waren, vgl. u. a. bei Kälble'-. 138 E. Gotschlich, ist Aubiedluiig des T-B möglich. Hierdurch erklärt sich, dass auch Infektiousversuche der lAiiig-e mit Septikämieerregerii durch Inhalation oder Einspritzung in die Luftröhre nur dann gelingen, wenn ziemlich große Virusmengen verwendet wurden; positive Resultate bei Büchner'^ MüSKATBLÜTH "•% Enderlen'S Hildebrandt^", Banti'^, betr. Lyssa bei Galtier«; negative Ergebnisse u. a. bei Kruse & Pansini'-', Gramatschikoff^o. — Eine souveräne Rolle spielt die Tröpfcheninfek- tion auch bei der Entstehung der verschiedenartigen infektiösen Pneu- monien (genuine Pneumonie, Lifluenza- und Pestpneumonie). — 10. Die Magenschleimhaut ist gegen infektiöse Erkrankungen außer- ordentlich widerstandsftihig (Straus & Würtz*'), wobei die bakte- riciden bezw. wenigstens entwicklungshemmenden Eigenschaften des Magensaftes als Schutzvorrichtung in Betracht kommen. Bei jeder länger dauernden Ausschaltung der Magensäure (durch Alkali sierung) zeigten sich stets Erscheinungen einer vermehrten Darmfäulnis (Zunahme der Aetherschwefelsäuren im Harn) (Kast*^). Doch ist dieser Schutz nur ein sehr unsicherer (besonders bei leerem Magen: ]\Iiller*3j^ ^[q schon daraus hervorgeht, dass der (gegen Säuren doch sehr empfindliche) Cho- leravibrio den Magen noch lebend passieren kann und erst im Dünndarm seine verderbliche Wirkung entfaltet: erst recht" gegen den viel resis- tenteren Typhusbacillus gewährt der saure j\[agensaft nur sehr unsicheren Schutz (Stern *^). Nur "sporenfreie IMilzbrandbazillen gehen im Magen der Versuchstiere (Hammel) mit Sicherheit zu Grunde, während Sporen durch den Magensaft nicht geschädigt werden (Falk^^j)- g^ erklären sich die Versuche von Koch, Gaffky & Löffler^^', wonach Verfütterung sporenfreier Bazillen stets negative Resultate ergab, während bei Ver- fütterung größerer Mengen von Sporen mit Sicherheit IMilzbrandinfektion erzeugt wurde. Uebrigens beruht die Wirksamkeit des Magensaftes keineswegs allein auf seinem Gehalt an Salzsäure (Dyrmont*'). — Jeden- ftills wirken Störungen der Magensekretion, Hyperacididät u. s. w. prädispo- nierend für Darmerkrankuugen, besonders für Cholera. 11. Vom Darmkanal aus kommt eine Reihe der wichtigsten In- fektionen zu Stande, als Typhus, Cholera, Dysenterie, Weilsche Krank- heit, Tuberkulose, ferner besonders bei Kindern allgemeine Septikämien durch Eiterkokken (Epstein *'-% Eschericii*^), endlich zahlreiche Tier- seuchen (Milzbrand, Schweinerotlauf, Darmdyphtherie der Kaninchen, Mäusetyphus, Hühnercholera und die verwandten hämorrhagischen Septikämieen). Für einige dieser Krankheiten stellt der Darm sogar die einzige Eintrittspforte dar (Cholera, Dysenterie, Weilsche Krankheit); für andere ist der Darm jedenfalls die natürliche Eiubruchsstelle, und wenn überhaupt Infektion von anderen Stellen aus erfolgt, so geschieht dies nur ganz ausnahmsweise (Abdominaltyphus, spontaner ^Milzbrand des Rindviehs). Bei verschiedenen Tierspecies zeigt die Darmschleimhaut dem Eindringen desselben Mikroorganismus gegenü1)er ein sehr unglei- ches Verhalten; so vermag der Choleravibrio nur beim Menschen und beim jungen säugenden Kaninchen (Thomas, Kolle, ]\Ietschnikoff) in die Darmschleimhaut einzudringen, bei ]\Ieerschweiuchen nur nach be- sonderen prädisponierenden Eingriffen (Neutralisation des ]\[agensaftes mit Sodalösung und Immobilisierung des Darmes durch Opium nach R. Koch), bei anderen Versuchstieren überhaupt nicht: so stellt der Darm bei Rattenpest eine typische primäre Lokalisation des Virus dar, während beim Menschen dieser Infektionsmodus jedenfalls sehr selten ist und so- gar ganz bestritten wird. Bemerkenswert ist, dass bei künstlichen In- Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 139 fektionsversuchen vom Darm aus stets eine ziemlieh erhebliche ^Meugc des Virus erforderlich ist, um mit Sicherheit positive Resultate zu er- zielen, — ganz im Gegensatz zum natürlichen Infektionsmodus, hei dem in der Eegel nur eine ganz minimale Menge infektiösen ^laterials aufgenommen wird. Dieses Ergebnis, zumal bei gleichzeitiger Berück- sichtigung der so außerordentlich verschiedenen individuellen Disposition für die gleiche Krankheit, und in Ansehung der Thatsache, dass viru- lente lebensfähige Erreger (z. B. Cholerabazillen) im Darm scheinbar völlig gesunder Personen vorhanden sein können, ohne die spezifische Infektion zu erzeugen, — alles das muss ims zu der Folgerung drängen, dass beim natürlichen lufektiousmodus wahrscheinlich eine Herabsetzung der örtlichen Widerstandsfähigkeit durch kleinste Epithelschädigungen u. s. w. vorhanden ist und so das Eindringen der spezifischen Keime begünstigt wird. — Es muss aber besonders hervorgehoben werden, dass diese letzteren Momente nur ganz sekundärer ]S'atur sind und nur dann in Wirksamkeit treten können, wenn die eindringenden Keime wirklich eine spezifische Invasionsfähigkeit für die Darmschleimhaut besitzen ; ist das nicht der Fall, so können tagelang zahllose, sogar unter anderen Umständen und an anderen Körperstellen höchst pathogeue, Keime im Darmlumen vorhanden sein, selbst bei gleichzeitiger schwerster mechanischer Verletzung der Schleimhaut (durch mit verfütterte Glas- splitter!], ohne dass Eindringen der Keime in die Schleimhaut und in die inneren Organe erfolgte (M. Neisser*^'). Man hat, von manchen Seiten, die vom Darm aus drohende Infektionsgefahr sehr überschätzt; man nahm an, die anatomische Struktur der Darmschleimhaut und ihre zahllosen Drüsen und lymphatischem Gewebe begünstige besonders das Eindringen von Keimen, gerade so, wie ja auch normaler Weise bei Resorption des Chylus ganz regelmäßig korpuskulare Elemente (Fettkügelchen) durch- treten ; vgl. auch die positiven Angaben von Lewin "*•' und AVassilieff- Kleimann'-*" über den Durchtritt von feinsten Partikelchen (Kohlenstaub. Tusche, Karmin). Nocard & KauFxAIAnn''Ji behaupten nach ihren Ver- suchen sogar, dass beim Hunde bei der Verdauung ganz regelmäßig Durchtritt von Bakterien stattfinde, die in großen Mengen im Ductus thoracicus nachzuweisen seien; Desoubky & Porcher-'^ fanden beson- ders reichlichen Durchtritt bei fettreicher Kost, während bei fettarmer Nahrung (Suppe) der Chylus oft ganz keimfrei war. Die sehr sorgfäl- tigen Nachprüfungen dieser auffallenden Angaben durch M. Keis.ser*^ und Opitz ^3 ergaben jedoch ein völlig negatives Resultat;*) selbst bei reichlichster Bakterienverfütterung wurden Chylus und Mesenterialdrüsen stets keimfrei befunden. Ebenso wenig erfolgte eiu Durchtritt auf dem Blutwege, da die inneren Organe frisch getöteter Tiere stets keimfrei ge- funden wurden, selbst bei gleichzeitiger schwerster mechanischer oder chemischer Schädigung der Darmwand (Verfütterung von Glassplitteru, bezw. Krotonöl!]. "M. Weisser zieht aus diesen Versuchen den Schluss, dass der Darm als Eintrittspforte für allgemeine Infektionen keine größere Rolle spielt, als Haut und Schleimhäute. Eine wesentliche Stütze der An- nahme, die im Darm die am häutigsten betretene und am meisten gefahr- drohende Einbruchspforte der Krankheitserreger sah, sollten auch die Er- *) Hiermit ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass gelegentlich pathogene Keime mit dem Lvmphstrom von der Darmschleimhaut aus ins Kürperinnere trans- portiert werden 6b vielleicht durch kleine Epitheldetekte?; . ohne lokale Krank- heitsprozesse zu erzeugen; dafür spricht z. B. das Vorkommen reiner Mesenterial- drüsentuberkulose ohne Darmläsion iDoBROKioxSKi''^j. 140 E. Gotschlich, falirungeii über Selbstinfektion vom Darm aus darstellen, mit denen wir uns im nächsten Kapitel zu bescliäftii;en haben Averden. Wenn man endlich eine besonders große Durchlässigkeit des Darmes für Infektions- erreger schon aus der Thatsache ableiten zu müssen glaubte, dass vom Darm aus zalürcichere und verschiedenartigere Infektionen ihren Aus- gang nehmen, als von irgend Avelchem anderen Körperteil aus — (ein Vergleich, bei dem übrigens die oberen Luftwege, sowohl was die Häufig- keit als auch die Verschiedeulieit der daselbst einbrechenden Infektionen betrifft, nicht wesentlich hinter dem Darm zurückbleiben!) — so ist dies viel einfacher folgendermaßen zu erklären: Kein anderer Teil der äußeren oder inneren Körperoberflächen steht in so innigem und langdauernden, ja i)ermanenten, Kontakt mit einem so bakterienreichen Material, wie es beim Darm der Fall ist: dazu kommt noch die enorme Flächeneut- wickhmg der Darmschleimhaut. — 12. Vom Rectum und After aus kommen verschiedene Infektionen vor. Durch Zerkratzen von Hämorrhoidalknoten können Eiterungen und auch allgemeine septische Infektionen entstehen; Mircoli^^ stellte In- fektionsversuchc mit Eiterkokken vom Ilectum aus, mit positivem Er- gebnis an. Häufig findet sich Gonorrhoe der Rektalschleimheit, teils in- folge Coitus in anum, teils (beim Weibe) durch Herablaufen des infek- tiösen Sekrets aus der Vulva. 13. Die Harnröhre stellt bei beiden Geschlechtern die tvpische Lokalisation für den Gonococcus dar; vgl. daselbst den speziellen Teil (Bd. II) auch über gonorrhoeälmliche Erkrankungen. Infektionen der Harnblase von außen her kommen auf verschiedene Weise zu stände: entweder durch Fortleitung eines in der Harnröhre schon bestehenden infektiösen Prozesses nach oben, oder durch direkte Einführung von außen, (z. B. durch unsauberen Katheterismus). Sehr viel häufiger ist jedoch der Urs])rung der Cystitis auf Selbstinfektion zurückzufüliren ; vgl. folgendes Kapitel! Die durch Bact. coli verursachten Cystitiden sind weit gutartiger als die durch Eiterkokken verursachten. — Ge- langen Infektionserreger in die Ureteren, so können sie eine aszeu- dierende Infektion verursachen, wobei es zunächst zur Pyelonephritis, schließlich aber sogar aucli zur Allgemeinaffektion kommen kann; für Eiterkokken, sowie Milzbrandbazillen, ist dies durch die künstlichen In- fektionsversuche von V. Wunschheim '^f' und Posxer & Cohn''^^ zweifel- los erwiesen; betr. der Infektion mit Bact. coli divergieren die Resultate beider Autoren, indem letztere nur negative Ergebnisse zu verzeichnen hatten, Avährend ersterer zu positiven Resultaten gelangt war. 14. Die äußeren Geschlechtsteile stellen bei beiden Geschlech- tern die typische Lokalisation für das Ulcus molle, sowie für den luetischen Primäraffekt dar; doch kommen beide Infektionen nicht von der völlig unverletzten Haut zustande, sondern als Eintrittspforte dienen kleinste Verletzungen, wie ja solche besonders beim Coitus sehr leicht vorkommen können. — Bemerkenswert ist ferner noch die primäre Diphtherie der Vulva kleiner Mädchen, teils durch Kontakt, teils durch Badewasser übertragen. 15. Der weibliche Geschlechtskanal ist zunächst, neben der Harn- röhre, die wichtigste Eintrittspforte für die Gonorrhoe; hierbei ist es der mit zartem Cylinderepithel ausgekleidete Cervikalkanal, der regelmäßig befallen wird, — während die durch ihr resistentes Pflasterepithel geschützte Vagina meistens verschont bleibt. Eine weitere bedeutsame Schutzein- richtung besitzt die Vagina in ihrem Sekret. Döderlein'-»« hat zuerst Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 141 die l)aktencide Wirkung- des* Öclieideiisekrets erkannt und führte dieselbe auf die in der normalen Vagina stets vorhandene Vegetation eigcntlim- licher fakultativ anaerober Bazillen zurück; die DöDEHLEixschen >Sclieide- bazillen sind den S[)eziellen Verhältnissen der Vaginalschleimhaut so iiung angepasst, dass ilire direkte üebertragung auf festes ^'ährsubstrat nicht gelingt: es ist behufs Angewöhnung an die neuen Lebensbedin- gungen erst eine Vorkultur in \% Zuckerbouillon, in die ein Tropfen reinen Vaginalsekrets gebracht wurde, erforderlich. Bei patliologischeni Sekret ist die Reaktion nur schwach sauer oder gar alkalisch und die Scheidenbazillen sind dann ganz verdrängt. Kkönk;"" und Menge "J" konnten die baktericide Wirlamg des Scheideusekrets zwar bestätigen und wiesen sogar nach, dass Kulturen pathogener Keime (Pyocyaneus, Staphylokokken, Stre})tokokken^, in die Vagina Schwangerer oder Nicht- schwangerer eingebracht, in kurzer Zeit (spätestens binnen 2 — 3 Tagen, Streptokokken viel rascher!) zu (Irunde gehen. Dagegen konnten sie der Acidität des Vaginalsekrets und der Vegetation der DöDERLEiNsehcn Scheidenbazillen nicht eine ausschließliche und wesentliche Rolle für das Zustandekommen dieser selbstreinigenden Kraft der Scheide zu- schreiben, indem die letztere vom Säuregrad nicht streng abhängig war (bei geschlechtsreifen, den sexuellen Verkehr ausübenden Frauen ist die Reaktion des Scheidensekrets oft amphotin oder alkalisch); andererseits findet sich typisches saures Sekret auch in der (durchaus keimfreien) Vagina des Neugeborenen und treten die DÖDERLEiNschen Scheidenbakterien beim Neugeborenen sogar verhältnismäßig spät auf (Knapp ^**^), nachdem schon am 2. Tage reichliche Entwicklung amlerer Keime stattgefunden hat. Wahrscheinlich wirken bei der Selbst- reinigimg der Scheide, (die sich auf alle diejenigen Bakterien erstreckt, die auf schwach alkalischem Agar gedeihen!) eine ganze Reihe von Faktoren mitr^öi Acidität, Sauerstoffmangel, Konkurrenz seitens der anaeroben Saprophyten, baktericide Wirkung der Körpersäfte und der Leukocyten; durch Kochen und Alkalisieren lässt sich diese baktericide Wirkung in vitro vernichten. Während der Menses und zur Zeit der Lochialsekretion ist die baktericide Wirkung des Scheidensekrets schwächer, auch kann sie bei sonst normalen, nicht schwangeren oder klimakterischen Frauen abnehmen oder ganz verschwinden. Im Cervikal- sekret gehen gleichfalls eingebrachte pathogene Keime in kurzer Zeit (12 Std.) zu Grunde (Menge); doch kommt dem Cervixschleim keine direkt baktericide Wirkung zu, sondern er wirkt nur als schlechtes Nährsubstrat ( Waltiiard i^^^). Die während der Schwangerscluxft stattfindende starke Eindickung des Cervikalsekrets stellt einen besonders wirksamen Schutz gegen das Eindringen pathogener Keime dar, teils direkt durch Bildung eines dich- ten Verschlusses der Cervix teils indirekt, indem dadurch das Herab- lließen des Uterinsekrets in die Scheide und die damit verbundene Ver- dünnung und Abschwächung des Vaginalschleimes vermieden wird (Menge). Nach der Geburt ist der weibliche Geschlechtskanal des Menschen be- sonders für das Eindringen von Infektionserregern dis])oniert, teils durch die (in leichterem Grade fast unvermeidlichen) Schleimhautrisse, teils da- durch, dass durch Abstoßung der Placenta und der Eiliäute die ganze Uterusinnenfläche ihres schützenden Epithels beraubt und in eine Wund- fläehe verwandelt wird. Bei Meerschweinchen und Kaninchen, die nach der Geburt das Epithel des Uterusinuern last ganz intakt erhalten, kommen daher septische Puerperalinfektionen viel seltener und schwieriger 142 E. Gotschlich. zustande; beim Kaninchen konnten Straus und Sanchez Toledo ^"^^ durch intrauterine Injektion von Milzbrandbazillen, pathog'enen Anaeroben und Staphylokokken keine Infektion erzeugen: nur Hühnercholerabazillen, nach Caselli^öö .^^^-ii Streptokokken (letztere 45 Tage vorher in die Vagina eingebracht!) l)ewirkten allgemeine Sepsis. — U. Eindringen der pathogeneu Keime von selten des Lymph- oder BIntweges. In einer Reihe von Fällen finden sich Krankheitsprozesse primär in inneren Organen lokalisiert, die durch ihre Lage selbst einem direkten Ein- dringen pathogener Keime von Seiten der äußeren oder inneren Körperober- fläche völlig unzugänglich sind. Für diese Fälle, wo der Einbruch der Krank- heitserreger durch Vermittelung des Blut- oder Lymphweges erfolgte, sind verschiedene Möglichkeiten vorhanden. Entweder haben die von außen ein- gedrungenen Keime nicht an der Eintrittspforte selbst, sondern erst an der nächsten Lymphdrüsenstation ihre primäre Lokalisation etabliert; so insbe- sondere bei Pest, bei der die Eintrittsstelle des Virus an der äußeren Haut meist nicht nachzuweisen ist und der Bubo selbst die primäre Lokalisation darstellt, — so auch bei primärer Tuberkulose der Bronchial- oder Mesen- terialdrüsen ohne Erkrankung der Schleimhäute des Bronchialbaums resp. des Darmtractus. — Oder die pathogenen Keime existierten vorher in latentem Zustande au irgend einer anderen Stelle des Körpers, (sei es in Form eines minimalen, vollständig symptomlosen und daher unbeachtet bleibenden Krank- heitsherdes, sei es auch als reiu saprophytische Schmarotzer), gelangten dann, (gleichfalls unbemerkt) in den Blut- oder Lymphstrom und siedelten sich schließlich an einem locus miuoris resisteutiae an, um daselbst ihre pathogene Wirkung zu entfalten. Als örtlich prädisponierende Momente kommen ins- besondere Traumen in Betracht; so erklären sich z. B. die Fälle primärer Tuberkulose des Herzbeutels oder der Knochen nach traumatischen Ein- wirkungen. In anderen Fällen ist freilich ein besonders örtlich wirkendes Moment nicht zu erkennen, so z. B. bei den meisten Fällen von akuter in- fektiöser Osteomyelitis sowie von der sog. »kryptogenetischen Septikämie«. Ueber die latenten Ausgangsherde solcher Infektionen vgl. nächsten Abschnitt. — In noch anderen Fällen ist der Verlauf bedeutend leichter zu übersehen, nämlich wenn z. B. ein manifester vorher bestandener Krankheitsherd in eine benachbarte seröse Höhle durchbricht (z. B. eine Pyosalpiux in das Perito- neum) und so an letzterem bisher von der Infektion völlig abgeschlossenen Ort einen infektiösen Prozess (eiterige Peritonitis) erzeugt. Letztere Fälle, in deuen sich die Infektion per contiguitatem fortpflanzt, sind von der eigentlichen Metastasenbildung — , wo vou einem primären Herde aus, durch Verschleppung des Infektionserregers auf dem Blut- oder Lymphwege, an anderen Körperstellen sekundäre Herde entstehen, — oft nicht mehr scharf zu unterscheiden. Betr. Metastasenbildung, sowie betr. Ausbreitung und Verlauf der Infektion je nach verschiedeneu Bakterienarten und Ein- gangspforten vgl. Wassermann, »Wesen der Infektion« (dieses Handbuch, Bd. I). — III. Prädilektionsstellen der Infektion und speziflsche Anpassung bestimmter Krankheitserreger an bestimmte Eintrittspforten. Die That- sache, dass die meisten Infektionserreger gewisse Eintrittspforten in ganz auf- fallender Weise bevorzugen, oder gar ausschließlich auf gewisse Einbruchs- stellen angewiesen sind, lässt eine mehrfache Deutung zu. Entweder liegt das einfach daran, dass die scheinbar so auffallend prädisponierte Stelle ge- rade diejenige ist, die dem natürlichen Infektionsmodus, wie er durch die Allgemeine Morphologie und Uiclogie u. s. w. 143 äußeren Verhältnisse gegeben ist, am meisten oder vielleicht gar ausschließlich offen steht. So ist es z. B. nicht wunderbar, dass sich Gonorrhoe und Lues mit relativ seltenen Ausnahmen in der Regel primär an den Genitalien etab- lieren, — weil eben diese Krankheiten fast ausschließlich durch den Ge- schlechtsverkehr verbreitet Averden; so erklärt sich auch die auffallend größere Häufigkeit der Pestbubouen au den Inguinaldrüsen dadurch, dass die meist am Boden haftenden Pestbazillen viel leichter von selten der unteren Extre- mitäten aufgenommeu Averden als von Armen oder Kopf aus, sowie übrigens auch aus der auatomischen Thatsache, dass das ZuHussgebiet der Leisten- drüsen grösser ist als das aller anderen Lymphdrüsen des Körpers. — Li anderen Fällen reichen solche äußere Gründe nicht aus. Wenn z. B. ein gesundes Weib durch den Coitus mit einem tripperkranken Manne sehr wohl an Urethra und Cervix, nicht aber in der Scheide infiziert wird, obgleich letztere in viel intensiverem Kontakt mit dem infizierten Penis sich befand als die erstgenannten Stellen, so ist hier eine wirkliche Prädisposition von Urethra und Cervix gegenüber der relativ refraktären Vagina ganz unverkennbar und durch die histologischen Unterschiede des Epithels leicht erklärbar. In ana- loger Weise sind aus anatomischen Gründen die Tonsillen mit ihrer zerklüf- teten Oberfiäche und ihren offenstehenden Krypten prädisponiert für Infektion mit Streptokokken und Diphtheriebazillen; feruer sind gewisse mittlere Bronchi der Lungenspitzen, infolge ihrer ungünstigen Lage zum Stammbronchus, wo- durch Sekretstauungen und Ablagerung eingeatmeten Staubes begünstigt werden, besonders disponiert zur primären Ansiedlung der Tuberkulose. — Endlich giebt es Fälle, in denen auch dieser, auf der anatomischen Eigenart der Ein- trittspforte basierende Erkläruugsgruud unzureichend ist, indem dem gleichen Gewebe gegenüber verschiedene Mikroben ein durchaus verschiedenes Verhalten zeigen. So vermag wohl der Gonococcus, nicht aber das Virus der Syphilis die unverletzte Schleimhaut der Urethra zu infizieren: so ist ferner für den Cholerabacillus die Darmschleimhaut die typische Lokalisation, während die fast stets im Darmlumen vorhandenen Bazillen des Tetanus und des malignen Oedems durch das Darmepithel nicht einzudringen vermögen. Solche Fälle beweisen das Vorhandensein einer spezifischen An- passung- bestimmter Bakterienarten au bestimmte Körper- gewebe, einer Anpassung, die zugleich für den betretfeuden Mikroben die wichtigste und am meisten charakteristische biologische Eigenschaft darstellt; so die Thatsache, dass der Choleravibrio nur in die Darm- schleimhaut, der Influenzabacillus in die Schleimhaut des Bronchial- baums, das Virus der Lyssa in das Nervengewebe einzudringen vermag, — dass der Gonococcus nur auf denjenigen Teilen des Geschlechtsappa- rates, die mit Cylinderepithel bestanden sind, einzudringen vermag, während das Virus des Syphilis nur durch offene (wenn auch kleinste!) Wunden eindringt u. s. w. ! Eine analoge spezifische Artcharakteristik offenbart sich auch im weiteren Verlauf des Infektionsprozesses; so in der Tiefe des Eindringens und der Verbreitung des Erregers im infi- zierten Organismus (Cholera und Influenza sind reine Epithelinfektioueu und ein Eindringen in den Blut- und Lymphstrom findet selbst in den schwersten Fällen fast nie statt, während es bei Streptokokkeninfektion die Regel istl ; so auch in der Metastasenbildung, (z. B. typische Loka- lisation im Hoden bei der Infektion des Meerschweinchens mit Kotz, Prädisposition der Nerven für Lepra u. s. w. !). Zum Teil lassen sich diese Anpassungsverhältnisse durch die biologischen Eigenschaften der Erreger erklären; so ist es begreiflich, dass Tetanus- und 144 E. Gotschlich, Oedembazillen, bei ihrer streng anaerol)en Lebensweise, im mit Sauerstoff be- ladenem Blute nicht existieren können. — Andere Fälle lassen vielleicht eine Erklärung in phylogenetischem Sinne zu, indem jede Eingangspforte im all- gemeinen um so leichter denjenigen Mikroben angepasst sein wird, mit denen sie, dem natürlichen Lauf der Dinge entsprechend, am häufigsten in Kontakt kommt; so ist die Darmschleimhaut als Eingangspforte dem Choleravibrio an- gepasst, weil dieser meistens mit dem Wasser aufgenommen wird; so aus leicht begreiflichen äußeren ({runden, die Schleimhaut des Geschlechtskanals dem Gonococcus; so die Schleimhaut der oberen Luftwege angepasst au Strepto- und Pneumokokken, sowie Influenzabazillen, Aveil diese der Regel nach beim natürlichen Infektionsmodus (Aushusten seitens Kranker und In- spiration der schwebenden Tröpfchen) gerade auf diese Schleimhäute gelangen. Für diese Verhältnisse ist es interessant, dass gerade auf solchen Körper- oberflächen, die dem Eindringen eines bestimmten Mikroben besonders ange- passt sind, oft derselbe Erreger (in normalem oder abgeschwächtem Zustand) oder demselben phylogenetisch sehr nahe verwandten Arten ein latentes sapro- phytisches Dasein führen. — Aber auch diese phylogenetische Anschauungs- weise reicht nicht überall aus; es giebt Fälle (wie z. B. die besondere Afti- nität des Virus des akuten Gelenkrheumatismus zu den Gelenken, die An- passung der Lepra an bestimmte nervöse Elemente u. s. w.], wo man vor- läufig gar keine direkte Erklärung hat, sondern sich nur auf Analogieen aus dem Verhalten der verschiedenen Organe und Gewebe gegen Gifte berufen kann (spezitische Schädigung der Schilddrüse durch Jod, des Nervus radialis bei Bleivergiftung, gewisser Distrikte der Retina bei Tabaksvergiftung u. s. w.) — Analogieen, die insofern nicht müßig sind, als auch die Wirksamkeit der pathogenen Bakterien in letzter Linie auf chemischer Giftwirkuug beruht. — Litteratur. i Garre, Fortschr. d. Med. 1885, Nr. 6. — - Schimmelbusch, Arch. f. Ohren- heilkunde, 1888. — * Bockhart, Monatsschr. f. prakt. Dermatol., 1887. — * Roth, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 4. — J Machnoff, Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 7, 441. 1890. — '■ CoRxiL. Setnaine med., 1890, 22. — ' Wasmuth, Centralbl. f. Bakt., I. Abt.. 12, Nr. 2:3/24, 1892. — « Kondorski, ref. ebd.. 12, 21. 1892. — '' Denkschrift d. Wien. Akad. d. Wiss., mathematisch-phj^sikal. Cl.. Bd. 66. 1900. — i" Kolle. Zeitschrift f. Hygiene. Bd. 36, 397. 1901. — n Urban, Müncb. med. Wochenschr., 1899, 346. — 1- Schimmelbusch. Fortschr. d. Med., 1895, Nr. 1/2; Schimmelbusch & Ricker, ebd., Nr. 7/9. — « Noetzel, ebd., 1898, S. 443, 486; Arch. f. klin. Chirurg., Bd. 60, 25. — 14 Pawlowsky, Zeitschr. f. Hyg., 33, Heft 2, 1900. — i'> Halban, Arch. f. klin. Chirurg., 55, 549. — if^ Friedrich, ebd., 59, 4.58, — i" Linser, Deutsche Zeit- schrift f. Chirurgie, 51, 465. — « Roncali, ref. Bauragartens Jahresber. 1895. 584. — «< Müller, Deutsche Zeitschr. f Chirurgie, 47, 199. — ^'J Koller, ebd., 211. — 21 CoHN, Berlin, klin. Wochenschr., 1899, Nr. 19. — ^-^ ten Brink, Centralbl. f. Gynäkologie, 1898, 52. — ^f Ehp.ekdorfer. Wien. med. Wochenschr., 1895, Nr. 12/13. 24 Basch, Jahrb. f. Kinderheilkunde, Bd. 50. — 2"' Sestixi, Riform. med., 1890, Nr. 172/173. — -'(i Bergonzixi, ref. Baumgartens Jahresber., 1892, 556. — -' Afa- NASSiEFF, Centralbl. f. allg. Pathologie. VII, 456. — -'s Noetzel, Fortschr. d. Med., 1898, Nr. 5. — 21» Jürgelünas. Zieglers Beiträge z. path. Anat. u. allg. Pathologie, 29, Nr. 1. — 30 Helman, ref. Centr. f. Bakt.. I. Abt., 29. 65. 190J. — ^^i Preysino, ebd. — 32 Uhthoff, a ref. Baumgartens Jahresber., 1898, 852; b; Berl. klin. Wochenschr., 1895, Nr. 47. — :« Gelpke, Arb. a. d. bakteriol. Institut Karlsruhe, IL, 73. — 34 C. Fränkel, Ztschr. f. Hyg., 31, 221, 1899. — 3.j Schütte, Inaug.-Diss.. Güttingen 1895. — 30 Pröscher, Centralbl. f. prakt. Augenheilkunde. 23, :303. — 37 Bode, Inaug.-Diss., Tübingen 1899 Litteratur!). -- 3« Eyre, Arch. f. Augenheilkunde, 40, 146. — 3'i Remlingek, Inaug.-Diss., Gießen 189S. — 4o Braunschweig, Fortschr. d. Med., 1889, Nr. 24. — ^i Conte, ref. Baumgartena Jahresber., 1893. 609. — 42 Ribbert, Deutsche med. Wochenschr., 1887, 8. — 4s Deutsche Pest-Com- raission, Arb. a. d. Kaiserl. Gesundh., Bd. 16, 1899. — 44 Galtier, C. r. soc. biolog., 1890. — 4.-. RÖMER, Ztschr. f. Hyg., 32, Heft 2, 1899. — 4o G. Frank. Centr. f. Bakt, 4, Nr. 23/24, 1888.-47 Straus, ref. Baumgartens Jahresber., 1892, 119. — Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 145 4« LÖFi LER. Mitteil. a. d. Kaiserl. Gesundheitsamt, 1, 172. — « Stoekk, Wien, med, Wochenschr., \H9rt. Nr. 21 28. — ""' Pe.s & Guadenigo, ref. Baumgartens Jahresber ' 1895, 580. — 51 Moo.s. Virchows Archiv, 124, Nr. 3 (1891). — 52 Sticker, Münch! med. Wochenschr., 1897, Nr. 39/40; vergl. auch *'5. — 53 Auel, Zeitschr. f. Hyo- 21, 89, 1895. — 54 SiMEONi. Centr. f. Bakt., I. Abt., 27, 501. 1900. — 00 Wurtz & Lermoyez, Sem. medic, 1893, 44. — ^g Sanarelli, (Jentralbl. f. Bakt., I. Abt., 10, 25, 1891. — 57 Edjnger, Ber. d. Freiburg, naturf. Gesellsch., 1894. — 5« A. Müller, C. f. Bakt., I. 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Gynäkol, Bd. 5, 577 (1897). — i'« Walthard, Centralbl. f. Bakt.. I. Abt.. Bd. 17, 311. 1895. — W4 Straus, Sanchez Toledo, Ann. Pasteur. 1888. Nr. 8. — !"•' Caselli, Centralbl. f. Bakt.. 1. Abt., Bd. 25, Nr. 1. 1899. O. Latentes Vorkominen der pathogenen Bakterien im Organismus. — Selbstinfektion. Pathogene Bakterien können auf den äußeren und inneren Körper- oberflächen, sowie auch im Inneren der Organe vorhanden sein, ohne manifeste Krankheitserscheinungen auszulösen ; und zwar kann man drei Kategorieen solcher Fälle latenten Vorkommens unterscheiden: 1. Latentes Vorkommen in der liekouvaleszenz nach stattgehabter spezifischer Erkrankung ; 2. Latentes Vorkommen ohne alle pathologischen Veränderungen, im völlig normalen Organismus; 3. Latentes Vorkommen mit gleichzeitigen sehr geringfügigen krank- haften Erscheinungen, die jedoch zu der spezifischen Bedeutung des Handbucli di'V patliogenen Miki'oorganismen. I. 10 146 E. Gotschlich, bctreffendeu KranklieitseiTCg-eri? in gar keinem Verliältnis stehen: hier- her gehören anch die Fälle lang dauernder latenter Existenz von Krank- heitsherden im Initialstadium mancher Infektionskrankheiten. Die Abgrenzung zwischen den beiden letzten Fällen ist keine scharfe, und können dieselben daher gemeinsam besprochen werden. — In allen drei Kategorien von Fällen ist das latente Vorkommen vollvirulenter Krankheitserreger bei scheinbar ganz gesunden Personen von größter Bedeutung für die Verbreitung von Infektionskrankheiten, da diese Quelle der Ansteckung sich oft jeder Kontrolle entzieht. Aber nicht nur für andere Personen, — auch für den eigenen Organismus, in dem die betreffenden Keime eine Zeitlang ein durchaus friedliches saprophyti- sches Dasein geführt haben, können dieselben unter gewissen Be- dingungen gefährlich werden und, oft plötzlich und scheinbar ganz ohne Veranlassung, die spezifische Infektion in aller ihrer Schw^ere ent- stehen lassen; man spricht dann in der ersten Kategorie von Fällen, wo der Patient die betreifende Infektion vor einiger Zeit schon durch- gemacht hat, von Recidiv; in den letzteren beiden Kategorieen von Fällen, wo vorher gar keine oder doch nur ganz minimale unbeachtete pathologische Veränderungen vorhanden w^aren, von Autoinfektion (Selbstinfektion). I. Während der Kekonvaleszenz können bei einer Reihe von Infektionskrankheiten die spezifischen Erreger oft viele Wochen und Monate in völlig lebensfähigem virulenten Zustand im Organismus vor- handen sein. So können die durchaus normal erscheinenden, geformten Faeces von Cholerarekonvaleszenten noch lange nach völliger Ge- nesung (nach KoLLE ^ bis zu 48 Tagen) virulente Cholerabazillen ent- halten; der Harn mancher Typhus rekonvaleszenten enthält massenhafte Typhusbazillen bis zu zwei Monaten nach der Genesung (Petruscnky u. a. ; vgl. später S. 162); vgl. ferner die Angaben von Houston 2 über eine drei Jahre hindurch bestandene, durch Typhusbazillen verursachte Cystitis, HübenerS über einen Fall von Osteomyelitis durch Typhus- bazillen, 41/2 Jahre nach überstandenem Typhus, und endlich gar den Fall von Droba^, in dem 17 Jahre nach überstandenem Typhus in der Galle und im Innern von Gallensteinen echte Typhusbazillen nachge- wiesen sind. Im durchaus normal aussehenden Sputum von geheilten Fällen von Pestpneunionie sah Gotschlich^ den Pestbacillus bis zu 76 Tagen, Metin'* nur bis zu zehn Tagen erhalten bleiben; in Sputum und Speichel von Personen, die kruppöse Pneumonie durchgemacht haben, konnte Netter ^ den FRÄNKELSchen Diplococcus in 60^ der Fälle nachweisen, und noch nach einem Zeitraum von drei Jahren (wobei merkwürdigerweise die in der ersten Zeit der Rekonvaleszenz stark ver- minderte Virulenz später wieder sich als vollkommen hergestellt erwies!); Influenzabazillen halten sich bis zu einem Jahre nach der Genesung im Sputum (Fixkler**); Diphtheriebazillen wurden von einer ganzen Reihe voö Autoren wochen- und monatelang auf der Mund- und Nasen- schleimhaut (sowie in den Nebenhöhlen der Nase) bei Genesenen nach- gewiesen, einmal sogar bis zu l^j^ Monaten (Schäfer'']; betretfend an- dere Angaben vgl. Gladin^o^ Wolff^i, Russell 12^ Mac Gregor i'. Auch manche Formen von Conjunctivitis (durch den Koch-Weeks- schen Bacillus hervorgerufen) können einen sehr chronischen Verlauf annehmen, und so die virulenten Erreger im Konjunktivalsack scheinbar völlig gesunder Personen vorhanden sein (Weichselbaum & Müller i^^ Hoffmann ^^]. Ueber die eminente praktische Bedeutung der latenten Allgemeine Morphologie und Biologie n. s. w. 147 cliroiiisdien Gonorrhoe vg-l. im speziellen Teil flid. II). Naeh AVund- infektionskranklieiten können sich die Eiterkdkkeu insbesondere leicht in Lymphdrüsen, Narbengewebe und versteckten kleinsten Abzessen erhalten (nach Sgiixitzler i'' im Narbeng-ewebe bis zu einem Jahre, in latenten Knochenherden bis 1^ ■> J2 Seitz, Zt?chr. f. Hyg., 30, 47, 1899. — f» Rethi, Wien. klin. Rund- schau, 1900, 509. — <^ Breitung, ref. Centr. f. Bakt., I. Abt., 29, 953, 1901. — , Tkatchenko^ö). Bei Unter- suchung menschlicher Galle fanden Fränkel & Krause -^^ nur 20^ der Proben keimhaltig; bei Cholera und Typhus waren die spezifischen Erreger häufig nachweisbar (bei Typhus nach Schebrow-^- nur in h% der Fälle!], bei Tuberkulose in etwa der Hälfte der Fälle. Chole- lithiasis und Peritonitis, sowie die Coccidiose des Kaninchens, begün- stigen den Uebertritt in die Galle. — Durch die Darmschleimhaut findet ebenso wenig wie durch die Niere eine physiologische Ausscheidung von ins Blut injizierten Bakte- rien statt (Wyssokowitsch2), wohl aber, wenn es sich um Bakterien handelt, die den besonderen Verhältnissen der Darmschlcimhaut innig angepasst sind und auf dieselbe eine pathogene Wirkung auszuüben vermögen (Koliarten). Insbesondere ist letzteres der Fall beim Cholera- vibrio; es ist bei genauer Auswahl der Dosierung möglich, Meerschwein- chen durch intravenöse Injektion von Choleravibriouen zu töten, ohne dass im Blut eine Vermehrung der Cholerabazillen hätte stattfinden können, während im Darm reichlicher Vibrionenbefund konstatiert wird (IssAEFF &Kolle3'). Auch Milzbrandbazillen, Pneumokokken und Büfifel- seuchebakterien treten aus dem Blut durch die Darmschleimhaut hindurch (Berxabei27). — Durch die Speicheldrüsen wird das Virus der Hunds- wut in reichlichster Menge ausgeschieden; ferner beobachtete Brunner -^^ den Durchtritt von Prodigiosus; durchaus negative Resultate ergaben die Versuche von Calvello^s ^nd Biedl & Kraus-^" (letztere an der Sub- maxillaris des Hundes mit Staphylokokken, Pyocyaneus und Prodigiosus) Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 163 Auch durch die Thrüiiendrilse findet keine Ausscheidung* patho- gener Keime statt (Biedl & Kraus'''^, de Bono & FriscO'^";; das gleiche negative Resultat betretts der im Blute kreisenden pathogenen Keime gilt auch für Conjunctiva, Nasen-, Rachen- und Tracheal- schleimhaut (Biedl & Kraus^'^J. — Ueber die Sterilität der Exspi- rationsluft vgl. unten. Ausscheidung der spezifischen Erreger durch den Schweiß will SüDAKOFF^T zuweilen bei Typhus und Erysipel beobachtet haben. Im übrigen lauten die Befunde bei allen Infektionskrankheiten negativ. Im Tierversuch konnte Bruxxer-^^ Ausscheidung der in die Blutbaliu injizierten Milzbrand- und Prodigiosusbakterien durch den Schweiß beobachten, wenn durch künstliche Mittel (Pilocarpin, Nervenreizungj außerordentlich starke Schweißsekretion hervorgerufen wurde; vgl. jedoch die negativen Befunde von Krikliwy^s. — Die von mehreren Seiten berichteten Befunde von Eiterkokken im Schweiß (Brunxer-'^. V. Eiselsberg39, Tizzoni^", f. Gärtner^!) sind deshalb nicht ein- wandsfrei, weil die Eiterkokken sehr wahrscheinlich von der Haut stammten (auf der sie ja fast regelmäßig gefunden werden!) und von der Hautobertläche leicht ins Innere der Schweißdrüsen eingewandert sein konnten. In derselben Weise zu beurteilen sind die von zahlreichen Autoren (CoHN & Neumann^^^ Honigmaxn ^'^j Ringel^^, Palleske^', Charrin^'', RoEPER-*^, Köstlin-*'^, Triscei^'^) erhobeneu Befunde von Eiterkokken (meist Staphylococc. pyog. albus) in der Frauenmilch, selbst völlig ge- sunder, nicht-fiebernder Wöchnerinnen; diese Kokken stammen von der Umgebung der Mammilla (Warzenhof) und sind durch die Milch- gänge ins Innere der Drüse eingewandert. — Daneben findet aber auch bei gewissen Arten unzweifelhaft ein Uebertritt von im Blut befindlichen pathogenen Keimen in die Milch statt; insbesondere ist dies für den Tuberkelbacillus durch sehr zahlreiche Versuche an Rindern (vergl. später), selbst bei ganz geringfügiger, nur durch Tuberkulinprobe nach- weisbarer tuberkulöser Affektion nachgewiesen; auch in Frauenmilch (Fall fortgeschrittener Phthise!) sind einmal T-B mit Sicherheit beob- achtet (Roger & Garxier^"). Ob eine pathogene x\.rt durch die Milchdrüse hindurchzutreten vermag, stellt eine ganz spezifische Eigen- art der betreffenden Art dar: bei säugenden Meerschweinchen konnten Basch & Welemixski''^ feststellen, dass nur solche Bakterien das sezernierende Epithel zu durchbrechen vermögen, die hämorrhagische Herde setzen, als der Bac. pyocyaneus und der Bac. morbificans bovis Basexau •^■■^, während z. B. bei Milzbrandinfektion die Milch stets steril blieb: bei Mischinfektionen mit einer hämorrhagische Infektion ver- ursachenden Art werden aber auch die Milzbrandbazilleu ausgeschieden; an den hämorrhagischen Herden ist dann das Epithel offenbar durch- gängig. Positive Befunde betreffs Ausscheidung durch die Milch er- hielten ferner, betreffs Bakterien von Fleischvergiftungen, Basexau^-, sowie Gaffky & Paak^^^ — betreffs Pneumokokken FoÄ & Bor- doni-Uffreduzzi^i und Bozzolo •^•''. Die alte Vorstellung, dass durch örtliche Eiteruugsprozesse der Haut die im Blute kreisenden Krankheitsstoffe eliminiert werden (Haar- seil!), ist irrig (Czarxecki •^'^) : nicht-pathogene Keime treten über- haupt nicht durch, pathogene erst in der Agone und auch dann nur spärlich. 11* 164 E. Gotschlich, Litterjitur. 1 BiTTEK, Report of the Egyptian Coiumission sent at Bombay to study plague, Cairo 1897. — - Wyssokowitsch, Zeitschr. f. Hyg., 1, 1. 1S86 . — 3 Opitz, ebd., 29, Ö05. 1898.— 4 BiEDL & Kraus, a Arcb. f. exper. Path. 37, 1.; b] Centr. f. inn. .Aled. 189(», Nr. 29; c) Ztschr. f. Hyg.. 26. 253. 1897. — •' v. Klecki, Arcb. f. exper. Patb., 1897, S. 137. — c Fütterer. Berl. klin. Wocbenscbr., 1899, Nr. 3. — " Paw- LOWSKY, Ztscbr. f. Hyg., 33, Heft 2, 1900. — '^ Kossowsky, Inaug.-Diss., Petersburg 1897. — •' Shkrrik'gton, Jnurn. of patbol. and bacteriol. , 1893. — i" Engel, Deutscb. Arcb. f. klin. Med., 56, 141. — '■'■ Loxgard, ref. 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B. die Bazillen des Tetanus und des malignen Oedems, die sich in fast jeder Probe ge- Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 165 düngter Erde finden und nur relativ selten auf den Menschen übertragen werden; so auch alle jene Bakterien, die erst in großen Mengen, und dann nur roin toxische Wirkung äußern, z. B. die peptonisierenden Bakterien der Kuhmilch. 2. Echte Infektionserreger führen, unter gewissen besonders be- günstigenden äußeren Umständen, ein fakultativ-saprophytisches Dasein in gewissen Medien der Außenwelt, in denen sie sich dann in größter Menge finden und endemisches Herrschen der Seuche bedingen. So wuchert z. 15. der Choleravibrio in den endemischen Herden der (jiangesniederungen often- bar in üppiger Weise im Flußwasser, wo durch eine außerordentlich starke Verunreinigung mit suspendierten Bestandteilen (Ptlanzenreste und dergl.j. sowie durch die hohe Außentemperatur trefl'liche Bedingungen für sein Ge- deihen geschaflen sind. In ähnlicher Weise ist das endemische Vorkommen von Milzbrand auf gewissen Weiden zu erklären. 3. Obligate parasitische Bakterien, die zwar ihren Lebens- bedingungen (Temperatur, Ernährung) nach nie in den verschiedenen Medien der unbelebten Natur zu wuchern vermögen, können aber im Zustand latenten Lebens längere Zeit intakt konserviert werden. Solche Infektionserreger (Diphtherie, akute Exantheme gelangen in die Außenwelt mit den infek- tiösen Ausscheidungen erkrankter Personen; insbesondere werden, sowohl was die Dauer als auch das Uubemerktbleiben der Verstreuung infektiösen Materials anlaugt, die sog. »latenten Fälle« der betr. Infektionskrankheiten eine bedeutsame Rolle spielen. Vgl. über beide letzteren Punkte oben. 4. Herkunft aus dem Tierkörper: wiederum in prinzipiell sehr ver- schiedener Weise denkbar: a) Die betr. Tiere sind sell)st erkrankt, und die Infektion kann sowohl den Menschen als gewisse Tiergattungeu befallen. Hier ist die gelegentliche Uebertragung der Zoonosen Kotz und Milzbrand auf den Menschen, die Uebertragung bösartiger Pneumonien (Psittacosis) seitens erkrankter Papageien (Leichtex8tern';, sowie die neuerdings so aktuelle Pestverschleppung durch die pesterkrankteu Katten zu nennen. Betr. aller Details vgl. speziellen Teil. da die Verhältnisse in jedem einzelnen Falle besonders und verschieden sich gestalten. b) Die Tiere sind nicht selbst erkrankt, sondern dienen nur als Zwischen- träger; insbesondere kommen hierfür Insekten in Betracht (wozu vgl. die zusammenfassende Uebersicht von Kuttall i', sowie Angaben bei Tictix'-. Slm()Nd3, Ogata-i, Galli-Valerios, Mühlixg"), sei es, dass l)ei denselben das infektiöse Material äußerlich an ihrem Körper haftet und durch zufällige Berührungen auf andere Substrate übertragen wird (z. B. Infektion von Nahrungsmitteln durch Fliegen, die vorher auf Choleradejekten gesessen haben) — sei es, dass stechende Insekten die Krankheitserreger ans dem Blute eines infizierten Menschen oder Tieres in sich aufgesogen haben und in ihrem Körperinnern eine Zeitlang lebend erhalten, wobei dann dasselbe stechende Insekt, wenn es an einem anderen Individuum Blut saugt und während dessen auf der Haut sitzend zerquetscht wird, in die Wunde acci- dentell Infektionserreger hinein gelangen lassen kann (Recurrens -Verbreitung durch Flöhe und Wanzen). c) Die die Uebertragung vermittelnden Tiere dienen dem Infektionserreger als Zwischenwirt; d. h. unter natürlichen Verhältnissen verlässt der In- fektionserreger den ursprünglich befallenen Organismus nicht in infektions- tüchtigem Zustande; der Krankheitskeim muss, bevor er wieder auf den Menschen übergehen kann, erst ein ektogenes Stadium durchmachen. Bei 166 E. Gotscblich, Bakterien kommt ein solcher Fortpflanznngsmodus, nach den heutigen Kennt- nisseh, nicht vor; die Ansicht, dass Typhus und Cholerakeime ein solches ektogenes Stadium im Boden durchmachen müssen, ist definitiv widerlegt (vgl. Kap. »Boden«). Beispiele hierfür finden sich bei Protozoen -Infektionen, so beim Malaria-Plasmodium, wo gewisse Müekenarteu (Auopheles) den Zwischen- wirt darstellen, ferner bei dem Texasfieber, avo Zecken eine ähnliche Piolle spielen u. s. w. 5. Auch eine Uebertragung von Pflanzen aus kann vorkommen: ab- gesehen von Fällen accidenteller Verunreinigung (z. B. von Futter durch Milz- brand) ist das einzig sicher nachgewiesene Beispiel die Infektion mit Actino- myces von Getreideähren aus. Endlich wird auch berichtet, dass ein und dasselbe Bakterium gleichzeitig eine Pflanzen- und eine Tierkrankheit hervor- rufen könne, letztere durch Fütterung mit den erkrankten Pflanzen entstanden. ^>Corn stalke disease« Billings'^.) Litteratur. 1 Leichtenstern, Centralbl. f. allg. Gesnndheitspfl. , XVIII, Nr. 7 u. 8. — i^ NüTTALL, Hyg. Rundschau, 1899, 209, 275, 393, 503. G06; Centralbl. f. Bakt, I. Abt.. 22. 87, Ib97; eod., 23, 625, 1898. — -' Ticxix, Centr. f. Bakt., I. Abt., Bd. 21, 179, 1897. — 4 Ogata, ebd., 21, 769. — 3 Simond, Ann. Pasteur, 1898, Nr. 10. — s Galli-Valerio, Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 27, 1, 1900. — '> Mühling, ebd., Bd. 25, 703, 1899. — ' Billings, ref. Baumgartens Jahresber., 1889, 184; 1893, 140. R. Die Luft in ihrer Bedeutung als Infektionsträger. Die Bedingungen des Zustandekommens der Luftiufektiou und ihre Bedeutung für die Verbreitung von Infektionskrankheiten sind erst in deu letzten Jahren durch die grundlegenden Arbeiten Flügges i und seiner Schüler (Stern 2^ Hamburger 3, M. Neisser^, Laschtschenko •'>, Heymann 6, Sticher ^, Beninde^, Bartenstein '■^j völlig klargestellt worden. Während man früher immer nur an eine Uebertragungsmög- lichkeit durch trockene Stäubchen dachte, zeigte Flügge, dass ein zweiter, nicht minder wichtiger Infektionsmodus durch feinste Tröpf- chen (oder Bläschen) stattfindet, der dem ersteren an praktischer Bedeutung mindestens ebenbürtig ist, der nher bisher fast gänzlich un- bekannt geblieben war. Gelegentliche Beobachtungen und Hinweise auf die Verspritzung durch feinste Tröpfchen finden sich schon bei Buchner Jo, Walther ^^ und Johne ^i, ohne dass jedoch die prinzipielle Bedeutung dieser Thatsache für die Verbreitung der Infektionskrank- heiten gewürdigt worden wäre. I. Stäubcheiiiiifektioii. Die erste Bedingung zum Zustandekommen der Uebertragung einer ansteckenden Krankheit durch Stäubchen ist, dass der betreuende Erreger eine so vollständige Austrocknung erträgt, um an feinstem trockenen Staub anhaftend, durch Luftströmungen transportiert werden zu können. Die bloße Feststellung der Thatsache, dass ein pathogenes Bakterium die Austrocknung an irgend welchem Substrat, und sei es selbst an lufttrockenem Staub, verträgt und dabei längere Zeit lebensfähig Ideibt, — genügt für sich allein noch keines- wegs, um die Möglichkeit einer Uebertragung dieses Keimes in Form trockener Stäubchen durch die Luft zu beweisen; es muss hierzu un- bedingt das weitere Kriterium hinzukommen, dass der so hergestellte Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 167 infizierte Staub auch wirklich verstäuhl)ar ist, cl. h. durch Luft- ströme, wie sie für die ])raktischen Verhältnisse in Betracht kommen, eine Strecke weit, seiner Schwere entgegen, transjiortiert werden kann (M. Nelssek^). Wird dieses letztere Kriterium der Yerstäubbarkeit außer Acht gelassen, so verliert man dadurch zugleich jede präzise Fassung des Begritfes »Austrocknung«. Man muss sich eben vergegen- wärtigen, dass die Austrocknung ihrem Grade nach sehr verschieden sein kann; scheinbar trockener Staub kann immernoch sehr wechselnde Mengen hygroskopisch gebundener Feuchtigkeit enthalten: ja es kann, in etwas gröberen Staubpartikeln, und besonders bei rascher scharfer Trocknung im Exsiccator, die Obertläche des Stäubchens völlig lufttrocken werden und so eine feste undurchdringliche Kruste l)ilden, welche jede weitere Verdunstung aus dem inneren feuchten Kern desselben verhindert; in einem solchen »scheinbar trockenen« (Germano ^'-^j Staub können selbst emi»findlichere Keime lebensfähig l)leiben; aber solche Staul}partikeln sind dann eben zu schwer, um durch die Luft fortgetragen werden zu können, und kommen wohl für die Kontakt-, nicht aber für die Luftinfektion iu Betracht. Man kann sich eine Vorstellung von der in Fragen der Austrocknungs- versuche früher herrschenden Unsicherheit machen, wenn man die enormen Divergenzen der Versuchsresultate verschiedener Autoren über den gleichen pathogenen Mikroben betrachtet; um nur ein Beispiel anzuführen, existieren für die Lebensfähigkeit des Choleravibrio, bei Austrocknung unter verschiedenen Bedingungen. Angaben, die von wenigen Stunden bis zu 6 Monaten variieren; vollständige Litteraturübersicht bis 1898 und tabellarische Zusammenstellung der am Choleravibrio, Typhusbacillus, Diphtheriebacillns und Pestbacillus ge- Avonneuen Resultate vgl. bei Fjcker'-^. Dieser Autor ermittelte systematisch die Bedingungen der Resistenz gegen Austroeknuug: Von grcißter Bedeutung erwies sich die Dicke der auszutrocknenden Schicht; je dünner dieselbe, desto rascher erfolgt das Absterben. Beschleunigte Trocknung im Exsiccator be- Avirkte nur in dünner Schicht ein schnelleres Absterben; im Innern dickerer Schichten hingegen fand eine längere Konservierung statt, als bei Trocknen an freier Luft. Das Absterben der Keime erfolgt bei Brüttemperatur schneller als bei niedrigeren Graden, in bewegter Luft schneller als in ruhender; alte und abgeschwächte Kulturen sind weniger widerstandsfähig als junge und hochvirulente. Benetzung der in Austrocknung begriflenen Keime Avirkt ganz besonders deletär. Kehren Avir nun, nach Kenntnis der Bedingungen der Resistenz gegen Austrocknen, (die für das Verständnis der iu der Katur sich ab- spielenden Vorgänge von Interesse sind), Avieder zu der Haui)tfrage zurück, Avelche pathogenen Keime einen solchen Grad der Austroeknuug vertragen, dass sie durch die Luft verstäubbar sind! Für einige patho- gene Keime, z. B. den Gouococcus und den Influenzabacillus. ist schon durch die älteren Versuche erwiesen, dass sie, selbst unter günstigsten Bedingungen und bei nur sehr unA'ollständiger Antrocknung. keinerlei Widerstand zu leisten vermögen; diese beiden IMikroben kom- men daher weder für die Luftinfektion, noch auch für Kontaktintektiou im trockenen Zustand in Betracht. Auch A(mi Chideravibrio ist seit den ersten Versuchen bekannt, dass er eiue einigermaßen Aollstäudige Austrocknung nicht verträgt: doch behauptete Uffel:\iann i^ dass ein- zelne Exemplare den Trocknungsprozess 1—3 Tage überdauern, und wies Hessens nach, dass die beim Heiben (seit einem Tage) getrock- 168 E. Gotschlich, neter cholerainfizierter Wüsche herahfallendeii Partikelchen noch lebende entwicklung'sfähig-e Cholerabazillen enthalten können. Beide Versuche beweisen aber nur die Möglichkeit einer Kontaktinfektion mit schein- bar trockenem cholerainfizierten Material (vgl. auch weiter unten über die lange Lebensdauer auf Klcidungsstofifen); im Sinne der Luftinfektion sind sie deshall) nicht verweud])ar, weil keine Aufwärtsbewegung und keine Verstäubbarkeit nachgewiesen ist. Auf letzteren Punkt speziell gerichtete Versuche von Williams i^' (bestätigt von M. Neissek^; er- gaben ein völlig negatives Ergebnis; bei Autrockuung von Staub er- wiesen sich die Cholerabazillen (mit Ausnahme eines verschwindend kleinen Bruchteils, der an den gröberen, nicht verstäubbaren Staul)- teilen haftete) stets als abgetötet; gar eine Aufwärtsl)ewegung durch die Luft fand niemals statt. Das gleiche gilt für den Pestbacillus (M. Nelsser^j. Auch Cholera und Pest scheiden also aus der Reihe der durch trockene Luftstäubchen übertragbaren Krankheiten aus. — Was nun die übrigen, sogleich zu besprechenden, pathogenen Arten an- geht, die in Gestalt lufttrockenen Staubes ihre Lebensfähigkeit be- wahren können, so muss man sich vor allem darüber einig werden, welche Luftstromstärken für die Verstäubbarkeit solchen Materials ])raktisch in Berücksichtigung zu ziehen sind. Offenbar können für das regelmäßige Vorkommen dieses Infektiousmodus nur diejenigen Luftströme in Betracht kommen, wie sie im Linern der AVohnungen*] stets vorhanden sind (M. Neisser); solche Luftströme, denen der Zimmerstaub Schweben und Trausport verdankt, haben nach Flügge^' im geschlossenen Zimmer meist nur 1 — 4 mm Geschwindigkeit pro Sekunde. Nur solche infizierte trockene Stäubchen, die schon durch so geringe Luftstromgeschwindigkeiten über eine erhebliche Strecke aufwärts getragen werden können, sind offenbar befähigt, dauernd in der Zimmeiinft zu schweben und demnach eine dauernde Gefahr der Luftinfektion zu bedingen: M. Neisser sieht als Grenzwert denjenigen Grad der Verstäubbarkeit an, bei welchem die infizierten Stäubchen durch einen Luftstrom von 1 cm Geschwindigkeit um 80 cm gehoben werden. Dieser Forderung entsprechen nach M. Neissers^ Versuchen folgende pathogene Arten mit folgenden Grenzwerten: Pyocyaueus (4,1 mm), Milzbrandsporen (1,8 mm), Staphylococcus pyogenes aureus (3 mm), Meningococcus (3 mm), Tuberkelbacillus (3 mm). Daneben sind nun noch einige Arten zu nennen, die erst bei Anwendung stärkerer Luftströme, als dem M. NEissER^schen Grenzwert entspricht, Aer- stiiubbar sind; hierher gehört zunächst der T3'phusbacilhis, der mit Luft- strömen von 1,7 cm eine Strecke von 80 cm aufwärts getrieben wird, — während zu einem Auftrieb des gleichen Bacillus um nur 15 cm die Geschwindigkeit von 1,6 mm per Sekunde genügt: ferner der Diphtheriebacillus, für den M. Neisser eine Verstaubung (um 80 cm aufwärts) erst durch Luftströme von 19,7 cm Geschwindigkeit feststellen konnte. Es erscheint gewagt, mit M. Nkisser aus diesen Versuchen den Schluss zu ziehen, die genannten beiden Bakterien als »nicht verstäubbar« zu bezeichnen; auch bemerkt M. Neisser selbst, dass der Typhusbacillus hart an der Grenze der Verstäubbarkeit stehe. Dieser Grenzwert selbst, so getreu er auch die in der Wolmungsluft durch- schnittlich herrschenden Verhältnisse wiedergiebt, ist aber nun doch unleugbar, *) lieber die Gründe, weshalb die so viel stärkeren Luftströme, wie sie im Freien vorkommen, für diese Fragen nicht in Betracht kommen können, vgl. später. Allgemeine Morphologie und r>iologie n. s. w. IC.») und wie es j:i auch in der Natur der Sache unvermeidlich liegt, mehr oder minder willkürlich; insbesondere gilt dies von dem Maß der Aufwärtsbewegung, welches auf 80 cm normiert Avar, während doch über kürzere Strecken ein Auftrieb schon durch viel schwächere Ströme stattfindet. Stärkere Luftströme, von 20 cm und darüber, kommen aber in der Wohnungsluft oft genug vor, nicht nur beim Oeft'nen von Thüren oder Fenstern, sondern auch in der Nähe hantierender oder gehender Personen; gar in ärmlichen Hütten mit schlecht schließenden Fenstern und Thüren, ferner vor allem in Treppenhäusern, in denen oft, durch die Heizwirkung bei kaltem Wetter, ein ziemlicli erheblicher Auftrieb stattfindet und wc» die Infektionsgelegenheit nur allzu häufig gegeben ist (Teppichklopfen u. s. w.). Man wird einwenden, dass in diesen Fällen die Luftinfektion von der Kontaktinfektion nicht mehr zu trennen ist und dass der letztere Ansteckungsmodus unter diesen Bedingungen ungleich wahrschein- licher ist als die Uebertragung durch Luft. Dieser Einwand ist auch völlig zutreffend für alle Personen, die längere Zeit in solchen Räumen weilen; aber für Personen, die nur vorübergehend in solche gefährdete Räume gelangen und dabei vielleicht in Kenntnis der Gefahr jeden Kontakt peinlich vermeiden. ist die Möglichkeit der Luftinfektion doch nicht von der Hand zu weisen. Wir glauben allen diesen Verhältnissen gerecht zu werden, indem wir folgende Einteilung aufstellen: a) Krankheitserreger, die an lufttrockenem Staub nicht lebensfähig sind und daher nie durch trockene Luftstäubchen verbreitet werden können (Cholera, Pest, Influenza, Gonorrhoe): b) Krankheitserreger, verstäubbar über weite Strecken durch so schwache Luftströme, wie sie regelmäßig in Wohnungen vorkommen, und die daher, einmal in der Luft schv^^ebend, sich lange darin erhalten und leicht zu einer Infektion durch trockene Stäubchen fuhren können (Pyocyaneus, Eiterkokken, Meuingococcus, Milzbrandsporen, Tuberkel- Ibacillus). Auch der Tetauusbacillus dürfte nach den Verstäubungsver- suchen von Schwarz i" hierher gehören: c) Krankheitserreger, die zwar gegen Austrockuung sehr resistent sind, aber nur durch stärkere Luftströme, wie sie nur ausnahmsweise in Wohnungen vorkommen, verstäubbar sind, — bei denen also eine Ueber- tragung durch trockenen Luftstaub zwar möglich ist, aber nur selten erfolgen wird (Typhus und noch seltener Diphtherie). Schließlich dürfen einige Divergenzen in den Angaben der Autoren nicht verschwiegen werden: so erhielten betr. der Lebensfähigkeit des Typhusbacillus im lufttrockenen Staub GkumanoI^ ein negatives, Neisser^ ein positives Resultat; umgekehrt verhalten sich die Angaben dieser beiden Autoren betr. des Pneumococcus. Selbstverständlich sind negative Resultate gegenüber un- zweifelhaften positiven nicht beweisend ; die Differenzen erklären sich vielleicht aus individueUen Verschiedenheiten der Kulturstämme vgl. oben, Fickeu '•'. Nachdem nun festgestellt ist, welche pathogenen Bakterien über- haupt einer Verbreitung durch trockene Luftstäubchen fähig sind, er- hebt sich die weitere Frage, unter welchen Bedingungen die betr. Keime in die Luft in Form geeigneter Stäubchen gelangen und wie sie sich in der Luft verhalten. Die Krankheitserreger gelangen in die Außenwelt in und mit den krankhaften Sc- und Exkreten und trocknen dann mit diesen am Boden, an Kleidungsstücken und Gebrauchsgegen- ständen an. So lange die Eintrocknunü- nicht vollständig ist, können 170 E. Gotschlich. Keime in Form trockener Stäubclieu selbst dureli stärkste Luftstrüme (bis zu 60 m per Sekunde!], wie sie in der Natur gar nicht vorkommen, überhaupt nicht abgelöst werden (Nagelt i*^ Büchner^*'', Wernich i*^, Hamburger 3, Flügge i'). Uebereinstimmend hiermit fand Honsell^'^ dass Cholerabazillen aus Abortschachten nie durch Luftströme transpor- tiert werden können. Auch nach völliger Eintrocknung lösen Ströme von 5 m Geschwindigkeit von der intakten Oberfläche noch keine Keime ab: Ablösung tritt erst ein, wenn die eingetrocknete Fläche gleichzeitig durch mechanische Einwirkung aufgelockert wird; bei manchen Klei- dungsstoften gelingt das durch Reiben und Bürsten, bei anderen (Lein- wand) überhaupt nicht; von intakten Kleidungsstoffen lösen selbst Luft- ströme von 60 m Geschwindigkeit keine Keime ab. In den Wohnungen kommt es besonders beim trockenen Kehren zu starker mechanischer Ablösung und Aufwirbelung vorher angetrockneter und oft genug in- fizierter Stäubchen und Fäserchen. Lose aufgelagerter feinster Staub wird hingegen schon durch Luftströme von etwa 1 m Geschwindigkeit aufgewirbelt; auch an solchem feinsten Staub können vielleicht Krank- heitserreger haften, wenn sie vorher in Form feinster Tröpfchen (vgl. weiter unten) in der Luft vorhanden waren und beim Niederfallen an feinsten Stäubchen antrockneten; doch wird das im ganzen selten vor- kommen, da die niederfallenden Tröpfchen meist fest ankleben und dann nur durch energische mechanische Einwirkungen (Bürsten u. s. w.) abgelöst werden können. Aber auch bei solchem feinsten Material findet, selbst durch stärkste Luftströmungen (13 m per Sekunde] keine auch nur annähernd vollständige Ablösung der Keime statt, namentlich nicht von rauhen Flächen (Stern 2\ — gj^ Beweis, wie wertlos es ist, wenn infizierte Kleider behufs Desinfektion an die »frische Luft« ge- hängt werden, oder wenn der Arzt nach einem Besuch bei einem an- steckenden Krauken sich dadurch keimfrei machen will, dass er eine halbe Stunde »durch die Luft geht!« (Flügge;. Einmal aufgewirbelt, kann dann der keimhaltige Staub durch Luft- ströme von ganz überraschend geringer Geschwindigkeit (bis hinab zu 0,2 mm) fortbewegt werden (FLÜGGe^'') und verbreitet sich in völlig ge- schlossenem Zimmer, ohne jede künstliche Luftbewegung, bis in die ent- legensten Teile desselben. Stäubchen von solcher Leichtigkeit sind nicht etwa ausnehmend selten, sondern konnten von Flügge ^^ in jedem be- liebigen Zimmerstaub in großer Menge nachgewiesen werden. Die Dauer des Schwebens solchen feinsten Staubes beträgt über 4 Stunden; erst nach 8 Stunden setzen sie sich in völlig ruhiger Luft sämtlich zu Boden. Für gröberen Luftstaub, wie er das Gros des gewöhnlich in Wohnungen schwebenden Luftstaubs ausmacht, hatte Stern 2 früher im völlig ruhigen, geschlossenen Zimmer eine maximale Schwebedauer von nur 1 Y2 — 3 Std. ermittelt: von aufgewirbeltem Bodenstaub fielen schon in den ersten 5 Minuten wieder gegen 90 % zu Boden. Die Ventilation ist den gröberen Staubteilchen gegenüber völlig ohnmächtig, selbst bei stündlich 3 maliger Erneuerung der Zimmerluft, was das in praxi er- reichbare Maximum darstellt (bei intensiverer Ventilation macht sich bereits die Zugempfindung in lästiger Weise geltend); aber erst bei stündlich 7 maliger Erneuerung der Luft tritt eine deutliche Wirkung ein. Größer, aber auch keineswegs vollständig, ist die Wirkung der Ventilation gegenüber den oben genannten feinsten Stäubchen. Jeden- falls ist der reinigende, desinfektorische Effekt der Ventilation, auf den in gewissen Kreisen so viel AVert gelegt wird, in praxi nur gering an- Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 17 [ zusdilagen und bleibt stets uusiclicr, — besonders wenn man bedenkt, dass man in Krankenzimmern z. B. es nicbt mit einer einmaligen, son- dern meist mit einer langdauernden kontinuierlichen Produktion staub- förmigen infektiösen Materials zu thun bat. Inwieweit bei den einzelnen Infektionskrankheiten, insbesondere bei der Tuberkulose, die Luftinfektion durch trockene Stäubchen faktisch vorkommt, und welche Rolle dieser Uebertragungsmodus gegenüber anderen Verbreitungsarten (speziell der Tröpfcheninfektion) bildet, ist unter Paragraph III zu l)etrachten. IL Tröpfcheiiiiifektioii. Von Flüssigkeitsoberflächen werden Keime weder durch Verdunstung noch durch darüber streichende schwächere Luftströme (bis zu 4 m Geschwindigkeit) abgelöst (Flügge i'""), ein Er- gebnis, welches die früheren Angaben von Nägelii*^, Büchner i*'' und Weknich^'^ bestätigt, dagegen die Soykas^i widerlegt. Nur wenn Wellenbildung und Verspritzung der Flüssigkeit eintritt, oder wenn Luftbläschen durch die Flüssigkeit hiudurchtreten, oder w^enn durch Gärung Schaumbildung auf der Oberfläche stattfindet und die Blasen unter Verstreuung feinster Tröpfchen platzen, — nur dann tritt Ab- lösung der Keime ein. Sowohl bei ebenen Flüssigkeitsoberflächen, als auch bei unebenen durchtränkten Flächen (Sand- und Kiesboden, Kleider- stoffe, auf deren Oberfläche kleine Flüssigkeitsansammlungen vorhanden sind) beginnt die Ablösung bei Luftströmen von über 4 m Geschwindig- keit pro Sekunde (bei einem Einfallswinkel von 45°). In der freien Natur wird diese Keimablösung also sehr häufig vorkommen; aber auch in Wohnräumen kommt es bei jeder gröberen Hantierung mit Flüssig- keiten (Umgießen, Auftreffen eines Wasserstrahls. Scheuern der Zimmer, Hantieren mit nasser Wäsche) zu massenhafter Bildung feinster keim- haltiger Tröpfchen. Ganz besonders wichtig ist es aber, dass schon beim gewöhnlichen lauten Sprechen (und um so mehr beim Husten und Niesen) aus der keimhaltigen menschlichen Mundflüssigkeit gleichfalls zahlreiche keimhaltige Tröpfchen in die Luft übergehen (Flügge i''. Laschtschenko^); besonders leicht lässt sich das nachweisen, wenn die Versuchsperson Prodigiosus-Aufschwemmung in den Mund nimmt. wo daim die versprühten Keime auf Agarplattcu allenthalben im Ver- suchszimmer, bis aufwärts unter die Zimmerdecke und bis auf eine horizontale Entfernung von 9 m vor der hustenden Person nachgewiesen werden konnten. Die Versuche wurden von v. Esmakcii22^ Hübner--', v. Weissmayr2^ mit gleichem Resultate wiederholt; besonders bemerkens- wert ist, dass V. Weissmayr^^ und Koeniger^^ auch seitlich und selbst 2 m hinter der Versuchsperson zahlreiche versprühte Keime nachweisen konnten. Die näheren Bedingungen der Tröpfchenbilduug beim Sprechen u. s. Av. wurden von Koeniger studiert, teils nach der soeben beschrie- benen bakteriologischen Methode, teils auf chemischem AVege. durch »Besprechen« von Glasplatten mit einem Ueberzug von Phenolphthalein, nach Gurgelung mit schwacher Sodalösung. Es zeigte sich, in Bestäti- gung früherer Angaben von Gunning'^", Celli & Guarneri^^, Charrix Sc Karth2s, Lipari & Crisafulli2^=^, Cadeac & Malet 29, Straus="'. Grancher & de Genxes^*^, f. Müller •'2*), dass die Exspirationsluft * Die einzige positive Angabe von Sicard33, wonach Typhusbazilleu regel- mäßig in der Exspirationsluft von Typhuskranken vorkommen, beruht wohl auf fehlerhaften Versuchen; vgl. Kritik in Baumgartens Jahresber., 1892, 235. 172 E. Gotschlicli, stets steril ist: aucli he'i der Bildung von Vokalen werden keine Tröpf- chen versprüht, dagegen besonders stark hei der Bildung solcher Kon- sonanten, die durch Sprengung eines Verschlusses der Atmungsluft ent- stehen (k, t, p, f). Die Art und Schärfe der Aussprache hat daher viel mehr Bedeutung, als das lautere oder leisere Sprechen; selbst Flüster- sprache kann zahlreiche Tröpfchen liefern. Individuelle Differenzen und solche zwischen verschiedenen Sprachen und Dialekten sind hiernach 1)egreiflich. — Die ubi(]intäre Verbreitung der so gebildeten Tröpfchen in allen Teilen des Zimmers erklärt sich leicht, wenn man bedenkt, dass schon Luftströme von nur 0,1 mm Geschwindigkeit zu ihrem Trans- port ausreichen (Flügge ^^j und dass sie sich 5—6 Std. in der Luft schwebend zu erhalten vermögen ; analoge Resultate haben Kirstein -^^ und HüTCHiNSOX '•'' erhalten. Letzterer Autor konstatierte insbesondere die enorme Flugfähigkeit der Tröpfchen (bis ßOO m nachgewiesen!), so- wie ihr Eindringen an die entlegensten Orte und durch die feinsten Spalten (z. B. einer gewöhnlichen geschlossenen Thür). Dagegen fand, im Gegensatz zu diesen durch Spray künstlich hergestellten Tröpfchen, Koeniger25 für die beim Sprechen u. s. av. verspritzten Tröpfchen nur eine Schwebedauer von höchstens 1 Stunde; bei Verstäubung mucin- haltiger Flüssigkeiten (Speichel) werden offenbar nnr schwierig oder gar nicht so leichte Partikelchen gebildet, wie bei Versprühung wässe- riger Bakterienaufschwemmungen: auch einige Versuche Laschtschek- Kos^ (1. c. p. 132 f.) sprechen in diesem Sinne: Künstliche Verspritzung unverdünnten pneumonischen Sputums gelaug bisweilen überhaupt uiclit; andere Male waren die entstandenen Tröpfchen noch durch Luftströme von 8 — 10 mm nicht trans})ortierbar. Für die Schwebedauer der Tröpf- chen spielen außerdem der Wassergehalt der Luft und die Größe des betr. Bakteriums (Koeniger25^ Buchner, Megele & Rapp^") eine Rolle. Gegen den Einwand Wissemanns 3', dass so zarte Tröpfchen und Bläs- chen rasch verdunsten müssen und dann die eingeschlossenen Keime zu Boden fallen, bemerkt Flügge i'^ mit Recht, dass selbst nach der Ver- dunstung der Bacillus von einem Mantel aus verdichtetem AVasserdampf umhüllt bleibt, der wie ein Fallschirm wirkt und ihn solchergestalt lange schwebend erhält. — Von ganz besonderer praktischer AVichtig- keit sind die unter Flügges i'' Leitung von Laschtschenko-^ und Hey- mann ^ augestellten A'^ersuche über die Ausstreuung tuberkelbazillen- haltiger Tröpfchen durch hustende Phthisiker, wobei die A^er- suchsbedingungen genau den natürlichen A^erhältnissen entsprachen und insbesondere jede Mitwirkung feinster Stäubchen ausgeschaltet war. Es ergab sich, dass bis 40^ der untersuchten Phthisiker beim (durch- aus ungezwungenen) Husten tuberkelbazillenhaltige feinste Tröpfchen in die Luft versprühen und dass diese imstande sind, auf größere Ent- fernungen in den Inspirationsstrom von Meerschweinchen zu gelangen, von diesen Tieren eingeatmet zu werden und bei denselben typische Tuberkulose der Lungen und Bronchialdrüsen hervorzurufen. Der Mensch wird, infolge seines unvergleichlich mächtigeren Inspirations- stromes noch viel mehr einer solchen Tröpfcheninfektion ausgesetzt sein, teils weil durch die stärkere Aspiration die T-B viel leichter in seinen Inspirationsstrom gelangen, teils weil das Quantum der eingeatmeten Luft beim Menschen über 100 mal größer ist als beim Meerschweinchen, und die Infektionscuancen natürlich im gleichen A^erhältnis steigen. Die Ausstreuung tuberkelbazillenhaltiger Tröpfchen durch Phthisiker ist seit- dem von B. Fränkel''^, Engelmann ^9^ Weissmayr^^ (besonders beim Allgemeine Morphologie nucl Biologie u. s. w. 173 Ausspucken) und Möller ■•" bestätigt worden; letzterer Autor konnte nueli die Infektion angeliusteter Meerschweinchen bestätigen. Es sind keineswegs die schwer erkrankten bettlägerigen Patienten (die nur schwach und unter Schmerzen husten), durch welche eine besonders starke Ausstreuung infizierter Tröpfchen zustande konunt; vielmehr handelt es sich gerade um relativ kräftige ambulante Patienten, die ohne Mühe und reichlich husten; individuelle Difterenzen, verschiedener V>a- zillengehalt des Sputums bei verschiedenen Personen und zu verschie- denen Tageszeiten spielen gleichfalls eine Rolle; viele Phthisiker kom- men für die Tröpfcheninfektion überhaupt nicht in Betracht, während manche andere allerdings -zeitweise einen förmlichen Spraynebel in- fektiöser Partikel rings um sich verbreiten« (Heymann'"', S. 3()). Glück- licherweise sind die von Phthisikern ausgeschiedenen Partikeln unver- gleichlich viel größer und schwerer als die durch künstlichen Sprny erzeugten feinsten Tröpfchen, und ist daher auch ihre Flugfähigkeit eine nur begrenzte. Die kleinsten solcher von Phthisikern ausgehusteten Tröpfchen haben noch immer einen Durchmesser von 80 ^likromill. ; nie konnte Hey.^iann'' solche beobachten, die nur aus einem einzigen Ba- cillus mit Schleimmantel oder lediglich aus einer Zelle bestanden hätten ; es handelt sich vielmehr immer um ein Konglomerat mehrerer Zellen mit ziemlich regelmäßigem histologischen Bau; Eng'elmann '^'^ fand ein- mal sogar eine ganze Lungenalveole mit 8 T-B. Die räumliche Ver- teilung und die Dauer des Schwebens der ausgehusteten Tröpfchen sind dementsprechend ziemlich beschränkt; nur ausnahmsweise werden sie über 1 m Entfernung transportiert; immerhin fand Bartenstein '"^ noch in einer Entfernung von IY2 m und in einer Höhe von IV2 m vor dem Patienten einzelne T-B, mehrmals sogar ca. 30 cm hinter der Versuchs- person, (wo direktes Anhusten gänzlich ausgeschlossen): letzterer Be- fund auch von Enc4ELMann -^^ bestätigt. Zu einer längeren Schwebe- dauer sind die meisten der ausgehusteten Tröpfchen nicht befähigt; jedoch konstatierte Heymann zweimal eine Schwebedauer von 30 Mi- nuten; auch gelang es mehrmals (Heymann, Laschtsciienko), in der Luft des Versuchsraums (bei Aspiration mehrerer Hundert Liter) T-B nachzuweisen. Was endlich die liesistenz der T-]i nach dem Antrocknen der Tröpfchen anlangt , so beträgt dieselbe im Dunkeln l)is höchstens 18 Tage, im belichteten Raum nur 3 Tage. Einmal niedergefallen, werden die T-B- haltigen Tröpfchen (weil meist mit Schleim beladen) fast stets sehr fest ankleben (wovon man sich durch 01>jektträgerver- suche leicht überzeugen kann!); es werden daher in der Regel stärkere mechanische Einwirkungen dazu gehören, um dieses angetrocknete Material in Staubform zur Al^lösung zu Iningen; dass aus niedergefallenen und verdunsteten Tröpfchen direkt, ohne mechanische Einwirkung, flug- fähige Stäubchen entstehen, dürfte gerade beim Tuberkelbacillus kaum vorkommen. — Nach allem ergiebt sich, dass glücklicherweise die Ge- fahr der Tröpfcheninfektion räumlich und zeitlich ziemlich stark be- schränkt ist; eine wirkliche Gefahr besteht nur während der Phthisiker wirklich hustet und auch da nur bis auf eine Entfernung von 1 — 1^ 2 ^■ Wird das Taschentuch oder die Hand während des Hustenanfalls vor den Mund gehalten, so beschränkt sich die Ausstreuung fast völlig auf etwa 80 cm I^ntfernung nach vorn; Personen, die sich in Armlänge ent- fernt halten, sind also nicht gefährdet, wenigstens nicht l)ei nur zeit- weiligem Aufenthalt in der Nähe des Phthisikers; für dauerndes Zu- sammensein ist allerdings die Gefahr der Tröpfcheninfektion eine sehr 174 E. Gotschlich, große. — Von anderen Infektionskrankheiten ist nur noch die Lepra auf diesen Infektionsmodus geprüft worden: Schäffer^i fand, mittelst Objektträgerversucheu, dass Lepröse mit Schleimhautaifektionen der oberen Kespirationswege, (die nicht einmal hochgradig zu sein brauchen!) Tausende von Bazillen beim Sprechen, Husten u. s. w. auf weite Ent- fernungen verschleudern; allerdings erscheint es fraglich, ob diese Ba- zillen noch infektionstüchtig sind. III. Vergleich der Bedeutung der Stäuhcheii- und Tröpfcheninfektion für verschiedene Infektionsmethoden. Es ist ohne weiteres klar, dass die Tröpfcheninfektion eine viel universellere Bedeutung hat, indem in dieser Form alle Keime, selbst die zartesten und gegen Austrocknung empfindlichsten, die in Form von trockenen Stäubcheu überhaupt nicht bestehen können, übertragbar sind. Die Möglichkeit der Tröpfchen- infektion scheidet nur für solche Krankheiten aus, bei denen das Virus überhaupt nicht in geeigneter Form ausgeschieden wird (Gonorrhoe, Recurrens) ; selbstverständlich kommt eine Uebertragung durch Luft- stäubchen hierfür noch viel weniger in Betracht. Dagegen kann bei einer Reihe von Krankheiten Infektion durch Tröpfchen erfolgen, wo solche durch Stäubchen gänzlich ausgeschlossen; so insbesondere bei Influenza und Pestpneumonie, wo dieser Uebertragungsmodus geradezu die dominierende Rolle spielt; auch bei Cholera ist Tröpfcheninfektion denkbar, z. B. beim Hantieren mit infizierter Wäsche, in der Nähe von Mühlrädern in einem infizierten Flusse u. s. w. ; doch wird unter solchen Umständen jedenfalls die Kontaktinfektion ungleich höhere Chancen haben. Bei Diphtherie kommt Tröpfcheninfektion zweifellos vor (wenn auch hier jedenfalls direkter und indirekter Kontakt die größte Rolle spielen), während eine Uebertragung durch trockenen Staub, wenn über- haupt, so doch nur unter exzeptionellen Verhältnissen stattfinden wird. Für das Zustandekommen von Wundinfektionen im Operationssaal (wie sie trotz aller gegen Kontakt gerichteten anti- und aseptischen Maß- nahmen doch noch manchmal vorkommen) dürfte gleichfalls die Tröpfchen- infektion eine wichtigere Rolle spielen als die Uebertragung durch in- fizierten Luftstaub (Flügge); es ist ja richtig, dass in der Luft von Krankenzimmern und Operationsräumen schon wiederholt Eitererreger nachgewiesen sind (vgl. unten); doch wird, besonders in sorgfältig gehaltenen Anstalten, wo man jede Staubentwickelung peinlich ver- meidet, der Uebergang angetrockneten Eiters in flugfähiges Material nicht leicht vorkommen; desto mehr sind die vom Operateur und den Umstehenden beim Sprechen u. s. w. versprühten Tröpfchen zu fürchten, die oft genug Eitererreger enthalten werden, entsprechend den zahl- reichen Befunden dieser Mikroben in der Mundhöhle gesunder Personen! Bei der epidemischen Cerebrospiual-Meningitis mögen die Chancen für die Verbreitung des infektiösen Nasensekrets durch Tröpfchen oder durch Verstäuben etwa gleich sein. Was die Lungentuberkulose anlangt, so wird man sich, nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände, dahin entscheiden müssen, mit Flügge i'^ der Tröpfcheninfektion die wichtigere Rolle zuzuschreiben. Dies aus zwei Gründen: Es geschieht nämlich gar nicht so leicht, dass aus angetrocknetem, wegen seiner Klebrigkeit sehr fest haftendem Sputum flugfähige trockene Stäubchen abgelöst werden; nach Sticher^ gehört dazu, bei dem im Inneren von Wohnungen einzig in Betracht kommenden schwachen Luftströmen, vollständige Antrocknung des Sputums und dann noch das Eingreifen sehr brüsker mechanischer Allgemeine Morphologie und Biologie ii. s. w. 175 Momente; was speziell die früher als besonders gefährliche Quelle in- fizierter Stäubchen angeschuldigten TaschcntüchcT l)etrifft, so hat Beninde'^ nachgewiesen, dass Ablösung infizierter Stäubchen und Fäserchcn durch schwache LuftstriJme nur dann zustande kommt, wenn ein noch sehr wenig benutztes Taschentuch 1 — 2 Tage nachher unbenutzt in der Tasche getragen und nachträglich energisch gezerrt und gerieben wird (Be- dingungen, wie sie im praktischen Leben nur selten vorkommen). Deni entsprechend ist auch die Häufigkeit fiugfähiger trockener Stäubchen in Phthisikerräumen keineswegs so erheblich (Heymanx"'', Möller^"), wie man nach den ursprünglichen Untersuchungen Cornets anzunehmen geneigt war (vgl. unter Kap.: »Wohnung <). In Uebereinstimnmng mit diesen Schwierigkeiten, tuberkel-bazillen-haltiges Material in feinste flugfähige Stäubchen zu verwandeln, steht die Thatsache, dass künstliche Infektionsversuche mit Inhalation bei Meerschweinchen zwar regelmäßig mit feuchtem, fein versprühtem Material gelangen, während die Be- mühungen, dasselbe Resultat mit trockenem Staub zu erzielen, bis zu den in erst neuester Zeit gelungenen Versuchen Cornets^- und Stichers" erfolglos blieben. — Von Krankheiten, bei denen die Uebertragung durch trockene Stäub- chen die wichtigere Rolle spielt als die Tröpfcheninfektion, sind zunächst die akuten Exantheme (Masern, Scharlach) zu nennen; auch hierbei kann im Beginn der Krankheit durch die katarrhalischen Sekrete der oberen Respirationswege Ausstreuung infizierter Tröpfchen erfolgen; in viel größerem Maßstabe aber und während der ganzen Dauer der Rekon- valeszenz findet Bildung trockenen fiugfähigen Materials durch Abstoßen der Epidermisschüppchen statt, in denen sich überdies die Erreger sehr lange (wahrscheinlich Jahre lang) lebensfähig erhalten. Ferner ist die »Hadernkrankheit« zu nennen, die ausschließlich durch Inhalation trocken verstäubter Milzbraudsporen entsteht. — Auch beim Abdominaltyphus wird eine Luftinfektion eher durch trockenes als durch feuchtes Material zustande kommen; Tröpfchenbildung ist zwar hier wie bei Cholera seitens verseuchten Wassers denkbar, mehr noch seitens des (oft sehr bazillen- reichen) Harns; gegenüber diesen künstlich konstruierten Möglichkeiten wird hingegen Infektion durch angetrocknetes und nachträglich ver- stäubtes Material überall da zu fürchten sein, wo der Fußboden in Wohnungen oder selbst auch die oberflächlichsten Bodenschichten im Freien mit Typhusdejekten und -harn beschmutzt werden: selbst- verständlich hat in diesen Fällen die Kontaktinfektiou allerdings noch größere Chancen. — In einer einzigen Beziehung ist endlicli die Stäubcheniufektion der Ueber- tragung durch Verspritzung feuchter Elemente bei allen Krankheiten überlegen, bei denen überhaupt beide Infektionsmodi konkurrieren können, nämlich in Bezug auf die Zeitdauer, Avährend der, vom Augenblick der Entstehung des infektiiisen Materials gerechnet, noch eine neue Ansteckung zu fürchten ist. Die Tröpfchen- infektion ist zeitlich außerordentlich beschränkt: im höchsten Falle, selbst wenn wir die künstlichen Sprayversuche direkt auf die Praxis übertragen wollen, wie dies bei Influenza der Kleinheit des Erregers wegen wahrscheinlich angängig, existieren infektiöse Tröpfchen in der Luft bis 5 Stunden, nachdem der Kranke den betr. Raum verlassen; bei Tuberkulose gar nur etwa 30 Minuten; später ist, falls nicht durch erneute Anwesenheit des Kranken frisches Infektions- material produziert wurde, die Luft als dauernd frei von infektiösen Trr»pfchen anzusehen. Ganz anders bei Bildung infizierten flugfähigen Staubes; hier ist 176 E. Gotschlich, längere Zeit (bei Tubeikniose wahrscheinlich wochenlang), nachdem der Kranke die Wohnung verlassen hat, immer noch mit der Anwesenheit infektiösen Ma- terials zu rechneu; das erste Mal gehören zwar zur Abhisung flugfähiger Stäul)- chen energische mechanische Einwirkungen wie sie aber auch häutig vorkommen, als Teppichklopfen, Kleiderbürsten, Fegen, Rütteln von Eisenbahnwagen, Staul)- aufwirbelung in Fabriken n. s. w.); jedoch einmal gebildet, sind dann später diese flugfähigen Stäubcheu viel leichter und schon durch schwächere Luft- ströme mobil zu machen, da sie beim Niederfallen nicht mehr fest ankleben, sondern nur lose sich auflagern. Um ein ganz konkretes Beispiel zu nennen, so ist der neue Mieter einer vorher von Phthisiki^rn innegehabten Wohnung, in der sich einmal flugfähige infizierte Stäubchen gebildet haben, noch wochen- lang nach seinem Einzug von der Infektionsgefahr bedroht, obwohl er gar nicht in die Nähe eines Kranken gekommen zu sein braucht; eine ernste Mah- nung zur Wichtigkeit der Wohuungsdesinfektion! Wir köiiueu die verg'leicheude Bedeutung,- beider Iiifektiousmodi am einfachsten dahin präzisieren, dass die Tröpfcheninfektion die weitaus häufigeie Uebertrag'ungsart darstellt, ja bei einer Eeihe von Krankheiten ganz ausschließlich in Betracht kommt, — während die Infektion durch trockene Stäubchen an Häufigkeit des A^orkommens zwar meist sehr zurücktritt, dafür aber die Ansteckungsgefahr, auch in Abwesenheit des Kranken, längere Zeit hindurch unterhält. IV. Bedeutung der Luftiufektion in geschlosseneu Räumen und im Freien. Nach allem Vorhergegangenen ist zu erwarten, dass die Luftinfektiou in geschlossenen Räumen (Wohnungen, Eisenbahnwagen, Fabrikräumen u. s. w.) oft eine bedeutsame Rolle spielt. Dem entspricht es auch, dass thatsächlich durch die bakteriologische Luftnntersuchuug in der Luft geschlossener Räume schon ziemlich häufig pathogene Keime direkt nachgewiesen werden konnten. Ueber Befunde von Staphylococcus pyogeues berichten Ullmann^'^, Cleves- Symmes'I^, Beck^s^ Parascoxdolo^*^, Sanfelice^", Pereira^s, Ruini^'\ Haegler'^ö; die meisten Untersuchungen beziehen sich auf Kranken- und Operatiousräume ; die Häufigkeit der positiven Befunde ist sehr verschieden je nach der Stärke der Staubaufwirbelung, der Nähe der Infektionsquelle u. s. w. ; öfters sind auch ganz negative Befunde erhoben, so z. B. von Beck^^ gtets in der Luft anatomischer Seziersäle. Einige dieser Fälle, in denen der Tier- versuch nicht herangezogen und die Diagnose lediglich auf Grund der mor- phologischen und kulturellen Verhältnisse ausgesprochen wurde, sind nicht streng beweisend; es kann sich hierbei um ähnliche saprophytische Organismen ge- handelt haben. RuiNi^'^ fand einmal eineu in seiner Virulenz abgeschwächten Staphylococcus. — Streptokokken sind von Emmerich^i, v. Eiselsberg''^, Chatin^=*, Uc'KE^^, HaegeerSo gefunden. Ferner gelang je einmal der Nach- weis von Tuberkelbazillen in der Luft eines Phthisikerzimmers (Remboed-^^', — des Bacillus der Schweineseuche in der Luft eines bakteriologischen Labo- ratoriums, zu einer Zeit, in der daselbst gerade viel über diesen Bacillus ge- arbeitet wurde (Beck^^), — des Bac. pyogen, foetidus in einem Kinderasyl (CoNX'ORNOTTi^öj^ — ^eg Diplococc. pneumoniae Fränkel im Hofe des hygie- nischen Instituts von Cagliari (Concornotti^^;. Auch Bact. coli ist von meh- reren üntersuchern gefunden worden. — Vgl. auch weiter unten die bak- teriologischen Befunde in Wohnungsstaub; doch dürfen diese Befunde nicht ohne weiteres auf Luftiufektion bezogen werden, da die Keime in den Staul) ebenso gut durch Kontakt gelangt sein können (Heymann''). — Wichtig ist die Thatsache (Frieürich''", Nöggerath^''^), dass die aus der Luft auf Nähr- Allgemeine Morphologie und Biologie u. 3. w. 177 Substrat aufgefnugeueu Keime erst nach 7 — 8 Stunden Vermehrung zeio-en (infolge der durch das Trocknen bewirkten Sclnvächuug ihrer Lebenskraft); die Lnftinfektiou von Wunden durch trockene Stäubchen ist also nicht sehr zu fürchten, indem unterdessen schon längst reaktive Prozesse im Gewebe ein- getreten sind, welche die Keime nicht aufkommen lassen. — Im Freieu wird das Vorkommen einer Luftiufektion etwas außerordentlich Seltenes, ein »hygienisches Kuriosum« (FLf(;(;E) und jedenfalls für die Praxis ganz bedeutungslos sein. Erstens ist die Verdünnung des infektiösen Materials in der freien Luft, wo stets eine energische Durchmischung und rapider Transport durch Winde stattfindet, eine ganz ungeheure. Zweitens werden die in die freie Luft gelaugten pathogenen Keime sehr bald wieder aus derselben verschwinden, teils, iudem sie an Häusern, Bäumen u. dgl. haften bleiben, teils, indem sie durch die baktericiden Einwirkungen des Lichtes und des Wechsels von Trockenheit uud Feuchtigkeit in kürzester Frist zu Grunde geheu. Endlich, selbst wenn in- fektiöse Partikelchea in die unmittelbare Nähe eines Menschen gelangen, so werden sie trotzdem nur in den seltensten Fällen eingeatmet werden können, weil der luspirationsstrom , selbst unmittelbar vor Nase und Mund, viel zu schwach ist, um die durch den Wind meist mit viel größerer Geschwindigkeit fortgeführten Stäubchen zu aspirieren ; (in solchen Fällen können sich dann aber die Keime vielleicht auf den Kleidern ablagern und später Kontaktinfektion erzeugen). Man hat sich eben früher ganz übertriebene Vorstellungen von dem Keimgehalt der Luft gemacht und dachte sich dieselbe von Bakterien (etwa in gleichem Maße wie von Sonnenstäubchen) »breiartig« erfüllt. Direkte Versuche ergaben jedoch, dass die Luft im Freien selbst in den dem Boden benachbarten Schichteu, von wo doch in Staubform stets zahlreiche Keime aufgewir))elt werden können, mir etwa 100 — 500 Keime pro Kubikmeter enthält. — Aller- dings treffen alle diese günstigen Verhältnisse nur danu zu, wenn es sich wirklich um »freie« Luft handelt; enge Hr)fe und Gassen, in denen vielleicht massenhafte Produktion von keimhaltigem Staub erfolgt und wo sich die Keime lauge Zeit, ungestört von Wind und Sonne, halten können, sind nach Analogie geschlossener Räume zu betrachten, und wäre z. B. eine Pockeninfektion unter solchen Verhältnissen für sehr wohl möglich zu halten. — Von Ansteckung im Freien sind nur sehr wenige glaubwürdige Angaben vorhanden ; am ehesten könnte eine solche vielleicht noch bei Typhus vorkommen, wenn Typhus- bazillen massenhaft (mit Dejekten, Harn) in die oberflächlichsten Bodenschichten gelangt sind und von da aufgewirbelt und durch Wind fortgeführt werden; zuverlässige Angaben bei Pfuhl-''^, Mewius-'^* und Froidboise-^'J; auch erklären sich so vielleicht die mehrfach bei Aufgrabungen infizierten Bodens, in der Umgebung (wo Kontakt auszuschliessen war) vorgekommenen gehäuften Typhus- fälle. Besonders schwierig wird es in allen solchen Fällen sein, die Ueber- tragung durch Insekten auszuschließen. — Wenn man früher der L^ebertragung durch die atmosphärische Luft für die verschiedensten Epidemien eine so außerordentliche Bedeutung beigemessen hat, so erklärt sich das einerseits wohl durch die noch immer bestehende Nachwirkung der in vorbakterieller Zeit herrschenden Ideen, die das Wesen der Krankheitserreger in Miasmen, giftigen Dünsten u. s. w. zu erblicken glaubten; andererseits aber mag auch die rasche Ausbreitung mancher Seuchen, insbesondere das geradezu pandemische Auftreten der Influenza, der Vorstellung Raum gegeben haben, die Ausbreitung des Infektionsstoftes sei durch den Wind erfolgt. Abgesehen davon, dass diese Anschauungen mit der Kenntnis der biologischen Eigenschaften der Er- reger unvereinbar sind, zeigt auch die vorurteilslose epidemiologische Beobach- tung, dass wir nie zu einer Annahme einer massenhaften Ausstreuung des Virus durch die Luft genötigt sind, dass vielmehr die Verhältnisse des mensch- Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 12 178 K- Gotschlich, liclien Verkehrs den Verlauf der Epidemien vollständig zu erklären imstande sind; (vgl. gerade betr. Influenza den trefl'lichen Bericht von Schmidt nlier die Schweizer Epidemie i. J. 1889—1894. — Bern 1895). Litteratur. D, a; Zts. f. Hyg., 25. 179. 1897; b) ebd., 30, 107. 1899; c ebd.. 38, 1, 1901; 1 Woch.. 1897/758. — -' Stern, Zts. f. llyg., Bd. 7. — •* HamburC4ER, 1 Flügge, d) Dtsch. med. Inaug.-Diss., Breslau 1892. — 4 M. Neisser, Zts. f. Ilyg., Bd. 27. 189S. — & Lasch- TSCHEKKO, ebd., 30, 125, 1899. — C' B. Heymann, a) ebd., 30, 139, 1899; b) ebd.. 38, 21, 1901. — ' Sticher, ebd., 30, 163, 1899. — « Beninde, ebd., 30, 193. — o Bakten- STEiN, Inaug.-Diss., Berl. 1900. — ^o Buchner. Arch. f. Hyg., Bd. 8. — n Walther, ref. Baumgartens Jahresber., 1889, S. 278 f. ; vgl. Fußnote von Johne ebd. — '- Ger- MANO, Zts. f. Hyg., 24, 403; 25, 439; 26, 86 u. 273, 1897. — i:^ Ficker, ebd., 29, 1 (1898. — 14 üffelmann, Berl. klin. VVochenschr., 1893,617. — i^ Hesse, Zeitschr. f. Hyg., 14, 27. — 1" Williams. 15, 166. — i' Schwarz, Arch. p. 1. sc. med., XV, 121. — 1«^ NÄGELi, Die niederen Pilze. München 1877, 107. — i^i) Nägeli & Buchner, Sitzungsber. d. Bayr. Akad. d. Wiss., München, 7. Juni 1879. — ^Wer- NiCH, Virchows Archiv, Bd. 79 (1880). — 2u Honsell, Arb. a. d. path. Institut Tübingen, 1896, II, Heft 2. — 21 Soyka, Sitzungsber. d. Bayr. Akad. d. Wiss., 3. Mai 1879. -^ -- v. Esmarch. Vierteljahrsschr. f. öfif. Gesundheitspfl., 1898. — 23 Hübner, Zts. f. Hyg-, 28. 1898. — 24' y. 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Die Kernpunkte dieser Lehre, welche Jahrzehnte lang in der Medizin herrschte und erst durch die in den letzten 20 Jahren er- schlossene experimentelle Erkenntnis der biologischen Eigenschaften der Allgemeine Morpliologie und Biolo.gie n. s. w. 179 pathogcnen Bakterien endgültig Aviderlegt werden konnte , lassen sich folgen- dermaßen kurz zusammenfassen: Während bei gewissen Infektionskrankheiten (akute Exantheme, Pocken) der Infektionsstoff den Organismus in völlig fertigem, infektioustüchtigen Zu- stand verläßt und daher die Seuche sich direkt von Person zu Person fort- pflanzt, — gelange bei einer Reihe anderer infektiöser Krankheiten (Malaria, Typhus, Cholera) das Virus nicht in völlig fertigem Zustand nach außen, sei nicht befähigt sogleich eine neue direkte Infektion bei einem andern Menschen hervorzurufen; es müsse vielmehr einen lieifungsprozess in der Außen- welt, speziell im Boden durchmachen. Ein infektiöses Agens der ersteren Kategorie, welches seinen vollständigen Entwicklungscykhis innerhalb des be- fallenen Organismus durchmacht, wurde als Kontagium bezeichnet; ein solches der zweiten Art, dessen Eutwickluugscyklus eine endogene und eine exogene Periode umfasst, nannte man Miasma; daher auch die alte Ein- teilung der Infektionskrankheiten in kontagiöse und miasmatische. Dieser supponierte exogene Reifungsprozess kann sich nun, nach v. Pettexkofeii, im Boden nur unter bestimmten Bedingungen vollziehen, nämlich nur in einem porösen (für Wasser und Luft durchlässigen), dabei mit organischen Alifall- stoffen verunreinigten Boden, der durch den wechselnden Stand des Grund- wassers sowie den Wechsel von Regen und regenlosen Zeiten in Avechselnder Weise befeuchtet wird. Bei Austrocknung des Bodens, infolge regenloser Zeit oder Sinken des Grundwasserstandes, seien die Bedingungen sowohl für die Wucherung und Reifung der Keime im Boden (infolge des erleichterten Luft- zutritts), als auch für die Uebertraguug des im Boden fertig gebildeten Virus auf den Menschen durch Grundluft, Verstäuben seitens der obersten Schichten) besonders günstige. Die ursprüngliche Auffassung v. Pettexkofers ^ '• ließ sich in die Formel zusammenfassen: x (der vom Menschen ausgeschiedene Cholerakeim, an sich nicht infektionstüchtig) -f- y (die örtlich- zeitliche Dis- position des Bodens) = Cholera. Später trug dann v. Pettenkofer i** selbst auch der individuellen Disposition (z) Rechnung, und seine modifizierte Formel lautete : x -f- y H- z :^ Cholera. Die Art und Weise, wie der »siechhafte Boden« beim Zustandekommen der Cholera- und Typhusepidemien seine Wirkung äußerte, ist noch in zweierlei anderer Weise gedeutet worden. Einmal stellte man sich vor, dass durch die »giftigen Ausdünstungen« des Bodens (Kanalgase, flüchtige Pto- maine u. s. w. !) die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Organismus der spezifischen Infektion gegenüber herabgesetzt werde und so erst die Infektion zustande kommen könne. Ferner ist v. Nägeeis- diblastische Theorie zu erwähnen, nach welcher der »siechhafte« Boden spezifische ;> Miasmapilze« produziere, die in den menschlichen Organismus gelangen und daselbst die für das Zustandekommen der Infektion durch den Cholerakeim erfordei'liche krankhafte Disposition schaffen. — Alle diese verschiedenen Erklärungs- versuche der vermeintlichen Rolle des Bodens sind nur unwesentliche Varia- tionen der ursprünglichen v. PETTEXKOFERSchen Ansicht, indem hier Avie dort in der Mitwirkung des »siechhaften« Bodens ein durchaus spezifisches und unerlässliches Moment zum Zustandekommen der Seuchen erblickt wird. Die Argumente, welche zur Begründung dieser »lokalistischen < Theorien beigebracht wurden, sind ungefähr die folgenden: 1. Sehr bedeutende örtliche Verschiedenheiten in der Ausbreitung von Cholera und Typhus, sowohl nach verschiedeneu Städten, als auch am gleichen Ort nach verschiedenen Stadtvierteln. Existenz choleraimmuner Orte (Lyon'. Die Bodenverhältnisse der besonders gefährdeten resp. der immunen Orte sollen 12* 180 E. Gotsclilich. sich, entsprecbeiul der soeben dargelegten Theorie verhalten; insbesondere soll an immunen Orten der Untergrund undurchlässig sein (infolge einer ober- flächlich liegenden Lehmschicht u. s. w.). 2. Auf Schiften (wo selbstverständlich der Bodeneinfluss völlig ausge- schlossen ist) kommen keine großem Choleraepidemien vor. 3. In Cholera- und Typhusherden ist der Boden nacliweislich stärker mit Abfallstoflen verunreinigt als in cholerafreien Orten und Häusern; — Anderer- seits bewirkt Assanierung des Bodens durch Schwemmkanalisation nachweis- lich eine Abnahme der Typhusfrequenz. 4. Die bedeutsamste Stütze der lokalistischen Anschauung Avar stets der Zusammenhang zwischen Typhusfrequenz und Grundwasserstand (zuerst von Buhl & v. Pettenkofer-' für München, dann von Soyka^ für 5 deutsche Städte nachgewiesen), und zwar in dem Sinne, dass jeder größeren Typhus- epidemie ein niedriger Grnudwasserstand, und umgekehrt jedem besonders hohen Grundwasserstand eine relativ typhusfreie Zeit entspricht. — Aehnlich, wenn auch minder deutlich ist der Zusammenhang der Choleraepidemien in Indien mit Regenzeit und Grundwasserstand. 5. Als Beweis der supponierten uicht-kontagiösen Natur der Cholera wurde endlich noch auf die bekannten Selbstinfektionsversuche v. Pettexkofers und Emmerichs hingewiesen, die insofern ein negatives Ergebnis hatten, als nach Aufnahme der Kulturen in den Darmtractus keine klinisch typische Cholera entstand. — Litteratur über die »Bodeutheorie« siehe bei v. Fouor, »Hygiene des Bodens« in Th. Weyls Handbuch der Hygiene, Bd. I. Zur Kritik dieser einzelnen Argumente ist folgendes zu sagen: ad 1. Es ist, selbst in den positiven Fällen, die als Beispiele für die lokalistische Theorie angeführt werden, niemals mit Sicherheit bewiesen, dass die Verschiedenheit der örtlichen Disposition und eveut. die Immunität des Ortes Avirklich von der Bodenbeschaftenheit herrühre, und es ist niemals mit Sicherheit ausgeschlossen, dass nicht andere Momente hierbei ursächlich mit- gewirkt haben. Als solche Momente wären vor allem zu nennen: Wohlhaben- heitsverhältnisse und A'erschiedenheiten in Sitten und Gebräuchen: kleine Difterenzen in diesen Dingen, die sich oft nur einem genauen Kenner der lokalen Verhältnisse erschließen, können sehr erhebliche Unterschiede für die Chancen der Weiterverbreitung der Infektion bedingen; hier sei nur an die von Ort zu Ort, sowie nach Volksstämmeu außerordentlich verschiedene Be- handlung der Nahrungsmittel und der schmutzigen Wäsche, sowie an den ver- schiedenen Grad der Reinlichkeit am eigenen Körper erinnert! Auf der anderen Seite haben zahlreiche Nachprüfungen des Verhältnisses zwischen örtlicher Disposition und Bodenverhältnissen in sehr vielen Fällen ergeben, dass dasselbe sich keineswegs immer oder auch nur in der Mehrzahl der Fälle in dem Sinne Pettexkofers gestaltet; so kann in einer und der- selben Stadt (z. B. nach Koch ^ in Bombay) der Untergrund der verschiedenen Stadtviertel ganz verschieden sein (kompakter Fels und Alluvialboden), und trotzdem die Verbreitung der Cholera auf beiden Bodenarten in gleicher Weise vor sich gehen. Insbesondere haben die genauen Ermittluugen während der letzten Choleraepidemien in Deutschland in den Jahren 1892 — 1894 keinerlei Einfluss der Bodenbeschaffenheit auf die Cholera erkennen lassen; dagegen gelang es, die oft sehr auffallenden Difterenzen in der örtlichen Verteilung auf Verschiedenheiten des Trinkwassers, der Lebensgewohnheiten u. a. m. zurück- zuführen (Flügge", C. Fräkkel'^, M. Kirchner s). Endlich sei erwähnt, dass auch die sog. »choleraimmunen« Orte nicht immer verschont geblieben sind: so hatte Lyon 1854 eine starke Choleraepidemie. Allgemeine Morphologie und Biologie n. s. w. 181 ad 2) Auch auf Seeschiffen sind Choleraepidemien bekannt geworden (vgl. FoDOR a. a. 0.), und zwar solche von so langer Dauer (bis zu 65 Tagen , dass die Annahme, alle Erkiankten hätten sich am Festland infiziert, nicht mehr angängig ist; die Infektion hat sich ganz offenbar an Bord sell)st ver- breitet, also ganz ohne Mitwirkung des Bodens. — Dass Choleraepidemien auf Schiffen im ganzen seltener sind, erklärt sich ül)erdies einfach durch die schnelle Beseitigung der Leichen und Abfallstoffe, die sofort dem Meere über- geben werden, sowie durch die an Bord gemeinhin herrschende größere Rein- lichkeit. ad 3. Die thatsächlich gefundene stärkere Verunreinigung des Bodens in Cholera- und Typhusherden bezieht sich stets nur auf die oberflächlichen Bodenschichten, und hier ist es wohl ganz selbstverständlich, dass der Zu- sammenhang zwischen Unreinlichkeit und Infektionsverbreitung gar nicht erst durch den Umweg des Bodens bedingt zu sein braucht, sondern auf ganz direktem Wege durch Kontakt, TrinkAvasser und Nahrungsmittel seine Wirk- samkeit entfaltet. In gleicher Weise zu deuten sind die unbestreitbar großen Erfolge, die durch Assanierung der Städte, insbesondere durch zweckmäßige Entfernung der Abfallstoffe ''Schwemmkanalisation), in der Verhütung und Bekämpfung von Cholera- und Typhusepidemien erreicht worden sind. Es bleibt v. Pettex- KOFERS großes Verdienst, auf die praktisch -hygienische Wichtigkeit dieser Assanierungsarbeiten mit Nachdruck (Avenn auch von irrigen theoretischen Voraussetzungen ausgehend) hingcAviesen zu haben. Doch ist die Wirkung der Assanierung nicht in dem Sinne erklärl)ar, wie es v. Pettenkofer wollte, durch Reinigung eines ursprünglich sieclihaften Bodens; dazu bemerkt v. Fodor mit Recht, dass die günstige Wirkung dieser Aulagen (die sich insbesondere in einer auffallenden Verminderung der Typhusfrequenz zeigt) viel zu rasch und auch in solchen Städten eingetreten ist, wo für die Bodenreinigung als solche nichts gethan Avurde, — Avährend ein verunreinigter Boden, selbst nach zweckmäßigster Assanierung, sich nur sehr langsam, nach Jahrzehnten, reinigt. Die günstige Wirkung der SchAvemmkanalisation ist vielmehr in der Weise zu denken, dass alle Arten von Abfallstoffen, in Straße und Haus, rapid beseitigt werden können und das Publikum so zu größerer Reinlichkeit erzogen und gcAvöhnt Avird; auch ist eine SchAvemmkanalisation ohne zAveckentsprecheude Wasserversorgung nicht denkbar und lässt so dem betr. Gemeinwesen auch indirekt noch die weitere Wohlthat eines hygienisch eiuAvandfreien Trink- wassers zu gute kommen. ad 4. Der Zusammenhang zwischen Typhusfrequenz und Orundwasser- stand in München und einigen anderen Städten ist allerdings recht auffallend; möglicherweise kann durch Austrocknung der Bodenobertläche ein Verstäuben der daselbst befindlichen Typhusbazillen und ihre Fortführung durch die Luft begünstigt werden. Wie dem auch immer sei, so erstreckt sich doch der statistisch nachweisbare Einfluss der GrundAvasserschwankungen in den ange- führten positiven Beispielen keinesAvegs auf die ganze Höhe der Kurve der Typhusfrequenz, ja nicht einmal auf den größeren Teil derselben fFEÜcua-:); es bleibt vielmehr auch Ijei höchstem GrundAvasserstand stets ein sehr erheb- licher .Stamm von Typhusfällcn bestehen; Avenn also überhaupt ein ursäch- licher Zusammenhang zwischen Bodenverhältnissen und Typhusverbreitung be- steht, so betrifft er nur einen Teil der Fälle (etAva 10 — 20^) und ist also keineswegs unerlässlich und spezifisch, Avie es von Pettenkofer gefordert Avurde. — Dazu kommt, dass auch hier Avidersprechende statistische Daten vorhanden sind; so ist nach v. Fodor ^"^ für Buda-Pest ein dem in München beobachteten gerade entgegengesetztes Verhältnis von Grundwasserstand und 182 E. Gotschlicb, Typhusfrequenz zu verzeicliueu ; analoge Angaben für Wien von Krügkula^i, für Chemnitz von F].ikzku12. in anderen Städten wurde jeglicher Zusammen- hang vermisst, so in Basel: endlich hat der in München selbst früher be- obachtete Zusammeuliaug seit 1881 aufgehört (v. Fodor), desgleichen in Berlin seit 1889 (Fkänkkl & Pjefke13). Bei der Cholera gar ist der statistische Zusammenhang zwischen Morbidität und Grundwasserstäuden bezw. Eegenfällen nur in den allgemeinsten Zügen so, wie es der PETTENKOFERschen Theorie entsprechen Avürde (Koch-Gaffkys Cholera- Bericht), wobei sich im einzelnen viele unvereinbare Abweichungen zeigen. Auch ist die Abnahme der Cholera mit der Regenzeit viel einfacher dadurch zu erklären, dass durch den Regen eine energische Reinigung der Straßen und Flussufer u. s. w. zustande kommt, während in der trockenen Jahreszeit der Infektionsstoff sich leicht ansammelt und besonders in stag- nierendem Wasser (Tanks) in relativ konzentrierter Form vorhanden ist. ad 5, lieber die negati^^en Erfolge einiger Selbstinfektionsversuche mit Cholerakulturen ist kein Wort mehr zu verlieren, seit auch mehrfache positive Fälle, sogar solche mit tödlichem Ausgang, bekannt geworden, und seitdem Avir wissen, wie verschieden die individuelle Disposition bei verschiedenen Menschen ist. — Auch ist durch zahlreiche epidemiologische Erfahrungen, gerade aus der letzten Choleraepidemie, bewiesen, dass die Infektion sehr häufig durch direkten oder indirekten Kontakt von Person zu Person über- tragen Avird, — dass also die ganze Annahme eines »exogenen Reifungs- prozesses« unnötig ist. So weit die Kritik der von der PETTENKOFEUSchen Schule selbst zur Be- gründung der Bodentheorie beigebrachten Argumente; wir sehen, dass das im Laufe der Zeit angesammelte Thatsachenmaterial nicht frei von Widersprüchen ist, in einigen der wichtigsten Punkte (2 und 5) durch neuere Erfahrungen direkt Aviderlegt wurde, und endlich selbst in den günstigsten Fällen nie ein- deutig im Sinne der Bodentheorie spricht, sondern auch andere Erklärungs- möglichkeiten, und sogar oft viel näherliegende, zulässt. Selbst wenn aber auch das Thatsachenmaterial durchaus eindeutig und widerspruchslos wäre, (so ungefähr Avie die unzAvei feihaften epidemiologischen BcAveise für die ört- liche und zeitliche Disposition zur Malaria), so bliebe doch die Rolle, Avelche dem Boden in der v. PETTENKOFEESchen Theorie zugeteilt wird, soAvie der ganze supponierte Reifungsprozess der Krankheitserreger außerhalb des Körpers, durchaus hypothetisch, — Aveil nicht auf direkter experimenteller Erkenntnis der Lebeusbediuguugen der Krankheitserreger fußend. Kichts zeigt schlagen- der, als gerade das Beispiel der Malaria, Avie unsicher alle rein hypothetischen Auffassungen über das Verhalten der Krankheitserreger in der AußeuAvelt sind, AA'eun sie sich nicht auf direkte Experimente mit dem betr. Mikroben selbst stützen, — mögen sie im ülirigen auch noch so sehr allen epidemio- logischen Beobachtungen Rechnung tragen; für die Malaria wurde bis vor Avenigen Jahren eine exogene Entwicklung des Mikroben im Boden allseitig angenommen, bis neueste Forschungen zeigten, dass dieser Teil des Ent- Avicklungscyklus nicht im Boden, sondern im Körper gewisser Mückeuarteu, stattfindet; auch hier besteht also keinerlei direkte Beziehung zum Boden, und letzterer ist nur insofern von Einfluss, als gcAvisse lokale Bedingungen die Mücken begünstigen. — Wenden wir uns nun zur direkten Prüfung des Verhaltens pathogener Keime im Boden, so Averden Avir sehen, dass die experimentellen Resultate mit der v. PETTENKOFERSchen Theorie in keiner Weise übereinstimmen, und in vielen Punkten ihr sogar geradezu entgegen- S'esetzt sind. Allgemeine Morphologie und lüologie ii. s. w. 1^3 Tl. A^orkommen und Verhalten patliogener Bakterien im Boden. 1. In den ol)erfläelilicli(Mi Ijodenscliiehteu kommen regelmäßig patliogeue (obligate und fakultati^■eJ Aiiaöroben vor: Rac. oedemat. maligni, Bac. tetani, Streptococcus septicus und Bac. enteritid. sporogen. (Pasteuri^, Koch & Gaffky^\ NicolaikrI", öaxfhlice i^, Houston i^. Einige wilde Völkerstämme infizieren ihre Giftpfeile durch Eintauchen in Sumpferde (Le Dantec^-^); allgemein bekannt ist das häufige Ein- treten von Tetanus oder Gasphlegmonen im Gefolge von mit Erde ver- unreinigter Wunden. Der Gehalt des Bodens an i)athogenen Anaeroben ist um so größer, je mehr er mit tierischen oder menschlichen Darm- entleerungen imprägniert (gedüngt) war, indem der Darm ofi"enl)ar die eigentliche Heimstätte dieser Mikroben ist. Dass der ]\lilzbrandbacillus sich jahrelang in den oberfiächlichsten Bodenschichten halten kann, wird durch die Existenz der sog. »Milzbrand weiden« bewiesen, auf denen jedes Jahr (ohne irgend welche neue Infektion von außerhall)) sich Milz- brandfälle ereignen: in solchen endemischen Herden kommt der ISIilz- brandbacillus ottenbar zum Wachstum und zur Sporulation; die not- wendigen Bedingungen hierfür sind zeitweilige Ueberschwemmung des Gebiets und leicht-alkalische Reaktion (durch Kalkgehalt des Bodens). Milzbrandsporen können sich im trockenen Bodenstaub sehr lange lebens- fähig halten; Fälle dieser Art sind von Fkank^o und Rembold^i in Futterkammern beobachtet; der erstere bietet ein besonderes Interesse, indem durch zufällige Verhältnisse die untersten ^allein durch den Boden- staiib infizierten) Lagen der Futtervorräte nur von Zeit zu Zeit aufge- wühlt und dem Futter Ijeigemischt wurden, und auf diese Weise eine jahreszeitliche Disposition für Milzbrand vorgetäuscht wurde. — Positive Befunde von Typhusbazillen (im Boden einer Kaserne und eines Typhushauses, in Ackererde) wurde zuerst von Tryde^s, Mace^^ und FüLLES-i berichtet; doch müssen diese früheren Befunde, nach dem da- maligen mangelhaften Zustand der Kenntnis des Typhusl)acillus, zweifel- haft erscheinen. Sicher festgestellt (auch mittelst der spezif. Serum- reaktion) sind dagegen die Befunde von Typhusbazillen in Ackererde durch Lösener25 ^^id Remlixoer & Schneider '-'5. — Andere Infek- tionserreger sind bisher im Boden nicht gefunden worden, was aber in Anbetracht der Konkurrenz der Saprophyten, die in geradezu ungeheurer Menge vorhanden sind, nicht Wunder nehmen kann. — Desto wichtiger sind, gegenüber diesen spärlichen Befunden über natürliches Vorkommen, die Untersuchungen über das Verhalten von pathogenen Mikroben bei experimenteller Einimpfung aufs Versuchsböden. In manchen Fällen wird sogar eine Vermehrung derselben in den ober- flächlichen Schichten des Bodens zugegeben werden müssen, sofern gleich- zeitig mit den pathogenen Bakterien reichliche Xährstoife in den Boden gelangt sind (Imprägnierung des Bodens mit Milzbrandblut, Harn von Typhuskranken); bei solcher Versuchsanordnung, mit sterilisiertem Boden hat ScHRAKAMp27 die Vermehrung der Milzbraudbazilleu konstatieren können; vgl. auch oben über »Milzbrand weiden«. Solche Fälle werden aber in der Natur nur selten vorkommen; meistens wird entweder die Armut des Bodens an geeigneten Nährstoffen (von Koch uud Prauss- xrrz an Versuchen mit sterilen Böden direkt nachgewiesen: [zit. nach Ff.ÜGGES Mikroorganismen. I, 507J), oder die vitale Konkurrenz der Saprophyten kein Wachstum der pathogenen Keime aufkonnnen lassen. Auch die Imprägnierung des Bodens mit Abfallstoften vermag liierfür keine besseren Bedingungen zu schaffen; im Gegenteil werden durch die inten- 184 E. Gotschlich, siven Fäulüisprozesse die Saprophyten nur um so mächtiger konkumereu. — Größer sind die Chancen für die Konservierung der pathogenen Bak- terien im Boden. Das jMilzbrandvirus sah Feltz^^ im Boden (der freien Luft und dem liegen ausgesetzt) noch nach 3 Jahren lehenstähig bleiben: doch trat vom 10. Monat ab eine deutliche Abschwächung ein. — Cholera- bazillen halten sich im sterilisierten feuchten Boden lebensfähig (bis zu 174 Tagen) und vermögen sogar zu wuchern (Dempstek^ö^ de Giaxa-^", Manfkedi & Sekafixi^i); in nicht-steriiisiertem Boden gehen sie nach einigen Tagen zu Grunde. — Die längste Lebensfähigkeit unter den sporenlosen Bakterien zeigt der Typhusbacillus; in nicht- steriler Erde 3 Monate nach de Blasi32, Karlin ski^3 ^^j^d Rullmann^^; über 5 Monate nach Ufpelmann35 und Gkancher & Deschamps ^^ (letzterer Fall aber unzuverlässig wegen uugeuilgeuder Identifizierung des Typhusbacillus!). Nach Karlinski halten sich Typhusbazillen aus Reinkultur im 15odeu länger als Typhusdejekte; auch ist die Lebensfähigkeit in den tieferen Schichten (y^- — 1 m) bedeutender als an der Oberfläche; beides erklärt sich durch die Konkurrenz der Saprophyten. In sterilisiertem Boden ist die Lebensfähigkeit des Typhusbacillus von noch weit längerer Dauer; es liegen Beobachtungen vor bis zu 11 jMonaten (Robertson 3"), 15 Mo- naten (Martinas), 16 Monaten (Rullmann); bemerkenswert ist die Angabe Martins, dass der Tyi)husbacillus sich in stark verunreinigter Erde viel länger hält als in jungfräulichem Boden; auch Rullmaxn fand in steri- lisierten Fehlböden den Typhusbacillus stets ein Jahr lang lebend. Diese außerordentlich lange Lebensfähigkeit in sterilem Boden ist deshalb von praktischem Interesse, weil es wohl vorkommen kann, dass Typhus- bazillen zufällig einmal in tiefere, bakterienärmere Bodenschichten ge- langen und hier, geschützt gegen die Konkurrenz der Saprophyten, sich lange lebend erhalten können. — iSfach SoYKA^o trägt der Boden auch dadurch zur Konservierung der Bakterien bei, dass er die Sporenbildung begünstigt; in der That findet in Milzbrandbouilloukulturj in Boden verteilt, die Sporenbildung etwas rascher statt als im Kulturgefäß; aber diese geringe Beschleunigung erklärt sich ein- fach durch vermehrten Luftzutritt, infolge der vergrößerten Oberfläche. Von manchen Seiten ist auch die Vermutung ausgesprochen worden, dass unter einem »spezifischen« Einfluss des Bodens Sporen auch bei solchen Arten er- zeugt werden, bei denen sonst eine Sporenbildung, weder in künstlicher Kultur, noch im infizierten Organismus bekannt sei; doch ist das eine gänzlich un- bcAviesene Behauptung. — Für die langdauernde Konservierung nicht-sporo- geuer Arten ist, außer dem Schutz gegen Austrocknuug, auch wahrscheinlich die eigenartige Anordnung des in den oberflächlichen Schichten des Bodens enthaltenen Wassers von Bedeutung (Soyka); das Wasser umgiebt die ein- zelnen körnigen Elemente in Form dünner Lamellen; hierdurch kommt eine gewisse Fixierung der einzelnen Keime und ein ziemlich wirksamer Schutz gegen Ueberwucherung durch Saprophyten zustande. 2. Die tiefereu Bodenschichten sind im normalen »ge- wachsenen« Boden keimfrei (C. Fräukel^o^ Rkimers^S Proskauer, Wernicke & ScHNEiDER^i=^, FüLLEsS^; die Abnahme der Bakterienzahl (welche letztere in den oberflächlichen Schichten ganz ungeheure Werte erreicht) erfolgt meist ganz rapid, in einer Tiefe von etwa l'/2 ™- Die Verhältnisse sind prinzipiell die gleichen in jungfräulichem und jahr- hundertelang bewohnten Boden; nur liegt in letzterem die Grenzlinie zwischen bakterienhaltiger und bakterienfreier Zone etwas tiefer, und Allgemeine Morphologie imcl Biologie u. s. w. 185 ist auch niclit so liäufii;- in der Tiefe absolute Sterilität zu heobachteu. Letzteres Verhalten zeigt auch der Flussboden (Davids ^^). Selbst auf Rieselfeldern sind die meisten Proben aus 2 m Tiefe steril (Lösexer^g"»). Vgl. auch über die Keimfreiheit des Grundwassers (S. 188). — Die ent- gegenstehenden Befunde von Bkumer^-^ und Maggiora^-*, wonach noch in Tiefen bis 5 Meter reichlich Bakterien zu finden seien, beruhen mög- licherweise auf Versuchsfehlern (Vermehrung der Bakterien innerhalb der Bodenproben während des Stehens im Laboratorium!) - — In sehr grobporigem Kies- und Schotterbodeii, sowie in rissigem Fels können freilich Bakterien leicht auch bis in tiefe Schichten eindringen (vgl. bei Grundwasser, S. 188) ; in dichtem Boden hingegen entfaltet schon eine meterdicke Schicht eine eminente filtriereude und bakterienzurück- haltende Kraft (v. FodorI") zumal Hopmaxn '•'> gezeigt hat, dass die Ab- wärtsbewegung der Bodenfeuchtigkeit zum Grundwasser außerordentlich langsam erfolgt und oft Monate bis Jahre braucht. Experimentelle Untersuchungen über Versickerung spezifischer P)akterien (in Kulturauf- schwemmungen auf die Bodenoberfläche ausgegossen) haben ergeben, dass dieselben nicht über 50 — 60 cm tief eindringen (Graxcher & Deschcamps^»^, WüR'iz & MosNY^Oj; nach de Blasi=*2 sogar nur 20 cm tief. Nehmen wir aber auch an, dass durch irgend welche zufällige Momente pathogene Keime bis in größere Tiefen (unter 2 m) hinabge- langen, so würden sie hier meist schon deshalb nicht zu wuchern ver- mögen, weil die Temperatur zu niedrig ist; C. Fräxkel (a. a. 0.) brachte Kulturgläser in verschiedene Tiefen uud konstatierte, dass in 3 m Tiefe Milzbrandbazillen gar nicht mehr zum Wachstum gelangten, Cholera- bazillen nur während der wärmsten Jahreszeit; Typhusbazillen hingegen zeigten noch kräftiges Wachstum. Im natürlichen Boden kommen als hindernde Momente aber noch der Nährstoftmangel und der aulierordent- lich hohe CO2 -Gehalt der Grundluft hinzu. Immerhin wäre für den Tvphusbacillus eine langdauernde Konservierung und vielleicht sogar eine anfängliche Vermehrung denkbar; so würden sich dann die mehr- fach beobachteten Typhuserkrankungen nach Aufgraben verseuchten Bodens erklären. Unter normalen Verhältnissen jedoch (ohne direkte BloP.legung der tieferen, event. infizierten Bodenschichten und ohne Ver- breitung durch infiziertes Grundwasser) könnte in der Tiefe des fiodens selbst die stärkste Wucherung pathogener Keime stattfinden, ohne dass dies für die auf der Bodenoberfläche lebenden Bewohner von irgend welcher praktisch-gesundheitlicher Bedeutung wäre. Die allfällig in die Tiefe des Bodens gelangten Keime können (nämlich abgesehen von den beiden soeben gekennzeichneten Wegen) auf keine Weise wieder an die Oberfläche des Bodens und in die atmosphärische Luft gelangen. Aller- dings behauptete SoyivA-^'''' seinerzeit, dass kapillar aufsteigendes Grund- wasser pathogene Bakterien binnen 1 — 2 Tagen um 20 cm. nach auf- wärts zu transportieren vermöge, Nachprüfungen durch A. Pfeiffer^" ergaben jedoch, dass durch die Kapillarität Bakterien höchstens bis 4 — 5 cm gehoben werden (de Blasi^^ \)[^ iQ em). Durch die Grund- luft könnte noch weniger eine Aufwärtsbewegung der Bodenbakterien bewirkt werden, indem zahlreiche Versuche (Nägeli"-, Bexk^S A. Pfeiffeu-" Petri-i'J) bewiesen, dass selbst starke Luftströme durch eine trockene Bodenschicht von nur wenigen Centimetern Dicke keine Keime hindurch- zutreiben vermögen; um so viel Aveniger die langsamen Bewegungen der Grundluft in einer durchfeuchteten Ijodenschicht von erheblicher Dicke. Auch die von Buchxek'^o betonte Möglichkeit, — dass beim Sinken des 186 E. Gotschlich. Wassers im Boden die zwischen den kürnig-en Elementen vorhandenen kapilhiren Flüssigkeitshimellen platzen und dadurch Verspritzen und Bil- dung feinster Tröpfchen staltfindet, die dann in die freie Luft übergehen könnten, — mag höchstens für die obertiächlichste Schicht des l^odens einige Bedeutung haben, da die aus tieferen Teilen dergestalt freige- wordenen Bläschen sofort durch den darüber liegenden Boden wieder zurückgehalten werden. Fassen wir die llesultate der experimentellen Forschung über das Ver- halten pathogener Keime im Boden zusammen, und zwar unter beständiger Vergegenwärtigung- der Postulate der v. pETTENKOFERschen Theorie, so ergiebt sich folgendes. Unter normalen Verhältnissen und in gut filtrierendem Boden gelangen die pathogenen Keime überhaupt nicht in die tieferen Bodenschichten hinab; sollte dies aber doch einmal der Fall sein, so würden sie in diesen Schichten, mangels geeigneter Nähr- stoffe und oft schon infolge der zu niedrigen Temperatur, nicht zu wuchern vermögen; endlich, sollte selbst dank ganz exzeptioneller Verhältnisse ein wirkliches Wachstum stattfinden, so könnten die Keime weder durch Grundluft noch durch kapillar gehobenes Wasser wieder an die Boden- oberfläche und gar erst in die freie Luft gelangen. In allen Punkten ist also das Verhalten der pathogenen Keime zu den tiefen Bodenschichten genau entgegengesetzt den Postulaten der v. PETTEXKOFERschen Theorie. — Die oberflächlichen Bodenschichten hingegen können sicherlich zu- weilen eine Rolle in der Uebertragung von Infektionskrankheiten spielen, weil hier zahlreiche Infektionswege vom und zum Boden gegeben sind, und andererseits die Möglichkeit einer längeren Konservierung, bisweilen sogar eines gewissen Wachstums pathogener Keime besteht. Sogar eine gewisse Abhängigkeit von den Feuchtigkeitsverhältnissen des Bodens kann hier zugegeben werden, indem bei größerer Trockenheit leichter Verstäubung und Luftinfektion erfolgen wird. Die Rolle, die der Boden hierbei als Zwischenträger spielt, kann aber ebenso gut auch von anderen Medien unserer Umgebung übernommen werden (Trinkwasser, Nahrungs- mittel, Wohnung, Gebrauchsgegenstände), vor denen der Boden höchstens in gewissen Fällen den Vorteil einer längeren Konservierung der Keime voraus haben mag; dafür aber werden die anderen Infektionswege, weil näherliegend und kürzer, sehr viel häufiger betreten werden. Nicht nur kann dem Boden keinerlei spezifische und unerlässliche Bedeutung für die Verbreitung irgend welcher Infektionskrankheit zugeschrieben werden, — sondern seine Wirksamkeit ist, wo sie überhaupt stattfindet, meist*) nur eine ganz sekundäre und steht an Bedeutung der anderer indirekter Infektionswege nach. — Litteratur. I. Historisches. — v. Pettexkofers Bodentheorie. — Kritik der- selben. — 1 V. Pettenkofer, a) »Untersuchungen xi. Beobachtungen üb. d. Ver- breitungsart der CUiolera«, München 1855; Archiv f. Hyg., Bd. 4, 5, 6; »Zum gegen- wärtigen Stand der Cliolerafrage«, München 1887. b) Münch. med. Wochenschr. 1892, 1)6. — ^ V. NÄ<;eei, Die niederen Pilze, München 1877, p. 70. — •' v. Petteis-- KOFER, Zeitschr. f. Biologie, Bd. I. — 4 Soyka. Archiv f. Hyg., Bd. 6. — 5 Koch & Gaffky, Cholera-Bericht, Arb. Kais. Gesundh. Amt, Bd. 3, (1SS7). — f' Flügge, Zeitschr. f. Hyg.. Bd. 14, 122. — " C. Fränkee, Deutsche med. Wochenschr., 1892, Nr. 48. — « M. Kirchner, Centr. f. Bakt.. I. Abt.. Bd. 12, 928. 1892. — 'i Flügge, Grundriss d. Hygiene, 2. Aufl., Leipzig 1891, S. 529. — ^ y. Fodor, Hyg. Unter- suchungen üb. Luft, Boden u. Wasser, Braunschweig 1881—82, IL Bd. — n KrüG- *) Nur auf den sog. »Milzbrandweiden« (vgl. oben S. 183) ist die Bodenbe- schaifenheit von ausschlaggebender Bedeutung. Allgemeine Morphologie und Biologie n. s. w. 187 KULA, Wien. med. Wochenschr., 1S7S, 1116. — i- Flinzeu. Typhus-Epidemie in Chemnitz. Berlin 1S89. — i-* ('. Fkänkel & Piefke, Zeitschr. f. Hyg.. Bd. 8. II. Vorkommen und Verhalten pathogener Bakterien im Boden. 1* Pasteur, Bulletin de l'acad. de med., 1S81. — i-' Kocii & (taffkv. Mitteilungen Kais. Gesundheits-Amt, Bd. I. — ^'' NicoLAiEn. Deutsche med. Wochenschr. 1SS4. — i" Sanfelice, Ann. dell' Istit. d'Igiene Roma. 1S«)1, 1, fasc. 4. — i^ Houston. 27 "'Report of the Loeal Government Board. Sui)pl. — i'' Le Dantec, Ann. Pasteur, lSO-2. 851. — ^" Frank, Ztsehr. f. Hyg., 1. 369. 188(1. — ^" Rembold. ebd.. 4, 498. — -- Tryde, Semaine medicale i88r).'^ — ^n Mace, C. r. acad. d. soienees. Paris, tome lOß. _ 24 FÜLLES, Zeitschr. f. Hyg.. 10, 234. — '^'^ Lösener, a) Arb. Kais. Ges. Amt, Bd. 11. Nr. 2; b) ebd. 12, 448. — * Remlinger & Schneider. C. r. soc. biol. 1890, 803; Ann. Pasteur, J897, 55. — 2' Schrakamp, Archiv f. Hyg., Bd. 2. — 2^ Feltz, Arch. gen. de mc'd., 1886, 239. — ^'' Dempster, Brit. med. Journ.. 1894, I, 1126. — *) DE Giaxa. Centr. f. Bakt, I. Abt, 8. 269. (1890). — :» Manfuedi & Sera- FiNi, Archiv f. Hyg., Bd. 11. 1. ~ ^2 de Blasi, Riforma medic, Octob. 1889. — *' Karlinski. Arch. f. Hyg., Bd. 8. 302. — 34 Rullmann, C. f. Bakt., I. Abt., Bd. 30, 321, 1901. — 3.-> Uffeljiann, ebd., Bd. 5, 1889. — ^n Grancher & Deschajips, Arch. med. exper. & anat. path., 1889. I, 5. — ^t Robertson, Brit. med. Journ., 189S, I. 69; Arch. physiol. norm, et pathol., 1893, 33. — 3« S. Martin, Report of the med. Ot'fieer: Local Government Board, 1897; 1898, Suppl. p. 308. — ^i» Soyka. a) Fortschr. d. Med!, 1886.9; h) Prager med. Wochenschr. 1885. Nr. 28; Zeitschr. f. Hyg.. 2.96, 18S7. — 4(1 C. Fränkel. Ztsehr. f. Hyg., Bd. 2, 521, 1887. — 4i Reimers, ebd.. Bd. 7, 307. — 41a Piu)SKAUER, Wernicke & ScHKEiDER, Zcitschr. f. Hyg., 11, 90. — 42 Davids, Archiv f. Hyg., 24, 213. — 43 Beumer, Deutsche med. Woclienschr. , 1886. — 44 Maggiora, Giorn. della Reg. Aecad. d. Med., 1887. — 4.-. Hofmann, Archiv f. Hyg., Bd. 1, 273. Bd. 2, 145. — 40 Wurtz & Mosny, Revue d'hygiene. tome XI. — 4' A. Pfeiffer, Zeitschr. f. Hyg., 1, Nr. 3. 1886; Repertor. d. analyt. Chemie. 1886, Nr. 1. — 48 Renk, Arch. f. Hj^g., Bd. 4. — 49 Petri. Zeitschr. f. Ujg., Bd. 3. — ■'"• Büch- ner, Centralbl. f. d. med. Wiss., 1882. T. Vorkommen und Verhalten der pathogenen Bakterien im Wasser. I. Bakteriologi.sches Verhalten der verscliiedeiieii iu der Natur vor- kommenden AVässer. Meteorwässer (Regen, Scbnee, Hagel) sind, wenn direkt ohne Verunreinigung aufgefangen, eutspreclieud dem Verhalten der freien atmospliärisclien Luft, fast stets frei von pathogenen Keimen, können jedoch zuweilen bedeutende Mengen von Sapropliyteu enthalten. In dem in Zisternen aufgefangenen Regenwasser kommt es häufig zu starker Bakterien- vermehruug ; durch Genuss solchen Wassers können sogar Verdauungsstörungen hervorgerufen werden (Peestee ^j. Ob erfläc heil Wässer (Flüsse, Teiche, Seeeii) sind, falls nicht ganz besondere Vorkehrnui;en zu ihrem Schutze getrotfeu werden (Thalsperren), stets der Möglichkeit von Infektionen ansgesetzt und daher unter allen Umständen als verdächtig zu bezeichnen und im rohen Zustand vom Genuss auszuschließen. Üie Größe der Infektionsgefahr ist in den ein- zelnen Fällen sehr verschieden und richtet sich sowohl nach der Natur und Menge der verunreinigenden Zuflüsse, als auch nach den besonderen Verhältnissen des betr. Gewässers. In letzterer Beziehung kommt zu- nächst die Wassermasse iu Betracht; je größer dieselbe, desto größer uatürlich auch die Verdünnung des infektiösen Materials und desto ge- ringer die Chance einer Weiterverbreitung; daher ist das W^asser größerer Landseeen und vor allem das Meerwasser relativ sehr rein. Weiterhin spielt eine wichtige Rolle die in jedem Einzelfall wechselnde Gesamtheit jener Faktoren, die an der »Selbstreinigung« eines Gewässers be- teiligt sind; so die Strömungsgeschwindigkeit und die bakterienfeiudlichen Einwirkungen des Lichtes, sowie die Konkurrenz von saprophytischen 188 E. Gotschlich. Wasserbakterieu und g-iünen Wasserpflanzen. Ein und dasselbe Moment wirkt uicbt immer in gleicliem Sinne; so kann eine geringe Strömungs- geschwindigkeit einmal durch Sedimentierung das rasche Verschwinden der Bakterien aus dem Wasser begünstigen; ein anderes Mal bedingt dieselbe geringe Stromgeschwindigkeit örtliche Stagnationen, in denen sich die Keime längere Zeit ungestört lebensfähig erhalten können u. s. w. Es ist hier nicht der Ort, auf diese überaus komplexen und von Fall zu Fall wechselnden Verhältnisse der Selbstreinigung der Flüsse einzugehen; vgl. u. a. Pettenkofer^, Loew^, Uffelmann', Bokorny-^, KoENiG**, Krusev — Das einzige im Großen anwendbare Mittel, um das trotz der Infektionsgefahr in vielen Fällen unentbehrliche (weil durch nichts Besseres ersetzbare) Oberflächen wasser zum Genuss gebrauchsfähig zu machen, ist die Sand fil trat ion. Doch ist dieser Schutz nicht absolut; die Sandtilter bewirken zwar eine sehr erhebliche Keimvermin- derung, aber arbeiten nicht keimdicht und lassen (im künstlichen Ver- such) Typhus- und Cholerabazillen durch (C. Fränkel^^). Insbesondere ist dies der Fall bei unsachgemäßem Betrieb oder bei Störungen des Filterbetriebes (vgl. Bd. III, Allgemeine Prophylaxe); in der That ist es schon mehrfach gelungen, epidemische Ausbrüche von Typhus oder Cho- lera auf solche Unregelmäßigkeiten des Filterbetriebs zurückzuführen (R. KOCII^ C. FRÄ^JKE[>^ C. FrÄXKEL & PlEFKEi^", PROSKAUER^^). Die bakteriologische Beschaffenheit des Grundwassers hängt zu- nächst ganz von der Beschaffenheit der filtrierenden Bodenschichten ab, die dasselbe auf seinem Wege von der Bodenfläche her passieren musste. Wie oben im Kapitel »Boden« dargelegt, sind in dichten gut filtrierendem - die tieferen Schichten (unter 3—4 Meter) des Bodens und das in ihnen enthaltene Grundwasser fast stets keimfrei. Selbst inmitten großer Städte, in einem seit Jahrhunderten als Wohnstätte benutzten Boden, fanden C. Fränkel*" (in Berlin) und M. Neisser^^ (in Breslau) das Grundwasser vollständig steril; (zwecks direkten experimentellen Nachweises muss das Brunnenrohr vorher sterilisiert werden, am einfachsten durch Dampf, um die l)ei der Anlage des Brunnens von der Bodenoberfiäche her ein- gedrungenen Bakterien auszuschalten). In gleichem Sinne sprach schon die früher mehrfach gemachte Erfahrung, dass bei den meisten Brunnen (besonders bei solchen, die gegen äußere Infektion geschützt sind) nach längerem Abpumpen eine immer fortschreitende Abnahme des Bakterien- gehalts eintritt (Rothi^, Bolton^S HeraeusI'^), indem dann an Stelle des bakterienhaltigen Wassers des Brunnenschachts das keimfreie Grund- wasser tritt. — Brunnen in aufgeschüttetem oder häufig aufgewühltem Terrain sind natürlich nicht keimfrei; Beispiel von Typhusverbreitung unter solchen Zuständen bei Löffler^*"' (S. 604). Nicht immer ist nun aber die Filtrationskraft der oberen Bodenschichten ausreichend; z. B. in zerklüftetem Fels, in lockerem Kreideboden u. s. w. ; in solchen Fällen ist dann das Grundwasser keimh altig. Beispiele hierfür bieten die Beobachtungen von HaeglerI"^, Thoinot^'^, v. Chüm.ski^^; mehrfach wurde konstatiert, dass nach starken Regengüssen oder nach Berieselung des überlagernden Terrains der Bakteriengehalt des Grundwassers zu- nahm oder ein vorher steriles Grundwasser plötzlich bakterienhaltig wurde; ganz direkt ist in neuerer Zeit das Vorhandensein eines un- gehinderten Durchsickerns von der Bodenoberfläche her durch Versuche mit Fluorescein (Haxriot^^, Trillat2o) oder mit Prodigiosus- Aufschwem- mung (Pfuiil^i^) erwiesen. Häufig ist auch ein Transport von Keimen in horizontaler Richtung, der Strömung des Grundwassers folgend, Aügeineiue Morphologie und Biologie u. s. w. 189 lind zuweilen sogar auf weite Entfernungeu, l)eol)aelitet, so von Pfliil^j'' (der sclion bei einer durch Abpumpen erzeugten Spiegelabsenkung von nur 20 cm eine Fortführung der Keime um 8 m. binnen 1 Stunde konstatierte), sowie von Auba, Orlandi & Kündelli22 (Transport um 200 Meter beobachtet!). Ganz besonders leicht scheint ein solcher hori- zontaler Transport von Keimen bei Hochwasser, aus dem gestauten Fluss in das benachbarte Grundwasser einziitreten (Schill & Kexk23^ Hajdilul^^, Kkusf/-5'^). Ferner erklären sich in dieser Weise die bisweilen erhobenen positiven Befunde reichlichen Gehalts an Bakterien (und sogar au kleinen Wassertieren, Flohkrebsen u. s. w.) im Wasser artesischer Brunnen (cf. Löffler26, S. 604; GÄUTNER^va]^ indem solche häutig in oöener unterirdischer Verbindung mit Wasser stehen, das vor Infektion gar nicht oder sehr ungenügend geschützt ist. — Endlich kann auch ein an sich vollkommen keimfreies Grundwasser am Orte der Entnahme selbst accidentell, durch von außen von der Bodenober- tläche in das Wasser gelangende pathogene Bakterien verunreinigt sein. Besonders leicht kommt dies zustande bei nicht ganz tadellos konstruierten Kesselbniuueu (PLA(iGE & PROSKArER^s^); häufig beobachtet mau, dass die Deckung des Brunnenschachtes in sehr ungenügender Weise ausgeführt ist, (lose aufliegeuder schadhafter Holzdeckel u. s. w.), und dass Spalten und Piitze existieren, durch Avelche Verunreinigungen leicht in den Brunnenschacht hinabgelangen können, ja dass sogar absichtlich die Einrichtung getrofl'en ist, das überschüssige Wasser wieder in den Brunneukessel zurücklaufen zu lassen; kommt dann noch dazu, dass der Brunnen, wie so oft, an der tiefsten Stelle eines schmutzigen Hofes liegt, so dass alle Uureinigkeiten in der Piichtung nach dem Brunnen zu gespült werden, dass ferner vielleicht die schmutzige Wäsche am Brunnen selbst gereinigt wird, so darf es nicht überraschen, wenn Brunueninfektionen so häufig vorkommen. Auch bei tadelloser Deckung des Brunnens kann immer noch eine Infektion zustande kommen von selten der Wände des Brunnenschachtes; wenn letztere besonders in ihren oberen Teilen ungenügend gegen das seitliche Erdreich abgedichtet sind, und wenn in der Nähe des Brunnens Infektionsherde vorhanden sind (z. B. Abtrittsgruben oder Misthaufen oft nur wenige Meter entfernt!) oder häufig Schnuitzwässer aus- gegossen werden, so können pathogene Bakterien gelegentlich bis an die undichten Wände des Brunnenschachtes durchsickern und von da mit Piiunsaleu (letztere oft mit bloßem Auge sichtbar) entlang der Bruuneuwand ins AVasser hiuabgelangen ; besonders wird dies bei stärkeren Regengüssen der Fall sein. Endlich Averden manchmal vielleicht auch Tiere (Ratten, AVürmer, im Orient besonders große Schaben, die massenhaft in den Abtrittsgruben hauseuj einen direkten Trausport von Infektionserregern, sell)st auf weitere Entfer- nungen, veranlassen. — Gegen alle diese dem Kesselbrunnen drohenden In- fektionsgelegenheiten von der Bodenoberfläche her sind die eisernen Röhren- brunnen, die sog. »Abyssinier« vollkommen geschützt. Dagegen enthalten auch sie, ebenso Avie die Kesselbrunuen, meist eine größere oder geringere Anzahl von Saprophyten; diese »normale Bakterienvegetation« stammt aus den bei der Anlage (Erbohrung) des Brunnens von der Bodenfläche her mit Erde u. s. w. hinabgelangten Keimen, die sich nachträglich vermehren, oft in Form eines Belages der Brunnenröhre und den Wänden des Brunnen- schachtes anhaften und sogar eine gewisse Strecke weit in das umliegende Erdreich hineinAvuchern. Die beständige Vermehrung der Keime, die im Brunnenwasser stattfindet, kommt deshalb nicht zur Anschauung, weil gleich- zeitig ein großer Teil der Bakterien sich absetzt: durch Aufrühren des Schlammes Avird daher die Keimzahl im BrunnenAvasser sehr vermehrt (Rubxer^^). 190 E. Gotschlich, Aus dem Gesagten ergeben sich ohne weiteres die richtigen Grund- sätze für die hygienische Untersuchung und lieurteihmg von Brunnen Die Zahl der Keime (Zusammenstellung zahh-eicher bakteriologischer Wasseranalysen siehe in Tiemaxx-Gärtxer- Walters »Handbuch der Untersuchung und Beurteilung der Wässer«. Brauuschweig 1895. 4. Aufl.j giebt keinen richtigen Maßstab, indem es sich einmal vielleicht um massenhafte unschuldige Öaprophyten in einem gegen Infektion gänz- lich geschützten Brunnen handelt, während ein anderes Mal unter einer relativ geringen Keimzahl Krankheitserreger vorhanden sein können. Auch die Zahl der vorhandenen Bakterienarten (Migula^") und das Ueberwiegen verflüssigender Kolonieen, — Momente, auf die man früher gewissen Wert zu legen glaubte, — sind gänzlich belanglos. Neuerdings glaubte man in dem Nachweis von »Fäkalbakterien- (Bact. coli, Gärungs- und Fäulniserreger) den Beweis für eine Verunreinigung mit menschlichen Dejekten erbringen zu können (Schardinger ^', Maul32]; (loch auch dieses Kriterium ist nicht stichhaltig, da Bact. coli (und sogar virulente Arten desselben) nacliweislich in vielen Brunuen- und Quell wässern vorkommen, die von jeder Verunreinigung durch Fäkalien sicher frei sind (v. Freudenreich ^3, Moroni ^-i, Weissen- FELD-'^j. — Ein absolut sicheres Kriterium für die Infektiosität eines Wassers ist natürlich der gelungene Nachweis spezifischer Krank- heitserreger (Cholera- und Typhusbazillen u. s. w.], doch nur bei posi- tivem, nicht bei negativem Ausfall der Untersuchung; denn dieser Nachweis ist meist mit großen Schwierigkeiten verknüpft und gelingt daher nur in den seltensten Fällen; auch ist die Haltbarkeit vieler pathogener Keime im Wasser nur eine begrenzte, und können dieselben also zur Zeit der Untersuchung schon längst wieder aus dem Wasser verschwunden sein. Für den praktischen Plygieniker ist es aber von Wichtigkeit, nicht nur die Beschaäenheit eines Brunnenwassers in einem gegebenen Zeitpunkt zu kennen, sondern vor allem die Frage zu be- antworten, ob das Wasser dauernd vor Infektion geschützt ist, oder auf welchem Wege und unter welchen Umständen etwa eine solche zu fürchten wäre. Dies aber kann nur durch eine sorgfältige Lokal- inspektion der Brunnenanlage geschehen. Ani' den ausschlag- gebenden Wert dieser Methode der Beurteilung, gegenüber der die bakteriologische und erst recht die früher so beliebte chemische Unter- suchung durchaus in den Hintergrund treten, hat besonders Flügge ^^^ mit Nachdruck hingewiesen; vgl. auch über Grundsätze der Wasser- beurteilung Kruse 25'^ und Gärtner 2«. IL Epidemiologische Beziehungen des Wassers zu Infektionskrank- heiten und Befunde von spezifischen Krankheitserregern im Wasser. Die Infektion des Menschen (und der Haustiere) von verseuchtem Wasser aus kommt meist durch Trinkwasser zu Stande (Gastro-Intestinal- Katarrhe, Cholera, Typhus, Dysenterie, Milzbrand bei Tieren); ferner durch Bade Wasser, sei es durch direkten Kontakt (trachomartige Augenentzündung Fehr-^") oder dadurch, dass unbemerkt kleine Wasser- mengen in den Mund gelangen (WEiLSche Krankheit); endlich auf in- direktem Wege durch Waschen von Nahrungsmitteln mit infiziertem Wasser (vgl. S. 202, 205). Litteratur über Erzeugung von Gastroiu- testinalkatarrhen bei Löffler^S'^ (S. 616 f.); namentlich Kinder in den ersten Lebensjahren erleiden durch mangelhaft filtriertes Flusswasser Verdauungsstörungen (Reincke-**, Meinert "'). Als Erreger ist in einem Allgemeine Morphologie uud IMologic u. s. w. \<^)\ Falle (Lartigax ^"j der Bac. pvocyaueus nachgewiesen; Box.iean-'^ fand denselben bei 2000 Untersuchungen von Fluss- uud Brunnenwasser in 5^ der Fälle und in virulentem Zustand. Ferner könnten hierfür Staphylo- und Streptokokken in Betracht kommen; letztere bisher nur einmal von Landmann '"-^ nachgewiesen, erstere öfters gefunden (Mack'', TiLS-*^, ÜLLMANN^^), vou letzterem Autor auch im Begenwasser (jedoch nur in den ersten, mit Staub reich beladenen Regentropfen). Ferner gehört hierher die durch einen choleraähnlichen Wasservibrio ver- ursachte Lissaboner Epidemie (Camaea, Pestana it Bettencoukt^"). Bei der WEiLSchen Krankheit gelang es Jaeger^''', den Erreger im Flusswasser nachzuweisen: die Keime waren in den Fluss durch die Kadaver der au einer (durch den gleichen Proteus verursachten Ge- tiUgelseuche verendeten Hühner gelangt. — Bei der Cholera ist das Wasser als der wichtigste Infektionsträger, insbesondere für plötzliche explosionsartige Ausbrüche derselben, durch zahlreiche Untersuchungen erkannt, und häufig ist auch der ]N ach weis des Choleravibrio im Wasser in völlig einwandfreier Weise gelungen; zum ersten Male von Koch-*^ selbst im Wasser eines verseuchten indischen Tanks, später im Fluss- wasser von Altona und Nietleben, ferner u. a. vou Kicati c\c Rietsch^'-' im Wasser des Hafens von ^Marseille, von Lubarsch^" im Kielraum- wasser; betr. Befunde im Flusswasser vgl. C. Fränkel^^, Müllerö^, Schulze & Freyer •''•^, Wallichs s^, Dunbar ^5, »Bericht d. Kais. Gesundheitsamts über das Auftreten der Cholera im Deutschen Reiche 1893« ^6. Betr. der häufig gefundenen choleraähnlichen Vibrionen und ihre sichere Unterscheidung vom echten Choleravibrio vgl. Bd. H. Kapitel »Choleravibrio«. — Viel seltener sind die Fälle, in denen Typhusbazillen im Wasser in wirklich einwandfreier Weise nach- gewiesen wurden: seit Entdeckung der spezifischen Serumreaktion R. Pfeiffers sind nur vier absolut sichere Fälle bekannt, in denen die gefundenen Bazillen in allen Punkten (incl. Serumreaktion) dem Typhusbacillus gleichen (Lösener^^, Genersich^^, Kübler & Neu- feld ^'J, B. Fischer & Flatau^o). Die älteren Angaben (vollständige Litteraturangaben bei Löskner^') sind mit großer Reserve zu be- urteilen, da die damals bekannten Unterscheidungsmerkmale zur siche- ren Diagnose des Typhusbacillus, so wie sie heute gefordert wird, nicht genügten; immerhin verdienen einige der älteren Angaben auch heute noch Vertrauen, so die Fälle von Moers ^^ v. Fodor'^^^ Kamen ß», Schild 6-1, Jaeger^''\ Andererseits muss hervorgehoben werden, dass in vielen Fällen geübte Untersucher durchaus negative Ergebnisse hatten (vgl. z.B. R. Pfeiffer *^-i% Pfuhl 2'% BANTI«^ Weyland"", Cassedebat6"); letztere beide Autoren, sowie Kister '^"'' fanden in dem betr. infektions- verdächtigen Wasser dafür Bazillen, die dem Typhusbacillus ganz außer- ordentlich ähnlich waren, sich aber doch mit Sicherheit von ihm unter- scheiden ließen; eine Mahnung mehr gegen voreilige positive Deu- tungen nicht ganz sichergestellter Befunde! — Der Bac. enteritid. sporogenes, der zu gewissen Verdauungsstörungen in ätiologischer Be- ziehung steht, ist öfters in verunreinigtem Wasser nachgewiesen (Kleines). Tuberkelbazilleu sind von Ahba'''^ jj^ Weihwasser gefunden. — Eine patho- gene Abart des Bac. Friedländer wurde von Nicolle i^ Hebert"" aus Seineschlamm gezüchtet. — Milzbrandbazillen sind einmal im Schlamm eines Brunnens fin Russland) nachgewiesen, dessen Wasser die Ansteckung einer Hammelheerde bewirkt hatte (Diatroptoff'^j. — Hühnercholerabazillen sind iu einem Bache, in dessen Umgebung eine Hühnerepizootie entstanden 192 E. Gotschlich, war, von Ott ^2 uacligewieseu, doch muss nach dem durchaus negativen Ausfall der SciiÖNWEKTschen^^ Versuche mit natürlichem Infektions- modus (wobei das gleiche Wasser hei subkutaner Verimpfung- sich drei Wochen lang- infekü()s zeigte!) es zweifelhaft erscheinen, ob das Trink- wasser als Infektionsträger hierbei eine Kolle spielt. — Bakterielle, oft seuchenartig auftretende Krankheiten wasserbewohnender Tiere sind mehrfach beschrieben: Eknsts^^ Frühliugsseuche der Frösche, Fisch- seuchen von CnARRiN^4'\ Emmerich, Weibel^^ ^md Sieber ^^^ Krebs- seucheu {v. Gerl ' '). — Pathogene Anaeroben (Bac. tetaui und oedemat. malign.) sind mehrfach im Schlamm aufg:efunden worden (Lortet^*). III. Verhalten, Lebensfähigkeit und Absterben pathogeuer Bakterien im Wasser. Eine Vermehrung der im Wasser betlndlichen pathogeneu Keime kann in den meisten Fällen nicht eintreten, teils wegen der allzu Aveitgehenden Verdünnung der Näbrstofie (Typhusbazillen bedürfen nach BoLTON ^^ wenigstens 67 mg, Cholerabazillen wenigstens 400 mg organischer eiweißartiger Nährstolfe im Liter!;, teils wegen der schädigen- den Einwirkung des Lichtes nud der Konkurrenz der Wasserbakterien. Letztere sind ihrem besonderen Medium in so vortrefflicher Weise an- gepasst, dass sie selbst die in destilliertem Wasser enthaltenen Spuren organischer Stoffe auszunützen und zu enormer Wucherung zu gelangen vermögen. Trotzdem kann nnter Umständen Vermehrung eintreten (so z. B. beim Choleravibrio in den Gewässern seiner endemischen Heimat, in Indien); für solche Fälle ist zu bedenken, dass in einem infizierten Wasser, auch wenn seine Gesamtmasse zu arm an Nährstoff ist, doch an bestimmten Stellen, z. B. an suspendierten Teilen, abgestorbenen Pflanzen u. dgl., in der unmittelbaren Nähe der Einmündung von Ab- wässern, genügende Ernährungsbedingungen und gleichzeitig ein ge- wisser Schutz gegen schädigende äußere Einwirkungen vorhanden sein kann (Koch & Gaffky, S. 287). Viel häufiger als für die Vermehrung sind die Bedingungen für längere Konservierung gegeben. Für das Verständnis der hierbei in Betracht kommenden, oft sehr komplizierten Verhältnisse, und zur Er- klärung der oft außerordenthch divergierenden Angaben verschiedener Versuchsreihen ist das Studium der mit destilliertem Wasser angestellten Versuche unumgänglich. Reines destilliertes Wasser (und ebenso reine physiologische Kochsalzlösung) hat eine energische baktericide Wirkung (FiCKER^ö), falls die Bakterien allein (ohne Mitübertragung von Nähr- bodenteilchen) und nicht in zu großer Menge dem Wasser zugesetzt wurden. In diesem Falle ist, bei Einsaat von Cholerabazillen, der größte Teil der Einsaat schon nach 1 Stunde abgestorben; Absterben sämtlicher Individuen wird selbst bei einer Einsaat von 60000 bis 400000 Keimen pro Kubikcentimeter ausnahmslos zwischen 2 und 3 Tagen, meist aber schon nach 1 Tag, konstatiert. In dichteren Aufschwemmungen (ca. 10 Millionen Individuen per Kubikcentimeter) halten sich die Cholerabazillen wochenlang, bei sehr starker Einsaat (40 bis 60 Millionen Individuen per Kubikcenti- meter) sogar über 7 Monate. In solchen Fällen folgt sogar dem in den ersten Tagen beobachteten Absterben zahlreicher Individuen (Auslese!) eine erneute starke Vermehrung (oft über die Ziffer der Einsaat hinaus), die erst später einer allmählichen Abnahme der Keimzahl Platz macht. In gleicher Weise konservierend wirkt auch die Mitnbertraguns: geringer Mengen Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 193 von Nähimaterial. Selbst die minimalen Mengen verschiedener Substanzen, die das destillierte Wasser beim Stehen in Glasgefäßen aus der Wandung der letzteren aufnimmt, können eine schützende Wirkung ausüben; daher ist die Art des verAvendeten Glases für das Resultat von Bedeutung; z. !>. hat destilliertes Wasser, welches in Gefäßen aus dem sehr schwer angreifbaren Jenaer Glas stand, eine höhere baktericide Kraft als solclies, das in gewöhn- lichen Glasgefäßen aufbewahrt wurde. Aus dem gleichen Grunde steigert auch vorheriges längeres Kochen des Wassers seine konservierende Wirkung, indem beim Kochen mehr Stofle aus der Glaswand ins Wasser übergehen. Auf der anderen Seite können geringste Mengen von Metall, die das Wasser z. B. aus der Leitung aufgenommen hat, schon deutlich stärkere baktericide Wirkungen entfalten. Diese zuerst durch v. Näoeli*" entdeckten »oligo- dynamischen Wirkungen« sind gleichfalls von Fickek an Cliolerabazillen sehr eingehend geprüft worden. Es zeigte sich, dass Leitungswasser, welches 10 Stunden lang in der Hausleitung gestanden hatte (Hahn nicht geöffnet!) eine viel stärkere bactericide Wirkung äußerte als »gelaufenes« Wasser; in ersterem, oligodynamisch wirkenden Wasser waren Cholerabazillen (selbst bei einer Einsaat von 20 iNlillionen Individuen pro Kubikcentimeter), schon nach 2 Stunden fast sämtlich, und nach 4 Stunden ausnahmslos abgestorben, während im gew()hnlichen Leitungswasser (besonders bei Versuchen mit sterilisierten AVässern) nur eine langsame Abnahme der Keimzahl stattgefunden hatte. Es existiert sogar eine deutliche Nachwirkung von selten der Wandung von Gläsern, in denen äußerst verdünnte Kupferlösung (1 : 50 Millionen) auf- bewahrt worden war, und die (nach mehrmaliger energischer Spülung!) aufs neue mit reinem destillierten Wasser gefüllt werden; dieses letztere Wasser erhält deutlich stärkere l)aktericide W^irkung als vorher. — Ferner hat das Alter der Kultur einen wichtigen Einfluss; eine jüugere (20stündigej Kultur (besonders solche von geringer Virulenz) ist viel widerstandsfähiger als eine ältere (5 tägige): dies beruht darauf, dass die osmotischen Störungen, die ja neben dem Nährstofimangel das wichtigste bakterienfeindliche Moment im destillierten Wasser darstellen, bei jüngeren Bakterieuzellen (infolge der größeren Turgorkraft) weit besser ertragen werden als bei älteren. Auch die individuelle Charakteristik des Kulturstamms ist von Bedeutung; einen frisch aus dem Körper isolierten Typliusstamm sah Jordan ^^ im Wasser länger lebensfähig bleiben als eine lange Zeit fortgezüchtete Laboratoriums- kultur. Desgleichen ist eine gewisse Angewöhnung möglieh (P. Frank- T.AND^"-); eine Typhuskultur, die längere Zeit auf mehr und mehr verdünnten Medien gezüchtet worden war, zeigte bei Uebertragung in Wasser eine viel längere Lebensfähigkeit als eine direkt von dem herkömmlichen festen Nähr- substrat abgeirapfte Kultur. — Wenn schon in Versuchen mit destilliertem sterilen Wasser so zahlreiche und scheinbar ganz unscheinbare Umstände das Resultat in ganz wesentlicher Weise modifizieren können, so wird dies noch viel mehr der Fall sein bei Versuchen mit Brunnen- und Flusswasser. Hier treten noch zwei bestimmende Momente hinzu: der Gehalt an gelösten Stoffen, die ihrer verschiedenen chemischen Natur nach wieder im Einzel- fall von sehr verschiedener Wirkung sein können, und die Konkurrenz der Wasserbakterien. Was zimächst das Verhältnis zwischen der jNIenge ge- löster Stoffe und dem Gehalt eines Wassers an Sapropliyten angeht, so lässt sich (nach Tikmaxn- Walter- Gärtners Handbuch, S. 560) im allgemeinen ein gewisser Parallelismus nicht verkennen; doch ist derselbe für die Verhält- nisse der praktischen Begutachtung völlig unverwertbar, und kann man im Einzelfall nie aus dem chemischen Verhalten auf die Keimzahl sehließen, und natürlich noch viel weniger auf die Arten der vorhandenen Bakterien, blanche Handbucli der patliogeneii Mikroorganismen. I. 13 194 E. Gotschlich, Untersiiclier (Heraetts ^^) vermissteu jeden Zusammeuliaug zwischen cliemiscliem und bakteriologischem Verhalten. Dagegen ist es zweifellos, dass neue Zu- fuhr, selbst sehr geringer Mengen von Nährmaterial, eine bedeutende und zuweilen langandauernde Steigerung des Keimgehalts bedingt (Rubxer^''); auch beruht hierauf Avohl (Bur)L)TLER*^), durch Aufnahme gelöster Stofle aus der Wandung der Glasgefäße, die so schwierig zu erklärende Vermelirung der Keime in Wasserproben beim Stehenlassen, — im Gegensatz zu den natür- lichen Wasseransammlungen (Seeen, Flüsse u. s. w.), in denen der Keimgehalt konstant bleibt. Unter den gelösten Stoffen üben die Salze auf den Cholera- vibrio entschieden einen begünstigenden Einfluss aus, selbst in Mengen bis 1^ NaCl (Maschek*5, Aufrecht'''', Trenkmann^^); es ist sogar recht wohl möglich, dass der hohe Salzgehalt des Eibwassers seiner Zeit bei der Ham- burger Choleraepidemie in dieser Beziehung eine KoUe gespielt hat. Der Typhusbacillus wird nur durch sehr kleine Ko<;hsalzmengen begünstigt; größere Mengen (schon 1%] wirken ungünstig. Das Verhältnis der »organischen Verunreinigungen« des Wassers zu den pathogenen Keimen gestaltet sich sehr wechselnd und kompliziert; beim Vergleich der Versuchsresultate verschiedener Autoren kann man öfters für denselben Bacillus konstatieren, dass er einmal z. B. in besonders reinem Quellwasser schnell abstar)) und dafür in verun- reinigtem Flusswasser lange Zeit lebte — Avährend ein anderer Forscher gerade das umgekehrte Verhalten findet. Die KoUe der organischen Ver- unreinigungen kann offenbar eine zweifache sein; entweder können sie als Nährstoffe für die Bakterien dienen und sind dann offenbar begünstigend; oder es handelt sich um regressive Stoffwechselprodukte von Sapro- phyten, und dann werden die im Wasser vorhandenen pathogenen Keime direkt geschädigt. Belege für den ersteren Fall geben Bolton^^ für den Typhusbacillus, Klett*^ und Gamaleia*9 für den Choleravibrio ; letzterer Forscher fand be- sonders Tyrosin und Pankreassaft von begünstigendem Eintiuss auf Cholera- bazillen im AVasser, — Substanzen, die (weil in den Faeces enthalten), bei der natürlichen Infektion eine Rolle spielen mögen. Ein treffendes Beispiel für die schädigende Wirkung bakterieller Stoflwechselprodukte liefert Franklaxd^^; der Typhusbacillus war (bei 19°) in reinem Tiefbrunnenwasser 33 Tage lebens- fähig, in rohem Themsewasser nur 20 — 27 Tage; wurde aber das Themse- wasser gekocht und dann mit kleinen Mengen Rohwassers reinfiziert, so blieb der Typhusbacillus darin 34 — 41 Tage lebensfähig, trotz der gleichzeitig stattfindenden außerordentlich starken Vermelirung der Wasserbakterien. — Ganz allgemein zeigt sich die schädigende Wirkung der Konkurrenz der Wasserb akter ien in der Thatsache, dass pathogene Keime in sterilisiertem (bezw. filtrierten) Wasser viel länger lebensfähig bleiben als in Rohwasser; die Thatsache ist nicht ohne praktische Bedeutung, z. B. mit Berücksichtigung der Möglichkeit einer Infektion eines Reinwasser-Reservoirs bei Filteranlagen. In der Natur spielen außerdem noch die folgenden Momente mit. Die Rolle der Temperatur lässt sich ebenso wenig in einfacher Weise formulieren, wie die der chemischen Beschaffenheit. Bruttemperatur (und überhaupt oberhalb 20") kann einerseits bei Anwesenheit reich- lichen organischen Materials und Fehlen störender sajirophytischer Kon- kurrenz eine gewisse Wucherung der pathogenen Keime zulassen (vgl. insbesondere in der Tabelle beim Milzbrandbacillus!); andererseits können in sehr reinen, gehaltarmen Wässern die schädigenden Einflüsse des Hungers und der osmotischen Störungen bei 37o gerade viel verschärfter sich geltend machen, als im Zustand latenten Lebens bei niedrigeren Tem- Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 195 peratureu. Vergleich zwischen Zimmer- und Brunnentemperatur (20 bezw. 0 — 10") hisst erstere als vorteilhafter, insbesondere für die Konservierung von Typhus- und Cholerabazilleu erscheinen. Das Licht übt einen starken bakterienfeindlichen Eintiuss aus, ins- besondere in den oberflächlichen Schichten; (Näheres über Lichtwirkung auf pathogene Keime in Bd. III, »Desinfektionslehre«). Die Bewegung des Wassers ist gleichfalls von Bedeutung; di Mattei & Stacxitta ■"• brachten pathogene Keime, an Seidenfädchen haftend, in strömendes Leitungswasser und fanden hierbei stets geringere Lebensdauer als im stagnierenden Wasser. Auch vermag die Sedimentierung in ruhendem Wasser (von Emmehich'^^ für Milzbrandsporen direkt nachgCAviesen), die pathogenen Keime relativ rasch den oben genannten schädlichen Ein- wirkungen des Wassers zu entziehen; im abgesetzten Schlamme sind die Keime dann einer weit längeren Lebensdauer fähig (Diatkoptoff'', Weunicke'^^j, Endlich werden die in den natürlichen Wasseransamm- lungen vorhandenen höheren Pflanzen und Tiere gleichfalls nicht ohne Einfluss sein; die Versuche Wekxickes'*^ und Hoebeks-" über die Lebensdauer von Choleravibrionen in Aquarien sind daher von ganz besonderem praktischen Werte, indem hier die natürlichen Bedingungen in jeder Beziehung treu nachgebildet sind; Hoeber konnte nur eine Lebensdauer von einer Woche konstatieren, Wernicke hingegen eine solche von 3 Monaten, wobei einige Male die Pflanzenteile und ganz besonders regelmäßig der Bodenschlamm erheblich höhere Werte auf- wiesen, als das freie Wasser. — IS^eben allen diesen verschiedenen Versuchsbedingungen wird aber auch die zum Nachweis der i)atho- genen Keime angewandte Methode für den Ausfall des Resultates von Bedeutung sein; so erklärt sich wohl die relativ größere Häufigkeit positiver Befunde und die längere Lebensdauer beim Choleravibrio, in Vergleich mit dem (sonst widerstandsfähigeren) Typhusbacillus, aus der Thatsache, dass zum Nachweis selbst ganz vereinzelter Choleravibrionen ein sehr wirksameres Anreicherungs verfahren (Peptonwasserkultur) vor- handen ist, während uns ein solches für den Typhusbacillus leider nicht zu Gebote steht. Von mehreren Autoren (Stkaus &. Dubakry^^ Kruse 251^) ist auf die Notwendigkeit hingewiesen, möglichst große Mengen des Wassers zur Untersuchung zu verwenden; je nach der Quantität der untersuchten Wasserprol)e können die Resultate, Ijesonders l)ei vereinzelten Keimen, ganz verschieden ausfallen. — Im folgenden ist eine tabellarische Zusammenstellung der experimentellen Resultate über die Lebensdauer verschiedener pathogener Keime in verschiedeneu Wässern gegeben. Praktisch wichtig ist besonders, dass unter durchaus natürlichen Versuchsbedingungen, Cholerabazillen bis zu 3 Monaten, Typhusbazillen bis zu 4 Wochen im Wasser lebensfähig bleiben können. Die relativ kurze Zeitdauer, während welcher der Typhusbacillus (für unsere heutigen Methoden!) im Wasser nachweisbar l)leibt, bedingt wahrscheinlich, — im Verein mit der langen Inkubationszeit des Typhus — , dass der positive Nachweis des Typhus- erregers im Wasser so sehr selten gelingt; wenn sich der Verdacht auf ein Wasser gelenkt hat, ist es zum bakteriologischen Typhusnachweis eben meistens schon zu spät. 13* 196 E. Gotschlich, Tal)ellarisclie Zusainmenstelluuj der Versuchsresultate über Verhalten pathogeuer Keime im AYasser. Bakterienart Steriles destilliertes Wasser Steriles Quell- und Brunnenwasser Steriles bezw. nur filtriertes Flusswasser Rohes Quell- und Brunnenwasser Rohes Fluss- und Teichwasser Fickkr"", baktericide Wirkung des destill. Wassers. — Oligo- dynamische Wir- kungen.— Günstiger Kinlluss kleinster NährstolTmengen. .M.vscHKK *'•'', günsti- ger Einfluss kleiner Mengen von NaCl WoLFFHÜGKL & RIE- DEL ■'•'', desgl. Fraxiv- LAND''f' linden nach anfiinglicherVermin- derung dann vor- übergehende Zu- I nähme, hiernach de- j ünitive allmähliche Abnahme. A. Pi'EiFFER 9'?, Le- bensdauer länger als 7 Monate. HocHSTETTERf'S^ be- günstigender Ein- fluss geringster Nähr- stoffmengen; Lebens- dauer über 1 Jahr. BrakmIOS, 188 Tage. STUAUSS& DunARRy!'^, m Tage. BoLToN-i*, bei 20" über 2 Wochen le- bensfähig, bei 37" rascheres Absterben. BoBROWl"'', bei 2" ö Tase, bei 1(5" 11 Tage. WOLFFHÜGBL & RIE- DEL i''"». Bei Zusatz von 10 X sterilen infiltrierten Fluss- wasscrs bei Zimmer- BoiiRow tii'^, bei 1 bis 2" 10 Tage. BoijRowi^'', bei 14 bis 18" 28 Tage. GÄRTNER W2, bei 20° aiifängl. Vermehr- ung; Lebensdauer bis über 30 Tage. / Gleich- HukiteI'«' Maschbk*'-' falls an- fängliche Vermehr- ung Karlinski 99 a^ bei 8" im keimarmen Lei tungswasser nach 3 bis 4 Tagen abge sterben. Babes 100^ im Berliner Leitungswasser 7 Ta- ge lebend. WoLFHüGKL & Rie- del 95j bei 8" nach 5 Tagen Abnahme bis auf die Hälfte der Zahl ; bei Zimmer- temp. b. zu 32 Tagen Strauss & Dukarri:94 bei 5": 81 Tage. GRiEWANKii9^beiZim- mertemp. bis zum 3 bis 5. Tag starke Ver- mehrung, vom 8. Taj ab Verminderung: nach 2 — 3 Woche?: abgestorben. Kraus 101, bei 10,5" in 3 Wasserproben nach 24 Std. ver- schwunden. Gärtner i"-, dito bei 11,5". BoBRowios, bei 2" nach 10—15 Std. starke Abnahme, nach 34 — 39 Std. Ver- schwinden. Heider104, beiß- 11° 5 — 7 Tage lebend. R. Koch 105 a, bis 30 Tage nachweisbar. — 105 b^ in einem Falle natürlichen Vorkommens (Brun- nen in Altena), bei 3 — 5°, noch nach 18 Tagen nacliweisbar. Kruse 25 b, verschie- dene Werte, von 1 bis 10 Wochen; bei 8° weniger günstig als bei 22"; Lebens- dauer von der Größe d. Einsaat abhängig. Trenkmann^^ beiÄn- wesenheit von NaoS und Na Gl bei 22" starke Vermehrungd. Cholerabaz. Gamaleia ^'-^ nur in einem (auch che- misch stark verun- reinigten) Brunnen. Vermehrung binnen der ersten 3 Tage. — Stets Begünstigung durch Pankreassaft n. Tyrosin. Kraus 101, bei 10,5": 7 Tage. Hueppe112, bei ca.lO": 15 Tage. Karlinski 99b, bei 8" binnen 7 Tagen ab- gestorben. Holz 113, bei 12": 18 Tage. IIueppb112, bei 16 bis 20°; 5 — 10 Tage, einmal bis 30 Tage. BOBROW 103, bei 14—18" 9 Tage, bei 1-2" 8 Tage. CünninghamIOG*, in Tanks aus Calcutta bis 4 Tage. WOLFFHÜGEL & RIE- DEL 95-*, vereinzelte Cholerabazillen noch nach 20 Tagen. üffelmann 10", ver- schiedene Werte: 1 bis 6 Tage in verun- reinigtem Wasser, über 20 Tage in re- lativ reinem Wasser. Dünbar 5Jb** bei 37° nur bis zum 3. Tage, bei 20" und 11° bis zum 16. Tage. Wernicke 92 ***, un- ter natürlichen Be- dingungen bis zu 3 Monaten lebensfähig, besond.im Schlamm, Hoeber93, bei der gleichen Versuchs- anordnung 7 Tage. * Nur mit der Platten- methode, ohne Pep- ton kultur, nachge- wiesen. ** Natürliiher Infek- tionsmodus niii Schleim flocken au Choleradejekten. *** Aquariumsver such ! Holz 113, in Oraben- wasser bei 12° 1-^ Tage. KARLiNSKi99b. in übel- riechendem Tümpel nach 1 Tag abgestor- ben; in Flusswasser, bei Infektion raH Typhusdejekten, 2 bis 3 Tage. P. Frankland 82 bei 6" u. 19" in rohern Themsewasser 2o Tage. Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 197 Steriles destilliertes Wasser Steriles Quell- und Brunnenwasser Steriles bezw. nur filtriertes Flusswasser Rohes Quell- und Brunnenwasser Rohes Fluss- und Teichwasser u. Körpertemperatur anfänglich starkes Wachstum, bis zum 15. Tage; Lebens- fähigkeit bis zu 32 Tagen. Arnolu 100 SeiTziOi' P. Frank- LAXD '"' Keine P. Frankland ^R, bei Vermehr- allmählicher Ange- ung, nur wöhnung an ver- längere dünntes Nährsub- Lebens- strat, in steril. Theni- dauer sewasser üb. 39 Tage lebend; keine an- fängl. Vermehrung. Cassedebat m, in ste- ril. Wasser 44 Tage. Maschbk S">. Günstiger KOblbr& Nbufbld^-'. Einfluss kleinster Haltbarkeit von min- Na Cl-, Mengen ; bei destens 4 Wochen in 20" zwischen 10 und einem Fall natiir- 80 Tagen. [ liehen Vorkommens Bolton14^ bei 20" 4j nachgewiesen, bis (! Wochen, stark verunreinigtes Was- ser. Di Matte I & Stag- nittaOO, bei 8—10" in fließendem Quell- wasser 4 Tage, in demselben stagnie- renden Wasser 13 Tage lebend. P. Franklaxd82j in Tiefbrunnen Wasser bei 19" 33 Tage. R. Schwarz II*. In den verschiedensten sterilisierten und nicht-sterilisierten Wässern [selbst s3hr stark verunreinigten) monatelange Haltbarkeit; meist vom 2. Monat ab Verminderung der Virulenz. ach iibereinstiiumendenden Angaben aller Autoren, auch im sterilen Wasser, Ab- sterben in 2 — 3 Tagen; cf. Wolfehxjgel & Riedel 95 bei 35". R. Koch wöp, bei Zim- mertemperatur nach 90Tagennoch lebend BoLTONii, bei 35" nach 90 Tagen ab- gestorben. SlRENA& SCAGLIOSlll'' in ruhendem Wasser 21 2 Jahre , in ge- schütteltem 201/iMo nate. FRANKLAND^fi. Rasch es Absterben in Lon- doner Leitungswass. (Litt.). Frankland&Ward115 In Themse Wasser Ab- sterben in 1 — 2 Ta- gen, wenn nicht or- ganische Stoffe zuge- setzt wurden u. Brut- teniperatur herrschte R. Koch lOöe, in Ber- liner Leitungswasser 10 Wochen. BoltonI*. 1 Jahr. Fr.vnklandOC, in ste- rilem Themsewasser über 6 Monate. SiRENA ÄSCAGLIOSlllf', 17 Monate. AV^olffhügel & Riedel 9-i, bei 35" anfäng- liche starke Vermehrung, bis zu 4 Tagen ; bei 7 — 10" binnen 2 Tagen fast sämtlich abgestorben. Mbade BoltonW, bei 35" schon nach 2 Ta- gen steril, bei 20" binnen 6 Tagen Absterben. [Gegensatz dieser beiden Angaben viel- leicht durch die verschiedene Versuchs- anordnuug bedingt; bei W. & R. direkte Ueberimpfung von der Kultur (ob viel- leicht Uebertragung von etwas Nährmatu- rial?) ; bei B. vorherige NaCl-Aufschwem- mung.l Kraus i^i. In rohem Brunnenwasser 2 — 4 Tage lebend (10"). IIUEPPE, GÄRTNBR. Karlinski id. Di Mattei & Stag- XITTA id. Uffblmann W"«", 3 Mo- nate. IIochstettfr^!^, 5 .Mo- nate. BoltonI*. in verun- reinigtem Brunnen- wasser bei 35" nach 90 Tagen abgestor- ben, bei 20" in un- veränderter Zahl. Di M.vttei & Stag- nitta, über 120 Tage in fließendem u. stag- nierendem Quell- wasser. IIobber"3j Aquarium- vers nch : bei 8" 3 Tai-e. bei 15" 4 Tage. Frankland**-, in moo- rigem Seewasser bei 18— 20" abgestorben binnen 3 Monaten bei 6 — 10" noch lebend. 198 E. Gotschlich, Bakterieiiart Steriles destill. Wasser Steriles Quell- und Brunnenwasser Steriles Lezw. nur filtriertes Flusswasser Eohes Quell- und Brunnenwasser Rohes Fluss- und Teichwasser Diphtherie- bazill en Tuberkel- b a c i 1 1 II s Itotzbacil- 1 US I nfluenza- b a (• i 1 1 u s Pcstbacil- Ins Bac. pneu- moniae Friedlän- der Bac. pyocya- neus Staphylo- i-occ. pyo- gen, aiir. DEspiXB & Marig- NACllfia, 24 Std. LEUOUX-LBnARD lls 3 Tage. Demetriades 119, 21 Tage GEHRKE*jin llTage Streptococ- cus pyoge- nes Schweine- rotlauf" b aci Uns 11 üh n er Cho- lera b acil 1 u s *) Enorme Einsaat: ca. 20 Mill. pro ccm. StRAUSS & DUBABR\^4 bei 20° 24 Tage, bei 35" 25 Tage, hei 38° 115 Tag. Bonome120, 6 Tage. STR.VISS & DuBARR'i'-'* bei 20" 19 Tage, bei 25" 57 Tage. id., bei 20" 28 Tage. hei 25" 50 Tage, SxRAtlSS & DuBARR'i'Jl 0—8 Tagen. id., über 53 Tage. StRAUSS & DuBARR'i''* 8—10 Tage. Fbanki.axd *) nach 1 Stunde tot. StraussiS: Dubarry'^i 34 Tage. id., 0—8 Tage. *) Erysipelstrepto- coccus. in steril. Quellwasser 28 Tage. in nicht- steril. Leitungswasser 7 Tage. in steril. Brunnenwasser über 27 Tage, in steril. Leitungswasser iiher 27 Tage, in nicht-sterilen Brunnen- u. Flusswässern 12 Tage. id.. bei 20" 27 Tage, bei 30" 35 Tage. bei 38" 95 Tage. Deutsche Pest- Comm. 123; id., bis 7 Tage. id., über 73 Tage. R. Pfeiffer 121, im Leitungswasser nach 32 Std. abgestorben. \h\ steril. Leitungs- j Wasser 10 Tage. M. Bolton14 u. Strauss & DubarryM in sterilen Trinkwässern 15 — 23 Tage lebens- fcähig. id., 2 Wochen. id., 17 Tage. id., 2-30 Tage. in steril. Themsewas- ser 5 Tage. Di Mattet & Stag- NiTTA 90^ im fließen- den Wasser 6 Tage, im stagnierenden Wasser 12 Tage. Di Mattei & Stag- nittaOO^ im strömen- den Wasser 8, im stagnierenden 12 Tage. Bobrow103, bei 2,5" nach 5 Tagen noch in erheblicher Menge. Cadeac & Malet I21j Rotzauswurf im Was- ser 18 Tage virulent. id. In rohem (ziemlich keimreichen) Lei- tungswasser 5 Tage lebend. Di Mattet & Stag- nitta 'JOj flieI5eiid 7 Tage, stagnierend 10 Tage. cf.SCHÜNWERTH S.161 Allgemeine Morphologie und Biologie n. s. w. 199 Anhang. I. Meerwasser ist relativ keimann und zeigt nur in der Nähe von Kanalausmündungen einen stärkeren Gehalt an Bakterien ; in einer Entfernung von mehreren hundert Metern macht sich schon eine sehr erhebliche Selbst- reinigung bemerkbar, wobei dieselben Momente wirksam sind, wie bei der Selbstreinigung der Flüsse, und vor allem natürlich die enorme Verdünnung die wichtigste Rolle spielt. Von pathogenen Bakterien ist nur einmal der Choleravibrio im verunreinigten Ilafenwasser von Marseille gefunden worden (NiCATi & RiETScii'*^). Die Haltbarkeit pathogeuer Keime im Meerwasser ist ziemlich bedeutend; der Choleravibrio hält sich im sterilisierten Meerwasser mehrere Wochen, bis 81 Tage (Nicati & Rietsch*^^ de Giaxa124j| jm rohen Meerwasser beobachtete de Giaxa eine Lebensdauer von nur 4 Tagen, Klein '''^*' von über 2 Wochen; letzterer Autor konstatierte hierbei eine Neigung zur Varietätenbildung. Der Typhus1)acillus hält sich im rohen Meerwasser nach DE Giaxa über 9 Tage (Versuch nicht weiter fortgesetzt), nach Klein bis zu 3 Wochen, und hatte nach dieser Frist noch alle typischen Merkmale (inkl. spezifische Immuuitätsreaktion!) bewahrt. Milzbrandsporen bleiben über IY2 Jahr keimfähig (Sirena & ScagliosiII^); der Staphylococc. pyogen, aar. über 40 Tage (de Giaxa). In nicht zu keimreichen Meerwasser scheint sogar Vermehrung einiger Arten (Typhusbazillen, Staphylokokken) möglicli zu sein. — Betr. Austern vgl. S. 206. IL Natürliche Mineralwässer und künstliche kohlensaure Wässer. Natürliche Mineralwässer sind, an der Quelle selbst entnommen, meist sehr keimarm (Fazio125^ Grandhomme126^ Poncet 1-7^ Malapert- Neuville 128) ; nach Füllung in Flaschen kann , durch accidentelle Verun- reinigungen, oft ein erheblicher Keimgehalt zustande kommen (Reinl129j. [lieber thermophile Bakterien aus heißen Quellen vgl. S. 75.] Künstliches Selterswasser ist meist sehr keimreich (Sohnke ^^^, Pfuhl i'^ 1, Hochstetter ''^j und enthält oft 10000 und mehr Bakterien pro Kubikcentimeter. Diese große Keimzahl stammt entweder von accidentellen Verunreinigungen her (Flaschen- spühvasser), oder sie kann verursacht sein durch eine vorangegangene starke Vermehrung der Wasserbakterien in dem zur Fabrikation verwendeten Wasser, besonders wenn letzteres nicht mehr ganz frisch ist. Durch die unter starkem Druck stehende CO2 kommt zwar häufig eine Abnahme der Mikroben zu- stande (Leone 132^ Sohnke i3o^ Scola & Alessi i^^); doch ist diese Erscheinung keineswegs konstant, da sich die Wirkung nicht auf alle Arten erstreckt (Hochstetter, Scola & Sanfelice 1 '4). Mit Rücksicht hierauf, sowie an- gesichts der Thatsache, dass nachweislich Typhusepidemien durch den Genuss verunreinigten Selterswassers entstanden sind (Hellwk; ^3^), ist das Verhalten pathogener Keime in künstlichen kohlensauren Wässern von ganz besonderem Interesse. Hochstetter fand sporenfreie Milzbrandbazillen schon nach 1 Stunde, Cholerabazillen nach 3 Stunden (und ganz ausnahmslos nach 24 Stunden), Typhusbazillen nach längstens 5 Tagen abgestorben; Milzbrandsporen waren noch nach 5 Monaten lebendig. Dräer^^'' fand Cholerabazillen im Selters- wasser manchmal noch nach 1 Tage, nie nach 2 Tagen. Das keimtötende Moment ist allein die CO2; wird dieselbe verjagt, so können sich Cholera- bazillen viele Wochen im Selterswasser lebend halten. — Als praktische Folgerung ergiebt sich, Selterswasser, von nicht ganz absolut unverdächtiger Provenienz in Zeiten von Cholera- oder Typhusepidemien stets wohlverschlossen einige Tage bezw. 2 Wochen aufzubewahren, bevor man es trinkt. 200 E. Gotschlich, III. Eis. Die bedeutende Widerstandskraft pathogener Bakterien gegen Kälte (vgl. Bd. IIIj macht es erklärlich, dass Roheis oft einen bedeutenden Keimgehalt hat (C. FränkelI-^^^ Heyroth ^3Sj Durch das Gefrieren wird der Keimgehalt zwar vermindert (Bordoxi-Uffrkduzzi i^^, Pruddp:x i^") ; doch erhalten sich gerade die pathogeuen Keime im Eise lange lebensfähig. Cholerabazillen halten sich im Eis bis zu 8 Tagen, selbst bei Temperaturen bis — 20" C. hinunter (AbelI-h, Renk i ''-2, Weiss "^^j. W^ährend der Nietlebener Choleraepidemien kamen mitten im liarten Winter (bis — 20") nachweislich Verschleppungen des Choleravirus durch das Saalewasser auf eine Entfernung bis zu 20 Kilometer thalwärts vor (KochI*^^^). — Typhus- bazillen halten sich im Eis (bei — 10"j bis über 100 Tage lebensfähig (Pruddex); abwechselndes mehrmaliges Gefrieren und Auftauen ist schädlicher, Avirkt aber auch nicht sicher (Moxtefusco ^-'^j. — Praktisch ist Eis genau nach denselben hygienischen Gesichtspunkten zu beurteilen, wie das Wasser aus dem es hergestellt Avorden. Litteratur. 1 Prestel, Vierteljahrsschr. f gerichtl. Medicin, N. F., Bd. 16 (1872". — — V. Pettenkofer, Archiv f. Hyg., 12, 269; Dtsch. med. Wochenschr., 1891, Nr. 47. — -^ LoEW, Archiv f. Hyg., 12, 261. — •> Bokorny, ebd., Bd. 20, Nr. 2. — 4 Uffelmann, Berl. klin. VV^ochenschr. , 1892, Nr. 18. ■ — f' Koenig, ref. Hyg. Rundschau, 1901, Nr. 4. — ' Kruse, Centralbl. f. allg. Gesundheitspfl., 18, S. 16. — « C. Fränkel, a) Dtsch. med. 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Das Vorbandeusein krauklieitsenegeuder Bakterien in jSaliiiingsmitteln kann auf sehr verschiedene Weise zustande kommen ; folgende Hanptfälle lassen sich unterscheiden : 1. Saprophyten, die gewöhnlich oder doch sehr oft normaler Weise sich in den betr. Nahrungsmitteln finden, aber nur in kleiner Menge, und unter solchen Umständen ganz unschuldig sind; durch besondere Verhältnisse hat eine sehr starke W^icherung derselben stattgefunden und kommen toxische Eflekte zustande. Hierher gehören alle jene meist leichten Gastricismen nach Genuss verdorbener Nahrungsmittel; ferner gewisse Fälle von Fleischvergiftung sowie Flügges ^ toxische peptouisierende Bakterien der Kuhmilch. 2. Pathogene Bakterien, die sowohl für die Schlachttiere als für den Menschen infektiös sind, können mit Fleisch und Milch kranker Tiere auf deii Menschen übertragen werden. Hierher gehören die Tuberkulose-Uebertragung durch Milch (vgl. jedoch weiter unten die neuesten Angaben Kochs^), die Milzbrandübertragung durch Fleisch milzbrandiger Tiere, die Erzeugung von Streptokokken-Gastro-Enteritis durch Milch von Kühen mit infektiösen Euter- erkrankungen, sowie gewisse Formen von Fleischvergiftung, besonders nach septischer Endometritis der Kühe. 3. Die Erreger einer Anzahl der wichtigsten menschlichen Infektionskrank- heiten können gelegentlich, durch Verunreinigung, in die Nahrungsmittel ge- langen und sich gelegentlich sogar darin vermehren. Entweder kann diese bakterielle Verunreinigung nur direkt seitens der mit den Nahrungsmitteln hantierenden erkrankten Personen erfolgen (Diphtherie, Scharlach); oder die Infektion kann indirekt durch ein vorher bereits verseuchtes Milieu erfolgen, insbesondere durch verdächtiges Wasser, das zur Spülung verwendet wurde oder das auch betrügerischer Weise behufs Fälschung hinzugesetzt wurde. Bei indirekter Infektion (Cholera, Typhus, Dysenterie) sind natürlich die Ge- legenheiten zur Infektion weit zahlreicher und entziehen sich weit leichter der Kontrolle. Von großer Bedeutung für alle jene Fälle, in denen die krankheitserregenden Bakterien in den Nahrungsmitteln wirklich zur Wucherung gelangen, ist der Einfluss der Temperatur; Wärme begünstigt die Bakterienwucherung. Hier- durch erklären sich manche jahreszeitliche Diflerenzen in der Verbreitung ge- wisser Infektionskrankheiten; so z. B. das gehäufte Auftreten von Gastricismen und Dysenterie im Spätsommer, und ganz besonders das fast ausschließliche Vorkommen der (durch Toxinbildner in der Milch bewirkten) Cholera infantum in der heißen Jahreszeit. In ähnlicher Weise lassen sich auf diesen Infektions- modus auch gewisse örtliche Diflerenzen im Auftreten mancher Infektions- krankheiten zurückführen, indem je nach den Gewohnheiten der Bevölkerung, und insbesondere je nach der sehr wechselnden Sorgfalt und Sauberkeit in der Behandlung der Nahrungsmittel, die Chancen für die Verseuchung von Nahrungs- mitteln mehr oder minder große sind. — Spezielle Betrachtung einzelner wichtiger Nahrungsmittel. I. 3Iilch- und ^lolkereiprodukte (Butter, Käse u. s. w.). Die nor- maler Weise in der Kuhmilch vorkommenden Bakterien teilt man, nach Flügges^ Vorgang-, zweckmäßig in 3 Gruppen ein: 1) die aeroben Mil c h 8 ä u r e b a k t e r i e n , welche die spontane Säuerung der Milcli ver- xUlgemeine Morphologie und Biologie u. s. w.3 203 imlassen, bilden keine Sporen und sterben sclion bei ganz kurzdauern- dem Kochen der Milch ab; pathogene Wirkungen kommen ihnen nicht zu; 2) die an aeroben Butter Säurebazillen, sporenbildend, durch 1 stündiges Kochen der Milch mit Sicherheit abzutliten: einige von ihnen sind Toxinbildner; doch kommen sie j)raktiscli als Krankheits- erreger nicht in Betracht, da sie die Milch in sehr sinnfälliger Weise und unter Entwicklung üblen Geruchs derartig zersetzen, dass sie als Nahrungsmittel von niemanden genommen werden würde; 3) die aero- ben peptonisier enden Bakterien , welche äußerst widerstands- fähige Sporen bilden und selbst einer mehrstündigen Erhitzung auf 100" Trotz bieten; die Zersetzung der Milch erfolgt, besonders in den ersten Stadien, in sehr wenig siuntalliger Weise, so dass eine solche Milch, besonders wenn leicht geschüttelt, ein durchaus normales Aus- sehen behält und unbedenklich genossen wird; trotzdem kann eine solche, scheinbar ganz unveränderte ^Iilch, schwere toxische Effekte im Darm- kanal auslösen. Vereinzelte Exemplare dieser pei)tonisierenden Bak- terien finden sich fast in jeder Milch, in die sie wahrscheinlich aus den Knhexkrementen beim 3Ielken geraten; Giftwirkungen aber entstehen erst, wenn nach intensiver Vermehrung dieser einzelnen Individuen eine große Zahl der giftigen Bakterienleiber aufgenommen wird: auch sind nur gewisse Arten Toxinbildner. Näheres über diese Giftwirkung siehe im Bd. III »Toxische Bakterien«. Flügges Angaben sind im wesent- lichen von Weher -^ bestätigt worden. Verschiedene Krankheitserreger des Kindes können in die Milch übergehen. So sind oft virulente Eiter kokken nachgewiesen: Sta- phylokokken (KuDiNOw^, Herr & Beninde''] und noch häufiger Streptokokken (Holst", Jaeger^, Beck*, Kadinowitscii^). Ein ein- ziges Mal ist der Milzbrandbacillus in Butter nachgewiesen (Bon- hoff ^0) ; die Infektionsquelle konnte nicht ermittelt werden. Ein für Menschen und Versuchstiere sehr pathogenes toxisches koliähnliches Bakterium ist vonGAFFKY^' beschrieben; es stammte aus den Faeces der an hämorrhagischer Enteritis leidenden Kuh. — Ganz besonders häufig ist in den letzten Jahren das Vorkommen echter Tuberkel- bazillen in Milch und Milchprodukten studiert worden. Positive Be- funde in der Milch sind erhoben von Bollinger^^^ May^', Steix ^^, Banges, HirschbergerI", Fiorentini^^ Friis^*, Schroeder i», Smith & Schroeder2o^ Obermüller-1, Petri22, Buege23, Rabinowitsch 9, Jaeger7, E. Klein 2^, Beck«, Nocari)25, Delepine^s, Ravenel27, KüHNAu^*, Knuth29, Tonzig 3«, Santori^i, Nonevvitsch32j Rabino- WITSCH & KeMPNEr33, Die relative Frequenz der positiven Befunde variiert zwischen etwa 5,5 ^ (23*) und 67 ^ (3'). Diese enormen Differenzen erklären sich aus der Verschieden- heit des untersuchten Materials, insbesondere nach der Beteiligung solcher Kühe, die mit Eutertuberkulose behaftet waren. Von letzterer war schon seit den ersten Versuchen bekannt, dass sie eine ganz besonders große Gefahr für die Infektion der Milch mit Tuberkelbazillen darbietet; wie massenhaft unter solchen Umständen die Tuberkelbazillen in die Milch übergehen können, sieht man daraus, dass Knuth2'' solche Milch selbst bei Injektion von nn f)r\n ^^^ ^^^^^ infektiös fand! Ein einziges mit Eutertuberkulose behaftete Stück Vieh genügt, — selbst in einem sehr großen Stalle, wo in der Misch- milch eine sehr starke Verdünnung zustande kommt, den gesamten Milchbestand 204 E. Gotschlicb. einer großen Molkerei zu infizieren. Nächst der Eutertuberkulose sind danu die Fälle von generalisierter Tuberkulose (aucli bei völligem Freisein des Euters) zu fürchten; auch ist zu bemerken (Herr & Bextxde^^), dass beide Kate- gorien der soeben genannten gefähi-lichsten Fälle nicht immer schnell zum Tode führen und sogar einige Zeit unbeachtet bleiben können. Die meisten früheren Autoren nahmen an, dass eine wirkliche Infektionsgefahr nur von Kühen mit generalisierter und Eutertuberkulose drohen, und dass das Vor- kommen von Tuberkelbazillen in der Milch bei lokalisierter innerlicher Tuber- kulose jedenfalls relativ selten sei. Demgegenüber zeigten nun neuere Ver- suche von Rabinoavitsch'^, Kempnfr & Rabinowitsch^s^ dass Tuberkel- bazillen in der Milch sehr häufig, sowohl bei beginnender Tuberkulose ohne nachweisbare Eutererkrankung, als auch sogar bei klinisch-latenter, nur durch die Tuberkulinprobe angezeigter Tuberkulose vorkommen; auch Ostertag-^^'^ hatte unter letzteren Bedingungen gelegentlich positive Resultate. Andererseits konnte Rabinowitsch*^ in sogen. »Kindermilch« , aus Molkereien stammend, die sich der Tuberkulinprobe bedienten, nie Tuberkelbazillen nachweisen. — In sämtlichen, aus infizierter Milch hergestellten Molkereiprodukten (Mager- milch, Buttermilch, Sahne, Butter) können sich Tuberkelbazillen finden; am stärksten sind Butter und Zentrifuge nschleme infiziert; ein Beweis für die besonders große Gefährlichkeit des letzteren ist, nach O.stertag'^^'', die in den letzten Jahren enorm gestiegene Häufigkeit der Schweinetuberkulose, die sich durch die mehr und mehr gebräuchlich gewordene Verfütterung des Zentrifugenschlammes an Schweine erklärt. — Unter den Molkereiprodukten ist besonders die Butter Gegenstand eingehender Untersuchungen geworden. Die Resultate der einzelnen Untersuchungen zeigen, je nach der verschiedenen Provenienz der Butter, selbst bei dem gleichen Autor, sehr große Verschieden- heiten. So hatten Rabinowitsch36^ (1. Untersuchung), Schuchardt'", Abex- HAUSEN^s^ BoxhoffIOj Baumgarten^^, Herbert^** (126 Untersuchungen!), Marki>i, durchaus negative Ergebnisse; andererseits fand Petrins in 33 ^ der Fälle echte Tuberkelbazillen, und Obermüller^i'^ und Rabinowitsch3'"'1' (2. Untersuchung) konnten gar in Butter aus einer und derselben Produktions- quelle (große Berliner Butterhandlung) ausnahmslos, in 100 % der Fälle, echte Tuberkelbazillen nachweisen. Weitere positive Befunde stammen von Brusa- rERR0^2^ R0TH-i3^ HORMANN & MORGENROTH^^ , GrÖNING-^^, KORN^*^, Weissenfels" , AscHER-ts, CoGGi-19, Hellström^ö^ Herr & Beninde-^'. Letztere Autoren geben als annähernden Durchschnittswert für die Frequenz der Verseuchung von Butterproduktionsstellen 13 % an. — Auch in der Margarine sind in einem ziemlich starken Prozentsatz der Fälle echte Tuberkelbazillen nachgewiesen (Mor<4EXRoth'^i, Anxett^^); dieselben stammen entweder aus der zur Fabrikation verwendeten Zentrifugen -Magermilch oder aus den im Rindsfett eingeschlossenen Lymphdrüsen. Auf letzterem Wege er- klären sich wohl auch die von Rabixowitsch^ in dem als Butterersatz em- pfohlenen Präparat »Sana« gefundenen echten Tuberkelbazillen ; vgl. Polemik mit MiCHAELis'^'\ Auch im Kefyr und im Quarkkäse sind Tuberkelbazillen gefunden worden. — Ueber die eigenartige Technik und die Schwierigkeiten dieser Untersuchungen von Molkereiprodukten auf Tuberkelbazillen, sowie über die Unterscheidung der echten Tuberkelbazillen von ähnlichen säure- festen Stäbchen vgl. Bd. II, Kap. Tuberkulose. — Die Bedingungen der Haltbarkeit von Tuberkelbazillen in den Molkereiprodukteu Avurden zuerst von Heim^' ermittelt; er konstatierte, dass sich Tnberkelbazillen (aus Reinkulturen stammend) in Milch 10, in Molken und Käse 14, in Butter 30, in Quark aber nur 2 Tage lebensfähig erhalten können. Gasperini^^ will Tuberkelbazillen in Butter noch nach 120 Tagen virulent gefunden haben. Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 205 doch zeigte sich vom 30. Tage ab Vermiiulerung der Virulenz. Laskr^" hingegen sah scheu vom 6. Tage ab Verminderung der Zahl der Tuberkel- bazillen und vom 12. Tage ab definitives Verschwinden derselbeu. Die Dif- ferenzen erklären sich walirscheinlich durch Verschiedenheiten im Alter, Konservierungsznstand und Säuerung der Butter, indem in alter sauer ge- wordener Butter rascheres Absterben eintritt (HELLSTß()M^^'). Bei der Käse- bereitung zugesetzte Tuberkelbazillen sah Harrisox''" 40 bis 104 Tage am Leben bleiben (je nach der verschiedenen Sorte und Bereitung). Praktisch kommt die Infektionsgefahr durch Käse nicht sehr iu Betracht, da der Käse meist erst 4 Monate nach der Bereitung genossen wird. Die liedeutiing; aller dieser IJefimde von T-IJ in Milch und Butter für die Infektion des Menschen mit Tuberkuh)se erscheint sehr in Frage gestellt durch die neuesten Ergel)uis>;e Kochs"-^, indem hiernach es für unwahrscheinlich gelten rauss, dass der 15acillus der Rindstuberkulose beim Menschen tuberkulöse Infektion hervorrufen kann. — Endlich können iu die Milch gelegentlich auch durch Verunreinigung fbeim Melken oder durch das zur Spülung verwendete oder auch be- trügerischer Weise zugesetzte Wasser] die Erreger einiger der wichtig- sten menschlicher Infektionskrankheiten gelangen; hier sind insbesondere Typhus, Cholera, Scharlach, Diphtherie, Pocken zu nennen. Epidemiolo- gische Erfahrungen bei Almquist^*, Sciilegtendal^-', von Freuden- reich *^o, GoYON BoucHEKEAU & Fournial''!, Fkeeman'^2. — E. Klein*'^» und Eyre*"'-^' gelang je einmal der Nachweis echter Diphtheriebazillen in Marktmilch. — Rohe Milch ist für Cholerabazillen kein geeigneter Nähr- boden (CuNNINGHAM'^^, UfFELMANN*'^ WEIGMANN'^^ FRIEDRICHf'", HeSSE'''8) ; Vermehrung findet meist gar nicht oder doch nur in den ersten Stun- den statt; dann beginnt rasch fortschreitendes Absterben, das bei 15- 20" meist schon nach 12 Stunden, bei 37'^ sogar schon nach 6—8 Stunden beendet ist; doch können noch nach 2 Tagen (Basenau "'•*] und selbst iu saurer geronnener Milch (nach Hesse ^^ sogar wochenlang) Cholera- bazillen gefunden werden; in Buttermilch sind Cholerabazillen einige Stunden haltbar (Kister "O). Gekochte Milch ist ein guter Nährboden für Cholerabazillen (außer, wenn die Dauer des Kochens zu lang war, z. B. 3 Stunden — Hesse ''^): auch beträgt die Lebensfähigkeit bis zu 10 Tagen und mehr. — Typhusbazillen halten sich in roher, und selbst in spontan gesäuerter Milch lange lebensfähig, bis 3 — 4 Monate (Cant- LEY^i, Bolley & FiELD'2]; betreffs Buttermilch sind divergierende Angaben zu verzeichnen; nach Bolley & Field^2 Lebensdauer bis zu 3 Monaten, nach E. Fränkel & Kister ^3 nur wenige Tage; möglicherweise spielten Artverschiedenheiten der konkurrierenden Sapro- phyteu dal)ei eine wichtige Rolle. — In Butter und Käse sterben Cho- lera- und Typhusbazillen "rasch ab, nach 1 bis mehreren Tagen (Weid- mann & Zirn"^, Rowland ^'^). — Diphtheriebazillen zeigen in roher Milch üppiges, in sterilisierter nur beschränktes Wachstum (Schotte- Lius^**); umgekehrte Angaben bei Montefusco"^; letzterer Autor fand sie in Butter 2 Tage lel)ensfähig. n. Fleisch. BetreÖs der Uebertragung des Milzbrands durch Fleisch und bezüglich der verschiedenen Fleischvergiftungen vgl. Bd. IL Das Fleisch tul^erkulöser Schiachtiere (sofern dassell)e frei von Perlsucht- knoten) ist nur bei sehr hochgradiger Allgemeininfektion als gefährlich anzusehen (Peucii"» Steixiiei"l"-', Kästner *o-^) ; auch das (zuweilen zur 206 E. Gotschlich, Wurstbereitung verwendete) Blut kann dann infektiös sein (Bollinger^i). Bei lokalisierter Tul)erkiü()se hingegen ist das Fleisch nur selten infek- tiös und enthält höchstens spärliche T-B. (Bang i^, Kastner soi»^ Gal- tier ^2^ Perronctto^^^ jVJac Fadyan*»^, van der Sluys^^). — Auf ge- bratenem Fleisch (vor Austrocknung geschützt) halten sich Cholera- bazillen wenigstens 8 Tage lebensfähig (Uffflmann ^^]. III. Fische, Kaviar, Austern. Die Hypothese der Vermittlung der Lepra durch Fische ist wohl jetzt allgemein aufgegeben und sei daher nur der Vollständigkeit hall)er erwähnt. In Gegenden, wo Fische roh verzehrt werden (z. B. in Japan), könnte die Möghchkeit einer Cholera- infektion durch Fische aus verseuchtem Wasser in Betracht kommen (DöNiTZ '^f') : auf frischen Fischen sah Frifdricti Choleraljazillen 2 Tage, auf geräucherten 1 Tag (Uffelmann 4 Tage) lebend bleiben. Im Kaviar beobachtete C. Fränkel*^ eine Lebensdauer des Choleraviln'io v(m 2 Tagen, Friedrich ^^ von 3 — 6 Tagen: bei Aufbewahrung im Eis- schrank, wie dies bei den Händlern üblich, erhalten sich die Bazillen noch läDger (vgl. Bericht des Wiener hygienischen Instituts *s). — Austern aus verunreinigtem Wasser (in der Nähe von Kanalaus- mündungen) scheinen insbesondere für die Verbreitung von Typhus in Betracht zu kommen. Eingehende Erhebungen über die Verhältnisse an englischen Küsten im 24*'' Report of the Local Government Board 1894/95^9; epidemiologische Erfahrungen ferner bei Chante- messe^o^ Newsholme 'J^ und Horcicka^s. Allerdings ist der Nachweis von Typhusbazillen in solchen verdächtigen Austern meist nicht ge- lungen; positive Befunde nur je einmal bei Mosny'''^ und E. Klein s'J^ negative von Sabatier, Ducamp & Petit i'^, Herdjian & BoYCE-^^a (vgl. auch "2): doch ist dies in Anbetracht der außerordentlichen Schwie- rigkeit der Untersuchung wohl zu verstehen. Dagegen sind alle Autoren über die lange Lebensdauer der in Austern experimentell eingeimpften Typhusbazillen einig (12^ — 20 Tage; vgl. die obigen Autoren und E. Klein »^'^ nach Foote-'" sogar 30 Tage); zuweilen ist beobachtet, dass die Typhusbazillen in der Auster sich länger halten als im See- wasser; jedenfalls ist ihre Lebensdauer länger als der Zeitraum, der gewöhnlich zwischen Entnahme aus dem Austerupark und Konsum liegt. Glücklicher Weise scheint es, dass infizierte Austern durch Verweilen in reinem stets erneuertem Seewasser binnen wenigen Tagen von den pathogenen Keimen ])efreit werden können (vgl. ■>^^'). — Auch Cholera- bazillen l)leiben in Austern bis 18 Tage lebend (Wood^^). — Aus Miesmuscheln hat Lustiges einen toxischen Bacillus gezüchtet; doch muss es dahingestellt bleiben, ob alle Fälle von Miesmuschelvergiftung bakteriellen Ursprungs sind. IV. Eier kcmuten für die Verbreitung der Cholera iu Betracht kommen; WiLMs99 -wies nach, dass Cholerabazillen leicht, binnen 15 — 24 Stunden, in das Innere der Eier einwandern können, Avenn z. B. die Eischale mit Cholera- dejekten beschmutzt war oder wenn die Eier in infiziertem Häcksel verpackt waren. Aebnliches ist von Saprophyten schon lange bekannt, insbesondere von Anaeroben, die schon im Genitalkanal des Huhnes in das Ei einzuwan- dern seheineu (SciiOTTELirs "f'*^). In einem frischen Hühnerei ist einmal auch der Bac. pyocyau. nachgewiesen (Artault ^^^). V. Brod und anderes Grebäck. Klebrig- und Schleimigwerden des Brotes ist nach Uffelmann''^ auf Bakterien der Heubazillengnippe zurück- Allgemeine Morphologie und P.iologie u. s. w. 207 zuführen. (.*lioler;ibaziIlen halten sich auf Scheiben von frischem Iloggenbrot. wenn uneingehüllt der Luft ausgesetzt, wenigstens 1 Tag, wenn gut in Papier eingewickelt bis zu 3 Tagen, unter der Glasglocke vor Verdunstung geschützt bis über 1 Woche (Uffelmann ''S). Auf Kouditorwaren sah Frieduich*'" Ab- sterben nach längstens 24 Stunden, nur auf Biskuitkonfekt erst nach 1^ — 4 Tagen. VI. Gemüse und Früchte. Die Gefahr, dass durch Gemüse von Kiesel- feldern Typhus verschleppt werden könne, scheint nur sehr gering zu sein, da keinerlei einschlägige Thatsachen bericlitet sind ; auch konnten Guanchkk und Desohamps ^oö^ bei Besprengung des Bodens mit Typhusbazillenanf- schwemmuug nie Eindringen der Bazillen in die Pulpa der Pflanzen kon- statieren, obgleich die Keime in den Boden bis 50 cm tief eindrangen. Da- gegen ist sehr wohl Infektion seitens etwa zum Spülen des Gemüses verwen- deten verseuchten Wassers zu fürchten; auf Blumenkohl halten sich Cholera- bazillen 1 — 3 Tage (Uffeemanx*'-^;. Das Verhalten der Cholerabazillen auf Früchten ist sehr eingehend nntersucht (Kaiserliches Gesundheitsamt^'^^ Friedrich''', LAWRixowrrscn i02j; mif Fruchtfleisch erfolgt im allgemeinen rasches Absterben; doch bleiben die Bazillen auf süßen Kirschen, Birnen und Gurken einige Tage lebensfähig, und Melonen scheinen sogar einen guten Nährboden darzustellen. Auf der Oberfläche der Früchte vermögen sich die Bazillen viele Tage lebend zu erhalten, wenn nnr die schädigenden Einflüsse der Austrocknung und des Lichtes nicht einwirken können; sogar Fäulnis und Schimmelbildung scheint sie nicht zu stören. VII. Versclüedeue Oeträuke und Tabak. In Weinen verschiedenster Sorte sterben Cholerabazilleu sehr rasch, binnen 5 — ^20 Minuten ab (vgl. •'' und i**^, sowie Picki"'); letzterer Autor fand sogar in Mischungen von W^ein und Wasser, selbst im Verhältnis von l : 3, Absterben binnen weniger Minuten, und glaubt dies als einfaches prophylaktisches Mittel in Cholerazeiten empfehlen zu sollen. Sogar der, viel widerstandsfähigere, Typhusbacillus stirbt in Apfelwein (von mindestens 2^ Acidität) binnen 2 — ^IS Stunden ab. — In Bier erfolgt das Absterben des Choleravibrio gleichfalls rasch, spätestens nach 24 Stunden (WeylI''^; vgl. löi und 6'^). Maßgebend ist hier, wie beim Wein, nicht der Alkohol, sondern die Acidität. — Von verschiedenen Erfrischuugs- mitteln (Sirup, Liqueur), die dem Trinkwasser zugesetzt werden, fand Gorini i"^ nur Tamarinden-, Anis- und Mistraliqueur wirksam (in 10^ Lösung Ab- sterben der Cholerabazillen binnen j Minuten) ; die übrigen waren indifi'erent oder sogar wachtumsbegüustigend. — In Kakao- und Theeaufguss schwacher Konzentration (1^) können Cho- lerabazillen bis 1 Woche leben; in 4^igem Theeaufguss erfolgt jedoch Ab- sterben schon nach 1 Stunde, in 6^ Kaflee nach 2 Stunden, bei Zufügung von Milch oder Cichorie erst nach 5 Stunden (Friedrich"^). Auf trockenem Tabak und Cigarren ist stets rasches Absterben (längstens nach 7 Stunden) beobachtet (^^ und iö2j; ^ach W^ernicke i'^'^ erfolgt das Ab- sterben sogar rascher als bei Antrocknung auf Deckgläsehen; aber auch auf feucht gehaltenen Cigarren und in Schnupftabak Absterben binnen 24 Stunden; hierbei sind Acidität und Konkurrenz von Saprophyten wirksam. Litteratur. I. Milch- und Molkereiprodukte, i Flügge, Zeitschr. f. Hj'g., Bd. 17, 1895. — - R. Koch, Deutsche med. Wochenschr.. 1901. — •* Weber, Arb. Kaiserl. Ges. Amt. 18, 108. — 4 Kx'DiNOW. Ztschr. f. Tiermedizin. 2, 149. — •> Herr & Beninde, Ztschr. f. Hyg., 38, 152. 1901. — f' Holst, ref. Baumgartens Jahresber., 1895. 52. — ' Jaeger. Hyg. Rundschau, 1899, Nr. IG. — >* Beck, Deutsche Zeitschr. f. öffentl. Gesundheitspfl.. 208 E. Gotschlich, 1900, 430. — '' Rakinowitscii. Dtsch. med. Wochenschr., 1900. Nr. 26. — i" Box- hoff, Hyg. Rnndscliau, 1900. 913. — i^ Gaffky, Deutsclie med. 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Bakt., I.Abt., 2S, 448. 1900. — iitRuNTH, ebd., 28, 448. — 30 Tonzig, 3i Santohi, 32 Nonewitsch, ref. ebd.. Bd. 29, 955, 1901. — 33 Rabinowitsch & Kempner, Ztschr. f. Hvg., Bd. 31, 137: Centr. f Bakt., I.Abt., 26, 289, 1899. —-^ Ostertag, a! Ztschr. t Fleisch- u. Milch- hygiene, 1S99, Nr. 9 u. 10; b) ref Baumgartens Jahresber., 1893, 768; 1894, 728. — 3f: Rabinowisch, a) Zeitschr. f Hyg., Bd. 26, 90. 1897; Deutsche med. Woch., 1897, Nr. 32; b) ebd., 1899. — 3" Schuchardt, Centr. f. Bakt.. I. Abt., Bd. 21, 354, 1897. — 3« Abenhausen, Inaug.-Diss., Marburg 19Ü0. — 3ii Baumgarten, Baumgartens Jahresber., 1896. — 4fl Herbert, Centr. f. Bakt., I. Abt., Bd. 27, Nr. 10/11. 1900. — 41 Marke, Wiener klin. Wochenschr., 1901, Nr. 10. — 42 BRUSAFERRO,..ref Baum- gartens Jahresber., 1890. — 4;i Roth, Correspondenzbl. f. Schweizer Arzte, 1894. o21. — 44 HORMANN & MoRGENROTH , Hyg. Rundschau, 1898, 217 u. 1081. — 4"> Gröning, Centralzeitung f. Veterinär-, Viehmarkt- u. Schlachthof-Angelegen- heiten, 1897, Nr. 14/15. — 4r. Korn, Arch. f. Hyg., Bd. 36, 57. — 47 Werssenfees. Berl. klin. Wochenschr., 1S99, Nr. 48. — 4s Ascher, Zeitschr. f Hyg., Bd. 32. — 4'' CoGGi, ref. Centralbl. f Bakt., I. Abt., Bd. 27, 836. — 5" Hellström, Centralbl. f Bakt., I. Abt., Bd. 28, 542. — .'i Morgenroth, Hyg. Rundschau, 1899, Nr. 22. — ■''- Annett, Lancet, 1900, 159. — "'3 Michaelis, Deutsche med. Wochenschr., 1900, Nr. 30. — 54 Heim, Arb. Kais. Gesundh. Amt, 1899. — ■'■' Gasperini, ref Baum- gartens Jahresber., 1890. — •"'''' Laser, Zeitschr. f Hyg., 10, 153. — ^7 Harrison, ref Centralbl. f Bakt., I.Abt., Bd. 29, 310. — ^»^ Almquist, Deutsche Viertel- jahrsschr., f öffentl. Gesundheitspflege, 21. 327. — ''•' Schlegtendal, ebd., 1900, Nr. 2. — 6" V. Freudenreich, ref Baumgartens Jahresber., 1892, 240. — <'i Goyon, Bouchereau & Fournial, Revue d'hygiene et de police sanit. , 1892, Nr. 11. — '■2 Freeman, Med. Record, 1896, 28 march. — ''3 e. Klein. Centralbl. f. Bakt, I. Abt., Bd. 28, 111. — fi3.^ Eyre, Brit. med. Journ., 1899, II, 586. — f^ Cunningham, Arch. f. Hyg., 12, 133. — f'' Uffelmann, Berl. klin. Wochenschr., 1892, Nr. 48. — ''<■■ Weigmann, ref Centr. f Bakt., I. Abt., 16, 786, 1894. — «' Friedrich, Arb. Kais. Gesundh. Amt, 8, 465. — f« Hesse, Ztschr. f Hyg., Bd. 17, 238, 1894. — '«' Basenau, Arch. f Hyg., 23, 170. — ™ Kister, ref. Münch. med. Wochenschr, 1898, Nr. 22. — "1 Cantley, Local Government Report, 1897, Suppl. — '- Bolley & Field, Centr. f Bakt., II. Abt., Bd. 4, 881, 1898. — '3 E. Fränkel & Kister, Münch. med. Wochenschr., 1898, 197. — '4 Wek^mann & Zirn, Centralbl. f Bakt., I. Abt., 15, 286, 1899. — "■' RowLAND, Brit. med. Journ.. 1895, 1, 1392. — 'f' Schottelius, a) Centralbl. f. Bakt, I.Abt, 20, 897, 1896; h) Arch. f. Hyg., 34, 219, 1899. — " MoNTEFUsco, ref. Baumgartens Jahresber., 1896, 224. IL Fleisch. '« Peuch. ref. ebd., 1888, 211. — '■' Steinheil. Münch. med. Wochenschr., 1889. Nr. 40/41. — «0 Kastner, a ebd., 1892, Nr. 20; b ebd.. Nr. 34 35. — ^'i Bollixger, ebd.. 1893, Nr. 50. — f^- Galtier. ref. Baumgartens Jahresber., 1891. 787; 1892. 696; 1893. 744. — ^4 ref. ebd., 1892, 697. — «3 Perroncito, Centralbl. f. Bakt, I. Abt, Bd. 11, 429, 1892. — ^^ van der Sluys, ref. Centralbl. f. Bakt., L Abt., Bd. 28, 149, 1900. IIL Fische, Kaviar, Austern. *^^' Dönitz, Zeitschr. f. Hyg., I, 405. — ^' C. Fränkel, Hyg. Rundschau, 1892, Nr. 22. — *^« Bericht des Wiener b akter iol. u. hy'gien. Instituts, ref. Baumgartens Jahresber., 1892, 336. — s'.i 24. 333. VII. Verschiedene Getränke und Tabak, i"'^ Pick. Centralbl. f. Bakt., I. Abt.. Bd. 12. 293. 1892; Arch. f. Hyg.. Bd. 19. 51. — wi Weyl. Dtsch. med. Wochen- schr., 1892. Nr. 37. — i"^- Gorini. ref. Baumgartens Jahresber.. 1893. 369. — if« Wernicke, Hyg. Rundschau, 1892, Nr. 21. V. Vorkommen und Verhalten der pathogenen Bakterien in der unmittelbaren Umgebung der Menschen. I. Tu der Wohnung spielt zunächst die Luftinfektion eine he- deutsame Rolle, worüber bereits früher eingehend verhandelt ist. Hier sei nur nochmals darauf hingewiesen, wie schwierig, ja unmöglich oft die Unterscheidung zwischen Luft- und Koutaktinfektion ist; dies gilt besonders von dem Vorkommen pathogeuer Bakterien im Woh- nungs staub wobei zuweilen die Uebertragung auf beiden Wegen, häufiger jedoch nur durch Kontakt möglich ist. Des Zusammenhangs halber und um eine kritische Würdigung der einzelnen Fälle nach den genannten beiden Gesichtspunkten der Uebertragung zu ermöglichen, sind alle Beobachtungen über das Vorkommen von Krankheitserregern im Staube bewohnter Räume im folgenden zusammengestellt: betr. der durch Luftuntersuchungen gewonnenen Befunde vgl. oben S. 176. Am eingehendsten sind diese Verhältnisse für den Tuberkel- baeillus untersucht. CorxetI'' wies nach, dass Tuberkelbazillen sich im Staube von Räumen, die von Phthisikern bewohnt sind, nur dann vorfinden, wenn die betr. Patienten mit ihrem Sputum leichtsinnig um- gehen (Ausspucken auf den Fußboden u. s. w.): in Räumen dagegen, deren Bewohner ihren Auswurf stets in zweckentsprechende Spuck- schalen entleeren, und wo jede Verspritzung und Verstreuung des Spu- tums vermieden wird, fanden sich keine Tuberkelbazillen. KachprU- fungen durch Krüger-, Kirchner'^ und Haxce-* bestätigten die CoRNETschen Befunde, wobei sich gleichzeitig herausstellte, dass die Infektionsgefahr nicht so groß war, als ursprünglich, nach C(jrnet, zu erwarten gewesen; Kirchner fand nur ein einziges Mal T-B, und zwar auf dem Nachttisch, wo das Spuckglas gestanden hatte! Kelsch^ hatte sogar bei Untersuchung des Fußbodenstaubes in französischen Kasernen nur negative Befunde; desgleichen Kustermann*^ in einem von zahlreichen Phthisikern bewohnten Gefängnis. Weitere positive Befunde wurden erhoben von Cadeac c^ Malet", Mook"', Hehox und Chaplin '■>, Miller i'^ (? — nur durch mikroskopische Untersuchung fest- gestellt!), Maximowitsch ^1 (im Dielenstaub russischer Krankenhäuser in 43^ der Fälle!). VollaxdI'^ glaubt sogar in dem durch Tuberkel- bazillen infizierten Fußbodenstaub die wichtigste Ansteckuugsquelle für die Tuberkulose (zumal im Kindesalter) zu sehen, — eine Auffassung, gegen die allerdings gewichtige Bedenken erhoben werden können (vgl. Baumgartens Kritik in seinem Jahresber. 1899]. Im Staube von Eisenbahnwagen wurden T-B zuerst von Prausxitz'' und zwar in relativ geringer Menge gefunden; derselbe Autor stellte später fest, dass schon die vor der Abfahrt übliche gewöhnliche Reinigung genügt, Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 14 210 E. Gotschlich, um die T-B zum Verschwinden zu bringen; auch Petri^^ fand im Schlafwagenstaub nur in ^% der Fälle T-B, und konnte überdies nach- weisen, dass die Verunreinigung durch Bakterien um so häufiger war, je niedriger die Klasse der Eisenbahnwagen am meisten in der vierten, am wenigsten in der ersten Klasse). Nach Coknetsi'' zusammenfassen- der Uebersicht sind bisher etwa 400 Staubproben aus Phthisikerräumen untersucht worden. Ganz neuerdings hat noch Heymaxx^^ die Ee- sultate mehrerer unter Flügges'^ Leitung angestellter Versuchsreihen, mit im ganzen 120 untersuchten Staubproben mitgeteilt; aus diesen Versuchen geht deutlich hervor, dass der größte Teil der genannten positiven Befunde nur für Kontakt-, nicht aber für Luftiufektion in Betracht kommen kann. Zwei parallele Versuchsreihen, in denen an den gleichen Stellen einmal, nach der CoRNEXschen Versuchsauordnung, der Staub mittels feuchter Schwämmchen abgerieben wurde, ein anderes Mal jedoch nur der lose aufliegende flugfähige Staub mit einem feinen Pinsel abgestäubt wurde, ergaben für die letztere (allein für Luftinfektion in Betracht kommende) Anordnung dreimal weniger positive Befunde als nach dem ursprünglichen Verfahren Cornets. Dazu kommt weiter- hin, dass ein großer Teil der Entnahmestellen dem Kontakt seitens des Patienten ausgesetzt war, und dass mithin die T-B. au diese Stellen ebensowohl durch direkte oder indirekte Berührung, als durch Luft- übertragung gelangt sein konnten. Als praktisch wichtiges Ergebnis folgt aus diesen Versuchen nach Flügge, dass »flugfähiger tuberkel- bazillenhaltiger Staub in Phthisikerräumen relativ selten ist« und dass eine Gefahr, durch Stäuljcheninhalation infiziert zu werden, wohl nur während des Aufwirbeins großer Staubmassen vor- handen ist. Von Sputumproben , die in öifentlichen Gebäuden und Tramwagen gesammelt waren, finden Bissell & OrrI'^' ca. 6^ o tuberkelbazillenhaltig. Von Befunden anderer pathogener Bakterien in Wohnungen seien genannt : Der Tetanusbacillus wurde von BonomeI'^ im Schutt eines eingestürztea Gebäudes, von Hespe '*, Emmerich i** und Heinzelmaxn^o in Zwischen- deckenfülhmgen gefunden; uud zwar stammt letzterer Befund aus einer Woh- nung, wo mehrere Todesfälle an Tetanus sich ereignet hatten. Diese Befunde sind um so wichtiger, als der Tetanusbacillus an Holzsplittern sich sehr lange virulent erhält (von Etselsberg^i 2 Jahre, Henrijean 22 \\ Jahre!). Bazillen des malignen Oedems sind von Rullmann^s und Utpadel24 gleichfalls in Füllböden nachgewiesen. Verschiedene Eiterkokken, Pneumo- kokken, Pyocyaneus und einmal den Typhnsbacillus fand Solow.tew^s im Staub russischer Hospitäler; ferner entdeckte Jaeger26 im Fußboden einer Kaserne, in der epidemische Cerebrospinal-Meuingitis ausgebrochen war, — sowie in einer anderen Kaserne, wo gehäufte Pneumoniefälle aufgetreten waren, — Kokken, die sich iii nichts vom Meningococcus unterscheiden. Netter 27 fand noch nach 4 Wochen im Staub eines Krankenzimmers hoch- virulente Pneumokokken. Betrefifs Diphtheriebazillen existieren positive Befunde seitens Wright & Emerson 28^ RiTTER2y und Sharp =^ö- ^q^\^ jgt in letzteren beiden Fällen die Identität der gefundenen Mikroben mit dem Diphtheriebacillus nicht hinreichend begründet; negative Befunde werden von Schlichtern^, Heymann ^^ und Kober''2 gemeldet. — Epidemiologische Erfahrungen, besonders aus Egypten, sprechen dafür, dass der Fußboden auch bei Pest eine sehr wichtige RoUfr Allgemeine Morphologie vmd Biologie n. s. w. 21 1 als Infektionsträger spielt (teils direkt, teils durch Vermittlung der Ratten); der direkte Nachweis des Pestbacillus im Fußboden ist allerdings noch nicht erbracht, abgesehen von einer, wahrscheinlich irrigen Angabe Kitasatos. Vor allem halten sich die imbekannten Erreger der akuten Exantheme sicherlich lange Zeit in der infizierten Wohnung. Nächst dem Fußboden sind besonders staubige, selten gereinigte Teppiche und Ecken als Infektionsträger zu fürchten; ferner dunkle, staubige Treppen- häuser, Geländer und Thürgrifte (von Esmarch^s^ II. Die Bedeutuug der Kleidung- als Infektionsträger ist durch zahlreiche epidemiologische Erfahrungen, und schon lange vor der bak- teriologischen Aera, über allen Zweifel erhoben, insbesondere für akute Exantheme, Wundinfektionskrankheiten, Pest imd Cholera. In seltenen Fällen kann sogar hierljei eine Vermehrung der pathogenen Keime er- folgen, so z. B. in feuchter Wäsche, die mit Choleradejekten getränkt ist. In den übrigen Fällen findet nur Konservierung der eingebrachten pathogenen Keime statt, diese al)er meist in recht ausgiebigem Maße. So hält sich der Pestbacillus ])ei tropischer Temperatur, an Seiden- fäden angetrocknet, 5 Tage, an verschiedene Stoffproben 6 — 8 Tage; bei niedrigerer Temperatur (15 — 18°) ist seine Lebensdauer bedeutend länger, bis 4 Wochen an Seidenfäden (Deutsche Pestkommission ■^''); nach GoTSCHLiCH •" ist das Medium , in dem sich der Pestbacillus be- findet, von ausschlaggebender Bedeutung; in Aufschw^emmung mit Urin angetrocknet, geht er rasch zu Grunde, v^ährend er in schleimigem Me- dium (wo eine völlige Austrocknung nicht zustande kommt] lange lebens- fähig bleibt und an Stoffproben bei 25 — 28° noch nach 4 Wochen lebend gefunden wurde. De Giaxa & Gosio^» und Germano-'-^ fanden den Pestbacillus, an verschiedene Stoffen angetrocknet, bis 30 Tage, x4bel ^" sogar bis 60 Tage lebend. Cholerabazillen in Dejekten an Wäsche angetrocknet (lufttrocken) können bis 36 Tage lebend bleiben, im feuchten Zustand gar bis 7 Monate (Karlinski ^^); meist ist jedoch die Lebens- dauer au Gewebe angetrockneter Cholerabazillen kürzer und beträgt nur 1 — 5 Tage (Gamaleia42, Hesse '^^ Berckholtz^^, Germanü -^'J), oft sogar nur 3—5 Stunden (Koch-Gaffky ^5). Diphtheriebazillen leben nach GoLOWKOW^*"' im feuchten Zustand auf verschiedenen Stoffen 3 — 4 Wochen, nach Eeyes^^ auf Leinwand 12 Tage. Typhusl)azillen leben nach Uffelmann-"' und Germano •^'•J, au verschiedene Stoffe ange- trocknet, 50 — 80 Tage. Pneumokokken in pneumonischem Sputum an verschiedene Stoffe angetrocknet, sah Ottolenghi^-J bis 70, Spol- VERiNi^" bis 140 Tage lebend l)leiben. Selbst der sonst so empfind- liche Gonococcus wurde von Ullmann^^, in Eiter auf Leinwand ge- bracht, noch nach 3 Stunden lebend vorgefunden (nach 24 Stunden nicht mehr). — Besonders leicht der natürlichen Infektion ausgesetzt sind die Taschentücher, auf denen sich, nach Jäoek'^^^ in einge- trockneten Sekretmassen Tuberkelbazillen, Diphtheriebazillen, Strepto- kokken, Meningokokken u. s. w. lange Zeit lebend und virulent erhalten. Die Gefahr der Verbreitung der Infektionserreger von den Taschentüchern aus, durch Verstäubung, ist aber früher entschieden überschätzt worden. Versuche von Beninde ^'^, unter Flügges Leitung haben ergeben, dass von mit phthisischem Sputum beschmutzten Taschentüchern, so lauge dieselben reichlich frisches Sputum enthalten, sich keine Teilchen ab- lösen, die eines Transports durch die Luft ftihig wären; letzteres tritt nur unter Verhältnissen ein, die nur ausnahmweise in praxi sich ver- 14* 212 E. Gotschlich, wirklicht finden werden, nämlich wenn das nur mäßig beschmutzte Taschen- tuch mehrere Tage lang- unbenutzt in der Tasche getragen wird, — und auch dann nur, wenn die Ablösung der Keime durch Zerren und Keiben der Tücher unterstützt wird. — Zählungen der in den gebräuchlichen Kleiderstoifen vorkommenden Keime sind von Seitz^^ und Xikolski^-^ ausgeführt, die größten Keimzahlen finden sich in getragener Wolle. Eiterkokken wurden, selbst in stark verunreinigten Kleidungsstoöen, von Seitz, A. Fränkel^'' und Pfuhl ^' nur selten gefunden. Dagegen fanden Fontin ^^-^ und Karlinski ^^ in alten getragenen Uniformstücken stets pathogene Keime, meist virulente Staphylo- und Streptokokken, oft Bact. coli und Pyocyaneus, Karlinski sogar einmal den Milzbrandbacillus! Desgleichen sah v. Hibler^» durch einen in eine Schuss wunde hiuein- gerissenen Mantelfetzen Tetanus zustande kommen. Die Befunde patho- gener Keime in alten Soldatenkleidern ist um so bedeutsamer, als Kar- linski durch seine Schießversuche mit modernen Mantelgeschossen nicht bei Weichbleigeschossen) nachwies, dass der ganze Schusskanal mit solchen infizierten Kleiderfetzchen austapeziert wird, und dass solche auch in das (ganz unverletzt scheinende) umgebende Gewebe hinein ver- sprengt werden, — so dass Desinfektion und selbst Ausbrennuug des Schusskanals nutzlos bleiben. — Endlich sei erwähnt, dass Tuberkel- bazillen in Staubproben von Damenschleppen nachgewiesen sind (Dixon*'"). III. In Gebrauchsgegenständen, die mit infektiösen Kranken in Be- rührung gewesen, sind schon verschiedene Male patliogene Keime direkt nach- gewiesen worden: so hat Abel^^ am Spielzeug eines diphtheriekranken Kin- des (hölzerne Klötzchen eines Baukastens) noch nach G Monaten virulente Diphtheriebazillen nachgewiesen; so fand Dixon^^ jn einer Zahnbürste eines Phthisikers Tuberkelbazilleu, — uu Cazal & Catrin ^2 in Büchern aus einer Krankenhausbibliothek Staphylococc. pyog. aureus, — Vincent ''ä auf Geld- stücken häufig pyogene Kokken. Solche relativ seltene positive Befunde sind natürlich nur mehr durch, glückliche Zufälle ermöglicht; in Wirklichkeit ist die Ausstreuung der Infek- tionserreger und ihre Verbreitung durch Gebrauchsgegenstände jedenfalls sehr häufig. Das darf nicht wunder nehmen, wenn man bedenkt, dass viele pathogene Keime sich unter solchen Umständen in der Außenwelt lange Zeit lebensfähig erhalten können. So ermittelte Uffelmann, dass Cholerabazillen, auf Druckpapier angetrocknet, in einem zugeklappten Buch mindestens 1 7 Stun- den, auf dem in ein Briefkouvert eingeschlossenem Papier wenigstens 23^ 2 Stunden, auf Postkarten wenigstens 20 Stunden lebend sich erhalten können; auch DU Cazel & Catrin fanden Streptokokken, Pneumokokken und Diph- theriebazillen in Büchern (bei künstlichen Infektionsversuchen) mehrere Tage lebend. Auf Münzen sterben Cholerabazillen schon binnen 10 — ;^0 Minuten nach dem Antrocknen ab (Uffelmann) ; auf Silber- und Kupfermünzen erfolgt das Absterben (der chemischen Wirkung wegen) viel rascher als auf Goldmünzen; pyogene Kokken halten sich auf letzteren bis 7 Tage, während sie auf anderen Münzen nach höchstens 18 Stunden abgestorben sind (Vin- cent). Besondere praktische Bedeutung hat der durch v. Esmarch-^s er- brachte Nachweis, dass die in der Haushaltung übliche Reinigungsmethode des Ess- und Trinkgeschirrs (Auswaschen und nachträgliches Abreiben mit trockenem Tuch) nicht ausreicht, um etwa anhaftende Bakterien sicher zu be- seitigen. Selbst bei kurzdauernder (unter 10 Minuten) Anwendung von 50** heißem Spülwasser und nachträglichem Al)trocknen ließen sich noch vorher angetrocknete Streptokokken, Diphtheriebazillen und Tuberkelbazillen nach- l Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 213 weiseu. Erstere beiden Mikroben blieben, an Alfenidgabel angetrocknet, bis 8 Stunden lebend, an eiserner Gabel sogar bis 24 Stunden; diese Zeiträume sind länger als die Zeit, die in der Regel zwischen 2 ^Mahlzeiten verstreicht; es kann also die von einem Kranken infizierte Gabel bei der nächsten Mahl- zeit eine andere gesunde Person infizieren. Als einfachstes, sicher und schnell wirkendes Mittel erwies sich Abwaschen mit 50° warmer 2^ Sodalösung. — Als Beispiel dafür, wie durch gemeinsames Gerät und Geschirr selbst sehr empfindliche Mikroben verbreitet werden können, sei nur noch die bekannte Syphilisübertragung bei Glasbläsern (durch Benutzung des gleichen Blasrohrs) erwähnt. — In ophthalmologischer Hinsicht interessant ist die Angabe Hx\mii>- Tf)xs''^ und VON SiCHEREus *>'', Avouach sich in chinesischer Tusche (die zum Tätowieren von Hornhautflecken benutzt wird), pathogaue Kapselbazillen finden, die Hornhautgeschwüre verursachen können. — IV. Von Waren kommen nur getragene Kleidungsstücke und Lumpen als Uebertragungsmittel menschlicher Infektionskrankheiten in Betracht; tierische Häute sind häufig das Vehikel für die Milzbrandübertragung; vgl. darüber sowie über die sogenannte »Hadernkrankheit« im speziellen Teil beim »Milz- brandbacillus«. Litteratur. I. Wohnung. — i Cornet, a) Zeitschr. f. Hyg., Bd. 5, 191; b) »Die Tuber- kulose« (Nothnagels Specielle Pathologie und Therapie, Bd. 14, Heft 3, Wien 1900. — - Krüger, Inaug.-Diss., Bonn 18S9. — ■* Kirchner, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 19, 153, 189.">. — * Hange, Med. Record, 1897, 217. — •- Kelsch, Annales d'hy- giene publ., ."^erie III. tome 41, 214. — '' Kustermann, Münchener med. Wochenschr., 1891, Nr. 44/45. — ' Cadeac & Malet, ref Baumgartens Jahresber., 1888, 190. — « Moor, ref. ebd.. 1893, 645. — '' Herox & Chaplux, Lancet. 1894, 1, 14. — w Mil- ler. Brit. med. Journal. 1894. I, 62. ii Maximoavitsch. ref Ceniralbl. f. Bakt., I. Abt.. Bd. 18. 128. 1895. — i^ Volland, Ztschr. f klin. Med.. 23. 50; Berl. klin. Wochenschr.. 1899. Nr. 47. — i^* Prau.snitz. Archiv f. Hyg.. 1891, 192. — w Petrl Arb. a. d. Kais. Gesundh.-Amt. 9. 111. — i-^ Flügge, Ztschr. l Hyg.. Bd. 38, 1. 1901. — if' Heymann, ebd., S. 21. — «-^ Bissell & Orr. ref Hyg. Rundschau. 1899. 1178. — 1' Bo.nome. Fortschritte der Medicin. 1887, V. 690. — i^ He.spe. Deutsche med. Wochenschr.. 1893. Nr. 14. — ''■' Emmerich, Abschnitt -Wohnung« in v. Petten- kofers u. v. Ziemssens Handbuch d. Hygiene. 1894. — -" Heinzelmann, Münch. med. Wochenschr., 1891. Nr. 10/11. — -i v. Eiselsberg, Wien. klin. Wochenschr., 1888, Nr. 10—13. — -- Henrijean, ref Baumgartens Jahresber.. 1892, 183. — -■'< Rullmann. Inaug.-Diss., München 1895. - -* Utpadel, Archiv f Hyg., Bd. 6, 359. — ^5 SOLOAVJEAV, zit. nach Concornotti, C. f Bakt.. I. Abt., Bd. 26. 493, 1899. — 2f' Jaeger, Deutsche med. Wochenschr., 1899, 472. — -' Netter. C. r. soc. biol.. 1897, 29 mai. — -'« Wright & Emerson, Centr. f Bakt. I. Abt., Bd. 16. S. 42. 1894. — -•' Ritter. Verhandl. d. X. Versammhing d. Gesellschaft f Kinderheilk.. Wiesbaden 1894. — 3" Sharp, und •*! Heymann, zit. nach ■^- Kober. Zeitschr. f Hvg.. Bd. 31. 4.50. 1899. — 33 Schlichter, Archiv l Kinderheilk.. Bd. XIV. — ^i Kita.sato, Lancet. 1894. 11. Nr. 8. — ^5 v. Esmarch. Hyg. Rundschau. 1901. Nr. 2. II. 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Hvg., Bd. 30, 193, 1899. — 54 Seitz. Inaug.-Diss.. München 1893. — •". NikolskL ref. Centralbl. f. Bakt.. I. Abt., Bd. 17. 367. 1895. — •'<•. a. Fräxkel. Wien. klin. Wochenschr.. 1888. Nr. .30/31. — ''T Pfl'hl. Zeitschr. f. Hvg. 13. 487. — -^^ FOxNTin. 214 E. Gotschlich. Inaug.-Diss., Petersburg 1889. — ">« Karlinski. Centralbl. f. Bakt., I. Abt.. Bd. 18, 97, 1895; Bd. 22, 310 u. 386, 1897. — ^ v. Hibleu. ref. Baumgartens Jahresber. 1893, 168. — r.ü DixoN, ref. ebd. 1892. 719. III. Gebrauchsgegenstände. — f'i Abel. Centralbl. f. Bakt.. I. Abt., Bd. 14. 756, 1893. — '''■^ DU Cazal & Catrin, Ann. Pasteur. Bd. 9. 865. — f« Vincent. Ann. d'hyg. publ.. t. 24. 383. — '-^ Uffelmann. Berlin, klin. Wochenschr. 1892, Nr. 48. — '■•' Hamilton. Centralbl. f. Bakt, I. Abt.. 1898. Nr. 6. — <« v. Sicherer. Archiv f. Augenheilkunde. Bd. 39, 22. W. Vorkommen und Verhalten der pathogenen Bakterien in Abfallstoffen. I. Menscli liehe Abgänge. Die Faeces köniien neben zalilreiclien Sapro- phyten (unter denen übrigens auch einige gelegentlich pathogene Wirkungen entfalten), einige der gefährlichsten Krankheitserreger, als Typhus- und Cho- lerabazillen, Ruhrerreger, Tuberkelbazillen, enthalten. Der Harn kann Typhus- bazillen in ungeheurer Menge enthalten. Mit dem Sputum können Tuberkel- und Diphtheriebazillen, die Erreger der Pneumonie, der Influenza, des Keuch- hustens und die verschiedenen Eiterkokken in die Außenwelt gelangen. Hautschuppen, Nägelschmutz, AVaschwasser, Reste von Verbandstoft'en u. s. w. können Eiterkokken und vor allem die (noch unbekannten) Erreger der exan- thematischen Krankheiten (Masern, Scharlach, Pocken u. s. w.) enthalten. Betreffs aller Einzelheiten dieser und anderer infektiöser Exkrete vgl. S. 159 fi. Kapitel »Ausscheidung der Infektionserreger«. Ueber die Lebensdauer pathogener Keime in Faeces ist folgendes ermittelt: Cholerabazilleu, in Kultur faulenden Faeces beigemischt, sab Uffelmann ^'' meist scbon am zweiten Tag zu Grunde geben und nie länger als 4 Tage sieb erbalten; Haruzusatz schien das Absterben be- sonders zu beschleunigen. Viel länger als unter diesen unnatürlichen Bedingungen, ist jedoch ihre Lebensfähigkeit in Choleradejektioneu; bei Aufbewahrung derselben sah Lubarsch^ noch nach 8 Tagen keine Ab- nahme der Choleravibrionen; nach 15 Tagen war beträchtliche Abnahme zu konstatieren, doch noch nach 3 Wochen waren vereinzelte Exemplare nachzuweisen. Aehnliche Resultate hatten Abel & Claussen-^; meist betrug die Lebensdauer der Cholerabazillen 20 Tage, einmal 29 Tage, manchmal hingegen nur 1 — 3 Tage; je mehr Fäulnismikroben anwesend waren, desto rascher gingen die Choleravibrionen zu Grunde. Damit stimmt überein, dass Cholerabazillen in Kanalwasser um so rascher ab- sterben, je mehr demselben Fäkalstoffe beigemengt sind (Stutzer-*). Beispiele von auffallend langer Lebensdauer werden von Karlinski •'''^ (52 Tage) und Wlaew'^' (6 Monate) berichtet — Typhusbazillen halten sich nach Uffelmann"' viele Monate; anfangs scheint unter gewissen Umständen sogar Vermehrung möglich zu sein; auch KARLiNSKr^'' be- obachtete Lebensfähigkeit durchschnittlich bis 3 Monate; bei Anwesen- heit zahlreicher Saprophyten (und insbesondere solcher^ die die Gelatine verflüssigen) erfolgte das Absterben in viel kürzerer Zeit, unter Um- ständen schon nach 10 Tagen. — Auch Tuberkelbazillen halten sich in faulendem Substrat sehr lang lebend, z. B. tuberkulöses Sputum in Kanaljauche über 5 Monate (Eichhorn^) (vgl. auch weiter unten); von besonderem Interesse ist die von Hormann & Mürgenroth^^ sowie Nicolas & Lesieur'-* gemachte Beobachtung, dass sich in den Faeces von Fischen, die mit tuberkulösem Sputum gefüttert werden, lebende Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 21ö virulente Tuberkelbazillen vorfinden und l)is 1 ^lonat nach der Fütterung konstatiert werden können. — Der Tetanusbacillus ist ein häufiger Darmbewohner und vermag- sich im Darminhalt oft sogar stark zu ver- mehren: durch den Kot des Menschen und der verschiedensten Tiersi)ecies erfolgt wahrscheinlich seine ubiquitäre Verbreitung (SormaxiI", Saxciiez Toledo & Veillon ii). Aehnlich verhält sich der Piac. enteritid. sporogen. Klein '2^. Pestbazillen, sterilem Kot beigemischt, bleiben nur 4—5 Tage lebend (Deutsche Pestkomm ission^-') — In feucht aufbewahrtem, faulenden Sputum bleiben Pestbazillen 10 Tage lebend und virulent (Deutsche Pestkommissiou '•', Gotschlich i^), Pneumokokken zwi- schen 55 und 140 Tagen (Spolverini i'^) ; Tuberkelbazillen bewahrten ihre Virulenz nach de Toma ^^ bis 3 — 11 Tage, ihre Lebensfähigkeit l)is 14 Tage; Rotzbazilleu widerstehen der Fäulnis 14 — 24 Tage (Cadeac <& Malet 17^^). II. Tierische Abgänge. — Mist und Dünger. Mit den tierischen Abgängen können die Erreger der verschiedensten epizootischen Krankheiten in die Außenwelt gelangen. Da in die Älist- und Düngerhaufen sehr häufig auch menschliche Abgänge (und mit ihnen auch für den Menschen pathogene Keime) gelangen und demnächst bei der Düngung des Bodens eventuell ver- breitet werden könnten, so ist auch die Kenntnis des Verhaltens menschlicher Infektionserreger im Mist und Dünger von praktischer Wichtigkeit. Nach den eingehenden Untersuchungen Gärtners ^^ bleiben Cholera- und Typhusbazillen im Mist etwas über 1 Woche lebendig: der Schweinerotlauf bacillus erhält sich 14 Tage; die Erreger der hämorrhagischen Septikämieen, sowie der Tuberkelbacillus bleiben während mehrerer Monate lebensfähig und können überwintern. Ausschlaggebend ist der Einfluss der Temperatur; die Resistenz ist im Winter größer als im Sommer: wird durch geeignete »Packung« die Temperatur im Innern des Misthaufens längere Zeit auf 60 — 70° gebracht, so erweisen sich binnen wenigen Tagen alle nicht-sporeubildenden Arten als abgestorben. Zu ganz ähnlichen Resultaten wie Gärtner gelangte Eichhorn" für den Tuberkelbacillus, TArFFERi^ für den Cholerabacillus : letzterer Autor sah den Cholerabacillus im Mist binnen der ersten 24 Stunden sich sogar vermehren; auch konstatierte er, dass das Absterben im frischen Mist rascher erfolgte als im alten. Das Contagium der Maul- und Klauenseuche ist im Dünger nach 8 Tagen abgestorben (Hecker 2»); auch hier ist die bei der Lagerung des Mistes zustande kommende Temperaturerhöhung das Avirksame Moment; in den oberflächlichen Schichten des Mistes gelingt die Abt(itung gleichfalls leicht durch üeberschlchten (f/3 — Y2 ^) ^^^ einer Lage nicht in- fizierten Düngers. — III. Haus- und Straßenkehricht sind in Bezug auf ihren Gehalt an pathogenen Mikroorganismen von sehr verschiedener Bedeutung. Während der erstere zahlreiche menschliche Abgänge (Sputum, Hautschuppen, Verband- reste u. s. w.) empfängt und, besonders in dunklen, selten gereinigten AVoli- nungen den Krankheitserregern die besten Bedingungen zur Konservierung gewährt, — bestellt der Straßenkehricht schon gröI3tenteils aus durchaus un- verdächtigen Materialien, und etwa hineingelaugende Infektionserreger sind überdies den bakterienfeindlichen Einwirkungen von Licht und Austrocknung ausgesetzt. Dementsprechend sind im Hauskehricht häufig verschiedene Er- reger bekannter Infektionskrankheiten gefunden worden (vgl. oben die An- gaben über Wohnungsstaub); dagegen gehören solche Befunde im Straßen- kehricht zu den größten Seltenheiten; nur Maxfredi^i und Schnirer22 haben Tuberkelbazillen gefunden, während z. B. Cornet^' trotz eingehendster Unter- 216 E. Gotschlich, suchmigeu nur negative Ergebnisse hatte nud überdies feststellen konnte, dass die Frequenz der Tuberkulose unter den Berliner Straßenkehrern geringer war als die der Gesamtbevölkeruug. Die pathogenen Anaeroben und der Bac. enteritid. sporogen. Klein, die regelmäßige Bewohner verunreinigten Bodens sind, finden sich selbstverständlich auch fast stets im Straßenkehricht. — IV, Menschliche Leichen- und Tierkadaver. Im Gegensatz zu Anschauungen der vorbakteriellen« Zeit, die in beerdigten Leichen und Friedhöfen sclnvere Gefahren für die Verbreitung von Seuchen zu er- blicken glaubten, haben exakte Versuche erwiesen, dass von der ordnungs- gemäß beerdigten Leiche keine Infektionsgefahr mehr droht und dass die meisten Krankheitserreger (zumal die der großen Seuchen) in der Leiche verhältnismäßig rasch zu Grunde gehen. Cholerabazillen sah PETm2^^ in beerdigten Leichen oft schon nach wenigen Tagen (positiver Befund 2 Tage post mortem in einer Choleraleiche von C. Fränkel 25), ausnahmslos aber und spätestens nach 1 Monat abgestorben : auch Klein ^^b imdLöSENER'''''' konstatierten nie eine längere Lebensdauer. Pestbazillen fand Gotschlich ^^ in exhumierten, vollständig verfaulten (Temp. 25 — 28°) Meerschweincheukadavern noch nach 3, nicht mehr nach 5 Tagen, Sata2' bis zu 16 Tagen, Klein '2'' bis zu 17—21 Tagen, Yokote'^* bis zu 22 — 30 Tagen; in faulenden Organen von Pestleichen fand die Deutsche Pestkommission^^ ^en Bacillus bis 4, Gotschlich ^^ bis 7 Tage lebend; möglicherweise ist die Lebensdauer noch etwas länger, und ist der Bacillus wegen der kolossalen Ueberwucherung durch Sapro- phyten nur nicht mehr nachweisbar. In den ersten 24 Stunden post mortem findet in den Organen sogar starke Vermehrung des Pestbacillus statt. — Typhusbazillen fanden Petki'^^^' und Klein '2'', bei künstlicher Versuchsanordnung (Injektion von Kulturen in frische Kaninchen- oder Meerschweinchenkadaver) nach 15—20 Tagen abgestorben; in Organen aus menschlichen Typhusleichen war jedoch, nach Karlinski 5'^, bei nicht zu stark fortgeschrittener Fäulnis, der Typhusbacillus noch nach 3 Mo- naten nachzuweisen; desgleichen positiver Befund von LöSENER2fi'^ nach 96 Tagen. — Tuberkelbazillen fanden Caüeac & Malet i"'', in faulenden faustgroßen Stücken von Eindslunge in feuchtem Sand ver- graben, noch nach 5 Monaten infektiös, bei Fäulnis im Wasser noch nach 4 Monaten; Schottelius will aus beerdigten Leichen von Phthisikern noch nach 2 Jahren (!) infektiöses Material gewonnen haben; hiermit stehen jedoch die Versuche Kleins '2^^ an beerdigten Meerschweinchen- kadavern in Widerspruch, indem schon nach 7 — 10 Wochen die Resul- tate stets negativ waren. — Staphylococcus pyogen, aur. geht binnen 1 — 2 Monaten, Diphtheriebazillen 2 — 3 Wochen (Klein i2bj^ Pyocyaneus binnen 38 Tagen zu Grunde (Lr)SENER2"i^) — Tetanusbazillen wider- stehen der Fäulnis im beerdigten Kadaver mindestens 30 Tage (Rohardt29), oft aber bis 80 Tage (Türco»", Bombicci-i), bei künstlicher Versuchsanordnung des letzteren Autors (infizierte Seiden- fäden in faulenden Organen) sogar über 1\'2 Monate. — Milzbrand- kadaver sind schon nach wenigen Tagen nicht mehr infektiös (E. Klein'2Cj Esmarcii32,, ^yas sicli dadurch erklärt, dass im Tier- körper nie Sporenbildung stattfindet (Kocu^a); hat jedoch bei der Ver- scharruug unachtsamer Weise eine Ausstreuung von Infektiousmaterial (Blut oder dgl.) stattgefunden, so kommt es in der Umgebung des be- erdigten Kadavers zur Sporenbildung, uad diese letzteren wurden noch nach 1 Jahr vollviruleut gefunden (Lcs3:ner2''''). Derselbe Autor kon- Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 217 statierte, dass Schweiiierotlaufkadaver 8 Monate infektiös bleiben. — lieber das Virus der Lyssa existieren folgende Angaben: v. Ratz-'-* 14—24 Tage, Mergel ^-^ 14 Tage, Brasso-Tkavali & BRANX-ALEONE-^fi 38 Tage (bei Fäulnis an freier Luft nur 21 Tage], Galtier 3" fin faulen- dem Hundegehirn) 44 Tage. — Von besonderer i)raktisclier P)edeutung ist, dass das umliegende Erdreich (mit einziger Ausnahme einer positiven Angabe Bümbiccis^^' über den Tetauusbacillus stets frei von den betr. Infektionserregern befunden wurde Petri^'^), sogar dicht unter der (Träl)ersohle, und selbst wenn die Gräber zeitweise mit Grundwasser durchtränkt waren (Lüsexer"-''^), (ausreichende filtrierende Wirkung des Bodens natürlich vorausgesetzt). Litteratur. 1 Uffelmamn, Centr. f. Bakt., I. Abt.. Bd. 5. Nr. 15 Kl. 18S9. — - Lubarsch. Dtsch. med. Wocb.. 1892. Nr. 43. — :< Abel & Claussex. Centr. f. Bakt.. I. Abt.. Bd. 17. 77 n. 114. 1895. - 4 Stutzer, ebd.. Bd. 19. 200. 18%. — •' Karlinski. a ebd.. Bd. 17, 177. 1895; b) ebd.. Bd. 6. 65. 1889; c; Arcli. f. Hyg.. Bd. 8. 302. — c- Wlaew. ref. Baumgartens Jahresber.. 1893. 374. — ^ Eichhorn. Inaug.-Diss.. Jena 1893. — ^ HüRMANN & Morgenroth. Ilj-g. Rundschau. 1899. 857. — •' Nicolas & Lesieur, C. r. soc. biol.. 1899. 774. — n"' Öoemani. Ann. d'ig. sperim. di Roma. 1891. I. 3. — " Sanchez Toledo & Veillox. Semnine modicale. X. Nr. 45. — i- E. Klein. a; Report of the Medicnl Ofticer of Local Government Board. 1897—98. p. 210. — b Centr. f. Bakt. 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Wich- tigster Infek- tionsmodus, wahrschein- lich meist indirekt. IX. Boden Durch auf- gewirbelten Staub 1 1 1 £ 1 'S 3 ^1 ha c CS 3 03 g o c2 a :3 «2 1 03 3 03 :3 3 03 £? 03 03 Infizierter Fußboden in den Wohnungen. Luft- VIL VIII. Stäub- Tröpfchen- chen- Infektion Wichtigster Infektions- modus vom Kranken aus! II 03 ■e 03 .1-1 sd c ,3 O o o 3 ,3 o u 03 r3 CS M P4 03 03 '3 s ,3 03 1 c 03 3 03 'm CS .3 1 Bei Pestpneu- monie typische Tröpfchen- infektion. Häufig vor- kommend; aber hinter der Tröpf- 03 3 5 5 .l-H n3 3 03 ,3 03 1 1 VI. Nahrungs- mittel Milch, Butter (weniger o 'S 03 -TS 3 'S 03 OJ 3 03 3 03 '3 ü o 05 1 1 1 V. Trink- wasser , , IV. Indirekter Kontakt mit der infizierten Umgebung des Kranken. Kommt vor (Wohnung, Taschentücher Teppiche). CS a's ^1 ü 03 £ tß CCS 1 Wichtigster Infektionsmo- dus(Wohnung, Kleider, Wäsche, Lum- pen). Oft in- direkt, erst durch Ver- 03 e 03 •.cS s So lange kein Auswurf, keine Gefahr. ■^ W cS 03 ^'^ cS 1 2 1 3 1 ::s a Cm 03 CS 'ä 1 03 > 03 Ut :3 -3 r- 3 03 :3 .SP Latente u. re- konvaleszente Fälle von Pestpneumo- nie zu fürch- ten ! Leichte Fälle von Drü- senpest ge- c CS IL Unmittelbarer Kontakt mit dein Kranken Wichtigster Infektionsmo- dus, besonders bei dauerndem 1 a 3 NI 3 0) C 03 d 03 03 s o 'S 1 Nur bei Pest- pneumonie, sowie schwe- ren tödlichen Fällen. . gunjiajj '"' auaSoxg; 1 1 jiiAvuaqosmz SIT! u9-5[onj^ -snpoui -snop^iajui laSizuig; 1 11 03 CS 3 .ü L <13 03 t« ^ O == 3 CS CS t-> CS CS 03 Ph Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. 219 JS G es 03 ^1 m o 2 I _ O O TS C i. - — ! O 03 "^ o; .2 E > CS -^ ^ 03 — > =H >^ 03 ^ =»- .Ei 3 •tj ;> tr 03 ■x= 05 .,- H '^ tH « 03 o o *i~t t> L/J S! ^ '-^ 'S ^ Ä 03 1 bO - OJ :3 •r^ ^ o rt *^ •— O > 3 o !-• r^ ^ ^ ,z. •c C3 CS o Oh 03 2 rt £ 'S s tS "03 3 o > Ö3 O CS •J. :> 5 ^ 2 z = 03 i£ -r^ r-; cli "^ .2 f>- S i .53 S ;/ Ä = C s " M cc ;> 2 s = g« ■" t> 03 CO 2 :C >. '^ Q"^ >-5 t, -- ^ ="j aj -" " 03 =3 -5 . -li jj .,-1 - •-; -H — « 'S MV« "2 = •= S ^ 03 ,a iOJ .a: tj ■^ 03 o •n _ OJ 1 03 ".^ <1J • r-* '^ "€ -^ ■:: P3 u C 5 fcC «3 -r-i i; — •'H 03 ^ CO W . — < p C Ä t, _a3 2 S 2-* s .t; .s *^ g .^ 2 ^ 'Ö a bJC 03 " b£0 3> .tJ I 03 rK •■^ :o ™ *; 03 ^ . o3 ö>^ 'S = "3 2 3 'S "" .03 "Ö CJ 'S -^ li a I ö Q ^ .2^ '- 03 CO C '^ Z -t CS ^ 5 £ 03 c ^ 03 ;S C ^ .= 'S 1 3 :^M^t 5 g a 9U820X;,£ ,j3 ^^ O 1 -^ 'S 3 rt =2 S I 03 O „ " O J3 fc£ 3 •- ■-5 .s a _ ' ^ 1 s — 03 ja '^ ^ 03 s *f ^ S fc. ■- SJD 03 ^ ^ _ :cS K " ^ i: c •2 .aJ o 3 't; •r S S W> .r, ,1 ^03 03 3 CS 'S ^rn 9„ — 3 " >- ** ,T, 5 CO 03 „ 03 _5 • -t^ -r-. 03 CO C bCi> 03 p^..3 ::^ ? .« I §- S-^ 3 0? O 1-. 0? Cd-SH I 03 I "S 1^ '5^ S ^=^ c!. . '^ 5 'TS 03 S 03 ^ ^ 3 >- T- 03 5 g -^ 3 S -^ ;-< , ^ 03 03 tö 3 > ^ 03 3 3 C 0 3 CS a 0 ^ 0 > 1 Jl^ «^ 3 03 TS -3 ^ 03 i ^•-5 3 03 rt -^ CS 03 bt).2 5 3 S ;> t. 5=0 S cS "3 C3 3 _ -"^ a 5 s rrä a ^ 5? -s ^ fe^-g 3 o< £ 03 "a i? 3 •5 H 3 ■■= 9 -" ^ _M__-ö_.s t ^ " 3 f -^ 3 _ ^j N - _j E 5 -3 « c 3 Ja ;4 3 .2 •- - tx ^ ^ es . — ^ 2 ^ O >- O 03 03 > ^ .2 T3 - r3 ^ 03 i £ .2 -5 3 „; .5 I ■■= 'S bjc 03 "03 -^ ö «= -r" 3 -^ 3 a - = — es 03 ^^ >.^ 220 E. Gotschlich, fcn ■D 5 -j=i ^1 .^ H 1^ ^' OJ D CO Ol _; r © 5 1^ a CS S « 'S * ''^ Q-g o OU -- to 03 bO SC « 2 a, g -^ = c '" a> c 2 S rn <1) C 0) 'S .2 s o M ^ ^ a -So '." S H = e .— ^ m •A ^ =S '^ c - ü o !>■ 3 bC a .;: 03 .;-r 5 a a ■r' g ^ bo^ -a S S ^ 03 -itl O , j= o — ■ C3 .>. M — t^ ta U^ = o a z; V 03 3 TS . aunjia^x "^ ouaSoxji 1 _^ .-' ,0 ^^ r/3 C W3 bD O B « '-C -a ^ .^ o ^5 bJD - 3 c 4i 60 .5 ;- . t« E-i y- '? 's. T - *r (- ;^ -TS CS ~ — P 03 — > o< > -iS ^ z sc = iS --■ - — 3 -c « o --2 "^ CO "tl 03 _ — — t- fc^ S ,_2 "2 "^ 'S c ' ■ ^ 'i a c zr bc 1^1 il:S if^ = ® o o -^ O P >H c ^ - -3 --S 'S - cL O 2 " M 'S u H- 33 Sog SunjTaa auaSoxa 2 rt g^-c .2 5 -o K 5 hII '^' •= r- 2 = '5 -* ^ Ä t- &, -i ir 11 ■; •3 '^ i3 o c ■^ S P5 m ■^ o 1 :cö .£ bo ■* g r3 S bD O öc ä s s £ -s « -la ' o ""tj :3 C +i CS Ol bC ü « ^ 13 :3 ^ CS .2 2 -^ 'S .S s 03 ll 03 o CS a> fl c pH rrt a o c« ^ ^ ^ iL 03 ?i =^ c 'S -= 3 03 P^ -1 tJ a T3 e s --^^ 03 5 ! p .- ^ > ^ ^ -= ^ c - CS WH t» [-1 £ C 5 ■" — 03 — 5-« a ^ 4= 6 S C) o cS a o 't^r 1 s c~c: •— CS '^ - iO CS £ •r-H c 03 *-■ ^ 03 > 'c 3 ^ U" t,' 3 M CO < •- > _bp.2 p 2 -S 5 ä.2 3 ■^ 1i -a 2 <2 a Sc 0) C 03 Ö — fcc o 3 3 -o fr^ p -s o c ^ O W'c b W'H 2 I «^ o C h 0 1 e r a infan- tum Wund- in f e k - t i 0 u s - krank- (P uer- l) c r a 1 - 222 E. Gotschlieh, Allgemeine Morphologie und Biologie u. s. w. XI. Tiere als Zwischen- träger Fliegen als üeberträger. X. Uebertragung seitens infi- zierter Tiere Typischer Infektions- modus. Typischer Infektions- modus. Typischer Infektions- modus. dl P5 Wunden, die mit(gcdüngter) Erde verunrei- nigt sind! Bodenstaub von infizierten Orten! VIII. Tröpfchen- itiou II II Luft VIL Stäub- chen- Infel Hadcrn- krankhcit! VI. Nahrungs- mittel Fleisch milzbran- diger Tiere in rohem Zustand genossen. V. Trink- wasser II II IV. Indirekter Kontakt mit der infizierten Umgebung des Kranken Vorkommend. Vorkommend. 1 CS II II II. Unmittelbarer Kontakt mit dem Kranken Vorkommend. Vorkommend. 11 II 5 'S .2 -^ Malig- ] nes Oedem / und Te- tanus j Milz- brand*) Lyssa"*) Rotz*) I III. Wesen der Infektion. Von A. Wassermann in Berlin. Die Infektion, d. h. die Krauklieitsersclieiuungen, welche durch Mikro- org-anismen im lebenden Körper hervorgebracht werden, bildet das Kapitel der Bakteriologie im weiteren Sinne, welches für den Arzt das größte Interesse bietet. In Bezug auf die geschichtliche Entwicklung der Lehre von der Infektion können wir auf das erste Kapitel dieses Handbuches von Abel verweisen und uns sogleich zur Besprechung des gegen- wärtigen Standes unserer Kenntnisse auf diesem schwierigen Gebiete wenden. Das Wesen der Infektion besteht, wie schon der Name (lateinisch: inficere, verunreinigen) aussagt, darin, dass ein lebendes, vermehrungs- fähiges Agens von außen in den Organismus eindringt, sich dort ver- mehrt und Krankheit erzeugt. Allerdings müssen wir, streng genommen, den Begriff des lebensfähigen Agens einschränken, wie dies Behring ^ bei seiner Detinition des Wortes Infektion mit Recht thut. Denn auch unbelebte, spezifische Agentia, die allerdings, soweit wir sie bisher kennen, stets direkte Produkte der betreffenden lebenden spezifischen Krankheitserreger sind, können das typische Bild einer spezifischen Infektionskrankheit machen. So vermag das unbelel)te Tetanusgift das gleiche klinische Bild wie der lebende Tetanusbacillus hervorzurufen. Behrixg spricht sich daher folgendermaßen aus: »Demgegenüber werde ich daran festhalten, dass jedes materielle Agens, mag es belebt oder nicht belebt sein, als Infektionsstoff zu bezeichnen ist, falls dieses Agens imstande ist, das klinische Bild einer von den bekannten Infektions- krankheiten des Menschen und der Tiere hervorzurufen. Wenn bei- spielsweise im Tierexperiment der durch den Tetanusbacillus erzeugte Starrkrampf genau ebenso auch durch das Tetanusgift erzeugt werden kann, so ist für mich das letztere ebensogut ein Infektionsstoft' wie der lebende Parasit.« Indessen für die spontan entstehenden Infektions- krankheiten kommen, abgesehen von gewissen Nahrungsmittelintoxi- kationen, bisher nur lebende Infektionserreger in Betracht, da natürlich die Gifte derselben in der Natur nicht in solchen Mengen vorkommen, dass sie bereits durch Vergiftung ohne die lebenden Infektionserreger die Krankheit erzeugen können. Unter allen Umständen ist indessen, wie wir sehen, die eigentliche Ursache der Infektion ein von außen in 224 A. Wassermann, den Organismus eingedrungenes Agens und das trifft selbst für die Fälle der sogen. Autoinfektiou (cf. Kap. II] zu, wo es sich also um In- fektion mit Mikroorganismen handelt, welche unter Umständen vorher Jahre lang bereits im Organismus waren. Denn auch diese stammen in letzter Linie stets von außen, da der Mensch und das Tier resp. dessen Gewebe und Körperhöhlen bei der Geburt steril sind und alle Keime erst im postuterinen Leben von außen eindringen. Früher, als man noch keinen näheren Einblick in das Wesen der Infektion und die Infektions- erreger hatte, unterschied man zwei große Gruppen von Infektionsstoflfen, solche, welche von Mensch zu Mensch direkt übertragen werden können, die sogen. Kontagien, und solche, welche erst außerhalb des Menschen in der unbelebten Natur einen Eeifungsprozess durchmachen müssten, ehe sie infizieren könnten, also nicht von Mensch zu Mensch direkt, son- dern erst durch die Luft nach ihrem Eeifungsprozess übertragen werden, sogen. Miasmen (s. Kap. I Abel). Nachdem wir dank der Entdeckungen von Robert Koch die Erreger einer Reihe der wichtigsten Infektions- krankheiten des Menschen und der Tiere kennen und insbesondere züchten gelernt hatten und somit ihre biologischen Eigenschaften studieren konnten, mussten diese mystischen Vorstellungen von Infektionsstotfen, die teils von Mensch zu Mensch, teils erst durch die Luft nach einem Reifungsprozess übertragen würden und krank machen, aufgegeben werden und klaren, auf exakten wissenschaftlichen Untersuchungsergebnissen fußenden That- sacheu weichen. Als das wichtigste Ergebnis dieser großen Forschungs- epoche für die Lehre der Infektionen können wir den auf Grund der Arbeiten von Robert Koch und Ferdinand Cohn gefundenen Satz hier an die Spitze stellen, dass jede Infektion von einem bestimmten Infektionserreger hervorgerufen wird, dass die betreffende Infektion nur durch diesen einen Infektionserreger hervor- gerufen werden kann und dass umgekehrt der betreffende Infektionserreger nur immer diese Infektion und keine andere zii erzielen vermag. Wir drücken dies kurz dahin aus, dass ein Infektionserreger spezifisch für eine bestimmte Infektion ist, z. B. der Typhusbacillus ist spezifisch für Typhus. Bei jedem Typhus muss der Typhusbacillus vorhanden sein, und umgekehrt kann der Typhusbacillus nur immer den Typhus, nie z. B. Milzbrand oder eine andere Infek- tionskrankheit hervorrufen. Dieses Gesetz der Spezifizität (cf Kapitel Spezifizität) ist der Grundpfeiler der Lehre von der In- fektion. Denn dadurch sind mit dem Nachweise des spezifischen In- fektionserregers die Diagnose, ferner sehr häufig die wichtigsten Anhalts- punkte für die Prognose und die Prophylaxe und in den Fällen, wo es sich um spezifische Therapeutica handelt, die direkte Indikation für die Art der Therapie gegeben. Infolgedessen ist die gesamte Lehre der Infektionskrankheiten heute eine exquisit ätiologische Forschung ge- worden, da sich bei ihr in letzter Linie alles um die spezifische Krank- heitsursache dreht. Nach diesen einleitenden Worten ist es leicht verständlich, dass zum Zustandekommen einer Infektion vor allem nötig ist, dass der spezi- fische Infektionserreger in das Gewebe des Organismus ge- langt, dort die günstigen Momente zu seiner Weiterentwicklung findet und dann erst krank macht. Die Notwendigkeit irgendwelcher Reifung außerhalb des lebenden Organismus kennen wir für keinen einzigen Infektionserreger aus der Klasse der Bakterien, vielmehr ist die letzte Quelle für jede Infektion immer der kranke Mensch oder das kranke Wesen der Infektion. 225 Tier resp. dessen durch Se- und Exkretc oder durch die Vermitt- hing eines Zwischenwirtes, z. B. stechende Insekten, an die Außenwelt gebrachten spezitischen Infektionserreger. Es kann demnach jemand entweder einen Typhus acquirieren, indem er sich direkt mit den tvphusbazillenhaltigen Faeces des Tvphuskranken intiziert, oder aber, indem er z. B. Wasser trinkt, in welches Dejektionen von Typhus- kranken und damit Typhusbazillen gelangt sind; oder er kann bei Erd- arbeiten in typhusintiziertem Boden Tyi)husbazillen in seinen Darm be- kommen oder endlich, wäe ich es mehrfach erlebte, er kann sich durch Infusion mit Reinkulturen von Typhusl)azillen auf künstlichen Nähr- boden den Typhus holen. Immer ist dabei die Ursache seiner Typhus- infektion einzig und allein der Typhusbacillus, die Quelle der Infektion stets in letzter Linie ein anderer an Typhus erkrankt gewesener Mensch^ dessen Typhusbazillen, sei es nun ins Wasser oder vor längerer Zeit in den Boden gelangt sind und sich dort lebend erhalten haben oder die Erreger, die wir aus einem typhuskranken Menschen auf unseren Nährmedien gezüchtet haben. Das Ausschlaggebende also in diesem Falle wie bei allen anderen Infektionen ist der Infektionserreger; das Medium, durch welches er übertragen wird , ob durch Luft , Wasser , Gegen- stände u. s. w. ist gleichgiltig; es hängt ganz ab von den biologischen Eigenschaften des Infektionserregers, in welchen Medien er sich lebend erhalten kann. Es kann jeder belebte und unbelebte Gegen- stand zu einer Infektion Veranlassung geben, an welchem ein spezifischer Infektionserreger sich in virulentem, lebendem Zustande eine Zeit lang erhalten kann. Jeden Mikroorganismus, der im menschlichen oder tierischen lebenden Gewebe sich zu vermehren und krankhafte Symptome hervorzurufen vermag, nennen wir infektiös oder im weiteren Sinne pathogen zum Unterschiede von den zahllosen übrigen in der Natur vorkommenden Mikroorganismen, welche diese Eigenschaft nicht besitzen, den sogen. Saprophyten. Es genügt indessen nicht für einen Mikroorganismus, dass er infektiös ist, um Infektionen hervorzurufen, vielmehr, müssen, um die Infektion zustande kommen zu lassen, gewisse Bedingungen erfüllt sein. Hierzu ist vor allem nötig, dass der betreffende Mikro- organismus in das Gewebe des lebenden Organismus eindringt. vSo lange ein pathogener Keim nur auf der Oberfläche des Körpers lebt, kann er nicht krank machen. Daher ist es leicht zu verstehen, dass auf den Schleimhäuten der Körperhöhlen, die mit der Luft kommuni- zieren, so in der Nasen- und Rachenhöhle, fast regelmäßig pathogene Keime, z. B. Strepto-, Pueumo-, Staphylokokken u. s. w., ferner nicht allzu selten Diphtheriebazillen und andere Mikroorganismen angetroffen werden, ohne dass der Träger erkrankt. Die einfache Berührung der pathogensten Keime mit unserer Körperoberfläche genügt also nicht, um die typische Infektion auszulösen. So berichtet Wigura^, dass er an der Abteilung für Tuberkulöse unter 10 Wärtern bei 2 echte viru- lente Tuberkelbazillen an den Händen, auf der Typhusabteilung unter 9 Wärtern Imal echte Typhusbazillen auf der Körperoberfläche habe nachweisen können, ohne dass die Betreffenden erkrankten. Dasselbe gilt für alle mit der Luft kommunizierenden Schleimhäute, Darm, Urethra, Vagina, auf denen stets Keime nachzuweisen sind, von denen wir wissen, dass sie beim Menschen, wenn sie in das Gewebe eindringen, Infektion hervorzubringen vermögen. Es muss demnach jeder pathogene Keim, um eine Infektion auszulösen, erst in das lebende Ge- Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 15 226 ^- Wassermann, webe eindringen und, um dies zu vollbringen, gewisse Hinder- nisse, die diesem Eindringen von Natur aus entgegenstehen, überwinden. In dieser Beziehung sind als die wichtigsten Schutz- wälle, welche dem Eindringen der pathogenen Mikroorganismen ent- gegengesetzt sind, die Haut- und Schleimhautbekleidung des Körpers zu nennen, deren Verhalten eindringenden Bakterien gegenüber bereits im vorhergehenden Abschnitt von (ioTTSCHLicii ausführlich behandelt wurde, so dass wir hier nur des Zusammenhangs halber das Wichtigste dieses Gegenstandes auseinanderzusetzen haben. Die Hauptfrage, welche den Praktiker am meisten interessiert, ist dabei die, ob die unverletzte Haut resp. Schleimhaut einen vollkommenen Schutz gegenüber dem Eindringen von infektiösen Bakterien bietet. Diese Frage, welche experimentell vielfach bearbeitet wurde, ist all- gemeingiltig für alle pathogenen Bakterienarten nicht zu beantworten. Vielmehr sind auch hier wie überall in der Lehre der Infektion große Unterschiede in dem Verhalten der einzelnen Mikroorganismen zu be- obachten. Während für einzelne Arten die völlig unverletzte Haut einen sicheren Schutz darbietet, ist für andere die Haut weit leichter durch- dringbar. So bietet für den Tetanusbacillus die unverletzte Haut und Schleimhaut einen so sicheren Schutz, dass wir diesen gefährlichen Infektionserreger bei den empfänglichsten Tieren, z. B. Pferden, fast stets im Darminhalt nachweisen können. Es bedarf vielmehr, damit Tetanusbazillen resp. Sporen in das Gewebe eindringen können, einer richtigen Wunde. Auch für Tuberkelbazillen bietet die Haut des Er- wachsenen, wenn sie völlig unverletzt ist, einen sicheren Schutz. Weit weniger ist dies bereits für den Pestbacillus der Fall, bei dem schon nicht sichtbare, kleinste Verletzungen genügen, um ihn eindringen zu lassen. Noch weniger Schutz gewährt die Haut gegenüber dem Rotz- bacillus. Ferner kommen hierbei sicher individuelle Unterschiede sowie Unterschiede nach Alter und Geschlecht vor. So nimmt CoRXET^ auf Grund seiner Erfahrungen an, dass die Haut von Kindern und Frauen weit leichter für Tuberkelbazilleu durchdringbar sei, als die des Erwachsenen, und bezieht hierauf das Vorkommen der skrophu- lösen Haut- und Drüsenaftektionen besonders im Kindesalter und beim weiblichen Geschlecht. Einen weit geringeren Widerstand als die Haut setzen die Schleim- häute dem Eindringen von Bakterien entgegen. Abgesehen davon, dass an manchen Stellen des Organismus die eingeschalteten lymphatischen Apparate der Schleimhaut mit ihren Krypten, so die Tonsillen vermöge ihrer Bauart, leicht Eingangspforten für Bakterien bieten, ist es experi- mentell und empirisch festgestellt, dass viele Infektionserreger auf ganz unverletzten Schleimhäuten haften. Am häufigsten sehen wir dies seitens des Gonococcus auf der Conjunctiva bei der Blennorrhoea neonatorum. Ferner ist durch die deutsche Pestkommission-* sowie von KoLLE'^ nachgewiesen, dass Ratten nach einfachem Aufträufeln von Pestkultur auf die unverletzte Conjunctiva der Infektion erliegen. Auch von anderen Infektionserregern ist durch die Untersuchungen von Römer''% G. Mayer''^, sowie Hirota^'' das gleiche nachgewiesen. Diese letzteren Autoren nehmen indessen auf Grund ihrer Experimente au, dass beim Einbringen von Infektiousmaterial in den Konjunktivalsack nicht dieser, sondern vermittels des Thränenuasenkanales die Nasen- und Rachen- schleimhaut die Eingangspforte sei. Denn bei künstlicher Verödung des Thränennasenkanales blieb die Infektion aus. Auch für die Respi- Wesen der Infektion. 227 rationst^chleimhaut ist durch die Versuclic von CoiiXET" sowie unter Leitung- Flügge's durch LASCHTScriiiNKo' und Hiov.maxn^ nachgewiesen, dass Infektionserreger, besonders Tuberkelbazillen, die unverletzte Schleimhaut invadicren können. Das gleiche gilt für die Darmschleim- haut seitens mancher Infektionserreger, besonders Typhus und Cholera, während für eine Keihe anderer Infektionserreger, z. B. Bactcrium coli, Streptokokken, Staphylokokken, Tetanus im Gegensatz hierzu die völlig unverletzte Darmschleimhaut undurchdringbar ist. Wir sehen also be- reits aus diesen kurzen Bemerkungen, dass der Schutz, den das unver- letzte Integument des Körpers gegenüber dem Eindringen gewisser Mikroorganismen bietet, durchaus kein absoluter gegenüber allen In- fektionsstoften ist. Wie sehr dalier selbst allerleichteste Schädigungen der Epithelbekleidung unter diesen Umständen das Eindringen von Mikroorganismen erleichtern, liegt auf der Hand. Für eine Reihe von Infektionserregern genügt es nun aber noch nicht, dass sie an irgend einer beliebigen Stelle des Körpers eindringen, um ihre spezifische Infektion auslösen zu können. Vielmehr müssen diese an ganz bestimmten Stellen des Körpers Fuß fassen, um die Krankheit hervorzurufen. Wir drücken dies dahin aus, dass sie bestimmter Ein- gangspforten bedürfen. So vermögen der Typhusbacillus und der Choleravibrio nur vom Darm aus Typhus und Cholera zu erzielen, ihre Eingangspforte muss stets der Magendarmkanal sein. Andererseits vermag der Tetanusbacillus nie vom Darm aus Tetanus hervorzurufen, um einige Beispiele zu geben. Andere Bakterienarten sind dagegen an keine bestimmte Eingangspforte gebunden. Sie können, ganz gleichgiltig, wo sie eingedrungen sind, ihre spezifische Infektion auslösen. Dies gilt beispielsweise vom Tuberkelbacillus, der ebensogut von der Haut aus wie vom Darm, Respirations-, Urogenitalapparat her die tuberkulöse Infektion erzielen kann. Dasselbe ist beim Milzbrandbacillus der Fall. Worauf diese scharfen biologischen Unterschiede verschiedener Körper- stelleu einzelnen Bakterienarten gegenüber beruhen, ist noch nicht exakt ergründet. Es muss sich dabei um feinste biologische Differenzen der betreffenden Zellen und Säfte handeln, die individuell nach Alter und anderen Momenten schwanken können. So sehen wir aus den Versuchen von Thomas*, Metschxikoff^, Lssaeff & KolleI", dass der Choleravibrio bei ganz jungen Kaninchen von der Darmschleimhaut aus eine echte tödliche infektiöse Choleraerkrankung hervorzurufen vermag, was bei älteren Tieren nicht mehr gelingt. Andererseits erzeugt der Pest- bacillus bei Ratten vom Darm aus eine tödliche Pestinfektion, während dies beim Menschen bisher nie mit Sicherheit beobachtet wurde (Bericht der deutschen Pestkommission, Bericht der österreichischen Pestkom- raission, Kolle, Zeitschr. f. Hygiene, 1901). Auch individuell müssen derartige feinste Differenzen in der biologischen Funktion der Organe vorhanden sein, wenn wir, wie bei der letzten Choleraepidemie und in der neuesten Zeit auch bei Typhusepidemieen, beobachten, dass nicht allzu selten Individuen, welche der Cholera- oder Typhusinfektiou ausgesetzt waren, Choleravibrionen oder Typhusbazillen in ihrem Darm beherbergen und ausscheiden, ohne dass sie erkranken. Am nächsten liegt nach unseren heutigen Kenntnissen und Anschauungen zur Er- klärung hierfür die Annahme, dass in diesen Fällen das betreifende Organ, z. B. der Darm, über bestimmte bakterienfeindliche Kräfte ver- fügt, welche das Eindringen der betreffenden Keime in das Gewebe des Organs nicht gestatten, eine Annahme, die durch den Nachweis 15* 228 A. Wassermann, CoNRADi'gi^, (Jass die einzelnen Organe resp. Organzelleu bei ihrer Autolyse baktericide Substanzen frei werden lassen, welche sich den einzelnen Bakterieuarten gegenüber verschieden verhalten, eine gewisse experimentelle Stütze erhalten hat. Indessen sind wir vorläufig in diese Fragen des biologischen und biochemischen Verhaltens der einzelnen Körperorgane gegenüber Mikroorganismen sowie in die dabei auftretenden individuellen Alters- und Rassenunterschiede experimentell noch so wenig tief eingedrungen, dass ich in einem Lehrbuche, welches ausschließlich das Gesicherte bringen soll, nur darauf hinweise. Bei einigen Infek- tionserregern dagegen vermögen wir die Ursache, weshalb sie auf die Invasion ganz bestimmter Körperzellen angewiesen sind, um die Infek- tion auszulösen, klarer zu übersehen. So müssen die Malariaparasiten in das Blut kommen, um Malaria hervorzurufen deshalb, weil sie so obligate Zcllschmarotzer und so anspruchsv(jll in ihrer Nahrung sind, dass sie beim Menschen eben nur in den Bestandteilen des lebenden Blutes ihre Nahrung finden und sich vermehren können, aber in jeder anderen Körperfiüssigkeit sehr rasch absterben. Besonderer Wert wurde früher auf die sogen. Symbiose verschie- dener Bakterienarten zwecks Zustandekommen der Infektion gelegt. Man nahm au und glaubte, dies experimentell stützen zu können, dass viele Bakterienarten auf die gleichzeitige Anwesenheit bestimmter an- derer Arten angewiesen seien, um infizieren zu können, dass also gleichzeitig die Anwesenheit einer bestimmten zweiten Bakterienart die Infektiosität der ersteren erhöhe. Wir werden diesen Punkt bei dem Kapitel der Mischinfektion ausführlich besprechen. Hat nun ein Infektionserreger alle für sein Eindringen in das lebende Gewebe nötigen günstigen Umstände gefunden, so ist auch damit das Ausbrechen der betreifenden Infektionskrankheit noch nicht entschieden. Damit krankhafte Symptome seitens Mikroorganismen ent- stehen, müssen diese in gewisser Menge im Organismus vor- handen sein, sie müssen sich also bis zu einem gewissen Grade vermehren. Diese Eigenschaft, sich im lebenden menschlichen oder tierischen Organismus spontan von einzelnen Individuen bis zu der zur Auslösung von Krankheitserscheinungen nötigen Menge vermehren zu können, stellt das eigentliche Charakteristicum der pathogenen infektiösen Bakterien i. e. der Parasiten gegenüber den in der Natur vorhandenen, an Zahl weit überwiegenden, nicht pathogenen Mikroorganismen, den Saprophyteu, dar. Denn die Möglichkeit, krankhafte Symptome beim Menschen oder Tiere hervorzurufen, ist kein strenges Unterscheidungs- merkmal, da man auch mit Saprophyteu, z. B. Heubazillen, wenn mau sie in großen Mengen injiziert, an der Injektionsstelle Entzündung und als allgemeine Reaktion Fieber erzielen kann. Das Protoplasma aller Bak- terienarten, also auch der Saprophyteu, hat nämlich die Fähigkeit, im Ge- webe von Warml)lütcrn Entzündung hervorzurufen (s. u.). Aber in diesem Falle, wenn es sich um die Einführung von Saprophyteu handelt, müssen wir dann die Bakterien von vornherein in solcher Menge injizieren, dass schon die Anzahl der abgestorbeneu Individuen zur Auslösung der lokalen und allgemeinen Reaktion genügt. Denu es tritt seitens der Heubazilleu, Avie überhaupt aller Saprophyteu, im lebenden Organismus spontan nicht nur keine Vermehrung, sondern sofort nach der Injektion beginnend, ein fort- währendes Absterben und Verminderung derselben ein (Wy.ssokowitsch i-^j. Dass auch die Produkte anderer Saprophyteu, so der Fäulnisbakterien, krankhafte Symptome an Tier und Menschen auslösen können, wenn sie Wesen der Infektion. 229 iu genügender Anzahl einverleibt werden, ist eine seit Panum " bekannte Thatsache. Also das wesentliche Charakteristicum der pathogenen infektiösen Bakterien gegenüber den Saprophyten DEB.vuY'sist die Fähigkeit der Vermehrung im lebenden Organismus. Indessen steht der lebende Organismus dieser Vermehrung der ein- gedrungenen Infektionserreger und der Wirkung ihrer Gifte nicht wehr- los gegenüber. Er besitzt angeborene antitoxische und baktericide Schutzkräfte in seinen Zell- und Körpersäften, die sich der Vermehrung der eingedrungenen Mikroorganismen entgegenstellen. (In betreff der Einzelheiten verweisen wir auf die Kapitel: Natürliche Resistenz sowie Disposition im dritten Band.) Diese Kräfte müssen erst überwunden werden, ehe die Vermehrung der Bakterien sich vollziehen kann. Die Schnelligkeit und Intensität der zur Auslösung pathologischer S3anptome nötigen Vermehrung der eingedrungenen Keime hängt nun von ver- schiedenen Umständen ab. Einerseits kommen hierfür die soeben an- gedeuteten angeborenen Hinderniskräfte des Organismus in Betracht, welche individuell ungemein schwanken und einen Hauptanteil dessen ausmachen, was wir als persönliche Disposition bezeichnen. Anderer- seits kommt hierfür die Menge der von vornherein mit dem infizieren- den Materiale eingebrachten Keime sowie deren Vitalität, d. h. ihre Wachstumseuergie und ihre Fähigkeit, spezifische Gifte zu produzieren, mit anderen Worten, ihre Virulenz in Betracht. Wir werden über den Einfluss dieser Faktoren auf die Infektion noch weiter unten zu sprechen kommen. Nachdem nunmehr die invadierten Mikroorganismen ihre zum Zu- standekommen der Infektion nötige Menge im Gewebe erreicht und ihre spezifischen Schädigungen der Körperzellen hervorgebracht, dann erst beginnt der Ausbruch der Krankheit. Wir sehen somit aus dieser Dar- legung klar, dass von dem Momente des Eindringens der Bakterien bis zum Ausbruche der Krankheitserscheinungen eine gewisse Zeit vergehen muss. Dieses Stadium nennen wir die Inkubation. Das Inkubations- stadium hängt in seiner Länge, wie wir uns leicht im Tierversuche über- zeugen können, auf das innigste einerseits mit der eingebrachten Menge des InfektionsstoÖes, andererseits mit der Virulenz desselben sowie mit dem Orte, wo die Infektionserreger eingedrungen sind, zusammen. Nehmen wir hierfür als Beispiel Tetanusbazillen, so können wir experi- mentell durch Abstufen der eingeführten Tetanusbazillenmenge es leicht erreichen, dass eine Maus erst am 5. oder 6. Tage die ersten Krank- heitserscheinungen zeigt. Erhöhen wir die infizierende Dose, so sind schon am folgenden Tage die schwersten Kraukheitssymptome vorhanden. Auch der Ort, woselbst die Bakterien zuerst in den Körper eingedrungen sind, hat bei manchen Infektionen einen bedeutenden Einfluss auf die Inkubation. Ganz besonders ist dies bei manchen Infektionserregern der Fall, welche in einem bestimmten Organ Fuß fossen müssen, um ihre spezifische Krankheit auszulösen, also z. B. beim AVutvirus oder dem Tetanus, die beide im Zentralnervensystem sich fixieren müssen, um ihre Krankheit auszulösen. Je näher die Eintrittspforte dem Zentral- nervensystem liegt, desto rascher brechen bei diesen Afiektioneu die ersten Krankheitssymptome aus. Daher ist bei Bissverletzungen seitens wutkranker Tiere am Kopfe die Inkubation gewöhnlich eine kürzere als bei Verletzung an den unteren Extremitäten, offenbar weil das Virus im ersteren Falle einen weit kürzeren Weg zu seinem specifischen Organe zurückzulegen hat. Für den Tetanus zeigten experimentell Eoux & 230 A. Wassermann, Boueli-^ (las gleiche, indem bei direkter Einbringung- von Tetanusvirus in das Zentralnervensystem die Inkubation bedeutend abgekürzt wird. Auch bei direkter Einimpfung von Bakterien in die Blutbahn oder in die großen serösen Höhlen erfolgt bei den meisten Infektionserregern rascher der Ausbruch der Symptome, wird also die Inkubation abgekürzt, indem bei diesem Infektionsmodus einerseits wichtige Widerstände für die Vermehrung der Infektionserreger wie das Lymphdrüsensystem, das bei der subkutanen Injektion vor dem Uebergang der Keime in das Blut erst überwunden werden muss, ausgeschaltet wird. So fand Halban^'', dass bei subkutaner Injektion die eingebrachten pathogenen Keime stets zuerst in den regionären Lymphdrüsen nachzuweisen sind. Andererseits ist bei der direkten Einimpfung der Infektionserreger in das Blut die Verbreitung und der Weitertransport der Keime in entferntere Orgaue mittelst der Blutzirkulation naturgemäß sehr beschleunigt. Dass die Virulenz der Mikroorganismen, d. h. einerseits ihre Wachstums- und Vermehruugseuergie, andererseits ihre Fähigkeit, giftige Produkte, Toxine, zu bilden, eine sehr große Bolle bei der Schnelligkeit des Ausbruches der ersten Symptome bildet, ist ohne weiteres einleuchtend. Dies geht so weit, dass wir aus der Länge der Inkubation, beispielsweise bei Tetanus des Menschen im Anschluss an eine Verletzung, einen direkten Ptückschluss aut die Schwere der Infektion in dem betreffenden Falle machen. So hält Kotter^' alle Tetanusftille, bei denen die Inkubation weniger als 10 Tage beträgt, von vornherein für sehr schwere Fälle. Indessen dürfen wir dies nicht für andere Infektionen verallgemeinern, denn Roger ^^ der das Verhältnis zwischen Dauer der Inkubation und Schwere der Infektion bei zahlreichen Fällen von Erysipel, die sich direkt an eine Verwundung anschlössen, verfolgt hat, konnte keine Uebereinstimmung zwischen Kürze der Inkubation und Schwere des Infektionsverlaufes konstatieren. Es ist also nach dem, Avas hier gesagt wurde, leicht erklärlich, dass die Inkubation bei ein- und derselben In- fektion keine ganz bestimmte Zeit hat, sondern dass sie innerhalb gewisser Grenzen schwanken kann. Vergleichen wir hingegen die gewöhnlichen Inkubationszeiten der einzelnen Infektionserreger beim Menschen imter einander, so ergeben sich hier die allergrößten Unterschiede, welche auf das innigste mit den biologischen Eigenschaften des betreffenden Mikro- organismus im lebenden Körper zusammenhängen. So können nach der Infektion mit einem besonders virulenten Streptococcus die ersten Symp- tome der septischen Erkrankung bereits am nächsten Tage ausgesprochen sein, während andererseits die Inkubation bei Lepra nach sicheren Be- obachtungen sich über Jahre erstrecken kann. Ist das Inkubationsstadium überwunden, dann beginnt der Infektions- verlauf der durch die Wirkungen der Mikroorganismen im le- benden Körper bedingt ist. Die Wirkungen der Infektionserreger im lebenden Organismus können Avir einteilen in lokale und allgemeine Wirkungen der Mikroorganismen. Was zunächst die Frage angeht, wie überhaupt pathogene Mikroorganismen ihre krankhaften Störungen ausüben, so hat man schon frühzeitig die mechanische Aktion eines Mikroorganismus von der einer Wirkung durch gelöste Stoffe, also Gifte, auseinandergehalten. Bei den früheren Beispielen von Parasiten, den größeren Tieren, Eingeweidewürmern, Milben u. s. w. genügte allerdings die durch das Eindringen der Parasiten gesetzte mechanische Störung, um die relativ geringen Kraukheitssymptome zu erklären, obwohl wir heute sogar von diesen größten Vertretern der Parasiten, so beispiels- Wesen der Infektion. 231 weise dem Botriocephalus, den Trichinen und den Ancliylostomen duode- nale neben der eig'entlich meclianisclien Wirkung auc^li gleichzeitig sicher eine Wirkung durch sezernierte giftige StoHe annehmen müssen. Auch bei den zuerst entdeckten Infektionserregern der Gruppe der Bakterien, die nach der Entdeckung der KocHschen Methodik experimentell in vivo studiert wurden, dem Milzbrand und der Mäuseseptikämie, konnte das mechanische Moment angesichts der ganz ungemein starken Verbreitung dieser Infektionserreger im lilutgefaBsystem mancher Tiere noch beson- ders in Betracht gezogen werden. Es konnte bei diesen Infektionen die Anwesenheit von vielen Tausenden von Bakterien, also Fremdkörpern, in allen Kapillaren als solche, bereits als genügend und ausschlaggebend für das Krankheitsbild angesehen werden. Im Laufe der sich an diese ersten Küciischen Funde anschließenden Entdeckungen wurden indessen sehr bald spezifische Infektionserreger, so der Tuberkel-, der Diphtherie-, der Rotz-, der Tetanus-, der Typhusbacillus, der Choleravibrio u. s. av. ge- funden, bei welchen das mechanische Moment, die Auffassung der Bakterien als Fremdkörper, welche einfach durch ihre Anwesenheit und gewisser- maßen mechanische Wirkung auf Gewebe und Zirkulation wirken, nicht mehr annähernd die schwere und allgemeine Fernwirkung dieser In- fektionserreger im Organismus erklären konnte. Hier war man von vornherein gezwungen, eine Wirkung von gelösten Stoffen der eingedrun- genen Mikroorganismen, also Gifte, anzunehmen. Robert Koch^'^ postu- lierte daher bereits in der ersten Cholerakonferenz zum Verständnis des Choleraprozesses die Anwesenheit eines von den Choleravibrionen gelie- ferten spezifischen Choleragiftes und spricht sich hierüber sehr klar aus. Erst im Jahre 1888 gelang es indessen Roux & Versin 20 mit Sicherheit die Existenz eines specifischen Bakteriengiftes, das die gleichen Krank- heitssymptome wie die betreffenden lebenden Bakterien her- vorbringt, unzweideutig darzuthun. Es war dies das Dii)htheriegift, und mit Recht bezeichnet von Behring (a. a. 0.) diese Entdeckung als »den Beginn einer neuen Aera, welche durch die Auffassung der infektiösen Kraukheitsprozesse als Reaktion auf die Giftw^rkung belebter Orga- nismen charakterisiert wird. « In der That bedeutet die Entdeckung des Diphtheriegiftes, der bald diejenige des Tetanusgiftes durch Kitasato"-^ folgte, eine der wichtigsten Etappen in unseren Kenntnissen über das Wesen der Infektion. Von hier ab wissen wir exakt und können es be- weisen, dass, wie es spezifische lebende Infektionserreger, so auch diesen entsprechende und nur ihnen angehörende spezifische Gifte giebt, welche bei dem Lebensprozesse der betreffenden Bakterien entstehen. Damit war die Rolle der Bakteriengifte bei den infektiösen Krankheitsprozessen, die bis dahin nur supponiert wurde, bewiesen (das Kähere über Bak- teriengifte s. Kap. Bakteriengifte). An die Stelle der früheren Auf- ftissung trat nunmehr die Erkenntnis, dass die Bakterien Giftproduzenten sind und dass ihre Wirkungen vermittelst ihrer spezifischen Gifte zu- stande kommen. Jede Infektion hat also eine Intoxikation im Gefolge, beide sind klinisch nicht von einander zu trennen. Allerdings ist es uns bisher nicht gelungen, für alle pathogenen Mikro- organismen die Existenz eines spezifischen Giftes durch Untersuchungen au Reinkulturen in künstlichen Nährböden ein wandsfrei nachzuweisen. So hat CoNRAi)i22 bei eigens darauf gerichteten Untersuchungen für den Milzln-and die Existenz eines spezifischen Giftes nicht nachweisen können. Trotzdem wäre es indessen irrig, annehmen zu wollen, dass der Milz- brandbacillus kein spezifisches Gift zu l)ilden vermag. AVir dürfen nie ver- 232 A. Wassermann, gessen, wie ungeheuer verschieden die Bedingungen der Giftbildung für Milzbrandbazillen und andere Bakterien bei ihren Lebensprozessen in den komplizierten Eiweißsubstanzen des lebenden Organismus gegenüber den Stoffen sind, die wir ihnen in unseren Kulturmedien bieten. In dieser Beziehung bestehen so große Unterschiede und imsere Methoden für die Darstellung dieser lal)ilen Stoäe sind noch so wenig ausgebildet, dass hier mit Kecht der Satz gilt: ein positives Ergebnis berechtigt zu einem Schlüsse, ein negatives indessen nicht. Und wenn wir daher seitens irgend eines Bakteriums schwere lokale und allgemeine krankhafte Wirkungen finden, ohne dass die gewaltige Zahl der Bakterien an sich ims diese Wirkung erklären könnte, so dass also ein Missverhältnis zwischen Schwere der Wirkung und Anzahl der lebenden Bakterien besteht, so dürfen wir heute nach Analogie mit anderen Infektionserregern, deren spezifische Gifte Avir bereits kennen, auch bei diesen ohne weiteres auf Giftwirkung schließen, selbst wenn uns aus irgend welchen Gründen der direkte Nach- weis dieser Gifte bisher noch nicht gelungen ist. Wenn wir also z. B. sehen, dass ein Mensch an Milzbrand stirbt, und wir Mühe haben, im Blute oder den Geweben einige wenige Milzbrandbazillen nachzuweisen, wie dies z. B. auch bei der Infektion mit Milzbrand bei weißen Ratten bisweilen der Fall ist, so gehen wir sicher nicht fehl mit der Annahme, dass der Milzbrand im Organismus des Menschen und der Ratten ein spezifisches Gift zu bilden vermag, wenngleich wir es in Kulturen oder im Organismus mit unseren bisherigen Methoden noch nicht nachzu- weisen vermochten. Und was hier für den Milzbrand gesagt ist, gilt in gleicher Weise für andere Bakterien, so dass also die Wirkung der spezifischen Gifte eine große Bedeutung für das Zustande- kommen einer Infektion besitzt. Allerdings ist es nun nach meinen Erfahrungen unrichtig, in das Extrem zu verfallen und alle Krankheitssymptome im Gefolge einer In- fektion ausschließlich nur als Reaktion des lebenden Gewebes auf die Einfuhr von Giften zu betrachten, das mechanische Moment der An- wesenheit von Bakterien aber ganz zu vernachlässigen. Wer einmal Gehirnschnitte von manchen an tropischer Malaria Verstorbenen durch- mustert und gesehen hat, wie hier bisweilen die Kapillaren ganzer Be- zirke durch die Parasiten völlig ausgefüllt und gesperrt sind, der wird in solchen Fällen der rein mechanischen Wirkung einer solchen Zirku- lationsbehinderung in lebenswichtigsten Organen doch nicht jeden Ein- fluss auf die im Verlaufe dieser Infektion aufgetretenen Krankheits- symptome absprechen. Auch sonst giebt es Beispiele genügend, bei denen wir der rein physikalischen Anwesenheit der Mikroorganismen an Centren der Lebenstbätigkeit selbst ohne Mitwirkung gelöster Gifte eine sehr verderbliche Wirkung zuschreiben müssen, so dass wir also nicht berechtigt sind, trotz der einwandsfrei nachgewiesenen Hauptrolle der Gifte die direkt parasitäre Aktion der Mikro- organismen bei der Gesamtauffassuug des Infektionsprozesses völlig zu vernachlässigen. Was nun die Verbreitung der eiiigedrungenen Mikroorganismeu im Körper angeht, so kann sich diese in den allerengsten und allerweitesten Grenzen halten. Wir können in Bezug auf die Wachs- tumsenergie und die Art der Verbreitung der Mikroorganismen im in- fizierten Körper verschiedene Typen unterscheiden. Es sei indessen schon hier bemerkt, dass durchaus nicht jede Mikroorganismenspecies sich nach einem bestimmten Typus im Organismus in Bezug auf Aus- Wesen der Infektion. 233 ])i-eituug verhält, sondern dass hier l)ei der einzehien Art große Schwan- kungen vorkommen, worauf wir noch zu sprechen kommen werden. In großen Zügen können wir indessen folgende Kategorieen in Bezug auf Wachstum und Ausbreitung der Bakterien im Körper unterscheiden. 1. Die Bakterien vermögen überhaupt im lebenden Organis- mus nicht zu wachsen, sie nehmen im Gegenteil vom Augenblick des Eindringens in denselben an Zahl ab. Dies sind die Sajjrophyten, deren raschen Untergang in dem Blute des lebenden Organismus Traube ^ konnte den gleichen Einfluss auf den Verlauf der Tetanusinfcktiou bei Kaninchen beobachten, wenn die Infektion von Schusswunden oder Hämatomen bei den Tieren ausging. Linser s** studierte gleichfalls experimentell den Einfluss von Gewebsläsionen an der Eintrittspforte auf den Verlauf einer Infektion bei Kaninchen mit Staphyh)COCCus aureus, Bac. Pyocyaneus, Bacterium coli, Strejitokokkcn und giftfreien Tetanussporeu. Er legte Muskelbündel der Adduktoreu frei und bedeckte sie mit feuchten Kompressen. Diese Tiere dienten als Kontrollen. In einer zweiten Serie wurden diese Muskelbündel an den Enden unterbunden, in einer dritten wurden sie der Austrocknuug überlassen, in einer vierten wurden Iß* 244 A. Wassermann, sie stark g-equetscbt. Bei den Tieren der ersten Reihe ging- die Infek- tion überhaupt nicht an, bei den Tieren der übrigen Reihen dagegen entwickelte sich eine schwere, tödlich verlaufende Infektion und zwar war nach Linser die Austrocknung und Quetschung des Gewebes der Eingangspforte besonders verderblich für den Verlauf der Infektion. Beim Menschen kommt ferner für die Schwere der Infektion und die Schnelligkeit des Verlaufes noch in ausgesprochener Weise die anatomische Verteilung der Noxe hinzu, ob bei der Verbreitung- des Infektionsstoffes lebenswichtige Organe der Sitz der Infektion sind oder weniger wichtige. Diese anatomische Verbreitung der Infek- tionserreger ist auch maßgebend für das klinische Bild der Er- krankung, welches ein Infektionserreger im gegebenen Falle hervorruft. So kann der Streptococcus, wenn er in das feste, straffe Bindegewebe des Fingers gelangt, das seiner Verbreitung ein mechanisches Hindernis entgegensetzt, eine lokal bleibende Entzündung, ein Panaritium, erzeugen. Gelangt er in lockeres Unterhautbindegewebe, so kommt es zur Phlegmone; verbreitet sich der Streptococcus in den Lymphspalten der Haut, so entsteht das Erysipel; gelangt er in die Peritonealhöhle, so kommt es zur Peritonitis; wächst er im Blute, so entsteht das Bild der Septi- kämie u. s. w. Wir sehen aus diesen Beispielen, wie verschieden ein und dieselbe Infektion verlaufen kann, sofern nur der Infektionserreger nicht eine spezifische Anpassung an ganz bestimmte Gewebe (s. o.) be- sitzt, so dass er, wie z. B. der Choleravibrio, sich ausschließlich nur iu einem Gewebe z. B. in dem Darmepithel vermehren kann. Trotz dieses verschiedenen klinischen Infektiousverlaufes sind indessen alle diese verschiedenen Krankheitsbilder, wie wir dies schon oben am Beispiel des Pneumococcus auseinandergesetzt haben, ätiologisch ein und dieselben, nur symptomatisch verschiedene Streptokokkeninfektionen. Dies geht mit unzweideutiger Sicherheit aus den von Petruschky^J am Menschen ge- machten Versuchen hervor, indem es diesem Autor gelang, bei Karkinom- kranken zwecks therapeutischer Maßnahmen typisches fieberhaftes Ery- sipel hervorzubringen, indem er Streptokokken, die er aus einem Falle von eitriger Peritonitis nach parametritischem Exsudat gezüchtet hatte, durch oberflächliche Skarifikation in die Lymphräume der Haut brachte. Der Einfluss, der von selten des Organismus durch die seinen Säften und Zellen normal innewohnenden und individuell sowie unter Einfluss äußerer Faktoren schwankenden, bereits wiederholt erwähnten Abwehr- kräfte auf den Verlauf der Infektion ausgeübt wird, wird in Band III behandelt werden. Von größtem Einfluss auf den Verlauf der Infekti(m sind endlich noch die Virulenz der Infektionserreger sowie die Bakterien- assoziationen, d. h. indem nicht eine, sondern mehrere Bakterieuarten in dem betreffenden Falle vorhanden sind, also die sogen. Misch- und Sekundärinfektionen. Unter Virulenzgrad eines Infektionserregers verstehen wir den Grad seines pathogenen Vermögens im empfänglichen Organismus. Die Viru- lenz stellt also die Summe der spezifisch krankmachenden Wirkungen eines Mikroorganismus dar. Manche Autoren unterscheiden zwischen Virulenz und Toxizität, indem sie unter Virulenz die Infektiosität, d. h. die Fähigkeit, im Tierkörper zu wachsen, unter Toxizität die E'ähigkeit und das Maß der Giftproduktion verstehen. Wie Avir indessen schon oben auseinandergesetzt haben, lässt sich bei den Infektionsprozessen sehr häufig nicht scharf auseinanderhalten, welche Wirkung der Infektion, d. h. Wesen der Infektion. 245 der Ansbreitimg der lebenden Bakterien, und welche Wirkung der Intoxika- tion, d.h. der Wirkung- der leblosen Ötotte derselben zuzuschreiben sind. Bei sehr vielen Mikroorganismen gehen Infektion und Intoxikation so eng nebeneinander her und greifen so ineinander über, besonders bei jenen, bei welchen, wie bei Cholera und Typhus, die Gifte zum größten Teile an den Bakterienleib selbst gebunden sind und erst beim Zerfalle der- selben frei werden cf. Gifte, Kap. Endotoxiue), dass wir eine derartige scharfe Trennung wohl prinzipiell, aber nicht für die im Organismus sich abspielenden thatsächlichen Verhältnisse durchfuhren können. Da- mit soll natürlich durchaus nicht geleugnet werden, dass bei manchen Bakterienarten, bei welchen die Infektiosität hinter der Giftbildung völlig zurücktritt, wie beim Tetanusbacillus oder beim Diphtheriebacillus, man sehr häufig nachweisen kann, dass wenig infektiöse, d. h. mit ge- ringer Wachstumsenergie ausgerüstete Bazillen sehr starke Giftprodu- zenten sind, und andererseits Üiphtheriebazillen, die sehr üppig wachsen, also sehr infektiös sind, sehr wenig Gift produzieren, wie dies von BoMSTEiN^2^ Croly^-^ uud Brunner^^ beschrieben und wohl von allen, die mit diesen Bakterienarten gearbeitet haben, beobachtet wurde. Da nun bei Tetanus und Diphtherie die Verbreitung der lebenden Infektions- erreger als solcher nicht annähernd die Eolle spielt wie die Verbreitung des spezifischen Giftes dieser Bakterien im Organismus, das von den lebenden Bakterien ausgeschieden und durch Vermittlung des Kreislaufes die gesamten spezifischen Kraukheitssymptome verursacht, so dass Avir hier selbst ohne jeden lebenden Infektionserreger ausschließlich mit dem Gifte (s. Bakteriengifte) die spezifische Krankheit erzeugen können, so richtet sich bei diesen Bakterienarten der Grad der Virulenz ausschließ- lich nach dem JMaße ihrer Giftproduktion. Ein Diphtheriebacillus, der zwar sehr gut im Tierkörper Avächst, aber nur kleine Mengen Gift zu produzieren vermag, ist eben weniger virulent als einer, bei dem dies umgekehrt ist, und andererseits richtet sich bei Bakterien, bei denen ihre spezifische Wirkung ausschließlich an die Anwesenheit der Bakterien als solcher im Gewehe gebunden ist, z. B. beim Tuberkelbacillus die Virulenz ausschließlich nach der Verbreitungs- und Waehstumsmöglich- keit, welche diese Bakterienarten im Organismus haben. Vagedes*^ hat die Virulenzunterschiede der Tuberkelbazillen, welche direkt aus dem Menschen gezüchtet waren, besonders eingehend an Kaninchen und Batten studiert und spricht sich darüber in der Art aus, »dass Tuberkel- bazillenkulturen verschiedener Herkunft sehr verschiedene Virulenz für Tiere besitzen können, also im Tierkör}ier eine verschieden starke Wachs- tumseuergie zeigen.« Der Grad der Virulenz kann nun bei allen Mikroorganis- men, wie Avir uns leicht im Tierversuche überzeugen können, ein sehr verschiedener sein und wir haben es für die meisten Bakterienkulturen in der Hand, sie durch gewisse Maßnahmen in ihrer Virulenz für Tiere herabzusetzen oder auch zu steigern. Indessen ist dabei das Verhalten sehr häufig derart, dass die Virulenz für eine ge- wisse Tierart herabgesetzt, für eine andere hingegen dabei gleich bleibt oder sogar im Gegenteil gesteigert wird. Denn damit, dass ein Mikro- organismus eine sehr hohe Virulenz für eine gewisse Tierspecies zeigt, ist durchaus nicht gesagt, dass er nun für alle vSpecies, für welche er pathogen ist, eine ebenso starke Virulenz besitzt. Wir werden hierauf noch weiter unten zu sprechen kommen. Die Virulenz ist eben nach allem, was wir bisher bereits kennen gelernt haben, stets eine relative 246 A. Wassermann, Größe, die eine Funktion der Wechselbeziehungen zwischen gewissen biologischen Eigenschaften des Bakteriums und des lebenden Organis- mus darstellt. Bietet der letztere bei einer bestimmten Tierart oder selbst individuell bei einem bestimmten Individuum dem ersteren größeren Widerstand als in einem anderen, dann ist die betreffende Bakterienart für diesen Organismus weniger virulent als für den zweiten. Demge- mäß ist es leicht zu verstehen, dass die Virulenzsteigerung oder der besondere Grad der Virulenz für eine Tierart noch nicht regelmäßig das gleiche für eine zweite oder alle Tierspecies bedingt, indem in der zweiten nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ andere Wider- stände sich der pathogenen Entfaltung des betreffenden Mikroorganismus entgegenstellen können. Derartiges zeigte experimentell zuerst für den Schweinerotlauf bacillus Pasteur*''' sowie für Streptokokken Knorr*', Petrüschry**, Koch & Petruschky^^, indem Streptokokken, die in ihrer Virulenz für Mäuse sehr gesteigert waren, in ihrer Virulenz für Kaninchen zurückgingen und umgekehrt. Besonders geht dieses Ver- halten auch aus Versuchen von A. AVassermann ^o hervor. Man kann nämlich leicht die Virulenz bestimmter Infektionserreger, so des Typhus- bacillus, für eine Tierspecies, z. B. Meerschweinchen steigern, indem man die normalen biologischen Resistenzkräfte des Meerschweinchen- organismus durch spezifische Gegenmittel bindet (s. Antikomplemente bei Kap. Persönliche Disposition und angeborene Resistenz Bd. III). Der Gegenkörper, welcher die Resistenzkräfte des Meerschweinchens bindet, ist indessen für eine andere Tierart, z. B. den Mäuseorganismus, ohne jeden Einfluss, so dass also hieraus klar hervorgeht, dass die Resistenzkräfte verschiedener Tierspecies in qualitativ verschiedenen Stoffen beruhen, uud daher eine Bakterienart für die eine Tier- art einen höheren, für die andere einen geringeren Virulenzgrad besitzen kann, je nachdem sie sich gegenüber den Resistenzkräften der einen oder der anderen Species gerade besonders widerstandsfähig erweist. Vergleichen wir nun die Virulenz ein und derselben Bakterienart, aber aus verschiedenen Krankheitsfällen des Menschen gezüchtet, indem wir quantitativ gleiche Mengen ein und derselben Tierart beibringen, so zeigen hierbei die verschiedenen »Stämme« sehr große Schwankungen in ihrer Virulenz. Derartiges wurde für Diphtheriebazillen bereits von LöFELERöJ, von Roux & Yersin (1. c.) und vielen anderen Autoren be- richtet, für Streptokokken von A. Levt^'-, v. Lingelsheim '^^ , Pe- TRUSCHKY (1. c), für Pneumokokken von Kruse & Pansini^^, für Typhus- bazillen von Brieger, Kitasato & Wassermann 9^. Für Tuberkelbazillen, für welche dieses Factum anfangs geleugnet wurde, konnte es Vagedes (1. c.) mit Sicherheit nachweisen. Auf die Frage, ob wir berechtigt sind, aus der im Tierexperiment hervortretenden besonderen Virulenz eines aus einem menschlichen Krankheitsfalle frisch gezüchteten Infektions- erregers den direkten Schluss zu machen, dass dieser Infektionserreger sich auch im menschlichen Organismus besonders virulent verhalte, werden wir weiter unten zu sprechen kommen. Wie schon kurz vorher erwähnt, ist es uns für fast alle Infektionserreger möglich, unter künstlichen Bedingungen die Virulenz zu verändern und zwar einerseits abzuschwächen, andererseits zu erhöhen. Eine Abschwächung der meisten parasitären Bakterien tritt spontan im Laufe der künstlichen Züchtung auf Nährböden ein. Daher sind im allgemeinen alle Bakterien am virulentesten direkt ohne zwischenliegende Kultur aus dem lebenden Organismus Wesen der Infektion. 247 verimpft. So ist beispielsweise das Organ oder das Blut eines an Milzbrand frisch gestorbenen Tieres stets der virulenteste Infektionsstoff für Milzbrand. Offenbar spielen hierbei teils schädliche Produkte, welche sich beim AVachstuni der Bakterien auf Nährböden entwickeln, Säuren, Basen, Fermente, und welche auf die Bakterien einwirken, sowie auch die Anpassung an das Wachstum auf künstlichen Nährböden die Hauptrolle, indem die Bakterien sich an sapro- phytische Lebensweise gewöhnen. Infolgedessen sind diejenigen Nährmedien, welche in ihrer Zusammensetzung den natürlichen Säften des Organismus am nächsten kommen, für die streng parasitären Mikroorganismen am geeignetsten, lim die Virulenz länger zu erhalten. So bewahren nach Ro(4EU (1. c.) und V. LiNGELSHEiM (1. c.) Streptokokken im Kaninchenserum, nach E. Fränkel & Reiche y*' Pneumokokken auf Blutagar oder nach Grawitz & Steffen '^^ auf koaguliertem pneumonischem Sputum länger ihre Virulenz als auf den gewöhnlichen Nährmedien. Ebenso verhalten sich Diphtheriebazillen nach LöFFLER (1. c.) und anderen Autoren auf koaguliertem Serum. Roux & Metschnikoff ^^ haben ein anderes Kulturverfahren zur Erhal- tung der Virulenz vorgeschlagen, das den natürlichen Verhältnissen noch näher kommt, indem sie die Bakterien innerhalb CoUodiumsäckchen in die Bauchhöhle von Tieren bringen und dort belassen. Sehr zu empfehlen ist es auch, die Virulenz der Bakterien dadurch zu be- wahren, dass man das die Infektionserreger enthaltende Blut der Versuchstiere steril in Glaskapillaren aufsammelt, diese zuschmilzt und auf Eis aufbewahrt. Bei der Anwendung der gewöhnlichen Nährböden spielt für die Er- haltung der Virulenz vor allem die chemische Zusammensetzung des Nähr- bodens, besonders die richtige Alkaleszenz desselben eine große Rolle, so dass manche Bakterienarten, z. B. Typhus, bei Verwendung eines schlecht berei- teten Nährbodens von einem Tag zum andern ihre Virulenz einbüssen können (Pfeiffer & Kolle 1. c). Derartiger ungünstiger Einfluss seitens ungeeignet bereiteter Nährböden auf die Virulenz ist noch bei vielen anderen Bakterien beobachtet worden, ja man kann behaupten, dass fast jede Bakterienart ein gewisses Optimum der Alkaleszenz und des Peptonzusatzes hat, bei welchem sie ihre Virulenz auf dem künstlichen Nährboden am besten erhält. Die verschiedenen Bakterienarten zeigen in Bezug auf ihre Neigung, auf künstlichen Nährböden avirulent zu werden, sehr große Verschiedenheiten. So schwächt sich beispielsweise der Pneumococcus in den gewöhnlichen künst- lichen Kulturen sehr rasch ab, während bei anderen, besonders sporenbilden- den, z. B. dem Tetanus, dies in weit geringerem Maße der Fall ist. Andere Bakterien zeigen eine ganz besondere Neigung, avirulent oder selbst abgetötet zu werden, wenn in den Nährmedien bestimmte schädliche Stoflwechselprodukte ihres eigenen Wachstums auf sie einwirken. So sind Streptokokken und Diphtheriebazillen sehr empfindlich gegen Säuren und schwächen sich infolge- dessen sehr leicht auf Nährböden ab, denen solche Zusätze gemacht sind, dass die Bakterien darauf mehr Säuren produzieren, z. B. Traubenzucker und Glycerin (für Streptokokken v. Lingeesheim 1. c). Andere Bakterien bilden im Gegenteil stark alkalisch reagierende Stoffe, Basen (s. Kapitel II) in ihren Kulturen, welche bei längerem Kontakte die Virulenz abschwächen, so der Choleravibrio. Bei anderen kommen gewisse Fermente hinzu, welche die lebenden Bakterien schädigen, die sog. Nukleasen, z. B. bei Pyocyaneus die sog. Pyocyanase, welche von Emmerich & Löw'*'-^ eingehend studiert wurde. Fast alle pathogenen Bakterien werden ferner rascher auf künstlichem Nähr- böden avirulent, wenn die Kulturen längere Zeit bei 37" gehalten werden. Hierbei spielt die bei dieser Temperatur weit intensiver erfolgende Austrock- nung eine bedeutende Rolle. Im Einklang damit fand Petruschky i"'", dass 248 A. Wassermann, manche Bakterienarten , besonders Streptokokken, in Gelatine verimpft und auf Eis aufbewahrt, weit länger ihre Virulenz bewahren. Bei vielen Bakterienarten ist die durch eine der genannten Schädlichkeiten eintretende Virulenzherabsetzuug nur eine individuelle, die einzelne Kultur- geueration betrefleude, so dass der betreflende Stamm seine Virulenz wieder erlangt, wenn er aiif einen neuen gut bereiteten Nährboden in öfterer Wieder- holung übertragen wird. Andere dagegen übertragen, wenn sie einmal ab- geschwächt sind, den Virulenzverlust bei der Ueberimpfung auch auf die fol- gende Generation und können dann entweder gar nicht mehr oder nur durch kompliziertere Maßnahmen wieder in ihrer Virulenz gesteigert werden (s. u.'. Neben dieser spontanen Abschwächung, welche, wie gesagt, besonders bei längerem Verweilen auf künstlichen Nährböden ohne neue Uebertragung eintritt, verfügen wir über eine große Reihe von Agentien, mittels deren wir die Virulenz der Bakterien willkürlich in beliebigem Grade bis zum vollständigen Verlust herabsetzen können. Der erste, welcher in dieser Beziehung systematische Versuche anstellte, welche seitdem für alle folgenden in dieser Richtung die Grundlage abgegeben haben, war Pasteur^'^^ welcher den Vor- gang der absichtlichen Virulenzherabsetzung an den Hühnercholerabazillen studierte. Auch bei der durch gewisse Einwirkungen willkürlich herabge- setzten Virulenz müssen wir indessen unterscheiden, ob durch das angewen- dete Mittel nur die Virulenz der betreffenden Generation herabgesetzt wird, so dass bei Neuübertragung die folgende Generation wieder die alte Virulenz zeigt, oder ob der künstlich herbeigeführte Virulenzverlust zu einer dauernden, sich von Generation zu Generation übertragenden Eigenschaft des betreffenden Stammes wurde. Derartige Stämme, welche einen solchen dauernden Virulenz- verlust erlitten haben, nennen wir seit Pasteur i**2 Vaccins (s. ds. Bd. III). Bei der Einwirkung vieler Agentien ist ferner die Herabsetzung der Virulenz nur eine scheinbare, indem durch das betreffende Agens nicht so sehr die- jenigen biologischen Eigenschaften des Bakteriums betroffen werden, welche für die Virulenz in Frage kommen, sondern indem durch das betreffende, auf die Kultur einwirkende Agens eine große Anzahl von lebenden Individuen abgetötet wurde und daher der infektiöse Grad einer solchen Kultur durch Verminderung der lebenden Keime ein numerisch schwächerer Avird. Bei den Bakterieuarten, welche vornehmlich durch ihre gelösten Gifte wirken, wie Diphtherie und Tetanus, ist das Verhalten dann so, dass das in den Kulturen vorhandene Gift durch das betreffende Agens zum größten Teile oder ganz zerstört wurde. Derartige nur scheinbare Virulenzverluste, welche, wie gesagt, nur auf einer Vernichtung sei es lebender Bakterien oder deren Gifte in einer Kulturgeneration beruhen, gleichen sich natürlich sofort wieder aus, sobald wir von der betreffenden Generation durch Umzüchtung eine neue anlegen. Von den Agentien, welche im Laboratorium hauptsächlich zur willkür- lichen Abschwächung der Virulenz von Bakterien benutzt werden, nennen wir in erster Linie 1. die Einwirkung erhöhter Temperaturen. Zuerst hat dieselbe Toussaint^os bei Milzbrand angewendet, indem er Anthraxblut 10 Minuten auf 55° erwärmte. Doch ist diese Virulenzherabsetzung nur eine vorübergehende und unsichere. Die ausführlichsten Studien über die Einwir- kung erhöhter Temperaturen auf die Virulenz von Bakterien verdanken wir Pasteur, Chamberland & Roux. ^04 Diese Autoren zeigten, dass man durch verschieden lange Züchtung von Milzbrand bei erhöhter Temperatur die Viru- lenzherabsetzung der Bakterien willkürlich und dauernd, also als von Gene- ration zu Generation übertragbare Eigenschaft in beliebigem Maße erzielen kann. Pasteur und seine Mitarbeiter züchteten zu diesem Behufe die Milz- Wesen der Infektion. 249 brandbazillen woclieulaug in liouillon bei 42 — 43". Die nach 43 Tagen bei dieser Temperatur gewonnenen Kulturen waren bei der Impfung für kein Versuchstier mehr virulent und durch kürzer dauernde Züchtung bei diesen Temperaturen ließen sich alle Varietäten der Virulenz und zwar als dauernde von Generation auf CTcneration übertragbare Eigenschaft erzielen. Diese Ver- suche wurden von Koch, Gaffky & LCiffler ' 05 bestätigt. Wossxessexsky i"6 und ChauveauI"' zeigten, dass die Einwirkung einer Temperatur von 42 — 43° und die gleichzeitige Kombination von einem auf das Drei- bis Sechsfache erhöhten Atmosphärendruck die Milzbrandbazillen bereits in 4 — 6 Tagen dauernd abschwächen. Seit diesen grundlegenden Arbeiten ist die Einwirkung von erhöhten Temperaturen in den verschiedensten Modifikationen auf Bak- terien eines der gebräuchlichsten Mittel gCAVorden, um die Virulenz willkür- lich herabzusetzen. So wurde dieselbe zu diesem Zweck von Carl Fräis^vel i"* für Diphtheriebazillen, von Brieger, Kitasato & Wasserjiaxx (1. c.) für Cholera und Tj^phus und von vielen anderen Forschern angewendet; 2. die abschw^ächende AVirkung des Sonnenlichtes auf die Virulenz von Bakterien wurde zuerst von Arloing^^^ für Milzbrandbazillen beschrieben. Doch scheint es sich hier nicht um einen eigentlichen Virulenzverlust, sondern um die Abtötung eines großen Teiles der lebenden Bakterien zu handeln, da wir wissen, dass die bakterienabtöteude Kraft des Sonnenlichtes eine sehr große ist (BuchxerII";. Indessen behauptet Santori^^i, (j^gg ([[q Milzbrand- bazillen, ehe sie vom Sonnenlicht getötet werden, eine echte Abschwächimg erleiden; 3. der Zusatz von chemischen, die Bakterien schädigen- den Stoffen zu den Kulturen in solchen Quantitäten, dass dadurch nicht eine vollständige Abtötung, sondern nur eine Entwicklungshemmung hervor- gerufen wird, wurde und wird von vielen Autoren zwecks Herabsetzung der Virulenz verwendet. Zum ersten Male wandten dies Mittel an Chamberland t*c Roux^i2^ indem sie Milzbrandbazillen in Bouillon züchteten, welche zu ^600 — Vi 80 Volumen Karbolsäure oder Y2000 — Vsooo Teile doppeltchromsaures Kali enthielt. Sie beobachteten dann, dass die Bakterien sich unter diesen Umständen binnen 21 resp. 10 Tagen völlig abschwächen können. Behring i<: Kitasato ^13 verwendeten für Diphtherie und Tetanus zu dem gleichen Zweck Jodtrichlorid, Rouxii-^ LuGOLsche Jodlösung. Ehrlich '^^ empfiehlt zu dem gleichen Zweck für Tetanus Schwefelkohlenstoft". Doch handelt es sich hierbei mehr um die Zerstörung des Tetanusgiftes, nicht um eine biologische Virulenzherabsetzung der Tetanussporen, wie auch bei den Versuchen von Behring & Kitasato sowie Roux dieses Moment der Giftzerstörung die Hauptsache sein dürfte. Auch andere Desinfektionsmittel wurden in großer Zahl zu diesem Behufe verwendet. So wurde insbesondere der Sauerstoff bereits von Pasteur (1. c.) als das Agens angesehen, welches in alten Kul- turen hauptsächlich die schon oben erwähnte spontane Virulenzabschwächung besorgt. Der Sauerstoff' wurde dann von anderen Autoren, sei es in Form von Ozon, sei es in Form von chemischen Verbindungen, welche leicht Sauer- stoff abgeben, wie Wasserstoffsuperoxyd, Kaliumpermanganat, zwecks Ab- schwächung von Bakterien verwendet. Das Prinzip und die Methode bei allen diesen desinfizierenden Mitteln ist immer das oben augege^)ene, nämlich das betreffende Mittel in solcher Quantität abgestuft zuznsetzea. dass eine Entwicklungshemmung, indessen keine vollständige Abtötung erfolgt. Unter dieser Kategorie dürfen wir wohl auch die die Virulenz herab- setzende Einwirkung der Elektrizität einführen, die von KRtGER^i*^ n^^ Smirnow^''^ beschrieben wurde. Auch die verschieden abgestufte Aus trock- nung der Kulturen gehört hierher. Alle diese Agentien wirken indessen weniger Virulenz herabsetzend, als dass sie vielmehr einen großen Teil der 250 A. Wassermann, lebenden Bakterien oder deren Gifte abtöten resp. zerstören. Sehr häufig kombinieren sich die Wirkungen einzelner der hier angeführten Faktoren. So wirken bei der PASTEUR'scheu Methode der Abschwächung des Hundswuts- virus durch das Trocknen des Markes über Aetzkali (s. Kap. Lyssa) nach Zagari'sII* Untersuchungen der Luftsauerstoflf und die Austrocknung zu- sammen, um die Virulenzherabsetzung herbeizuführen; 4. eine ebenfalls von Pasteur&Thuillier i^9 zuerst angegebene Methode der Virulenzabschwächung für manche Mikroorganismen besteht darin, dieselben mittelst einer oder mehrerer fortgesetzter Passagen durch eine Tier- species für eine andere oder überhaupt weniger virulent zu machen. Zuerst beobachteten dieses die genannten Forscher für den Schweinerotlauf, der in- folge Passagen durch das Kaninchen abgeschwächt wurde. Pasteur zeigte ferner, dass das Huudswutcontagium mittelst Passagen durch Aflfen an Virulenz abnimmt. Knorr^^o ^md Petruschky^^i zeigten, dass Streptokokken durch Passage mittelst Kaninchen dauernd an Virulenz für Mäuse abnehmen und umgekehrt. Praktisch am wichtigsten ist dieses Verhalten beim Pockencon- tagium, indem Fischer ^22 zuerst einwandsfrei zeigte, dass das Vaccinecon- tagium das infolge Passage durch das Kalb dauernd in seiner Virulenz abge- schwächte echte Variolacontagium ist. Umgekehrt verfügen wir nun auch über Mittel, die Virulenz von Bak- terien zu steigern. Dazu gehört: 1. die häufige Ueberimpfung von Bakterien zur Erzielung frischer Generationen auf ihnen zusagenden, gut bereiteten Nährmedien. Dieses Ver- fahren genügt, wie schon oben erwähnt, für alle diejenigen Fälle, in welchen die Virulenzherabsetzung eine infolge Untergangs zahlreicher lebender Bakterien oder infolge Zerstörung ihrer Gifte hervorgerufene vorübergehende Erscheinung ist. Für diejenigen Bakterienarten, welche gegen die bei ihrem Wachstum entstehenden Säuren sehr empfindlich sind (s. o.), empfiehlt Martin ^23 j^e- sonders seinen Nährboden, der im wesentlichen aus selbstverdautem Schweine- magen unter Zumischung von gleichen Teilen Kalbfieischbouillou besteht. Auf ihm wachsen z. B. Diphtheriebazillen ohne Säurebilduug und sollen daher be- sonders virulent sein: 2. auch der Zusatz bestimmter chemischer Stoffe soll nach einigen Autoren bei gewissen Bakterien virulenzerhöhend wirken. So soll nach Arloing & Cornevin124 der Zusatz von 2% Milchsäure und Traubenzucker die Virulenz von Rauschbrand maximal steigern. Nach Blachstein ^^^ sollen Kaliumnitrat, Natriumphosphat und anorganische Eisensalze für Choleravibrionen virulenzsteigernd wirken. Nach Koux (1. c.) wirkt der Sauerstoff virulenzsteigernd auf Diphtheriebazillen. Umgekehrt soll nach Hueppe'26 der Abschluss von Sauerstoff virulenzsteigernd auf Cholera wirken. BRiECiiER&CoHNi^^ beobachteten, dass der Zusatz von Extrakten aus faulem Fleisch virulenzerhöhend auf Tetanus wirke. Andere Autoren empfehlen Nährmedien aus bestimmten Organen, so aus Nieren, Leber, Hirn u. s. w., um für gewisse Bakterien eine Virulenz- steigerung zu erzielen. Indessen habe ich selbst mich niemals von einem irgendwie beträchtlichen Einflüsse von Organauszügen auf die Virulenzsteigerung von Bakterien überzeugen können, im Gegenteil wirken sie weit eher virulenz- herabsetzend (Bkieger, Kitasato & Wassermann 1. c). Dagegen ist die Wahl und die Menge des Peptons in den künstlichen Nährmedien für sehr viele Bakterien sehr wichtig zur Erzielung einer stärkeren Virulenz. So ist nach Ehrlich & Wassermann ^2« das Pepton Chapoteaut, nach H. Kossel ^29 auch das Pepton Aschmann besonders geeignet für die Virulenz der Diph- theriebazillen. Andere Autoren empfehlen hierfür besonders die oben kurz beschriebene MAirriN'sche Peptonlösung aus selbst digeriertem Schweinemageu. Wesen der Infektion. 251 Weit wichtiger als alle diese Yerfalireu 7a\v Steigerung resp. zur Wider- erlanguug der verloren gegangenen Virulenz ist 3. die öfters wiederholte Passage der Mikroorganismen durch den empfänglichen Tierkörper. Zuerst sah Davaixe i^ö \,q\ Anwendung dieses Verfahrens eine Vinilenzsteigerung der Mäuseseptikämiebazillen. Ziel- bewusst zur Steigerung der Virulenz Avandte dasselbe zuerst Pasteur'^i an^ indem er die Virulenz des Schweinerotlaufs durch Passagen von Taube auf Taube erhöhte, während, wie erinnerlich, durch Passage von Kaninchen zu Kaninchen dieselbe nach seinen Untersuchungen herabgesetzt wurde. Seit diesen Untersuchungen ist die Thatsache, dass mehr oder weniger lange fort- gesetzte Passagen durch den Tierkörper die Virulenz der Bakterien für diese Tierart oder sogar für alle empfänglichen Tierarten (cf. indessen die oben erwähnten Ausnahmen von Pasteur, Knokr und Petruschky) erhöhen, all- seitig festgestellt worden.*) Die Hauptsache dabei ist, dass das betreffende Tier an der Infektion erkrankt resp. stirbt und man aus den Organen**) des- selben die Infektionserreger durch Kultur wiedergewinnen kann. Es ist deshalb für den Erfolg gleichgiltig, ob man zu den Passagen von Haus aus sehr em- pfängliche Tiere benutzt oder ob man weniger empfängliche Tiere durch be- sondere Eingriffe (Rückenmarcksdurchschneidung Sawtschexko ^^~, Injektion von Antikomplement zwecks Resistenzheraljsetzung Wassermann 1. c. und Hemmel^s*) künstlich in ihrer Empfänglichkeit erhöht, so dass sie an der Injektion der für sie sonst wenig virulenten Keime nunmehr erkranken. Man steigert dann hierdurch die Virulenz für diese sonst refraktären Tiere. Dies beobachtete Sawtschenko für Milzbrandbazillen bei Tauben, denen er das Rückenmark durchtreunt hatte, Fer:mi & SalsanaI^^ für Hühnertuberkulose bei Meerschweinchen, deren angeborene Resistenz für diese Bakterienart sie durch Injektion von Traubenzucker und Milchsäurelösung herabgesetzt hatten. Himmel für den Bacillus des Ulcus molle, indem er nach dem Vorgange von A. Wassermann durch Antikomplement die Empfänglichkeit der Meer- schweinchen erhöhte. Metschniküff '-'^ und Bürdet i^*"' geben sogar an, dass Mikroorganismen durch den Aufenthalt in dem Organismus eines gegen die betreffende Bakterienart künstlich immunisierten Tieres noch virulenter werden, als dieses mittelst Passage durch empfängliche Tiere möglich sei. Die Steigerung der Virulenz mittelst Passage durch den Tierkörper ist wohl so zu erklären, dass seitens der normalen Widerstandskräfte des Orga- nismus die weniger aktiven Elemente der Kultur vernichtet werden und nur die aktivsten, also virulentesten übrig bleiben, demnach eine Art Auswahl der lebens- und funktionskräftigsten Individuen stattfindet. Da nun bereits das frische Serum sehr stark bakterienvernichtend wirkt (s. Bd. III) , so haben manche Autoren vorgeschlagen, die Virulenz statt vermittelst Passage durch den lebenden Organismus mittelst Passagekulturen im frischen Serum der be- treffenden Tierart zu erhöhen. So berichtet Roger (1. c), dass er die Virulenz von Streptokokken durch fortlaufendes Ueberimpfen in Kaninchenserum steigern konnte. In Uebereinstimmuno; damit hat Trommsuorff i'" gefunden, dass *) Für den von Danysz (Ann. Fast. 1900 gefundenen für Ratten pathogenen Mikroorganismus stellten indessen im Gegensatze hierzu Danysz selbst I.e. sowie Kister & Küttgen (D. med. Woch., 1901) Abel (ebd., Bronstein (ebd., 1902 sowie KoLLE Zeitschr. f. Hyg. u. Inf. Kr., Bd. 36: fest, dass er infolge fortgesetzter Passagen durch Ratten an Virulenz verliert. ** Bei manchen Bakterienarten scheinen die aus bestimmten Organen nach Tierpassagen gezüchteten Mikroorganismen besonders virulent zu sein. So geben KoLLE & Martini D. med. Woch.. 1902 an, dass bei Passagen von Pestbazillen durch den Tierkörper mittels Inhalation, die aus der Lunge der gestorbenen Tiere gewonnenen Pestbazillen besonders virulent waren. 252 A. Wassermann, sich Bakterien durch fortlaufende üebertragung durch frisches Serum an die im Serum befindlichen baktericiden Stoffe gewöhnen können und dass daher solche Passagekulturen weniger stark von dem frischen Serum abgetötet werden als gewöhnliche Kulturen. Danysz^''* will beobachtet haben, dass bei diesen Passagekulturen im frischen Serum die Bakterien, in seinem Falle Milzbrandbazillen, sich mit einer Art Schleimhülle umgeben, welche einen Schutz gegen die baktericiden Kräfte des Serums verleiht, gleichsam ein Antikörper gegen diesen ist. Man könnte sich also vorstellen, dass dies mit ein Grund der erhöhten Virulenz ist, die wir bei solchen Passagen beobachten. Wenn nun auch nicht zu zweifeln ist, dass es bei einer Reihe von Bakterien gelingt, mittelst Passagen einfach in frischem Serum die Viriilenz zu steigern, so ist nach meinen Erfahrungen diese Steigerung doch nicht so hoch und prompt eintretend, wie bei der Passage durch den lebenden Organismus, in welchem doch noch andere Faktoren mitwirken als nur die Anpassung und Gewöhnung au die bakteri- ciden Substanzen, die wir im extravaskulären Serum konstatieren können. Zur exakten Beurteilung der Rolle, welche der Virulenz der Infektionserreger im einzelnen Infektionsfalle beim Menschen zukommt, fehlt uns bisher ein Verfahren, das uns sicher gestattet, den Virulenzgrad, welchen ein Mikroorganismus für den Menschen besitzt, zu bestimmen. Denn, wie schon oben erwähnt, ist es nicht ohne weiteres angängig, von einer besonders hohen Virulenz im Tierexperiment den gleichen Rückschluss für den Menschen zu machen. Dies geht sicher aus den Experimenten von Koch & Petruschky '^'J hervor, welche zeigten, dass Streptokokken, die eine maximale Virulenz für Kaninchen besaßen, am Menschen nicht mstande waren, Erysipel zu erzeugen. Für andere Bakterien scheint dagegen nach den bisherigen Versuchen eine gewisse Uebereinstimmung zwischen besonderer Virulenz im Tierexperimente und besonderer Schwere des betretfeuden Falles beim Menschen zu sprechen. So giebt Vagedes (a. a. 0.) an, dass die Fälle von Tuberkulose, aus denen er Tuberkelbazillen mit besonderer Virulenz für Kaninchen und Ratten gewinnen konnte, auch beim Menschen sehr bösartig verlaufen seien. Infolge dieser Schwierigkeit, aus dem Tierexperimente allgemein- giltige Rückschlüsse darauf zu machen, welche Virulenz ein Infektions- erreger beim Menschen im vorliegenden Falle gerade hat, wäre es dem- nach ein großer Vorteil, wenn wir andere sichere Anzeichen für die Beurteilung dieses Punktes hätten. Es liegen indessen auf diesem Ge- biete bisher nur wenige eingehende Arbeiten vor. Tsistowitsch i^" giebt an, dass das Fehlen der Leukocytose bei Pneumonie (s. unten) immer den Rückschluss auf die Infektion mit besonders virulenten Pneumo- kokken gestattet, da er bei seinen Experimenten an Kaninchen nach- weisen konnte, dass wenig virulente Pneumokokken eine Leukocytose, sehr stark virulente dagegen eine Verminderung der Leukocytose im Blute erzielen, üebereinstimmend damit giebt nach seinen Unter- suchungen am Menschen auch hier das Fehlen der Leukocyten bei Pneumonie eine schlechte Prognose. A. Fiiänkkl (1. c.) glaubt aus dem zahlreichen Vorkommen der Pneumokokken bei krupöser Pneumonie im Blute denselben Schluss machen zu dürfen. Beyer i^' schlägt vor, zwecks Konstatierung des Virulenzgrades auf die besäete Agarplatte in die Mitte ein kleines Stück metallischer Silberfolie zu legen. Je größer die Zone um die Silberfolie ist, welche wachstumsfrei bleibt, desto weniger virulent sollen die Keime sein. Bei sehr hoher Virulenz wachsen die Keime bis dicht au die Silberfolie heran. Von besonderer Wichtig- Wesen der Infektion. 253 keit für die vorliegeude Frage scheinen die Angaben von Marx c^ WoiTHE 1^2 14:! 144 ^asHi man die Virulenz von Mikroorganismen bei mensch- lichen und tierischen Infektionen nach der Zahl der Individuen, u eiche BABEs-ERNsr'sche Körperchen tragen fs. Kapitel 11), beurteilen könne. Je zahlreicher diese Keime in einem Krankheitsprodukte oder in einer Kultur vertreten seien, desto virulenter sei der betretteude Mikroorga- nismenstamm. Es haben indessen die x\rbeiten von Ascoli ^^-^ sowie Krompecheri^ö und Gauss i-^" ergeben, dass eine Uebereiustimmung zwischen Anzahl der BABEs-ERNsrsche Körperchen tragenden Bakterien und Virulenz nicht als allgemeingiltiges Gesetz aufzustellen ist. So konnte Gauss die Vimlcnz eines Pyocyaneusstammes durch Tierpassagen maximal um das mehr als Vierzigfache des anfanglichen Virulenzgrades steigern, ohne dass sich bei einem einzigen Keime der höchst virulent gewordenen Kultur BABEs-ERxsT'sche Körpercheu nachweisen ließen. Wenn wir also auch, wie aus dem eben Gesagten hervorgeht, kein ganz sicheres allgemeingiltiges Verfahren besitzen, um die Virulenz eines Infektionsstotfes für den Menschen beurteilen zu können, so dürfen Avir trotzdem in Analogie mit dem Verlaufe von Infektionen im Tierexperi- mente, in welchem, wie schon hervorgehoben, die Virulenz eine sehr große Rolle spielt, diese auch als einen sehr wichtigen Faktor für den Grad und die Schwere einer Infektion beim Menschen annehmen. Freilich wäre es irrig, wie manche Autoren es anzunehmen scheinen, die Virulenz als einzigen ausschlaggebenden Faktor für die verschiedene Schwere des Verlaufes einer Infektion anzunehmen. Es kommen hierfür noch die mannigfachsten anderen Punkte in Betracht, die wir im Vorhergehenden bereits auseinandergesetzt haben und die wie die Misch- und Sekundärinfektioneu noch besprochen werden sollen. Dass die Virulenz allein nicht den Verlauf einer Infektion beim Menschen bestimmt, ersehen wir aus den Experimenten von Petruschky 1. c.j, in welchen ein und derselbe Streptokokkenstamm bei der einen Patientin ein sehr heftiges Erysipel erzeugte, bei der anderen dagegen kaum eine lokale Reaktion hervorrief Auch epidemiologische Erfahrungen lehren dasselbe, indem bei E})idemieausbrücheu in einem örtlich beschränkten kleinen Kreise, woselbst also der gleiche Infektion sstoft' für alle In- fizierten vorliegt, z. B. bei Cholera auf Schiffen, trotzdem der Infektions- verlauf und die Schwere des Falles bei den verschiedenen Individuen im weitesten Grade schwankt. Für die Annahme aber, dass sich eine ganze Bakterienspecies als solche im Laufe der Zeit dauernd in ihrer Virulenz abgeschwächt habe, wie dieses z. B. von der Diphtherie- oder vom Maserncontagium behauptet wurde, fehlt jeder begründete Anhalts- punkt. Bei diesen scheinbaren Abschwächungen einer ganzen Mikro- organismenspecies spielen Faktoren mit, welche mit der Virulenz nichts zu thun haben und welche auf das innigste mit der Vererbung der Im- munität und der persönlichen Disposition (s. Bd. III zusammenhängen. Denn wir sehen, dass die Masern unter einer Bevölkerung, welche bisher von ihnen verschont war, noch heute ebenso schwer verlaufen wie dieses früher bei uns der Fall war. Was nun die Wirkimg der Infektionserreger im infizierten Organismus angeht, so können wir hierbei unterscheiden zwischen lokalen und allgemeinen Wirkungen. Unter lokalen Wirkungen verstehen wir die Veränderungen, welche die Infektionserreger oder deren Gifte an ihrem Sitze auf das Gewebe ausüben. Diese lokale Wirkung äußert sich fast ausschließlich 254 A. Wassermann. in Form der Entzündung- und zwar der gewöhnlichen Entzündung- in ihren verschiedensten Graden oder der proliferativen Entzündung mit Knötchen- und Geschwulstbildung (Granulationsgeschwulst Virchows, in- fektiöse Granulationsgeschwulst Ziegler's). Unter dem J^influsse von Mikroorganismen sehen wir alle Grade und Formen der Entzündung entstehen, so dass mau eine Zeit lang überhaupt zweifelte, ob es eine Entzündung ohne Mikroorganismen giebt. Wir beobachten seröse, übrinöse, eitrige, krupöse, sogen, diphtherische, hämorrhagische, nekrotisierende und gangräneszierende Entzündungen, ferner proliferative Vorgänge, die zu Neubildungen von Stecknadelkopfgroße bis zu großen Knoten, wie wir sie bei Lepra sehen, führen können. Alle diese mannigfaltigen pathologischen Prozesse haben ihre Ursache in den Wirkungen, welche die im Gewebe vorhandenen Mikroorganismen und deren Gifte ausüben. Das Verhalten ist indessen nicht derart, dass einem bestimmten Mikro- organismus stets und ausnahmslos die Fähigkeit zukommt, eine bestimmte Form der lokalen Reaktion hervorzurufen. Wohl giebt es gewisse Formen der Entzündung, welche an die Anwesenheit be- stimmter Mikroorganismen gebunden, diesen spezifisch sind, z. B. die Tuberkelbildung dem Tuberkelbacillus, die Bildung von Rotz- knoten dem Rotzbacillus. Aber diese gleichen Bakterien können, wie man sich im Tierversuche überzeugen kann, außer dieser ihrer spezifi- schen lokalen Wirkung auch noch die der gewöhnlichen Entzünduug hervorrufen.*) Was die Frage betrifft, ob alle Mikroorganismen an dem Orte, wo- selbst sie in das Gewebe zuerst eindringen, also an der Eintritts- pforte, lokale Veränderungen hervorrufen, so ist dies nicht der Fall. Besonders die Streptokokken dringen sehr oft in das Gewebe ein und verbreiten sich rasch im Organismus, ohne dass an ihrer Ein- trittspforte eine lokale Reaktion erfolgt. Wir nennen solche Fälle kryptogenetische. Beim Pestbacillus ist es sogar die Regel, dass er die Haut ohne lokale Reaktion durchwandert, um erst in den regionalen Lymphdrüsen lokale Aftektionen zu macheu. Von besonderem Interesse ist diese Frage für die Infektion mit Tuberkelbazillen, doch ist sie hier strittig. Während Baumgarten i^" und Taxgl i^'^ der Meinung sind, dass die Tuberkelbazillen überall, wo sie eindringen, auch die speziiischen Veränderungen hervorbringen müssen, berichtet besonders Cornet^^o^ dass Tuberkelbazillen die unverletzte Schleimhaut passieren können, ohne an Ort und Stelle irgend eine krankhafte Veränderung- zu er- zeugen. Die Schnelligkeit, mit welcher eingedrungene Mikroorganismen von der Eintrittspforte aus sich verbreiten können, geht aus den Ex- perimenten von Schimmelbusch 15' hervor. Schimmelbusch konnte bei der Einimpfung- auf frischen blutenden Wunden bei Mäusen Milzbrand bereits nach einer halben Stunde in Lunge, Leber, Milz und Nieren, Pyocyaneus sogar schon nach 5 Minuten dort nachweisen. Indessen be- stehen in dieser Hinsicht Verschiedenheiten unter den Infektionserregern, So bleibt das Lyssacontagium weit länger an der Eintrittspforte liegen, ehe es sich im Organismus verbreitet. Es berichtet hierüber Bombicci152^ dass man bei Einimpfung von Lyssacontagium in die vordere Augen- kammer durch Enukleation des Auges noch einen Tag nach der Impfung den Ausbruch der Wut bei Kaninchen verhindern kann. *) Diese Ansicht wird allerdings für die bei der Tuberkulose des Menschen zur Beobachtung kommenden Erscheinungen von sehr erfahrenen Beobachtern, wie V. Baumgarten nicht geteilt, was wir hier ausdrücklich hervorheben müchteu. Wesen der Infektion. 255 Fragen wir uns, wodurch die Mikroorganismen an Ort und Stelle im Gewebe lokale Reaktionen hervorrufen, so kijnnte man in erster Linie da- bei an eine Art Fremdköri)erwirkuug denken. Indessen ist es bei näherer Betrachtung der im Verlaufe von Infektionen auftretenden lokalen Verän- derungen leicht nachzuweisen, dass dieser Faktor, also der mechanische Reiz von Fremdkörpern im Gewebe keine hervortretende Holle dabei spielt. Dies geht vor allem daraus hervor, dass gewisse lokale Reaktionen aus- schließlich gewissen Mikroorganismen spezifisch eigen sind und von keinem anderen hervorgebracht werden können, wie z. B. die Tuberkelbildung. Es sind also die lokalen Reaktionen des Gewebes nicht als mechanische, sondern als biologische Wirkung der einge- drungenen Infektionserreger aufzufassen. Die weitere Frage, ob diese Wirkungen an das Leben der Infektionserreger gebunden oder vielmehr durch chemische Stoffe der Bakterien, also durch Bakterien- gifte, hervorgebracht werden, ist vielfach experimentell geprüft und einwandsfrei in letzterem Sinne für eine Reihe von Infektionserregern entschieden worden. Besonders beweisend in dieser Hinsicht sind die Experimente von Pruddex & HodenpylI'^^, Strauss c^ Gamaleia i^^, Vissmann '5^, Grancher, Ledoux, Lebard i^", welche zeigten, dass auch nach der Injektion toter Tnberkelbazillen in den Kreislauf im Gewebe Knötchen vom histologischen Bau der Tuberkel entstehen. Ferner be- weist das gleiche die Thatsache, dass man mit dem keimfreien Diphtheriegift die gleichen lokalen Entzündungserscheinungen hervor- zurufen vermag wie mit den lebenden Diphtheriekulturen. Zur Hervor- bringung lokaler Veränderungen im Gewebe sind alle Bakterien, auch die Saprophyten befähigt, sofern die letzteren in der nötigen Menge vorhanden sind (Knüppel i-^'> Das Protoplasma aller Bakterien wirkt auf das Gewebe reizend und in höherer Konzentration eitererregend. Unter den verschiedenen P'ormen der lokalen Reaktion war insl)e- sondere die im Verlaufe von Infektionen so häufig auftretende Eiteruug der Gegenstand zahlreicher experimenteller Arbeiten, da gerade das Studium der eitrigen Entzündung als Prototyp der Entzündung Auf- schlnss über das gesamte Wesen der Eutzüudung zu geben versprach. Nachdem bereits PasteurI"^* das Auftreten von Eiter nach Injektion ab- getöteter pyogener Kokken experimentell beobachtet hatte, brachte zu- erst Leber i^^'-^i'"' das Auftreten der Eiterung mit der von Pfeffer ^*''i entdeckten Chemotaxis in Verbindung. Sowohl Leber (1. c.j wie Pekeliiaring ^"2^0(1 insbesondere Metschnikoff ^'''2' sowie dessen Schüler Massart & Borde r und Gabritschewsky i'''^, ferner H. Buchner ^''^ zeigten experimentell an Tieren unzweideutig, dass die meisten Bak- terien positive chemotaktische Stoffe besitzen, welche die Leukocyten im Gewebe anlocken und daher zu einer Ansammlung von Leukocyten, zur Eiterung fuhren. Nachdem bereits Leber in Staphylokokken einen bestimmten Stoff gefunden hatte, das Phlogosin, welches chemo- taktische Wirkung auf Leukocyten und damit Eiterung hervorruft, beschäftigten sich besonders H. Buchner (1. c.) und sein Schüler RÖMER i*^*^ mit den eitererregenden Stoffen in Bakterien. Diese Autoren konstatierten, dass durch Auskochen und Mazeration hergestellte Bak- terienextrakte eitererregend wirken und nannten die in diesem Extrakt befindlichen , Eiweißreaktion gebenden , entzündungserregenden Stoffe Proteine (s. Kap. Bakteriengifte). 256 A- Wassermann, Die Proteine lassen sich, wie Ruchner zeigte, aus allen Bakterien, seien sie Parasiten oder Sapropliyten, darstellen. Derartige Proteine wirken nicht nur anlockend auf Leukocyten, sondern sie erzeugen auch in die Blutbahn injiziert, wie Gärtner & Römer i*^*^ zeigten, Be- schleunigung des Lymphstromes, so dass nicht nur zellige son- dern auch seröse Extravasation unter ihrem Einflüsse erfolgt. So inter- essant alle diese Befunde auch sind, so sind indessen die Proteine höch- stens Substanzen, welche bei der Entzündung und Eiterung infolge größerer Mengen abgestorbener Bakterienkörper im Organismus in Frage kommen. Darauf deutet bereits hin, dass diese entzündungserregende Eigenschaft den Proteinen aller Bakterien ohne Ausnahme zukommt und quantitative und qualitative Unterschiede in der Wirkung nur in geringem Maße bei den einzelnen höchst pathogenen oder den nicht pathogenen Mikro- organismen zu beobachten sind. Es ist also irrig, wie es vielfach ge- schieht, diese chemotaktisch und lymphagog wirkenden Substanzen der toten Bakterienleiber, die bei Auskochen oder Mazeration von Kulturen erhalten werden, ausschließlich als diejenigen Substanzen anzusehen, w^elche auch beim spontanen Ablauf der Infektion stets die lokalen Veränderungen oder die Eiterung erzeugen. Vielmehr sind es hier die komplizierten labilen Verbindungen, welche wir als Bakterieutoxine be- zeichnen (s. Kap. Bakteriengifte) und über deren chemische Konstitution wir noch so gut wie nichts wissen. Es ist besonders beim Diphtherie- bacillus leicht experimentell nachzuweisen, dass das gleiche Toxin, welches die allgemeinen Wirkungen macht, auch die lokale Entzündung am Orte seines Sitzes im Gewebe verursacht. Denn die Immunisierung gegen das eine Gift hebt beides auf; besonders ist dieses auch aus dem schönen Versuche EhrlichsI'^^ über die gleichzeitige Aufhebung der lokalen und allgemeinen Wirkung von Abrin durch die Immunität zu sehen, eines Stoffes, der sich ja ganz analog wie ein Bakteriengift verhält. Also diese entzUndungs- und eitererregende Wirkung der Proteine ist nicht zu verwechseln mit der lokalen Wirkung der eigentlichen labilen Bakterientoxine. So erzeugt der Drusestreptococcus bei Mäusen stets multiple Abszesse. Der gewöhnliche Streptococcus thut dieses nicht und trotzdem haben die Proteine der beiden die gleiche lokale W^irkung. Es muss also der Drusestreptococcus noch besondere labile, eitererregende Stoffe haben, die mit den Proteinen nicht identisch sind, aber bei den ■ im Laufe der spontanen Infektion auftretenden lokalen Veränderungen die ausschlaggebende Rolle spielen. So wissen wir auf Grund vielfacher bakteriologischer Erfahrungen und besonders auch nach den auf der GERHARDTschen Klinik in Berlin angestellten Untersuchungen, dass man- che Bakterien, wenn sie in den Pleuraraum gelangen, fast stets ein eitriges pleuritisches Exsudat, andere dagegen viel häufiger ein seröses im Gefolge haben. — So waren unter 12 pleuritischen Exsudaten, in welchen sich der FRiEDLÄNDERSche Kapselbacillus fand, alle eitrig. Unter 14 Exsu- daten mit Typhusbazilleu blieben 7 serös, ö wurden eitrig, eines hämor- rhagisch. Unter 35 Pleuraexsudaten mit Streptokokken-Befund blieb nur eines serös, dagegen wurden von 145 Pleuraexsudaten, in welchen Pneumo- kokken die Aetiologie bildeten, nur 8(3 eitrig, 109 blieben serös. — Man Avird überhaupt Baumgarten (1. c.) vollständig beipflichten, wenn er davor warnt, die an Tieren gerade betreffs dieser Fragen experimentell gewonnenen Befunde ohne weiteres auf den Menschen zu übertragen, da das menschliche Gewebe weit disponierter zu allen Formen der Wesen der Infektion. 257 Eützünduiig- und besonders der Eiterung- ist, wie das der zu unseren Ex- perimenten verwendeten Tiere. Es bewirken also die Bakterien und deren Stolt'e beim Menschen bereits in solchen minimalen Quantitäten starke entzündliche lokale Reaktionen, in denen sie von Tieren fast reaktions- los ertragen werden. Wie schon oben erwähnt, kann ein und derselbe Mikroorganismus alle möglichen Formen der gewöhnlichen Entzündung machen. So er- zeugen, um nur ein Beispiel zu nennen, Streptokokken ebenso gut seröse wie librinöse wie eitrige Entzündung, die alle nur einen verschiedenen Grad der ätiologisch einheitlichen lokalen Keaktion darstellen. Neben der Menge und der Virulenz der Infektionserreger kommen hierfür die mannigfaltigsten Faktoren in Betracht, so vor allem die anato- mische und biologische Beschaffenheit des betreffenden Ge- webes, das Sitz der Infektion ist, Punkte, die wir schon oben beim Beispiele der verschiedenen klinischen Entzündungsformen, w^elche ein und derselbe Streptococcus je nach seinem Sitze im Peritoneum, in den Lymphspalten der Haut, dem lokalen Unterhautbindegewebe u. s. w. hervorbringen kann, berücksichtigt haben. Dortselbst haben wir auch bereits die Experimente von Petruschky angeführt, welcher mit dem Streptococcus, der aus einer eitrigen Parametritis und Peritonitis stammte, typisches Erysipel erzeugen konnte, wenn er ihn in die Lymphspalten der Haut brachte. Das gleiche Factum bestätigt Sippel i«^. Laxz i*'-' berichtet ebenfalls über einen derartigen Fall, welcher die verschiedensten Formen der lokalen Reaktion, progrediente Eiterung im Knochenmark, Erysipel und tiefen abgekapselten Abszess seitens ein und desselben Infektionserregers bei dem gleichen Individuum beweist je nach dem Sitze desselben in verschiedenen Körpergeweben. Manche Autoren nehmen direkt eine besondere Disposition gewisser Körpergewebe für eine bestimmte Entzündungsform an. So schließt Schrank i"" aus dem Umstände, dass er bei eitrigen Prozessen des Knochenmarks im an- liegenden Perioste unter dem Einflüsse der gleichen Infektionserreger stets nur seröse Entzündung fand, auf eine geringere Disposition des periostalen Gewebes zu eitriger Entzündung. Auch nach Herman^'i, der diese Frage experimentell am Kaninchen studierte, sollen sich die verschiedenen Körperregionen sehr verschieden disponiert zu bestimmten Formen der Entzündung, z. B. der eitrigen, zeigen. So sei zu ■suppu- rativen Entzündungen am stärksten die vordere Augenkammer, am schwächsten die Peritonealhöhle der Kaninchen disponiert. Auch aus anderen Experimenten ersehen wir den Einfluss, den der anatomische Sitz der Infektion auf die Art der lokalen Veränderung hat. So erzeugen Diphtheriebazillen und Diphtheriegift bei Meerschweinchen subkutan eine seröse oder hämorrhagische Entzündung, auf der Schleimhaut der Vulva oder der Trachea dagegen die Bildung einer krupösen Entzündung mit Pseudomembranen (Roux & Yersix 1. c). Besonders zeigt sich diese verschiedene lokale Reaktionsfähigkeit der Gewebe, bei der feinste biologische Unterschiede in der physikalischen und chemischen Kon- struktion offenbar eine große Rolle spielen, wenn wir die verschiedenen Tierspecies und den Menschen vergleichen. Der Mensch ist zu eitriger Entzündung am meisten disponiert, dann folgen Hunde, Kaninchen, Meer- schweinchen. So erzeugt der gleiche Milzbrandbacillus sehr häufig bei Mäusen lokal seröse Exsudation, bei Ratten dagegen Eiterung. Polia- ivOFF i"2 kommt auf Grund seiner Experimente dagegen zum Schlüsse, dass der gleiche Infektionserreger eitrige Entzündung errege, wenn durch Handbucli der pathogenen Mikroorganismen. I. 17 258 A. Wassermann, längere Zeit stetig kleinste Mengen der entzUndungserregenden Substanz auf das Gewebe wirken, dagegen nur geringe lokale Reaktion, wenn aueb nur kurze Zeit größere Mengen einwirken. Docb scbeinen mir diese Experimente, welcbe mit abgetötetem Bacterium coli und Stapbylo- coccus aureus, die innerhalb Collodiumsäckcben Kaninchen in das Ge- webe eingeführt wurden, angestellt sind, nicht so recht beweisend für die obige Annahme des Autors. Was nun das Wesen und die Bedeutung des lokalen Ent- zündungsprozesses bei der Infektion angeht, so ist hier nicht der Ort, um diese Probleme vom pathologisch-anatomischen Standpunkte aus zu besprechen, vielmehr soll dies nur im Hinblick auf den Zusammen- hang der Entzündung mit der allgemeinen Auffassung der Infektion er- folgen. In dieser Hinsicht betrachten von Leber (1. c.j an die meisten Autoren, an ihrer Spitze Metschnikoff (1. c.) den Entzüudungsprozess als direkte Abwehrreaktion des Organismus gegenüber den eingedrungenen Infektionserregern. Nach ihnen findet in jedem entzündeten Gewebe ein Kampf zwischen den schädigenden Kräften der Mikroorganismen und den schützenden Kräften des Organismus statt. Im Mittelpunkte der gesamten Entzündung und dieses Kampfes steht nach Metschnikoff die von selten der Mikroorganismen auf die Leuko- cyten ausgeübte positive Chemotaxis, indem die herbeigelockten und extravasierten Leukocyten als mächtigste Waffe des Organismus die Bakterien zu vernichten vermögen (Phagocytose cf betr. Kapitel im dritten Band). Andere Autoren dagegen wie Buchner (1. c), Römer (1. c), Gärtner (1. c), Bier^^^, A. Wassermann'-^ erkennen der serösen Extra vasation im Hinblick auf die baktericiden Kräfte der Körperflüssig- keiten einen der zelligeu an Bedeutung für die Abtötung der einge- drungenen Infektionserreger gleichen Einfluss zu (s. Bd. III). Der Frage, ob die Entzündung direkt Heilzweck gegenüber der Infektion hat, ist abgesehen von den zahlreichen Arbeiten MetschnhvOffs und seiner Schüler ^"^ (Litt. s. MetschnhvOff: L'Immunite dans les maladies infectieuses, Paris, Massen & Cie., 1901), die sich mit diesem Problem beschäftigten, auch von anderen Autoren experimentell näher getreten worden. So beobachtete Büchner i^" in Experimenten, dass eine ent- zündete Gewebszone befähigt ist, den Fortschritt einer um sich greifen- den Infektion im Gewebe zu hemmen. Samuel i" und Roger ^'^^^'^ zeigten, dass Durchschneidung des Sympathicus und darauf folgende Gefäßhyperämie und Extravasation am Kaninchenohre jcinen milderen Verlauf von Streptokokkeninfektion am Ohre erzeuge. Umgekehrt bringe die Durchtrennung des N. auricularis major am Kanincheuohre Ver- engerung der Gefäße, mangelnde Extravasation und daher heftigeren Verlauf des Impferysipels am Ohre hervor. Filehne & Cobbetti^o zeigten, dass an Kaninchen obren, die durch künstliche Erwärmung stark hyperämisch gemacht waren, ein Erysipel milder verlaufe. Alle diese letz- teren Autoren sehen in der Hy])erämie, also in der humoralen Extravasa- tion ein Hau])tkampfmittel des Organismus. Auch Cobbett & Melsomei^i kommen auf Grund ihrer Experimente zu dem Schlüsse, dass die Ent- zündung bei Kaninchen ein Schutzmittel gegenüber schwächeren Mikro- organismen wie Erysii)elstreptokokken und Pyocyaneus sei. Gegenüber voll virulenten dagegen, für welche die Tiere eine sehr geringe ange- borene Resistenz besitzen, wie Milzbrand, Diphtheriebazillen und vollviru- lente Pneumokokken, konnten sie keinen Schutz seitens des entzündeten Gewebes in Bezug auf die Verbreitung der allgemeinen Infektion kon- Wesen der Infektion. 259 statieren. Es stimmt dies überein mit BeobachtuDgen, die schou früher LuBARscii 1*2 o-emacht hatte. Audi nach meiner Ansicht beweisen alle hier angeführten und ähnlichen Experimente (wie dies bereits KkuseI''-^ und LuBARSCH (1. c.) aussprachen), in welchen mit Streptokokken an den durch die verschiedensten Momente in Hyperämie und Entzündung ge- setzten Kauinchenohren experimentiert wurde, nichts für die vorliegende Frage. Denn abgesehen davon, dass Streptokokken überhaupt bei Kaninchen am Ohre durchaus nicht zuverlässig in allen Fällen Erysipel erregen, so ist selbst in den Fällen, in welchen ein Erysipel am Ohre auftritt, der Verlauf desselben nach Intensität und Schwere ein ungemein schwankender. Man kann infolgedessen nie mit Sicherheit behaujiten, ob das Nichteintreten des Erysipels oder der gelindere Verlauf desselben eine Folge der gleichzeitig erzeugten oder kurz vorausgegangeneu Ent- zündung war. Indessen trotz dieser nichtsbeweisenden Tierexperimente kann darüber kein Zweifel sein, dass die Entzündung oder, richtiger gesagt, die in ihrem Gefolge auftretende Kouzentrierung von Leukocyteu und Körperflüssigkeit an einer Stelle des Gewebes infolge der den Zellen und Säften innewohnenden baktericiden Kräfte (s. Bd. III) ent- wicklungshemmend und abtötend auf die im Entzündungs- herde befindliche Mikroorganismen wirken und so die Infektion lokalisieren, am Weiterschreiteu verhindern kann. Aber ebenso irrig wie dies gänzlich zu leugnen, wäre die Ansicht, in jeder entzündlichen lokalen Reaktion bei Infektionsprozessen eine teleologische Einrichtung zwecks Abwehr zu sehen. Es giebt vielmehr genügend Fälle, in denen die besonders starke lokale Reaktion nicht die Ursache des leichteren und lokal bleibenden Infektions- prozesses, sondern die Folge einer durch ganz andere Momente bereits vor Eintritt der Entzündung vorhandenen allgemeinen Resistenz oder Immunität des Organismus ist (s. Künstliche Immunität, Bd. IIIj. So sehen wir bei MeerscliAveinchen, denen wir nur einen gewissen Grad von Immunität, nicht einen vollständigen Schutz gegen Diphtherie mittelt>t Antitoxin gegeben haben, nunmehr unter dem Einflüsse des Diphtherie- gifies an der Injektionsstelle eine mächtige lokale Entzündung entstehen, die sich alsdann demarkiert und zur Nekrose der betretienden Gewebs- partie mit Ueberleben des Tieres führt, wäb.rend ein normales Meer- schweinchen bei der gleichen Dose Diphtheriegift im Gegenteil fast keine lokale Reaktion am Orte der Injektion zeigt, sondern rasch unter den allgemeinen Wirkungen des Giftes zu Grunde geht. So sehen Avir beim Menschen in der Rekonvaleszenz nach Typhus, wenn in seinem Blute die spezitisch baktericiden Stoffe gegen Typhusbazillen kreisen (s. Bd. III) unter dem Einfluss der Typliusbazillen lokal liisAveilen eitrige Prozesse entstehen, sogen, posttyjihöse Eiterungen. In diesen Fällen ist dann die lokale Reaktion nicht die Ursache, dass der Diphtherie- und der Typhusprozess lokalisiert bleiben, sondern dafür sind die Ur!?ache die im Blute kreisenden spezifischen Antitoxine und baktericiden Sub- stanzen, also der eingetretene allgemeine Immunitätsgrad: die stärkere lokale Affektion ist nur ein Ausdruck dieser allgemeinen Immunität. Es kann demnach, wie wir sehen, eine lokale Reak- tion, also zumeist die Entzündung in ihren verschiedeneu Graden, beim Menschen sowohl die Ursacli e für Lokalisierung und damit mil- deren Verlauf einer Infektion sein, als auch umgekehrt die Lokalisierung nur die Folge einer auf ganz anderen Ursachen beruhenden allgemeinen künstlichen oder angeborenen Re- 17* 260 A. Wassermann, sii^tenz darstellen kann, oder drittens sie ist einfach der Aus- druck der schädlichen Wirkung der Mikroorganismen und ihrer Produkte auf das Gewebe. Allgemeingültig in teleologischer Beziehung lassen sich meiner Ansicht nach über das Wesen und die so ungemein vielfachen Arten und Uebergänge der lokalen infektiösen Gewebsreaktionen keine Gesetze aufstellen. Ebenso wenig kijnnen nach meiner Ansicht über diese Probleme einige unter besonderen Yersuchs- anordnungen ausgeführte Tierexperimente allgemein bindende Aufschlüsse bringen. x\ußer den eben auseinandergesetzten lokalen Wirkungen treten im Verlaufe fast aller Infektionen auch allgemeine Wirkungen seitens der Infektionserreger hervor. Diese allgemeinen Wirkungen werden zum Teil durch die Verbreitung der Infektionserreger im Gesamt- organismus, zum Teil durch die Resorption ihrer Gifte und deren Aufnahme in den Kreislauf hervorgerufen. Inwieweit diese beiden Faktoren sowie mechanische Momente in Betracht kommen, ist bereits oben bei der Besprechung der Verbreitung der Infektionserreger im Organismus auseinandergesetzt worden. Es sei hier indessen nochmals daran erinnert, dass nach unseren heutigen Kenntnissen jede Infektion 7on einer Vergiftung begleitet ist und dass gerade die Gifte bei der Auslösung der allgemeinen Symptome der Infektion in aller- erster Reihe stehen. In die Frage, wie diese Bakteriengifte ihre allgemeinen Wirkungen im infizierten Organismus hervorbringen, worin also der Mechanismus ihrer Einwirkung auf die einzelnen Organe und Orgausysteme beruht, sind wir noch ebenso wenig völlig eingedrungen wie in die chemische Katar dieser Stoffe (s. Kap. Bakteriengifte). Wir besitzen kein chemi- sches Reagens auf Toxine und sind daher zu ihrem Nachweise im menschlichen oder tierischen Organismus einzig und allein auf den Tierversuch angewiesen. Aber auch dieser muss bei der Deutung der erhaltenen Resultate auf das Vorsichtigste verwertet werden. Abgesehen davon, dass bei derartigen Versuchen, bei denen die Organextrakte, das Serum, der Urin und andere Se- und Exkrete von Infektionskranken oder an Infektion verstorbenen Menschen und Tieren zwecks Toxizitätsprüfung Tieren injiziert werden, peinlichst steriles Arbeiten erforderlich ist, um irreführende Sekundärinfektionen bei den Experimentaltieren zu vermeiden, dass ferner das Fehlen dieser Fehlerquelle ausdrücklich bei jedem derartigen Experimente kul- turell festgestellt werden muss, haften auch im übrigen derartigen Ver- suchen noch leicht andere Fehlerquellen an. So ist die Menge der Körperflüssigkeit oder des Organextraktes, welche den Versuchtiereu zwecks Toxizitätsprüfung injiziert wird, genau im Verhältnis zur Größe des Tieres zu bemessen. Es ist ohne weiteres klar, dass in Experimenten, in welchen z. B. 5 g schweren Mäusen 3 ccm menschlichen Serums oder 2 k schweren Kaninchen 20 — 30 ccm menschlichen Urins injiziert werden, allein schon infolge der plötzlichen ungemeinen Ueberlastung des Blut- druckes sowie durch die normalen im Serum und Urin gelösten orga- nischen und anorganischen Bestandteilen hei den Versuchstieren die schwersten, auch zum Tode ftihfenden Symptome hervorgerufen werden können, ohne dass dabei besondere Toxine im Spiele sind. Es geht also nicht an, wenn bei derartigen Versuchen die Tiere sterben, einfach daraus den Schluss zu ziehen, dass in dem betreftenden Falle, von dem das Untersuchungsraaterial stammte, der Organismus mit Toxinen überladen war Wesen der Infektion. 2ßl oder gar daraus Sclilüsse über die Toxinproduktion für die betrefl'ende Infektiouskraukheit im allgemeiuen zu machen. Besonders mit der Ver- wertung der toxischen Effekte des Urins von infektiouskranken Menschen bei Tieren muss man in dieser Hinsicht äußerst vorsichtig sein. Sehr viele unserer Laboratoriumstiere z. B. Kaninchen und Mäuse, sind für die im Urin stets befindlichen Salze, voruehndich die Kalisalze, sehr empfindlich. Diese sind nun natürlich in. einem von fieljernden Krauken stammenden saturierten Harn in bedeutend höherer Konzen- tration als im normal verdünnten Urin enthalten, so dass im ersteren Falle bereits gleiche Volumina Urin weit bedeutendere Vergiftungs- symptome, welche aber mit Bakterientoxinen nichts zu thun haben, hervorrufen. Auch das Glycerin, das vielfach zum Extrahieren der Or- gane zwecks Toxinnachweises benutzt wird, ist selbst in minimalen Quantitäten für Mäuse hochgiftig, so dass auch hierauf Eücksicht zu nehmen ist. Alle Versuche aber, bei denen wir lesen, dass schon eine > kurze Zeit nach der Infektion« die Tiere schwere Symptome von Ver- giftung, Krämpfe u. s. w. zeigten, können Avir beruhigt als mit solchen Fehlerquellen behaftet betrachten. Denn auch die akutest wirkenden, uns bis jetzt bekannten Bakterientoxine, die beim IMenschen vorkommen, wirken erst nach einer viele Stunden lang währenden Inkubation. Ferner sind die Krankheitssymptome, unter welchen die Tiere sterben, genau zu beachten. Dieselben müssen für das betreftende Bakterientoxin, so- weit wir seine spezifischen Eigenschaften kennen, spezifisch sein. Um beispielsweise die Anwesenheit von Diphtherie- oder Tetanustoxin im Menschen mit Sicherheit behaupten zu können, müssen die betreöeuden vom Menschen stammenden Körperfiüssigkeiten oder Extrakte die für das Gift empfänglichen Tiere an typischer Diphtherie- oder Tetanus- vergiftung erkranken machen. Dass thatsächlich bei Infektionskrankheiten Bakterien- toxiue im kranken Organismus kreisen, ist durch vielfache einw^andsfreie Versuche festgestellt worden. Briegek^^^ war der erste, dem es gelang, aus dem amputierten Arme eines tetanus- krank eu Menschen ein bei Tieren wieder typischen Tetanus hervor- rufendes Gift Zugewinnen. Nissen ^^s 2eigte sodann, dass bei schwerem Tetanus das spezifische Tetanusgift im Blute des Kranken zirkuliert. Er entnahm einem Tetanuskranken 20 Minuten vor seinem Tode durch Venaesektion Blut. Das abgeschiedene sterile Serum erzielte in der Menge von 0,3 ccm bei Mäusen echten tödlichen Tetanus. Schon vorher hatte KiTASATO ^s*^ bei tetanuskrauken Tieren das Tetanusgift im Organismus nachgewiesen und er berichtet in dieser Arbeit auch über einen Teta- nusfall beim erwachsenen Menschen sowie über einen Fall von Tetanus neonatorum, in denen er das Tetanusgift im Organismus nachweisen konnte. Das gleiche gelang Immerw^aiir^^^ und Stern i*^. Das Diphtheriegift mit seineu tur Meerschweinchen typischen Eigenschaften (s. Kap. Diphteriegift) konnte in den Organen und im Blute von an künstlicher Diphterieinfektion gestorbenen Tieren und in dem von Menschen, die an Diphtherie verstorben waren, zuerst von A. AVassermann & B. Proskauer^*" nnd Dbierwaiir i'**^ sowie von BRIEGER& A. Wassermann ^^^ in einwandsfreier Weise nachgewiesen wer- den. Diesen ersten hier aufgeführten Befunden von Tetanus- und Diph- theriegift in dem Organismus kranker und gestorbener Menschen folgte seitdem eine große Anzahl von Fällen anderer Autoren, in denen eben- falls dieser Nachweis gelungen war. Stets aber muss es sich dabei 262 A. Wassermann, lim sehr schAvere toxisch verlaufende Fälle handeln, in denen eine Ueberschwemmung- des Organismus mit dem Gifte erfolgt ist. Kleinere Mengen Toxins in leichten oder raittelschweren Fällen entziehen sich dem sicheren Nachweise durch das Tierexperiment. Weit schwieriger als der Nachweis des spezifischen Diphlherie- oder Tetanusgiftes gestaltet sich derjenige von spezifischen Toxinen im Organismus bei "anderen Infektionen, so bei Pneumonie, Cholera, Typhus, septischen Afiektionen u. s. w. Erstlich treten bei diesen Infektionen auch in den schwersten Fällen lösliche Toxine nicht in derartigen Mengen im Blute wie Ijei Diphtherie und Tetanus auf, und zweitens tötet das Typhus-, Cholera- und Pneumokokkengift u. s. w. (s. Bakteriengifte) die Tiere nicht unter so spezifischen Krankheitsym- ptomen oder mit so spezifischen Organveränderungeu wie das Tetanus- resp. das Diphtheriegift. Diese Gifte insgesamt töten Meerschwein- chen und Mäuse unter den Erscheinungen der Hypothermie und des Kollapses, wie wir uns durch Versuche mit den betreffenden aus Rein- kulturen dargestellten Toxinen überzeugen können, und ohne dass wir dann für ihre Wirkung charakteristische Organveränderungen finden. Sie haben also in der VVirkung auf das Tier nichts Charakteristisches. Eine Menge anderer toxischer Substanzen, alle Fäulnisgifte, Produkte des intermediären Stoffwechsels, Fermente u. s. w. macheu das gleiche, so dass wir also selbst beim Gewinnen einer derart toxischen Substanz aus dem Organismus oder der Leiche bei Pneumonie, Typhus, Cholera, Sepsis immer noch vor der Schwierigkeit stehen, ob wir es hier wirklich mit einem Produkte des spezifischen Infektionserregers zu thun haben. Die Entscheidung könnte mangels jedes spezifischen Reagens nur dadurch gebracht werden, dass es gelingt, mit einem solchen z. B. bei Typhuskranken erhaltenen toxischen Produkte Tiere spezifisch gegen den Typhusbacillus zu immunisieren und in seinem Serum alsdann die für Typhus spezifischen Substanzen, baktericide Körper und Agglutinine zu erhalten (s. Kap. Spezifizität, Agglutinine und baktericides Serum . Indessen ist die Menge der gewonneneu giftigen Substanz in solchen Fällen fast stets viel zu gering, um einen derartigen Entscheidungsver- such zu machen. Dass indessen auch bei diesen Infektionskrankheiten in den schwereren Fällen Toxine mit allen Charakteristiken der Bakterien - toxine, leichter Zerstörbarkeit, Inkubation bei der Wirkung auf Tiere, Verhalten gegen chemische Fällungsmittel, im Organismus bisw^eilen nachzuweisen sind, zeigen die Beobachtungen von Nissen '02 sowie die von Stern ^^^^ welche bei Fällen von Sepsis toxische Wir- kung des Blutes nachwiesen, ferner diejenigen von Büieger et A. Wasser- mann (1. c), welche in zwei Fällen von Typhusleichen Toxin im Blut und den Organen nachweisen konnten. Dass bei der Cholera ein in den Säften lösliches spezifisches Gift im Vordergrunde der Sym- ptome steht, zeigten experimentell an Meerschweinchen Metschnikoff, Roux & Taurelli Salimbeni 1'-*^. Auch über den Befund von Toxinen bei Pneumonie im Blute liegen Beobachtungen von einzelnen Autoren vor, indessen scheinen mir dieselben nicht sehr einwandsfrei. Grosser Wert wird von Bouchard ^^^ ^^^ und seinen Schülern darauf gelegt, dass im Verlaufe von Infektionen eine besondere Toxizität des Urins auftreten soll. Bouchard drückt die Toxizität des Urins von in- fektionskranken Menschen für Mäuse und Kaninchen zahlenmäßig aus und kommt im Vergleich zur Wirkuug normalen Urins zu einem be- stimmten »urotoxischen Koeffizienten«. Die Versuche wurden Wesen der Infektion. 263 half! derart angestellt, dass iiiau iiacli den BuiEGERSchen Methoden alkaloidlllinliche Substanzen aus dem Urin lufektions- kranker zu gewinnen suchte (Bouchard bei Typhus i'^', Lepixe & GuERiN bei Typhus und Pncunomie, Albu & Griffitiis), bald derart, dass einfach die Toxizität des Urins an Tieren geprüft wurde, ohne dass man sich weiter darum kümmerte, durch w^elchc Art von Substanz die giftige Wirkung hervorgerufen wird. Man begnügte sich einfach damit zu konstatieren, dass der Urin in dem einen Falle giftiger war als in dem anderen, oder dass bei dem gleichen Individuum in den verschiedenen Stadien der Krankheit die Gesamttoxizität des Harnes schwankt, so dass die genannten Aiitoren von urotoxischen Krisen sprechen (Bouchard bei Cholera i-^*, Roger & Gaume^-^^ bei Pneumonie, Mazaud bei Scarlatina 20", Nannotti & Baciocchi bei septischen Pro- zessen^oi, Fjsichella bei Lepra^oa). Um welche toxischen Substanzen es sich dabei im Urin handelt, ist schwer zu sagen, da nicht näher da- rauf untersucht wurde, sicher aber nicht um diejenigen der spezitischen Bakterien, denn das sind keine Alkaloide. Auch siud die erhalteneu Resultate zu unregelmäBig, indem andere Autoren bei den gleichen Aft'ektionen keine erhöhte Toxizität des Urins finden konnten. Es be- dürfen also alle diese Befunde über urotioxische Wirkungen noch sehr der weiteren Vertiefung, ehe wir sie in ihrer Bedeutung für das Wesen der Infektion würdigen kijnnen. Dass indessen die echten spezifischen Bakterientoxine im Urin von Kranken bei sehr schweren Fällen unter Umständen auftreten können, ist durch mehrere einwandsfreie Beobachtungen sicher gestellt. So konnten Roux & Yersin (1. c.) das Diphtheriegift im Urin von Diphtheriekrankeu und Bruschettini^o^ das Tetanusgift im Urin von Tetanuskranken, Brieger & Wassermann (Charite-Annalen 1. c.) im Urin bei schwerem Erysipel mit hämorrhagischer Nephritis einen typisch wie ein Bakterieutoxin sich verhaltenden toxischen Körper gewinnen. Wir sehen also, dass genügende sichere experimentelle Be- lege dafür vorhanden sind, dass die Toxine, welche wir in Reinkulturen der Bakterien nachweisen können, auch that- sächlich im lebenden Organismus im Verlaufe der Infektion sich bilden und dort vorfinden. Was nun die Wirkungsweise der Bakteriengifte im leben- den Organismus angeht, so war anfangs v. Behring (Bekämpfung der Infektionskrankheiten 1. c.) der Ansicht, dass unter dem Einflüsse der im Blute befindlichen Bakterientoxine die Körperorgane mit einer abnormen Lebensthätigkeit reagieren, v. Behring stellte also die infolge der Auwesenheit der Toxine im Blute bewirkten Blutveränderungen, in- folge deren das Blut zur normalen Ernährung aller oder der Organe, welche zuerst geschädigt werden, ungeeignet wird, in den Vordergrund. Das weitere Eindringen in diese Probleme lehrte uns indessen, dass die einfache Anw^esenheit der Toxine im Blute nicht zur Aus- übung ihrer Wirkung genügt. So kreist, wie schon obenerwähnt, bei Tauben, wenn wir sie mit Tetanussporen infizieren, das Tetaniisgitt in großen Mengen im Blute, ohne dass sie erkranken. Umgekehrt wissen wir durch die Untersuchungen von A. Knorr-^^ sowie durch die von INIetschnikoff-o^, DöNiTz'-oß, dass bei den sehr empfänglichen Tieren das in das Blut injizierte Toxin sehr rasch aus dem Blute ver- schwindet, und zwar wird es an die für das Gift spezifisch ernpfäng- lichen Orgauzellen gebunden. Experimentelle Beweise haben wir dafür 264 A. Wassermann, beim Tetanus, indem das normale Zentralnervensystem tetanusempfäng- licher Tiere Tetanusgift auch im Keagenzglase an sich zu binden vermag (A. Wassermahn & Takaki^o?]. Demnach beruht die Wirkungs- weise der Bakterientoxine darauf, dass sie mittelst einer spe- zifischen Bindungsgruppe (haptophore Gruppe Ehrlichs s. Kap. Bakteriengifte) aus dem Blute heraus an die gif t empfänglichen leben den Organzellen (Keceptor Ehrlichs) gezogen und gebun- den werden und dort nun ihre Wirkung ausüben. Daher ist es auch verständlich, dass wir nur in ganz besonders schweren toxischen Fällen das betreffende Toxin im Blute und in den Organen frei befindlich an- treffen und so nachweisen können, nämlich dann, wenn infolge der Schwere des Falles so viel Toxin im Körper befindlich ist, dass es über- haupt nicht vollständig an die empfänglichen Zellen gebunden werden kann, vielmehr nun der Ueberschuss frei im Blute kreist. Unter diesen Umständen kann dann auch ein Bruchteil durch die Nieren mit dem Urin ausgeschieden werden. Es ist also zum Eintritt der Giftwirkung auf ein Organ stets die Bindung des Toxins an dieses Organ erforderlich. Wenden wir uns nunmehr zur Betrachtung der im Verlaufe der In- ektion auftretenden allgemeinen Wirkungen der Mikroorga- nismen, so ist es nach dem bisher Gesagten bereits leicht verständlich, dass es unmöglich ist, sie alle aufzuzählen oder näher zu beschreiben. Da es keinen Zellenkomplex, kein Organ im Organismus giebt, in das nicht Mikroorganismen oder deren Gifte gelangen können, so entsteht hieraus eine derartige Vielseitigkeit und Kombinationsfähigkeit in den Wirkungen der Infektionserreger bei den einzelnen Fällen, dass jeder Infektionsfall in dieser Hinsicht einen Gegenstand des Studiums tür sich bildet. Insbesondere sollen die Fernwirkungen, durch welche seitens der einzelnen Infektionserreger bestimmte Organe getroffen werden, z. B. die Nieren bei der Cholerainfektion, die peripheren Nerven bei der Diphtherieinfektion in Band II bei der speziellen Betrachtung der ein- zelnen Infektionserreger genauer besprochen werden. Hier soll nur über das Wesen der den meisten Infektionen gemeinsamen allgemeinen Wirkungen der Infektionserreger das Nähere gebracht werden.*) Wir beginnen in dieser Hinsicht mit der Besprechung des Fiebers. Das Fieber ist eines der häufigsten Begleitsymptome von Infektionen. Alle Infektionserreger können Fieber hervorrufen, müssen es aber nicht in jedem Falle. So verläuft die Tuberkulose in sehr vielen Fällen lange Zeit oder sogar immer fieberlos, um dann in anderen Fällen oder unter gewissen Umständen bei demselben Individuum mit Fieber einherzugehen. Andererseits ist die Ausdehnung des infektiösen Prozesses von großer Wichtigkeit dafür, ob Fieber entsteht oder nicht. Eine kleine, lokali- sierte Staphylokokkeninfektion z. B. verläuft fieberlos, eine solche von größerer Ausdehnung erzeugt Fieber. Ueber die Ursache und die Bedeutung des Fiebers im Laufe der Infektionen ist seit Johannes Müller, Wunderlich und Henle eine große Litteratur entstanden. Entscheidenden und für Jahre beherr- schenden Einfluss hatten in der Lehre des Fiebers in neuerer Zeit Liebermeister's Anschauungen 208 209 210^ die er in seinem grundle- *) Vom mehr klinischen Standpunkte aus finden die im Verlaufe der Infektion auftretenden allgemeinen Reaktionen im Kapitel »Infektion und allgemeine Reak- tion« durch F. Blumenthal ihre Besprechung. Wesen der Infektioo. 265 genden AVerke niedergeleiit liat und dessen Studium noch heute für jeden, der sich eiugelieud mit der Fieberlehre beschäftigen will, un- entbehrlich ist. LiEßERMEiSTER Stellte tils Kardinalsymptom des Fiebers die erhöhte Temperatur in den Vordergrund und sprach dieser und somit auch dem Fieber ausschließlich deletäre Einflüsse auf den Orga- nismus zu. Indessen erhoben sich sehr bald seitens mancher Kliniker und Aerzte Zweifel au der ausschließlichen und schädlichen Bedeu- tuug der Hyperthermie im Fieber (Naunyn^h, CüiisCHMANN2i2^ Unvek- RICHT213, Kreiil"-!-!). Wir werdcü auf diese Frage weiter unten zu sprechen kommen. Uns interessieren an dieser Stelle weniger die wissenschaftlichen Fragen nach dem Stoffwechsel und der Wärmeökonomie beim fieberhaften Prozess, über welche Punkte abgesehen von älteren Beobachtern sehr eingehende Untersuchungen von Rubner^issig sowie mittels des Eubner'- schen Kalorimeters von Nebeltiiau^i^ sowie Krehl & Matthes'-i'> vorliegen. Eine erschöpfende Zuammenstellung aller in Frage kommen- den Punkte und Arbeiten giebt Löwit^« in seiner Monographie. Viel- mehr stehen für uns hier die Fragen nach der Aetiologie, dem Wesen und der Bedeutung des fieberhaften Prozesses bei Infektionskrankheiten in vorderster Linie, Punkte, die wir an der Hand der bisherigen experimentellen Ergebnisse und nach meinen eigenen langjährigen Beobachtungen im Tierexperimente und an infektionskrauken Menschen der Krankenabteilung des Instituts für Infektionskrankheiten hier besprechen wollen. Dass das Fieber bei Infektionskrankheiten in unmittelbarstem ur- sächlichem Zusammenhange mit der Anwesenheit der Infek- tion sstoffe im Organismus steht, ist eine an Tier und Mensch experi- mentell leicht und oft nachgewiesene Sache. AVenn wir einem Menschen eine kleine Menge abgetöteter Bakterien, wie dies vielfach zu Schutz- impfungszwecken geschieht, subkutan einverleiben, so erfolgt hierauf prompt eine mehr oder weniger heftige fieberhafte Reaktion (Römer 220^ Büchner 221^ Friedrich 222^ Kolle223^ Coley224 xi. a. m.). Durch diese mit abgetöteten Bakterien oftmals und mit stets gleichem Resultate wiederholten Versuche ist zugleich auch die von Charrin & Ruffer225 j^ Fluss gebrachte Frage für den Menschen entschieden, ob die lebenden Bakterien oder deren chemische Produkte fiebererregend sind. Die genannten Autoren hatten zuerst an Tieren, Kaninchen, ge- zeigt, dass die Bakterienprodukte, in ihrem Fall das Pyocyaneustoxin, Fieber erzeugen können. Seither haben sich dann fast alle Autoren auf Grund ihrer Experimente und Erfahrungen dahin entschieden, dass die Anwesenheit resp. die Resorption der Mikroorganismengifte Ursache des infektiösen Fiebers sei. Ughetti 226 steht demgegenüber allerdings auf dem Standpunkte, dass »die im Fieber beobachtete Temperatursteigerung durch die Anwesenheit fremder korpuskularer Elemente im Blute be- wirkt werde, nicht aber durch lösliche Produkte von chemischer Wirkung«. Darüber also, dass die unmittelbare Aetiologie des Fiebers in dem im Organismus befindlichen Infektionsstoff zu sehen ist, kann ein Zweifel nicht bestehen. Was indessen den Mechanismus dieser pyretogeneu Wirkung der Infektionserreger angeht, so ist hierüber noch nicht in gleichem Maße Klarheit gewonnen. In dieser Beziehung drängen sich vor allem zwei Fragen der Beantwortung auf: Sind die Leiber resp. die Gifte der Mikroorganismen selbst das fiebererzeugende Agens oder l3ilden diese aktiven Substanzen nach Art der Enzyme erst aus ihrem Nähr- 266 A. Wassermann, bodeu, den Kürpergewebeu, das eig-entliche Fiebergift ? In dieser Hin- sicht sind die Arbeiten von Roger 227 ^nd Josüe zu nennen, welche versuchten, im Blute von Kaninchen, bei welchen durch intravenijse Injektion abgetöteter Choleravibrionen Fieber erzeugt worden war, Fieber erregende Stotte nachzuweisen. Die genannten Autoren erhielten indessen ebenso wie alle anderen, welche versuchten im Blute Fiebernder ein Pyrotoxin nachzuweisen, durchaus widerprechende Kesultate. Auch die Angabe von Eogkr, dass die Lunge thermogene Stotfe an das venöse Blut abgebe, scheint mir durch die Tierversuche als für den Menschen geltend durchaus nicht bewiesen, da ich Kkeiil228 vollständig darin bei- pflichten miiss, dass es kaum ein Gebiet giebt, auf welchem es weniger angebracht ist, von Tierversuchen direkte Rückschlüsse auf den Menschen zu machen, als die nach Einführuiig von gewissen Stoffen auftretenden Störungen der AVärmeregulatioo. Wie Krehl (1. c.) in dieser Arbeit zeigte, und aus der dort enthaltenen vollständigen Zusammenstellung der einschlägigen Versuchsresultate anderer iVutoren zu ersehen ist, wirkt ein und dieselbe Bakterieuart und ein und derselbe Stoff bei ver- schiedenen Tieren sehr verschieden. Nach meinen eigenen Erfahrungen verhalten sich insbesondere die kleineren Versuchstiere, Kaninchen und Meerschweinchen, gegenüber allen feineren Reaktionen in der Körper- temperatur sehr inkonstant. Weit besser ist dies bereits bei größeren Tieren, vornehmlich Pferden, welche ein bedeutend sichereres und zu- verlässigeres Reagens auf thermogene Agentien zu Versuchszwecken dar- stellen. Nach alledem dürfen wir also den Arbeiten, bei welchen sich nach Injektion von Blut fiebernder Menschen bei Kaninchen, Hunden oder Meerschweinchen eine geringe Temperaturerhöhung zeigte, einen beweisenden positiven Wert für die Existenz eines in dem injizierten Blute vorhandenen besonderen aus dem Gewebe abgespaltenen Fieber- giftes nicht beimessen, obgleich ich die Existenz eines solchen für mög- lich halte. Im übrigen ist auch, wie Krehl (1. c.) sich ausspricht, diese Frage eine vorläufig mehr akademische als praktisch durchführbare, da bei allen Infektionskrankheiten fortdauernd große Mengen Mikroorganismen zu Grunde gehen und aufgelöst werden, so dass ihre Leibessubstanzen und Gifte resorbiert werden und in den Kreislauf gelangen. Ein Aus- einanderhalten dieser Bakterienstoffe aber und etwaiger durch sie erst aus dem Körpergewebe abgespaltener besonderer pyrogener Substanzen ist bei dem Mangel jeglicher exakter chemischer Reagentien auf diesem Gebiete gegenwärtig ganz unmöglich. Weit wichtiger sind vorläufig die Fragen: Giebt es in den Mikro- organismen eine besondere pyrogene Substanz, wird das Fieber durch einen allen Mikroorganismen gemeinschaftlichen Fieber erzeugenden Stoff hervorgebracht, welche chemische Natur besitzt das thermogene Gift in den Bakterien? In dieser Beziehung lehren uns die Experimente von Roger mit Bacterium coli -Toxin," von Saxarelli mit Typhustoxin, von Met- scHNiKOFF mit abgetöteten Hog.-Cholerabazillen (zit. nach Roger 1. c.) und die anderer Forscher (cf Krehl 1. c), dass kleine Dosen Bakterien- gifte bei Tieren, besonders Meerschweinchen, Temperaturerhöhung, große dagegen Temperaturerniedrigung, Kollaps, erzeugen. Man kann diese Thatsache für alle Mikroorganismen verallgemeinern. Wir werden auf ihre Deutung weiter unten zu sprechen kommen. Was die chemische Natur der fiebererzeugenden Substanz i Wesen der Infektion. 267 angeht, so hatte bereits Buciixer^2>' die pyrog-eue Wirkung seiner Proteine (s. o. bei Entzündung und im Kap. Bakteriengifte] an Tier und Mensch beobachtet. Centanni -^o hatte weiterhin aus den flüssigen Kulturen aller möglichen pathogeneu und saprophytischen Bakterien eine pyrogene, in Wasser lösliche, in Alkohol unlösliche Substanz ge- wonnen. Er nannte dieselbe Pyrotoxin. Das Pyrotoxin ist weder ein Ptomain, noch giebt es wie die Proteine Eiweilireaktion; sowohl die chemischen wie die biologischen Eigenschaften des Pyrotoxius sind stets gleich, aus welchen Bakterienarten es auch immer gewonnen wurde. Matthes231 spricht auf Grund seiner Experimente besonders den Album osen eine ätiologische Rolle bei der Entstehung des Fiebers zu. Auch Krehl (1. c.) hat aus den Leibern von Bacterium coli eine Albumose gewonnen, welche bei Hunden, Kaninchen und Meerschweinchen die Temperatur zu steigern vermag. Doch zweifelte Krehl selbst, ob er damit die eigentliche fiebererregende Substanz in Händen hatte. VoGEs232 gewann durch Fällen mit Ammoniumsulfat oder Alkohol ans Kulturen von Prodigiosus und Bac. subtilis, welche auf dem eiweiß- freien UscHixsKY'schen flüssigen Nährboden gewachsen waren, eine ^Substanz, welche keine Biuretreaktion gab und in kleinen Dosen bei Meerschweinchen die Temperatur erhöhte, in größeren herabsetzte. Wir können indessen auf alle diese Untersuchungen und Experimente für die Bedeutung des Fiebers beim Menschen kein allzu großes Ge- wicht legen. Wissen wir doch, dass alle eiweißartigen Substanzen, die aus dem Protoplasma irgend welcher lebenden Zellen stammen (Krehl 1. c), bei der Injektion Temperaturerhöhung verursachen, so dass wir keine Berechtigung haben, die soeben angeführten, aus 15akterienkulturen gewonnenen Stoffe als irgend wie spezifische, mit dem Fieberprozesse in Verbindung stehende Gifte zu betrachten, und die Frage nach einem bestimmten Fiebergifte in Mikroorganismen und dessen chemischer Struktur vorläufig noch als ganz offene bezeichnen müssen. Wenden wir uns zur Besprechung des Wesens und der teleolo- gischen Bedeutung des Fiebers bei infektiösen Prozessen, so wird dasselbe allgemein als eine Reaktion des Organismus auf die Anwesen- heit gewisser körperfremder Bestandteile angesehen, lieber den Zweck dieser Reaktion des Organismus herrschte seit Jahrtausenden die Ansicht, dass sie ein Heilbestrel)en gegenüber der fiebererzeugenden Noxe sei. Erst durch v. Liebermeister (1. c.) wurde diese bis dahin fast allgemein giltige iVnschauung von der wohlthätigen Wirkung des Fiebers bekämpft, indem dieser Forscher die schädlichen Effekte der Hyperthermie in den Vordergrund stellt. Wir haben auch bereits oben erwälnit, dass sich gegenwärtig wieder eine Reaktion gegen die ausschließliche Geltung der LiEHERMEisTER'schen Lehre geltend macht. Wir sehen also in der Lehre von der teleologischen Bedeutung des Fiebers die gleiche Frage wieder auftreten, die uns bereits bei unseren Betrachtungen nach der Bedeutung der Entzündung bei Infektionen beschäftigt hat. In der That stehen beide Prozesse in der Auffassung mancher Forscher, wie seit Jahrhunderten, so auch heute noch so nahe bei einander, dass Met- .scHxiKOFF (1. c.) das Fieber bei Febris recurrens, bei welchem das fieber- erzeugeude Agens, die Recurrensspirillen , stets im Blute sind, direkt als Hämitis bezeichnet und Ugheiti^ss f^y .^\\q Infektionen behauptet, dass die Vorgänge im Blute beim Fieber den bei der lokalen Entzündung im Gewebe sich abspielenden entsprechen. Ebenso wie man nun über 268 A- Wassermann, die Bedeutung- und den Zweck der Entzündung experimentell Auf- sehluss zu erlangen suchte (s. o.), so liegen seitens zahlreicher Forscher Experimente vor, welche sich mit der Frage beschäftigen, welchen Einiluss das Fieber auf den Ablauf experimentell erzeugter Infektionen beim Tiere ausübe. Allerdings berücksichtigen fast alle Autoren bei ihren Versuchen nur den Einfluss eines Symptomes des Fiebers, nämlich das der gesteigerten Temperatur. In einer Reihe von Versuchen untersuchten die Autoren den Ein- fluss der höchsten Fiebertemperaturen 41—42" auf das Wachstum und die Virulenz der Mikroorganismen außerhalb des Körpers. Dass der- artige Temperaturen auf die Entwicklung von gewissen Mikroorganismen schädigend einwirken, wissen wir bereits seit den Untersuchungen von Pasteur und Koch (1. c.) Einen schädigenden Einfluß dieser Temperaturen auf das Wachstum außerhalb des lebenden Organismus für Pneumokokken zeigten PirriNG^si^ G. und F. Klemperer235^ füi. Erysipelstreptokokken de SiMONe236^ füj. Gonokokken Schäffer & Steinschneider 237. Für Typhusbazillen konnte Müller 238 einen prak- tisch in das Gewicht fallenden schädigenden Einfluss der Temperaturen von 40—42° nicht feststellen. Wir möchten indessen ganz im Einklang mit Unverricht & Krehi, (1. c.) auf die Verwertung dieser Versuchsresultate tur die innerhalb des infizierten Organismus beim Fieber sich abspielenden Vorgänge keinerlei Wert legen. Bei derartigen Versuchen wirkt eine austrock- nende erwärmte Luft tagelang konstant auf Parasiten, die sich nicht unter ihren normalen, also optimalen Ernährungsbedingungen befinden und welche daher unter diesen unnatürlichen Umständen durch eine erhöhte Temperatur weit mehr beeinträchtigt werden als unter den ihrem Fortkommen günstigen Umständen des lebenden Organismus. In der That sehen wir denn auch parasitäre Mikroorganismen, die außer- halb des Organismus durch eine Temperatur von 40" bereits sehr in ihrer Entwicklung gehemmt werden, wie die Tuberkelbazilleu (Koch 23!^], sich bei dieser gleichen Temperatur im Organismus sehr üppig ver- mehren. In einer anderen Reihe von Experimenten suchten die Autoren die Frage nach dem Einflüsse der Temperatur auf die Entwicklung der Infektionserreger innerhalb des lebenden Organismus durch künstliche Uebererwärmung oder umgekehrt durch Abkühlung der Versuchstiere zu lösen. So sah WALiHER2^t', dass Kaninchen, Avelche im Brutschrank bei Temperaturen zwischen 41 und 42" gehalten wurden, später an Pneumo- kokkeninfektion starben als die Kontrolltiere. Rovighi24i konstatierte dasselbe für Kaninchen bei der Infektion mit Sputumseptikämie, Milz- brand und Kanincheuseptikämie. Fi lehne 2^2 yf[\\ einen günstigen Ein- fluss der im Thermostaten erreichten künstlichen Erwärmung bei Kanin- chen, welche mit Streptokokken am Ohre infiziert wurden, auf das Impferysipel beobachtet haben. Löwy & Richter 2^3 erzielten die Hyperthermie bei ihren Versuchstieren mittels des SACHS-ARONSONSchen Hirnstiches. Sie beobachteten, dass bei Kaninchen, welche nach diesem Eingrifle eine tagelang anhaltende Temperatursteigerung bis 42° boten, Infektion von Diphtheriebazillen, Hühnercholera, Schweinerotlauf und Pneumokokken besser vertragen wurde als von den Kontrolltieren. Indessen möchten wir auch diesen Versuchen nicht allzuviel Beweis- kraft für die entwicklungshemmende Kraft der Fiebertemperatur beim Wesen der Infektion. 269 Meusclieu beimessen und zwar aus den verschiedensten Gründen. Erst- lich gelten für einen Teil derselben die gleichen Einwürfe, die wir be- reits bei der Besprechung- der Entzündung gegen die dort angeführten [mpfcxperimente mit Streptokokken am Kaninchenohre erhoben haben. Weiterhin ist der gegenseitige zeitliche Verlauf in der Ent- wicklung der Infektion und der erhöhten Temperatur beim 3lenschen im Fieber ein ganz anderer als in diesen Experi- menten. Beim Menschen beobachten wir die erhöhte Körpertemperatui bei den spontanen Infektionen erst dann, wenn das Inkubationsstadium vorüber ist, alle dem Organismus von Natur aus zwecks Abwehr der Infektion zur Verfügung stehenden Waffen erschöpft sind, wenn also die Infektion bereits im vollen Gange ist und krankhafte Störungen verursachte. In allen diesen Experimenten aber setzt die künstliche Temperaturerhöhung entweder unmittelbar oder kurze Zeit nach statt- gehabter Infektion, also im Stadium der Inkubation, ein, woselbst noch keinerlei Wirkung seitens der Infektionserreger auf den Organismus zu bemerken ist. In der That sehen wir aus den Experimenten von Walthek (1. c), dass die Tiere in den Fällen, in welchen sie erst 14 Stunden nach der Infektion künstlich überhitzt wurden, ebenso rasch wie die nicht erhitzten Kontrolltiere starben. Walthek erklärt dies selbst dahin, »dass die Mikroorganismen in der Zeit bis zur Einbringung der Tiere in den Thermostaten Zeit genug hatten, um in dem Tier- körper so weit festen Fuß zu fassen, dass ihnen nunmehr eine künst- liehe Erwärmung in der Fortsetzung ihres Zerstörungswerkes nicht mehr Einhalt zu gebieten vermochte.« So aber liegen bei der natürlichen Infektion die Dinge. Es erklären sich vielmehr alle die günstigen Folgen in den obigen Tierexperimenten, die scheinbar durch die Erwärmung hervorgerufen wurden, meiner ^leinung nach durch die Erscheinung der »künstlichen Kesistenz<: (s. Bd. III), welche wir bei von Haus aus gegen die be- treffende Infektion einen gewissen Eesistenzgrad zeigenden Tieren als einen vorübergehenden Zustand durch allerlei mögliche äußere, die Körpertemperatur erhöhende Eingriffe, wie Injektion von fremdem nor- malem Serum, Urin, steriler Bouillon, Tuberkulin u. s. w., nach den Untersuchungen von Issaeff^^^ hervorrufen können. Diese künstliche Resistenz hat aber, wie A. Wassermann 2^5 zeigte, ihre Ursache nicht in der auf den Eingriff folgenden Temperaturerhöhung, sondern in einer besonderen Aktivierung der dem Organismus innewohnenden natürlichen Abwehrwaffen. Denn man kann diese Resistenz sofort herabsetzen, so dass nun die Tiere trotz der erhöhten Körpertemperatur der Infektion erliegen, wenn wir diese natürlichen Scliutzkräfte durch spezifische Gegenmittel im Organismus binden (cf. Bd. III). Aus allen diesen Gründen gelingen diese obigen Experimente nur, so lange die Infektion noch nicht richtig im Organismus Fuß gefasst hat, nicht mehr aber in dem Stadium der Infektion, in welchem wir beim Menschen das Fieber auftreten sehen. Wir sehen demnach, dass wir keinerlei Anhaltspunkte dafür haben, dass die er- höhte Körpertemperatur als solche entwicklungshemmend oder gar abtötend auf Mikroorganismen im Körper w^irkt. Die Experimente, Avelche im Anschluss an die alten Versuche Pa.steurs^^" umgekehrt zeigten, dass durch Eintauchen in kaltes Wasser oder durch Einbringen in Eiskästen oder durch Abscheren oder durch Bestreichen mit Guajakol künstlich und gewaltsam abgekühlte Tiere der Infektion 270 A. Wassermann, immer rascher erliegeu (Wagner^'I^^ Filehne II. c.l, Cheinisse^'^, TloviGiii [1. c] L()WY & liivH'VFAi [1. c.]) bcwciscu nur, dass zwei auf ein Tier einwirkende Scliädlichkeiten rascher und siclierer den Tod lierbeiiuliren aln eine. Dass die künstliche Ueberhitzung- des Organismus nicht die Einwir- kung der baktericiden Substanzen auf Bakterien hindert, zeigte Kast^^o. Ueberl)licken wir sonach das soeben Gesagte, so sehen wir, dass die Tierexperimente uns bislier sehr wenig Positives für die ErkUlrung und Auffassung des infektiösen fieberliaften Prozesses beim Menschen er- bracht haben. Es dürfte dies für jeden, welcher die nach Infektion ^■on verscliiedenen Pakterieni)rodukten bei Tieren auftretenden Temj)e- raturschwankungen und andererseits viele hebernde infektionskranke .Menschen beobachtet hat, nichts Ueberraschendcs haben. Das Fieber des Menschen kann ebensoM-ohl nach der ätiologischen wie nach anderen llichtungen hin nur durch Beobachtungen und Untersuchungen am Men- schen selbst beurteilt werden. Zunächst ersehen wir im Tierex])erimente überbaupt nie einen bestimmten Fiebertypus, einen zyklischen Gang der Temperatur, der bei vielen Ini'ektionen des Menschen doch so aus- gesprochen ist und so unmittelbar mit gewissen Infektionserregern zu- sammenhängt, dass wir allein aus dem Temperaturgange wichtigste An- haltspunkte für das ätiologische Agens der Krankheit gewinnen können. Derart ist das Verhalten der Temperatur bei Recurrens, bei den ver- schiedenen Arten der Malaria, bei den Streptokokken, welch letztere ihre typische »Streptokokkenkurve« (Pktuitschky-'^") mit ihrem inter- mittierenden Typus im Gefolge haben. Dies allein beweist bereits, dass die Untersuchungen, welche ein allen Mikroorganismen gemeinschaft- liches wesentlich gleiches Fiebergift, ein allgemeines Pyrotoxin für alle P)akterien annehmen, nicht das Thatsächliche treffen. Vielmehr sind die Substanzen in den Pneumokokken und die in den Strepto- kokken, welche das Fieber erzeugen, sicher ebenso ver- scbieden und spezifisch für ihre Bakterienart, wie das Diph- therie- und Tetauusgift von einander verschieden sind.*) Es ist überhaupt nach meinen Erfahrungen und Beobachtungen über das Fieber bei infektionskranken Menschen nicht angängig, einheitlich und allgemein das »Wesen des Fiebers« bei Infektionskrankheiten auf- klären zu wollen. In dieser Hinsicht kann man aussclilieHlich nur immer von dem »Wesen des Fiebers« bei einer einzelnen Infektions- krank lieit sprechen. Denn bei näherem Eindringen in diesen Gegen- stand ersehen wir immer mehr, wie verschieden die Ursachen bei verschiedenen Infektionen des Menschen sind, aus denen Fieber und oft eine besondere Art des Fiebers entsteht. Dies sehen wir am deutlichsten beim Menschen in Fällen von Bakterien- assoziation, wenn zu einer bereits bestehenden heberhaften Infektion sich sekundär eine zweite hinzugesellt. Alsdann nimmt sehr häufig die bisberige Fieberkurve einen anderen Charakter an, indem nunmelir in derselben auch der der zweiten Mikroorganismenart eigentümliche Fieber- ty})us zum Ausdruck kommt. So wird die bei Intluenzapneumonie remittierende Fieberkurve zu einer Continua, wenn sich zur bisherigen ausschlielUichen Infektion mit Influenzabazillen eine sekundäre mit *) Dfiniit sei die Möglichkeit nicht in Abrede gestellt, dass diese in den ein- zelnen ypecies verschiedenen Stoffe in letzter Linie im Organismus aus dem Proto- plasma ein einheitliches Fieber erzeugendes Agens abspalten. "Wesen der Infektion. 271 FiiÄNKEL-WEK^iisELBAüMSchen Pneumokokken, also eine richtige kru- pöse Pneumonie, hinzugesellt (A. Wassermann 25i). Ebenso erhält die Fieberkurve des Tuberkulösen die Charakteristica der »Streptokokken- kurve«, wenn eine Sekundiirinfektion durch Strej)tokokken erfolgt (cf. Kap. Mischinfektion). Die gleiche Verschiedenheit und Öpezihzität der Substanzen, welche bei Infektionskranken l^'ieber erzeugen, ersehen wir weiterhin besonders bei näherer Betrachtung der Fiebertypen bei Malaria. Stets verursacht hier in den typischen Fällen der Parasit der Febris tropica nach der Akme erst eine Remission mit darauf- folgendem neuem Anstieg; dann erst erfolgt der Abfall (Kon. Kocii^ö^j. Nie sehen wir etwas derartiges bei den tyi)ischen Fällen der Tertiana- und Quartanainfektion (cf. Ka]». Malaria). Das Fiebergift, das bei Tropica im Organismus kreist, muss also l)iologisch ein qualitativ anderes sein als das bei Tertiana- und Quartanainfektion. Daher kiJnnen die in ihrer Wirkung so gleichmäßigen Substanzen, wie die Proteine, das CEXTANNische Pyrotoxin u. s. w. wohl Substanzen sein, welche ebenfalls Fieber erzeugen können, aber mit den Substanzen, welche beim Menschen die klinischen Fiebertypen in Infektionsfällen erzeugen, haben sie sicher nichts zu thun. Diese sind weit labilere, hoch molekulare Verbindungen, welche so eingreifende Prozeduren, wie sie zur Darstellung der Proteine und des Pyrotoxins angewendet werden, nicht aushalten, ohne völlig zersetzt und zerstört zu werden. Worauf dieser verschiedene Fiebertypus beruht, darüber sind wir erst bei einer kleinen Anzahl von Infektionen im Beginn des Einsehens. Aber das können wir bereits aus dem wenigen, was wir in dieser Beziehung sicher wissen, sagen, dass auch hier jede Infektion für sich betrachtet werden muss, dass Verallgemeinern nicht angängig ist. So wissen wir durch die Untersuchungen von Golgi-''-^ und Kon. Kocii (1. c), dass bei der Malaria ausschließlich die ^porulationsformen der Parasiten die Träger des Fieberagens sind. Sobald die Parasitengene- ration zur Sporulation gediehen ist, beginnt das Fieber. Wir verhindern es nur wenn wir durch Chinin die Keifung der Siorulationsformen res]), ihr Platzen verhindern. Bei diesen Infektionen liängt also der Fieber- typus auf das Unmittelbarste mit dem biologischen Entwicklungs- gänge der Parasiten zusammen (cf. Kap. Malaria). Anders ist dies bei Febris Recurrens. Hier wissen wir aus den Unter- suchungen von Gabritschewskv254^ c1;,S(^ nach dem Anfall kritisch be- sondere neue Stoffe im Blutserum auftreten, welche die s])eziHsclien Infektionserreger, die Spirdcliäten, abtöten, also s] ezitiseh l)akterici(.e Stoffe. Hier hängt also der Fiebertypus damit zusammen, dass infolge einer Keaktion des Organismus spezifisch baktericide Stoffe im Serum kreisen, welche das Eintreten der Parasiten in das Blut .erhindern. Nehmen diese Stoüe ab, dann kann von neuem ein Anfall erfolgen Auch die Art des Ablaufs des Fiebers, ob kritischer ode lytis'her Abfall erfolgt, fällt, wie wir bei numclien Infektionen nach .\ eisen können (Pneumonie (J. & F. KhE.Mi'..K'KU, 1. c.), T\phus (Pfeikfe > & KoELE^s'^), mit dem ))lötzlielien «der allmählichen Auftreten derartiger spezifischer Schutzstoife im Serum zusammen. Was die Frage angeht ob die lelienden Bakterien selbst oder ge- wisse Stoffe derselben das Fielieragens darstellen, so geben uns auch hierauf die Beobachtungen an Menschen Auskunft. Wir sehen bei Pneu- monie', 'i'y])hus und anderen Infektionen, dass lach eini'.etretener Ent- fieberung die spezifischen Iiifektionserre>.'er in der lU'konvaleszenz noch 272 A. Wassermann, lange nachgewiesen werden können, so dass also bei diesen Infektionen es sicher leblose Stotite, Gifte, sein müssen, gegen welche der Mensch infolge eingetretener Immunität nach Ueberstehen der Krankheit unem- pfindlich wurde. Denn trotz weiterer Anwesenheit lebender Infektions- erreger, z. B. der Pneumokokken beim Pneumoniker nach der Krise fiebert dieser nun nicht mehr. Dass endlich auch der biologische Zustand des Gewebes für das Zustandekommen des Fiebers eine wichtige Rolle spielt, ersehen wir aus dem Fieber nach Tuberkulininjektionen, indem das Tuberkulin in normalem und andererseits ganz altem, zerstörtem tuberkulösen Gewebe sich bei gleicher Dosierung anders fieberauslösend verhält, als wenn es junges tuberkulöses Gewebe im Organismus antrifft. Ebenso sehen wir, dass kleine Dosen Jodkali innerlich gegeben bei Leprösen nach A. Neisser-^ö^ ^je ich mich selbst an Leprakranken überzeugen konnte, Fieber erzeugen, was ich bei keiner anderen In- fektionskrankheit gesehen habe. Wirersehen sonach, wie kompli- ziert das Wesen des Fiebers bei menschlichen Infektions- krankheiten ist, welche vielerlei Faktoren, spezifische bio- logische Eigentümlichkeiten des Infektionserregers, anato- mische Verteilung desselben, wie Einbrechen in die Blutbahn, biologischer Zustand des Gewebes, Vorhandensein spezifi- scher Gegenstoffe im Organismus u. s. w., dafür in Frage kommen. Und ebensowenig einheitlich wie die Frage nach dem We- sen ist diejenige nach dem Zwecke, nach dem Nutzen oder Schaden des Fiebers im Infektionsprozess zu beantworten. Stellen wir die Frage derart, ob das Fieber durch die in seinem Ver- laufe auftretende Körpertemperatur beim Menschen direkt Bakterien abtöten kann, so müssen wir diese Frage, wie wir schon oben gesehen haben, für alle uns bisher bekannten Infektionserreger verneinen. Stellen wir aber die Frage nach der Kichtung, ob das Fieber gleichsam ein Indicator, eine Teilerscheinung einer für den Ablauf der In- fektion nützlichen Reaktion des Organismus ist, so müssen wir diese Frage für eine Reihe von Infektionen bejahen. Durch die Anwesen- heit der Mikroorganismen und Gifte werden im lebenden Körper feinste Reaktionen ausgelöst, welche zur Produktion spezifischer Stoffe, Anti- toxine, baktericide Substanzen, Agglutinine (s. Bd. III) führen, mit deren Auftreten im Serum der Ablauf der Infektion auf das innigste zusammen- hängt. Wir wissen nun experimentell von Tieren und Menschen, dass die Produktion dieser Stoffe resp. die zu ihrer Hervorbriugung nötige Reaktion stets mit Fieber einhergeht. Der Organismus hat während dieser Zeit ein sehr großes Maß von Mehrleistung gegenüber der Norm zu bringen. Ge- wisse Organe, Knochenmark, Milz und Lymphdrüsensystem (Pfeif^^er ^^ Marx 257, A. Wassermannes^) befinden sich in dieser Periode in der aktivsten Funktion, so dass man auf mikroskopischen Schnitten überrascht ist von der überaus großen Menge von Kernteilungsfiguren in diesen Organen. Es treten Sekretions- und Zerfallsprodukte von Zellen, be- sonders der Leukocyteu auf, welche in das Blut gelangen. Kurz, es müssen während der Infektion, wenn sie günstig ablaufen soll, im nor- malen Organismus derartige biologische Kräfte in Funktion treten, welche die Abtötuug der Bakterien oder die Unschädlichmachung ihrer Gifte für den Organismus zum Ziele haben und deren Auftreten mit einer erhöhten Temperatur des Organismus einhergeht. Wesen der Infektion. 273 Als Indicator und Teilerscheiuuiig dieser Reaktionen müssen wir, wie gesagt, das Fieber als g-iinstig-es Symptom bei Infektionen betrachten, indem das Febleu desselben bei sehr schweren Infektionen sehr oft das Zeichen dafür ist, dass das Protoplasma der Örganzcllen durch die Infektion so schwer getroffen ist, dass es zu den oben erwähnten zum Ablauf der Infektion nötigen biologischen Re- aktionen nicht mehr fähig ist. Im Einklänge damit erzeugen im Expe- riment, wie aus den obigen Litteraturangabeu hervorgeht, kleine Dosen der Bakteriengifte stets Temperaturerhöhung, große tödliche stets Tem- peraturerniedrigung. Besonders wichtig in praktischer Beziehung erscheint unter diesen Umständen die Frage, ob eine künstliche Herabsetzung des Fiebers bei Infektionen mittelst chemischer Antipvretica, also Protoplasmagiften im Sinne Schmiedeberg's^sö diese so notwendigen biologischen Reak- tionen nicht schädigt, eine Frage, die zuerst von A. BAGixsKY2ß» zur Diskussion gestellt wurde. Ich habe diesen Gegenstand durch A. Schütze2"i experimentell bearbeiten lassen. Es hat sich bei diesen mit Tvphus- bazillen an Kaninchen vorgenommenen Untersuchungen gezeigt, dass die Temperaturherabsetzung, welche bei diesen Tieren durch Antipvriu möglich ist, die zur Produktion der spezifischen Schutzstoffe in dem Blut führenden biologischen Reaktionen nicht hemmt. Um nicht missverstanden zu werden, möchte ich indessen hervor- heben, dass ich durchaus nicht die bei Infektionskrankheiten auftretende biologische Gewebs- und Immuuitätsreaktion als die einzige Ursache des Fiebers ansehe. Ich halte sie für eine Ursache des Fiebers auf Grund der Experimente und Beobachtungen am Menschen. Denn wenn wir einem Kranken, z. B. einem Diphtheriekranken, die Notwendigkeit, sich seine Schutzstoffe selbst zu bereiten, abnehmen, indem wir sie ihm bei unkomplizierten, reinen Diphtherieinfektionen zeitig genug in Form des Diphtherieserums fertig einverleiben , dann können wir kritisch das Fieber koupieren (H, KossEL^ea^ Heübxer263. x. Baginsky^«^ . Ich halte indessen das Fieber für einen weit komplizierteren Vorgang, als dass es nur der Ausdruck dieser Vorgänge ist. Je tiefer wir in die bei In- fektionen unter dem Einflüsse von Mikroorganismen sich abspielenden Vorgänge eindringen, desto mehr Faktoren lernen wir kennen, von denen wir wissen, dass sie Fieber erzeugen können. So wissen wir nunmehr durch die Untersuchungen von vax deVelde (1. c). Ehrlich ^'-s^ M.Keisser & WECnsnERG2'^fi, Bulloch267^ Kraus & Clairmont26s, dass sehr viele pathogene Mikroorganismen Blutköri)erchen zerstörende Gifte produ- zieren, die sogen. Bakteriohämolysine (s. Bakteriengifte . Es zer- fallen also bei der Infektion mit derartigen Mikroorganis- men stets eine Menge von Erythrocvten, ein Vorgang, von dem wir experimentell wissen, dass er pyretogeu ist und auf den Ughetti (1. c.) besonderen Wert legt. Aus alledem ersehen wir. wie viel- artig und wechselnd die Ursachen und das Wesen des Fiebers in Infektionen sein können und wie eine Ergründung des- selben, ausgehend von allgemeinen Prinzipien, kaum mög- lich ist, sondern nur durch eingehende Studien der ein- zelnen Infektionen. Als weiteres sehr häufig vorkommendes, allgemeines Symptom bei den meisten Infektionen können wir eine Vermehrung der Leukocyten, eine akute Leukocytose, beobachten. Die Frage der Leukocytosc studierte zuerst Römer 2^9 mit Hilfe der BucHXER'schen Proteine sowie Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 18 274 A. Wassermann, Kanthak 2'o experimentell an Tieren, denen er Bakterienprodiikte in- jiziert hatte. Sie beobachteten, dass auf eine anfängliche Abnahme der Leukocyteu, Hypoleukocytose, eine Zunahme derselben, eine Hyper- leukocytose, folg'c. Der Höhepunkt der Leukocytose wurde ca. 9 Stunden nach der Injektion erreicht. Die Leukocytose hielt 48^ — 72 Stunden an. Ueber die Vermehrung- der einzelnen Leukocytenformen bei der Leuko- cytose giebt Kanthak (1. c.) nach seinen Versuchen an Kaninchen an, dass besonders die eosinophilen vermehrt seien (s. unten). In neuester Zeit hat E. Schlesinger -'i die Leukocytose bei experimentellen Infek- tionen sowie das Verhältnis der polynukleären Zellen zu den Lympho- cyten bei derselben an Kaninchen sehr eingehend untersucht. Es wurden in Versuch gezogen Bacterium coli, Streptokokken, Pneumokokken, Milz- brandbazilleu, Milzbrandvaccine, Typhusbazillen, Botulismus, Tetanus-, Diphtheriebazillen und zum Vergleiche nicht pathogene Heubazillen. Die Resultate schwanken sowohl, was den Eintritt der Hypoleukocytose, den Grad der Leukocytose, wie das Verhältnis der polynukleären Zellen zu den Lymphocyten angeht, in sehr hohem Grade, so dass konstante Resultate nicht erzielt wurden. Es dürfte überhaupt schwierig sein, auf dem Wege des Tieresperi- mentes, wie es vielfach versucht wurde, völlige Aufklärung über das Wesen der bei den meisten Infektiousprozessen des Menschen auftreten- den Leukocytose zu gewinnen. Wir stimmen hierin vollkommen Ehrlich bei. Die Verhältnisse bei der künstlichen Versuchsanordnung im Tier- experimente sind zu verschieden von den bei dem spontanen Krank- heitsprozesse auftretenden. In allen bisherigen Versuchen wurde das Blutsystem des Tieres durch die Injektion der Noxe mit einem Schlage üljerlastet, und eine heftige plötzliche Reaktion des Blutgewebes auf diesen Eingriff war die natürliche Folge, während bei der natürlichen Infektion des Menschen nach und nach an Menge zunehmende schäd- liche Stoffe allmählich zur Wirkung gelangen. Daher ist es leicht zu erklären, wenn von fast allen Autoren, welche ex- perimentell arbeiteten, angegeben wird, dass im Experimente der Hyper- leukocytose zumeist eine Verminderung der Leukocyten, eine Leuko- penie oder Hypoleukocytose vorausgehe (cf. oben). Bei den spon- tanen Infektionen des Menschen ist dies ganz anders. Hier kommt eine der Hyperleukocytose vorhergehende Verminderung der Leukocyten sehr selten zur Beobachtung, indem eben die Hypoleukocytose im Tier- experimente oöenbar der Ausdruck der durch die plötzliche Ueber- schwemmimg des Blutes mit der Schädlichkeit hervorgebrachten Zerstö- rung von Leukocyten ist. Auch in anderen wesentlichen Punkten be- steht eine auffallende Nichtübereinstimmung der experimentellen Resultate und der am kranken Menschen erhobenen Befunde auf diesem Gebiete. So ersehen wir aus der Arbeit Schlesinger's (1. c), dass die experi- mentelle Typhusinfektion bei Kaninchen stets mit einer Hyperleukocytose einhergiug, während wir im Gegensatze hierzu l)eim Typhus abdominalis des Menschen, wie wir weiter unten sehen w^erden, fast regelmäßig eine Hypoleukocytose beobachten. Auch die experimentellen Resultate der verschiedenen Autoren über den gleichen Punkt zeigen bisweilen gerade entgegengesetzte Resultate, so dass bei den Tieren offenbar auch große individuelle Schwankungen gerade in der Reaktionsfähigkeit des leukoplastischen Apparates vor- kommen. So giebt Tsistowitsch2"5 auf Grund seiner experimentellen Resultate an, dass bei günstigem Verlaufe der Pneumokokkeninfektion Wesen der Infektion. 275 bei Kaniuclien stets Hyperleiikocytose auftrete, bei schwerem, tüdlichem Verlaufe dageg-eu bleibe die Hyperleukocytose regelmäßig- aui^. Gerade das Umgekehrte berichtet Schlesixgek (1. c.) nach seineu Tierexperi- menteu. Die in Heilung ausgehenden Pneumokokkeninfektionen bei Kaninchen verliefen in des letzteren Autors Versuchen mit geringer oder mäßiger Hyperleukocytose, die tödlichen mit einer sofort nach der Injektion einsetzenden, bis zum Tode fortschreitenden Hyperleukocytose. Thatsache ist indessen, dass weitaus die meisten fieber- haften Infektionskrankheiten beim Menschen wie Pneu- monie, Pocken, Erysipel, Diphtherie, Parotitis, akuter Ge- lenkrheumatismus, Meningitis cerebrospinalis, Eiterungs- prozesse u. s.w., von einer Hyperleukocytose begleitet sind. Xur bei unkompliziertem Typhus, Masern, niclit lokalisierter Sepsis und den meisten Fällen von Malaria ist die absolute Zahl der Leuko- cyten und zwar auf Kosten der polynukleären neutrophilen Zellen ver- mindert. lieber das Wesen, den Verlauf und die Bedeutung dieser fieberhaften infektiösen oder von manchen Autoren mit dem Ausdruck der ; entzündlichen« belegten Leukocytose ist eine derartige Fülle von Arbeiten entstanden, dass sie im Kahnien dieses Handbuches nicht er- schöpfend mit ihren Details angeführt werden können. Wir verweisen für diejenigen, welche sich speziell mit diesem Gegenstande beschäftigen wollen, auf die Mouographieen von v. Limbeck^'s^ Rieder273^ Stiexox^-^*, TüiUv^39 Yiu(^ ([[q Arbeiten von Zappert^^o und Evekard mit Demoore^'^, hier seien nur die Hauptpunkte aus der Lehre der infektiösen Leuk(t- cytose mitgeteilt. Was zunächst die Art des Entstehens der Leuko- cytose bei Infektionskrankheiten angeht, so glauben die meisten Autoreu, dass hierbei chemotaktische Einflüsse in Wirksamkeit treten, in- dem die Bakterien resp. deren Gifte die im hämatopoetischen Apparate vorhandenen weißen Blutkörperchen durch chemische Reizung in die Blutbahn hereinziehen (positive Chemotaxis s. oben). Umgekehrt werden die Leukocyten bei denjenigen Krankheiten, in welchen wir gewöhnlich eine Verminderung der Leukocyten im Blute finden, von den betreffenden Infektionsstoffen abgestoßen (negative Chemotaxis). Buchner & Kömer (1. c.) nehmen an, dass hierbei besonders die Bak- terienproteine in Thätigkeit treten, und dass diese sogar einen forma- tiven Eeiz auf die Leukocyten in der Blutbahn ausüben. Nach V. Limbeck2^5 entsteht die Hyperleukocytose dadurch bei In- fektionen, dass die in die Lymphbahn übertretenden Bakterienstofife einen vermehrten Transport von weißen Blutkörperchen aus den Ge- weben in die Blutbahn bewirken. Daher zeigen nach v. Limbeck nur die mit Exsudatiou in die Gewebe einhergehenden Infektionskrankheiten Leukocytose während des fieberhaften Prozesses. Aus demselben Grunde sehen wir nach v. Limbeck bei Eiterungen, krupöser Pneumonie, Pleu- ritis stets starke Leukocytose, während rein tuberkulöse Afiektionen, oder Malaria, oder Typhus keine Leukocytose erzeugen. Einen besonderen Standpunkt nimmt LöwiT^se ein. Löwrr be- obachtete experimentell, dass der Hyperleukocytose stets ein Stadium vorhergeht, in welchem die Leukocyten und zwar ausschließlich nur die polynukleären vermindert sind. Dieses Stadium bezeichnet Löwrr als Leukopenie. Auf die Leukopenie folgt alsdann die Hyperleukocytose, an der wiederum nur die polynukleären Leukocyten beteiligt sind. — LöwiT glaubt nun, dass die im Stadium der Leukopenie infolge Zer- 18* 276 A. Wassermann, Störung der polynukleären Elemente im Blute auftretenden Zerfalls- produkte durch positive Chemotaxis neue und vermehrte polynukleäre Leukocyten aus dem Knochenmarke in das Blut anlocken, dass also die Hyperleukocytose eine direkte Folgeerscheinung der Leukopenie, der an- fänglichen Verminderung der Leukocyten sei. Indessen abgesehen davon, dass, wie schon oben erwähnt, wir bei den natürlichen Infektionen des Men- schen durchaus nicht regelmäßig eine Leukopenie, d. h. Hypoleukocytose der Hyperleukocytose vorhergehen sehen, erhoben sich noch andere Ein- wände gegen die LöwiT'sche Lehre. Besonders Goldscheider & Jacob 28^ zeigten, dass die vorübergehende Hypoleukocytose, i. e. die Löwrr'sche Leukopenie nur eine scheinbare, nicht eine infolge Zerstörung von Leu- kocyten thatsächliche Verarmung des Blutes an weißen Blutkörperchen ist. Bei derselben handelt es sich nach diesen Autoren nur um eine veränderte Verteilung der Leukocyten im Gefäßsystem, indem in den peripherischen Gefäßbezirken im Stadium der Hypoleukocytose weniger Leukocyten vorhanden sind, dagegen während der gleichen Zeit in den zentralen Kapillaren besonders der Lungen eine ausgesprochene Ver- mehnmg dieser Elemente, eine Hyperleukocytose besteht. Der gleichen Ansicht ist Schulz. ^^s Goldscheider & Jacob sowie Schulz legen daher für das Zustandekommen des Phänomens der Leukocytose den größten Nachdruck auf die ungleichmäßige Verteilung der Leukocyten im Organismus, indem bei der Hypoleukocytose Leukocyten in den zentralen Gefäßbezirken zurückgehalten, bei der Hyperleukocytose da- gegen vermehrt aus den blutbereiteuden Organen in das Blut ausge- schwemmt werden können. Die chemotaktischen Eigenschaften der Bak- terienprodukte spielen dabei nach Goldscheider & Jacob die Hauptrolle. Hohe Dosen chemotaktischer Substanz bedingen eine vermehrte Aus- schwemmung, vielleicht auch durch Neubildung von Leukocyten, niedere Dosen halten sie in den blutbereitenden Organen und den zentralen Kapillaren zurück. Nägeli>^^3 nimmt nach seinen Untersuchungen als Ursache der Leukopenie bei Typhus abdominalis eine direkte Toxin- wirkung auf das Knochenmark im Sinne einer Funktiouslähmung an. Der morphologische Charakter der Leukocytose, die wir bei Infektionen beobachten können, ist kein einheitlicher. Es können die verschiedenen Leukocytenarten ganz ungleichmäßig von der Vermehrung betroffen sein, so dass sich das normale Verhältnis der einzelnen Arten zu einander stark verändert. Ehrlich & Lazarus ^^i, deren Einteilung der verschiedenen Formen der Leukocytose wir hier folgen, fassen »bei jeder Vermehrung der farblosen Elemente im Blute den Gesichtspunkt als den wesentlichsten ins Auge, ob Zellarten vermehrt sind, die einer Eigenbewegung fähig sind und, chemotaktischen Beizen folgend, aktiv in die Blutbalm einwandern können, oder ob die Zahl solcher Zellen erhöht ist, denen eine selbständige Lokomobilität nicht zuerkannt werden kann, die also nur passiv, durch mechanische Kräfte in die Blutbahn eingeschwemmt werden«. Die erstere Art nennt Ehrlich aktive Leu- kocytose, die letztere passive Leukocytose, bei der es sich also um eine Vermehrung der einer Eigeubewegung nicht fähigen Lympho- cyten handelt, während bei der aktiven stets die mobilen polynukleären Elemente zahlreicher vorhanden sind. Bei den infektiösen Prozessen, bei der sogenannten entzündlichen Leukocytose, kommt ausschließlich die aktive Leukocytose zur Beobach- tung. Nach Ehrlich & Lazarus sind fernerhin gewisse spezitische Ent- züüdungsprodukte, Eiter, Exsudate u. s. w. als vollkommenes Analogon Wesen der Infektion. 277 der aktiven infektiösen Leukocytosc nutVAi fassen, da bei ihnen dieselben Zellenkombiuationen wie bei den aktiven Leukocytosen beobachtet werden. Bei der aktiven Leukocytose tritt sehr häufig eine solche Vermehrung der polynukleären Elemente gegenüber den Lymphocyten ein, dass diese über 90X aller im Blute befindlichen weißen Blutkörperchen betragen. Ehrlich & Lazarus unterscheiden je nach der hervortretenden Ver- mehrung der einzelneu polynukleären Zellenarten folgende Untergruppen der aktiven Leukocytose: a] polynukleäre Leukocytosen, 1. polynukleäre neutrophile Leukocytose, 2. polynukleäre eosinophile Leukocytose; ß) gemischte Leukocytosen mit Beteiligung körnchenführender mo- nonukleärer Elemente, Myelocyten. Unter diesen Formen wird bei fieberhaften Infektionen weitaus am häufigsten die polynukleäre neutrophile Leukocytose, bei der also die polynukleären neutrophilen Elemente vermehrt sind, beobachtet. Die Leukocytose hält in der Regel während des fieberhaften Stadiums an, bei kritisch abfallenden Infektionen fällt das Ende derselben mit der Krise zusammen. Ueber die im Eudstadium der polynukleären Leukocytose und bei der Rückkehr zur Norm bisweilen auftretenden weißen Formelemente im Blute, mononukleäre neutrophile Zellen und sogen. Reizungsformen verweisen wir auf die schon oben erwähnten Monographieen von Türk et Stienox. Am eingehendsten wurde die bei krupöser Pneumonie auftretende polynukleäre neutrophile Leukocytose studiert. (Tsistowitsch (1. c.j, Bieganski^^Bj Laehr^"^; KnvODSE342^ Sadler3« V. Jaksch^^^, Türk (1. c.) u. a.). Dieselbe tritt nach diesen üntersuchern beim typischen Pneumoniefall ausnahmslos auf, pflegt bis zur Krisis anzudauern, woran sich dann gewöhnlich für einige Zeit eine Hypoleukocytose anschließt. Die sub a2 oben angeführte Vermehrung der eosinophilen weißen Blutkörperchen finden wir bei Infektionskrankheiten zumeist im postfebrilen Stadium. — So fand Türk bei Pneumonikern nach der Krise eine Eosinophilie von 5,67^, nach fieberhaftem akuten Rheumatismus articulornm 9,37^, Zapperi bei Malaria nach dem An- fall 20,34^ (zit. nach Ehrlich-Lazarus). Auch im Anschlüsse an Tuberkulininjektionen, welche mit starker allgemeiner Reaktion einhergegangen waren, tritt häufig eine sehr hoch- gradige Vermehrung der eosinophilen Leukocyten im Blute auf. Die erste Beobachtung hierüber rührt von Botkin-^'*^ her, seitdem w'urde dieser Befund von vielen Autoren bestätigt. Eine gemischte Leukocytose {ß der obigen Einteilung) mit ver- mehrtem Auftreten vcm Myelocyten im Blute, wurde von Engel 2*2 ])q. sonders bei diphtheriekranken Kindern beobachtet und in ihrer Be- deutung näher studiert (s. unten). Auch Türk (1. c.) hat dem vermehrten Vorkommen von Myelocyten im Blute bei Infektionskrankheiten besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Er fand sie besonders zahlreich, während und nach der Krise bei Pneumonikern. Wie schon oben erwähnt, giebt es eine, allerdings geringe Anzahl von fieberhaften Infektionskrankheiten, bei denen wir in den typischen unkomplizierten Fällen im Gegensatze zu dem eben Besprochenen kon- stant eine Verminderung der Leukocyten, eine Leukopenie oder Hypoleukocytose beobachten. Es sind diese, wie ebenfalls schon er- wähnt, in erster Linie der reine Typhus abdominalis, bei dem haui^t- 278 A. Wassermann, sächlicli die polynukleUven Elemente in den intra vitam der Untersuchung zugänglichen peripheren Gefäßbezirken vermindert sind, ferner un- komplizierte Masern, Malaria und nicht lokalisierte Sepsis. — Bei diesen Fällen infektiöser Hypoleukocytose handelt es sich um ein vermindertes Zuströmen von Leukocyten aus den blutbereitetenden Organen, für das vielleicht negativ chemotaktische Einflüsse (s. oben) der betreffenden Infektionsstotfe die Ursache sind. Was die biologische und teleologische Bedeutung der Leuko- cytose bei fieberhaften Infektionen angeht, so ist hier in erster Linie Metschnikoff (Litterat.; s. Traite de l'Iramunite, Paris 1901) zu nennen, welcher die aktive Leukocytose als einen direkten Verteidigungsvorgaug seitens des infizierten Organismus mit Hilfe der polj'nukleären Leuko- cyten (Phagocyten) auffasst. Der Ausgang in der Infektion hänge zum wesentlichsten davon ab, ob eine genügende Anzahl von Leukocyten i. e. Phagocyten vorhanden ist, welche imstande sind, die eingedrungenen Infektionserreger in sich aufzunehmen und unschädlich zu machen. Die METSCHNiKOFFschen Arbeiten wirkten ungemein befruchtend auf dieses Arbeitsgebiet, so dass in der Folge der Einfluss der aktiven Leuko- cytose auf den Ablauf einer Infektion vielfach experimentell geprüft wurde. Ueber diese Arbeiten und ihre Einzelheiten wird das Kähere in Bd. III berichtet werden. Ueber den prognostischen Wert der quantitativen Veränderungen, die wir bei Infektionen seitens der Leukocyten im Blute beobachten können, sind besonders eingehende Untersuchungen bei der krupösen Pneumonie gemacht worden. Alle l)ereits oben erwähnten Autoren geben in dieser Hinsicht übereinstimmend au, dass das Ausbleiben der Leuko- cytose bei krupöser Pneumonie die Prognose stets ungünstig beeinflusse. Für Diphtherie will Gabritsciiewsky^si bei fortschreitender Leuko- cytose umgekehrt eher ungünstigere Prognose stellen. Indessen sind andere Autoren, wie Bieder (1. c), Schlesinger^** und Besredka^s^ der entgegengesetzten Ansicht. — Die beiden letzteren Autoren legen der hochgradigen polynukleärcn neutrophilen Leukocytose bei Diphtherie sogar eine ebenso günstige prognostische Bedeutung wie bei Pneu- nomie bei. Engel (1. c.) legt dagegen dem zahlreichen Auftreten der bereits oben erwähnten »Myelocyten« im Blute bei Diphtherie auf Grund seiner Be- obachtungen eine ungünstige Bedeutung zu, ebenso Besredka (1. c. , welcher die »Myelocyten« als »intermediäre Formen« bezeichnet. Diagnostisch sind die quantitativen Verhältnisse der Leukocyten besonders wichtig für die Differentialdiagnose zwischen Typhus ab- dominalis und etwaigen anderen in Frage kommenden mit Leukocytose einhergehenden fieberhaften Infektionskrankheiten. ■ — Leukopenie spricht dann stets für Typhus. (Hayem^so.) Courmont279 legt einen besonderen diagnostischen Wert auf die konstante Vermehrung der neutrophilen polynukleärcn Leukocyten im Endstadium bei Lyssa. Bei Fehlen der neutrophilen polynukleärcn Leukocytose könne die Diagnose Lyssa absolut verworfen werden. — Selbst im Lungensafte von an Rabies verendeten Hunden betrage die Vermehrung der polynukleären neutro- philen Elemente noch das Doppelte, im Mittelwerte Sb% aller Leukocyten, gegenüber einem Mittelwerte von 46^ in dem Lungensafte normaler Hunde. CuRSCHMANN '^6 zeigte die konstante Leukocytose und deren diag- nostische Bedeutung bei perityphlitischen Abszessen. Küttner^^^ i)e- stätigte dies und erweitert die diagnostische Bedeutung der Leuko- Wesen der Infektion. 279 cytose für Heckeucitorimg-eu üljerluuipt. — In neuester Zeit hat Ka- miner ^^^ experimentell bei Tieren l)eobaciitct, dass die Leukocyten aller an irgend einer Infektion (mit Ausnahme von Hühnercholera und Tetanus) erkrankten Tiere die EHRLiciische Jodreaktion geben. — Der genannte Autor legt dieser Reaktion g-roße diagnostische Bedeutung, ol) eine Infektion bestehe oder nicht, bei, besonders stark und frühzeitig tritt dieselbe bei eitrigen Prozessen auf. — Kaminer glaubt, dass dieselbe eine 'Toxinämie anzeige. Indessen sind diese Beobachtungen erst so kurze Zeit berichtet und es liegen darüber von anderen Seiten noch keine weiteren Arbeiten vor, dass wir darüber ein endgiltiges Urteil noch nicht abgeben können. Außer Leukocytose werden bei Infektionen sehr häufig noch andere Veränderungen im Blute beobachtet, vor allem eine Anämie und Ver- minderung des Hämoglobingehaltes. In dieser Beziehung beob- achteten zuerst FiscHEL & Adler 2**^^ ein Blutkörperchen tötendes Ver- mögen von Streptokokken. In neuester Zeit wurden alsdann die Gifte der Bakterien, welche rote Blutkörperchen zerstören und auflösen, be- sonders eingehend studiert. Zuerst wurden solche Stoffe von Vande- velde (1. c.) und von Kraus an den Staphylokokken erkannt. Diese wurden von M. Neisser (1. c.) näher studiert und als Staphylotoxin bezeichnet. Ehrlich (1. c.) fand ein derartiges Hämolysin im Tetanus- gift, das sogen. Tetanolysin, Bulloch (1. c.) im Pyocyaneusgift das Pyocyauolysin. Lubenau 2'Jo konnte in Streptokokkenkulturen ein Blut- körperchen lösendes Gift, ein Streptolysin, nachweisen, Kraus (1. c.) an gewissen Vibrionen das Vibriolysin. Dagegen ist bei Choleravibrionen und ebenso mit Sicherheit bei Typhusbazillen bisher eine derartige Fähigkeit, Blutkörperchen zu zerstören, nicht nachgewiesen worden. Neben diesen Blutkörperchen lösenden Stoffen besitzen diese Bakterien- arteu nach Kraus 2'*i dann stets auch Stoffe, welche rote Blutkörperchen agglutinieren , die sogen. Bakteriohämagglutinine, die sich ebenso wie die Bakteriohämolysine als echte Toxine (s. Kap. Bakteriengifte) ver- halten, gegen welche man immunisieren kann. Die Bakteriohämolysine und die Bakteriohämagglutinine sind verschiedene Substanzen, indem normales Serum wohl die Lysine neutralisiert, aber nicht die Agglutinine. Bei sehr vielen Infektionserregern finden wir die Neigung, eine hämorrhagische Diathese, die Neigung zu Blutungen im infizierten Organismus hervorzurufen. Besonders spezifisch ist dies für die Erreger der sogen, hämorrhagischen Septikämieen (HuEPPE^y^)^ ferner auch für Streptokokken. Mit der Hyperleukocytose und der Zerstörung der roten Blutkörper- chen hängt weiterhin auf das innigste zusammen, die so oft bei Infektionen beobachtete akute Milzschwellung. Besonders Jawein^^^* legt auf den Untergang der roten Blutkörperchen das größte Gewicht für das Zustandekommen des Milztumors, indem die Zerfallsprodukte der Erythro- cyten in der Milz aufgestapelt werden. Daher ist der Milztumor nicht nur allein bei solchen Infektionen, welche mit Zerstörung von roten Blutkörperchen einhergehen, wie Malaria, Sepsis, sondern auch bei Intoxikationen mit Blutgiften stets am stärksten ausgesprochen. Daneben kommt indessen für das Zustandekommen des Milztumors doch sicher auch eine aktive Thätigkeit der Milz durch Mehrproduktion gewisser Stoffe (s. Bd. III) in Betracht. Alle Mikroorganismen und ihre Gifte haben ferner einen ungünstigen Einfluss auf die allgemeinen Ernährungsvora'änge. In dieselbe 280 A. Wassermann, Kategorie gehören aneli die lokalen Ernährungsstörungen der Organe, welche wir so häutig im Verlaufe von Infektionen beobachten, die sogen, parenchymatöse Degeneration besonders von Herz, Niere, Leber, deren Zustandekommen vielfach experimentell studiert wurde (Ribbert^w, EoGER 1. c. Maladies infectieuses, Paris 1902 s. dortselbst auch Litteratur). Von manchen Autoren wurden für das Zustandekommen dieser paren- chymatösen Degeneration auch andere bei Infektionen auftretende Faktoren herangezogen, als nur die direkte Wirkung der Bakteriengifte. So wurde insbesondere der Einfluss der höheren Körpertemperatur auf die anatomische und chemische Struktur der Orgaue experimentell unter- sucht. Litten 295^ Welch ^f'^^ Weriiowsky^'J^ konnten infolge von Hyperthermie bei Kaninchen parenchymatöse Degeneration von Leber, Herz und Nieren finden, während Nauxyn^'JS im Gegensatze hierzu Kaninchen wochenlang überhitzen konnte, ohne dass nachweisbare paren- chymatöse Degeneration ihrer Organe eintrat. Das wichtigste Moment für diese parenchymatöse Degeneration sind also sicher die Bakterien- gifte, zumal wir dieselben auch sehr häufig bei experimentellen In- fektionen bei Tieren auftreten sehen, ohne dass besondere Hyperthermie vorhanden ist. Dass alle Organe im Verlaufe von Infektionen Sitz der verschiedensten Formen von entzündlichen Vorgängen als Ausdruck der lokalen Wirkung der Infektionserreger und ihrer Gifte sein können, ist schon oben ausgeführt worden. Den Zusammeuhaug der amyloiden Degeneration mit der Wirkung von Bakteriengiften haben experimentell Bouciiard & Chahrix, Kraw- KOVV299, NowACK=*oo^ GouGET^oi^ ScHEPiLEWSKY^^^^ erwicscn. Indessen geht besonders aus der letzten Arbeit hervor, dass auch ohne Mitwirkung von Bakterien Amyloid entstehen kann. Besonders wichtig sind die Wirkungen vieler Mikroorganismen und ihrer Gifte auf das Nervensystem. Abgesehen davon, dass manche Bakteriengifte eine so spezifische Affinität zum Nerven- system haben wie z. B. das Tetanusgift, dass es sich beim Menschen ausschließlich in ihm lokalisiert, oder wie die Leprabazillen dasselbe spezifisch vor allen Geweben bevorzugen, können alle Mikroorganismen und deren Gifte im Laufe der Infektion Störungen seitens des Nerven- systems verursachen. Allerdings können wir erst in einem sehr geringen Teil der Fälle für diese Störungen den anatomischen Nachweis der durch die Mikroorganismen gesetzten Veränderung bringen. Zwar haben mittels der NissELschen Färbung bei experimentellem Tetanus und dem des Menschen Marinesko 3<8 Petruschky, ebd., Bd. 17. — sn Koch & Pe- truschkv, ebd., Bd. 23. — '•" A. 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Die Lelive von der Spezifizität der Infektionskrankheiten, die heutzu- tage einen der Grundsteine in dem Gebäude der Bakteriohig-ie darstellt, ist in der exakt wissenschaftlichen Weise, wie es für die bakteriologische Forschung jetzt möglich ist, naturgemäß erst nach Entdeckung der Er- reger der verschiedenen Infektionskrankheiten begründet worden, nament- lich durch die großen Entdeckungen von Robert Koch. Wenngleich die Entwicklung dieser Lehre jetzt zu einem sicheren und eindeutigen Abschluss gekommen ist, so hat es doch bis in die letzte Zeit nicht an Versuchen gefehlt, an dem Gesetz der strengen Spezifizität zu rütteln. Ein Blick in die geschichtliche Entwicklung der Lehre von den Infek- tionskrankheiten zeigt aber, dass sich der Gedanke, einem jeden auch klinisch und epidemiologisch sich durch besondere Kennzeichen von anderen Krankheiten unterscheidenden infektiösen Prozesse komme ein eigenartiger, nur diese eine Krankheit bedingender Infektionsstotf zu, wie ein roter Faden durch die ganze Geschichte der Seuchenlehre zieht. In ausgezeichneter Weise ist diesem Gesichtspunkt bei der Dar- stellung der geschichtlichen Entwicklung der Lehre von den Bakterien von Löffler" Rechnung getragen worden, der in seiner historischen Monographie gerade die Spezifizitätsfrage in allen Epochen eingehend berücksichtigt hat. Für das Quellenstudien kann auf Lüfflers Werk verwiesen werden, in dem auch die Litteratur erschöpfend, zum Teil in Zitaten enthalten ist. Der Begriff des Spezifischen ist schon in den ältesten Betrachtungen über das Wesen der Krankheit überhaupt enthalten. Sobald bei den naturbeobachtenden Aerzten die Ideen von übernatürlichen Einflüssen, von der zürnenden Gottheit erst einmal geschwunden waren, denen die Krankheitsursachen zugeschrieben wurden, begann man auch die Ver- schiedenartigkeit der Krankheitsbilder festzustellen. Aber schon mit Hippokrates, der mehrere ansteckende Krankheiten unterschied, begann in Ermangelung der Hilfsmittel, die Ursachen der Seuchen zu entdecken, die philosophisch-deduzierende Naturforschungsmethode einzugreifen, und es entstanden die Ideen von dem Miasma, »dem krankmachenden Stoffe in der Luft«, der die verschiedenen Krankheiten hervorrief, je nach- dem die constitutio epidemica, die indessen nicht definiert wurde und nicht definiert werden konnte, es bedingte. Später glaubte man im Spezifizität der Infektionserreger. 289 Klima, Witterung, meteorologischen, magnetisclien und elektrischen Vorgängen die Ursache zu tinden, warum das ^Miasma einmal das Aus- brechen dieser, das nächste I\Ial das Auftreten jener Seuche l)edingte. Damit war der genius cpidemicus geschatfen, dessen für die Erforschung der Infektionskrankheiten unheilvolle Wirksamkeit indessen selbst heut- zutage bei vielen Avieder aufliammt, die Mystisches und Transzendentales gleich überall da zur Erklärung heranziehen, wo die exakte Forschung die natürlichen Ursachen noch nicht aufgeklärt hat oder noch nicht auf- klären kann. Es dauerte unter häufigem Wechsel der Anschauungen bis ins IMittcl- alter, ja fast bis zum Beginn der neuen Zeit, ehe man, zunächst natür- lich als Postulat, die Existenz eines spezifischen Krankheitsgiftes für jede Krankheit forderte, und doch waren l)ereits im klassischen Alter- tum völlig richtige, auf Naturbeol)achtung fußende Vorstellungen über die Spezifizität der Krankheiten und ihres Giftes vorhanden. Dies geht z. B. hervor aus den Angaben von Herodot über die Natur der Lepra, von der berichtet wird, sie könne von einem Menschen auf den anderen übergehen. Mit dieser Vorstellung steht die schon von den Juden des alten Testaments geübte Isolierung Lepröser im Zusammenhang. Auch Geschlechtskrankheiten, Krätze, Hundswut, Augenentzüudung (wahr- scheinlich Granulöse) sind von alten Autoren z. B. Galen als übertrag- bare Krankheiten sui generis differenziert und beschrieben worden. In der naturphilosophischen Erörterung der späteren Zeit über die Theorien der Miasmen und Kontagien, die Unterschiede und Einteilung miasmatischer und kontagiöser Krankheiten gingen die wertvollen Be- obachtungen, die beim Studium einzelner, wie z. B. der oben genannten Krankheiten, gewonnen waren, völlig verloren. Man philosophierte über die Natur und das Wesen des krankheitserregenden Agens und sah es bald als fauliges Gas an, bald als fernwirkende Materie, die im Räume überall fein verteilt war. Damit kam man der Auflassung näher, dass die Ansteckungsstoife Gifte oder Fermente seien, und aus dieser letzteren Auffassung entwickelte sich die Anschauung, dass es lebende Wesen niederster" Art seien, welche gewisse Krankheiten, die ansteckenden oder Infektionskrankheiten, wie man sie jetzt allgemein nennt, hervorrufen. Aber mit dem Auftreten des Gedankens einer Pathologia animata war keineswegs der Spezifizitätsgedanke in der Seuchenforschung sicher ge- stellt. Vorbereitend in dieser Richtung für die großen Entdeckungen des letzten Jahrhunderts, die in der Auffindung spezifischer Infektions- erreger durch Robert Koch gipfelten, waren vielmehr die über die Immunität und künstliche oder natürliche Immunisierung bei Menschen und Tieren gemachten Beobachtungen. Der Feststellung der natürlichen Immunität, die man bei den großen Seuchenzügen an einer Anzahl von Menschen und Tieren beobachtete, folgten bald die weiteren Beobach- tungen, dass Menschen, welche z. B. die Pocken überstanden hatten, gegen die nochmalige Ansteckung meistens gefeit waren. Als man ge- lernt hatte, Pocken,"Scharlach und Masern von einander als verschieden- artige Krankheiten zu trennen, fand man weiter, dass die Menschen, welche eine dieser Krankheiten überstanden hatten, nur gegen diese eine, welche sie durchgemacht hatten, nicht aber gegen andere Krank- heiten geschützt waren. Diejenigen, die Pocken überstanden hatten, sah man nicht wieder an Pocken, wohl aber an Scharlach erkranken, und umgekehrt diejenigen, die an Scharlach krank gewesen waren, sah man an Pocken oder an Masern erkranken u. s. w. Ein Experiment großen Handbuch der pathogenen Mikroorganisinen. I. 19 290 W. Kolle. Stils in dieser Riclitung stellten dann die Pockeninokulationen dar, die in vielen tausend Fällen in Indien und im Orient ausgeführt sind. Ob- gleich man ebensowenig wie heute damals die Ursache, den Erreger der Pocken kannte, so besitzen doch diese Pockeninokulationen, die Einimpfung des Pockengiftes von leichtverlaufenden echten natürlichen Menschenpocken in die Haut von gesunden Menschen, gewöhnlich als Variolation bezeichnet, eine fundamental wissenschaftliche Bedeutung. Nicht nur war damit die dauernde Fortpflanzung des Krankheitsgiftes in vielen Generationen mit konstanter Erzeugung des spezifischen Krank- heitsgiftes bei den mit dem Inhalt der Pockenpusteln inokulierten ge- sunden Menschen, die dann an einer meist in Genesung übergehenden, oft sehr schweren Form der echten Variola erkrankten, dargethan, son- dern auch die Spezifizität der Schutzimpfung, die nach unserer heutigen Nomenklatur als eine aktive Immunisierung zu bezeichnen ist, experimentell bewiesen. Wir finden hier bereits Versuchsergebnisse größten Stils vor, die auch heute noch als Beweismittel der Spezifizitätslehre gelten müssen, wie es die von der Natur selbst ohne unser Zuthun bei Masern und Scharlachepidemieen angestellten Experimente sozusagen auch sind, bei denen die Spezifizität der Krankheitsgifte durch die Spezifizität der Immunität tagtäglich demonstriert wird. Wenn man nun hätte an- nehmen W'Ollen, dass durch diese fundamentalen Errungenschaften der medizinischen Beobachtung und Forschung das Suchen nach wohl- charakterisierten, mit bestimmten Formen und Eigenschaften ausgestat- teten Mikroorganismen in das richtige Bett geleitet wäre, so ist das ein Irrtum. Zunächst waren allerdings die optischen Hilfsmittel und die Methoden der Erkennung und des Nachweises der niedersten Lebewesen nicht ausreichend, um die Arten der bei den verschie- denen Krankheiten gefundenen kleinsten Lebew^esen (Spaltpilze) zu trennen. Sodann aber wirkten hemmende Irrlehren ein, die durch die Autorität ihrer Verfechter weite Verbreitung fanden. Es war das in erster Linie die Lehre von der Urzeugung. Nichts hat der Erkenntnis der spezifischen Krankheitsursachen, die aus den oben mitgeteilten klinischen und epidemiologischen Beobachtungen doch notwendigerweise gefolgert werden mussten, mehr hindernd im Weg gestanden, als die Annahme der Abiogenesis, als deren Konsequenz die Ansicht herrschend wurde, die bei Infektionskrankheiten gefundenen Lebewesen seien die Produkte, nicht die Ursache der Krankheit. Wo die krankhaften Ver- änderungen an den Zellen sich einstellen, deren Ursachen nach der An- sicht dieser Gelehrten in mystisches Dunkel gehüllt waren, da sollten sich in der Folge durch Urzeugung bestimmte Mikroorganismen einfinden. Man könnte über diese ziemlich lange zurückliegenden Lehren vielleicht überhaupt hinweggehen, wenn derartige Vorstellungen nicht in verschleierter Form auch heute noch zuweilen sich breit zu macheu versuchten, wie dies z. B. von den Verfechtern der Lehre des Nosoparasitismus geschieht. Von den Anhängern dieser Lehre werden natürlich nicht durch Urzeugung entstandene Mikroorganismen als ein Faktor der Erkrankung angenommen, sondern spezi- fische von außen hineingelangende Bakterien. Aber das Gemeinsame und Ge- fährliche dieser Bestrebungen besteht doch darin, dass hier der direkte, kausale alleinige Zusammenhang der Bakterien mit der Krankheit geleugnet und die Annahme erweckt wird, dass nur da, wo die nicht klar definierten, zum Teil noch unbekannten Krankheitsursachen die Zellen krank gemacht haben, die Mikroorganismen erst einen Boden finden und sich ansiedeln können. Mit so großem Pathos diese Sachen verfochten sind, mit so geringen experi- Spezifizität der Infektionserreger. 291 mentellen Belägen sind sie versehen und bei einer ganzen Anzahl gerade der gefährlichsten Seuchen lassen die Anschauungen der Lehre vom Nosopara- sitismus völlig im Stich. Bei verschiedeueu Kraukheiteu, so bei Favus, Pityriasis versicoh)r, Soor, Trichophytie waren eigenartige, anscheinend wenigstens ihrem morphologischen Verhalten nach spezifische mikroskopische Pilze ge- funden worden und waren auch bereits als Ursache dieser Erkrankung deshalb augesehen worden, weil man sie nur bei diesen Krankheiten, dagegen bei keiner anderen Erkrankung oder bei gesunden Menschen fand. Man fand den Öoorpilz bei ÖO(n-, den Favusi)ilz bei Favus u. s. w. Auch für viele Infektionskrankheiten glaubte man die speziüscheu Er- reger meist in Gestalt von Schimmelpilzen gefunden zu haben, aber vor der Mehrzahl der kritischen Forscher hielten derartige Untersuchungen nicht Stich. Es war vor allen Dingen der geniale Henle i", der schon in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts mit zwingender Logik, die später von Koch zum Siege geführt wurde, nachwies, welche Postulate zur Erkennung von spezitischen lebenden Krankheitserregern erfüllt werden müssten; aber spekulativ-naturalistische Betrachtungen hielten die Forschung auch dann noch zurück. Erst die Entdeckung der Spezifizität gewisser Gärungsvorgänge durch Pasteuk brachte die Anschauungen in dieser Richtung weiter. Pasteür 'J 12 fancl nämlich in Wiederholung von Versuchen des franzö- sischen Chemikers Blondeau, dass bei verschiedenen Gärungsvorgängen, bei denen ganz bestimmte chemische Stoffe und häufig nur diese allein als Endprodukte entstehen, stets nur eine Art von Mikroorganismen vorkommt. Pasteur schloss dies daraus, dass er nur bei Weiter- impfung derjenigen Hefeart, mit der er einmal eine bestimmte Gärung erzielt hatte, in keimfrei gemachten Flüssigkeiten dieselbe Gärung wieder hervorrufen konnte. Aber trotzdem ähnliche Verhältnisse für die verschiedenen Fäulnisvorgänge von Pasteur wahrscheinlich gemacht waren und verschieden geformte Spaltpilze (Bakterien), deren Studium durch die Botaniker Nägeli, Coiin und Perty i^ bereits sehr gefördert war, als Ursache der Fäulnisvorgänge bekannt waren, war der Beweis, dass wirklich verschiedene Arten von Mikroorganismen als ursächlich für die verschiedenen chemischen Umsetzungsvorgänge anzusehen waren, infolge der Mangelhaftigkeit der damaligen Methoden nur uuv(dlkommen zu erbringen. Immerhin war durch die Untersuchungen von Pasteur et Pt. Schwann*, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, die Lehre von der Urzeugung definitiv erledigt. Aber die Methoden zum Studium der Mikroorganismen waren trotz der Fortschritte, welche Coiin und Perty bereits in dieser Richtung gemacht hatten, noch nicht so weit vorgeschritten, dass man eine exakte Trennung der verschiedenen Arten von Mikroorganismen hätte durchführen können. So konnte es geschehen, dass in jener Zeit (in den 60er Jahren] die sich eine Zeit lang weiter Verbreitung erfreuende Lehre von Hallier^o entstand, dass Hefe-, Schimmelpilze und Bakterien nicht völlig von einander getrennte Arten, sondern nur verschiedene Formen eines und desselben ^likroor- ganismus seien, wobei die Form abhängig wäre von dem Ort und Medium, in dem die Entwicklung der Keime erfolgte. Die Bakterien, speziell die Kokken sollten nach dieser Auffassung besondere Wuchsformen höherer komplizierter gebauter Pilze sein. Es konnte nicht ausbleiben, dass diese infolge der Uuzuverlässigkeit der damaligen Methoden entstandene Lehre ihren verderblichen Ein- ig* 292 ^'- KoUe, fluss aucb auf die meuschliclie Pathologie ausübte. Vergeblich wies CoHN darauf hin, dass sich die meisten I>akterien, die bei den In- fektionskrankheiten gefunden wurden, ähnlich, aber doch biologisch verschieden seien. Es wurde von ihm zum Verständnis dieser Dinge das nachher so häufig gebrauchte Beispiel von der bitteren und süßen Mandel angeführt, die sich botanisch und morphologisch durch nichts von einander unterscheiden. Der einzige Unterschied zwischen beiden Arten besteht darin, dass bei der einen ein Blausäure liefernder Stoff vorhanden ist, bei der anderen nicht. Aber die Anschauungen über Spezilizität Avaren durch die eben be- sprochenen Arbeiten so "beeinflusst worden, dass namhafte Forscher wie Billkoth22j Hiller u. a. die bei bestimmten Krankheiten, z. B. bei Eiterung gefundenen verschiedenen Spaltpilze, Stäbchen, Kokken u. s.w. nur als besondere Formen, Abkömmlinge der ubiquitären Spaltpilze be- trachteten, die ihre Form dem Ort der Eiterung und den verschiedenen chemischen (fermentartigen) Ursachen der Eiterung (Zymoid) anpassten. In die Billroth'sche Auffassung spielten auch Vorstellungen von Ur- zeugung hinein, wenn Billroth z. B. erklärte, dass überall im gesunden Körper Spaltpilze stets vorhanden seien, welche nach Vorbereitung der Gewebe durch das Entzündung erregende chemische Agens, entzündliche Zymoid, befähigt würden, im Körper sich zu vermehren. Die Erkennung der lange Zeit für Krystalle gehaltenen Milzbrand- stäbchen, die von Pollenderi*, Davainei^ ^^^j Pasteür bei dieser Krankheit gesehen wareji, als Spaltpilze sowie der konstante Nachweis der so sehr charakteristisclien, als besondere Mikroorganismenart sogleich erkannten Recurrensspirochäten bei dem Rückfalltieber durch Obermeier '^^ genügte nicht, um die Spezitizitätslehre, die durch die Pockenimpfung uud die Beobachtung der Spezilizität bei Scharlach und Masern eigentlich schon zu einem festen Dogma logischer Weise hätte erhoben werden müssen, zu einem sicheren Allgemeingut der wissenschaftlichen Forschung zu macheu. Es fehlten eben die sicheren Methoden, imi den schon von Henle aufge- stellten Postulaten, die gefundenen Spaltpilze auch als alleinige Ursache der Krankheiten, bei denen sie vorkamen, nachzuweisen, zum Siege zu verhelfen. Dies gelang erst Robert Koch 25-2», der damit auch als der eigentliche wissenschaftliche Begründer der Spezifizitäts- lehre, der Lehre von den wohlcharakterisierten konstauten Arten der Spaltpilze im streng bakteriologischen Sinne, gelten muss. Indem er die festen Nährmedien in die bakteriologische Methodik zur Züchtung der Bakterien einführte, gab er Mittel an die Hand, die Bakterien von einander zu isolieren, in beliebiger Menge rein, d. h. ohne Beimengung anderer Lebewesen jederzeit außerhalb des Tierkörpers im Reagensglase zu züchten, ihre biologischen Eigenschaften zu prüfen, ihre Tierpathogenität zu studieren und zu verfolgen, inwieweit konstant eine Bakterienart bei einer Krankheit gefunden wurde, ob nur diese allein vorkam und ob sie auch bei gesunden Menschen gefunden Avurde. Die Auffindung von Färbemethoden, die zum Teil als spezifisch zunächst angesehen wurden, erleichterte die Arbeit. Es gelang in der That mittelst dieser Methoden eine grosse Menge verschiedenster Arten von Spaltpilzen, festzustellen, und mit Sicherheit von einander zu trennen. Auf diese Weise konnte der Ende der 70 er Jahre Avieder von der Nägeli- scheniö Seite ausgehende Angriff auf die Artverschiedenheit der patho- genen Bakterien und ihre Artunabänderlichkeit mit Hilfe der sicheren bakteriologischen Methodik abgeAvehrt Averden, die durch die Arbeiten Spezifizität der Infektionserreger. 293 Iv. Kochs über Milzbrand, KauiiK'hoiise])tikämie und die Wundinfektions- krankheiten der Tiere bereits geschaffen war. Ideen, wie sie von Nägeli geäußert sind, dass die Variabilität der Bakterien eine unbegrenzte sei, haben allerdings trotzdem lange in den Geistern gespukt. Obgleich es an überzeugenden experimentellen Beweisen fehlte, stellte Nägeli doch den Satz auf: »Die gleiche Species nimmt im Verlaufe der Generation abwechselnd verschiedene morphologisch und physiologisch ungleiche Formen an, welche im Laufe von Jahren und Jahrzehnten bald die Säuerung der Milch, bald die Buttersäurebilduug im Sauerkraut, l)ald das Langwerden des Weins, bald die Fäulnis der Eiweißstotte, bald die Zersetzung des Harnstoffs, bald die Rotfärbung stärkemehlhaltiger Nahrungsstoffe bewirken und bald Diphtherie, bald Typhus, bald rekurrierendes Fieber, bald Cholera, bald Wechselfieber erzeugen.« In Verfolgung dieser Ideen ist dann der Versuch gemacht worden, zu beweisen, dass mau den in der Natur weitverbreiteten, für alle Tiere völlig harmlosen saprophyten Heubacillus durch accomodative Züchtung- unter besonderen Verhältnissen in einen für Tiere höchst gefährlichen Krankheitserreger, den Milzbrandbacillus, umzUchten könne. Diese An- nahme hat sich allerdings später als Irrtum herausgestellt und ist von allen Seiten fallen gelassen Avorden. Mit den Arbeiten K. Kochs, w^elche mit den von ihm geschaffenen neuen Methoden zur Auffindung einer ganzen Anzahl von einander leicht durch viele morphologische und biologische Merkmale zu trennenden, wohlcharakterisirten Spaltpilzen als Ursache verschiedener Krank- heiten geführt hatten, war nun ein gewisser Abschluss in dem Streit um die Spezifizität der Spaltpilzarten zunächst erzielt. Die in vielen, bis zu hundert Generationen fortgezüchteten Krankheitserreger, z. B. die Tubcrkelbazillen, behielten nicht nur ihre Wachstumseigenart und färbe- rischen Eigenschaften, sondern auch ihre spezifische Wirkung auf den Tierkörper im Tierversuch konstant bei. Die Bazillen, welche alle Eigenschaften der Tul)erkelbazillen zeigten, wurden nur bei Krankheits- prozessen gefunden, die sich als tuberkulöser Natur auch in ihrem sonstigen klinischen oder pathologisch-anatomischen Verhalten erwiesen. Eine Bestätigung der strengen Spezifizitätslehre und eine Erweiterung unserer Kenntnisse, worin wir das Wesen der spezifischen Wirksam- keit bei einzelnen Mikroorganismen zu suchen haben, haben die Arbeiten K. Kochs, welche zur Auffindung des Tuberkulins führten (Deutsche med. Wochensehr. 1890), beigebracht. Dieses aus den Kulturen des Tu- berkelbacillus hergestellte Präparat hat, wie bekannt, eine ganz eigen- artige Wirkung auf tuberkulöse Prozesse und die mit ihnen behafteten Individuen. Während Individuen, die völlig frei von irgend welchen tuberkulösen Veränderungen sind und deshalb auch keine lebenden Tuberkelbazillen in ihren Geweben haben, nach subkutaner Einsj)ritzung des Tuberkulins erst bei Verwendung großer Mengen [eines oder mehrerer Decigramme] mit Allgemeinerscheinungen, die sich in Temperatursteige- rung und Abgeschlagenheit äußern können, reagieren, sind tu])erkulöse Menschen oder Tiere für die subkutane Einverleibung allerkleinster Mengen (Bruchteile eines Milligramms oder wenige Milligramme) sehr empfind- lich und zeigen darnach konstant allgemeine und lokale Keaktions- erscheinungen , die oft sehr stürmisch verlaufen können. Die lokalen Erscheinungen kann man am besten bei der Hauttuberkulosc, dem Lupus, verfolgen. Dort sieht mau, wie in Folge der Tuberkulininjektion das infizierte Gewebe stark gerötet wird; die Tuberkelknötchen treten stärker 294 W. KoUe, hervor, es kommt zur Abscheidung- seröser Massen, die bis zur Nekro- tisinmg vou tuberkulösem Gewebe mit nachfolgender Abstoßung desselben fortschreiten kann, aber die Wirkung des Tul)erkulins erstreckt sich nur auf tuberkulöse Prozesse. Bei Tuberkulose der inneren Organe, nament- lich der Lungen, tiefliegender Drüsen, der serösen Häute u. s. w. tritt die Lokalreaktiou nicht so sehr in den Vordergrund wie bei Lupus. Hier springt die allgemeine Reaktion mehr in die Augen, die sich in Fieber, verstärktem Auswurf, Schweißausbruch, starker Abgeschlagenheit äußern kann. Auf die Einzelheiten dieser Phänomene soll hier eben so wenig eingegangen werden, wie auf die klinische Bedeutung. Für unsere Zwecke ist es indessen wichtig zu betonen, dass das Tuberkulin, wie vieltausend- fache Erfahrung gezeigt hat, bei richtiger Anwendung, die sich nament- lich auf die Dosierung bezieht, weder bei gesunden, noch bei Menschen oder Tieren, die an anderen Krankheiten leiden, derartige Wirkungen entfaltet. Es dient daher mit Recht als ein spezifisches Diaguosti- cum für das Vorhandensein von pathologischen Prozessen, die durch Tuberkelbazillen verursacht sind. Es ist das feinste Reagens auf lebende Tuberkelbazillen im tierischen Gewebe, welches wir besitzen, ein Spe- zificum, denn es wirkt auf chronische Krankheitsprozesse, die durch andere Bakterien hervorgerufen sind, gar nicht oder nicht entfernt in dem Maße ein wie auf tuberkulöse. Das Tuberkulin ist als eine Lösung bestimmter chemischer vStoffe aufzufassen, die von den Tuberkelbazillen stammen, sei es durch Sekretion aus den Bazillen, sei es durch Auslaugnng der Bazillenleiber. Das Tuberkulin enthält die vom Tuberkelbacillus erzeugten Gifte und diese sind es, denen die Spezifizität anhaftet. Diese Stofte, deren Rein- darstellung noch nicht gelungen ist, sind nur aus den Tuberkulosekulturen zu gewinnen. Sie sind bisher weder aus Kulturen anderer Bakterien, noch aus chemischen Substanzen gewonnen worden. Sie geben also ein Beispiel für die Spezifizität des Chemismus der Bakterien, dem die Gift- stotfe ihre Entstehung verdanken. Damit ist die Frage der spezifischen Gifte berührt, und es liegt nahe, zu fragen, worauf die spezifisch infektiöse Wirkung der pathogenen Bakterien überhaupt l)eruht, und weshall) unter den vielen Arten von Mikroorganismen, die es giebt, nur so wenige für Menschen und Tiere pathogen sind, d. h. die Fähigkeit l)esitzen, in die Gewebe des Tier- körpers einzudringen, sich dort zu vermehren und infektiöse Prozesse einzuleiten, welche den Tod des Organismus herbeiführen. In der That ist das infektiöse Verhalten mancher Bakterienarten für eine oder mehrere Tierspecies direkt ein spezifisches Merkmal, dem differential-diagnostische Bedeutung innewohnt. Aber es darf daraus nicht gefolgert werden, dass die spezifische Eigenschaft, infektiös zu sein, mit der Fähigkeit der Bakterien, spezifische Gifte zu erzeugen, sich identifizieren lässt. Denn wir sehen, dass Bakterien die Eigenschaft, infektiös zu sein, verlieren können und doch die Fähigkeit behalten, Gifte in künstlichen Nährböden zu erzeugen. la engem Zusammeuliaug mit der Frage der Spezifizität steht diejenige der Virulenz und damit wieder die von der Variabilität der Arten. Man hat angenommen, dass die spezifische Eigenschaft gewisser Bakterienarten, infek- tiös zu sein, — eine Eigenschaft, die unter den zahllosen Arten von Bak- terien nur einer ganz verschwindeud kleinen Anzahl zukommt — auf eine Anpassung dieser wenigen Arten an den Tierkörper, für den sie pathogene Spezifizität der Infektionserreger. 295 Eigenschaften besitzen, zurückzufüliren sei. Al)ev zunächst muss man fest- stellen, dass es bisher noch nicht gehmgeu ist, harmlose Saphrophyten durch dauernde Züchtung im Tierkörper und Uebertragung von Tier zu Tier, z. B. vermittelst der sogen. Passagen zu infektiösen Krankheitserregern heranzuzüch- ten. Derartige Versuche sind aber gemacht worden z. B. zur Wiederlegung der Angaben über die gelungene Umzüchtung des Heul)acillus in den Milz- brandbacillus. Zwar ist es möglich, bei Anwendung von massiven Dosen und geeigneter Einverleibung, Tiere auch mit den harmlosen Sai)rophyten zu töten, z. B. Meerschweinchen bei intraperitonealer Injektion großer Mengen von Heubazillen. Aber nie ist es bisher gelungen, Saprophyten Avie z. B. die Heubazillen so durch Tierpassagen oder auf andere Weise umzuzüchten oder anzupassen, dass sie spontan infektiöse Eigenschaften für eine Tierart annehmen und nun auch ohne weiteres Zuthun diese Eigenschaft unter verschiedenen äußeren Redingungen weiter bewahren, wie es die Erreger der endemischen und epidemischen Infektionskrankheiten, die eigentlichen pathogenen Mikroorganis- men im engeren Sinne, doch thuu, durch Jahrhunderte gethan haben trotz aller Bemühungen, sie zu zerstören und trotz aller Versuche, durch Aendernng der äußeren Bedingungen ihnen ihre Eigenschaft zu nehmen, Menschen und Tiere in der spezifischen Weise krank zu machen. Da nun aber viele echte In- fektionserreger als Saprophyten außerhalb des menschlichen Körpers leben und sich vermehren können, ohne im mindesten ihre infektiösen Eigenschaften zu verlieren, so haben wir in dieser spezifischen Eigenschaft, infektiös zu sein, also keine ontogenetisch erworbene, sondern eine in vielleicht jahrtausend- jährigem Entwicklungsgang phylogenetisch entstandene vor uns. Für die Ur- sache dieser Erscheinung haben wir bis jetzt noch keine genügende Erklärung, aber aus dieser Annahme wird es verständlich, dass einige Krankheiten, als deren Ursache wir heute Bakterien kennen gelernt haben, vor Jahrhunderten und Jahrtausenden, so weit es uns bekannt ist z. B. bei der Pest und dem Aussatz, ihre pathogenetischen wie biologischen Eigenschaften bewahrt haben, was aus dem klinischen Verlaufe und der Epidemiologie dieser Krankheiten zu schließen ist. ^Venn wir in dem Tuberkulin einen Beweis haben, wie die spezifi- schen Stoffwechselprodukte und Gifte eines Mikroorganismus spezifisch bei tuberkulösen Menschen oder Tieren auf die Krankheit einwirken, welche durch den gleichen Organismus im Tierkörper hervorgerufen wird, so haben wir einen weiteren exakten Beweis für die Spezifizität der Bakteriengifte und damit der Bakterien überhaupt durch die Er- gebnisse der Immunitätsforschung der letzten Jahre. Die darauf be- züglichen Untersuchungen, die durch Behrings 2- Entdeckungen der Anti- toxine einen festen Boden erhielten, setzten ein mit den PASTp;uRschen Arbeiten über die künstliche Immunisierung mit Hilfe von Vaccins, d. h. von künstlich abgeschwächten Reinkulturen der Infektionserreger, z. B. des Milzbrandes und der Hülmercholerabakterien. Es zeigte sich, dass diese Immunisierungsprozesse, wenn sie den ihnen unterworfenen Tieren einen Schutz verliehen hatten, nur gegen diese eine Krankheit, nicht aber gegen andere schützten. E. von Behring zeigte dann mit der Ent- deckung des Diphtherie-Antitoxins, dass die von den Diphtheriebazillen erzeugten Gifte so spezifische sind, dass sie nur durch das Diphtherie- Antitoxin in dem durch Diphtheriegift krank gemachten Körper gebunden werden können, und umgekehrt, dass Diphtherie-Antitoxin durch nichts nachgewiesen werden kann, als durch die spezifische Affinität zum Diphtheriegift. Durch kein anderes chemisches oder physikalisches Hilfs- 296 W. Kolle, mittel lässt sich in der That erkeuiiei], ob eine Flüssigkeit Diphtherie- Antitoxin enthält, als durch den biologischen Nachweis, dass diese Flüssig- keit, wenn sie mit Diphtheriegift im Vielfachen der tödlichen Dosis im Reagensglase gemischt und dann dem Tierköri)er einverleibt wird, das Tier vor der Vergiftung schützt, d. h. also das Gift paralysiert. Das gleiche, was für das Diphtheriegift gilt, gilt auch für das Tetauusgift und das dazu gehörige Tetanus-Antitoxin. Das Diphtherie- und Tetanus- serum wirken auf andere Gifte nicht mehr und nicht weniger ein als jedes normale Tierserum. Der lebende Tierkürper ist, wie auch diese Versuche beweisen, das feinste Reagens für die Gifte und für den Nach- weis der Spezifizität dieser Gifte. Es reagiert bei Einverleibung der Gifte, wie das bei der Immunisierung von Tieren mit Toxinen zum Zwecke der Antitoxingewinnuug beobachtet wird, in ganz bestimmter und gesetz- mäßiger Weise und, wie die mm zu besprechenden Versuche zeigen, in durchaus sicherer Weise nicht nur auf Einverleibung der von Bakterien stammenden Gifte, sondern, wie die klassischen Untersuchungen von Ehrlich gezeigt haben, auch auf Einverleibung pflanzlicher Gifte wie des Ricins und Abrins. Es tritt daraufhin im Tierkörper die Bil- dung der spezifischen Gegengifte auf, mittelst deren wieder der Nachweis von den zugehörigen Giften im Tierversuch mög- lich ist. Denn nur die Gifte, mittelst deren das Serum gewonnen ist, werden durch das im Serum der immunisierten Tiere enthaltene Antitoxin gebunden, unschädlich gemacht. Wie bekannt, erfolgt diese Bindung auch noch beim kranken Tier und Menschen, was als Heilwirkung be- zeichnet wird. Auch vor der Vergiftung schützt das Antitoxin, wenn es den Tieren vorher injiziert wird. Auch hier ist die Wirkung der passiven Antitoxin-Immunität streng spezifisch. Ein wesentlicher Schritt vorwärts in der experimentellen Beweisführung für die strenge Spezifizität der Arten waren die aktiven Immuni- sierungsversuche bei Cholerabakterien von R. Pfeiffer &Issaeb"f, Wassermann u.a., Untersuchungen, die zur Auffindung der spezifischen Bakteriolysine durch R. Pfeiffer und der spezifischen Aggluti- nine durch Gruher & Durham, R. Pfeiffer & Kolle führten. Es würde zu weit führen, die historische Entwicklung dieser Forschungen darzu- stellen, an deren grundlegenden Arbeiten neben R. Pfeiffer ^2-38^ Bürdet, Soberniieim^^, Metciinikoff, C. Fränkel, Löffler, Abel^^, Paltauf, die zuerst diese Probleme bearbeiteten, später eine große Anzahl von Bakteriologen theilgenommen haben. Hier als im Rahmen einer all- gemeinen Uebersicht der wichtigsten Thatsachen kann nur der gröbere Umriss der Spezifizitätsfrage nach diesen Gesichtspunkten skizziert wer- den. Die Details, die theoretischen Erklärungen, die zu einer Erörterung der heuristisch sehr wertvollen Seitenkettentheorie Ehrlichs führen würden, gehören zum weitaus größten Teile in die Immunitätslehre. Diese Untersuchungen nahmen ihren Ausgangspunkt von Versuchen über die aktive Cholera-Immunität. Schon bald nach der Entdeckung des Choleravibrio waren teils im Wasser, teils aus Faeces Vibrionen isoliert worden, welche eine große Aehnlichkeit mit den Choleravibrionen hatten. Es gelang allerdings fast immer mit Hilfe von Züchtungsverfahren, chemischen Reaktionen oder aus dem Verhalten der Tierpathogenität wie z. B. bei dem Vibrio Metchnikoff, festzustellen, dass diese Vibri- onen mit den echten Choleravibrionen nicht identisch w^aren. Als man aber später die Peptonmethode, das spejzifische Anreicherungsverfahren für Vibrionen kennen gelernt hatte, mit welchem es gelingt, auch ganz Spezifizität der Infektionserreger. 297 vereinzelte* Vibrionen selbst aus i;Tüßeren Men2:en von Wasser herauszu- züchten, da wuchs die Zahl der auf diese Weise is(dievten Kommabazillen zusehends, welche zum Teil eine solche Aehnlichkeit mit den Cholera- vibrionen in ihrem morphologischen, kulturellen und im tierpathogenen Verhalten zeigten, dass selbst der Geübte nur mit größter Schwierigkeit, wenn ül)erhaupt, z. B. bei den aus verdächtigen Wasserproben isolirten Kommabazillen sagen konnte, ob es sich um Cholerabakterien oder nicht handelte. Diese Vil)nonen zeigten nicht nur ein sehr ähnliches Wachs- tum auf der Gelatineplatte, sie gaben auch die Cholerarotreaktion und zeigten zum Teil ein absolut gleiches tierpathogenes Verhalten. Ein Teil derselben konnte allerdings auch dann noch z. B. durch die Eigen- schaft, im Dunklen zu leuchten, als von den Choleravibrionen verschieden durch die bisherigen Methoden nachgewiesen werden. Aber für die Differenzierung einer großen Anzahl war es von aktueller Bedeutung, ein absolut zuverlässiges und eindeutiges Verfahren der Differenzie- rung zu finden. Es lag nahe, hier zunächst au die aktive Immu- nität zu denken. In der That wurde dieser Weg beschritten. Es wurden Meerschweinchen mit Einspritzung von abgetöteten und dann lel)enden Choleravibrionen vorbehandelt und dann diese Tiere durch intraperitoueale Infektion mit lebenden Choleravibrionen einerseits und zur Kontrolle andere gleich l)ehaudelte Tiere mit den zu prüfenden Bakte- rien infiziert. Pfeiffer & Ls-saeff-'" gelang es zuerst, auf diese Weise nachzuweisen, dass diejenigen Meerschweinchen, welche hoch genug immunisiert sind, nur gegen diejenige Vibrionenart, mit der sie aktiv vorbehandelt waren, sich bei der Infektion mit der sicher tödlichen Dosis geschützt zeigen. Es schienen hier also dieselben Verhältnisse vorzu- liegen, wie sie sich bei der Antitoxingewinnung für die Toxine heraus- gestellt hatten, indem die Tiere nur gegen das Gift, mit dem sie vor- behaudelt waren, sich resistent zeigten. Zwar wurden von Öoberniieim und Fränkel u. a. Einwürfe erhoben gegen diese Versuche. Diese Autoren suchten darzuthun, dass z. B. die mit Cholerabakterien vorbehandelten ^Meerschweinchen auch gegen andere ihnen nahe stehende Vibrionen, welche mit den echten Cholerabakterien indessen nicht zu identifizieren sind, geschützt waren. Es stellte sich indessen heraus, dass diese Versuche nicht ganz einwandsfrei waren. Die Tiere waren von den genannten Forschern zum Teil nicht hoch genug immunisiert und zu früh nach der letzten Einspritzung der Immunisierungsdosis infiziert worden. Wie zahlreiche Versuche von Pfeiffer & Lssaeff32 dar- gethau haben, hat diese späterhin allgemein als Resistenz bezeichnete Erscheinung indessen mit der echten Immunität nichts zu thun. Auch Pfeiffer & Issaeff fanden, dass auch nach Einspiitzung von Bouillon, von Serum, von Harn die Tiere, wenn sie wenige Tage nach der In- jektion dieser Flüssigkeiten intraperitoneal mit Bakterien infiziert werden, nicht erkranken, während die unbehandelten Kontrollen sterben. Sobald man indessen längere Zeit mit der Infektion wartet, gehen die mit sol- chen Flüssigkeiten vorbehandelten Tiere auch wie die Kontrollen ein. Und in ganz analoger Weise war auch die nach Einspritzung z. B. von Choleravibrionen beobachtete scheinbare Immunität gegen choleraähnliche Vibrionen, die aus Wasser isoliert waren, nur als eine Resistenzerschei- nung aufzufassen, die nicht spezifisch ist und durch verschiedene tierische Flüssigkeiten, ja sogar durch gewöhnliche Nährbouillou hervorgebracht werden kann. Sobald man nur längere Zeit nach der letzten Einspritzung einer Immunisierungsdosis wartet, ist stets ein gesetzmäßiges Verhalten 298 W. Kolle. der aktiven ImmuiiisieruDg festzustellen gewesen. Bei zalilreielien Ver- suchen zur KacliprUfung- von den verschiedensten Seiten, so z. B. später von SoBERNHEiM, Fränkel, Dunbar, u. a. hat sich herausgestellt, dass bei der aktiven Immunisierung mit lebenden und abgetöteten Vibri- onen ein Gesetz strenger Spezifizität in diesem Sinne sieh nachweisen lässt. Die gleiche Bedeutung mussten derartige Versuche für die Differen- zierung des Typhusbacillus von den typhusähnlichen Bakterien besitzen. Schon bald nach der Entdeckung des Typhusbacillus hatte man zahl- reiche Bakterien aufgefunden, welche eine große Aehnlichkeit mit dem Typhusbacillus besaßen. Es wurde zwar eine große Anzahl von che- mischen Reaktionen und kulturellen Merkmalen auf Nährböden mit ver- schiedeneu Zusätzen angegeben, (Lackmusagar, Lackmusmolke, Jodkali- Gelatine, Milch, Karbolsäure-Gelatine etc.), mittelst deren die Differen- zierung des Typhusbacillus von den typhusähnlichen Bakterien, w^elche ebenso wie der Typhusbacillus in die gemeinsame große Gruppe der Bacterium coli- Arten gehören, ermöglicht werden sollte. Wenn nun derartige Differenzierungsmethoden auch für die Praxis viel leisteten, so war es doch für die ganze Typhusätiologie von Wichtigkeit, ein ab- solut zuverlässiges Differenzierungsverfahren zu besitzen, bei welchem alle Fehleniuellen mehr vermieden werden konnten, als dies bei den Züchtungsverfahren u. s. w. möglich ist. Da der Typhusbacillus auch nur bis zu einem gewissen Grade, z. B. vorwiegend bei intraperitonealer In- jektion tierpathogene Eigenschaften zeigt, und andererseits nicht uner- hebliche Unterschiede in der Virulenz vorkommen, die der Virulenz von verschiedenen dem Typhus ähnlichen Bacterium coli -Arten für Meer- schweinchen zum Teil nicht nachsteht, so war gerade für den unum- stößlichen Nachweis der Artverschiedenheit des Typhusbacillus diese Frage von großer Bedeutung. Durch die Untersuchungen von Pfeiffer xmd Kolle, Wassermann ^2 ^ Löffler, Abel, Dunbar wurde nun dar- gethan, dass in der That mit Hilfe der aktiven Immunisierung bei Meer- schweinchen sich das gleiche Ergebnis wie bei der aktiven Immunisierung mit Cholerabakterien zeigte. Wenn man verschiedene Tiere mit Typhus, dem gewöhnlichen im Darm vorkommenden Bacterium coli, mit dem Bacillus faecalis alcaligenes und typhusähnlichen Bakterien, z. B. aus Wasser stammenden, zunächst mit abgetöteten Kulturen subkutan vorbehandelt und dann drei bis vier Wochen nach der letzten Immuni- sierungsdosis mit einem Mehrfachen der tödlichen Dosis der verschie- denen Bakterien wechselseitig prüft, so zeigt sich hier, dass nur die mit Typhus z. B. behandelten Tiere gegen den Typhusbacillus immuni- siert sind, die mit Bacterium coli vorbehandelten gegen das Bacterium coli, nicht aber die mit Typhus immunisierten gegen Bacterium coli und umgekehrt. Wenn mit diesen Untersuchungen, die einen großen Aufwand von Kautelen und Zeit erfordert hatten, den theoretischen Anforderungen sicher genügt war, die Spezifizität der experimentellen aktiven Immunisierung und damit der Infektionserreger selbst darzuthun, so w^ar es doch notwendig, ein Verfahren zu finden, mittelst dessen es leichter und ohne allzu großen Zeitverlust möglich war, die Spezifizität der verschiedenen Mikroorganismen festzustellen und auf diese Weise z. B. Typhus- und Cholerabakterien zu identifizieren. Man bedurfte eines der- artigen Verfahrens, das zugleich als Diff"erenzierungsverfahren der patho- genen von den nicht pathogenen Bakterien dienen konnte um so mehr, als bei weiteren Forschungen in der Typhus- und der Choleraätiologie sich Spezifizität der Infektionserreger. 299 herausstellte, dass Typhus- mid Cholerabakterieu die eiuzigen für den Menschen pathog-enen Bakterien jedes aus einer großen Gruppe von Ty}ihus- bezw. choleraähnlichen Mikroorganismen darstellten, die bei beiden nach Hunderten von Arten zählten. Es wäre sicher nicht möglich gewesen für den Bakteriologen, aus chemischen, morphologischen, oder kulturellen Merkmalen ein System der Ditferenzierung aufzustellen, so weit dies überhaupt für einige der genannten Mikroorganismen möglich war. Ein absolut zuverlässiges Verfahren, das auch für die Praxis brauchljar war, wurde indessen durch die Entdeckung der spezifischen Cholera- bakteriolysine seitens R. Pfeiffers für die bakteriologische Praxis geliefert. R. Pfeiffer fand, dass das Serum von Tieren, welche mit ab- getöteten oder lebenden Cholera-Agarkulturen subkutan in steigen- den Dosen vor])ehandelt waren, streng spezitische Stoffe enthält, welche mit Cholerabakterien im Reagensglase gemischt, nach Injektion dieser Mischung in das Peritoneum von Meerschweinchen die Cholerabak- terien unter KUgelchenbildung, die unter dem Mikroskop im hängenden Tropfen mit Leichtigkeit zu demonstriren ist, zur Auflösung bringen. Es genügen Bruchteile eines Milligramms derartigen Serums (wenn man ein hochwertiges Serum zur Verfügung hat) um eine Oese von Cholerabakterien auf diese AVeise innerhalb einer Stunde zur Vernichtung und Resorption zu bringen. Choleraähnliche Vibrionen werden bei dieser Versuchsanordnung nicht im mindesten beeinflusst. Sie zeigen weder eine Einbuße an ihrer Beweglichkeit, noch lassen sie Bildung von Kügelchen erkennen. Kurze Zeit nach der Injektion in das Peritoneum fangen sie an sich dort zu vermehren, falls sie Tierpathogcuität über- haupt besitzen (und solche Vibrionen kommen für die Difterenzierung ja nur in Betracht, weil die nicht tierpathogenen Vibrionen sich ja ohne weiteres differenzieren lassen] und führen den Tod des Tieres innerhalb 8—16 Stunden unter Temperaturabsturz u. s. w. und genau in der gleichen Weise herbei, wie es die Cholerabakterien, bei den nicht mit Choleraserum gleichzeitig behandelten Meerschweinchen thun. In ganz gleicher Weise zeigt das Serum von Tieren, welche mit choleraälmlicheu Vibrionen z. B. dem Vibrio Metchnikoffli vorbehaudelt sind, si)eziflsch l)ak- teriolytische Stoffe nur gegenüber dieser Vibrionenart. Auch hier scheint es sich um ein allgemeines Grundgesetz der Immunität zu handeln, wie be- reits R. Pfeiffer ^i 1896 ausgesprochen hat. Es wurde von R. Pfeiffer i\: W. KoLLE '5 nachgewiesen, dass die gleichen bakteriolytischeu Stoße sich auch bei Tieren erzeugen lassen, wenn man die letzteren mit abgetöteten oder lebenden Typhusbakterien vorbehandelt. Auch hier treten Stoffe auf, welche die Typhusbazillen bei gleichzeitiger Einverleibung mit ihnen in das Peritoneum von Meerschweinchen vernichten. Es genügen ein oder wenige Milligramme eines solchen Serums, um 1 — 2 Oesen virulenter Typhus- bakterien im Peritoneum von Meerschweinchen aufzulösen, während das normale Serum gegenüber den virulenten Typhusbakterien selbst in Dosen von 0,1 — 0,2 — 0,5 g bei der gleichen Versuchsanorduuug keine Wirkung entfaltet, ganz analog wie das normale Tierserum l)ei den Choleravibri- onen. Die Typhusbakterien werden in ganz ähnlicher AA'eise wie die Cholerabakterien aufgelöst, sie bilden Involutionsformen und verfallen unter dem Einflüsse des Serums der Auflösung und Resori)tion im Peritoneum. Das Typhusserum entfaltet diese Wirksamkeit nicht gegen- über den den Typhusbazillen nahe stehenden Bakterienarten. Diese Ver- suche haben zuerst von Löffler & Abel und später von vielen anderen Seiten, Soberxheim, Fränkel, Dünbar u. a. Bestätigung erfahren. 300 W. Kolle. Die Verliältuisse drohen in dieser Beziehnng sich nm so verwickelter zu gestalten, als im Laufe der Zeit dank der überaus fleißigen Untersuchungen der Bakteriologen am kranken Menschen, namentlich mit Hilfe des Tierversuchs, einige wichtige Thatsachen gefunden waren , die scheinbar der Spezifizitäts- lehre der Bakterien widersprachen. Einmal hatte man die Erreger verschiedener Krankheiten z. B. Diphtheriebazillen, Cholerabakterien, Streptokokken u. s. w. im Körper bezw. in den Körperhöhlen, Sekreten anscheinend ganz gesunder Menschen gefunden. Zweitens hatten die Prüfungen der aus den Krankheitsprodukten isolierten Erreger mittelst Tierversuch ergeben, dass die Pathogenität der Bakterien keineswegs eine konstante Größe, sondern großen Schwankungen unterworfen sei. Diese Schwankungen können thatsächlich so weit gehen, dass die aus Krankheitsprodukten reingeztichteten Bakterien zuweilen für Versuchs- tiere bei experimenteller Prüfung so gut wie gar nicht pathogen sind. Wir wissen jetzt, dass das Vorkommen von pathogeueu Bakterien bei Gesunden, ohne dass die Träger solcher Infektionserreger zu erkranken brauchen, durch die natürliche Immunität, durch Resistenz und mangelnde Disposition der Menschen erklärt werden können. Und die Virulenzschwankungen pathogener Bakterien sind in neuerer Zeit bereits zu eingehend studiert, um als Grund gegen die Spezifizität eines Krankheitserregers angeführt werden zu können. Man kann eben heute infektiöse Eigenschaften eines Bakteriums und einen l)e- stimmten Virulenzgrad oder eine Pathogenität für bestimmte Tierarten nicht mehr als alleinige differential-diagnostische Merkmale von entscheidender Bedeutung auflassen, nachdem man durch die spezifischen Immunitätsreaktionen und Serum-Diflerenzieruugsverfabren (Agglutinine, Bakteriolysine, Antitoxine) in der Lage ist, zu zeigen, dass Virulenz und Pathogenität den spezifischen Bakterien vorübergehend oder dauernd verloren gehen können, ohne dass diese ihren spezifischen Chemismus ändern. Für diesen spezifischen Chemis- mus ist aber die Immunität oder Serumreaktion das feinste Reagens, nicht die pathogene Wirkung als solche d. h. die Fähigkeit, infektiöse Prozesse zu erzeugen. Diese letztere ist großen Schwankungen unterlegen (Virulenz- schwankungen), sie kann vorübergehend, ja dauernd verschwinden, während die Fähigkeit z. B. ein spezifisch-bakteriolytisches oder spezifisch-agglutinierendes Serum zu erzeugen, bei denselben Bakterien erhalten ist, die Aveder giftig noch infektiös, selbst nicht bei Verwendung größter Dosen, zu wirken brauchen. Eine Gmndbeding-ung für die Anstellimg- derartiger Versuche ist allerdings die Herstellung einer hochwirksamen Serums, bei dem der Titer, d. h. der Grenzwert gegenüber einer Oese hoch virulenter Infek- tionserreger, in 1 ccm Bouillon aufgeschwemmt, mindestens 1mg beträgt. Wenn man über ein derartiges Serum verfügt, so kann man ohne wei- teres jede lUkterienart, welche Typhus oder Cholera ist, sicher damit erkennen. Es ist nur notwendig, einen Kontrollversuch mit einer ent- sprechend höheren Dosis normalen Serums anzustellen, um, falls die Kultur überhaupt nach den Vorversuchen sich als tierpathogen erwiesen hat, innerhalb weniger Stunden mit Sicherheit sagen zu können, ob es sich in der That um eine echte Typhuskultur handelt. Nur bei alten Cholera- oder Typhuskulturen, w^elche lauge Zeit im Laboratorium fort- gezüchtet sind und daher ihre Tierpathogenität ganz oder zum großen Teil verloren haben, kann diese Methode der Diiierenzierung unter Um- ständen im Stich lassen. Denn solche Kulturen verfallen schon bei Ein- verleibung kleiner Mengen normalen Serums der Auflösung-. Es wird allerdings der Geübte auch in solchen Fällen stets mit Hilfe der ge- nauen Austitrierung, d. h. der Bestimmung der Grenzwerte des normalen Spezifizitiit der Infektionserreger. 301 Serums einerseits imd des si)eziiisclien Tierscruins andererseits feststellen können, ob es sich um eine Typhus- bezw. Cholerakultur handelt oder nicht. Gerade für solche Fälle besitzen wir nun aber ein Differenzierung-s- mittel in Stoifen, welche in dem Serum der aktiv hocli gegen Typhus oder Cholera immunisierten Tiere auftreten, in den Agglutiiiinen. Diese Stofte, welche bekanntlich zuerst von Gkuber, Duuiiam, Boudet, Metch- NiKOFF bei Cholera und Typhus nachgewiesen, dann von diesen Autoren sowie Pfeiffer & Kulle einem genauen Studium unterworfen sind, haben sich als ein ganz vorzügliches Ditt'erenzierungsmittel für Kulturen einander ähnlicher Bakterien erwiesen. Die Agglutinine sind Stotfc, welche den Ambozeptoren zweiter Ordnung Eiiulichs nach seiner neuen in der Seiten- kettentheorie aufgestellten Nomenklatur entsprechen. (Näheres hierüber, wie auch über Bakteriolysiue, Antitoxine und Agglutinine, siehe im III.Bd., Sie haben mit den baktericiden (spezitisch bakteriolytischen) Immunstoffen des Serums nichts zu thun, aber sie sind in gleicher Weise wie diese spe- zifisch. Nur das Serum z. B. Aon Ziegen, welche lange Zeit mit lebenden Cholerabakterien vorbehaudelt sind, zeigt in Dosen von 1, ja selbst i lo mg" die Eigenschaft, die Choleravibrionen, seien es lebende oder abgetötete, in ihrer Form wohlerhaltene Vibrionen zur Zusammenballung zu bringen. Das normale Ziegenserum besitzt in größereu Dosen zwar auch die Eigenschaft, Choleravibrionen, lebend oder abgetötet, zur Agglutination zu bringen. Aber diese Agglutination ist wT-der eine starke, noch ist sie spezifisch. Denn w^ährend das stark agglutiuierende Choleraserum in der Dosis von 1 mg nur die Choleravibrionen, bezogen auf 1 Oese Kulturmasse, zur Agglutination bringt, erzeugt das normale Serum bei Mischung mit Kulturen der meisten Mikroorganismen überliaupt nur in der Dosis von 1,0 — 0,1 g eine leichte Häufchenbildung. Da es bei dieser im normalen Serum eintretenden Häufchenbildung aber nicht zur Bildung von großen Häufchen kommt, welche im Laufe der Zeit immer stärker werden, so bezeichnet man diesen Prozess am besten mit dem Namen Pseudoagglutination. Zahlreiche Versuche haben nun ergeben, da SS das hochwertige Serum von hoch gegen Cholera und Typhus im- munisirten Tieren nur die Cholera- bezw. Typhusbakterien agglutinirt. Die Ausführung des Verfahrens muss genau nach quantitativen Grund- sätzen geschehen, wobei man in folgender Weise verfährt. Es werden Verdünnungen des Serums hergestellt mit Bouillon oder 0,8% iger Kochsalz- lösung. Von diesen Verdünnungen z. B. 1:10, 1:50, l:ia3, 200, 300, 400. 1000 u. s. w. wird je ein ccm in ein steriles Peagensröhrchen gefüllt. Man hat dann eine Skala, in dem z. B. in dem ersten Pöhrchen 1 ccm, im zweiten 0,5, im dritten 0,1, im vierten 0,05, im fünften 0,01, im sechsten 0,005, im siebenten 0,001 u. s. w\ ccm des Serums immer in 1 ccm Flüssig- keitsvolumen enthalten sind. In jedem dieser Pöhrchen wird eine Oese = 2 mg frischer Agarkultur am Rande verrieben und in der Flüssig- keit nach der Verreibung durch Schütteln fein verteilt. Das Verreiben der Kulturmasse mit der Flüssigkeit geschieht in folgender Weise. Die Kultur wird oberhalb der Flüssigkeitsuiveaus an der AVandung des Röhrchens abgestrichen, ein Tropfen der Flüssigkeit wird alsdann mittelst der Platinöse hinzugefügt und damit verrieben, bis die mit bloßem Auge sichtbaren Klümpchen verschwinden. Schließlich wird das Gemenge langsam herabgeschwenkt und nun bei Schräghaltung des Röhrchens die Konsistenz der Probe in dünner Schicht beobachtet. Das Phänomen der Häufchenbildung wird am besten beim Blick von oben 302 W. Kolle, auf schwarzem Untergrund oder beim Blick nach oben in dem von der Zimmerdecke reflektierenden Tageslicht beobachtet. Hierbei lässt sich die Häufchenbildung- durchaus sicher feststellen. Die mikroskopische Beobachtung besonders mit stärkerem System kann sehr leicht zu Fehl- schlüssen führen. Denn sehr oft werden dabei vereinzelte, in Zoogloea zusammenliegende Bakterien, die bei der Aufschwemmung nicht von ein- ander gelöst waren, für agglutinierte Bakterienhäufchen gehalten, ob- gleich sie mit den durch die Agglutinine zusammengeballten größeren Bakterienhaufen nichts zu thuu haben. Die Agglutination der Bakterien muss, wenn sie gelten soll, kurze Zeit, spätestens V2 Stunde nach dem Zusammenmengen der Kulturmasse und des Serums dem bloßen Auge unverkennbar erfolgen. Nur auf diese Weise kann man einwandsfreie Resultate erhalten, wenn man mit dem bloßen Auge die im Thermostaten bei 37" C gehaltene Aufschwemmung der Bakterien und des Serums ver- folgt. Bei echter Agglutination ist der Vorgang der Häufcheubildung ein fortschreitender; die fast sofort nach der Mischung von Serum und Kultur sich bildenden Bakterienhäufchen werden mit zunehmender Zeit größer und sinken zu Boden, darüber eine klare Flüssigkeitsschicht lassend. Bei den Kontrollen mit gleichen Mengen normalen Serums und den gleichen Mengen von Bakterien tritt keine Andeutung von Aggluti- nation ein; die Flüssigkeit bleibt gleichmäßig getrübt und homogen, auch für die erste Stunde nach der Mischung, worauf es bei diesen Versuchen in erster Linie ankommt. Der Bodensatz, den manche unbewegliche Bakterien bei längerem Stehen in jedem, selbst ganz indifferentem Flüssig- keitsmedium und beim Wachstum in manchem Nährboden bilden, hat mit Agglutination nichts zu thun. Man kann das daran erkennen, dass dieser Bodensatz sich beim Umschütteln wieder in Emulsion auflöst, während wirklich agglutinierte Bakterienhäufchen dabei als solche erhalten bleiben. Bei beweghchen Bakterienarten kommt die Bildung eines Bodensatzes überhaupt nicht in Betracht. Als allgemeines Gesetz kann namentlich nach den Versuchen, die bei Typhus, Cholera, Pest und verschiedenen anderen agglutinierenden Serumarten angestellt sind, der Satz aufgestellt werden, dass das agglutinierende Serum um so stärker eine Kultur agglu- tiniert, je weniger virulent sie ist, vorausgesetzt, dass das Serum ein hoch- wertiges in Bezug auf Agglutination ist. Aus diesem Grunde kann man in Bezug auf Agglutination sagen, dass ein hochwertiges agglutinierendes Serum ein absolut zuverlässiges Differenzierungsmittel für die verschiedenen Mikroorganismen ist. Es lassen sich aus den Gruppen von Bakterien, denen die einzelnen pathogenen angehören, diese letzteren mittelst eines solchen Serums, wenn es sich hochwertig genug darstellen lässt, mit Sicherheit aus Tausenden herauskennen. Das gelingt z. B. bei Typhus, Cholera und Pest. Es zeigen zwar eine Anzahl von Bakterien, welche den betreff"enden pathogenen besonders nahe stehen, eine etwas stärkere Beeinflussung durch das Serum als manche andere vielleicht im System ferner stehenden, aber bei genauer Austitrierung lassen sich stets so große quantitative Unterschiede erkennen, die übrigens auch in der Intensität (Qualität) der Agglutination sich kennzeichnen, dass das Spezifizitäts- gesetz der Mikroorganismen sich durch dieses biologische Verfahren in ganz ungeahnter Weise hat beweisen lassen. Wir sehen, wie der Tier- körper gewissermaßen automatisch und mit einer ungeahnten Sicherheit die Stoffe erzengt, welche später zur speziflschen Beeinflussung der Mikro- organismen, sei es nun in Form der Bakteriolysine oder der Agglutinine, führen. Es sind, wie man auf Grund der Erfahrungen, die man mit der Spezifizität der Infektionserreger. 303 Agglutination der roten lilutkörperchen gemacht hat, sagen kann, höchst wahrscheinlich Eiweißsubstanzen oder den Eiweißkörpern nahe stehende Stoffe, welche in den Bakterien enthalten sind und nach Einverleibung in den Tierkörper durch Bindung mit neuen Eiweißgruppen zur Produktion dieser neuen spezifischen Stoffe führen. Dass es sieh hier zum großen Teil um rein chemische Vorgänge, welche ja in letzter Instanz überhaupt die Ursache für die Verschiedenheit der Zellen abgeben müssen, handelt, geht aus den Beobachtungen hervor, die sich auf die Präzipitine be- ziehen. R. Kraus fend nämlich, dass das Serum von Tieren, die gegen Cholera immunisiert sind, in dem al^solut klaren, bakterienfreien Filtrat von Cholerakulturen eine Ausfällung hervorbringt. Weder normales Serum hatte den gleichen Einduss, noch führte das Choleraserum in dem Filtrat der den Cholerabakterien nahe stehenden Bakterienarten wie Vibrio Metchnikoftii u. s. w. die mindeste Trübung herbei, wie auch KoLLE^^ und Martini für Pestserum und Pestkulturfiltrate zeigen konnten. In ganz gleicher Weise hatten Tsisto witsch''', BordetS*, wie später Fisch 62^ Wassermann -^9, Uhlenhuth^', Deutsch^' u. a. dargethan, dass im Serum von Tieren, welche mit tierischen EiweiJßflüssigkeiten (Serum, Milch) vorbehandelt wurden, Stoflfe auftreten, welche in den von der gleichen Tierart stammenden Eiweißflüssigkeiten (Serum, Milch) spezifische Ausfallungen hervor- rufen. Diese ausfällenden Stoffe werden in Anlehnung an die KRAUs'schen Angaben Präzipitine genannt. Die Präzipitine sind so Spezi fizisch, dass sie zur Differenzierung von Eiweißkürpern verschiedener Tierarten, welche auf keine andere Weise, auch nicht durch die feinsten chemischen Reaktionen von einander unterschieden Averden können, z. B. zur Unterscheidung des Menschen- blutes von Tierblut benutzt werden können. Aus den genannten Arbeiten gebt hervor, dass die Präzipitine, welche mit tierischen und pflanzlichen (Kü WARSKI & Kolle"*) eiweillhaltigen Flüssigkeiten gewonnen sind, ein Ana- logen der mit ßakterienkultnren im Tierkörper hergestellten Präzipitine sind. Die Wirksamkeit des Präzipitine enthaltenden Serums scheint indessen nicht so streng spezifisch zu sein, wie diejenige der Bakterienagglutinine. Es liegt dies möglicherweise daran, dass es mit den bisherigen Methoden nicht gelungen, so hochwertig präzipitierende Serumarten zu erzeugen, wie man über hochwertige Bakterien-agglutinierende Serumarten verfügt. Denn bei den Serum- arten, welche tierische Zellen agglutinieren (Blutkörperchen-Agglutinine) oder auflösen (Hämolysine und Cytolysine) oder welche in tierischen Flüssigkeiten (Serum, Milch) einen ISiederschlag erzeugen (Präzipitine), finden sich, in gleicher Weise wie bei schwach wirksamen, mit Bakterienkulturen herge- stellten agglutinierenden, auflösenden oder präzipitierenden Serumarten, so- genannte Gruppenreaktionen, d. h. das Serum wirkt zwar am stärksten auf die Stoffe ein, mit denen es hergestellt ist, aber besitzt bei den verhältnis- mäßigen großen Mengen, die man zur Erzielung der Wirkung bedarf, auch bei biologisch nahestehenden Bakterien oder Eiweißarten eine gewisse Wir- kung. So verursacht z. B. ein mit menschlichem Serum oder Blut hergestelltes Immunserum nicht nur in klarem menschlichen Blutserum eine Ausfällung, sondern auch eine zwar geringere, aber nur wenig geringere Präzipitierung auch im Serum von Affen, während im Serum anderer, dem Menschen in der Tierreihe fernerstehenden Tierarten eine Ausfidlung bei den zum Versuch notwendigen Mengen nicht stattfindet. Die (jruppenreaktionen sind daher, wie auch Bürdet, Wassermann, Uhlenhuth und andere betonen, bei der Differenzierung von tierischen Eiweißkörperu und Zellen mittelst der Agglutinine, Präzipitine oder Lysine in Kechnung zu ziehen. So lange wir 304 W. Kolle. nicht über Methoden verfügen, stärker wirksame derartige Serumarten her- zustellen, sind die letzteren nur für Diflerenzierung mit der Beschränkung zu- zulassen, dass Zellen oder Flüssigkeiten nahestehender Tierarten ausgeschlossen sind. Bei den IMikroorganismen kommen die Gruppenreaktionen. Avie be- schrieben, weniger in Betracht, da man über Methoden zur Darstellung hoch- wertiger Serumarteu, bei welchem geringste Mengen (Milligramme) zur Er- zielung der "Wirkung ausreichen, bei den praktisch wichtigsten Arten verfügt. Bei der Tuberkulose scheint nach R. Koch's neuesten Untersuchungen aller- dings die Gruppenreaktion eine große Rolle zu spielen, so dass die Differen- zierung der Bakterien der Tuberkulosegruppe mittelst Präzipitinwirkung oder Agglutination bis jetzt nicht möglich st. Wenn somit große theoretische Vorteile aus diesen experimentellen Ergebnissen der Immunitätsforschung gezogen werden können, so ist nicht minder das gleiche der Fall für die praktische Medizin. Denn diese Versuche bilden die Grundlage für die ganze Lehre von der Serodiagnostik, welche beim Typhus abdominalis, bei Cholera, Pest, bei Maltafieber sowie einigen anderen Krankheiten bereits eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die klinische Medizin gewonnen hat. Trotz der großen Schwankungen, welche die Lehre von der Spezifizität im Laufe der Zeit durchgemacht hat und trotzdem manche Modifikationen und Einschränkungen notwendig gewesen sind, so können wir doch als Resultat der Forschung, namentlich der einwandsfreien Forschung der letzten Jahre den Satz aufstellen, dass wir auch heute noch die Spezi- fizität der Mikroorganismen in dem oben erläuterten Sinne in jeder Be- ziehung aufrecht erhalten müssen. Die spezifischen Immunitätsreaktiouen haben den Weg ge- wiesen, auf dem viele Arten von Bakterien am raschesten er- kannt und identifiziert werden können. Viele pathogene Arten lassen sich von geübten Bakteriologen — und ein nicht unerheblicher Grad von Uebung ist Voraussetzung bei allen derartigen Untersuchungen — allein durch die charakteristischen, von ihnen erzeugten pathologisch- anatomischen Veränderungen, Wachstums- und Formmerkmale, biochemi- schen Reaktionen zwar mit Sicherheit erkennen. Aber bei anderen pathogenen Arten sind hier die Schwierigkeiten niclit geringe und können bei Differenzierung von nahestehenden Arten oft unüberwindliche werden, wenn die Virulenz der pathogenen Arten verloren gegangen ist. Auch zeigen manche saprophytischen Bakterienarten häufig im Tierversuch bei experimenteller Einverleibung nicht unerhebliche infektiöse Eigenschaften. Der Wert, den zur Ueberwindung dieser Schwierigkeiten in vielen Fällen die specifischen Lnmunitätsreaktionen besitzen, wird sicher nicht dadurch herabgemindert, dass die agglutinierenden, immunisierenden oder lytischen Eigenschaften bei manchen Serumarten bei der bisherigen Darstellungs- weise nicht zur Differenzierung zu benutzen sind, weil Gruppenreaktionen ausgelöst werden. Bis jetzt scheint diese Ausnahme allerdings nur bei den Tuberkelbacillen und den ihnen nahestehenden sogenannten säure- festen Bakterien zu bestehen. Litteratiir. 1 Antonius van Leeuwenhoek, Arcana naturae detecta. Delphis Batavorum, 1695. — - Anastasius Kircherus, Ars magna lucis et umbrae in X. libros di- gesta etc. Romae 1646, Herm. Scheur. — '■^ C. v. Linnk. Vollständiges Natiir- system. Ph. Ludw. Müller ed. Nürnberg. — * Ders.. Exanthemata viva. Upsala 1757. — ■' Plenciz. Opera medico-physica. Wien 1762. — "■ Otto Friedr. Müller, Spezifizitiit der Infektionserreger. 3(J5 ebenso wie 1—5 zitiert nach: — ' LÜFFLKn. Vorlesunjs^en über die geschichtliche Entwickeliing der Lehre von den Bakterien. Leipzig 1SS7, F. C. W. Vogel. — •'^ P. L. ScHWAXx, Vorläufige Vorrede über die Weingährnng und Fäulniss, Gilberts Annalen der Physik und Chemie, 1S37, Bd. 41. — '•' Pastkuu. Couipt. rend., vol. 50. — "' Ders.. Memoires sur les corpuscules organises. qui existent dans TatmosphtTe. Annales ■' R. Pfeiffer & Kolle. Zur Differentialdiagnose der Typhusbazillen vermittelst Serums der gegen Typhus immunisierten Tiere. Dtsch. med Woch.. 1896. Nr. 12. — *■ Dies.. 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Das gleichzeitige VorliaDclensein mehrerer Mikroorganismen-Arten und einerseits ihre gegenseitige Beeinflussung, andererseits ihre gemeinschaft- lichen Wirkungen auf den Organismus haben seit langem die Aufmerk- samkeit der bakteriologischen Forscher auf sieh gezogen. Wie schon beim Kapitel »Wesen der Infektion« erwähnt, wurde früher das Zusammenwirken zweier oder mehrerer Bakterienspecies sogar für unumgänglich nötig gehalten, um gewisse Infektionen zustande kommen zu lassen, und man bezeichnete dieses Verhältnis mit dem Aus- drucke der »Symbiose«. Nach dieser Ansicht konnten gewisse Mikro- organismen allein die betr. Infektionskrankheit nicht auslösen, sie be- durften hierzu noch der Mitwirkung anderer Bakterien, mit denen sie zusammenlebten. Am klarsten trat dieser Gedanke in Nägelis »di- blastischer Theorie« zu Tage. Noch bei Gelegenheit der letzten Choleraepidemie hielt Buchner ^ die Mitwirkung anderer aus dem Boden stammender Mikroorganismen außer den Choleravibrionen zur Erklärung, wohl nicht des einzelnen Choleraanfalles aber gewisser epidemiologischer Thatsachen bei der Cholera für nötig. Demgegenüber wurde von E. Koch und seiner Schule stets daran festgehalten, dass jeder spezi- fische Mikroorganismus für sich allein, ohne jede MitAvirkung eines zweiten, seine Infektionskrankheit auslösen kann. Speziell für Cholera hat R. Pfeiffer 2 dargethan, dass eine Symbiose, oder die Annahme der »diblastischen« Theorie für die Wirkung des Cholera vibrio durchaus keine wissenschaftliche Stütze hat. In der That hat man sich mit dem tieferen Eindringen in das Wesen der Infektionskrankheiten und die ätiologische Rolle, welche den In- fektionserregern dabei zukommt, immer mehr davon überzeugt, dass es nicht einen einzigen uns bis jetzt bekannten Infektions- erreger giebt, von dem wir mit Sicherheit nachweisen könnten, dass er allein nicht befähigt wäre spontan die betreffende Infektion hervorzurufen, sondern der auf die Mithilfe einer zweiten Species angewiesen wäre. Selbst nicht der Tetanusbacillus, von dessen Sporen Vaillard & RouGET^ nachgewiesen haben, dass sie in ganz reinem durch Waschung von allem Gifte befreiten Zustande, im Organismus nicht auskeimen und 20* 308 A. Wassermann, keinen Tetanus hervorrufen, bedarf der unbedingten Mitwirkung anderer Mikroorganismen, um die Infektion zu vollbringen. Vielmehr bedarf dieser Mikroorganismus wohl gewisser Hilfsmomente zur Auslösung der spontanen Infektion, die in seiner biologischen Eigenart, nur bei Sauer- stoftabsehluss zu wachsen, begründet sind. Dieses Hilfsmomeut kijnnen gewisse andere zugleich mit den Tetauussporen in das Gewebe einge- drungene Keime sein, welche durch ihr AVachstum die für den Tetauus- bacillus günstigen Veränderungen im Gewebe schaffen (s. Kap. Tetanus), aber es müssen dies nicht Mikroorganismen sein; das gleiche Hilfs- momeut ist eine aseptisch subkutan erzeugte Fraktur (Vaillakd c^ EouGET 1. c), oder ein aseptisch erzeugtes Hämatom (Strick'^/. Das Wesentliche, worauf es ankommt, ist, dass die Tetanussporen an ihrer Eingangspforte etwas nekrotisierendes Gewebe vorfinden; ob dies durch andere begleitende Bakterien oder aseptisch auf irgend eine andere Weise zustande kommt, ist gleichgiltig. Wenn nun auch, wie gesagt, die Mitwirkung einer zweiten Mikro- organismenart zu keiner Infektion mit einem pathogeuen Keim nötig ist, so unterliegt es doch keinem Zweifel, dass Bakterieuassociationen im infi- zierten Organismus ungemein häufig vorkommen, ja in den mit der Luft kommunizierenden Körperorganeu kommt es überhaupt nicht vor, dass wir den spezifischen Infektionserreger allein, in Reinkultur, jemals an- treffen. Immer finden wir diese bei Kulturversuchen aus dem kranken Menschen dann mit anderen »Begleitbakterien« auf unseren Platten vermischt, und es ist oft eine recht schwierige bakteriologische Aufgabe, zu entscheiden, welche Mikroorganismenart als die primäre eigentliche Ur- sache der Erkrankung und welche als »Begleitbakterien« aufzufassen sind. Weit häufiger treffen wir nur eine einzige Mikroorganismenart und zwar den spezifischen Infektionserreger, also eine »Reinkultur« im infizierten Organismus in den inneren mit der Luft nicht kommunizierenden Organen und dem Blutgefäßsystem, an Orten, die vor den aus der Luft und Umgebung stammenden Begleitbakterien geschützt sind. Es ist dies ohne weiteres klar, da ja in diese Organe nur wirklich infektiöse Keime gelangen können, nie aber Saprophyten, die aus der Umgebung, der Luft u. s. w. stammen. Der Nachweis von Keimen an diesen Orten intra vitam, in Milz, im Blut, in der Spinalflüssigkeit u. s. f. beweist also unter allen Umständen, dass es sich dabei um infektiöse Mikroorganismen, welche in dem be- treffenden Falle eine Rolle spielen, handelt. (Cf Kap. Wesen der Inf.) Indessen sind die Begleitbakterien, die wir im Organismus treffen, wie wir im weiteren Verlaufe sehen werden, durchaus nicht stets saprophytischer Natur, sondern sehr häufig gesellt sich zu der infektiösen Species, welche die »primäre« Krankheitsursache darstellt, »sekundär« eine zweite in- fektiöse Art, zumeist Streptokokken, und gerade diese Associationen mehrerer infektiöser Mikroorganismen sind es, welche uns in diesem Kapitel besonders beschäftigen werden. Diese zweite, sekundäre infek- tiöse Species kann dann ebensogut wie die erste sich im Organismus verbreiten (s. Kap. Wesen der Infektion), so dass wir sie im Blute und inneren Orgauen vorfinden, ja nicht allzuselten tritt der Fall ein, dass der primäre lufektionsstoff mehr lokalisiert bleibt und die sekundären infektiösen Mikroorganismen sich auf der Blut- und Lymphbahn ver- breiten (s. unten). Infolgedessen ist bei Infektionskrankheiten, deren spezifische Erreger wir noch nicht kennen, z. B. Scharlach, Masern, Gelenkrheumatismus, selbst mit dem Nachweise von infektiösen Bakterien, z. B. Streptokokken, von denen wir wissen, dass sie zu den häufigsten Misch- und Sekundärinfektion. 309 »sekundären« infektiösen Keimen g'cbijren, innerhalb der P.lutbahn der Krauken noch durchaus nicht gesagt, dass wir in den dort ge- fundenen Bakterien die primäre spezifische Krankheitsursache in Händen haben. Die gegenseitige Einwirkung mehrerer Mikroorganismen-Species wurde zwecks Erklärung der bei der Mischinfektion im Organismus Ijcob- achteten vSymptome vielfach experimentell studiert. Zunächst beschäftigte sich eine große Keihe von Autoren mit den Einflüssen, welche Älikro- organismen außerhalb des Organismus auf künstlichen Nährbüden auf- einander ausüben. Ueber diesen sogenannten »Antagonismus« cf. GoTTSCHLicii (dieses Handbuch, S. 120). Uns interessieren hier diese Einwirkungen vor allem, soweit sie sich im lebenden Organismus ab- spielen oder soweit hierdurch biologische Veränderungen an den Mikro- organismen in Bezug auf Virulenz zustande kommen, welche für den Infektiousverlauf von Wichtigkeit sind. Es können nun mehrere Mikroorganismen-Species gleichzeitig durch dieselbe Eingangspforte in den Organismus eindringen; dies bezeichnen wir als Mischinfektion , ein Ausdruck, der zuerst von Bkieger & Ehrlich^ gebraucht wurde; oder es können mehrere Species zeitlich ge- trennt, hintereinander eindringen; dies nennen wir sekundäre In- fektion. Das Zustandekommen der Mischinfektion ist so zu erklären, dass in dem infizierenden Materiale von vorneherein mehrere infektiöse Species vorhanden waren, wie dies regelmäßig z. B. bei dem unter natürlichen Verhältnissen vorkommenden Tetanusinfektionsstoff der Fall ist, oder dass an der Eingangspforte bereits seit langem pathogene Keime auf der Oberfläche wucherten (Kapitel H], welche nun bei Ge- legenheit und unter dem Einflüsse des Eindringens einer anderen in- fektiösen Species gleichzeitig mit in das Oewebe eindringen. Derart ist das Verhalten der mischinfizierenden Stre})tokokkeu bei Diphtherie, welche als ständige Bewohner der Eachenhöhle und der Follikel der Tonsillen bei Infektion mit Diphtheriebazillen fast stets mit in das Gewebe ein- dringen, ein so regelmäßiges Vorkommen, dass Baumgarten "^ bezweifelt, ob es überhaupt Fälle von Diphtherieinfektion ohne gleichzeitiges Ein- dringen von Streptokokken giebt. Ebenso finden wir dies sehr häufig bei den gewöhnlichen übrigen pathogenen Bewohnern der mit der Luft kommunizierenden Körperhöhlen und der Körperoberfläche, deren hauptsächlichste Vertreter die Pneumo- kokken, Staphylokokken, verschiedene zur Klasse des Friedländer- schen Bacillus gehörende Kapselbazillen, ferner dii)litherieähnliche zur Klasse der Xerosebazillen gehörige Stäbchen und Bacterium coli sind. Alle diese Keime dringen sehr oft anlässlich einer anderen Infektion, so die Pneumokokken zugleich mit den Influenzabazillen in das Lungen- gewebe, Bact. coli bei Infektionsprozessen des Darmes mit in das Ge- webe hinein. Für das so häufige Zustandekommen von Sekundär-Infektionen kommt vor allem in Betracht, dass durch die lokalen Wirkungen der primären Infektion neue Eintrittspforten für solche Infektionserreger ge- schaffen wurden, gegenüber denen das unverletzte Schleimhaut- und Haut- gewebe ein Hindernis für das Eindringen war. — So erklärt es sich leicht, dass bei allen Infektionen, welche mit ulzerativen und das Integiiment zer- störenden Prozessen der Gewebe einhergehen, wie Tuberkulose (R. Koch "), Typhus (Vincent^ und A. Wassermann ^j, Variola, Diphtherie, Dysenterie 310 A. Wassermann, (Kruse & Pahqualeio), Cholera (Lesage & MacaigneIi) sehr häufig Sekundärinfektioneu zustande kommen, indem an den durch die erste Infektion der schützenden Epitheldecke beraubten Stellen nunmehr sekundär andere Infektionserreger eindringen. Neben diesem Moment aber kommt noch als zweiter wichtiger Faktor hinzu, dass die primäre Infektion einen großen Teil der dem Organismus von Natur aus innewohnenden natürlichen Abwehrkräfte (s. Bd. III) auf- gebraucht hat, so dass nunmehr der zweiten gegenüber die normalen baktericiden Kräfte des Körpers ungemein herabgesetzt sind. Zuerst ging dies klar aus der Beobachtung von Brieger und Ehrlich (1. c.) hervor, welche nach Injektion einer durch maligne Oedembazillen verun- reinigten Moschuslösung bei einem Typhuskranken die Entwicklung von malignem Oedem beobachteten, während der gesunde Mensch sich gegen- über malignem Oedem sehr resistent verhält. Hier war also das erste sichere wider den Willen der Autoren gewonnene experimentelle Beispiel gegeben, dass eine primäre Infektion, der Typhus, die Widerstands- fähigkeit des Körpers gegenüber einer zweiten, dem malignen Oedem^ verringert. Seitdem wurden ähnliche Beol^achtiingen sowohl experi- mentell (s. unten] wie klinisch ungemein oft gemacht, und wir dürfen die »sekundären« Pneumonieeu im Verlaufe von Typhus, Masern, Schar- lach u. s. w. wohl zum größten Teile hierauf beziehen. So zieht Roger 13 ^us seinen Beobachtungen über sekundäre Pneumokokken- affektionen im Verlaufe von Erysipel ebenfalls den Schluss, »dass das primäre Erysipel dem Pneumococcus, dem gewöhnlichen Bewohner der menschlichen Mundhöhle, ermöglicht den Organismus anzugreifen.« Dass in der That das Eindringen von fremden Zellen die normalen baktericiden Kräfte des Organismus herabsetzt, habe ich quantitativ durch Schütze & Scheller ^^ (g. dortselbst auch Litteratur) experimentell nachweisen lassen. Es bedeutet indessen der Umstand, dass wir in Se- und Exkreten des infektionskranken Menschen bakteriologisch mehrere Species von Mikroorganismen finden, noch nicht den sichern Beweis dafür, dass es sich dabei thatsächlich um eine bestehende Misch- oder Sekundärinfektion handelt. Denn es können der zweite oder die anderen l)akteriologisch neben dem primären Infektionserreger nachgewieseneu Mikroorganismen nur saprophytisch im Sekret oder einem anderen aus der Ernährung aus- geschalteten Nährbodeu vorhanden sein. Menge i^ unterscheidet dem- gemäß diesen Fall als Sekretsymbiose von den Fällen, in welchen zwei oder mehrere Infektionserreger thatsächlich in das Gewebe ein- gedrungen sind, der sog. Infektions- oder Clewebssymbiose. Es kann sich auch Gewebssymbiose mit Sekretsymbiose kombinieren. Der gleichen Ansicht, dass insbesondere für Tuberkulose der bakterio- logische Nachweis anderer Bakterienarten als der Tuberkelbazillen im Sputum des Kranken nicht genüge, um mit Sicherheit zu behaupten, dass es sich um eine echte Misch- oder Sekuudärinfektion bei dem betr. Falle handle, d. h. dass also die betr. Mikroorganismen wirklich aus dem kranken tuberkulösen Gewebe stammen und nicht etwa einfach im Sekrete wuchernd den Tuberkelbazillen mechanisch beigemengt wurden, begegnen wir in den Arbeiten von Schabad ^^, Schröder & Mennes ^^ Lannelongue & Achard 1^ und in der sehr ausführlichen ersten Publi- kation von Satans. Schröder & Menxes legen einen besonderen Wert darauf, ob die neben den Tub. Bac. im Sputum gefundenen Mikro- Misch- und Sekundärinfektion. 312. orgauismeu für Tiere virulent sind oder nicht. In letzterem Falle nehmen sie an, dass es sich um keine echte Gewehsniischinfektion sondern um saprophytische Beimengungen handle. Mit Recht weist dagegen Baum- GARTEN (Bemerkung zum Refer. Jahr.-Ber. 1898) darauf hin, dass von einer Virulenzprüfung für pyogene Mikroorganismen au Tieren kein Rückschluss auf das Verhalten im Menschen zu machen sei (cf Kap. Wesen der Infektion). Demgegenüber stehen andere Autoren, insbesondere die Schüler Kochs, Cornetis, Petruschky20 2i^ C. Spengler2223^ ferner Brieger2i und Brieger & Neufeld 25 sowie R. Pfeiffer ^^^^ und S ata 26=^ in seiner späteren Arbeit auf dem Standpunkte, dass man mittels bakterio- logischer Untersuchung des sorgfältigst nach der Kocii- KiTASATO sehen 26 Methode (cf. Kap. Untersuchungsmethoden] gewaschenen Sputums einen Rückschluss auf etwaige in dem Lungengewebe vorhandene Misch- oder Sekundärinfektion machen könne. Spengler (1. c.) drückt sich hierüber in der Art aus, »dass mit ganz wenigen Ausnahmen der bakteriologische Sputumbefund sich als getreues Spiegelbild der Lungeninfektion darstellt«. Ich muss mich auf Grund eigener Untersuchungen und Erfahrungen dem an- schließen. In allen Fällen, in welchen ich iutra vitam in der Mitte des sorgfältig gewaschenen Sputums außer den Tuberkelbazilleu zahlreiche Bakterien einer oder mehrerer anderer Species fand, konnte ich bei lokalen Fällen diese später auch in Schnitten im Lungengewebe nachweisen. Spengler (1. c. No. 23) legt bei der Untersuchungstechnik besonderen Wert darauf, dass nur ein Theil aus der Mitte des Sputumballens. der Sputum kern zur Untersuchung kommt. Dieser wird gewaschen, und falls man in diesem gewaschenen Sputumkerne neben den Tuberkel- bazillen noch in großen Mengen Bakterien einer anderen Species findet, welche sich durch Waschen nicht von den Tuberkelbazillen trennen lassen, so ist die Diagnose auf Gewebs-Mischinfektion gesichert. Das Kriterium dieser liegt also nach Spengler in der Untrenn- barkeit der Tuberkelbazillen und der Sekundärbakterien im Sputumkerne. Die von denT.-B. durch Waschen trennbaren Bakterien, die also aus dem Brouchialsekret z. B. stammen können, und in dem den Lungensputurakern umhüllenden Bronchialsekret sitzen, nennt Spengler Begleitbakterien. Die durch sie ausgelöste Infektion, z, B. die chro- nische Bronchitis der Phthisiker, bezeichnet Spengler zum Unterschiede von der echten Misch- und Sekundärinfektion in der Lunge und anderen Organen als Begleitinfektion. Was nun das Wesen und den Einfluss der Mischinfektion auf den Organismus angeht, so haben eine Reihe von Autoren die Ein- wirkung, welche die gleichzeitige Anwesenheit einer Bakterienart resp. deren Produkte auf eine andere im Organismus befindliche ausübt, experimentell untersucht und sind dabei für eine Reihe von Bakterien- associationen zu dem Resultate gekommen, dass sie für den Organismus günstig sind, indem die eine auf die andere durch Antagimismus ent- wickelungshemmend wirkt. Für andere Bakterienassociationen wurde dagegen im Gegenteil eine gegenseitige Virulenzsteigerung und damit ein schwererer Verlauf der betreffenden Infektion festgestellt. Zu der ersten Kategorie, den für den Organismus antagonistischen günstigen Mischinfektionen, gehört nach der Mitteilung von Emmerich 2' und Emmerich DI mattei 2* die Mischinfektion von Milzbrand mit Erysipelstreptokokken. Die 312 A. Wassermann. Autoren infizierten Kaninchen zuerst mit Erysipelstreptokokken, sodann mit Milzbrand; die Tiere blieben am Leben. Emmerich & Mattei glauben, dass die Erysipelstreptokokken nicht nur allein auf den Milzbrand entwick- lungshemmend im Organismus wirken, sondern sie sehen die Erysipelstrepto- kokken als immunisierendes Mittel für alle Infektionen an. Die Resistenz dauert so lange wie Erysipelstreptokokken im Blute kreisen, nach Di Mattei 3- — 10 Tage. Emmerich konnte sogar milzbrandkranke Kaninchen durch in- travenöse, nicht aber subkutane Injektion von Erysipelstreptokokken noch heilen. Zagari29 dagegen konnte durch vorherige Injektion der Erysipelstrepto- kokken nur eine Verzögerung des Todes der mit Milzbrand infizierten Kaninchen feststellen, einen heilenden Einfluss der Erysipelstreptokokkeu auf den Milz- brand, wie Emmp^rich, überhaupt nicht. Pawlowsky^i' konnte einen schützenden Einfluss von Erysipelstrepto- kokken, und ferner von FRiEDLÄKDER'schen Kapselbazillen, Prodigiosus und Staphylococcus auf Milzbrand feststellen, indessen nur, wenn die Milzbrand- infektion der Kaninchen subkutan erfolgte und er gleichzeitig oder kurz nach- her eine der obigen Bakterienspecies an den Ort der Milzbrandinjektion ein- verleibte. Am besten gelangen die Versuche bei Anwendung des Friedländer- schen Bacillus. Bei Infektion der Kaninchen mit Milzbrand von der Blutbahn aus konnte ein schützender oder heilender Einfluss seitens der gleichzeitigen Einverleibung der anderen Bakterienarten nicht mit Sicherheit bemerkt werden. Von acht Kaninchen, die gleichzeitig mit Milzbrand und FRiEDLÄKDER'schen Bazillen intravenös infiziert wurden, erlagen sechs der Milzbrandinfektion. Bouchard^i konnte durch Injektion von lebenden Pyocyaneusbazillen um die subkutane Injektionsstelle nach Milzbrandinfektion bei Kaninchen die Infektion hemmen. Woodhead & Wood 32 erreichten das gleiche mittelst sterilisierter Kulturen von Pyocyaneus, Blagovestscheksky^s konstatierte einen stärkeren Einfluss der lebenden als der sterilisierten Pyocyaneuskultur ebenso wie Bouchard34. Die Pyocyaneuskultureu müssen nach Blagovestschensky gleichzeitig oder kurz nachher und an die gleiche Stelle wie die Milzbrand- bazillen injiziert werden. Durch Vorbehandlung mit Pyocyaneus konnte kein Schutz gegenüber Anthrax erhalten werden. Buchner 35 hatte noch bessere Resultate mit der Injektion sterilisierter Kulturen des FRiEDLÄNDER'schen Kapselbacillus auf die Milzbrandinfektion von Kaninchen und Meerschweinchen. Während acht Kontrollthiere innerhalb 48 Stunden dem Milzbrand erlagen, konnte bei 21 Kaninchen, welchen ent- weder lokal in und um die Milzbrandinfektiousstelle oder auch an anderen Körperstellen sterilisierte Kulturen des Pneumobacillus injiziert wurden, eine Hemmung der Milzbrandinfektion beobachtet Averden. In elf Fällen erfolgte Heilung, in den zehn anderen wurde der Tod an Milzbrand um 3 — 4 Tage verzögert. Aehnlich war das Ergebnis an vier Meerschweinchen, v. Dungern ^6 konnte die BucHNER'schen Resultate bestätigen und feststellen, dass sterili- sierte Pneumobazillenkulturen schwächer hemmend wirken als lebende. KosT.JURiN & Krainsky^" wollen durch Fäulnisprodukte die Milzbraud- infektion günstig beeinflusst haben. Nach Hüppe & Wood 3S gelingt es mittelst subkutaner Injektion von Saprophyten Kaninchen gegen Milzbrand zu immu- nisieren, Gabritschewsky , Johnson '', Fkiedkkui-*^, Czekny-^'* u. a.). Es wurden indessen bei diesem Verfahren von R. Koch & PETRUSCHKy-''Oj KoRFF^i, V. Sematzki^2 ^ ^ SO wenig befriedrigende Resultate erhalten, dass dasselbe, ebenso wie das seiner Zeit von Emmerich & Scholl 53 zu dem gleichen Zwecke empfohlene Serum von Tieren, welche mit Erysipelstreptokokken infiziert waren, praktisch kaum mehr angewendet wird. Der Erysipelstreptococcus hatte überhaupt eine Zeit lang im Hinblick auf angeblich klinisch beobachtete Heihvirkungen seitens eines Erysipels auf andere Infektionen, das Schicksal gegen alle möglichen anderen infektiösen Aflektionen beim Menschen in das Feld geführt zu werden, so gegen Lues, geges Lupus u. a. Wir erwähnen diese Thatsachen der Vollständigkeit halber (Cazenave, Bazin, Hebra, Ricord). Ich habe jahrelang unter vielen anderen zwei Lupuskranke auf der Kranken- abteilung des Instituts für Infektionskrankheiten zu behandeln gehabt, welche an habituellem Erysipel litten und bei denen während dieser Zeit über zehn typische Erysipele über die lupöse Haut dahingingen. Ich habe auch nicht den geringsten therapeutischen Eflekt hiervon in Bezug auf die lupöseu Affek- tionen gesehen. Auch die Stoffwechselprodukte des Pyocyaneus wurden am Menschen zur Heilung andersartiger Infektionen angewendet. So von Rumpf ^-t gegenüber Typhus abdominalis. Kraus & Busweil ^5 sahen indessen keinerlei Erfolg hiervon. Auch dieses Verfahren wird heute wohl kaum mehr angewendet. Auch die Angabe von PEiiROXcnTO^fi, dass Milzbrandimpfnng gegen Tuber- kulose schütze, sei nur der Vollständigkeit halber hier angeführt. Betrachten wir die vorstehenden Versuchsresultate über die günstige Beeinflussung einer Infektion durch eine andersartige, so fallen dieselben zumeist in die Epoche der bakteriologischen Forschung, in welcher die Kenntnisse über den Mechanismus des Unterganges von lufelvtionserregern im lebenden Organismus und die dabei in Funktion tretenden streng spezifischen Substanzen noch sehr wenig vorgeschritten waren (s. Bd. III). Auch die Erfahrungen über das Tierexperiment mit pathogeneu Keimen waren nicht so große und verbreitete wie heute. Es ist uns heute durch die Arbeiten von Issaeff" bekannt, dass wir bei Tieren, welche gegenüber einer Infektion von Haus aus eine gewisse Kesistcnz besitzen, so dass wir, um diese Tiere tödlich zu infizieren, stets be- trächtliche Mengen des Infektionsmaterials einbringen müssen, wie Meer- schweinchen gegen Cholera und Typhus, Kaninchen gegenüber ^lilzbrand, diese Resistenz durch die der Infektion vorhergehende oder mit ihr gleichzeitige Injektion aller möglichen Substanzen sehr erhöhen köuneiL So wirken bei Meerschweinchen die vorhergehende oder gleichzeitige 314 A. Wassermann, Injektion von steriler Bouillon, Urin, normalem Serum u. 8. w. derart resistenzerhöhend, dass die Tiere ein vielfaches Multiplum der tödlichen Dose von Cholera oder Typhus vertrag*en. Ueber diese Kesistenz cf. Bd. III). Auf diese Weise erklärten sich die Schutz Wirkungen, die seiner Zeit Gamaleia^*, Klein ^^ mi(i Soberniieim ^o durch vorhergehende Injektion aller möglichen Arten von Bakterien gegenüber Cholera er- zielt hatten. In fast allen den vorstehenden Versuchen sind mm entweder Tier- arten verwendet worden, welche für die betreffende Infektion einen an- geborenen Grad von Eesisteuz besitzen oder es wurde ein Infektions- modus gewählt, der unzuverlässige Resultate giebt. Auch fehlen vielfach die Angaben über den Virulenzgrad der verwendeten Kulturen. Kontroll- versuche, ob nicht die Injektion indiflfereuter Substanzen, wie normales Serum u. s. w. den gleichen Einfluss hätten, wurden nicht angestellt. In der That sehen wir, dass Fodor^i den Milzbrand von Kaninchen auch mittelst subkutaner Injektion von Sodalösung heilen konnte, ohne dass man deshalb wird behaupten wollen, Soda sei eine antagonistische Sub- stanz gegenüber der Milzbrandinfektion. Dementsprechend sah Chor'^^ keinerlei hemmenden Einfluss von Soda auf die Milzbrandinfektiou bei Kaninchen, sobald er vollvirulente Milzbrandbazillen verwendete. Bei einem Teil der obigen Versuche, bei denen sehr emptängliche Tiere, wie in den SoLLEs'schen Versuchen tuberkulöse Meerschweinchen durch Streptokoken günstig beeinflusst worden sein sollen, liegen offenbare Irrtümer vor, da diese Befunde nie wieder bestätigt wurden. Wir müssen also mit der Annahme einer antagonistischen hemmenden und für den Organismus nützlichen Wirkung einer Bakterienspecies auf eine andere infektiöse im tierischen Organismus sehr vorsichtig sein. Für den Menschen liegt bisher überhaupt nicht eine einzige exakte Beobachtung vor, die uns erlaubte ein solches Factum anzunehmen. So ist auch der günstige Einfluss, den die mischinfizierenden pyogenen Kokken bei dem Milzbrandkarbimkel des Menschen ausüben sollen (Frank), nicht sicher erwiesen. Auch die Angabe, dass gewisse Infektionen andere aus- schließen, wie z. B. dass Tuberkulöse immun gegen Typhus seien, ent- spricht nicht den Thatsachen. Im Verlaufe des tieferen Eindringens in das Wesen der künstlichen Immunität und des Schutzes gegenüber den Infektionserregern w^urde dann auch dieses Arbeitsgebiet von den Autoren fast völlig verlassen. Erst in neuester Zeit haben Emmerich & Löw^''^^ wieder begonnen, allerdings in einer anderen Richtung, die Schutz- und Heilwirkungen experimentell zu untersuchen, welche gewisse Produkte einer Bak- terienspecies speziell des Bac. pyocyaneus auf die Infektion mit einer anderen Species auszuüben vermögen. Emmerich & Low nehmen auf Grund ihrer Untersuchungen an, dass die Bakterien bei ihrem Wachstume Enzyme bilden, welche die Bakterien zuerst zu agglu- tinieren und alsdann abzutöten und aufzulösen vermögen. Diese Bak- terienenzyme nennen sie Nukleasen. Die Nukleasen sind nach Emmerich & Low die Ursache, dass das Wachstum in einer Kultur nach einer gewissen Zeit aufhört und ein Teil der Bakterien zum Absterben und zur Auflösung gelangt. Es giebt Nukleasen, welche nur ihre eigenen Bakterienspecies aufzulösen vermögen, sogenannte konforme Nukleasen, und andererseits giebt es Bakterienarten, welche Enzyme bilden, die nicht nur das Protoplasma der eigenen Art, welches sie erzeugte, son- dern auch das fremder Bakterienspecies auflösen können, sogenannte Misch- und Sekundärinfektion. 315 lieteroforme Kukleasen. Das am kräftigsten wirkende der letzteren Kategorie bildet der Bac. pyocyaueus, das von den Autoreu als Pyo- cyauase bezeichnet wird. Auch der Diphtheriebacillus, Typhus, Schweine- rotlauf bacillus etc. bilden derartige proteolytische Enzyme, die Diph- therase, Typhase, Erysipelase u. s. f. Diese Enzyme bilden die Bakterien nach Emmekicii »\: Low nicht nur in künstlichen Kulturen, sondern auch im Organismus, und die künstliche Immunität beruht nach diesen Forschern auf der Bildung konformer Nukleasen im Körper. Ueber diesen Punkt wird ausführ- licher in Bd. III gesprochen werden. Hier interessieren uns haupt- sächlich die heteroformen Kukleaseu, also diejenigen enzymartigen Sub- stanzen von Bakterien, welche nicht nur das eigene, sondern auch das fremde Bakterienprotoplasma auflösen. Von diesen untersuchten Emmerich & Low am genauesten die schon erwähnte Pyocyanase. Dieselbe wird in der Art hergestellt, dass mehrere Wochen alte flüssige Pyocyaneuskulturen durch BERKEFELDSche Kiesel- gurfilter filtriert, im Yacuum bei 20 — 36° auf Vk, Volumen konzentriert mi(| 10—12 Stunden dialysiert werden. Durch Alkohol wird sodann aus der dialysierteu Flüssigkeit die Pyocyanase gefällt, welche leicht wasserlöslich ist. Die Pyocyanase ist ein proteolytisches Enzym, welches außerhalb des Organismus Milzbrand-, Typhus- und Diphtheriebazillen, sowie auch Fibrin "und Eiereiweiß aufzulösen vermag. Auch im Organismus be- hält nach Emmerich & Low die Pyocyanase ihre bakterientötende und auflösende Kraft. Man kann nach Angabe der genannten Forscher milzbrandkranke Kaninchen mittels Injektionen von Pyocyanase heilen, indem die Pyocyanase die Milzbrandbazilleu im Organismus auflöst. Auch Diphtheriegift zerstörend wirkt nach Emmerich c^ Low die Pyo- cyanase, so dass es ihnen gelang, diphtherievergiftete Meerschweinchen damit zu heilen. Zur Immunisierung gesunder Tiere gegenüber einer nachfolgenden Milzbrand- oder Diphtherieinfektion genügt die Pyocyanase allein nicht, da sie zum größten Teile im Körper zerstört oder ausgeschieden wird. Dieselbe muss, um im Organismus längere Zeit bleiben und kreisen zu können, nach Emmerich & Low mit einem Eiweißkörper des Tieres, mit dem Serum oder Organeiweiß, eine hochmolekulare Verbindung ein- gehen. Diese Verbindung nennen die genannten Autoren Nuklease-, resp. Pyocyanase-Immunproteidin. Die Autoren konnten diese Verbin- dung außerhalb des Organismus herstellen, indem sie Pyocyanaselösung mit frischem Einderblut, welchem 0,3^ Katriumoxalat und 0,4^^ Aetz- kali zugesetzt wurden, 6—8 Stunden bei 37° digerierten. Später verwendeten Emmerich & Low zur Immunproteidinbereitung statt des Blutes frische Milz, welche in sterilisierter Fleischhackmaschine fein zerteilt zu 3 — 5 g auf je 100 cc filtrierter, im Vacuum auf i/io Vol. konzentrierter und dyalisierter Pyocyaneuskultur zugesetzt wurde, statt des Aetzkalis wurden hierbei 0,3^ kohlensauren Kalis zugegeben. Das Präparat wird durch Zusatz von 0,2 X Trikresol haltbar gemacht. Das Nukleasen-Immun-Proteidin lässt sich ebenfalls durch die zehn- fache Menge Alkohols fällen, vorteilhaft ist es, vor der Füllung 1^ Dex- trin zuzufügen. Diese Pyocyanase-Immun-Proteidinlösung heilt nicht nur nach Emme- rich & Löw^, sondern immunisiert auch gegenüber Milzbrand, Typhus und Diphtherie. Der Impfschutz hält mehrere Wochen an. 316 A. Wassermann, Die Pyt»cyanase ist sehr hitzebeständig , selbst mehrstündiges Er- hitzen bei Siedetemperatur setzt ihre Wirksamkeit nicht herab, weshalb Dietriches und Klimoff^^ bezweifeln, dass die baktericiden Wirkungen derselben durch ein bakteriolytisches Enzym bedingt seien, vielmehr glaubt Dietrich dieselben als osmotische Wirkung erklären zu müssen. Demgegenüber halten Ejimerich , Low & Korschun ß' an der Enzymnatur der Pyoeyanase fest. Vaerst^s bestätigte die Versuche von Emmerich & Low betreffs der Heilwirkung der I'yocyanase und der immunisierenden Wirkung des Pyocyanase-Immunproteidins gegen- über Milzbrand bei Kaninchen, indessen ist erst eine zu kurze Zeit seit den betreffenden Pul)likationen verflossen, um bereits ein endgiltiges Urteil über die dabei in Frage kommenden Punkte abgeben zu können. Jedenfalls sind, wie wir aus den bisher berichteten Versuchen ersehen, die in den Tierexperimenten vorhandenen Umstände, unter welchen wir von gewissen Bakterieuassociationeu oder bestimmten Bakterienprodukten einen günstigen Einfluss auf den Verlauf von experimentellen Lifektionen ersehen, so verschieden von den bei den spontanen Infektionen beim Menschen beobachteten, dass ein Rückschluss in keiner Art erlaubt ist. Während wir, wie schon oben erwähnt, keine einzige Infektions- krankheit beim Menschen kennen, bei welcher eine andersartige Bak- terienassociation in nachweisbarer Weise einen günstigen Einfluss ausübt, ist es im Gegensatze hierzu leicht zu zeigen und eines der häufigsten Vorkommnisse, dass eine Misch- oder Sekundärinfektion einen schAve- reren Infektionsverlauf bedingt. Bei der großen Mehrzahl der verschiedenen Infektionskrankheiten können wir in einzelnen Fällen Sekundär- und Mischinfektionen beobachten; einzelne Arten, wie Diph- therie, Tuberkulose, Pest, Pocken, Scharlach neigen ganz besonders dazu und ausnahmslos ist dann in diesen Fällen der Krankheitsverlauf ein schwerer. Die Art und der Verlauf der Associationen von Mikro- organismen, welche wir bei Infektionen beobachten, ist ungemein viel- fältig. Wir können hierfür im großen und ganzen die von Babes & Cornil^'J aufgestellten Kategorieen beibehalten: 1. Association verschiedener Varietäten derselben Bakterienspecies (z. B. Staphylococc. aur. und alb.). 2. Konstante Association zweier verschiedener Bakterienarten (z. B. Diphtheriebazillen und Streptokokken, Tetanus und Eiterbakterien). 3. Association gleichartig pathogener Arten (z.B. bei Wundinfektionen, Streptokokken und mehrere Staphylokokkenarteu , Streptokokken mit Diplokokken, A. Baginsky^^ ]_ c_j_ 4. Association verschiedener Infektionserreger, hauptsächlich septischer Bakterien mit anderen Infektionserregern (z. B. Streptokokken mit Typhus, Cholera, Tuberkulose, Pocken, Pest, Scharlach, Masern oder auch nichtseptischer, wie Influenzabazillen, Pneumokokken, FRiEDLÄNDERsche Bazillen mit Tuberkelbazillen oder Pneumokokken mit Influenzabazillen). 5. Association eines pathogenen mit einem für gewöhnlich un- schädlichen Mikroorganismus (z. B. bei manchen Arten von Gangrän Streptokokken mit gewissen anaeroben Fäulnisbakterien, ferner bei der gangränösen Diphtherie Diphtheriebazillen mit anaeroben Fäulnisbakte- rien, das gleiche scheint nach den Untersuchungen von Freymuth & Petruschky'O bei Noma vorzuliegen. Ferner die Mischinfektion des KREiBOiiMSchen Bacillus crassus sputigenes, sowie von Pseudodiphtherie- bazillen mit Tuberkelbazillen, wie diese von Ehret ^i und Schütz "2 als nicht allzuseltenes Vorkommnis beschrieben wurde. Weiterhin die Asso- Misch- und Sekundärinfektion. 317 ciationen von Proteus und Streptokokken, wie sie A. Baginsky" be- schrieb, sowie Streptokokken und Staphylokokken mit PyocN'aneus. 6. Association von Bakterien mit Parasiten, welche keine Bakterien sind, z. B. Tuberkulose mit Aspergillus fumiii'atus, Dyscnteriebazillen mit Amöben (Krusk cSc Pasquale"'). Dabei kommen sehr häufig- Kom- binationen dieser Hauptkategorieen unter einander vor, so dass nicht nur zwei, sondern noch mehr Arten zusammen im Organismus auftreten, z. B. Tuberkelbazillen, Intluenzabazillen und Streptokokken (Petkuschky 1. c). So beschreibt A. Ba(jin8ky (I.e.) einen Fall, indem gleichzeitig- Masern, akute Miliartuberkulose und allgemeine Sepsis, infolge sekun- därer Infektion mit Streptokokken vorlag. -- Ich selbst habe auf der Krankenabteiluug des Instituts für Infektionskrankheiten einen Fall von Typhus bei puerperaler Se])sis und mit sekundärer Influenzapneumouie beobachtet. Bei der betreffenden Patientin konnten intra vitam Strepto- kokken im Blut, Typhusbazillen im Stuhl und Intluenzabazillen im Spu- tum nachgewiesen werden. Es ist daher bei der großen Mannigfaltig- keit eine erschöpfende Aufzählung der in praxi zur Beobachtung kom- menden und möglichen Misch- und Sekundärinfektioneu nicht zu geben. 7. Associationen von verschiedenen Protozoen, z. B. die gleichzeitige Infektion mit den Parasiten der Febris tropica und der Tertiana. Bezüglich der Verbreitung im Organismus seitens der die Bakterienassociation zusammensetzenden Bakterienarteu kön- nen wir folgende Hauptgruppen unterscheiden. 1. Bakterienassociatiouen bei welchen die verschiedeneu Arten lokalisiert bleiben, z. B. Tuberkelbazillen und pyogene Bak- terien beim Leichentuberkel. 2. Bakterienassociationen, bei welchen die primäre und sekundären Species sich im Organismus verbreiten (metasta- tische Mischinfektion, Menge 1. c.) z. B. Typhusbazillen und Strepto- kokken bei posttyphösen Eiterungen, Tuberkelbazillen und Streptokokken, Diphthcriebazilleu imd Streptokokken, Pneumokokken und Streptokokken, Pestbazillen und Streptokokken u. s. w. Derartige Fälle zeigen stets schweren Verlauf. So werden pleuritische Exsudate, in welchen gleich- zeitig mehrere Bakterienspecies nachzuweisen sind, fast ausnahmslos eitrig, falls dabei anaerobe Arten beteiligt sind, sogar jauchig. 3. Bakterienassociationen, bei welchen die primäre Art lokalisiert bleibt, die sekundären dagegen fortschreitende Verbreitung zeigen. Derartiges sehen wir im sogenannten Cholera- typhoid, das eine sekundäre Infektion des Cholerakranken mit septischen Mikroorganismen darstellt. So konnte Peretz'"^ durch Milzpunktion intra vitam bei Choleratyphoid pyogene Kokken in der ]\lilz nachweisen. Ferner sehen wir dieses häufig bei den sekundären septischen Affek- tionen, welche sich an Infektionskrankheiten anschließen, wie bei Masern, Scharlach, Typhus, Pocken, Diphtherie, Pest u. s. f., indem die ursprüng- liche primäre Infektion zum Stillstande und zur Abheilung gelangt, die sekundär eingedrungenen Mikroorganismen, am häufigsten Streptokokken aber sich weiter im Organismus verbreiten, so dass nun das ursprüng- liche Krankheitsbild vollständig verändert und in ein rein septisches umgewandelt wird. Bei solchen Fällen finden wir dann in den Kom- plikationen und Metastasen, die sich im Anschlüsse an die primäre Krankheit zeigen, nicht die primären Krankheitserreger z. B. bei post- typhösen odei" postdiphtherischen Eiterungen nicht den Typhusbacillus, oder Diphtheriebacillus, sondern ausschließlich die misch- resp. sekundär- infizierenden Bakterien, zumeist Streptokokken, welche sich im Organis- 318 A. Wassermann, mus verbreitet haben, imd die Ursaclie der Metastasen und Kompli- kationen wurden. Dass indessen in sehr vielen Fällen auch die primären und die sekundären Bakterienarteu gemeinschaftlich sich ver- breiten, so dass wir alsdann Typhusbazillen, Diphtherie- und Pestbazillen u. s. f. und pyogene Kokken gleichzeitig in den metastatischen Herden finden, ist bereits soeljeu erwähnt worden. Auch bei der krupösen Pneumonie können wir häufig feststellen, dass die eigentlichen Erreger, die Pneumokokken, in der Lunge ver- bleiben, während die mischinfizierenden Bakterien, zumeist Streptokokken, sich verbreiten, so dass wir in den Komplikationen, z. B. pleuritischen und perikarditischen Exsudaten, Meningitiden häufig nicht Pneumokokken, sondern nur Streptokokken, im primären Lungeuherde dagegen beide Arten nachweisen können. So konnte ich unter 24 genau bakterio- logisch untersuchten metapneumonischen pleuritischen Exsudaten in 9 Fällen ausschließlich Streptokokken im Exsudate nachweisen. Das gleiche berichtet E. Pfeiffer 'f' von den mischinfizierenden Bakterien bei Influenza. So konnte E. Pfeiffer unter drei nach Influenzapneu- monie aufgetretenen Pleuraempyemen einmal die Influeuzabazillen, welche massenhaft in der Lunge vorhanden waren, im pleuritischen Exsudate nachweisen, während in den beiden anderen Fällen je einmal der Fränkel -WEiciiSELBAUMSche Diplococcus und Streptococcus in Eein- kultur gefunden wurden. In diesen beiden Fällen war demnach die sekundäre Infektion weiter geschritten. In einem anderem Falle von Komplikation bei Influenza, Otitis media und Meningitis, fand E. Pfeiffer im otitischen Eiter lufluenzabazillen und Pneumokokken gemischt, im meningitischen Exsudate dagegen nur die Pneumokokken. Hier waren also bis zu einem gewissen Grade beide Arten, die primären Influenzabazillen und die sekundären Pneumokokken metastasiert, dann aber letztere allein. Ebenso ist bei Tuberkulose bisweilen eine weitere Verallgemeinerung der sekundären Streptokokken oder anderer mischinfizierender Bakterien als der Tuberkelbazinen im Organismus zu konstatieren. Petruschky (1. c.) berichtet über derartige Fälle, bei welchen post mortem eine all- gemeine Streptokokkenseptikämie bei nicht generalisierter Tuber- kulose gefunden wurde. Auch intra vitam konnte Petruschky bei Phthisikern Streptokokken im Blute nachweisen. Spengler (1. c.) berichtet über einen Fall von Tuberkulose mit Streptokokken-Mischinfek- tion, bei welchem eine Peritonitis exsudativa auftrat. In dem Exsudate konnten nur Streptokokken nachgewiesen werden. Michaelis & Meyer" fanden unter 10 positiven Blutbefuuden bei lebenden Phthisikern sechsmal Staphylokokken, einmal Streptokokken. Sie glauben, dass die meisten Phthisiker, bei welchen die Ehrlich- sche Diazoreaktion im Urin positiv ausfällt, an einer allgemeinen Misch- oder Sekundärinfektion leiden. Jakowski^s hat bei neun im hektischen Stadium befindlichen Phthisikern iutra vitam im Blute Bakterien nach- gewiesen und zwar fünfmal Staphylokokken, zweimal Staphylokokken und Streptokokken, zweimal Streptokokken allein. Auch Hewelke'9, Krause so und viele spätere Autoren hatten posi- tive Eesultate bei ihren Untersuchungen des Blutes hochfiebernder Phthi- siker auf sekundäre Bakterien. Mit Eecht weisen indessen Hewelke (1. c.) und Kühnau^i auf die Bedeutung der Methodik der Blutentnahme (cf. Kap. Untersuchungs- methoden) für die Zuverlässigkeit der bei solchen Untersuchungen ge- fundenen Eesultate hin. Misch- und Sekundärinfektion. 319 Weitaus die zuverlässigsten Resultate ergiebt die direkte Veneii- puuktion. Die PETRUSCHKYSche Bluteutnahme mittels sterilen Scliröpf- kopfes durfte nur in den Händen sehr geübter Untersucher einwandsfreie Befunde liefern, da bei ihr zu leicht saprophytisch auf der Haut lebende Mikroorganismen, besonders Staphylokokken, von der Hautwunde her sich dem Blute beimengen können. Ganz zu verwerfen ist die Blutentnahme zwecks kultureller Unter- suchung durch einfachen Hauteinstich. Hewelke (1. c.) hatte unter 27 Fällen, in welchen er das Blut durch Hauteinstich gevt^ann, 14 mal positive Resultate, in den gleichen 27 Fällen dagegen nur dreimal, als die Blutentnahme durch direkte Venenpunktion geschah. Daher ist den Untersuchungsergebnissen, bei welchen nicht mit einwaudsfreier Methodik gearbeitet wurde und bei welchen dann, wie es in der Regel heißt, »Staphylokokken verschiedener Art«, im Blute kulturell gefunden wurden, irgend ein beweisender Wert nicht beizulegen. Denn be- sonders Staphylokokken sind, wie erwähnt, die regelmäßigen Bewohner der Hautoberfiäche, seitens der Streptokokken ist dies weit weniger der Fall. Auch die Influenzabazillen, welche zu Zeiten von Influeuzaepidemieen neben den Streptokokken und Pneumokokken eine der häufigsten und verderblichsten Sekundärinfektionen bei Tuberkulösen bilden (R. Pfeif- fer, Petruschky, C. Spengler 1. c), entfalten bisweilen ein solches Wachstum bei Tuberkulösen, dass hinter ihren Wirkungen die primäre Tuberkulose völlig zurücktritt. Man findet alsdann bei der Obduktion weit ausgedehnte pneumonische Infiltrate mit Reinkulturen von Influenza- bazillen im Exsudate und Gewebe der Lungen. Mit Recht drückt sich R. Pfeiffer il. c.) bezüglich solcher Fälle dahin aus, dass dies Tuberkulöse sind, die an ihrer Influenza gestorben sind. Ebenso treten bei Diphtherie sehr häufig im Verlaufe der Krankheit die Misch- und Sekundärinfektionen, vornehmlich Streptokokken und anaerobe Fäulnisbakterien mit toxischen Wirkungen, vollkommen in den Vordergrund (Frosch *2j, Baumgarten *3 legt den Misch- und Sekuudärinfektionen bei gewissen Infektionskrankheiten, wie Diphtherie, Pocken, Typhus, sogar eine regel- mäßige Wirksamkeit beim Zustandekommen der bei diesen Infektionen zur Beobachtung kommenden typischen Gewebsveränderungen bei, in- dem er annimmt, dass die Bildung der Pseudomembranen bei Diphtherie, die Darmulzerationen oder Eiterungen bei Typhus (cf. Kap. Typhus- bacillus Bd. II), die Supi)uration der Pockenpusteln stets nur unter der Mitwirkung der sekundären Mikroorganismen zustande kommen könne. 4. Bakterienassociationen, bei welchen die primäre Art sich verbreitet, die misch- und sekundär infizierenden Spe- cies dagegen lokalisiert bleiben. Dies ist die am häufigsten zu beobachtende Kategorie. Bei allen Infektionskrankheiten finden wir, sobald entzündliche und ulzerative Veränderungen sich an Stellen des Körpers befinden, die mit der Luft kommunizieren, wie schon oben erwähnt, neben den ])rimären Infektions- erregern stets noch andere Bakterienarten, so in den typhösen Darm- ulzerationen Streptokokken, Bact. coli und andere, bei den meisten Fällen von Influenza neben Influenzabazillen, Pneumokokken und Streptokokken, um einige Beispiele anzuführen. Der gewöhnliche Verlauf ist dann derart, dass die primären Infektionserreger allein sich weiter verbreiten, die übrigen Arten aber lokalisiert bleiben, oder doch eine w^eniger ausge- 320 A.Wassermann, breitete Verbreitung zeigen. Auch bei Tuberkulose ist der häufigste Be- fund, welchen man l)ei Schnittuntersuchungen von Cavernenwandungen erheben kann, der, dass die sekundären Bakterien nur eine Strecke weit vom Kavernenrande her in das Gewebe eingedrungen sind. Die allgemeine metastatische oder gar septikämische Verbreitung der Misch- und Sekundärinfektioneu, von der sub 2 und 3 gesprochen wurde, stellt demnach wohl stets eine mögliche Gefahr, aber glücklicherweise immerhin die Ausnahme bei den so häufig in praxi zur Beobachtung kommenden Misch- und Sekundärinfektionen vor. Stets sind dieses dann allerschwerst verlaufende Fälle, bei denen man zumeist in die Lage kommt, die intra vitam gestellte bakteriologische Diagnose in Autopsia bestätigen zu können. Was die Häufigkeit der einzelnen Mikroorganismen-Asso- ciationen angeht, so ist bereits aus dem oben Gesagten zu entnehmen, dass wir zumeist pyogen e Kokken und unter diesen wiederum die Streptokokken als häufigste Misch- und Sekundärinfektion bei allen möglichen Infektionskrankheiten antreffen. Nach dem übereinstimmenden Urteil aller Autoren (CürnetS^ Petrusciiky, Spengler 1. c, Vincent*'^), ist die begleitende Streptokokkeuinfektion auch stets weit gefährlicher und ungünstiger für den Verlauf, als diejenige mit anderen pyogeneu Mikroorganismen z. B. Staphylokokken. Nächst diesen Bakterienarten treffen wir am häufigsten Pneumo- kokken, sowie Bacterium coli -Arten, ferner zur Gruppe der Fried- LÄNDERSchen Bazillen gehörigen Kapselbazillen, letztere besonders bei Infektionen des Nasenrachenraumes, sowie zu Zeiten von Influeuza- epidemieen Influenzabazillen als Ursache der Misch- und Sekundär- infektion. In seltenen Fällen können, wie leicht erklärlich, alle möglichen anderen Associationen zustande kommen. So berichtet Danielssen*« und nach ihm viele andere Autoren über das gleichzeitige Vorkommen von Lepra und Tuberkulose, weiterhin treten zu puerperalen Strepto- kokkenaffektionen nicht allzu selten sekundär echte durch den Löffler- schen Diphtheriebacillus verursachte diphtherische Wundinfektionen so- wie anaerobe Bakterien hinzu, so dass das Bild der gangräneszierenden Wunddiphtherie entsteht, während, wie erinnerlich, das Verhalten bei der gemeinen Diphtherie ein umgekehrtes ist, indem hier sekundär zu den Diphtheriebazillen Streptokokken und anaerobe Bakterien sich zu- gesellen. Nach den Beobachtungen Slawyks^t ^uf der HEUBXERSchen Kinderklinik kommen ferner relativ häufig Misch- und Sekundär- infektionen von echten Diphtheriebazillen bei Masern und seltener bei Scharlach vor. Ebenso können zu Influenzabazillcn bei ausgebreiteten nicht in Resolution übergehenden Influenzapneumonieen sekundär Tuberkelbazillen hinzukommen, so dass eine käsige Pneumonie entstellt (R. Pfeiffer 1. c.) Kurz, alle beobachteten und möglichen Mikroorganismeu-Associationen sind im Rahmen dieses Kapitels überhaupt nicht völlig zu erschöpfen. Für jüngere und nicht genügend erfahrene Bakteriologen möchte ich indessen nochmals hier auf die Gefahr aufmerksam machen, welche die mischinfizierenden und sekundären oder die einfach in den Sekreten saprophy tisch lebenden Bakterien bei Infektionskrankheiten, deren spezi- fische Erreger uns noch unbekannt sind, wie bei den akuten Exanthemen, Syphilis, Gelenkrheumatismus u. s. w. bei der Suche nach den Erregern dieser Affektionen bieten. — Besonders die Anfängern nicht so bekannten Misch- und Sekundärintektion. 321 Saprophyten wie die zur Klasse der Xerose und Pseudodiplitheriebazillen gehörig-eu Bakterien sowie die Smegmabazilleu, welche man in allen mög- lichen pathologischen aber auch normalen Se- und Exkreteu schmarotzend finden kann, sind schon häufig als spezitische Erreger angesehen worden. Wie wir aus den bisherigen Beobachtungen über Misch- und Sekundär- infektionen beim Menschen ersehen haben, können wir diesen schäd- liche Wirkungen auf den Verlauf einer Infektion zuerkennen, worauf bereits Eiiklicii im Jahre 1882 aufmerksam machte (Char. Ann. VII. Jahrg., S. 223). Diese können auf die mannigfachste Art zustande kommen, worüber vielfach experimentell gearbeitet wurde. Vor allem kann durch die Bakterienassociation die Virulenz gegenseitig gesteigert werden. So zeigte Monti**, dass die gleichzeitige Einverleibung von sterilisierten Proteuskiilturen die Virulenz von Pneumo-, Strepto- und Staphylokokken er- höht. Nach RoNKALi'^^ sollen Bakterien auf tetauusgifthaltigen Nährböden gezüchtet au Virulenz stark zunehmen. Nach Fessler'J'' sollen lebende Prodigiosuskultureu virulenzsteigernd auf Streptokokken wirken , das gleiche zeigten für Streptokokken und andere pyogene Mikroorganismen durch die Kombination mit verschiedenen Arten lebender Eiterungserreger und Sapro- phyten Gkawitz"! x^jifi TiioMBETTA '■'■-. Ebcuso wird nach Pane'J^ un,j Mühl- MANN^i ([ie Virulenz von Pneumokokken durch gleichzeitige Verimpf ung mit Milzbrand, nach Mosny-J-^ auch durch Association mit Staphylokokken im Tier- experimente erhöht. Sehr eingehende experimentelle Untersuchungen liegen über den virulenzsteigeruden Eintluss der Association von Streptokokken und Diphtheriebazillen vor. So zeigten Roux & Yersix-^", dass bei der gleichzeitigen Injektion von Streptokokken und einer abgeschwächten für sich allein nicht mehr tridlichen Diphtheriekultur die Meerschweinchen rasch an Diphtherie zu Grunde gingen. Sie schließen daraus, dass die Streptokokken einen erhöhenden Eintluss auf die Virulenz der Diphtheriebazillen ausüben. Zum gleichen Schlüsse ge- langen Schneiderst, Funckes und spätere Autoren. Barbier '^'J schreibt auf Grund seiner Tierexperimente der Mischinfektion zwischen Streptokokken und Diphtheriebazillen eine ausschlaggebende Bedeutung für die Ausdehnung der Pseudomembranen zu, zu den gleichen Ergebnissen gelangt HilbektI*^". Einen abweichenden Standpunkt nimmt v. Düngern ^'^•''^ ein, indem er bei der Association zwischen Diphtheriebazillen und Streptokokken nicht die Virulenz der ersteren, wohl aber die der letzteren gesteigert findet. Bezüglich des Einflusses mischinfiziereuder Bakterien auf Tuberkelbazillen teilen Baumgarten loi und Pawlüwsky ^^- mit, dass die gleichzeitige Ein- verleibung von Eiterbakterien den Verlauf der experimentell erzeugten Tuber- kulose akuter gestaltet. Das gleiche erzielt nach Vincent io3 ^[q Kombination von Streptokokken mit Typhus bei Experimenten an Kaninchen. A. Wassermann "^^ dagegen konnte sich bei seinen Experimenten an Meerschweinchen nicht von einem virulenzsteigernden Eiufluss der Streptokokken auf Typhusbazillen ü))erzeugen, vielmehr sieht er die Ursache des schwereren Verlaufes bei Miscliinfektion von Streptokokken und Typhus in einer direkten Summieruug der beiden Schädlichkeiten. — Nach Metschnikoff (1. c.) wirkt eine dem Bact. coli ähn- bche Bakterienart, sowie Sarcina ventriculi wachstumsbegünstigend auf Cholera, während andere Bakterien (s. oben) hemmend wirken. Auch Sanarelli ^<>5, Bl achstein & ZuMFT^oe^ Agro^ov^ Lew & Thomas i*'* ziehen aus ihren Experimenten den Schluss, dass Mischinfektionen mit Bakt. coli und anderen Handbucli der pathogenen Mikroorganismen. I. 21 322 A. Wassermann, Bakterien , Levy & Thomas mit Proteus die Virulenz von Typhus und Cholera steigern. Besonders eingehend wurde experimentell der Einfluss geprüft, welchen die gleichzeitige Anwesenheit von anderen Bakterien, Staphylokokken, Pro- digiosus und anderen Saprophyten auf die Wirksamkeit von anaeroben In- fektionserregern ausübt. So konnten Yaillard & Rouget (1. c, s. oben) zeigen, dass durch Waschen vollständig giftfreie Tetanussporen überhaupt keinen Tetanus erzeugen, wohl aber wenn sie zugleich mit anderen aeroben Keimen, Avie dies bei den natürlichen Infektionen mit tetanussporenhaltigem Materiale immer der Fall ist, in den Körper gelangen. Auch für malignes Oedem und Rauschbrand konnte experimentell eine Begünstigung der Infektiosität durch gleichzeitig beigemischte aerobe Sapro- phyten gezeigt werden (Roger 1^9^ Penzo^^o^ Besson^h). Nach Pasteur haben dabei die mischinfizierenden aeroben Arten die Rolle inne, dass sie durch Aufzehren des Sauerstoffes den anaeroben Arten günstige Lebens- und Vermehrungsbedingungen schaffen, nach Kedrowski^i^^ aber sollen daneben die mischinfizierenden aeroben Bakterien bei ihrer Vermehrung eine besondere Substanz ausscheiden, auf Kosten deren das Wachstum der Anaeroben vor sich geht. Wir ersehen sonach aus den vorstehenden Versuchen, dass infolge Bakterienassociation die Virulenz von Infektionserregern, wenigstens im Tierexperimente gesteigert werden kann (cf. die Arbeit Fünck's über Dipht.-Ötreptok -Mischinfektionen). Damit stimmen auch manche Be- obachtungen am Menschen überein, die wir bei Misch- oder beim Ein- tritt von Sekuudärinfektioneu maclieu können. — So tritt bei Tuber- kulösen, völlig im Einklänge mit den oben erwähnten Tierexperimenten von Baumgarten, im Anschlüsse und unter dem Einflüsse einer Sekundär- infektion, gewöhnlich eine mehr oder minder beträchtliche frische und vermehrte Aussaat neuer Tuberkelknötcheu auf. Indessen ist dieser indirekte Weg, d. h. die Virulenzsteigerung des primären Infektionsstoffes nicht die einzige und nicht einmal die wichtigste Ursache der deletären Wirkung von Misch- und Sekundärinfektionen beim Menschen. Vielmehr ist die Wirkung der Misch- und Sekundärinfektion in den schwereren Fällen vor allem die, dass sich neben einer Infektion bei dem gleichen Individuum nunmehr eine unabhängig einhergehende zweite, oder falls es sich um eine multiple Misch- oder Secundärinfektion handelt, sogar noch eine dritte entwickelt. Dabei können aller- dings durch die kombinierte Wirkung der Infektionserreger Störungen im Organismus auftreten, zu denen jede einzelne Art für sich allein nicht befähigt ist, ein Punkt, auf welchen Pesina & Houli^^ besonderes Gewicht legen. Dies ist ganz besonders wichtig bei solchen Infektions- krankheiten, die wir durch spezifische (cf. Kapitel ,,Spezifizität") Mittel therapeutisch bekämpfen wollen, worauf für die Behandlung der Tuber- kulose mittels Tuberkulins vornehmlich R. Koch und seine Schüler hingewiesen haben. — Es ist ohne weiteres einleuchtend, dass ein aus Tuberkelbazillen gewonnenes Präparat nur auf eine durch Tuberkelbazillen hervorgerufene Infektion, nicht aber auf die neben dieser einhergehenden heterologen Infektionen wirken kann. Dasselbe gilt für das Diphtherie- serum, welches ebenfalls nur Produkte der Diphtheriebazillen, niemals aber die Misch- und Sekundärinfektionen, Streptokokken, anaerobe Bak- terien irgendwie in ihr^r Thätigkeit im Organismus beeinflussen kann. Misch- und Sekundärinfektion. 323 Durch das Hinzukommen einer zweiten oder bisweilen auch dritten Infektion wird das Krankheitsbild infolge der Summiernng und Kombination der Wirkungen der einzelnen Infektionserreger ein neues*). Am eingehensten hat diese Punkte für die Misch- und Sekundärinfektion bei Lungentuberkulose Ortner i^e im WEiCHSELBAUMschen Institute untersucht. Ortner konnnt auf Grund dieser Untersuchungen zu dem Schlüsse, dass die Lungenphthise durch die kombinierte Aktion verschiedener Krankheitserreger, der Tuberkel- bazillen einerseits, der Pneumonie — und Eiterkokken andererseits zustande kommt. Die in den phthisischen Lungen stets vorhandenen exsudativen pneumonischen Herde sind nach diesem Autor immer die Folge der misch- und sekundärinfizierenden Bakterien, vor allem von Diplokokken, welche Ortner Micrococcus pneumoniae nennt. „Man muss" nach Ortner „in der tuberkulös affizierten Lunge zweierlei pathologische Prozesse auseinanderhalten, jene der Bildung von Tuberkeln und jene der Entwicklung pneumonischer Prozesse. Beide sind ätiologisch von einander verschieden. Denn die bei Lungentuberkulose so häufig vorkommenden pneumonischen Prozesse sind Produkte der Thätigkeit der misch- und sekundärinfizierenden Bakterien, die Tuberkeln jener des Tuberkelbacillus." A. Fränkeli^^ dagegen möchte die Bedeutung der sekundären Mikroorganismen bei Lungentuljerkulose auf besondere Formen von pneumonischen Herden bei Phthisikern einschränken, bei welchen das Exsudat, zum Unterschiede von den durch den Tuberkel- bacillus hervorgebrachten, reichliche Eiterzelleu einschließt. Den Ueber- gang von Streptokokken in das Blut bei tuberkulösen Sekundärinfektionen (s. oben) hält Fränkel für sehr selten; er glaubt, dass das hektische Fieber ,,die Streptokokken-Curve", bei Phthise durch Resorption von toxischen Produkten der Streptokokken hervorgebracht werde. Besonders schön tritt dieses Nebeneinanderhergehen von Tuberkulose und Mischinfektion in einem Falle von gemischt tuberkulös eitriger Meningitis hervor, den Pesina & Horli^'* anführen. Es fanden sich neben dem Tuberkelbacillus in dem meningitischen Eiter der Diplo- coccus lanceolatus: und zwar überwogen an der Basis die Tuberkel- bazilleu, an der Konvexität die Diplokokken, also entsprechend den biologischen Eigenschaften, die wir von jedem einzelnen dieser Infektions- erreger kennen. Auch für andere Infektionskrankheiten, als die Tuberkulose, wurde auf dieses unabhängige Nebeneinandergehen der sekundären Infektion als Hauptursache für die im Verlaufe der Mischinfektion auftretende Er- schwerung des Krankheitsverlaufes hingewiesen. So bei den im Ver- laufe von Typhus abdominalis bisweilen auftretenden schweren sekun- dären Infektionen mit Streptokokken von A. Wassermann (1. c). Durch die Hinzuaddierung des den Streptokokken eigentümlichen Krankheitsbildes zu dem primären bekommt dieses alsdann den Ausdr.uck des »septischen«, bei Tuberkulose sehr häufig den des sogen, »hektischen«. Ja, wie schon oben erwähnt, kann das sekundäre Bild vollkommen in den Vordergrund treten, während die primäre Infektion zum Stillstand gelaugt oder sogar völlig abgeheilt ist, sodass die betr. Individuen nur mehr an ihrer Misch- und Sekundär- *) Nicht in allen Eällen muss indessen eine Sekundärinfektion besondere kli- nische Symptome, bei Tuberkulose z. B. Fieber, machen. — Diese Fälle bezeichnet C. Spengler 1. c; als ^passive Mischinfektion« im Gegensatze zur »aktiven«, die sich stets in einem Einflüsse auf das Krankheitsbild bei Tuberkulose äußert. 21* 324 A. Wassermann, infektion leiden und nicht allzuselten daran zu Grunde gehen. Es sind dies die Fälle, die wir nicht allzuselten nach schweren Infektionen von Scarlatina, Typhus, Diphtherie, Pest u. a. m. unter den Erscheinungen der Sepsis sterben sehen, und bei denen wir sodann im Blute und allen Organen massenhaft Streptokokken, von den primären Krankheitserregern aber nichts mehr finden. Die Dauer der Misch- und Sekundärinfektionen kann, be- sonders bei Tuberkulose eine sehr lange sein. So sind Fälle beschrieben worden, und ich selbst habe solche beobachtet, in denen bei Phthisikern die sekundär infizierenden lufluenzabazillen über ein Jahr lang stets im Kavernensputum nachgewiesen werden konnten. Andererseits in- dessen sind eine große Anzahl gut beobachteter Fälle von Tuberkulose bekannt, (Spengler 1. c. Zeitschrift f Hyg.), bei welchen eine vorher sicher nachgewiesene Sekundärinfektion wieder schwand. Litteratur. 1 BucHKER, Dtsch. Vierteljahrs-Schr. f. üffentl. Ges.-Pfl., Bd. XXV. 1893. — — R. Pfeiffer, Ztschr. f. Hyg. und Inf., Bd. 16. — 3 Vaillaed & Rouget, Ann. Pasteur, 1892. — * Strick" Inang.-Diss., Bern 1898. — 5 Brieger & Ehrlich, Berl. klin. Woch., 1880. — f' Baumgarten, Bern, zu Refer. üb. Mery, Jahr.-Ber., 1897. — " R. Koch, Aetiologie der Tuberkulose, Mitt. a. d. Kais. Ges. A., Bd. 2. — ^ Vincent. Bulletin med., 1892. — '■> A. Wassermann, Char. Ann., Bd. 19. — 1" Kruse & Pasquale, Ztschr. f. Hyg. und Inf., Bd. 16. — " Lesage & Macaigne, Ann. Pasteur, 1893. — i- Schütze & Scheller, Ztschr. f. Hyg. uud Inf., 1901. — 13 Roger, Rev. de med., 1895. — i* Menge. Ref. nach Baumgarten. Jahr.-Ber. 1897, S. 156. — 15 Schabad, Ztschr. f. klin. 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Fränkel, Berl. klin. Woch.. 1898. VI. Infektion und allgemeine Reaktion. Von Dr. Ferdinand Blumenthal, Privatdozent in Berlin. Das Gebiet der Infektiou und allgemeinen Reaktion ist ein so um- fassendes, dass es tief eingreift in die Darstellung- der allgemeinen patholo- gischen Anatomie, der pathologischen Chemie und die Lehre von der Bio- logie der Bakterien. In dem mir gegebenen Rahmen ist eine erschöpfende Behandlung des Themas nicht möglich, auch an dieser Stelle nicht nötig, da die einzelnen Veränderungen im Organismus, welche durch die Infektion gesetzt werden, sowie die einzelnen reaktiven Vorgänge ausführlich in den hierfür bestimmten Kapiteln beschrieben werden. — Meine Aufgal)e habe ich deshalb so aufgefasst, alle diese getrennt be- schriebenen Vorgänge in Kürze zusammenfassen und ihre Beziehungen zur klinischen Medizin zu beleuchten, so dass das Kapitel Infektion und allgemeine Reaktion zwar nicht alle Fragen und diese erschöpfend, so doch als einheitliches Ganze vom Standpunkt der klinischdn Medizin behandelt. Die einzelnen Fragen werden in den entsprechenden Kapiteln dieses Buches eingehend besprochen werden. Das Eindringen von Infektiouskeimen oder deren Stoffwechselpro- dukten in den Organismus erzeugt Veränderungen, welche in der ver- schiedensten Weise auftreten können. Es sind dies Veränderungen pathalogisch-anatomischer oder chemischer Natur, welche in den Zellen und Säften hervorgerufen werden. In diesen Veränderungen erblicken wir das Wesen der Infektion und in dem Kampfe, welchen die Zellen des Organismus gegen die Infektionserreger beginnen, in dem Wider- stand, den sie leisten, um die Wirkungen der toxischen Erzeugnisse abzuschwächen und zu vernichten, die Reaktion des Körpers auf den Infektionsprozess. Die reaktiven Vorgänge im Organismus sind teils allgemeiner Natur, d. h. es treten dabei Erscheinungen zu Tage, welche bei den verschiedensten Infektionen immer dieselben sind, teils sind sie spezifisch, indem sie sich nur an die Infektion bestimmter Mikroorganismen an- schließen, d. h. es erfolgen ganz bestimmte reaktive Prozesse auf das Eindringen ganz bestimmter Mikroorganismen. Die Art der Reaktion des Organismus ist nun nicht bloß abhängig von der Intensität des Wachstums der Krankheitserreger oder der Menge der Gifte, welche sie bildete, sondern es ist von großer Bedeutung, an Infektion und allgemeine Keaktion. 327 welchem Orte die lufektion stattfindet; ob es sich um eine Infek- tion in einem lebenswichtigen Organe handelt, oder um eine solche, die sich über den ganzen Körper verbreitet; ob in der Nähe des giftemphnd- lichen Centrums oder in dessen Entfernung. So sehen wir ganz intensive Erysipele ohne jedes Fieber verlaufen, während in anderen Fällen sehr hohe Grade von Temperaturerhöhung beobachtet werden. In beiden Fällen sind es dieselben Streptokokken, welche wir aus dem Krankheitsherd züchten, und sell)st an den gezüchteten Streptokokken vermögen wir kaum einen Unterschied zu entdecken in dem Grade der Virulenz derselben. Aber die klinische Beobachtung hat gerade beim Erysipel gelehrt, dass für die Entstehung des Fiebers der Sitz des Prozesses eine große Rolle spielen kann. Erysi})ele an den Extremitäten sind häufig fieberlos, Gesichtserysipele machen in den weitaus meisteh Fällen nur ein mäßiges Fieber zwischen 38° und 39", aber die Kopferysipele gehen fast stets einher mit den höchsten Temperaturen über 40". Es wäre also ver- fehlt zu behaupten, das Erysipel verliefe immer in einer ganz be- stimmten Weise oder habe eine l)estimmte Temperaturkurve. Woher kommt dies nun? Es ist leicht zu begreifen, dass ein Erysipel an den Extremitäten weniger Fieber erzeugt, als ein solches auf der behaarten Kopfhaut, wenn wir annehmen, dass das Fieber hervorgerufen wird durch einen toxischen Eeiz des Wärmecentrums (AROxsOHN-SACHSscher Fieberstich). Es werden die toxischen Produkte, welche an den Extremitäten durch die Erysipelkokken gebildet werden, durch die Körperfiüssigkeit verdünnt, bis sie zu den fiebererregenden Zentren ge- langen; dagegen kommen die von der Kopfhaut resorbierten Toxine in konzentrierter Form zu den Meningen und dem Cerebrum. Hinzugefügt muss noch werden, dass eine Entzündung der Kopfhaut eine weitaus größere Störung für die Zirkulation im Gehirn bedeutet, als eine Ent- zündung an den Extremitäten. Auch bei anderen Erkrankungen, wie z. B. bei der Tuberkulose, sehen wir, dass sie bald mit höherem Fieber vergesellschaftet ist, bald aber ganz fieberlos verläuft. Nicht der Ort allein der Infektion ist hier das Ausschlaggebende, nicht die anatomische Ausdehnung des Prozesses, da es nicht selten vorkommt, dass von zwei Phthisikern mit gleich großen Kavernen, gleich virulenten Tuberkelbazillen, der eine ein hohes Fieber zeigt, der andre dagegen nicht. Hier kann es nicht der Tuberkelbacillus sein, der das Fieber hervorruft, sondern es müssen andere fiebererregende Mikroorganismen — Staphylokokken und Streptokokken — sich zu dem Tuberkell)acillus hinzugesellen , damit das Fieber zustande kommt. Das Fieber kann also der Ausdruck sein einer Mischinfek- tion. Damit ist aber nicht gesagt, dass jede Mischinfektion Fieber hervorruft. Es kann sogar das Hinzukommen eines an und für sich pathogenen Mikroben zu einem zweiten ebenfalls pathogenen etwas Günstiges bedeuten. So wissen wir aus den Untersuchungen von Emme- rich ", dass die gleichzeitige Impfung von Erysipelkokken die Wirkung der Milzbrandbazillen abschwächt, ja er konnte sogar durch intravenöse Einspritzung von Erysipelkokken ausgebrocheneu Milzbrand, der aller- dings durch wenig virulente Kulturen bedingt war, heilen. Den gleichen Effekt erzielte Bouchard*' durch Pyocyaneusinjektion und Buchner" durch sterilisierte Kulturen des Friedländerschen Bacillus. Ferner hat man in den Hefekulturen ganz im allgemeinen Antagonisten gegen ver- schiedene Bakterien erkannt, so gegen Staphylokokken bei Furuuculosis, 328 F. Blumenthal. gegen Gonokokken bei der Urethritis (Th. Landau). Es ist nicht aus- geschlossen, dass dies auf der durch die Hefenukleinsäure hervorgerufene überaus starke Hyperleukoeytose beruht. In neuester Zeit hat Biex- STOCK ^ darauf aufmerksam gemacht, dass eine so schwer zu erklärende Thatsache, wie die, dass Milch so selten stinkende Fäulnis eingebt, zum großen Teil auf der antagonistischen Wirkung der aeroben Proteus vulgaris^ des Friedländerschen, des Milchsäurebacillus gegenüber den Anaerobien beruht. Eine befriedigende Erklärung für diesen Antagonismus und seine Wirkung giebt es bisher nicht. Vielleicht handelt es sich um eine Ver- änderung des Nährbodens durch einen Mikroben, so dass der andere nun nicht mehr seine Lebensäußerungen, so weit diese für den Organis- mus pathogen sind, ausüben kann. Nun entsteht die Frage, welche Bakterienprodukte sind es, die das Fieber hervorrufen, denn dass die lebenden Bakterien hierzu nicht in das Cerebrum oder in die Meningen zu geraten brauchen, dürfte unbe- stritten sein. . Gar niclit selten finden wir nach Einverleibung von Toxinen eine Temperaturerniedrigung eintreten, statt einer Temperaturerhöhung, und wir erfahren aus den Untersuchungen von Cour:mont & Pehui^ dass z. B. Intoxikationen mit Tetanusgift bei der einen Tierart — Kaninchen — meist Temperatureruiedrigung und bei der anderen Tier- art — z. B. Hund und Ziege — Temperaturerhöhungen hervorbringen. Es sind also nicht alle emptanglichen Tierarten in ihrer Reaktion auf die Vergiftung gleich von Natur ausgestattet. Ja selbst bei derselben Tierart kann die Reaktion in Bezug auf das Fieber bei Vergiftungen eine völlig verschiedene sein. So tritt beim Menschen meist nach der Vergiftung mit ^Medikamenten eine Temperaturerniedrigung ein, z. B. nach Salicylsäure, aber dieselbe Substanz kann auch, in den Organismus ge- bracht, hohes Fieber hervorrufen. Die Reaktion ist also auch bei der- selben Tierart in hohem Grade abhängig von dem Zustand des tierischen Organismus selbst, was wir als Disposition bezeichnen. Bei kleineren Tieren zeigt sich dies allerdings weniger, als bei hochorganisierten, wo ausser der Körperkonstitution die Psyche eine nicht zu unterschätzende Rolle für die Reaktionskraft des Organismus spielt. Man hat sich darüber gestritten, welcher Natur die fiebererregende Substanz ist, da die gewöhnlichen Stoffwechselprodukte der Bakterien, das Phenol, Indol u. s. w. fast stets Temperaturerniedrigung bei den gewöhnlichen Laboratoriumstieren machen. Es zeigte sich bald, dass ein Teil der fiebererregenden Stoffe in den Bakterienleibern selbst vorhanden ist. So hat Büchner" in den Bak- terienleibern des Staphylococc. aureus Stoffe gefunden, die eine starke fiebererregende Wirkung aufweisen. Auch Robert Koch hat in dem Tuberkulin aus den Tuberkelbazilleu einen Eiweißkörper dargestellt, welcher ebenso wie das Mallem (Milzbrandbazillengift) Fieber hervorruft. Das Tuberkulin hat aber die interessante Eigenschaft, fast ausschließ- lich bei den Tuberkulösen die Temj)eraturerhöhung zu machen, wohl des- halb, weil nur bei diesen ein reaktionsfähiger Herd vorhanden ist. Ein besonderes Interesse beansprucht das von CENTANNi^^aus flüssigem peptonlosen Nährboden dargestellte Pyrotoxin, dass er aus Pneumo-, Staphylo- und Streptokokken gewonnen hat, sowie aus den Milzbrand-, Tetanus-, Typhus-, Diphtherie-, Cholera-, Tuberkelbazillen. Alle diese dargestellten, mit dem Namen Pyrotoxin bezeichneten Körper sind da- durch charakterisiert, dass sie Fieber erregen, und zwar folgt erst ein Infektion und allgemeine Reaktion. 329 Stadium der Temperaturerniedrig:uiig, wobei die Temperatur um IV2" heruntergeht; dann folgt eine Temperaturerhöhung bis auf 41,5", die aber schon nach 2 Stunden ihre Höhe erreicht hat. Aber nicht bloß Fieber folgt nach der Einspritzung von Pyrotoxin, sondern auch Diar- rhöen, Beschleunigung der Herzaktion, Dyspnoe, Benommenheit u. s. w. Wir sehen also," dass das Fieber eine sehr verschiedene Be- deutung haben kann. Es kann 1) das Vorhandensein von bestimmten tiebererregenden Mikroorganismen (Kokken] anzeigen, 2] der Ausdruck einer chemischen Intoxikation sein, die bei der Infektion allerdings von der Lebensthätigkeit der Mikroorganismen ausgeht (Toxine), 3) durch Resorption an sich nicht pathogener Mikroorganismen, von Sai)rophyten, entstehen, welche mechanisch in lebenswichtige Organe gelangen und so zu Parasiten unseres Körpers werden. Den ersten Fall, d. h. Fieber durch Anwesenheit z. B. von Strepto- und Staphylokokken, sehen wir bei Erysipel, Tuberkulose, Phlegmone, Abszess, Sepsis, Pyämie. Den zweiten Fall bei Tetanus, wo für "uns die Höhe der Temperatur ein Zeichen abgiebt für die Intensität der Intoxikation, so dass die Kliniker den Satz aufstellen konnten: je höher das Fieber, desto schlechter die Prognose. Der dritte Fall liegt z. B. vor, wenn wir sehen, wie ferner auch 1)ei Karkinomen, wenn sie ulzerieren oder zu vcrjauchen beginnen, häutig Fieber auftreten. Hier ist also das Fieber ein Zeichen dafür, dass irgendwelche fiebererregenden Bazillen sich im Tumor angesiedelt haben, oder wenn die Gifte der saprophytischen Darmbakterien bei Darmgeschwüren resorbiert werden oder diese selbst beim Durchbruch in das Peritoneum. In ihrem Verhalten beim Erzeugen von Fieber unterscheiden sich nun die Bakterien noch dadurch von einander, dass sie nicht etwa alle in derselben Weise ein mehr oder weniger intensives Fieber machen, sondern dass sie oder ihre Stoft'wechselprodukte in dem Organismus ganz bestimmte Reaktionen hervorrufen, welche auf die Fieberkurve einen Einfluss haben und diesell)e zu einer höchst mannigfaltigen gestalten können. Hierbei ist von Interesse, dass in der Regel die Morgentemperaturen etwas niedriger sind als die Abendtemperaturen, was sicherlich von der darniederliegenden Nahrungsaufnahme in der Nacht, vielleicht auch von der Belichtung, dem Schlaf u. s. w. abhängt. In der Regel pflegen die Morgentemperaturen um 1" hinter den Abendtemperaturen zurückzublei- ben oder besser noch hinter der Nachmittagstemperatur um 4—6 Uhr, um welche Zeit der fiebernde Mensch in der Regel die höchste Tem- peratur anzeigt. Wir nennen eine Fieberkurve, welche so gestaltet ist, dass bei ihr die Morgentemperaturen nicht wesentlich niedriger sind als die abendlichen, eine Continua. Dieses kontinuierliche Fieber sehen wir auf der Höhe des Typhus, Scharlach, Masern, Pneumonie und den meisten anderen Infektionen. Wenn hingegen die Morgentemperatur sehr erheblich heruntergeht unter die Abendtemperatur, um dann wieder gegen Abend auf die alte Höhe an- zusteigen, so nennen wir dieses Fieber ein remittierendes. Das remit- tierende Fieber ist am häufigsten bei septischen und pyämischen Pro- zessen. Das remittierende Fieber dürfte so zustande kommen, dass der Organismus bei seiner Reaktion die Infektionserreger und Gifte derselben für eine gewisse Zeit in ihrer Thätigkeit lähmt und dass dann von diesen Infektionserregern ein neuer Vorstoß erfolgt oder eine gewisse Menge Gifte neugebildet wird, welche die Krankheitserscheinungen neu 330 F. Blumenthal. aufflackern lässt. Bei der Pyämie und auch beim Erysipel dürfte eine solche Fieberkurve offenbaren, dass der Prozess sprungweise vor- wärtsgeht. Das remittierende Fieber ist also nichts weiter, als eine sich täglich wiederholende Pseudokrise. Ganz besonders charakteristisch ist das intermittierende *) Fieber für die Malaria. — Hier unterscheiden wir eine Kurve, bei der diese Re- missionen täglich vor sich gehen— eine Quotidiaua; bei der zwischen jedem Fieberanstieg ein freier Tag liegt — eine Tertiana; und eine solche mit 2 fieberfreien Tagen — eine Quartana. Früher glaubte man, dass es derselbe Malariaerreger sei, der hier, je nachdem er mehr oder weniger virulent war, die verschiedenen Formen des fieberhaften Verlaufs her- vorrief Heute wissen wir durch die Untersuchungen, in erster Linie von R. Kocii und italienischen Forschern 2«, dass es verschiedene Formen von Plasmodien sind, welchen die verschiedene Fieberkurve zukommt. Der Typus des Fiebers ist also abhängig von der Art als auch von der Virulenz der Parasiten, bedingt durch die damit im Zusammenhang stehende Produktion von Giften, die spezifisch auch in ihrer Wirkung auf das Fiebercentrum sind. Wir haben vorhin bemerkt, dass in der Regel morgens eine niedrigere Temperatur ist als am Abend. Wir kennen aber auch ein Fieber, in welchem das Umgekehrte der Fall ist. Wir nennen dieses Fieber »Hektisches Fieber«. Diese Fieberkurve kommt besonders häufig vor bei der progredienten, mit Mischinfektion gepaarten Tuberkulose. Eine Erklärung hierfür vermag ich nicht zu geben. Sind bei der Continua die Differenzen zwischen Morgen- und Abend- temperatureu etwas größer als 1° so nennen wir diese eine Febris sub- continua. Bei der Malaria kann man sich das Abwechseln zwischen hohen Temperaturen und den Remissionen so vorstellen, dass in der Fieberperiode eine gewisse Zahl ausgereifter Plasmodien absterben. Es bedarf nun erst der Reife einer neuen Generation, bis dass dieselbe ihre schädlichen Eigenschaften entfalten kann. Aehnlich ist es beim Erysipel und bei der Sepsis, liei ersterem sehen wir gelegentlich den Typus einer Quotidiana. Das ist so aufzufassen, dass der alte Prozess zum Stillstand gekommen ist und nun immer wieder neue Streptokokken, die inzwischen herangereift sind, ihre Thätigkeit beginnen. Bei der Sepsis geraten plötzlich neue Massen von Keimen und Giften ins Blut. Häufig wird das Fieber eingeleitet durch einen Schüttelfrost, welcher für eine Anzahl von Erkrankungen charakteristisch ist, so z. B. für Pneumonie, Scharlach und Sepsis. Beim Scharlach pflegt sich dann noch Erbrechen hinzuzugesellen. Als Ursache des Schüttelfrostes müssen wir einen Spasmus der Hautgefäße ansprechen, hervorgerufen durch die toxischen Produkte der Mikroben, und das Erbrechen fassen wir eben- falls als Intoxikation auf, bedingt durch die Einwirkung der Toxine auf die nervösen Zentren. Wir haben bei der Tuberkulose gesehen, dass das Fieber zum Teil ein Zeichen der Mischinfektion ist. Aber wir haben auch bei rein tuber- kulösen Prozessen Fieber, das demnach durch den Tuberkelbacillus selbst bedingt ist (A. Fraenkel). *) Intermittierendes Fieber ist eine Abart des remittierenden, wobei gewöhn- lich mehrere fieberfreie Tage dazwischenliegen. Infektion und allgemeine Reaktion. 331 Während die unkomplizierten Fälle von Diphtherie meist mit mäßigem Fieber verlaufen, ist es die septische Diphtherie, welche hohes Fieber macht. Auch hier haben wir, wie bei der Tuberkulose, den Grund des hohen Fiebers in der Streptokokkeninvasion zu suchen. Bisher haben wir das Fieber bei der Infektion nur abhängig von den Mikroorganismen gesehen. Bei der Pneumonie ist das Ausbleiben des Fiebers, was wir bei der Alterspneumonie beobachten, als Ausdruck der mangelhaften Reaktionsfähigkeit des Organismus anzusehen, dessen Funktionen schon zu sehr daruiederliegen. Ein gleiches Ausbleiben der fieberhaften Erregung gewahrt man bei schweren Fällen von Tuberku- lose. In diesen Fällen "ist bereits die Reaktionsftihigkeit der giftempfind- lichen Gewebe erloschen. In dem Fieber sehen wir also nicht bloß einen Ifeizzustand des infizierten oder vergifteten Organismus, sondern zugleich auch eine kräftige Reaktion dessell)en. So haben z. B. Loevvy & Richter-*" durch den Sachs-Aronsohnschen Fieberstich und dadurch erzeugte Tem- peraturerhöhung Schutzwirkungen gegen Pneumokokken und Schweine- rotlauf hervorgebracht. Das Fieber ist also eine Aliwehrerscheinung von Seiten des Organismus. Für die einzelne Infektion ist nun nicht nur der Verlauf des Fiebers, sondern auch die Art, in welcher die Fieberkurve zur Norm zurück- kehrt, charakteristisch. Gewöhnlich geschieht das so, dass die Tempe- raturen abends und morgens innerhalb von mehreren Tagen allmählich herunter und zur Norm zurückgehen. Diesen Zustand bezeichnen wir als »Lysis«. Dagegen giebt es Fälle, in denen ganz plötzlich inner- halb von wenigen Stunden das Fieber zur Norm, ja unter dieselbe herabfällt, was wir als »Krisis« bezeichnen. Wir können uns den plötz- lichen Abfall der Temperatur so erklären, dass der Organismus während des Fiebers eine große Fülle von Schutzstoflfen irgendwo gegen die Infektionserreger fabriziert, die dann mit einem Male zur Wirkung ge- langen, während bei der Lysis ein solcher Vorgang allmählich statt- findet. Diejenige Krankheit, bei der sich der Umschwung zur Heilung am deutlichsten und schnellsten vollzieht, ist die Pneumonie. Bei dieser haben zuerst die Gebrüder Klemperer^« auf der v. Ley denschen Klinik das Auftreten von Schutzstoffen nach der Krisis festgestellt und M. Wassermann hat sich auf derselben Klinik mit der Frage der Herkunft und der Natur dieser Schutzstoffe beschäftigt. M. Wassermann ^^ fand erstens nirgends im gesunden Kaninchen Schutzstoffe gegen die Pneumo- kokken vorgebildet, dagegen fand er sie im kranken Tier und besonders in der Rekonvaleszenz. Daraus geht hervor, dass diese Schutzstoffe sich erst durch die Infektion bilden. In Bezug auf den Ort der Bildung zeigte M. Wassermann, dass in erster Linie das Knochenmark die Stätte der Bildung der Schutzkörper ist, was für die Choleraschutz- körper bereits von Pfeifer & Marx nachgewiesen war. Sehr geringen Schutz gewährte auch die Milz, etwas größeren die Thymus. Im Blut- serum fand er während des Fiel)ers fast keine Schutzwirkung, dagegen sehr starke in der Rekonvaleszenz. Daraus geht hervor, dass während des Fiebers sich l)esonders in dem Knochenmark Schutzstoffe bilden, die kurz vor der Krisis in das Blut geraten und dieselbe hervorbringen. So können wir während der Krisis und nach derselben sofort die stark spezifisch baktericide Kraft des Blutes konstatieren. Ist das Hineindringen von den Schutzkörpern aus dem Knochenmark kein genügend großes, so tritt nur Pseudokrisis auf. Das Schicksal des Pneumonikers würde also nach M. Wassermann sich nicht in seiner Lunge, sondern im 332 F. Blumenthal, Knochenmark abspielen. Einen ähnlichen Vorgang haben uns die Arbeiten von Pfeiffer & Marx ^-^ und A. Wassermaxx^" gezeigt. Bei der Cholera und beim Typhus entstehen die spezitischen Schutz- stoffe, welche den Heilungsprozess herbeiführen helfen, in erster Linie in der Milz. In der Milz beginnt also während der Erkrankung die Bildung der spezitischen Heilkörper, die dann allmählich in das Blut abgegeben werden und einen Ijtischen Heilungsvorgang erzeugen, während bei der Pneumonie diese Schutzstofte gleich in so großer 5lenge in das filut und dadurch in die Lungen geraten, dass Krisis eintritt. Auch bei der Cholera und dem Typhus ist es also nicht das erkrankte Organ, das die Schutzstoffe bereitet, sondern ein anscheinend von den Bazillen in keiner Weise aftiziertes. Bei der Rinderpest fand R. Koch^o in der Galle gefallener Tiere Schutzstoffe gegen diese Krankheit. Es ist also hier die Leber das Organ, in dem die spezitisch l)aktericiden Körper sich bilden, und welches einen wesentlichen Anteil hat an dem Ausgange der Krankheit. Bei Betrachtung der Vorgänge bei der Krisis und Lysis fragen wir uns natürlich, welches sind die Mittel, die den Organismus zur Gesundung führen; was sind das für Schutzstoffe, welche da entstehen und wie wirken sie!? Ehe wir aber diese Frage erledigen können, müssen wir uns mit den Einrichtungen l)eschäftigen, die der Organismus in seinem Innern besitzt, um sich der Infektion und Intoxikation zu erwehren. Die Einrichtungen dazu sind zu einem Teil bereits tix und fertig vorgebildet, zum anderen Teil hingegen entstehen sie aber erst als Reaktion auf die Infektion. Diejenigen, welche bereits vorgebildet sind, sind nicht spezitischer Natur, d. h. es sind Schutzstoffe, welche die verschiedensten, ja alle Infektions- erreger zu beeinträchtigen imstande sind, wobei natürlich ein Unterschied ist zwischen der Intensität, mit der sie die einzelnen Bakterien beein- tlussten. Wenn wir z. B. in der Salzsäure des Magens einen Schutz haben, welcher die in den Magen eindringenden ]\Iikroben abtöten kann, so wirkt die Salzsäure keineswegs gleich auf alle Infektionserreger. Sie kann beispielsweise dem Bacterium coli weniger anhaben als dem Bacillus der asiatischen Cholera, weil das Bacterium coli Säure besser verträgt als der Bacillus der asiatischen Cholera. Zu diesen Abwehr- mitteln, die in Thätigkeit geraten, wenn Infektionserreger hineinkommen, gehört auch das die Bronchien bekleidende Flimmerepithel, das die Bak- terien wieder hinausflimmert und uns vor Pneumonie schützt. Diese Einrichtungen, auf deren Funktionieren unsere augenblickliche Wider- standsfähigkeit (Disposition) beruht, müssen uns jetzt um so wichtiger erscheinen, als die Lehre von der Ubiquität zahlreicher pathogener Mikroben weitere Ausdehnung gewinnt. So hat Behring die früher von ScHAUz aufgestellte Meinung von der Ubiquität der Diphtherie- bazillen als festen Grundsatz vertreten, so dass die Gefahr einer In- fektion weniger abhängig ist von dem Zustand der uns stets bedrohenden Diphtheriebazillen, als von dem Funktionieren unserer Abwehreinrich- tungen. Auch bei der Entstehung der Pneumonie ist weniger wichtig der Zustand, in dem sich der unsere Mundhöhle stets bewohnende Pneu- mococcus Fraeukel befindet, als das Flimmerepithel der Bronchien. Wird dieses durch eine plötzliche Abkühlung (Luftzug, kaltes Bad) gelähmt, so ist die Gefahr der Infektion vorhanden. Solchen mehr mechanischen Einrichtungen, welcher der Organismus an seiner Außenfläche eine Reihe besitzt, um das Hineingeraten von pathogenen Keimen zu verhüten, stehen eine Anzahl gegenüber, welche Infektion und allgemeine Reaktion. 333 in Funktion treten, wenn z. P). durcb die schützende Decke der Epi- dermis hindurch oder an dem gelähmten Flinimerepithel vorbei der Bacillus in den Organismus und in die lUutbahn hineingedrungen ist. In erster Linie kommen dann in Betracht die BucHXEUschen Alexine. Diese sind sehr labile Körper, welche schon bei 55° zu Grunde gehen, und die nur l)ei Gegenwart von Salzen ihre Thätigkeit entfalten. Ebeutalls nicht spezitisch wirken die von Metschnikoff-'^ als Phago- cyten bezeichneten Leukocyten, denen die Aufgabe zufällt, die in den Organismus eingedrungenen Mikroorganismen zu ergreifen, in sich auf- zunehmen und zu verdauen. Wir erkennen klinisch den Kampf zwischen den Mikroben und Leukocyten dadurch, dass wir bei den Infektionen eine Hyperleukocytose entstehen sehen, d. h. eine Vermehrung der weißen Blutkörperchen. Diese weißen Blutkörperchen sind nun nach GoLDscHEiDER & Jacob^' nicht deshalb in vermehrter Menge im Blute, weil sie durch Neubildung oder Teilung der im Blute vorhandenen weiBen Blutkörperchen entstanden sind, sondern sie sind dortbin ge- langt durch Anlockung aus den blutbereiteuden Orgauen in das Blut resp. an die Stelle, au der die Infektionserreger sich befinden. Die Rolle, welche die blutbereitenden Organe hierbei si)ielen, äußert sich in der Thatsache, dass die Milz bei den meisten Infektionskrank- heiten hypertrophiert. Bei der Malaria ist die Milz eine Art Filter für die "zerfallenen roten Blutkörperchen. Vielleicht muss sie auch die zu Grunde gegangenen roten Blutkörperchen durch Neubildung ersetzen. Die Bedeutung der Milzschwellung als Reaktion auf den infektiösen Prozess hat durch die Entdeckungen von Pfeiffer & Marx eine Erklärung gefunden. Es spielt sich in der Milz eben vor- wiegend der Prozess der Bildung von Schutzstotfeu und baktericiden Körpern ab; infolge dieser Arbeitsleistung stellt sich eine aktive Hyper- plasie der Milz ein. Blumreicii & Jacoby'o fanden nun, dass die Milz- exstirpation die Tiere befähigte, Infektionen zu überwinden. Sie beziehen dies auf eine nach der Operation auftretende starke Hyperleukocytose und Vermehrung des Alexingehalts des Blutes, eine Wirkung, die sie nicht der Operationswunde, sondern dem Fehlen der Milz zuschreiben. In ähnlicher Weise ist die Hyperplasie der Milz aufzufassen. Nach Blumreich & Jacoby i'J hat die hyperplastische Milz die Funktion, Alexiuwirkung im Buchnerschen Sinne auszuüben vermittelst der Lympho- cyten, welche die Schutzstoffe absondern. Bei den ohne Milzschwellung verlaufenden Infektionskrankheiten tritt an Stelle der Hyperplasie der Milz Vermehrung- der polynukleären Zellen des Knochenmarks auf. Hyperplasie der Milz und Hyperleukocytose sind also wichtige Faktoren im Kampfe des Organismus gegen die Bakterien. Fehlt sowohl Hyper- leukocytose sowie Hyperplasie der Milz, so mangelt dem Organismus jegliche Schutzwirkung. Wir sehen also auch in der Vermehrung der polynukleären Leukocyten im Pdut einen Schutzvorgang des Organismus. Aber während die polynukleären Leukocyten die Alexine d. h. allge- mein baktericiden Körper bilden, haben wir es bei der Hyi)erplasie der Milz z. B. beim Typhus und der Cholera mit der Bildung spezifisch baktericider Stoffe zu thun. Es besteht also dieser Unterschied in der hyperplastischen Funktion der Milz und der Hyperleukocytose. So ist auch die Hyperleukocytose der polynukleären Zellen während des Fiebers bei der Pneumonie ebenfalls ein allgemein baktericider Vorgang, beruhend auf Alexiuwirkung und Phagocytose, und erst während 834 F. Blumenthal, der Krisis kommen diese polynukleären Zellen mit reichlichen spezifischen Schutzstoffen beladen aus dem Knochenmark. Diese Hyperleukocytose findet sich bei allen Infektionen konstant mit Ausnahme einer einzigen, nämlich des Typhus abdominalis. Dafür haben wir bei Typhus die enorme Hyperplasie der Milz, welche in ihrer Wirkung die Hyperleukocytose ersetzt. Aelmlich liegen übrigens die Verhältnisse Ijei der Malaria. An den anderen Stellen ausserhalb des Blutes kommt es auch zur Leukocytenanhäufung; ohne dass aber dabei deren Schutzwirkung zu Tage tritt. So besteht der Eiter aus einer solchen Unzahl weißer Blut- körper, die an der Stelle, an der die Bakterien eingedrungen sind, sich angesammelt haben, und ebenso sehen wir z. B. bei der Pneumonie, dass das gebildete Exsudat ebenfalls aus zahlreichen weißen Blutkörperchen gebildet ist. Es ist eine solche Hyperleukocytose nach Goldscheider & Jacob vielleicht eine positive Chemotaxis, die von den Bakterien auf die weißen Blutkörperchen ausgeübt wird. Hierbei ist interessant, dass wir fast immer nur die polynukleären weißen Blutkörperchen vermehrt finden und wir ein gewisses Verhältnis haben, welches diagnostisch von Wichtig- keit sein kann zwischen den polynukleären und den neutrophilen, wie das in den Arbeiten von Coürmoxt bei der Tollwut gezeigt worden ist. Jules Coürmoxt ^^ zeigte, dass beim tollwütigen Hunde die Zahl der neutrophilen polynukleären Leukocyten 92 % beträgt gegen 67 ^ beim gesunden. Man kann also in dem Auftreten der Hyperleukocytose ein günstiges Eeaktionssymptom des Organismus gegen die Infektion erblicken, und man ist in der That geneigt anzunehmen, dass dort, wo die Hyperleuko- cytose ausbleibt, der Organismus dem Kampf mit den Erregern erliegt. Dies ist namentlich von Limbeck -^^ und Albert Fränkel für die Pneu- monie betont worden, die fast immer in der Agone das Umschlagen der H^-per- in die Hypoleukocytose feststellen konnte. Auf der v. Leyden- schen Klinik haben wir ebenfalls in den gut verlaufenden Fällen von Pneumonie stets Hyperleukocytose beobachtet. Das Auftreten der Hypoleukocytose ist so zu verstehen, dass nicht etwa die Leukocyten durch die Bakterien zum Zerfall gebracht werden, sondern dadurch, dass die Bakterien Stoffe absondern, welche die Leukocyten zurück in das Knochenmark treiben, also negativ chemotaktisch auf die Leuko- cyten wirken. Und so sehen wir denn in der That, dass das Ein- dringen von Giften in den Organismus überaus häufig eine Hypoleuko- cytose hervorruft, namentlich dann, wenn die Giftmenge genügend ist, um den Tod herbeizuführen. Nur bei dem Hineingeraten von kleinen Mengen Gift tritt eine Hyperleukocytose auf. Die Bedeutung der Hyperleukocytose im Kampfe gegen die Bakterien kann nun nicht bloß als Phagocytose gedacht werden, sondern wir haben Grund mit Buchner anzunehmen, dass es in gleicher Weise die von den Leukocyten sezernierten Alexine sind, welche bei der Hyper- leukocytose in vermehrter Menge in Wirksamkeit treten. So zeigen Untersuchungen von Jacob und von mir 22, dass das Blut, welches durch Erzeugung einer künstlichen Hyperleukocytose durch Protalbumose gewonnen ist, weit mehr baktericid wirkt — wenigstens gegen Pneumo- kokken und Mäuseseptikämiebazillen — als das Blut aus dem Stadium der Hypoleukocytose. Auch Löwy & Richter-^' haben durch Er- zeugung von Hyperleukocytose Tiere gegen Pneumokokken geschützt. Infektion und allgemeine Reaktion. 335 ja sogar von der Infektion g-eheilt. Die Versuche von Jacob und mir zeigen al}er auch, dass nicht bh»ß die lebenden Leukocyten einen günstigen Einfluss auf den Ablauf der Infektionen ausüben, sondern dass auch die aufgelösten Leukocyten einen ähnlichen Effekt haben. Machten wir nämlich Auszüge aus hyperleukocytischem Blut, so konnten wir ebenfalls damit Schutzwirkungen hervorrufen, während Auszüge aus hypoleukocytiscliem Blute keine solche hatten. Es lässt sich nicht leugnen, dass diese Versuche der Auffiissung Büchners, Hahns u. s. w. eine Stütze verleihen, wonach die Alexine als Sekretionsprodukte der Leukokyten aufzufassen siud oder doch mindestens von diesen herrühren. So sehen wir denn bei allen entzündlichen Prozessen eine Hyperämie auftreten, durch welche die im Blute befindlichen Schutzstoffe an dem Orte der Infektion in besonders intensiver Weise zur Geltung kommen. Während wir in den Alexinen und den phagocytischeu Vorgängen keinen spezifischen Vorgang erblicken können, gibt es reaktive Pro- zesse, welche zwar auch bei verschiedenen Infektionen auftreten, aber doch bei jeder einzelnen Infektion ganz bestimmte, nur bei dieser Infektion entstehende Stoffe bilden. Es sind dies die Agglutinine und die bakteriolytischen Produkte. Grubek & Durham sowie Pfeiffer & KoLLE fanden, dass Tiere, welche mit Typhusbazillen vergiftet waren, in der Rekonvaleszenz in ihrem Blutserum Stofte beherl)ergten , welche imstande waren, die noch beweglichen Typhus- und Cholerabazillen zu- sammenzuballen und unbeweglich zu machen. Diesen Vorgang bezeich- neten sie als Agglutination. Widal fand später, dass dieser Vorgang der Agglutination besonders beim typhuskranken Menschen nicht erst in der Rekonvaleszenz auftritt, sondern schon bei Beginn der Erkrankung und auf der Höhe derselben. Wenngleich sich immer mehr herausgestellt hat, dass die Verwertung der Agglutination für die Diagnostik des Typhus keine sichere ist*), so ist doch dieser Vorgang höchst interessant und namentlich die Thatsache, dass wenigstens der menschliche Organismus schon bei Beginn der Infektion diese agglutinierenden Stoffe liilden kann. Es entsteht nun die Frage, haben wir in der Agglutination eine Abwehr- maßregel des Organismus gegen die Infektion zu erblicken? Obschon gefunden worden ist, dass die agglutinierten Bakterien nicht durch diesen Vorgang abgetötet werden, so können wir uns doch in der Ruhe- stellung der sich bewegenden Mikroben und ihrer Zusammenballung und dadurch bewirkten Lokalisierung eine solche Abwehrmaßregel des Organismus vorstellen. Für diese Anschauung spricht die Thatsache, dass die leichten Fälle von Typhus in der Regel stärker agglutiuieren als die schweren. Dieselbe Erfahrung hat neuerdings R. Koch 3' bei der Tul)erkulose gemacht, er sieht, wenn die Fälle in Besserung übergehen, den Agglutinationswert ansteigen und er meint deshalb, dass bei der Tuberkulose ein Parallelismus sei zwischen Agglutinationskraft und Widerstandsfähigkeit. Auch Bendix^ hat an Arloing-Courmont- Kul- turen die Beobachtung gemacht, dass die Agglutinatiouskraft bei leichten Tuberkulösen heruntergeht, wenn die Fälle progredient werden und dass das Maraglianosche antitoxische Heilserum ebenfalls starke Agglutinations- kraft besitzt. Vergegenwärtigen wir uns ferner, dass Courmont in solchen Exsudaten und Organen, in deueu er die Agglutination vermißte, *) Ich habe einen Typhnsfall beschrieben, in dem die Agglutination erst am 29. Tage der Krankheit auftrat. Siehe ebensolche Fälle von Kolle, Stern, Lasker u. 9. w. Deutsche med. Woch., 1897, Nr. 12;. 336 F. Blumenthal, höchst virulente Typhusbazillen fand, dagegen sie nicht fand, wenn die Exsudate agglutinierende Eigenschaften hatten, so müssen wir in der That in der Agglutination eine Abwehrreaktion des Organismus gegen die Infektionserreger sehen. Dass diese Abwehrmaßregel eine ganz spezitische ist, geht daraus hervor, dass, wie Pfeiffer & Kolle zeigten, Typhusserum nur Typhusbazillen, niemals in der gleichen Intensität aber andere Bakterien agglutiniert. Diese gleiche Spezitität tritt auch zu Tage bei dem Vorgang der Bakteriolyse, welche von Pfeiffer entdeckt worden ist. Hier gewinnen die K(3rpersäfte der infizierten Tiere auch hauptsächlich in der Rekon- valeszenz die Eigenschaft, die eingedrungenen Mikroben aufzulösen und dadurch zu vernichten. Ein weiterer S])ezifischer Vorgang ist das, Auf- treten von spezifisch baktericiden Körpern im Blute. Solche sind beim Typhus, bei der Cholera von A. Wassermann, Pfeiffer und Marx besonders in der Milz, aber auch im Knochenmark und anderen Organen gefunden. Bei der Pneumonie fand sie M. Wassermann besonders im Knochenmark, aber auch in der Thymus und der Milz. R. Koch und Kolle konstatierten sie in der Galle der au Rinderpest erlegeneu Tiere. Diese Körper treten ins Blut über, vernichten den betreffenden Bacillus und finden sich in der Rekonvaleszenz in solcher Menge im Bhitserum, dass sie z. B. bei der Rinderpest therapeutisch verwandt worden sind. Am bedeutungsvollsten ist der vierte Reaktionsprozess , den der Organismus gegenüber den eingedrungenen Erregern und namentlich ihren Giften zeigt, nämlich die Bildung der Antitoxine. Während wir in den Agglutininen, den bakteriolytischen Produkten und den in Milz und Knochenmark entstehenden Körpern spezifische Stoffe kennen gelernt haben, welche einen bestimmten Krankheitserreger zu schädigen imstande sind; während in den Alexinen, in der Phagocytose und den anderen Schutzeinrichtungen des Organismus wir bedeutende Hilfsquellen haben für die Vernichtung aller möglichen Bakterien, sehen wir in den Anti- toxinen Körper, welche mittelbar die Bakterien überhaupt nicht anzu- greifen vermögen, aber dafür in früher ungeahnter Weise ihre löslichen Gifte neutralisieren können. Die Antitoxine sind Abwehrstoffe des Organismus gegenüber den sogenannten spezitischen Toxinen, d. h. löslichen Giften, deren chemische Natur noch nicht genau erforscht ist. Die Toxine werden nicht durch chemische Reaktionen erkannt, sondern durch die physiologische Wir- kung an Tieren. Sie besitzen die Fähigkeit, ein analoges Krankheits- bild hervorzurufen wie der Bacillus, welcher sie produziert. Die Toxine sind ferner dadurch ausgezeichnet, dass sie die Krankheit erst nach einem Latenzstadium in die Erscheinung treten lassen, ein Stadium, in dem die infizierten Tiere vollkommen gesund erscheinen oder doch wenigstens keine charakteristischen Symptome darbieten. Während die meisten chemisch charakterisierten Gifte in sehr kurzer Zeit — spä- testens 1 — 2 Stunden nach der Vergiftung — die Erscheinungen zu Tage treten lassen, bedarf es bei den Toxinen manchmal vieler Stunden und Tage, bis sich ein Symptom der Vergiftung zeigt. So ist z. B. von der Tollwut bekannt, dass noch nach vielen Monaten die Symptome auf- treten können und dass diese niemals schon nach einigen Tagen sich zeigen. Selten erfolgt der Ausbruch vor dem 15. Tage, gewöhnlich erst im Laufe des zweiten Monats, ausnahmsweise noch später als 6 Monate. Beim Tetanus haben Courmont & Doyon'2 festgestellt, dass die In- Infektion und allgemeine Eeaktion. 337 kubationsciauer beim Meerscliweinclien selbst mit den größten Dosen Gift sich nicht unter 12 Stunden heral)drücken lässt. Die ErkUirung hierfür von H. Meyek & Ransom^ö, dass das Gift die Nervenbahn entlaug- in das Zentralnervensystem gelange, und dass das Vorwärtsdringen des Giftes in den Nerven nur laugsam vor sich gehe, scheint mir nicht stichhaltig zu sein. Der größte Teil des Giftes folgt sicher nicht der Nervenbahn, sondern wird in den Blut- und Lymphgefäßen verbreitet. Diese Inku- bationsdauer hängt vielmehr w^ahrscheinlich damit zusammen, dass das Gift in langsamer Weise von den giftempfindlichen Zentren gebunden wird und dass die Bindung eine genügend starke sein muss, bis die vergiftete Zelle in den krankhaften Reizzustaud gerät. Gegen diese Auffassung spricht in keiner Weise, wenn in neuerer Zeit Blumenthal und Jacob, Roux und BoRREL und Ransom festgestellt haben, dass bei Tetanus eine intracerebrale und subarachnoidale Vergiftung die Inkubationsdauer abkürzt, denn hier wird das Gift in voller Konzentration direkt an die giftempfindlichen Zellen gebracht und nicht erst auf dem langen Wege der Blut- oder Lymphbahn verdünnt, und es ist klar, dass die Zellen aus einer konzentrierten Giftlösung schneller und gieriger das Gift er- greifen werden als aus einer sehr verdünnten Lösung. Dazu kommt noch, dass das Gift in der Blutbahn einer leichten chemischen Ver- änderung unterliegt, welche darin besteht, dass das Gift zu der hap- tophoren Gruppe der Nervensubstanz geringere Affinitäten bekommt als das direkt auf die Nervensubstanz gebrachte Gift. Behrixg^ fand nämlich mit Kltasima, dass, wenn er dem Toxin Blut zusetzte und dann erst Antitoxin, die Neutralisation viel schwerer von statten ging, als wenn Gift und Gegengift direkt auf einander einwirkten. Nach meiner Auf- fassung geschieht dies dadurch, dass das Gift im Blut eine chemische Veränderung im Sinne einer Toxo'idbildung erleidet, wodurch seine Affi- nität zum Antitoxin geringer wird. Die Vergiftung mit Toxinen ruft nun im Organismus ein Gegentoxin her- vor, indem nach der EHRLicnschen Theorie die giftempfindlichen Zellen sich des Toxins, dass sie aufgenommen hatten, zu entledigen suchen samt der giftbindenden Gruppe innerhalb der Zelle. Indem die Zelle die giftbindende Oruppe zu regenerieren sucht, bildet sich bei dem Regenerationsprozess, wie bei allen Regenerationsprozessen, die verloren gegangene Substanz in hypertrophischer Weise. Das im Ueberschuss Gebildete wird resorbiert, gelangt in die Blutbahn und kann nun dort in der Blutl)ahn seine gift- biudenden Eigenschaften ausüben. Während diese giftbindende Substanz, so lange sie in der für das Gift empfindlichen Zelle war, die Ursache für die Vergiftung war, weil sie das Gift au die Zelle kettete, ist sie im Blutserum zum schützenden Antitoxin geworden dadurch, dass sie alle im Blutserum vorhandenen Giftmoleküle abfängt und sie so hindert, an die giftempfiudliche Zelle heranzugehen. Die logische Folge dieser Auseinandersetzung ist die, dass ebenso wie die Toxine auch die Antitoxine spezifisch sind d. h. dass das Teta- tusantitoxin nur das Tetanustoxiu neutralisiert, das Diphtherieantitoxin nur das Diphtherietoxin. Toxin und das dazu gehörige Antitoxin passen also zu einander wie ein Schlüssel zu seinem Schlüsselloch. Während wir also oben gesehen haben, dass die Alexine, die Bakterio- lysine, die Agglutinine die in den Organismus hineindringenden Bak- terien in ihrer Lebensthätigkeit zu beeinträchtigen vermögen, handelt es sich bei den Antitoxinen um solche Reaktionsprodukte des Organismus, welche nur die Toxine, nicht aber die Bakterien auf direkte Weise an- Handbuch der patliogenen Mikroorganismen. I. 22 338 F. Blumenthal, zugreifen vermögen. Trotzdem macheu wir häufig genug die Erfahrung, dass z. B. bei der Diphtherie nicht nur das im Blut kreisende Toxin durch das Diphtherieantitoxin neutralisiert wird, sondern wir sehen auch, dass die Thätigkeit des Diphtheriebacillus in den Geweben gehemmt wird, indem die Beläge sich abzustoßen beginnen oder doch wenigstens fast nie weiter schreiten. Ja wir beobachten recht häufig ein verhältnis- mäßig schnelles Absterben der Bazillen. Diese Thatsache scheint im grel- len Widerspruch zu stehen mit der Erscheinung, dass ein antitoxisches Blutserum ein vorzüglicher Nährboden ist für Diphtheriebazillen. Die indirekte Einwirkung des Antitoxins auf die Bazillen kann so erklärt werden: Durch die von den Bakterien gebildeten Gifte werden die Leukocyten in ihrer phagocytotischen Fähigkeit gehemmt, wofür die Untersuchungen von Rouget sprechen, welcher die Aufhebung der phago- cytotischen Eigenschaft der Leukocyten durch Einspritzen von Milch- säure ins Blut gesehen hat. Werden nun die Gifte durch die Antitoxine neutralisiert, so hört die Lähmung der Phagocyten auf und die Vernich- tung der Bakterien durch dieselben kann vor sich gehen. — Wir sehen also, dass im Falle einer Infektion der Organismus eine Fülle von Ab- wehreinrichtungen besitzt, welche die Infektionen zu hindern, und wenn sie schließlich doch eingetreten sind, zu heilen vermögen. Von großer Bedeutung ist der Eiufiuß, den die Infektion auf die genannten Lebensvorgänge des Organismus, auf den Stoöwechsel ausübt und die damit verbundenen rein chemischen reaktiven Vorgänge von Seiten des Organismus. Einerseits sind es die Bakterien selbst, welche die chemischen Sub- stanzen des Organismus, das Eiweiß, die Kohlenhydrate und die Fette, angreifen und spalten, andererseits sind es die toxischen Produkte, welche einen Zerfall des lebenden Protoplasmas, eine Zerstörung der roten und weißen Blutkörperchen hervorrufen, oder aber es werden durch diese Stoffwechselprodukte der Mikroben die nervösen Zentren erregt, von denen der Stoffwechsel im allgemeinen abhängig ist, oder es kommt zur Temperaturerhöhung des Gesamtorganismus, mit welcher gleichfalls eine Veränderung der chemischen Vergänge im Organismus verbunden ist. Betrachten wir zuerst die Zersetzungen, welche direkt durch die Bakterien selbst hervorgerufen werden. Am klarsten tritt der Angriff der Bakterien auf die chemischen Substanzen im Darme zu Tage. Handelt es sich hier um entzündliche Prozesse, so sehen wir eine ver- mehrte Eiweißfäulnis unter stärkerer Indol-, Phenol-, Schwefelwasserstoff-, Methylmercaptanbildung als normal entstehen, oder es findet eine über- mäßige Säurebildung aus den vorhandenen Kohlehydraten statt. Durch reichliche peristaltische Bewegung des Darmes entleert der Organismus diese Substanzen, welche z. T. starke Gifte für ihn sind, wie z. B. die von Brieger^ entdeckten Ptomaine. Ist er aber hierzu nicht im- stande, werden gar durch eine Lähmung der Peristaltik diese Stoffe in stärkerer Menge in den Organismus resorbiert, so ist eine Vergiftung des- selben die Folge. Es treten Kopfschmerzen und Erbrechen auf; nament- lich die eben genannten Ptomaine, außerdem Phenol und Indol bewirken dies. Andre wie Schwefelwasserstoff und Methylmercaptan führen einen Zerfall der roten Blutkörperchen herbei. — Bei diesen Vergiftungen kommt es als Abwehr von selten des Organismus zu Oxydationen, die Säuren der Fettreihe werden zu CO2 und H2O verbrannt, aus Schwefel- wasserstoff wird Schwefelsäure und um den Säure-Intoxikationen vorzu- beugen, liefert das zerfallende Eiweiß Ammoniak. Infektion nnd allgemeine Eeaktion. 339 Ein Teil der Schwefelsäure wird dazu verwandt, die Gifte aus der Phenol- und ludolreihe zu entgiften, indem die gänzlich uugiftigen Aetherschwefelsäuren entstehen. In gleicher Weise entsteht die Glykuronsäure, um die Phenol- und ludolderivate und viele andere Gifte in ungiftige Verbindungen überzu- führen (gepaarte Glykuronsäuren). Dieselben Stotfwechselvorgänge spielen sich ab, wenn diese Produkte außerhalb des Darms im Organismus gebildet werden. Dies ist der Fall insbesondere bei Abszessbildung, Gangrän u. s. w. Aber auch bei allen fieberhaften Prozessen kann dies geschehen. Dieses Fieber ist von ganz besonderer Bedeutung für die Aenderung des Stoffwechsels, ohne dass man in dem Fieber gerade eine Verbesse- rimg des Abwehrzustandes des Organismus erblicken kann. Es ist zwar unzweifelhaft festgestellt durch Versuche der Gebrüder Klem- PERER, welche Pneumokokken auf 42° erwärmten, dass schon nach kurzer Zeit die Virulenz dieser Pneumokokken auf das erheblichste ver- mindert wurde. Ferner haben Loewy (S: Richter gezeigt, dass bei Tieren, bei welchen der Wärmestich gemacht wurde, die Infektion mit Pneumokokken besser vertragen wurde als bei anderen Tieren. Diesen nutzbringenden Wirkungen des Fiebers stehen aber solche gegenüber, bei denen der Nutzen nicht leicht einleuchtet. A. Schütze z. B. fand, dass das Antipyrin in keiner Weise die Bildung der Schutzkörper be- einträchtigt^*'. Die Alteration des Stoffwechsels durch das Fieber dokumentiert sich besonders durch eine Steigerung der Wärmebildung infolge des erhöhten Eiweißzerfalls. Wir finden besonders diese Thatsache veranschaulicht bei Eesorption übergroßer Mengen von Zerfallsprodukten (Resorptionsfieber). Es zeigt sich dabei eine vermehrte Kohlensäurebildung und Vermin- derung der Sauerstoffausfuhr. Zugleich zeigt sich eine vermehrte Wärmeabgabe, sonst müsste während des Fiebers die Temperatur fort- während steigen, was nicht der Fall ist (Krehl). Die Wärmeabgabe ist bloß geringer als die Wärmeproduktion. Das Fieber kann also ent- stehen (v. Noorden). 1. durch Verringerung der Wärmeabgabe bei gleichbleibender Ge- samtzersetzung. 2. durch Erhöhung der Gesamtzersetzung bei gleichbleibender Wärme- abgabe. 3. durch eine Vereinigung von Mehrzersetzung und Verminderung der Wärmeabgabe. Das Fieber ist bei der Infektion eng verknüpft mit einem durch die Bakterien selbst oder deren Stoffwechselprodukte herbeigeführten Ge- webszerfall, wodurch eine vermehrte Stickstoff- und Harnstoff ausschei- dung zustande kommt. Es scheint aber, als ob der Gewebszerfall noch stärker ist während des Fiebers, als sich durch die Ausfuhr von Stick- stoff nnd Harnstoff dokumentiert, weil in der Krise, wie Alb. Fkänkel gezeigt hat, bei intermittierendem Fieber in den fieberfreien Tagen mehr Stickstoff ausgeschieden wird, als in den Fiebertagen trotz gleichblei- bender Ernährung ^2. Wenn aber auch der Eiweißzerfall bei den Infek- tionen zum großen Teil durch das Fieber geschieht, so ist doch auch ein wesentlicher Anteil den Bakterien selbst und den giftigen Produkten zuzuschreiben (toxischer Eiweißzerfall). Mit dieser Reteution von stickstoffhaltigen Substanzen während des Fiebers geht einher eine Wasserretention. So hat Senator festgestellt, 22* 340 F. Blumenthal, dass von der aufgenummeuen Flüssigkeit nur ^j^ und weniger wieder im Harn erscheint, und mit Recht betont v. Leyden, dass dies nicht allein ge- schehen kann durch die Wasserverdunstung von der Haut aus. Wahr- scheinlich wird das Wasser gehraucht, um die große Menge der beim vermehrten Stoffwechsel entstandenen Produkte in Losung zu halten. Hierfür spricht, dass nach der Krise, wenn die retinierten Stoffe aus- geschieden werden, eine Harutiut eintritt, ohne dass die aufgenommene Wassermenge vermehrt ist. Ein nicht geringer Teil des durch den vermehrten Gewebszerfall ent- stehenden Stickstoffs muss aus dem Blute stammen, denn wir sehen, dass das Uroliilin vermehrt ist. Wenn dies auch kein absoluter Beweis dafür ist, dass rote Blutkörperchen gerade reichlich beim Fieber zerfallen, da Urobilin auch im Darm gebildet werden kann, so spricht doch der reich- liche Kaligehalt des Harns im Fieber, der zuerst von Salkowski fest- gestellt wurde, ebenfalls dafür, dass ein besonders starker Blutkörper- chenzerfall im Fieber statt hat. Seitdem wir wissen, dass die Quantität der Harnsäureausscheidung im Zusammenhang steht mit dem Zerfall der Nukleme im Organismus, können wir aus der Thatsache, dass die Harnsäure im Fieber vermehrt ist, auch auf einen reichlichen Nukleiuzerfall im Fieber schließen. Die Nukleme finden sich al)er besonders vorgebildet in der Leber, in der Milz und in den weißen Blutkörperchen, und so dürften diese drei Faktoren auch im Stoffwechsel fieberhafter Infektionen eine größere Rolle als an- dere spielen, eine Thatsache, die wir ja auch in der Milzschwellung, in der Hyperleukocytose und in der Lebervergrößerung, welch letztere einzelne Lifektiouskrankheiten begleitet z. B. das Erysipel, erhärtet sehen. Und wenn wir oben erfahren haben, dass die Alexine und spez. baktericidcu Stoffe besonders in diesen Organen gebildet werden, so könnte man an einen Zusammenhang der Bildung dieser Stoffe und dem Nukleiuzerfall denken, um so mehr als auch die höchst baktericide Nukleinsäure aus ihnen gebildet wird und die Anwesenheit von Nuklein- säure bez. deren Salzen im Blute eine überaus heftige Hyperleukcytose hervorruft. Da die Nukleine phosphorhaltig sind, so musste man auch eine stärkere Phosphorsäureausscheidung im Fieber erwarten, was aber nicht der Fall ist. Es kann diese Thatsache neuerdings so erklärt werden, dass eben der Organismus, namentlich wenn er in ein Stadium der Konsumption gerät wie z. B. beim Fieber, einen Teil der durch den Zerfall des Körpereiweiß' entstehenden Produkte wieder zum Aufbau benutzt; das ist nur ein Hinweis mehr darauf, dass eben der Harn nicht alles das enthält, was im Organismus zerfällt und wir bei Betrachtung des Harns ein sehr un- vollkommnes Spiegelbild der Vorgänge bei der Infektion sehen. Da- gegen ist die Schwefelsäure entsprechend dem vermehrten Eiweißzerfall ebenfalls im Fieber vermehrt. Sie hat, wie wir auseinandergesetzt haben, die wichtige Funktion, giftig wirkende Stoffe zu entgiften und sodann aus dem Körper herauszuschaffen. Im Gegensatz zur vermehrten Kaliausscheidung finden wir im Fieber eine verringerte Natronausscheidung. Das hängt zusammen mit der Ver- minderung der Chloride im Fieber. Das Kochsalz kann gebraucht werden zum Aufbau von Exsudaten. Aber diese Thatsache genügt noch nicht, um die Reteution des Kochsalzes allein zu erklären, und wir müssen gestehen, dass wir in der That bisher noch keine genügende Erklärung haben für die Kochsalzretention im Fieber. Infektion und allgemeine Reaktion. 341 Ebenso plötzlich wie sieh nun nach der Krise das Fieber zur Norm begiebt, die Antitoxin- und die liildung spez. baktericider Körper zeigt, ebenso plötzlich ändert sich auch mit einem Schlag-e der gesamte Stoff- wechsel. Es ist, wie wenn der Organismus alles für diesen Augenblick vorbereitet hat, denn wir sehen mit einem Male die vorhin erwähnte Harnflut eintreten, die Stickstoffausscheidung sinkt infolge des stark verringerten Gewebszerfalls und der Tendenz des Organismus das ver- lorene Eiweiß zu ersetzen; nur bei der Pneumonie, wo durch Resorption des Exsudates reichlich Stickstoff resorbiert und ausgeschieden wird, steigt sie noch nach der Krisis erheblich. Es erscheint ferner bei der Pneumonie das sogenannte Sedimentum lateritium im Harn (saures harnsaures Natron), an dessen Auftreten die alten Aerzte das Eintreten der Krise erkannten. Infolge der fettigen Degenerationsvorgäuge werden nun massenhaft flüchtige Fettsäuren resorbiert und ausgeschieden*^. Aus ähnlichem Grunde steigt die Kochsalzausfuhr, die Phosphorsäuremenge wird normal, und der Organismus, welcher vorher durch die infektiöse Erkrankung einen mehr oder minder hohen Grad von Konsumption gezeigt hat, baut mit Begierde stickstoffhaltige Gewebe auf, was man daran erkennt, dass die Stickstoffausfuhr im Vergleich zur Einfuhr eine sehr geringe ist, und an der großen Gewichtszunahme in der Rekonvaleszenz. Dieses ist in großen Umrissen der Stoffwechsel eines fiebernden und gesundenden Kranken. Besonders aber ist es ein Organ, welches bei jeder Infektion unsere besondere Aufmerksamkeit verdient: das ist die Niere. Sie hat die Aufgabe, die Toxine aus dem Organismus zu ent- fernen, sowohl diejenigen, welche von den Bakterien gebildet werden, als die durch den Zellzerfall gebildeten und die Niere höchst reizen- den Gifte. Durch diesen Reizzustand werden die Glomeruli immer eine geringe Durchlässigkeit für Eiweiß zeigen, so dass eine geringe Albuminurie nichts Bedenkliches hat, ja bis zu einem gewissen Grade mit zu den Symptomen der Infektionskrankheiten gehört, so findet man bei Malaria in lb% aller Fälle Albumin im Harn; aber aus dem Reizzustand der Niere kann sich eine Nephritis und Urämie ent- wickeln. Ferner entstehen als primäre Zersetzungsprodukte der Eiweiß- körper durch die Bakterien Albumosen. Ein Teil derselben wird weiter zerlegt in ähnlicher Weise wie durch das tryptische Ferment, aber die Albumosenbildung durch die Bakterien namentlich im Organismus selbst ist eine so starke, dass der Organismus nicht die Gesamtmenge der- selben weiter verbrennen kann, sondern einen Teil als solche ausscheidet. Die Albumosen finden sich insbesondere bei Eiterungen und putriden Prozessen im Organismus (Abszess, Empyem u. s. w.). Das Kreisen von Albumosen im Blute ist nichts Gleichgiltiges für den Organismus, da dieselben giftige Eigenschaften haben. Ebenfalls sehen wir bei zahlreichen Infektionskrankheiten Acetouurie auftreten. Im allgemeinen gilt dies als ein Zeichen der Fettkonsump- tion. Ich kann mich aber dieser Ansicht nicht anschließen und be- streite aus chemischen Gründen, dass aus Fett in den Geweben Aceton gebildet werden kann, weil die höheren Fettsäuren nicht durch Ge- websthätigkeit in Buttersäure übergeführt werden können, aus der durch Oxydation möglicherweise die /j-Oxybuttersäure, die Vorstufe des Acetons, hervorgehen könnte. Es liegt näher, das Aceton durch Bakterien- thätigkeit entstehen zu lassen, und als eine solche Quelle der Aceton- bildung den Darm und die infizierten Gewebe anzusehen. Ferner haben wir jetzt wissenschaftliche Anhaltspunkte für eine Entstehung des Acetons 342 F. Blumenthal, aus Eiweiß, seitdem es Neuberg und mir^, sowie Orgler gelungen ist, durch Oxydation von Eiweißkörpern mit Wasserstoffsuperoxyd bei Gegen- wart von Eisen- und Kupfersalzen Aceton zu erhalten. Aceton kann also entstehen nur durch bakterielle Thätigkeit und durch Oxydation aus Eiweiß. Es scheint al)er, als ob der Bildung des Acetons nicht alle Bakterien fähig sind. So sehen wir z. B. auffallend selten Aceton bei Diphtherie auftreten im Gegensatz zur Angina, wo bereits bei sehr geringen Graden von Infektion häufig schon Acetonurie vorhanden ist. Die Streptokokken und Staphylokokken neigen also zur Acetonbildung, die Diphtherieljazillen nicht. Dagegen findet sich Aceton stets bei septi- scher Diphtherie 9. Besonderes Interesse erregt die Entstehung von Diazokörpern durch bakterielle Thätigkeit, deren Erscheinen im Harn von Ehrlich zuerst nachgewiesen wurde. AVir sehen sie bei fast allen Infektionskrank- heiten auftreten, aber nur bei einigen einigermaßen konstant, bei Masern und Typhus abdominalis^*^. Man hat deshalb für die anderen Krank- heiten, bei denen die Diazoreaktion auftritt, eine Mischinfektion ange- nommen (MiCHAELis^i) und ist der Meinung gewesen, dass infolgedessen die Diazoreaktion eine schlechte Prognose giebt, insbesondere bei der Tuberkulose (Ehrlich, Michaelis, Clemens!. In der That sind bei der Tuberkulose diejenigen Fälle, welche deutlich die Diazoreaktion zeigen, die intensiven Fälle und auch meist recht schwer. Bei anderen Krankheiten habe ich mich nicht von der prognostischen Piedeutung der Diazoreaktion für die Beurteilung der Intensität des Krankheitsprozesses recht überzeugen können. So sehen wir denn durch die Infektion eine fast vollständige Um- wälzung im Organismus sich vollziehen, die zum größten Teil darauf gerichtet ist, in wahrhaft teleologischer Weise den entstandenen Schaden auszugleichen. Wenn der Organismus im Kampfe gegen die Bakterien unterliegt, so ist nicht immer das Versagen der Schutzeinrichtungen schuld. Der Pneumoniker stirbt meist durch die Insuffizienz seines Herzens: der Diphtheriekranke häufig an der Schluckpneumonie. Wäh- rend wir aber früher infolge unsrer Unkenntnisse über Wesen und Reaktion bei den Infektionsprozesseu auf eine fast ausschließlich symp- tomatische Behandlung angewiesen waren, haljen wir durch die von Bkhring inaugurierte Antitoxinbehandlung eine ungeahnt mächtige Waffe gegen die Bakterien in die Hand bekommen und die Zeit dürfte nicht mehr fern sein, wo die spezifisch baktericiden Stoffe in ähnlicher Weise ganz allgemein, z. B. bei Typhus und Pneumonie, zum Segen der Kranken verwandt werden. Die Vorarbeiten hierzu sind beendet, jetzt ist es noch eine Frage der Technik, des Fleißes und der mate- riellen Opferfreudigkeit, hier zum Ziele zu gelangen. Die Zusammen- arbeit der Bakteriologie mit der Klinik darf hoffentlich recht bald diesen Triumph feiern. Litter.itur. 1 Behring, Gesammelte Abhandl., Leipzig 1895; Allgem. Therapie der Infek- tionskrankh, 1901. — 2 Bkieger, Zeitschr. f. Hyg., 1895, Bd. 19. S. 101; Berl. klln. Woch., 1887, S. 820. — ^ Baumgarten, Berl. klin. Woch.. 1899. — 4 Bendix. Deutsche med. Woch., 1900, Nr. 14. — 5 Bienstock, Arch. f. Hyg., 1901. — f' BoucHARD, Compt. rend., Bd. 108. — '' Buchner, Berl. klin. Woch., 1890, S. 10 u. die folgenden Jahre; Müncli. med. Woch., 1890 u. d. folg. Jahre. — ^^ Blumen- thal & Neuberg, Berl. klin. Woch., 1901. — ■' Blumenthal. Deutsche med. Woch.. 1897, Nr. 12; 1898, Nr. 12; Therapie der Gegenw., 1900; Charite Annalen, 1901. — 10 Blumreich & Jacoby, Berl. klin. Woch., 1897, Nr. 21; Zeitschr. f. Hyg., 1897. Infektion und allgemeine Reaktion. 343 — 11 Clemens. Habilitationsschrift, Freiburg 1891. — i- J. Courmont & Pehu, Verhandl. des Pariser intern. Congress., 1901), Bakteriologie, S. 35. — i3 J. CouR- MONT, Congress f. innere Med., Berlin 1901; Soc. de biol., 1897; 1893, 21. Oktober. — 1^ CouRMONT & DoYON, Le tetanos, Paris 1899, Bailiiere et fils. — i^ Centanni, Deutsche med. Woch., 1894, Nr. 7/8. — i''' Ehrlich, Jahrbuch f. klin. Med., 1897; Deutsche med. u. Beil. klin. Woch.. 1897 etc.; Zeitschr. f. klin. Med., Bd. V. — 1' E.MMERiCH, zitiert nach Flügge Mikroorganismen. — i"* Festschrift für Jaffe, Vieweg & Co., Braunschweig 1901. — i'' Flügge, Mikroorganismen, Bd. I u. II. — 2" Gottlier, Arch. f. exper. Path. u. Therapie. — -i Goldscheider & Jacob, Zeitschr. f. klin. Med., 1895. — ^^ Jacob, Zeitschr. f. klin. Med., 1897; Verhandl. d. Congresses f. inn. Med., Berlin 1897. — -^ Huber & Blumenthal, Berl. klin. Woch., 1897. — -'^ G. Klemperer, Zeitschr. f. klin. Med.. Bd. 16, S. 506. — 25 F. Klemperer, Schmiedebergs Archiv, 1893, Bd. 31. — 2r, q. & f. Klemperer, Berl. klin. Woch.. 1891. — 2- Kraus, Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 18. — 28 Krehl, Patholog. Physiol., 1895. C. W. Vogel. — 20 R. Koch, Deutsche med. Woch., 1899—1900, Vorträge über Malaria. — ■» E. Kocii & Kolle, ebd., 1897. - 3i R. Roch, ebd., 1901, iN'r. 48. — 32 Kolle zitiert nach Dieudonne, Serumforschung (2). — 33 Morgexroth, Deutsche med. Woch. u. Berl. klin. Woch.. 1897 etc. — 3i Th. Landau, Deutsche med. Woch., 18!19. Nr. 11. — 3ö V. Leyden, Arch. f. klin. Med., Bd. 7. — 3g Limbeck, Zeitschr. f. Heilk. , Bd. 10. 1889. — 37 Loewy & Richter, Virchows Archiv, Bd. 145. — 3« Metschnikoff. Immunität. Handbuch der Hygiene. 1897. — 30 jj. Meyer. Fest- schrift für Jaffe. Vieweg & Co., Braunschweig 1901. — 4o Friedr. Müller, Ztschr. f. klin. Med.. Bd. 16, S. 496. — 4i Michaelis. Deutsche med. Woch.. 1899, Nr. 10. — 4i NooRDEN. Pathologie des Stoffwechsels. Berlin 1893. — *' Pfeiffer & Marx, Deutsche med. Woch.. 1898, Nr. 2. — ** Salkowski-Leube, Lehre vom Harn, Berlin 1882. — 4."' Stadhagen & Brieger. Berl. klin. Woch., 1889, S. 345. -- 4^' Schütze. Zeitschr. f. Hyg., 19U1. — 47 a. Wassermann. Deutsche med. Woch., 1898. — 4s M. Wassermann, Ebd., 1899, Nr. 9. VII. Die Bakteriengifte. Von Dr. phil. et med. Carl Oppenheimer, in Berlin. Schon kurze Zeit, nachdem der Bakteriologie durch Eobert Koch feste Wege gewiesen waren, drang die Ueberzeugung durch, dass we- niger die Bakterien selbst es sind, die die verheerenden Wirkungen der Infektionskrankheiten hervorrufen; man erkannte bald, dass die kleinen Lebewesen meist nur mittelbar schädlich sind; dass es ihre chemischen Produkte sein müssen, die die eigentliche Noxe darstellen. Besonders Brieger war es, der schon sehr frühzeitig darauf hinwies, dass man nach den spezifischen Giften der Bakterien suchen müsse, und der selbst bestrebt war, diese supponierten Gifte aufzusuchen und darzustellen. Er isolierte zuerst aus den Kultursubstraten, die durch das Wachstum der Bakterien verändert waren, besonders aus Fäulnisgemischen, eine Keihe von wohlcharakterisierten chemischen Substanzen, die Pt omaine, stickstoffhaltige Basen, die zum Teil eminent toxisch waren. Indessen erwiesen sich diese Stoffe nicht als die eigentlichen Bakterien- gifte. Diese Gifte stellen nicht die Waife der Parasiten im leben- den Körper dar; die spezifischen Bakteriengifte, die den Namen »Toxine« als Sammelbegriff" erhalten haben, sind es nicht. Alhnäh- lich hat dann der Begriff des Toxins naturgemäß jene Spezialisierung erfahren, die ihn aus dem Begriff" des aus Bakterien oder aus der von Bakterien belebten Zersetzungsmasse isolierten Giftstoffes umzumodeln bestrebt war in den Begriff des spezifischen, die spezifische Erkrankung hervorrufenden Bakteriengiftes. Dahin ging die Tendenz der Diff'eren- zierung jenes Begriffes, ohne dass diese Tendenz immer klar zum Be- wusstsein, geschweige denn zum Ausdruck gekommen wäre. Zur Er- höhung der Begriffsverwirrung trug noch bei, dass man eine Eeihe von Bakteriengiften, die den Eiweißkörpern nahe zu stehen schienen, mit dem Namen der Toxalbumine bezeichnete. Darunter verstand man zum Teil die Gifte, die wir heute als echte Toxine anzusehen haben, aber auch andere, die mit ihnen nichts weiter gemein haben als ihre scheinbar eiweißartige Natur. Dies machte es um so schwerer, den Die Bakteriengifte. 345 Begriff des Toxins scharf zu umgrenzen. Wir werden sehen, dass es auf Grund unserer heutigen Kenntnisse möglich ist, den Begriff' des Toxins theoretisch und })raktisch mit hinreichender Schärfe zu präzisieren und ihn als eine einheitliche Größe den übrigen Bakteriengiften gegen- überzustellen. Alle Bakterien erzeugen in den sie beherbergenden Medien irgend- welche chemische Substanzen. Wenn auch viele der auf verschiedenste Weise dargestellten Bakterien- stoffe Produkte sekundärer Umwandlungen durch zu eingreifende che- mische Manipulationen sind, so ist doch sicherlich ein Teil derselben ein primäres Produkt des bakteriellen Stoffwechsels. Diese Stoffwechselprodukte sind zum Teil mehr oder weniger heftige Gifte. Darin unterscheiden sich generell die pathogenen Mikroben nicht von den für die Krankheitsentstehung gleichgiltigen. Wenn also auch derartige Stoffe giftig sind, so haben sie doch sicher- lich mit der Vergiftung des Organismus durch eine Invasion der Bak- terien nichts zu schaffen, auch wenn sie durch pathogene Mikroben er- zeugt sind. Jene Gifte, wie z. B. das Neurin, haben ihre eigenartige Wirkung, ob sie durch Bakterien oder rein chemisch hergestellt sind. Sie sind also zuerst von dem Begriff des »Toxins« abzusondern. Zum zweiten hat man aus den Leibern zahlreicher pathogener Mi- kroben durch verschiedenartige Prozeduren eine Reihe von Stoffen herge- stellt, die eiweißähnliche Natur besitzen, wie die Bakterienproteine Büch- ners, und mehr oder minder giftig sind. Aber diese giftigen Wirkungen sind nur sehr wenig verschieden nach der Provenienz ihrer Träger, sie tragen nicht den Charakter des Spezifischen, rufen niemals Erscheinungen hervor, die der spezifischen Erkrankung ähnlich sehen. Ferner enthalten noch viele Bakterien in ihrem Zellprotoplasma giftig wirkende Ei- weißstoffe, die von dem Protein nicht zu isolieren, und auch größten- teils nicht spezifisch sind. Dass allerdings trotzdem die Bazillenleiber spezifische Sub- stanzen enthalten, geht daraus hervor, dass sie spezifische Gegen- reaktionen auslösen, dass sie die antibakteriellen, baktericiden Schutzkräfte des Organismus wachrufen. Die Gifte sind aber von den Bakterienleibern nicht zu trennen, sondern werden durch Injektion dieser toten Leiber selbst bei Tieren zur Wahrnehmung gebracht. Auch diese Gifte darf man nicht zu den Toxinen rechnen. Was bleibt nun schließlich zur Füllung des Begriffes Toxin übrig? Einige pathogene Bakterien erzeugen, wenn man sie in Reinkultur züchtet, in den Kulturflüssigkeiten gelöste Gifte, die nur durch sehr schonendes Vorgehen in unverändertem und konzentriertem, wenn auch nicht in reinem Zustand gewonnen werden können, Stoffe, die keine Ptomaine und keine Ei weiß kör per sind (s. unten). Derartige Stoffe sind be- sonders aus den Reinkulturen von Diphtherie- und Tetanusbazillen gewonnen worden und sie sind die echten Toxine im engeren Sinne. Wir werden später Gelegenheit haben, ihre Art und ihre Bedeutung ausführlich zu schildern; hier soll nur in ganz flüchtigen Zügen dargethan vverden, was zu dem Begriff des echten Toxins gehört. Die Toxine sind charakterisiert zunächst durch eine Summe äußerer Merkmale: Sie sind von völlig unbekannter chemischer Struktur, außer- ordentlich labil, sehr empfindlich schon gegen geringfügige chemische Eingriffe, besonders aber gegen Erwärmen. Sie sind keine Eiweiß- 346 C. Oppenheimer. körper, also keine Toxalbumine. Sie zeigen eine außerordentlich weitgehende Analogie mit den Fermenten. Physiologisch sind sie charakterisiert durch eine unter geeigneten Umständen außerordentlich hohe Giftigkeit, die alle anderen bekannten Gifte weit hinter sich lässt. Fast alle Toxine zeigen fernerhin die Eigen- tümlichkeit, dass sie nicht sofort wirken, sondern erst nach einer ge- wissen Latenzperiode, einer Inkubationszeit, ganz analog der Ver- giftung mit lebenden Bakterien. Sie zeigen trotz ihrer für manche Tiere enormen Giftigkeit, die selbst die der energischsten einfachen Gifte, wie der Blausäure, übertrifft, nur in wenigen Fällen (z. B. Schlangengift) die foudroyante Wirkung, die diesen oft eigen ist. Sie sind ferner vor allem charakterisiert durch die strenge Spezifizi tat ihrer Wirkung, die einen engen Zusannnenhang mit der durch ihre Mutterzelle erzeugten Krankheit zeigt, der beim Tetanusgift bis zur völligen Analogie wird (s. auch Spezifizität). Sie sind auch in anderem Sinne streng spezifisch, d. h. sie vermögen nur gewisse Lebewesen zu schädigen, Avähreud sie andere, zum Teil eng verwandte, völlig unbeeinflusst lassen, wodurch sie in wichtige, fundamental bedeutsame Beziehungen zur natürlichen Im- munität (s. d.) treten; nicht minder wichtig sind ihre Beziehungen zur erworbenen Immunität dadurch, dass es eine grundlegende Eigen- schaft der Toxine ist, im angegriffenen Organismus Gegengifte streng- spezifischer Natur zu bilden, die die Gifte in vivo unschädlich machen und die, vom erzeugenden Organismus losgetrennt, auch in vitro ihre spezifische, neutralisierende Wirkung auf ihr zugehöriges Toxin und nur auf dieses entfalten. Zu jedem echten Toxin gehört also auch ein echtes Antitoxin. Doch nicht nur chemisch und physiologisch haben wir jetzt das Material in der Hand, um absolut scharf den Begriff' des Toxins zu be- grenzen, wir haben auch noch eine willkommene Ergänzung dieser Definition in der theoretischen Fundierung. Ein Toxin ist ein Gift, das nach der EniiLicuschen Seitenkettentheorie zwei spe- zifische Atomgruppen besitzt, eine haptox)hore, die die Ver- knüpfung mit der anzugreifenden Zelle besorgt und eine toxo- phore, die die deletäre, die Giftwirkung vollzieht. Jeder Stoff", der zu bestimmten Protoplasmakomplexen eine spezifische Affinität, eine passende haptophore Gruppe besitzt, ist ein Haptiu, und jedes giftige Haptin, das also noch eine toxophore Gruppe besitzt, ist ein Toxin, und jedes Toxin, das von Bakterien erzeugt wird, ist ein Bakterien- toxin. Nur wenn wir diese völlig scharfe Definition für den Begriff" des Bakterientoxius einführen, kann auf dem so komplizierten Gebiet der Bakteriengifte Ordnung geschaff'en werden. Noch ist freilich durch- aus nicht in allen Fällen klar, ob ein einzelnes Bakteriengift ein echtes Toxin in unserem Sinne ist; wir werden auf diese zweifelhaften Fälle ausführlich zurückkommen; es giebt sogar wahrscheinlich wirklich spezifische von nur einem Mikroorganismus erzeugte, bakterielle Gifte, die keine Toxine sind, doch ist für andere völlige Klarheit er- zielt, so dass es wohl berechtigt erscheint, das Kapitel: Bakterien- toxine und Antitoxine als ein eigenes, in sich geschlossenes Kapitel eines umfassenderen Werkes über die von den pathogenen Bakterien erzeugten Gifte abzuhandeln. Wir hätten damit eine Umgrenzung und Einteilung unseres Stoffes gewonnen. An die Behandlung der Toxine und Antitoxine schließt sich naturgemäß die der ihnen eng verwandten von Bakterien erzeugten Hämolysine und der den Toxinen Die Bakteriengifte. 347 niclit mit Sicherlieit zuzurcchneudeu ühnliclieii S])ezifisclien Gifte an. Die übrigen Bakteriengifte zerfallen schließlich in Gifte einfacherer, b ekannter Struktur, und das, was von dem alten Begriff der Toxal- bumine noch übrigbleibt, die nicht spezifischen, eiweiliähnlicheu Gifte der pathogenen Mikroben, seien es die Zellstoffe der toten Leiber selbst oder die aus diesen durch chemische Eingriffe dargestellten Produkte Bakterienproteine im engereu und weiteren Sinne). Allgemeines über Toxine im engeren Sinne. Die echten Toxine, wie wir sie oben definiert haben, sind, um es nochmals zu rekapitulieren, charakterisiert durch eine Summe physi- kalischer und chemischer Merkmale, die wir des Näheren zu besprechen haben werden, sowie durch die fundamentale Eigenschaft, in geeigneten Organismen eine Abstoßung freier haptophorer Seitenketten zu veran- lassen. Antitoxine zu erzeugen. Wenn auch jedes einzelne Toxin für sich eigene Kennzeichen besitzt, denen wir erst im speziellen Teil gerecht werden können, so zeigen doch alle echten Toxine eine Reihe gemeinsamer Eigenschaften, die es rechtfertigen, zusammenfassend besprochen zu werden. Diese Eigenschaften teilen die Bakterientoxine mit den übrigen uns bekannten Toxinen, den Schlangengiften, dem Gift des Aal- und Muränenblutes, dem Eicin, Abrin, Crotin u. s. w., die indessen im Rahmen dieser Arbeit nicht zu schildern sind. Gemeinschaftlich ist den Bakterientoxinen zunächst die Art ihrer Entstehung. Mau hat sie aufzufassen nicht etwa als Produkte der durch die bakterielle Invasion veränderten Kulturmedien, sondern, wie auch BuciiNEK^ hervorhebt, als wirkliche echte Produkte des Zell- l)rotoplasmas, als Sekreti(nisi)r()dukte der Bakterienzelle; gerade so wie die Pankreasdrüsenzelle ihrTrypsin, die Kleberzelle des Weizenendo- sperms dieDiastase produziert und sezerniert, so sezernieren die Bak- terienzellen ihre spezifischen Toxine. Dass diese bei gewissen Mikroben unter Umständen recht fest au dem Protoplasma haften wie bei Cho- lera n. s. w., ist auch durchaus nicht ohne Analogie bei den Fer- menten, wo sich bei den Hefenenzymen ganz dieselben Verhältnisse finden. Auf den ihnen zusagenden Nährböden bilden diejenigen pathogenen Mikroben, die Toxinerzeuger sind, ihre charakteristischen Gifte gewöhnlich schon nach sehr kurzer Zeit. SpriONCK2 erhielt schon nach 48 Stunden sehr wirksames Diphtberietoxin. Doch nimmt die Toxizität mit dem Alter der Kultur zu. Roux cV: Yeusin-^ fanden, dass dieselbe Diphtheriekultur filtriert nach 7 Tagen ein Kaninchen in 6 Tagen tötete, die in einem Alter von 42 Tagen in gleicher Dosis weit früher letal wirkte. Sproncks^ Diphtberietoxin hatte nach 5 — 6 Tagen die zehnfache Giftigkeit des 48 stündigen. Doch erreicht nach einer gewissen Zeit die Giftigkeit ihr Maximum. Dann beginnt sie, durch Zerfall des gebildeten Toxins, wieder abzunehmen (s. u. »Toxoide«), so dass alte Kulturen wieder weniger giftig siud. Nach einer ziemlich langen Zeit bleibt dann meist der Giftwert konstant. Die Art des Nährbodens ist naturgemäß von großem Einfluss auf die Entstehung des Giftes. 348 C. Oppenheimer, Im allgemeinen werden Bonillonkulturen verwendet, meist unter Zusatz von etwas Pepton, auch Kulturen auf Fleischextrakten, auf Hefe- extrakten u. s. w. werden vielfach benutzt. Agar und andere Nährböden sind kaum mit Kutzeu anwendbar. Interessant sind die Versuche, auf eiweißfreien Nährböden Toxine zu erzielen, so auf Asparaginlösuug mit geeigneten Salzen (Armand & Charrin^, auf dialysiertem Harn); doch sind zufriedenstellende Eesultate bisher damit nicht erzielt (Guinochet •'', Uschinsky"). Im allgemeinen ist gerade dieser Faktor je nach der Art des Toxins so verschieden, dass wir hier auf den speziellen Teil (Bd. II) verweisen müssen, wo die verschiedenen Kulturmedien, die man zur Gewinnung möglichst großer Toxinmengen benutzt hat, ausführlich gewürdigt werden sollen. Hier wollen wir nur kurz darauf hindeuten, dass eine zu große Acidität wie eine zu große Alkalinität des Mediums durchaus vermieden werden muss, und dass ganz im allgemeinen dieselben Bedingungen in Bezug auf Temperatur u. s. w. festgehalten werden müssen, die bei der Züchtung möglichst lebenskräftiger und virulenter Bakterien üblich sind. Ein Punkt ist aber hier noch von besonderem Interesse. Es geht nämlich durchaus nicht die Erzielung eines sehr lebhaften Wachstums und die einer sehr hochgradigen Virulenz der Bakterien stets parallel mit der Gewinnung sehr energisch toxischer Kulturen. Einerseits scheint nämlich an sich die Giftproduktion der Bakterien nicht eine direkte Funktion einer lebhaften Vermehrung oder eines hohen Virulenzgrades zusein. Giebt es doch bei der Diphtherie sogar sehr energisch wachsende Stämme, die völlig atoxisch und avirulent sind (LUBOWSKI ^). Andererseits aber giebt es zweifellos Mittel, die zwar das Wachstum und eventuell auch die Virulenz steigern, die Ausbeute an Toxin aber herabsetzen. Dies geschieht dadurch, dass sie das bereits gebildete Toxin teilweise wieder zerstören. Selbst wenn also derartige Mittel zu- gleich mit der Wachstumsenergie der Bakterien auch ihre Toxin- produktion steigern, so wird doch durch ihre zu energische An- wendung mehr Toxin zerstört als mehr neugebildet wird und das End- resultat ist eine Verminderung der Toxinmenge. Bei derartigen Hilfs- mitteln, wie es z. B. die Luftzufuhr bei Diphtheriekulturen ist, kann man also eine Kurve der Toxinmenge konstruieren, deren Abszisse die steigende Anwendung des Mittels, deren Ordinate die schließlich resul- tierende Toxinmenge darstellt. So lange z. B. die Luftzufuhr die Diph- theriebazillen reichlicher Toxin produzieren lässt, die entgegenlaufende Zerstörung des fertigen Toxins durch den Luftstrom sich in geringeren Grenzen hält, wird die Kurve steigen; allmählich aber überwiegt der zerstörende Einfluss der Luft den günstigen auf die Produktion: die Kurve sinkt wieder. Dazwischen liegt also ein Maximum der resultieren- den Toxinmenge bei einer bestimmten Intensität der Luftzufuhr, dessen Lage natürlich von mannigfachen Bedingungen abhängig ist, wie die Art der Kultur, Nährboden, Temperatur u. s. w. In praxi wird sich dieses Optimum nur schwer realisieren lassen: die Folge sind wider- sprechende Angaben über Förderung resp. Schädigung durch dieselben Agentien, wie wir später sehen werden. Aehnlich wie Luftzufuhr mögen auch andere Faktoren wirken; nament- lich Erhöhung der Temperatur könnte einerseits die Toxinproduktion, anderseits aber auch den Toxinzerfall in ganz ähnlicher Weise beein- flussen. Andererseits scheint es thatsächlich eine Reihe von Mitteln zu Die Bakteriengifte. 349 g-eben, die die scbließliclie Ausbeute an Toxin beträcbtlich steigern; in diesen Versucben, durch geeignete Wahl der Käbrbüden, der Tempera- tur, durch besondere Zusätze u. s. w. die Toxinmeuge zu erhiJhen, ist eine beträclitliche Arbeit aufgehäuft; man kann jetzt für die wichtigsten Toxine höchst giftige Kulturen erzielen ; doch sind diese Methoden ganz spezieller Natur. Eine prinzipiell für alle Toxine wichtige Methode ist wohl kaum vorhanden, die an dieser Stelle Erwähnung verlaugte. Dagegen soll schon an dieser Stelle kurz darauf hingewiesen werden, dass die Toxinlösuugen durchaus nicht immer einen einheitlichen Wert besitzen. Besonders zeigt sich dieser Umstand beim Tetanus- gift. Ganz abgesehen davon, dass der NicoLAiEiiSche Bacillus zwei ganz verschiedene Gifte, nämlich neben dem eigentlichen Krampfgift noch das Tetanolysin (s. d.) produziert, so zeigen außerdem einzelne Gift- l(3sungen in Bezug auf ihre spezitische Wirksamkeit sehr große Dif- ferenzen, für die es bisher keine Erklärung giebt. Während das Tetauus- gift im allgemeinen für Meerschweinchen beträchtlich toxischer ist als für Kaninchen, giebt es auch einzelne Giftproben, die für Kaninchen ungefähr ebenso giftig (Tizzoni) oder sogar viel giftiger sind (Behring), als für Meerschweinchen. Bei der sehr labilen Natur des Tetanusgiftes ist eine Aufklärung dieses hochinteressanten Phänomens noch nicht gelungen. Sind also nun in den Kulturen der lebenden Mikroben reichliche Toxinmengen vorhanden, so muss es sich darum handeln, die Wirkung der lebenden Zellen auszuschalten, um die Gifte an sich studieren zu können. Dazu kann man nun entweder die Bakterien töten, oder man muss versuchen, die Leiber von den Giften ganz zu trennen. Die erstere Methode, die also die toten Zellen nicht entfernt, kann uns nicht über die Wirkung des Giftes au sich Aufschluss geben, da auch die toten Leiber noch bestimmte chemische und physiologische Wir- kungen haben, die das Bild trüben müssen. Glücklicherweise ist für die echten Toxine diese früher angew^andte Methode zu entbehren, und thatsächlich völlig außer Gebrauch gekommen. Es gelingt nämlich, die echten Toxine von ihren Mutterzellen mittelst Filtration durch bakteriendichte Filter zu trennen. Hauptsäch- lich benutzt man dazu Porzellanfilter oder CHAMBERLAXDSche Kerzen, auch Infusorienerde und Kalk (s. Methoden). Es geht dabei bei Filtration größerer Mengen das Toxin restlos in das Filtrat über; die zurückbleibenden Zellen haben nur noch so viel Giftwert, als der Menge des ihnen mechanisch anhaftenden Toxins ent- spricht, von dem sie durch Waschen mit physiologischer Kochsalzlösung befreit werden können. In ihren Leibern enthalten sie dagegen kein echtes Toxin mehr, das ihnen etwa durch Zerstörung ihrer Körperlichkeit (Aufquellen in Alkalien) entzogen werden könnte, wie das z.B. H.Kossel'' bei Diphtheriebazillen zeigen konnte. Wohl aber können diese toten Leiber noch Gifte ganz anderer Art, Bakterienproteine enthalten, die indessen mit der spezifischen Giftwirkung nichts zu thuu haben (s. unten). Es folgt aus alledem, dass die typischen Toxine freie Sekrete sind; Stoffe, die physiologisch von der Bakterienzelle in die umgebenden Medien hinein abgeschieden werden. Sie folgen denselben Normen wie die echten Enzyme; in derselben Art, wie die Pankreasdrüsen das Trypsin, die drüsigen Zellgebilde der Kleberschicht die Dias tase ab- sondern, so sondert die Zelle des Diphtherieeregers das Diphtherictoxin ab; die entgegenstehenden Annahmen, dass erst mit dem Überfall der 350 C. Oppenheimer, Zelle das Gift frei würde (Gamaleüa^), entbehren für die Toxine im engeren Sinne der Begründung-. Freilich gilt das mit Sicherheit nur für die typischen Toxine, be- sonders der Diphtherie und des Tetanus. Bei anderen liegen die Ver- hältnisse sehr viel unklarer. Wie wir später sehen werden, ist es z. B. bei Cholera und Typhus überhaupt noch fraglich, ob sie echte Toxine im Sinne unserer Definition bilden. Wenn dies aber der Fall ist, so werden sie sicherlich nicht in beträchtlicher Menge frei sezerniert, sondern haften zum mindesten der lebenden Zelle fest an. Nur beim Zerfall der Zelle nach dem Absterben werden sie in beschränkter Menge frei, ebenso in alternden Kulturen; dabei werden aber die Giftstoffe schon stark verändert, in sekundäre, beständigere Produkte übergeführt, die nicht mehr die Charaktere eines echten Haptines zeigen. Wir werden darauf später zurückkommen. Ein derartiges Festhaften von aktiven Stoffen in der lebenden Zelle ist ganz analog wie bei gewissen Fermenten 'o. Wir wissen, dass die Hefezelle auBer der von ihr in geringer Menge frei sezernierten Dia- stase noch eine Reihe von anderen Enzymen, Invertase, Maltas e u. s. w., enthält, die nur nach Abtötung oder Lähmung des Zellprotoplasmas oder nach Zerraalmung ihrer Wand, wie die Zymase, austreten können, und wir wissen ferner, dass die Monilia Candida ihre Invertase überhaupt nicht in die umgebenden Medien abgiebt. Hat mau nun durch Filtration die Toxinlösung von den Bakterien- leibern befreit, so kann man entweder die erhaltene Lösung, die noch sämtliche Bestandteile des Nährbodens, sowie unter Umständen noch andere Stoffwechselprodukte der Bakterien enthält, direkt zu physio- logischen Versuchen verwenden. Einige ganz rohe Versuche in Bezug auf das Verhalten des Toxins gegen physikalische und chemische Fak- toren gestattet außerdem auch dieses Gemisch schon. Zur bequemeren Autbewahrung kann man ferner diese Lösung unter Anwendung verschiedener Vorsichtsmaßregeln konzentrieren, ja sogar zur Trockne bringen, ohne das Toxin wesentlich zu schädigen. Die Hauptsache dabei ist Vermeidung von Temperaturen über 45°, weshalb man am besten im Vacuum arbeitet, ferner die Abschwächuug etwaiger Säuren oder starker Basen. Zur genauem Untersuchung der Toxine bedarf es hingegen umständ- licher Reinigung sprozesse, um sie möglichst von allen Beimengungen zu befreien. Das einfachste Verfahren ist die Dialyse, die indessen das Toxin nur von den der Kultur beigemengten Salzen und Peptonen befreit, die Eiweißstoffe dagegen nicht absondert. So musste man denn kompliziertere Methoden ersinnen, um eine möglichst weitgehende Iso- lierung der Toxine zu erzielen. Angewendet werden vor allem die Aus- fällung mittelst Ammonium- oder Magnesiumsulfat mit nachfolgender Dialyse und ferner die Ausfällung mittelst Schwermetallsalzen und nach- folgender Zerlegung der entstandeneu Doppelverbindungen. Führt die erstere Methode nur zu festen, konzentrierteren, aber auch im ent- ferntesten noch nicht reinen Toxiupräparateu , die praktischen Zwecken nutzbar gemacht werden können, so ist die zweite Methode die einzige, die zu einigermaßen reinen Toxinpräparaten führt. Ihre Details, die besonders von Brieukr und seinen Schülern ausgearbeitet sind, werden uns im speziellen Teil näher beschäftigen. Es sind außerordentlich müh- selige und große Sorgfalt erheischende Methoden, die im wesentlichen auf der Fällung mit Zink-, Blei- oder Quecksilbersalzen beruhen. Es Die Bakteriengifte. 351 fallen dann DoppelverbiuduDgen der Toxine mit diesen Salzen aus, die nun, sei es durch Seliwefelwasserstotf, sei es mit Hilfe von kohlen- sauren oder phosphorsauren Alkalisalzen, wieder zerlegt werden. Durch Filtration oder Dialyse erhält man dann Lösungen, aus denen durch Eindam])fen im Vacuum Präparate gewonnen werden, die im günstig- sten Falle an Toxin sehr reich sind. Immer jedoch enthalten sie noch beträchtliche Mengen von Beimengungen, sei es anorganischer (Asche) oder organischer Natur (EiweiBstoffe). Ein reines Bakterientoxin ist bis heute gerade so wenig bekannt, wie ein reines Enzym, und es ist auch für die nächste Zukunft kaum zu erwarten, dass seine Gewinnung glücken wird. Selbst von ihren noch nicht reinen, wenn gleich relativ sehr wenig Beimengungen enthaltenden Präparaten erhielten Briegek und BoER so winzige Mengen, dass au eine weitere Peinigung gar nicht gedacht werden konnte. Auch die Versuche, auf eiweißfreien Nähr- böden zu reinen Toxinen zu gelangen (Uschinsky ^), haben sehr wenig befriedigende Resultate ergeben. So ist denn über die chemische Natur der Bakterientoxine so gut wie nichts bekannt. Gerade wie die Enzyme, mit denen sie ja in engen Beziehungen stehen, hielt man sie zunächst für Ei weiß kör per und nannte sie Toxalbumine. Je intensiver man sich indessen bemühte sie zu reinigen, desto mehr kam man zu der Ansicht, dass die Eiweiß- substanzen nur allerdings sehr schwer zu entfernende Beimengungen sind, dass aber die reinen Toxine höchstwahrscheinlich nicht Eiweiß- körper im gewöhnlichen Sinne sind. Und Brieger selbst, der den Begriff der Toxalbumine geschaffen hatte, gelang es Toxinpräparate herzustellen, die die gewöhnlichen Eiweißreaktionen nicht mehr zeigten (s. b. Tetauusgift); ebensowenig gaben die auf eiweißfreien Nährböden erzeugten Toxine diese Peaktionen. Das ist die einzige — negative — Kenntnis, die man von der Konstitution der Toxine hat; sonst muss man sich damit begnügen, anzunehmen, dass es hochmolekulare Körper sind, den Eiweißstoften wahrscheinlich verwandt, mit ihnen in gewissen Eigen- schaften korrespondierend, besonders nahestehend aber den ebenfalls in ihrer Konstitution noch völlig rätselhaften Fermenten, mit deren Eigen- schaften sie in ihren Peaktionen und ihrer Wirksamkeit die weit- gehendsten Analogieen zeigen. Diese Analogieen treten besonders dann ins hellste Licht, wenn man die Beeinflussung der bakteriellen Toxine durch äußere Faktoren mit dem Verhalten der Fermente in gleicher Hinsicht vergleicht. Es ist fast bis in alle Einzelheiten dasselbe Bild. Besonders charakteristisch für die Toxine ist ihre ungemeine Empfind- lichkeit, zumal gegen Erwärmen. In ihrer natürlichen Lösung gehen sie bei Temperaturen von über 50" bald zu Grunde; 80" vernichtet ihre Wirksamkeit sofort, doch schon bei 45" werden sie langsam zer- stört. Dabei sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Toxinen gering. Trockene Hitze ertragen sie dagegen gut. Feste Präparate können bis über 100" erhitzt werden, ohne Schaden zu erleiden; 150" dagegen scheint auch sie zu vernichten. Interessant ist, dass sie auch in wasserfreien Flüssigkeiten, z. B. Amylalkohol bis weit über 80" erhitzt werden können, und dass auch manche Salze, wie z. B. Natriumsulfat, ihre Resistenz gegen Erwärmen erhöhen (Buchner 'i). Tiefe Temperaturen lähmen zwar ihre Wirksamkeit, schädigen sie selbst aber nicht. 352 C Oppenheimer, Alles dies ist genau wie bei den Fermenten'". Noch empfindlicliei' als die Fermente sind die Toxine gegen Lielit. In wässeriger Lösung wird sowohl Diphtherie- wie Tetanusgift vom Sonnenlieht wie auch vom diffusen Tageslicht sehr bald zerstört. (Tetanus- gift nach K1TASAT012 in 18 Stunden). Trocken oder in Suspension in wasserfreien Flüssigkeiten sind sie unempfindlich gegen Licht. Auch der elektrische Strom kann den Toxinen schädlich sein, doch sind es nur Gleichströme , während hochgespannte Wechselströme dem Tetanusgift gar nichts schaden (M armier i-^j. Selbst das bloße Stehenlassen in Lösung, unter allen Kautelen, im Dunkeln, führt zur langsamen Abschwächuug der Gifte, die, wenigstens bei der Diphtherie und einigen anderen Giften, in Toxoide zerfallen (s. u.). Bei anderen Giften ist die Existenz von Toxoiden nicht sicher nach- gewiesen. Gegen fast alle chemischen Agentien sind die Toxine sehr em- pfindlich. Sauerstoff, auch so verdünnt wie in der Luft, wirki: eminent schäd- lich. An der Luft, besonders bei gleichzeitiger Belichtung, verlieren die Toxine schnell ihre Giftigkeit, besonders das Tetanospasmin, das schon beim Filtrieren sehr geschwächt wird. Im allgemeinen sind alle Oxydationsmittel sehr schädlich, auch Wasserstoffsuperoxyd. Sieber i^ fand, dass Calciumsuperoxyd Diph- therie- und Tetanusgift vollkommen entgiftet (1000 letale Dosen in wenigen Stunden). Er fand ferner die Oxydasen der tierischen Ge- webe auf bakterielle Toxine wirksam, auf Abrin aber nicht. Auch bei gleichzeitiger Injektion von Oxydase und Toxin blieb das Versuchstier gesund. Auch eine ptianzliche Oxydase (aus der Schwarzwurzel) erwies sich als wirksam, die Peroxydasen, die nur bei Gegenwart von Hydro- peroxyd Guajak bläuen, dagegen nicht. Interessant ist seine Angabe, dass Fibrin aus dem Blute hochimmuner Pferde eine das Diphtherie- gift zerstörende Oxydase enthalten soll, gewöhnliches Fibrin nicht. Ob das nicht eher noch anhaftendes Antitoxin gewesen ist, lässt sich dabei aber nicht ausschließen. Ueber die Wirkung anderer chemischer Stoffe ist einiges wenige bekannt. Starke Basen und Säuren wirken natürlich vernichtend, schwache Basen schädlich, sehr schwache Säuren, besonders die organischen wahr- scheinlich fördernd. Ueber den Eintiuss von Neutralsalzen und zahl- reichen anderen Stoffen speziell auf Tetanusgift haben Permi cV: Pernossi^^ Untersuchungen augestellt. Sie wirken bald im guten, bald im schlechten Sinne auf die Toxizität. Indifferente Gase, wie CO2, H, CO, sind ohne Einfluss. Nur vom H2S beobachtete Brieger ^^ eine schädigende Einwirkung auf Tetanus- toxin, wenn er es 4 Tage damit im verschlossenen Bohr digerierte. Protoplasmagifte, Avie Karbol, Chloroform u. s. w. sind ohne wesent- lich schädigende Bedeutung. Alkohol ist sehr schädlich. Nach Sal- KOWSKi^^ ist besonders Salicylaldehyd ein energisch schädigendes Mittel, ferner aber auch Chloroform und Formalin. Jod und Schwefelkohlenstoff haben wahrscheinlich eine ganz be- sondere Wirkung, insofern sie nur die toxophore Gruppe anzugreifen und zur Toxoidbildung zu führen scheinen (Ehrlich 1*); ähnlich scheint Thymusextrakt zu wirken (Brieger, Kitasatü und Wassermann ^^). Die Bakteriengifte. 353 Schicksale der Toxine im Organismus. Nach Einführiiug von Toxinen in die Blutbahn empfänglicher Tiere verschwinden sie ziemlich schnell. Nach kurzer Zeit ist das Blut einer- seits völlig toxinfrei, wie die Versuche von Bomstein, Ckoly, Bruxner am Diphtheriegift :s. d.) darthun, und andererseits ist das Gift bereits irgendwo fest gebunden, im Lateuzstadium seiner Wirkung, wie die Arbeiten von Döxitz^^) u. a. beweisen. Döxnz konnte vergiftete Tiere schon nach wenigen Minuten durch Antitoxininjektionen nicht mehr retten, da das Gift dem Gegengift nicht mehr frei gegenübertrat. Nur durch sehr große Dosen lässt sich noch binnen einer gewissen Zeit die Bindung Toxin-Körperzelle zerreißen, die also latent bereits vorhandene Intoxikation heilen; doch hat auch dies eine zeitliche Grenze; beson- ders beim Tetanus können nach Ablauf einer bestimmten Frist selbst ungeheuere Dosen Antitoxin nicht mehr retten. Hierin liegt eine der Ursachen für die mangelhaften therapeutischen Erfolge in der Heil- serumtherapie des Tetanus. Das Toxin als solches entzieht sieh im Körper den Nachforschungen, wenn man geringe Dosen einführt. Injiziert man empfänglichen Tieren eine einfach letale Dosis oder ein geringes Multiplum dieser Menge, so verschwindet das Gift rasch aus dem Blute und lässt sich auch in den Organen mittelst des Tierversuches nicht mehr nachweisen. Das Gift ist dann also an die si)ezifisch empfänglichen Organe fest gebunden. Auch durch den Harn wird es nicht ausgeschieden (Goldberg 21). Bei sehr großen Dosen dauert das Verschwinden einige Zeit, es kann dann auch im Harn auftreten 22. Es ist dies auch ganz erklärlich; auf so plötzliche Ueberschwemmung mit gew^altigen Giftmengen sind die Kezeptoren nicht eingerichtet, so dass dann auch ein kleiner Teil des Toxins die Nierenbarriere durchbricht und im Harn erscheint. Die That- sache des Verschwindens des Toxins gab einen der Gründe für die Aufstellung der sog. »Fermenttheorie« des Tetanus ab: Das echte Toxin soll erst sekundär im Organismus ein anderes Gift abspalten, auf das die Antikörper nicht mehr reagieren (darum soll der Tetanus nach der Vergiftung nicht heilbar sein [s. 0.];, und das ohne Inkubationszeit schnell, alkaloidähnlich, wie Strychnin wirken soll. Courmont23 u. a. wollen bisweilen ein solches Gift iu den Organen von Tetanusleichen gefunden haben. Wir werden an geeigneter Stelle diese Theorie ein- gehend prüfen und zu zeigen versuchen, dass sie zum mindesten überflüssig ist; das Verschwinden der Toxine einerseits und die Nicht- heilbarkeit andererseits folgen ohne Hilfshypothesen aus der Seiten- kettentheorie ganz ohne Zwang. Dies gilt aber alles nur für die giftempfindlichen Tiere. Wesentlich anders gestaltet sich das Schicksal der Toxine, wenn sie in die Blut- bahn refraktärer, von Natur immuner Tiere gelangen. Die natürliche Immunität ist eine durchaus noch nicht iu allen Einzel- heiten aufgeklärte Frage. Sie ist aber sicherlich ein außerordentlich komplexes Phänomen, gründlich verschieden besonders sind ihre Er- scheinungsformen und ihre Ursachen in Bezug auf die natürliche Im- munität gegen Gifte einerseits und gegen lebende Bakterien andererseits. Bei den Toxinen kommt nur die natürliche antitoxische Immunität in Frage. Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 23 354 C. Oppenheimer, Diese kann a priori zwei Ursachen haben. Entweder finden sich im Körper des natürlich immunen Tieres Gegengifte, die das einge- drungene Gift paralysieren, oder die Zellen des Tieres sind gegen das Gift immun: es ist für sie ein völlig indifferenter Stoff. Beides kommt vor; wir werden später sehen, dass normale Sera, speziell Pferdeserum, Antitoxine enthalten, die gegen kleine Toxindosen schützen; interessant ist vor allem, dass nach Wassermann 24 c^. 80 bis 85^ aller Menschen nicht unbedeutende Mengen Antitoxin gegen Diphtheriegift in ihrem Serum enthalten. Jedoch sind diese Thatsachen nicht allein geeignet, die natürliche antitoxische Immunität zu erklären, denn solche Antitoxine finden sich ausschließlich in den Seris empfäng- licher Lebewesen. Dagegen enthalten gerade die normalen Sera der refraktären Tiere keine Spur von Antitoxinen. Diese Thatsache war schwer verständlich, bis es Ehrlich gelang, sie durch seine Seitenkettentheorie nicht nur zu erklären, sondern sie geradezu zu einer der festesten Stützen seiner Anschauung zu machen. Wo keine passenden Rezeptoren (empfindliche Gruppen in den Körper- zellen) sind, kann kein Toxin augreifen; es besteht also Giftfestigkeit; ebensowenig kann aber in solchen Fällen eine Abspaltung von Seiten- ketten, eine Antitoxinbildung eintreten. Das Blut absolut refrak- tärer Tiere darf also nach dieser Anschauung keine Antitoxine enthalten. Interessant aber ist die Frage, wie sich in solchem Organismus die in die Blutbahn eingeführten Toxine verhalten. Es war durchaus möglich, dass diese leicht zersetzlichen, so außerordentlich empfindlichen Substanzen in der Blutbahn schnell zerstört werden könnten, auch ohne ihre schädlichen Wirkungen ausgeübt zu haben, oder dass sie sehr schnell durch die Exkrete wieder aus dem Körper herausgeschafft werden würden. Beides ist nicht der Fall. Wir finden das sonderbare Schauspiel, dass diese so äußerst aktiven Substanzen, die unter günstigen Bedingungen Wirkungen von geradezu staunenerregender Energie entfalten, im Blute der refraktären Tiere wie die harmlosesten, indifferentesten chemischen Stoffe relativ lange Zeit unverändert bleiben, bis sie schließlich lang- sam in den Stoffwechsel hineingezogen und allmählich restlos verbrannt werden. Es geht daraus hervor, dass bei diesen Tieren die Avidität zwi- schen Gift und Körperzelle eine viel geringere sein muss, als bei empfänglichen. Zwischen empfänglichen und refraktären Tieren herrscht aber kein absoluter Unterschied, sondern nur ein gradueller; die Avi- dität der Körperzellen (Rezeptoren) nimmt allmählich ab vom hoch- empfänglichen bis zum äußerst wenig empfänglichen Tier. So kreist bei der Taube das Tetanusgift in einer für Mäuse vielhundertüich töd- lichen Dosis unverändert im Blute. Giebt man aber noch höhere Dosen, so erkrankt die Taube. Es liegt hier also keine völlige Immunität vor, sondern nur eine sehr geringe Avidität der Rezeptoren. Noch geringere Avidität besitzen nach MetchnhvOFF 25/26 ^^id Fermi it Pernossi^^ einige poikilotherme Tiere. Metchnikoff fand, dass bei Fischen, Schildkröten, Alliga- toren sowie Arthropoden sich das Toxin unverändert im Blut erhält, ohne Antitoxin zu erzeugen; nur bei Alligatoren erhielt er nach langer Einwirkung (58 Tage) etwas Antitoxin, ebenso bei alten Kaimaus, bei denen er durch Erwärmen der Tiere auf 30" diese Antitoxinbilduug in wenigen Tagen erzielen konnte. Die Bakteriengifte. 355 Irgendwelche Krankbeits^erscheiDuugen konnte er dabei nicht beob- achten. Ganz ähnliche Verhältnisse fanden Fermi und Pernossi bei Schlangen, Tritonen nnd Turteltauben. Mit besonderem Eifer hat man das Huhn als Versuchstier für Tetanus- gift benutzt weil es zwar sehr widerstandsfähig, aber doch nicht völlig refraktär gegen Tetanus ist. Metchxikoff giebt an, dass man bei Hühnern das Toxin im Blut und den Ovarien wiederfinden kann, und dass sich später geringe Antitoxinmengen zeigen; Asakawa-" fand, dass Hühnerblut das eingeführte Toxin bis zum 7. Tage fast unvermindert aufbewahrt, und dass es dann langsam verschwindet, ohne ausgeschieden zu werden. Asakawa fand im Hühnergehirn und Rückenmark gar kein Toxin, während er es sonst in allen Geweben fand; das liegt wohl vor allem daran, dass in den anderen Geweben das darin enthaltene Blut Toxin- gehalt vortäuschte, während im Zentralnervensystem nur wenig Blut vor- handen ist; andererseits ist es aber auch sehr wahrscheinlich, dass ge- ringe Toxinmengen doch dort durch Bindung an einzelne Rezeptoren verschwinden; denn absolut refraktär ist eben das Huhn gegen Tetanus nicht; und man kann auch geringe antitoxische Wirkung des Hühner- gehirns konstatieren. Dafür spricht auch, dass das Huhn bei direkter intercerebraler Einführung von Tetanusgift an Tetanus erkrankt. Nach der Anschauung von Ehrlich und Wassermann ist also die mangelnde Avidität zwischen Toxin und Körperzelle (Rezeptor) die Hauptursache der natürlichen antitoxischen Immunität. Wo das Gift frei kreist und von den Rezeptoren gar nicht oder nur in geringen Mengen gebunden wird, kann die toxophore Gruppe nicht ener- gisch in Wirksamkeit treten; eine schwere Schädigung bleibt also aus. Indessen ist auch die mangelnde Avidität nicht immer der Grund der natürlichen Immunität. So fjind Morgenroth 2* beim Frosch, dass das Tetanusgift schon in der Kälte fest gebunden ist, ohne dass das Tier erkrankt; hier ist also die toxophore Gruppe unwirksam; ihre Wirkung tritt aber sofort hervor, sobald man den Frosch auf ca. 30" erwärmt. Diese Anschauungen über die Avidität des Giftes zur lebenden Zelle und die spezifische Bindung w^erden gestützt durch experimentelle Be- funde. Wassermannes fand, dass frische Zentralnervensystemsubstanz empfänglicher Tiere beträchtliche Mengen Tetanusgift bindet. Ueber- einstimmend damit fanden Metchnikoff und Asakawa, dass das Ge- hirn u. s. w. wenig empfänglicher Tiere wenig bindet, um so weniger, je weniger empfänglich das Tier ist. So bindet Hühnergehirn schwach, Schildkrötengehirn gar nicht. Eine weitere Unterstützung dieser An- schauung liefern Versuche, die darthun, dass bei denjenigen Tieren, bei denen sich das Tetanusgift intra vitam auch an Rezeptoren bindet, die nicht an Zellen des Zentralnervensystems haften, wie z. B. bei Ka- ninchen, auch die Emulsionen anderer Organe, z. B. der Milz, Tetanus- gift binden. (Wassermann.) Schicksale der Toxine im Digestionstractus. Besonderes Interesse bot die Frage, was aus den Toxinen wird, wenn sie vom Magen oder Darmkanal aus eingeführt werden. Alle Beobachter sind darin einig, dass alle Toxine, auch Schlangengift u. s. w., mit alleiniger Ausnahme des Ricins, vom Magen aus überhaupt un- 23* 356 C. Oppenheimer. Avirksam sind. Dass diese Toxine auch vom Mastdarm aus nicht wirken, zeigte GiBiER^". Charrin & Cassin^i gaben an, dass* vom Darm aus Toxine resorbiert werden, wenn die Schleimhaut lädiert wird. Nencki c^ Schoumow-Simanowski32 fanden, dass selbst große Dosen von keinem Teil des Verdauungstractus aus resorbiert werden, dass nur bei ungeheuerlichen, mehr als 100000 fach letalen Dosen schließlich Yer- giftungserscheinungen auftreten. Im großen und ganzen werden also Toxine vom normalen lutestinal- tractus aus nicht resorbiert. Sie müssen also entweder unverändert passieren und sich im Kote wiederfinden, oder sie werden restlos zer- stört. Das erstere nahm für Tetanus Ransom^s au, doch haben alle Kachuntersucher, besonders Nencki und Schoumow-Simaxowski (1. c.) und Carriere-'^ selbst bei sehr großen Gaben (lOOOOOtach letale Dosis) keine Spur im Kote wiederfinden können, ebensowenig fand Carriere irgendwelche antitoxische Funktion des Serums nach Einführung des Toxins per OS. Repin35 fand zwarAbrin, aber weder Diphtheriegift noch Cobragift in den Faeces wieder. Es wird also zerstört. Dafür können drei Faktoren in Betracht kommen: Die lebende Darmwand, die Darmbakterien (Fermi und Pernossi) und die Sekrete des Darmes. Nach den übereinstimmenden Resultaten der an PAWLOWschen Hunden ausgeführten Versuche von Nexcki (1. c.) und den von Carriere (1. c.) mit Fermentpräparaten angestellten, sind es unzweifelhaft die Ver- dauuugsfermente als solche, die die Toxine entgiften. Carriere fand schon die Speichel d last ase schädlich, Pepsin nicht sehr wirk- sam, Trypsin schon eher, besonders aber die Galle. Nenx'KI erzielte mit seinen reinen sterilen Fistelsäfteu folgende Ergebnisse: Pepsin an sich zerstört Bakteriengifte (Abriu nicht). Die Säure ist dabei gleich- giltig, da nach fast völliger Neutralisierung das Resultat das gleiche war, wie auch schon Ciiarrin^s gefunden hatte. Pankreassaft allein zerstört Diphtherietoxin besser als Tetanustoxin. Dieses ist besonders gegen eine Mischung von 3 Teilen Pankreassaft und 1 Teil Galle empfindlich. Eine Immunisierung durch gleichzeitige Einführung von Galle gelang nicht. Charrin & Levaditi"^ injizierten Diphtheriegift (100 letale Dosen) in frisch herausgenommenes Pankreas und fanden es nach 22 Stunden völlig zerstört. Muskelplasma oder auf 70° erwärmtes Pankreas waren wirkungslos. Die Darmschleimhaut und die Bakterien des Darmes sind nach Carriere nicht anzuschuldigen. Wirkungsart der Toxine. Die Toxine wirken, Avie oben bereits auseinandergesetzt, vom Yer- dauungskanal aus absolut nicht. Man muss sie also dem Organismus auf anderen Wegen zuführen. Die gebräuchlichste Methode ist die sub- kutane Injektion, gerade wie bei der Vergiftung mit lebenden Bakterien. Noch wirksamer sind die Einführungen direkt in die Blutbahn (intra- venös) ferner intraperitoneal und intercerebral, resp. subdural, Avie man sie namentlich bei Tetanus- und Gonokokkengiften angcAvendet hat, und die bisweilen augewendete Einspritzung in die Nerven nach Hoaiex. Bei der Wirksamkeit der Toxine sind namentlich zwei Punkte von grundlegender Wichtigkeit: Die Spezifizität und die Inkuba tionszeit. Die Bakteriengifte. 357 Die Spezifizität ist eine der hervorstechendsten Eigenschaften der echten Toxine. Zwar findet man auch mehr oder weniger weitgehende C4ift- festigkeit gegen krystalloi'de Gifte: Bekannt sind die relative UnscbUd- lichkeit des Kantharidins für den Igel, des Atropins für Tauben. Doch sind das nur Abschwächungen des Giftwertes, keine absoluten Resistenzen. Die Bakterientoxine aber sind zum Teil völlig unschädlich für refraktäre Tiere, während sie auf empfindliche sehr energische Wirkungen ausüben. Das Wichtigste aber dabei ist, dass die refraktären Tiere das Gift nicht etwa zerstören, sondern dass es als vollkommen gleichgiltiger Stoff unverändert in ihrem Blute kreist. So entsteht das paradoxe Phänomen, das wir soeben ausführlich geschildert haben, dass man mit dem Blute eines anscheinend völlig gesunden Huhnes, dem man große Dosen Tetanusgift injiziert hat, Mäuse mit tödlichem Tetanus vergiften kann. Wo eben das Toxin keine passenden Eezeptoren findet, da kann es nicht eingreifen: die toxophore Gruppe tritt gar nicht in Wirksamkeit, infolge dessen ist das Toxin ein vollkommen inditferenter Körper, den der Körper so wenig beachtet, dass er ihn nicht einmal schnell zu zerstören versucht. Auch diese Erscheinung ist wohl aus der Seitenkettentheorie zu erklären: alle Kahrungsstoöe, soweit sie nicht einfach chemisch durch die Säfte und ihre Fermente zerlegt werden, sollen ja nach Ehelich als Haptine ge- bunden und so in den Machtbereich der destruktiven und assimilato- rischen Kräfte des Protoplasmas gebracht werden. Da aber das Toxin überhaupt nicht gebunden wird, wird es auch gar nicht zerstört, nicht einmal den Nährstoffen gleich behandelt. Die Spezifizität der echten Toxine fällt völlig mit der der lebenden Bakterien zusammen. Charakteristisch ist ferner für alle bisher bekannten Baktcricntoxiue, dass sie nicht momentan oder nach ganz kurzer Zeit, wie die tödlichen Gifte des Pflanzenreiches ihre Wirkungen entfalten, sondern dass ihre Toxizität sich erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit, der Inkubations- zeit kund giebt. Auch darin gleichen sie völlig der AVirksamkeit ihrer lebenden Mutterzellen. Die Inkubationszeit schwankt nicht nur mit der Natur der Toxine, sondern ist auch von anderen Faktoren, der zuge- führten Dosis, der Körpertemperatur u. s. w. abhängig. Doch hat die Abhängigkeit speziell von der Dosis eine Grenze: es verhält sich nicht etwa die Inkubationszeit umgekehrt proportional der Toxinmenge; selbst bei vielfach tötlichen Dosen bleibt eine gewisse Inkubationszeit bestehen, die dann durch keine weitere Erhöhung der Dosis mehr verkürzt werden kann. Ein sehr interessantes Phänomen ist hierbei, dass man beim Tetanus des Frosches durch Abkühlen die Inkubati(»nszeit beliebig ver- längern kann; wenn man einen Frosch nach der Einführung des Giftes dauernd bei 8 — 10° hält, erkrankt er überhaupt nicht, bei 30° tritt da- gegen nach einer bestimmten Zeit der tötliche Tetanus ein; unterbricht man nun das Erwärmen, su kann man den Frosch beliebig lange bei 8° bewahren; bei steigender Temperatur tritt dann nach Ablauf des Restes der Inkubationszeit der Starrkrampf auf (Morgexhoth^^j. Toxoide und Toxone. Nach der Seitenkettentheorie müssen wir die Toxine ansehen als Körper, die zwei sterisch bestimmte Gruppen enthalten; die hapto- phore Gruppe und die toxophore Gruppe. Wenn wir uns nun 358 C. Oppenheimer. vorstellen dürfeu, dass unter o^ewissen Umständen die tuxopbore Gruppe so verändert wird, dass ihre charakteristisclie Wirkungs- energie verloren geht, die haptophore dagegen uugeändert bleibt, so würden Stotte resultieren, die zwar noch die Fähigkeit haben, sich an Eezeptoren, seien es freie (Antitoxine) oder gebundene (Körperzellen zu binden, ohne aber giftig zu sein. Solche Stoffe hat nun Ehrlich beim Diphtherietoxin genauer untersucht und ihre große Bedeutung für den toxischen Wert der Giftlösungen und die Einstellung der Heilsera festgestellt, worauf wir im nächsten Kapitel ausführlich eingehen wer- den. Diese »Toxoide« sind also ungiftige, aber sich noch spezitisch bindende Haptine. Sind sie sekundäre Umwaudlungsprodukte der echten Toxine, so bezeichnet man sie als Toxoide im engeren Sinne; es giebt aber auch primäre Bakterienprodukte, die dieselbe haptophore Gruppe binden können wie das Toxin, die aber eine andere, sehr viel schwächer wirkende toxophore Gruppe besitzen, geringe Wirkungen eigener Art auslösen, wie sie Ehrlich und Mausen bei der Diphtherie festgestellt haben; man bezeichnet diese primären Stoffe, die also ein zweites Sekretionsprodukt der Bakterien darstellen, als Toxone. Toxoide sind mit Sicherheit bekannt von der Diphtherie (Ehrlich) vomTetauolysin (s. d.) (Mausen •^') und vom Staphylotoxin (Neisser und Wechsberg, s. d.^"), für das Ricin von Jacüby-^" sehr w^ahrschein- lich gemacht. Indessen spricht doch sehr vieles dafür, dass auch die anderen Bak- teriengifte zum Teil die Fähigkeit der sekundären Toxoidbildung haben, z. B. Tetanus, worauf wir im speziellen Teil zurückkommen werden. Irgendwelche näheren Kenntnisse über die Toxoide und Toxone be- sitzen wir nicht. Da sie auch spezitische Haptine sind, erzeugen sie auch Antitoxine, wie Madsen & Dreyer^*^ an den Diphtherietoxonen zeigen konnten. Verhalten der Toxine zu den Antitoxinen. Wir haben schon in der Einleitung es als eine zur Begriffsbestimmung des Toxins ganz wesentliche Eigenschaft desselben hingestellt, dass die echten Toxine im Körper des angegriffenen Wesens ein spezitisches Gegengift, ein Antitoxin erzeugen. Diese Thatsache, auf die zuerst Ehrlich 41 bei seinen grundlegenden Versuchen über ein den Bakterien- toxinen nahestehendes pflanzliches Gift, das Ricin, gestoßen ist, ist heute so fest fundiert, dass wir eben die Antitoxinbildung als eine integrierende Eigenschaft des echten Toxins ansehen müssen. Die Bedeutung dieser Antitoxinbildung im Organismus für den Ablauf der Infektionskrank- heiten, für das Znstandekommen der erworbenen Immunität und die Verwertung dieser Beziehungen in der monumentalen Seitenkettentheorie wird an einer anderen Stelle dieses Werkes von berufenster Seite ab- gehandelt werden. An dieser Stelle sollen nur empirisch die Beziehungen zwischen dem Antitoxin und seinem Toxin so genau besprochen werden, als sich dieses schwierige Gebiet nach dem heutigen Stande unserer Kenntnisse, die wir den unermüdlichen, klassischen Arbeiten Ehrlichs zum größten Teil verdanken, präzisieren läßt. Nach der Seitenkettentheorie können nur solche Gifte als echte Toxine wirken, die zu bestimmten Zellen eine spezitische Affinität be- Die Bakteriengifte. 359 sitzen. Ehrlich nimmt zur Veranscbaulichung- dieser spezifischen Affi- nität an, dass beide Teile, das Toxin einerseits und die anzugreifende Zelle andererseits je eine Atomgruppe in ihrem Protoplasma besitzen, die gegenseitig aufeinander augepaßt sind, sich darum binden und so das Toxin durch diese Bindung in den unmittelbaren Bereich der Zellen bringen. Als erster Akt der Toxinw irkung vollzieht sich also eine Anlagerung des Giftes an die Zelle vermittelst der beiderseitigen »haptophoren« Gruppen. Durch diese An- lagerung wird nun die Zelle in den Wirkungskreis des Toxins gebracht und nun vollzieht sich als zweite Phase die spezifische Einwir- kung des Giftes auf die Zelle, eine Funktion einer zweiten spezi- fischen Gruppe, der »toxophoreu« Gruppe.*) Die Toxine binden also die haptophoren Gruppen der Zellen, die an ihren »Seitenketten« wirksam sind. Werden nun, wie bei der künst- lichen Immunisierung, derartige mit haptophoren Gruppen ausgerüstete Seitenketten im Uebermaß produziert und frei in die Körpersäfte, speziell das Blutserum abgeschieden, so behalten diese haptophoren Gruppen ihre Fähigkeit, die entsprechenden haptophoren Gruppen des Toxins zu binden, bei. Diese abgestoßenen Seitenketteu stellen also das spezifische Antitoxin gegen das Toxin dar. Aus dieser Vorstellung ergeben sich nun ohne weiteres zwei sehr wichtige Gesichtspunkte für das gegenseitige Verhältnis des Toxins zum Antitoxin. Es werden nämlich dadurch zwei naheliegende Möglichkeiten einer Beeinflussung des Giftes durch seinen spezifischen Antikörper von vornherein ausgeschlossen, nämlich eine direkte Zerstörung**) des Gift- stoffes im ganzen, wie er etwa durch eine starke Säure zerstört werden möchte: und ferner auch ein Einfluss des Antitoxins auf die spezifisch schädliche, die toxojjhore Gruppe des Giftes, sowie etwa die Giftig- keit des Anilins durch Einführung von Essigsäure in seine giftwirkende Aminogruppe wesentlich herabgesetzt wird. Beides ist mit der Seiten- kettentheorie unvereinl)ar, es kann sich um eine Beeinflussung nur in dem Sinne handeln, dass das Antitoxin die haptophore Gruppe des Toxins ab satt igt und es dadurch nur au der Möglichkeit hindert, seine toxophore Gruppe durch Anheften an die Zelle zur Wirksamkeit gelangen zu lassen, während sie in Wirklichkeit in ihrer giftigen Kraft unverändert bleibt. Während wir hier diese grundlegende Anschauung als Konsequenz der von uns als heuristisches Prinzip angenommenen Seitenkettentheorie gezogen haben, ist in Wirklichkeit natürlich die Entwicklung umge- kehrt gewesen. Man hat in mühevollen Versuchen zuerst sich zur Ueberzeugung von der Eichtigkeit dieser Thatsache durchzuarbeiten gesucht, um sie dann als wichtige Stütze für die Theorie zu ver- wenden. Ehrlich und Behring sind zuerst der Ansicht gewesen, dass *) Nur von Atomgruppen in einer Substanz ist die Rede, niemals aber hat Ehrlich behauptet, dass ein Toxin aus zwei Substanzen, einer haptophoren und einer toxophoreu, besteht, wie ihm dies Danysz Ann. Fast., 1899,581 unter- schiebt. D., der die Vorgänge bei der Plasmatolyse mit der Toxinwirkung zu- sammenwirft, hat Ehrlich missverstanden. ** Wie Ehrlich früher selbst annahm. Diese Ansicht ist wohl nur noch von historischem Interesse. Eine Kritik der anderen Ansicht, dass das Antitoxin nur auf die Zellen immunisierend wirkt und sie gegen das Toxin fest macht, gehört nicht in dieses Kapitel. Nur soweit sie sich auf Anzweifelung der zahlenmäßigen Bindungsverhältnisse erstreckt, werden wir noch darauf zurückkommen s. dar. bei erworbener Immunität. 360 C. Oppenheimer. das Toxin iu seiner Gift Wirkung durch das^ Antitoxin beeinträchtigt wird: erst später sind sie zu der Ueberzeugung gelangt, dass hier eine einfache Bindung vorliegt. Besonders der Umstand, dass es Mittel giebt, diese Bindung, wenn sie erst kurze Zeit besteht, in der Weise zu lösen, dass die ur- sprüngliche Giftwirkung wieder hervortritt, ist dabei von aus- schlaggebender Bedeutung gewesen. Dies ist mit völliger Sicherheit an einem tierischen Toxin, dem Schlangengift, gelungen, dessen Anti- toxin viel leichter zersetzlich ist, als das Toxin Calmette^^^ Martin ^3]. Auch beim Fvocyaneustoxin hat Wassermann ^^ das Antitoxin leichter zerstörbar gefunden, als das Toxin (s. d.), so dass man auch für die Bakterientoxine eine einfache Bindung anzunehmen berechtigt ist. Dagegen sind ähnliche Versuche beim Diphtheriegift fehlgeschlagen (DziERZGOWSKi-i^). Nun liegen hier die Verhältnisse freilich ganz anders. Denn hier ist das Toxin das leichter zerstörbare Element, so dass beim Er- wärmen des Gemisches nicht dieses, sondern das freie Antitoxin regeneriert werden müsste. Dass dies nicht gelingen kann, ist aber a priori klar ; denn bei der Umwandlung des Toxins durch Erwärmen verschwindet das Gift ja gar nicht, sondern geht nur in Toxoide über, die Bindung aber bleibt bestehen, so dass freies Antitoxin nicht in die Erscheinung treten kann. Diese nega- tiven Versuche beweisen also nichts, da ihr Resultat von vornherein sich theoretisch mit großer AVahrscheiulichkeit vorhersagen ließ. Die Ansicht, dass die Antitoxine sich nicht in zahlenmäßig festen Verhältnissen an die Toxine binden, sondern dass ihre Wirkung auf einer schützenden Kraft den Zellen gegenüber beruht, ist trotz aller Widerlegungen noch nicht überall aus dem Wege geräumt. Besonders hat man diesen Schluss daraus zu ziehen gesucht, dass bei Verviel- fachung der Toxindosis nicht das gleiche Multiplum an Antitoxin aus- reichen soll, d. h. dass diese »schützende« Kraft gegenüber großen Giftdosen versagt. Diese Ansicht hat in neuerer Zeit z. B. wieder BoMSTEiN vertreten. Aber abgesehen davon, dass die EHELiCHSchen Ric in versuche, sowie die ganz analogen Resultate von Calmette mit Schlangengift und Camus^^, Kossel'*^ u. a. mit Aalblutgift an Erythrocyten jede Intervention des Organismus ausschließen lassen, und nur durch eine direkte Bindung des Giftes durch das Antitoxin zu erklären sind, ist auch die Behauptung, dass die zahlenmäßigen Bindungs- verhältnisse nicht stimmen sollen, auf sehr schwache Füße gestellt. Cobbett & Kanthack^^ konnten zeigen, dass die Multipla sich genau der Theorie entsprechend verhalten, wenn man gleich anfangs ein mehrfaches der tödlichen Dosis zum Versuch anwendet. Sie zeigen durch eine einfache üeberlegung, dass, besonders bei Anwendung kleiner, der einfach letalen Dosis nahestehender Giftmengen mit großer Wahrscheinlichkeit sich beim Vervielfachen eine Giftwirkung zeigen muss. Denn wenn man eine einfach letale Dosis neutralisiert, so kann ein kleiner Giftüberschuss in der Mischung unbemerkt bleiben, da er nicht einmal die einfach krankmachende Dosis erreichen mag; verzehnfacht man nun aber Giftmenge und Antitoxinmenge, so verzehn- facht sich auch der Giftüberschuss — und die giftige Wirkung der Mischung ist evident. Mit solchen Waffen ist also ein Kampf gegen Ehrlichs Ansicht nicht erfolgreich zu führen. Nach alledem sind wir jetzt, auf praktische Erfahrungen und die Theorie gestützt, berechtigt anzunehmen, dass der Wirkung des Die Bakteriengifte. 361 Antitoxins auf das Toxin eine g-egenseitig-e Bindung zweier mit spezifischer Affinität begabten Gruppen zu Grunde liegt. Daraus folgt nun ohne weiteres die fundamentale Thatsache, dass die gegenseitige Einwirkung l)eider Stofle den Gesetzen folgen muss, die bei der gegenseitigen Absättiguog zweier mit spezifisch aufeinander eingestellten Atomgruppen versehener einfacher chemischer Stoffe Gel- tung besitzen, nämlich nach festen quantitativen Verhältnissen. So gut die gleiche Menge reines Natriumhydrat stets die gleiche Menge reiner Salzsäure zur Neutralisation braucht, so gut muss das gegen- seitige Verhältnis einer bestimmten Toxindosis zu der Menge Antitoxin, die sie gerade »neutralisiert«, ein absolut konstantes sein. Eine gegebene" Quantität reinen Toxins muss stets unabänderhch die gleiche Menge reinen Antitoxins verbrauchen, um in seiner AVirksamkeit gerade noch gehemmt zu werden. Zwei Umstände sind es, die die Konstatierung- dieser so ungemein wichtigen Thatsache außerordentlich erschweren. Zunächst kennen wir weder Toxine noch Antitoxine in reinem Zu- stande. Es handelt sich hier nicht um chemisch isolierbare, gegebene Stoffe, denen wir mit der Wage näher treten könnten, um zu kon- statieren, dass X gr Diphtherieantitoxin stets y gr Diphtherietoxin neu- tralisieren: die einzige Dosierung, die bei diesen giftigen Stoffen an- wendbar ist, ist die "physiologische, die Feststellung der »einfachen letalen Dosis«, die man als Grundeinheit für die Messung der Toxin- mengen anzunehmen gezwungen ist. Indessen wäre dieser Uebelstand nicht sehr schwerwiegend, wenn wir wenigstens zwischen jeder Giftlösung von einer gegebenen Stärke, die wir also dann auf eine als Einheit anzunehmende Giftlösung von bestimmter Toxizität für 1 ccm (Normalgift) leicht umrechnen könnten, eine konstante Beziehung- mit einer gegebenen Antitoxinlösung* kon- statieren könnten, so dass schließlich jeder »einfachen letalen Dosis« des Giftes eine bestimmte Menge »Antitoxineinheiten« entspräche. Doch auch dies ist leider nicht der Fall. Fast jede Giftlösung zeigt ein anderes Verhältnis zu der Menge Antitoxinlösung, die sie zu ihrer Neutralisation braucht; wenn man das Verhältnis einer »letalen Dosis« zu der Menge von »Antitoxineinheiten« berechnet. Wir stoßen hier auf ganz außerordentlich komplizierte Verhältnisse, deren Verworrenheit durch die mühevollen Arbeiten von Ehrlich ^''' zwar zum größten Teil aufgehellt ist, ohne dass aber alle Unklarheiten und Schwierigkeiten gänzlich geschwunden sind. Zunächst hängt die Schnelligkeit, mit der sich Toxin und Antitoxin binden, sehr von der Konzentration der beiden Komponenten ab. Wie Ehrlich und auch u. a. Knorrso fanden, vollzieht sie sich schnell nur in konzentrierter Lösung: Verdünnung setzt ihre Sättigungsavidität beträchtlich herab. Vor allem findet man aber, dass jede Diphtheriegiftbouillon außer dem spezifisch wirksamen Toxin noch andere Stoffe in wechselnden Verhält- nissen enthält, die zwar nicht die toxophore, wohl aber die haptophore Gruppe des echten Toxins besitzen, imd die infolgedessen die letale Dosis, die Giftwirkung nicht beinflussen, wohl aber das Anti- toxin ebensogut in Anspruch nehmen, wie das Toxin selbst. Diese Stoffe entziehen sich also der Beobachtung, wenn man in einer Giftlösung die einzige Maßeinheit, die einlach letale D(»sis, bestimmt; sie treten aber sofort in die Erscheinung, sobald man die zur Neutra- 362 C. Oppenheimer. lisierang- dieser einfachen letalen Dosis nötige Menge einer bestimmten Antitoxinlösung feststellen will. Wenn eine reine Giftlösung eine gewisse Menge von cm^ einer be- stimmten Antitoxinlösung verbrauclien würde, so wird diese Zahl umso beträchtlicher erhöht, je mehr dieser nicht giftigen, aber Antitoxin bindenden Stoffe in der unreinen Giftlösung vorhanden sind. Die an Menge wechselnde Anwesenheit dieser Stoffe in jeder Giftlösung er- schwert also die Konstatierung der absoluten Konstanz der Bindungs- verhältnisse, wie sie die Seitenkettentheorie voraussagt, ganz ungemein; und noch ist es nicht völlig gelungen, dieser Schwierigkeiten in jedem Falle Herr zu werden. Um uns über die näheren Einzelheiten dieser Frage zu orientieren, müssen wir auf die physiologischen Maßeinheiten zurückgreifen, die Behring und Ehrlich für das Studium der Antitoxin Wirkung ge- schaffen haben. Die zahlenmäßigen Grundlagen, die für das Diph- theriegift festgelegt sind, sind folgende: Als einfach letale Dosis bezeichnet Ehrlich diejenige Gift- menge,ausgedrückt in cm'' der Giftiösung bezw. in gr des festen Giftes, die gerade hinreicht, um ein Meerschweinchen von 250 gr (ein Tier von ca. 6 Wochen) im Laufe von 4 — 5 Tagen zu töten. Diese Dosis ist die physiologische G i f t e i n h e i t. Als Normalgift nahm Behrin(i eine Giftlösung an, die in einem cm-' 100 letale Dosen enthielt. Dieses »Normalgift« be- zeichnete Behring kurz als DTN^Ms^^» (Diphtherietoxin normal einfach, Meerschweinchen von 250 gr). Auf diese willkürliche Gifteinheit sind nun die Antitoxinlösungen eingestellt worden. Ein »einfaches« Serum ist ein solches, von dem 1 cm'* einen cm^ des Normalgiftes, also hundert Gifteiuheiten neutrali- siert. Diese Größe, also 1 cm^ des einfachen Serums, ist die Einheit des Antitoxins, die sogenannte Immunitätseinheit, die man kurz als I. E. schreibt*), und ist als solche, empirisch festgestellt, aufbewahrt worden (s. u.). Wenn mau nun zuerst gegen ein frisches Gift ein Serum eingestellt hat, so ist bei sämtlichen zu gleicher Zeit angestellten Versuchen das Verhältnis Giftlösung zu Antitoxinlösung in cm-^ ausgedrückt völlig kon- stant. Da nun ferner in diesem frischen Gift stets das Verhältnis von Giftwirkuug zur angewandten Menge von cm^ konstant bleibt, so ist schließlich auch das Verhältnis Gift Wirkung zu Antitoxin menge konstant, d. h. jeder letalen Dosis entspricht stets genau die- selbe Menge Antitoxinlösung, ausgedrückt in cm^'. Lässt man dagegen dieses Gift einige Zeit ablagern, und stellt es dann von neuem gegen Serum ein, so haben sich die quantitativen Bindungsverhältnisse in einer Beziehung ganz wesentlich geändert. Das Verhältnis Giftlösung zu Antitoxiulösung, in cm^ ausgedrückt, ist zwar konstant geblieben, d. h. man braucht zu jedem cm-' der Giftiösung die- selbe Menge von Antitoxinlösung, wie beim frischen Gift, aber diese in cm^ ausdrückbare Quantität der Giftiösung übt eine beträchtlich ge- ringere Giftwirkune: aus, als die a-leiche Menge des frischen Giftes. *) Madsen, »Constitution du poison diphtcrique«, Ann. Fast., 1899, 568, führt noch mehrere praktische Abkürzungen ein. T = Toxineinheit, (T) die Menge Gift- bouillon in cm'', die T enthält (einfach letale Dosis', I = Immunitätseinheit (bei uns I.E. geschrieben! und (I die (Menge Serums in cm'*, die eine I enthält. Wir werden diese Abkürzungen bisweilen benutzen. Die Bakteriengifte. 363 Bestimmt mau andererseits, wieviel Antitoxin mau zur Sättigung einer Gifteinheit braucht, so findet man naturgemäß eine beträchtlich größere Menge als notwendig, wie sie für das frische Gift erforder- lich war. Daraus folgt, dass die Giftlösung durch das Ablagern schwächer, dass bei einem Teile des Toxins die toxophore Gruppe unwirksam geworden ist; daraus aber, dass die gleiche Anzahl von cm^* der Giftlösuug nach wie vor die gleiche Anzahl von cm^ des Serums zur Neutralisation brauchen, geht klar hervor, dass bei diesem Abschwä- chungsprozess die haptop hören Gruppen intakt geblieben sind. Daraus folgt weiter, dass in diesen abgeschwächten Giftlösuugen sich Stofte vorfinden müssen, die zwar durch Verlust ihrer toxophoren Gruppe ungiftig geworden sind, die aber wegen des Besitzes intakter hapto- phorer Gruppen vor wie nach imstande sind, Antitoxin an sich zu binden. Diese Stoffe bezeichnet Ehrlich als Toxoide*). Zum näheren quantitativen Studium dieser Verhältnisse hat Ehrlich zwei Grenzwerte eingeführt, die er als Lo (liuies »Null«) und L- (limes »Tod') bezeichnet. Die zahlenmäßige Bedeutung dieser Begriöe ist folgende : Lo ist diejenige Menge der zu prüfenden Giftlösung, ausgedrückt in Gifteinheiten (letalen Dosen), die, mit einer Immunitätseinheit vermischt, von dieser völlig neutralisiert wird; so neutralisiert, dass gar keine Giftwirkungen in die Erscheinung treten. Dieses Gemisch einer Im- munitätseinheit mit dem Maximum der Giftlösung versetzt, so dass eben noch keine physiologische, toxische Wirksamkeit erfolgt, ist physiolo- gisch neutral. Der Punkt Lo ist nicht leicht einwandsfrei zu bestimmen, da es schwer mit absoluter Sicherheit festzustellen ist, ob eine Giftlösung gerade noch eine schwache Wirkung ausübt, oder gar keine mehr. In- folgedessen hat Ehrlich noch einen zweiten Wert eingeführt: L^ ist diejenige Menge der zu prüfenden Giftlösung in Gifteinheiten (letalen Dosen), die zu einer Autitoxineinheit zugesetzt gerade noch hinreicht, um ein Meerschweinchen von 250 gr in 4— 5 Tagen zu töten. Diese Mischung enthält dann eine letale Dosis in freiem Zustande. Dieser Punkt ist leicht und einwandsfrei bestinmibar. Die Differenz Lf — Lo nennt Ehrlich D. Sie müsste, wie ersichtlich, bei reinen Giften = 1 letalen Dosis sein, ist aber in Wirklichkeit stets höher, was von großer Bedeutung für die Erforschung der Konstitution der Gifte ist (s. u.) Diese Schwellenwerte sind nun, abgesehen von ihrer praktischen Bedeutung für die Serumprüfung, von ungemeinem Werte für die Untersuchung der Konstitution der Giftlösuugen, besonders des Dii)h- theriegiftes geworden. Denn mit ihrer Hilfe ist es Ehrlich gelungen, die Zusammensetzung der Giftbouillon in Bezug auf Toxine und Toxoide festzustellen. Er hat dabei Verhältnisse von sehr großer Kompliziert- heit gefunden, deren letzte Bätsei wohl noch die nächste Generation beschäftigen werden. *) Auf die Existenz derartiger angiftiger, aber immunisierender Bakterien- produkte haben schon vorher u. a. Fränkel zit. n. Ehrlich. D. m. W., 1S91, 978 und Aronson fBerl. kl. Woch., 1893. 625; hingedeutet. 364 C. Oppeuheimer. Die Bedeutiiug- dieser Schwellenwerte für die Bestimmimg des Ge- haltes der Giftl(3snngen an Toxin und Toxoiden geht ans folgenden Befunden hervor: Die Antitoxineinheit ist eine nach einem bestimmten Gift einge- stellte Größe, die vorläufig nicht wieder reproduzierbar ist, sondern nur dadurch festgelegt worden ist, dass Ehrlich ein einmal titrirtes Serum von 1700 facher Stärke unter besonderen Kautelen (Vacuum, Dunkel- heit, Eis, Trockenheit), aufbewahrt hat, und an diesem Serum nach zweckmäßiger Verdünnung neue Testgifte einstellt, die dann wieder zur Prüfung neuer Sera dienen. Bei dem ursprünglichen Normalgift ent- sprach eine Antitoxineinheit 100 letalen Dosen, zu einer Neutralisation einer Immunitätseinheit also würden von diesem BEHRiNGSchen Nor- malgift 100 letale Dosen gehören, d. h. Lq ist gleich 100. Es ist diese zahlenmäßige Beziehung aber durchaus nicht für alle Gifte not- wendig, es könnten auch Gifte existieren, bei denen ein größerer Teil der Immunitätseinheit von nichtgiftigen Haptinen, von Toxoiden in Anspruch genommen würde, so dass nur noch ein geringerer Teil von wirklichem Toxin, dessen Menge sich in den Gifteinheiten ausdrückt, gebunden wird, d.h. L(, wird dann kleiner als hundert. Beiden meisten frischen Giften ist dies aber nicht der Fall, Lq ist bei ihnen wirklich bei 100, d. h. diese frischen Gifte sind thatsächlich gleich dem Normalgift Behrings konstituiert. Anders aber gestaltet sich die Bestimmung bei älteren Giftlösungen, wie wir bereits oben angedeutet haben; hier ist ein Teil des Toxins in Toxoide übergeführt, d. h. L« wird kleiner; es genügen weniger Gifteinheiten bei gleicher Menge in Raummaß, um die Neutralisations- stufe zu erreichen. Andererseits giebt es aber auch Gifte, deren Relativ- gehalt an echtem Toxin höher ist, als der des Behring sehen Normal- giftes, so dass wir zu der folgenschweren Annahme gezwungen sind, dass auch schon die frischen Gifte nicht nur giftige Haptine, Toxine enthalten, sondern auch relativ ungiftige, die Ehrlich von den erst sekundär entstehenden Toxoiden unter dem Begriff der Toxone abgetrennt hat. Die Bestimmung von Lq führt also zu folgendem Resultat: Jede Giftlösung enthält schon in frischem Zustande neben dem echten Toxin ungiftige Haptine, Toxone, die bei den meisten frischen Giften in einem so konstanten Verhältnis zu den echten Toxinen stehen, dass für die meisten frischen Gifte Lo = 100 ist. Bei einigen Gift- lösungen finden sich indessen auch relativ mehr oder weniger Toxone, so dass Lq schon bei frischen Giften bisweilen größer oder kleiner als 100 sein kann. Bei allen Giften aber entstehen dann sekundär beim Ablagern der Gifte aus dem Toxin Toxoide, die dann unter allen Umständen Lf, herabdrücken. Auf die Art und Weise, wie die Toxine sich in Toxoide verwandeln, und vor allem die quantitativen Verhältnisse dieser Umwandlung werden wir erst später eingehen können; jetzt soll uns zunächst die Bedeutung des L| Grenzwertes beschäftigen. Während nämlich die sekundär entstehenden Toxoide auf die Größe der Lq Dosis entscheidenden Einfluss haben, sind sie, wie Ehrlich festgestellt hat, für L^ und damit auch D ohne Einfluss. Es sind nämlich a priori drei Arten von Toxoiden deukbar: Zunächst solche, die eine höhere Affinität zum Antitoxin besitzen als das Toxin, also sich zuerst, vor dem Toxin, an das Antitoxin binden, und eventuell Die Bakteriengifte. 365 imstande sind, schon bestehende Bindnng-en zwischen Toxin und Anti- toxin wieder zu ihren Gunsten zu lösen. Dies sind die Protoxoide. Eine zweite Kategorie sind die Syntoxoide, die die gleiche Affi- nität zum Antitoxin besitzen, wie das Toxin, also Bindungen unbeein- flusst lassen und in ihrer Bindung mit dem Antitoxin vom Toxin eben- falls unbeeinflusst bleiben; schließlich kann es noch Epitoxoide geben, die schwächere Aflinität zum Antitoxin besitzen und von dem Toxin aus dieser Bindung wieder in Freiheit gesetzt werden k(3nnen. Der- artige Epitoxoide entstehen nun, wie Ehrlich feststellen konnte, nicht sekundär, sondern linden sich schon in den frischen Grift- lösungen: sie sind identisch mit den oben erwähnten Toxonen. Aus dieser Erwägung ergeben sich für die Bedeutung der Toxoide und' Toxone für L^. resp. D folgende Gesichtspunkte : Die sekundär entstehenden Toxoide, also Pro- und Syntoxoide sind auf Lf ohne jeden Einfluss, wie eine sehr einfache Ueber- legung zeigt. Gesetzt, wir hätten ein neutrales Gemisch von Antitoxin einer- seits, von Toxin und Protoxoid andererseits, so können wir diesen Gleichgewichtszustand durch eine Formel wie folgt, bildlich ausdrücken: 90 Toxin - Antitoxin 4- 10 Protoxoid - Antitoxin = physiologisch neutral (Lo). Xuu fügt man, um L^ zu suchen, neue Giftmengen des- selben Giftes zu. Es können dabei keine Veränderungen in den bereits vorhandenen Bindungen zwischen Toxin und Antitoxin, sowie Protoxoid und Antitoxin eintreten, die etw^a noch zugesetzte Toxindosen neu binden, also für L- verschwinden macheu: d. h. sobald die zugesetzte Giftmenge noch eine letale Dosis dem neutralen Gemisch zuführt, ist L,^ erreicht, wie es die Theorie für reine Gifte fordert; bildlich ließe sich dass so ausdrücken 90 T-A + 10 P-A + 1 Toxin = L x. Das Vorhandensein von Protoxoiden kann also nicht be- wirken, dass L-j- — Lo (D) größer als eine letale Dosis wird. Ebensowenig können die Syntoxoide darauf Einfluss haben, D zu erhöhen. Auch sie werden in ihrer Bindung durch Toxinzusatz nicht beeinflusst, der Zusatz von neuem Giftgemisch bewirkt Lx, sobald zu Lq eine letale Dosis zugefügt wird. Sämtliche sekundären Toxoide sind [also auf D ohne Einfluss. Ganz anders aber gestaltet sich das Bild, wenn wir die Toxone daraufhin untersuchen. Lassen wir jetzt die für diese Frage gleichgiltigen Toxoide beiseite und bezeichnen wir ein neutrales Gemisch von Toxin und Toxon mit Antitoxin (Lo) folgendermaßen: 90 T-A -^ 10 Toxon-A = U- Jetzt setzen wir neue Giftmengen hinzu. Setzen wir zunächst eine Quantität hinzu, die gerade eine Toxin- einheit enthält, so finden wir, dass dadurch noch keineswegs L^. erreicht Averden kann; denn das Toxin setzt eine Toxon einheit aus ihrer Bindung mit dem Antitoxin in Freiheit; an Stelle des zugesetzten freien Toxins finden wir ein freies Toxon nach folgendem Schema: 90 T-A -h 10 Toxon-A + 1 Toxin = 91 T-A + 9 Toxon-A + 1 Toxon :frei = Lo! 366 C. Oppenheimer, So geht es fort bis sämtliche Toxone frei sind. Dann erst er- zeugt die nächste Toxineinheit L^ : 100 T-A + 10 Toxone (frei) = U 100 T-A -[- 10 Toxone + 1 Toxin = Lt ! Wir hätten also hei diesem Schema nicht eine, sondern elf Gift- einheiten zu Ly zuzufügen, ehe L^ eintritt, D ist also = 11! Wir sehen also, dass die Toxone die Eigenschaft haben, die Differenz D über die theoretisch für reine Gifte gefor- derte Größe »Eins<; hinaus zu vergrößern. Die Eelativmenge derartiger Toxone schwankt sehr beträchtlich, in- folgedessen ist aucii D eine sehr wechselnde Größe: Ehrlich fand sie bei elf Giften zwischen 1,7 und 28 Gifteinheiten schwankend. Die Zahl D ist also nach Abzug der schließlich definitiv wirksamen einen Gifteinheit (D — 1) das Maß für die Menge der in den Giftlösungen vorhandenen Toxone. Dadurch, dass diese Ab- weichungen der Zahl D schon bei frischen Giften vorkommen, und sie sich beim Aelterwerden des Giftes nicht ändert, wenn sich Lq ver- kleinert, lässt sich erweisen, dass die Toxone nicht sekundär entstehende Zerfallsprodukte des Toxins, sondern primäre Bakterienprodukte, un- giftige Haptine sind. üebrigens sind sie physiologisch uicht ganz imwirksam; ihre Wirkungen kann man in der von Ehrlich sogenannten »Differentialzoue« studieren, d. h. zwischen Lo und L^, wo nach seiner Anschauung freie Toxone vor- handen sind. Sie zeigen geringe, von den Wirkungen kleiner, nicht tödlicher Toxindosen wesentlich abweichende Giftwirkungen, auf die wir noch zurück- kommen werden. Besonders wichtig sind die Entdeckungen von Madsen^^, dass mau mit Giftgemischen in der Difl'ereutialzone, die also nnr noch Toxone frei enthalten, eine antitoxische Immunität herbeiführen kann, worauf wir an geeigneter Stelle näher eingehen werden (s. im speziellen Teil b. Diphtheriegift]. Ehrlich hat dann weiterhin durch unendlich mühevolle und schwie- rige Arbeiten noch Klarheit über die quantitativen Verhältnisse der Gifte und die zahlenmäßigen Bedingungen ihres Zerfalls zu schaffen gesucht. Es ergaben sich dabei Verhältnisse von ungemeiner Kom- pliziertheit, auf die wir hier, da die diesbezüglichen Untersuchimgen noch nicht abgeschlossen sind, nnr kurz eingehen wollen. Ehrlich setzt zunächst für ein jedes beliebige Gift die Formel fest. Es besteht aus X Toxoid + y Toxin + z Toxon. y ist durch physiologische Wertbestimmung (Feststellung der letalen Dosis) zu konstatieren, und ist dann = «; z, die Toxonzahl, ist eine Funktion (F) der ebenfalls zahlenmäßig auszudrückenden Größe D — 1, die Ehrlich als ß bezeichnet. Die Formelist also für jede bestimmte Giftlösung zu schreiben: X Toxoid -f cc Toxin -f F {ß) Toxon. Die Entstehung der Toxoide illustriert folgender Versuch: Die meisten Gifte haben, wie bereits erwähnt, in frischem Zu- stand die Dosis Lo = 100. So fand Ehrlich, dass eines seiner frischen Diphtheriegifte so be- schaffen .war, dass eine J. E. 0,31 cm^ Gift sättigte. Demnach musste Die Bakteriengifte. 367 0 31 das Gift eine letale Dosis von '^. = 0,0031 cni'* besitzen, was that- säclilich der Fall war. Also war auch bei diesem Gift Lq = 100. Nach dreiviertel Jahren zeigte dasselbe Gift dieselbe Neutralisations- meng-e in cm-', aber die einfach letale Dosis war auf 0,009 ge- stiegen, Lo war also gleich ca. 33, d. h. schon 33 Gifteinheiten (in 0,31 cm-5 enthalten) entsprachen der Dosis L,,; dann blieb Giftwert und Lo Dosis konstant. Andere Gifte zerfallen so, dass Lq = 50 wird, wieder andere zeigen eine schließlich konstante L,, Dosis von 25 u. s. w. Es scheint also, als ob die Toxine entweder so zerfallen, dass die Hälfte unwirksam wird, oder dass sie sich trichotomisch verändern, so dass 2 Teile Toxoid und 1 Teil beständiges Toxin sich bilden. Vor allem hat Ehrlich versucht, die absolute Bedeutung einer I. E. zu ergründen, d. h. zu entscheiden, wie vielen Sättigungsein- heiten die I. E. in den aus Toxinen, Toxonen und Toxoiden beste- henden Giften entspricht, wieviel haptophore Gruppen, um es ganz roh auszudrücken, der Anzahl in einer I. E. entsprechen. Er ist sehr geneigt, dafür die Zahl 200 anzunehmen. Er gelangt zu dieser Zahl aus folgenden Erwägungen. Die frischen Gifte zeigen meist Lo = 100, sie zerfallen nachher so, dass ihre Lo-Zahlen mit iOO in sehr einfachem Verhältnis stehen: daraus schließt er, dass die absolute Bindungskraft ebenfalls mit der Zahl 100 sehr einfach verwandt sein müsse. Nun hat man aber nie ein Gift gefunden, trotz aller Reinigungsversuche, dessen Lo Zahl höher als 200 gewesen w^äre; die höchste L« Dosis beträgt sogar bei einem sicher noch nicht reinen Gift 160 (Madsen). Aus alledem schließt er, dass jede Giftbouillon 200 Sättigungseinheiten enthalten müsse; dass also L E. = 200 Sättigungseinheiten ist. Ein absolut reines Gift (ohne Toxone) würde also in frischem Zustand (also ohne Toxoide) eineLo Zahl von 200, eine L^ Zahl von 201 aufweisen. Dann ist also in der oben aufgestellten allgemeinen Formel x + y + z = 200, daraus lässt sich dann auch die Menge der Toxone mit Benutzung der Größen a und ß berechnen, wobei a die Menge der Gifteinheiten, ß die Größe D — 1 ist. Wenn z die Menge der Toxone ist, so ist bei der An- nahme von 200 Bindungseinheiten" die Menge der Toxine und Toxoide 200 — z. Die Formel jedes Giftgemisches bei Lo ist dann Lg = (200 — z) Toxin-Toxoid + z Toxon, alles an Antitoxin gebunden. Um also ein Toxon in Freiheit zu setzen, braucht man Zusatz von ^^^^ , wovon ^söTx « ' 200 — z 200 — z der Toxinanteil ist. Um also z Toxone in Freiheit zu setzen, braucht man ^^^tt, -a. Dies ist also die Menge von Giftlösung, ausgedrückt in Gifteinheiten, die man zu (I E) + Lo zusetzen muss, um ein Gemisch zu erzielen, in dem sämtliche Toxone frei sind, in dem also eine jetzt noch zugesetzte Gifteinheit L^ herbeiführt, die Menge -öTyrurT" i^* also = D — 1 = /i. Wir haben also um z, die Toxonmenge einer Gift- bouillon zu finden, eine Gleichung mit einer Unbekannten: '' — 200 — z " ' 368 C. Oppenheimer, woraus folgt 200/:? * z = a + ß Eechnet er mit Hilfe dieser Formel die Toxouzalileu für die von ihm untersuchten Gifte aus. so findet er auch für die Toxone Zahlen, die mit 100 sehr einfach verwandt sind, z. B. 100, 50. 25, oder 33, 66 u. s. w. Nach diesen einfachen Beziehungen ist es möglich, durch Feststellung von a und ß Jederzeit auf Grund der Annahme von 200 Sättigungsein- heiten die Immunitätseinheit, die vorher nur eine empirische Maßein- heit war, zu reproduzieren, da es möglich ist, dadurch den Toxinanteil und den Toxonanteil zu bestimmen, d. h. bei frischen Giften, die Toxoide nicht enthalten, die gesamte Konstitution klarzulegen. Die meisten Gifte scheinen in frischem Zustande aus 100 Teilen Toxin und 100 Teilen Toxon zu bestehen. Die Umwandlung des Toxins in Toxoide wird zumeist durch einfaches Lagern der Gifte erreicht; hierbei bleibt dann gewöhnlich die Lq-DosIs nach einiger Zeit konstaut, die Umwandlung macht bei einer bestimmten Grenze Halt und neue Toxoide entstehen nicht mehr**). Doch scheint diese Regel nicht ohne Ausnahme, wenigstens hat Madsex -^i, der in seiner Arbeit eine völlige Bestätigung der EHRi.iCHschen Untersuchungen gegeben hat, ein Gift beschrieben, dessen Entgiftung dauernd fortzuschreiten scheint. Er fand bei der letzten Bestimmung Lq schon auf 10, L^ auf 15 herabgesunken, so dass er es für möglich hält, dass die Bouillon allmählich völlig ungiftig werden und nur nocli Toxoide enthalten möge. Interessant ist ferner, dass auch die Toxone nicht unverändert bleiben, wie sowohl Ehklich als auch Mausen -^^ fanden. Bei ihnen leidet die hapto- phore Gruppe, es tritt Toxonoidbildung auf, dies drückt sich dadurch aus, das Lq sich erhöht, denn wenn aus einem Gemisch von 100 Toxin : 100 Toxon ein Teil der Antitoxin bindenden Toxoue sich an der haptophoren Gruppe ändert imd so durch Bindung nicht mehr nachweisen lässt, so wird naturgemäß der Toxinanteil an den 200 Sättigungseiuheiten größer als 100. Dass man Lq Werte von z. B. 133, den Madsex bei einem Gifte fand, schon in frischen Giften konstatieren kann, führt er als wahrscheinlich darauf zurück, dass Toxonoidbildung schon in der allerersten Zeit während der Toxinpro- duktion vor sich gehen mcige. Das Licht wirkt nach Madsen auf beide Gruppen, sowohl die haptophore als die toxoph'ore, schädigend; er fand bei einem dem Sonnenlicht ausgesetzten Giftgemisch, dass zwar die Toxizität stark abnahm, gleichzeitig aber Lq und Li. zunahmen; das Toxin verschwindet schließlich in seiner Spezifität ganz, aber das Gemisch bleibt darum doch giftig; die Tiere sterben an Kachexien, man findet aber bei der Sektion nichts für das Diphtheriegift Charakteristi- sches; es bilden sich also unter dem Eintluss des Lichtes, sit venia verbo, giftige Toxoide. *) ^5(200 — z; = «z; 200;J — ,:(z = «z; «z + ;iz = 200/3 ; ■i'a + ß) = 2mß; z= ^^. ** Dieser Standpunkt pflegt nach einem Jahr meist erreicht zu sein. Infolge- dessen werden zur Serumprüfung nur solche Gifte verwendet, die in größeren Quantitäten 4—5 1 15ouillon, unter einer hohen Toluolschicht 1 Jahr lang gelagert sind. (Düxrrz. Ber. üb. die Thätigkeit des Kgl. Instituts f Serumforschung u.s.w. S.-A. a. d. »Klin. Jahrbuch« YII. {1899. Die Bakteriengifte. 369 Ehrlich hat sich mit allen diesen mühevollen Untersuchungen, durch wiederholte Bestimmungen der L« und L^- Dosis Aufschluss über die Konstitution des Di})htheriegiftes zu gewinnen, nicht begnügt; er ist durch Anwendung einer zweiten, noch scharfsinnigeren Methode weiter in ihre Geheimnisse eingedrungen. Wenn man die Hypothese zu Grunde legt, dass die Toxoide, Toxine und Toxone verschiedene Avidität zum Antitoxin besitzen, so crgiebt sich das Postulat, dass sie sich auch nicht in gleicher Verteilung an eine gegebene ^Menge Antitoxin binden. Das ist schon durch die Be- stimmung der L^ Dosis wahrscheinlich gemacht ; bewiesen kann es erst durch eine direkte quantitative Untersuchung der verschiedenen Avidität. Dies hat Ehrlich und nach ihm Madsen (1. c.) in folgender Weise be- werkstelligt: Wenn man zu 200 Sättigungseinheiten (bei frischen Giften also 100 Gifteiuheiten) eine Immunitätseinheit zusetzt, so ist das Ge- misch physiologisch völlig neutral (Lq). Vermindert man nun die Menge der zu derselben Giftmenge zugesetzten Antitoxinmenge, setzt man ge- messene Bruchteile von 1 1 E (200 Bindungseinheiten) hinzu, so wird allmählich die Giftigkeit wieder in die Erscheinung treten, es wird freies Toxin übrig bleiben. Bestände die Giftbouillon aus reinem Toxin, so würde sofort bei einer Verminderung um 1 Bindungseinheit Antitoxin eine Gifteiuheit frei werden, bei 2 B.-E. 2 T u. s. w. bis die 200 T sämt- lich freigeworden sind. Enthielte die Giftbouillon außer dem Toxin nur noch uugiftige Haptine von gleicher Avidität, so würde jede Vermin- derung um 1. B.-E. einen Bruchteil einer Gifteinheit freisetzen, aber diese Erscheinung würde sich ganz gleichmäßig vollziehen, so dass, wenn eine Verminderung um 20 B.-E. 10 T in Freiheit ließen, eine solche um 100 B.-E. 50 T frei lassen würden. Ganz anders aber ge- staltet sich die Sache, wenn hier Stoffe von verschiedener Affinität vorhanden sind. Dann werden bei eintretender Verminderung von B.-E. zuerst die Haptine freigemacht, die die geringste Affinität besitzen, (die Toxone) dann die von mittlerer Avidität (die Toxine und Syn- toxoide), und erst ganz zum Schluss die mit der größten Verwandt- schaft ausgestatteten (Protoxoide). Oder anders ausgedrückt, wenn man eine gegebene Giftmischung mit steigenden Antitoxindosen sättigt, so werden sich erst die Protoxoide, dann die Toxine imd zum Schluss erst die Toxone absättigen. Diese von der Theorie geforderten Verhältnisse lassen sich nun experimentell erweisen. Wenn man von 200 : 200 herabgeht, so treten bis zu einer gewissen Grenze keine Toxinwirkungen, sondern nur die oben erwähnten, andersartigen Toxonwirkungen auf (Zone der freien Toxone.) Geht man unter diese Grenze herunter, so sind die Verhält- nisse verschieden, je nachdem das Gift nur noch Toxine enthält (frische Gifte) oder aber auch noch Syntoxo'ide und Protoxoide. Im erste ren, einfacheren Fall bringt dann jede Verminderung um ^^^ I. E. (eine B.-E.) eine letale Dosis in Freiheit und dies setzt sich bis zu Ende fort. Meist wird diese Grenze bei t^^^ liefen. 200 Dann hätte man also: 200 X ccm Gift (100 letale Dosen) -f ^^^ IE = 0 Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 24 370 C. Oppenheimer, 150 X ccm Gift -h 2QQ = Toxouwirkung X ccm Gift + j 100 200 dto. 99 IToxinwirkung X ccm Gift + ^^ = ^^ ^^^^^^ ^^^.^^ 70 X ccm Gift + 200=^^ ^®*- ^• X ccm Gift + 200^^ ^®*" ^^- ^- ^• Das >Spectriim« (Ehrlich) dieses denkbar einfachsten Giftes würde sich also so 2:estalten: I Spectrum eines frischen Oiftes. So einfach liegen nun die Verhältnisse wohl niemals. Erstens sind die Toxine an sich wiederum nicht einheitlich in ihrer Avidität, worauf wir noch zurückkommen werden, zweitens bilden sich sehr bald Pro- toxoide, die die Kurve verändern. Nehmen wir z. B. folgende Zahlen- reihe : XGift + |g = 0 180 X Gift + — Yj "= Toxon frei X Gift + ^ = Toxon frei X Gift 159 2ÖÖ = 1 T frei X Gift + ^ = 60 T frei X Gift + 50 200 100 T frei Nun stossen wir auf die ungiftigen Protoxoide: 59 X Gift + 200 30 100 T frei X Gift 4- ^ = 100 T frei Die Bakteriengifte. 371 X Gift + 2ÖÖ = '^^ '^' ^^^'^ Das Spectrum würde nusseheu Profyjxoi-d Toxow JT. Specf.ram' eines Giftes im ProloxoidsCaäiiim. Eine weitere Komplikation ist die Bildung der Syntoxoide (Hemi- toxinbildung). Gesetzt, das Toxin zerfällt in gleiclie Teile Toxin und Syntoxoid, so gestaltet sich die Absättigung folgendermaßen: 200 X ccm Gitt + ^^ = 0 = Toxon = 1 T frei = 2 T frei = 30 T frei u. s. w. Das Spectrum (des gleichen Giftes) nach Syntoxoidbildung würde so aussehen: do. 160 "^200 do. 158 ^ 200 do. 156 "^ 200 do. 100 + 200 Protoxoid/ iSyntoxoid Toxon M. Dasselbe Gift if?v Jfemifoxinstaääim. In Wii'klichkeit gestaltet sich aber das Bild noch viel komplizierter. Ich will hier auf die Bilder der einzelnen Giftspectra, die Ehrlich und Madsex publiziert haben, nicht speziell eingeben; ich wollte nur die Prinzipien dieser Methode erwähnen, und kann mich nun damit begnügen, einfach die Resul- tate, die sie aus diesen Analysen gezogen haben, mitzuteilen. Die quantitative Umsetzung von Giften beim Lagern gestaltet sich dem- gemäß folgendermaßen: Zunächst sind nur Toxine und Toxone vorhanden. Die Toxine bestehen aus drei verschiedenen Unterarten die verschiedene Affinität zum Antitoxin haben, dem Proto-, De utero- und Tritotoxin. Letzteres steht den Toxonen am nächsten. Ferner besteht jede dieser Toxin- 24* 372 C. Oppenheimer, abarten aus zwei Modifikationen, dem u- und /i?- Toxin, und zwar zu glei- chen Teilen. Die «-Modifikation aller drei Toxine zerfällt sehr schnell unter Verlust der toxophoren Gruppen: Bildung von SyntoxoTden, Ausbildung des oben erwähnten Hemitoxinstadiums. Dann beginnt, schon früh, die Zerstörung der toxophoren Gruppe des /j-Tritotoxins , die aber nie bis zur völligen Ersetzung des Toxins durch Toxoid fortschreitet, es bleiben stets geringe Toxinmengen in dieser Zone zurück, z. B. 3:7, 2:8, oder 1 : 9 Toxoid, was sich in den Spektren daran zu erkennen giebt, dass hier noch Giftwirkungeu eintreten, dass z. B. bei 1 : 9 eine Verminderung um 10 . B. E. 1 letale Dose freimacht. Später erst verschwindet auch das /j-Prototoxin (Ausbildung der Pro- toxoidzone). Schließlich bleibt also neben einer kleinen Menge /:/-Trito- toxins nur noch das /:/-Deuterotoxin bestehen; und damit pflegt dann ge- wöhnlich der Zerfall Halt zu machen; in dieser Form bleibt das Gift durch lange Zeiten unverändert. Von diesen Regeln scheint es bisweilen Ausnahmen zu geben. Sowohl Ehrlich als auch Mausen haben Spectra angegeben, wo schon bei sehr frischen Giften eine Ausbildung der Protoxoidzone nachAveisbar ist, ob- gleich selbst das «-Deuterotoxiu noch intakt ist. Doch glaubt Mausen (1. c.) aus der oben erwähnten fortdauernden Ver- minderung der Toxizität seines reinen Giftes den Schluss ziehen zu müssen, dass auch das /j'-Deuterotoxin nicht gleichmäßig ist, sondern leichter zersetz- bare Anteile hat, die zu dem Tritotoxin überleiten. Sehr interessant ist eine Bestätigung- dieser außerordentlich kompli- zierten Verhältnisse dadurch, dass es Mausen (1. c.) mehrfach gelang, 200 /"* die nach der oben angegebenen Formel z = r^ berechneten Toxon- « + A mengen in diesen Spektren mit aller wünschenswerten Genauigkeit wiederzufinden. So ergab sich ihm einmal eine berechnete Toxonzahl z = 33,33, 170 und er fand, dass bei ^^^ die Tiere sämtlich am Leben blieben, bei 1 ßO gT^ dagegen starben, so dass die Toxonzahl darnach zwischen 30 und 40 liegen muss. Es erhellt des weiteren, dass ein völliges Umbilden gewisser den Toxonen nahestehender Teile des Tritotoxins die Toxonzone vergrößern muss, denn die Tritotoxoide sind dort, wo sie rein auftreten, wo also nicht mehr ein, wenn auch noch so kleiner Toxinanteil nachzuweisen ist, infolge ihrer den Toxonen gleichstehenden geringeren Avidität sowohl bei der L^. -Bestimmung nicht mehr zu erkennen, als auch verschmelzen sie mit den Toxonen, ihrer völligen Ungiftigkeit halber, bei der Aufstellung der Spectra. So ist also eine scheinbare Vermehrung der Toxone gegenüber ihrer Menge im frischen Gift, die Ehrlich nicht anerkannt hat, die aber Mausen (1. c. pag. 819] gefunden hat, zu erklären. Eine absolut scharfe Grenze zwischen den einzelnen Bezirken ist nicht zu konstatieren. Es scheinen vielmehr Uebergänge stattzufinden, sowohl zwischen Toxonen und Toxinen, wie zwischen diesen und Pro- toxoiden, soweit man nicht solche unscharfe Uebergänge mit Madsen auf den Einfluss verschiedener Konzentrations- und Temperaturverhält- nisse zurückführen will, die die quantitativen Biudungsverhältnisse wohl in geringem Maße zu beeinflussen imstande sind. Die Bakteriengifte. 373 Die Endotoxine und die Bakterienproteine. Die Endotoxine. Wälireud die Produktion und Wirkuugsart der echten Toxine, wie sie Diphtherie- und Tetauusbazillen bilden, genauer bekannt sind, liegen die Diuge bei einer großen Reihe von Krankheitserregern, als deren Hauptvertreter wir die Bakterien der Cholera, des Typhus und den Bac. pyocyaneus zu bezeichnen haben, wesentlich anders und komplizierter. Filtriert man eine nur wenige Tage gewachsene Cholerakultur durch Bakterienfilter, so ist das Filtrat nur in sehr schwachem Maße toxisch. Es bedarf mehrerer cm^ intraperitoneal, um ein Tier zu töten, und selbst in diesen Mengen sind die Filtrate nicht für alle Tiere tödlich. Nimmt man aber den Rückstand des Filtrats, also die abfiltrierten Bak- terienkörper, und tötet diese durch gelinde Desinfektionsmittel, z. B. Chloroform, ab, so zeigt sich, dass diese abgetöteten Bazillenleiber eine hochgradige Toxizität besitzen. Einige Milligramme dieser Bakterien- leiber genügen, um ein Tier bei intraperitonealer Einverleibung akut zu töten, unter schweren Kollapserscheinungen. Es ist also hier das Verhalten umgekehrt wie bei den Diphtheriebazillen, indem in die Lösung anfangs weniger Gift übergeht, dagegen die toten Bakterienleiber sehr stark giftig sind. Nimmt man nicht ganz frische, sondern alte Bouillonkulturen, die mehrere Wochen lang im Brutschrank gestanden haben, so zeigt sich eine beträchtliche Zunahme der Giftigkeit an den keimfreien Filtraten. Schon kleinere Dosen genügen, um die Versuchs- tiere zu töten. Doch erreicht auch unter diesen Umständen die Giftig- keit dieser Filtrate niemals ähnliche Werte, wie sie bei Diphtherie- und Tetanusgift vorkommen, w^o schon Bruchteile von Milligrammen tödlich wirken können. Die Deutung dieser experimentellen Ergebnisse bietet keine Schwierig- keiten: offenbar haben die Cholerabazillen u. s. w. den größten Teil ihres Giftes in ihrer Leibessubstanz aufgespeichert. Dieser Teil wird nur frei, wenn die Bakterien zerstört, aufgelöst werden, wie es im Tier- körper durch die Säfte geschieht und bei älteren Kulturen spontan vor- kommt, indem hier eine Menge von Bazillenleibern durch die alkalischen und sonstigen Produkte der alten Kulturen aufgelöst werden; daher kommt die oben erwähnte Thatsache, dass in alten Kulturen das Filtrat viel toxischer wird, eben infolge dieses Auslaugungsprozesses, als bei jungen Kulturen. Fragen wir uns nun, welche Stellung diese Gifte nach unserer De- finition einnehmen: ob sie echte Toxine sind, gegen die der Organis- mus Antitoxine bildet, so ist dabei folgendes festzustellen: Gegen die in den Bazilleuleiberu enthaltenen Gifte, die Endotoxine, ist es bisher nicht gelungen, ein echtes Antitoxin zu erzeugen. Dem- gemäß müssen wir bis aiif weiteres diesen Giften eine eigenartige Stel- lung einräumen. Sie lassen sich ausschließlich charakterisieren eben durch ihre hohe Giftigkeit im Tierversuch. Der für ihre Zugehörigkeit zu den echten Toxinen ausschlaggebende Nachweis dagegen, dass sie getrennte haptophore und toxophore Gruppen besitzen, ist bisher nicht zu erbringen gewesen. Anders steht es mit den Giften, die beim Filtrieren in das Filtrat übergehen. Für diese ist es gelungen, ein echtes autitoxisches Serum zu 374 C. Oppenheimer, gewinnen, und zwar Ransom, sowie Roux und Metchnikoff für die Cholera, A. Wassermann für den Pyocyaneus (s. dort). Es geschah dies in der allgemeinen üblichen Weise durch Vorbehandlung der Ver- suchstiere mit steigenden Dosen der giftigen Filtrate. So erhielt man Sera, die die mehrfach tödliche Dosis der giftigen Filtrate sicher zu neu- tralisieren vermochte. Demnach ist bei diesen Bakterienarten auf Grund der bisherigen Versuchsergebnisse das Verhältnis ein derartiges, dass der Hauptteil der giftigen Substanz in den Bazillenleibern fest haftet und nicht in die Lösungen übergeht. Dies sind die Endotoxine, vergleichbar den Endoenzymen der Hefe und der Bakterien selbst. Außerdem treten geringe Mengen eines echten Toxins auf, die in das Filtrat übergehen. Die weitere Frage ist nun die, ob wir berechtigt sind, aus diesen Versuchen zu folgern, dass auch unter natürlichen Verhältnissen, also im Organismus, die Giftproduktion in derselben Weise sich gestaltet. Das scheint mit ziemlicher Sicherheit zu verneinen zu sein. Vielmehr ist es sehr wahrscheinlich, dass die geringen Spuren des Giftes, welche wir in diesen Kulturfiltraten finden, und die, wie wir sahen, bei zunehmender Auslaugung in alten Kulturen an Menge etwas zunehmen, nicht das primäre Gift der Erreger darstellen, dass wir in der Pathologie dieser Infektionskrankheiten beim Menschen in Wirk- samkeit treten sehen. Der Auslaugungsprozess, wie er sich spontan in alten Kulturen vollzieht, ist durchaus nicht ein in die Konstitution dieser labilen Körper wenig eingreifender. In derartigen alten Kulturen kommen plötzliche starke Veränderungen der Reaktion von Säure zu starkem Alkali vor: es bilden sich Ammouiakverbiudungen und andere chemische Stoffe, von denen wir wissen, dass sie auf die Bakteriengifte ändernd und zerstörend einwirken. Demnach dürfen wir annehmen, dass selbst diese in die Lösungen übergehenden geringen Mengen des Cholera- giftes U.S.W., gegen die man ein Antitoxin erzeugen kann, be- reits nicht mehr die primären Gifte dieser Mikroben darstellen, die sie sicher im menschlichen Organismus bilden, sondern vielmehr eine sekun- däre und beständigere Modifikation, und zwar gründen wir uns dabei darauf, dass, wie Wassermann ^^ beim Pyocyaneus fand, man gegen dieses gelöste Gift zwar sicher Antitoxin erzeugen kann ; dass aber dieses Anti- toxin sich doch anders verhält wie bei der Diphtherie. Denn diese Antitoxine neutralisieren die entsprechende Toxinmenge in beliebig ver- vielfachten Dosen, wenn man ihre eigene Quantität in derselben Weise vervielftiltigt. Wenn also 10 Dosen Diphtherieantitoxin 10 Dosen Toxin absättigen, so sättigen 1000 Dosen 1000 Dosen Toxin. Beim Pyocyaneus gilt dieses »Gesetz der Multipla« nur innerhalb sehr enger Grenzen, bis etwa zu der 8 — lOfachen Dosis letalis. Darüber hinaus geht die Neutralisierung nicht: die Tiere sterben trotz großer Antitoxindosen. Demnach müssen wir dahin resümieren, dass es überhaupt zweifel- haft ist, ob wir das primäre, echte Toxin der Cholera u. s. w. bei der Verwendung unserer bisherigen Kulturmedien überhaupt in Händen gehabt haben; es dürfte eine Frage der geeigneten IsTährsubstanzen sein, und weiterer systematischer Arbeiten bedürfen, um diesem wichtigen Ziel näher zu kommen. Einen wie gewaltigen Einfluss die geeignete Kulturflüssigkeit für die Produktion des echten Giftes in künstlichen Nährmedien besitzt, zeigt das Beispiel des Diphtheriegiftes, von dem nach den ersten Versuchen von Roux und Yersin 30 — 36 cm^ erforder- Die Bakteriengifte. 375 lieh waren, um ein Tier typisch akut zu töten, und bei welchen man durch systematisch genaues Studium der Nährböden und Auswahl ge- eigneter Kulturen heute dazu gelangt ist, dass 1 — 2 mg ausreichen. Demgemäß betrachten wir die Frage des Choleragiftes und der ähnlichen Gifte als eine in vielen Punkten noch offene und nicht gelöste. Wir wollen indessen nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, dass ein experimentell und praktisch in dem Wesen der Cholerainfektion so er- fahrener Autor wie E. Pfeiffer den Staudpunkt einnimmt, dass auch die bei der spontanen Cholerainfektion des Menschen so auffallig in die Erscheinung tretende Intoxikation hervorgerufen werde durch die Resorption von infolge Auflösung des Choleravibrio in Freiheit gesetzten Giften, den Endotoxinen. Nach seiner Ansicht sind also die Eudo- toxine das ausschlaggebende Gift bei der Cholera und den analog sich verhaltenden Infektionskrankheiten, wie Typhus u. s. w. Für diese An- sicht, dass bei diesen Infektionskrankheiten nur die Bakterien als solche und das in ihrem Leibe enthaltene Gift in Frage kommen, nicht aber ein wie bei Diphtherie u. s. w. von ihrem Leibe abtrennbares lösliches Gift, dessen Anwesenheit wir andererseits im Menschen wie oben er- sichtlich, nicht völlig in Abrede stellen können, für diese Ansicht sprechen die Erscheinungen, die beim Ablauf dieser Krankheiten und beim Immunisieren gegen diese Bakterien vor sich gehen, und die Stoffe, die sich dabei im Serum vorfinden. Wir sahen nämlich , dass bei Cholera u. s. w. ausschließlich baktericide Stoffe auftreten; solche ausschließlich baktericide Stoffe treten aber, wie Wassermann am Pyocyaneus zeigen konnte, nur bei der Resorption körperlicher Bestandteile der Bakterien auf, während die Toxine stets gleichzeitig antitoxisch und baktericid wirkende spezifische Stoffe im Serum er- zeugen. Weiteres über diese Frage s. Bd. III (Immunität). Die Bakterienproteine. Wenn man diejenigen Bakterien, die lösliche Gifte produzieren, von diesen möglichst völlig befreit, so bleiben noch die dem Zellleib an- gehörigen Stoffe zurück. Diese Stoffe haben nun auch noch eine phy- siologische Wirksamkeit, indem sie an der Applikationsstelle Entzün- dungen, aseptische Eiterungen und Nekrosen, außerdem geringfügige Allgemeinerscheinungen, wie Fieber, Mattigkeit, Kopfschmerzen u. s. w. erzeugen. Dieselben Wirkungen haben auch die mit chemischen Methoden aus diesen Bakterieuleibern dargestellten eiweißähnlichen Körper, die man nach dem Vorgang von Büchner als Bakterienproteine bezeichnet. Sie werden nach verschiedenen Methoden dargestellt. Hauptsächlich benutzt man dazu das Extrahieren mit überhitztem Wasser im Autoklaven, daseinfache Auskochen mit Wasser, und das Extrahieren mit verdünnten Alkalien. In neuer Zeit kamen dann jene Methoden dazu, die nach dem Vorgange Kochs und Buchners die Bak- terien erst zermalmten, und zwar in feuchtem oder getrocknetem Zu- stande, um dann ihren Inhalt, zum Teil mit Zuhilfenahme hydraulischer Pressen, zu gewinnen. So erhielt man eine große Reihe von Bakterienproteinen, die zwar in Einzelheiten verschieden, im Grunde doch ähnliche Wirkungen zeigten. Wir Averden ihnen im speziellen Teil noch häufig begegnen, wo auch die Hauptarbeiten auf diesem Gebiet zitiert sind. 376 C. Oppenheimer, Es erübrigt sieh, liier auf diese Proteine im Detail einzugehen, denn durch die Arbeiten von Römer, Büchner, Bchattenfroh, Klem- PERER^2 mi([ vieler anderer ist zweifellos erwiesen, dass zum mindesten die aus unzerkleinerten Mikroben durch gewaltsame Extraktion isolierten eiweißähnliehen Stofte al)Solut keine spezifische AYirkuug haben, also als Krankheitsursachen sui generis nicht in Betracht kommen. Dies gilt aber nur für die aus den Leibern dargestellten Eiweiß- stoffe au sich in idealer Reinheit. Sie so zu isolieren ist aber in den seltensten Fällen möglich, und zwar nur dann, wenn die Bakterien nur frei lösliche spezifische Gifte produzieren, von denen ihre Leiber völlig getrennt werden können, wie es Kossel^ bei den Diphtheriebazillen gethan hat. Dann bleiben die Proteine ohne spezifische Wirkungen zu- rück, wie man sie ganz ähnlich aus den harmlosesten Bakterien ge- winnen kann, und wie auch andere körperfremde Eiweiß Stoffe sich verhalten, die ja ebenfalls sterile Abszesse u. s.w. erzeugen. Meist aber ist eine radikale Trennung dieser Proteine im engeren Sinne von den Giften nicht möglich. Bei den meisten Bakterien haften an den Proteinpräparaten noch Reste der spezifischen Giftstoffe oder ihrer sekundären Produkte, besonders der Endotoxine und ihrer Deri- vate, so dass dann auch die Proteinpräparate noch charakteristische Giftwirkungen zeigen, wie es bei Cholera, Typhus, Tuberkulose der Fall ist (s. im speziellen Teil). Hier lässt sich also die reine Protein- wirkung nicht demonstrieren, sondern nur theoretisch konstruieren. Ganz zu trennen von diesen Gift Wirkungen sind die immunisa- torischen Vorgänge, die durch die Zellsubstanzen der Bakterien, sei es der unzerkleinerten Leiber oder chemischer Präparate ausgelöst werden, die Probleme der baktericiden Immunität, die durch die Arbeiten von Pfeiffer & Wassermaxx für Cholera, Pfeiffer & Kolle für T3q)hus, Koch für die Tuberkulose völlig aufgeklärt sind (s. b. Immunität, Bd. III). Diese Vorgänge haben mit der toxischen Wirkung der Zellproteine gar nichts zu thun; hier handelt es sich um Einführung von passenden Rezeptoren, die die baktericiden Schutzkräfte, die Ly sine, Präzipitine und Agglutinine wachrufen; um Vorgänge, die von der feinen steri- schen Konfiguration der Proteinmoleküle abhängig sind. Vorläufig kann man mit Sicherheit derartige Rezeptoren nur in den unveränderten Bakterienzellen annehmen, die wie Choleravibrio, Pneumo- coccus U.S.W, in toto jene destruktiven Prozesse auslösen; andererseits kann man ziemlich sicher sagen, dass gewaltsame Extraktion, also Darstellung chemischer Proteinpräparate meist jene zarte Atomgruppierung so ver- ändert, dass keine oder sehr schwache baktericide Reaktion ihrer Ein- führung folgt, dass vielmehr diese Eiweißstoflfe nur dieselben Reaktionen auslösen Avie jeder körperfremde Eiweißstofif, d. h. die Bildung spe- zifischer Präzipitine (Bordet, Wassermann, Myers), die mit den Agglutininen allerdings wohl sehr nahe verwandt sind; sehr wahr- scheinlich ist es dagegen, dass bei den etwas schonender dargestellten, wie Kochs Tuberkulin (s. d.) und bei den BucnNERSchen Piasminen, z. B. des Choleravibrio und des Tuberkelbacillus, sich die spezifischen Rezeptoren erhalten, so dass diese Präparate baktericide, immunisa- torische Prozesse auslösen. Die Bakteriengifte. 377 Zusammenfassung. 1. Eine Gruppe vou Bakterien erzeugt als freie Sekrete echte Toxine. Nach Abzug- dieser löslichen extrahierbaren Gifte bleibt ein reines unspezifisches ßakterienprotein zurück. Typus: Diphtherie. 2. Eine andere große Gruppe bildet scheinbar nur Endotoxiue: echte Toxine, die an die lebende Zelle mehr oder minder fest gebunden sind, also nur in sehr geringem Maße, in unverändertem Zustande viel- leicht außerhalb des Körpers gar nicht, sezerniert werden; beim Absterben der Zelle werden sie teilweise frei, teilweise bleiben sie gebunden, oder gehen in sekundäre, giftige Modifikationen nicht mehr toxinartiger Katur über. Bei dieser Gruppe sind also die toten Zellleiber nicht restlos von anderen Giften zu befreien; das reine Protein ist nicht in ungetrübter Wirksamkeit zu erkennen. Mit diesen Vorbehalten sind jedoch die Proteinwirkungen nachzuweisen. Typits: Cholera, Typhus, Pneumococcus. 3. Eine dritte Gruppe bildet vielleicht gar keine echten Toxine, auch nicht intraplasmatisch. Das Zellplasma enthält Gifte anderer Art, die das Bild der Proteinwirkung trüben. Typus: Milzbrand, Tuber- kulose. Möglicherweise hat man bei fortschreitender Erkenntnis Gruppe 2 mit 3 zu vereinigen. Allen Bakterien gemeinschaftlich ist die pyogene Wirkung ihrer Proteine, die vorwiegend auf ihrer Eigenart als körperfremden Eiweiß- stoffen beruht und die sich in ganz ähnlicher Weise auch durch körper- fremde Eiweißstoife nichtbakterieller Herkunft erzielen lässt. Dass jeder fremde Eiweißstofif ein Schädling für den Organismus ist, den er zu bekämpfen sucht, zeigen jene spezifischen Fällungsfermente, die Präzipitine, die nach Einführung jedes fremden Eiweißstoffes im Organismus auftreten. Wie nach der EuRLiCHSchen Anschauung alle Nährstoffe Rezeptoren finden müssen, um assimiliert zu werden, so werden, und besonders bei abnormer, d. h. subkutaner resp. intravenöser Einführung, jene Piczeptoren gegen die fremden Proteine mobil gemacht, um sie anzugreifen und unschädlich zu machen. Litteraturverzeichnis. 1 Buchner. Die Bedeutung der aktiven löslichen Zellprodukte etc. Münch. med. Woch., 1897. 12. 2 Sproxck. Prepar. de ia tox. dipht. Ann. Pasteur, XII, 701. 1898. 3 Eoux & Yersin, Contribution ä letude de la diphth^rie. Ibid.. III. 213 1889; IV, 385, 1890. 4 Armand & Charrin. Transforination de la matiere organique azote etc. Bull. med.. 1891, 356; 1892, 957: ref. Centralbl. f. Bakt. XI. 248. 1892; s. a. Buchner, Bakteriengifte und Gegengifte. Münch. med. Woch.. 189:j. 449. 5 GuiNOCHET, Contrib. ;i Fctude de la toxine du bacille de la diphtherie. Arch . d. med. experim., 1892, 487. fi UscHiNSKi. Les poisons de la diphtherie et du cholera. 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Soc, 63, 420. — Martin, Relation of the toxin and antitoxin of snake venom, ibid., 64, 88. (1899). 44 Wassermann, Untersuch, über einige theoretische Punkte der Immunitäts- lehre.^ Z. f. Hyg., XXII, 263. (1896). 45 DziERZGowsKi. Zur Frage über die Beziehungen zwischen dem antidipht. Heilserum u. d. Diphtherietoxin. Arch. internat. de pharmacodyn., V, 1. (1898); s. andererseits auch Marenghi, Ueb. d. gegens. Wirkg. antidipht. Serums und des Dipht. Toxins. Centralbl. f. Bakt., 22, 520. (1897). 46 Camus & Gley, Recherches sur l'action physiol. du serum d'anguille. Archives internationales d. pharmacodyn., V, 247. (1898). S. A. Die Bakteriengifte. 379 4"? KossEL, Zur Kenntnis der Antitoxinwirkung. Berl. klin.Woclienschr., 1898. 7. 48 CoBBETT & Kanthack, Ueb. das Schicksal d. Diphtherietoxins im Tierorga- nismus. Centralbl. f. Hakt. 24, 129. (1898). 49 Ehrlich, Die Wertbemessung des Diphtherieserums. Klin. Jahrb., VI., 299. (Ig99). _ Ders., lieber die Const. des Diphtheriegiftes. Deutsch, med. Woch., 1898, 597. 50 Knorr, Die Entstehung des Tetanusantitoxins. Fortschr. d. Med., 1897, 6o7. 51 Mausen, Constitution du poison diphtherique. Ann. Fast., XIII, 568. 1899. 52 Klemperer, Die Bezieh, verschied. Bakteriengifte zur Immunität und Hei- lung. Z. f. klin. Med., XX, Kiö 1892). Litteratur.) VIII. Erbliclie Uebertraguug von Infektionskrankheiten. Von Prof. Dr. A. Wassermann in Berlin. Unter erblicher Uebertragung einer Infektion verstehen wir die Uebertragung der Infektionserreger seitens der Eltern auf die Nacli- kommenschaft vor der Geburt. Diese Uebertragung ist denkbar seitens der Eltern, indem bereits die Keimzellen, also das Ei oder das Sperma, im Momente der Befruch- tung Träger des Infektionserregers sind, und daher die Infektion der Frucht bereits mit dem Augenblicke der Konzeption einsetzt, germin ale Infektion, oder seitens der Mutter auf den Fötus mittels des placen- taren Kreislaufes, placentare Infektion. Von selten des Vaters ist noch eine intrauterine Infektion des Fötus denkbar mittels infizierenden Spermas während der Gravidität. Fälle dieser letzteren Kategorie sind indessen beim Menschen bisher ausschließlich nur bei Syphilis beobachtet worden. Streng im naturwissenschaftlichen Sinne genommen handelt es sich indessen bei keiner der soeben erwähnten Ueber- tragungsmodi um eine »Vererbung« von Infektionskrankheiten. Denn die »Vererbung« gewisser physiologischer Eigenschaften ist stets eine Funktion des Chromatins, sei es der Sperma-, sei es der Eizelle. Weder bei der germinalen noch bei der placentaren Uebertragung von Infektionen ist indessen das Chromatin beteiligt, sondern selbst bei dem ersteren Modus geschieht die Uebertragung durch Elemente, welche den Keimzellen einfach anhaften, also ihnen fremd sind. Mit Eecht lieben Hansen ^ und Lubarsch^ diesen Unterschied hervor, und der letztere Autor schlägt deshalb vor, die placentare Uebertraguug einer Infektion als eine Metastase in einen fremden Organismus, die germi- nale Uebertragung dagegen »als eine durch die Keimzellen ver- mittelte Infektion<; zu benennen. Jedenfalls müssen wir also im folgenden diese beiden Arten der erb- lichen Infektionsübertragungen scharf auseinanderhalten. Die hereditäre Uebertragung von Infektionskrankheiten nimmt seit alters einen breiten Eaum in dem Denken der Aerzte und damit in der medizinischen Litteratur ein. Während man indessen früher vor der Entdeckung der wichtigsten Infektionserreger und der Methoden ihres Studiums durch R. Koch bezüglich der mehi'oder minder großen Wichtig- keit der Heredität für die Verbreitung der Infektionskrankheiten zu- Erbliche Uebertragnng von Infektionskrankheiten. 381 meist auf spekulative Betrachtungen und statistische Zusammenstellungen angewiesen war, ist dieses Gebiet in neuerer Zeit der Gegenstand exakter bakteriologischer Studien geworden. Ja, wie wir im weiteren Verlaufe dieses Kapitels sehen werden, bedarf gerade dieses Gebiet, d. h. der sichere Nachweis, dass die bei einem Deszendenten gefundenen Infek- tionserreger in der That von dem Aszendenten vor der Geburt über- tragen sind, ganz besonders vorsichtiger, geübter Untersuchung und Be- urteilung. Mit der einfachen statistischen, von niemand bezweifelten Thatsache, dass gewisse besonders chronische Infektionskrankheiten die Kinder der an denselben erkrankten Eltern häufiger als diejenigen ge- sunder Eltern befallen, ist noch kein Beweis für die erbliche Ueber- tragung der betreffenden Infektion vor der Geburt erbracht, da natur- gemäß die Gefahr und Möglichkeit der Kontagion intra vitam bei derartigen Kindern weit größer ist als bei solchen, welche in gesunder Umgebung aufwachsen. Was zunächst die placentare Uebertragnng von Infektionserregern betrifft, so ist dieselbe in zweifelloser Weise in einer Anzahl von Fällen der verschiedensten Infektionen bei Mensch und Tieren festgestellt worden. Die Bedingungen, unter welchen eine placentare Infektion zustande kommen kann, wurden vielfach experimentell studiert. Abgesehen von den älteren Untersuchungen bei Milzbrand von Stkaus (fc Chamberland^ waren es besonders die ersten Arbeiten von Baum- gar pen^ und M. WoLFF^- "^ ", welche die umfassende experimentelle Prüfung dieser Frage veranlassten. Wolff kam auf Grund seiner Ex- perimente mit Milzbraudinfektion an graviden Meerschweinchen und Kaninchen zu dem Schlüsse, »dass die Placenta, abgesehen von seltenen durch pathologische Veränderungen derselben bedingten Ausnahmefällen, zu allen Zeiten der Schwangerschaft eine unüberschreitbare Schranke für Milzbrandbazillen bildet«. Zu den gleichen Eesultaten gelangte AVolff bei Versuchen mit Vaccine am Menschen, indem die Kinder von 17 während der Schwangerschaft mit Erfolg geimpften Frauen sich nach der Geburt ausnahmslos für die Vaccineimpfung empfänglich zeigten. Demgemäß betrachtet Wolff die Placenta als ein im normalen Zu- stande für Bakterien uudurchgängiges Filter, das nur durchlässig wird, wenn es selbst durch die Bakterien geschädigt wird. In dieser Hin- sicht legt Wolff besonderen Nachdruck auf Blutungen, welche in das Placentargewebe erfolgen. Der gleichen Ansicht gaben sodann andere Bearbeiter dieser Frage auf Grund ihrer Experimente und Beobach- tungen Ausdruck, so Malvoz*, Rosexblath^^ Ebertrio, Ernst ^i, Hildebrandt^^^ von welchen die letztgenannten drei Autoren ihre Be- obachtungen bei Typhusinfektionen des Menschen machten. Alle diese Forscher nehmen an, dass gröbere Läsiouen der Placenta vor- handen sein müssen, um den Uebergang von Infektionserregern von Mutter auf Frucht zu gestatten. Besonders ging dies aus den Experimenten von Malvoz hervor. Malvoz bestätigte zunächst in seiner Arbeit die älteren Resultate von Fehling, Ahlfeld, Krukenberg u. a., dass unbelebte feinste Partikel- chen wie Tusche, schwefelsaurer Baryt, sowie nicht pathogene Bakterien die Placenta nicht zu durclidringen vermögen. Injizierte er dagegen trächtigen Tieren pathogene Mikroorganismen, so konnte er entsprechend häufiger eine Infektion der Frucht konstatieren, je nachdem die beti-ef- fende Bakterienspecies infolge ihrer biologischen Eigenschaften in der 382 A. Wassermann Placenta selbst Gewebsläsionen hervorzubringen vermochte. Dement- sprechend konnte er bei Infektionsversiichen mit HUhnercholera- bazillen, welche als Erreger einer hämorrhagischen Septikämie in allen Geweben und damit auch in der Placenta Hcämorrhagieen verursachen, fast konstant den Uebergang der Keime auf die Frucht feststellen. Auch in den Placenten von milzbrandinfizierteu Meerschweinchen konnte Malyoz Blutungen und demgemäß in etwa der Hälfte der Fälle den in- trauterinen Uebergang der Milzbrandkeime auf den Fötus beobachten. Im Gegensatze zu den Meerschweinchen zeigten milzbrandinfizierte Kanin- chen keine makroskopisch sichtbaren Veränderungen der Placenta und übereinstimmend damit konnte bei dieser Tierart nur in äußerst seltenen Fällen der Uebergang von Milzbraudbazillen auf den Fötus festgestellt werden. Im Gegensatze zu diesen Autoren nehmen indessen andere an, dass eine placentare Uebertragung von Infektionserregern möglich sei, ohne dass die Placenta irgendwie nachweislich erkrankt ist. In dieser Hinsicht ist an erster Stelle Baumgartex zu nennen, der diesen Standpunkt gestützt auf seine Beobachtungen mit großem Nach- druck vertritt. Auch BiRCH-HiRSCHFELD ^3, 14 uinnut an, dass Milzbraudbazillen die Placenta, ohne in derselben pathologische Störungen hervorgerufen zu haben, durchdringen können, indem sie aus den Bluträumeu der Placenta materna in das Gewebe der Placenta foetalis durchwachsen. Es spielt dabei nach Birch-Hirshfeld neben der Virulenz des Infektionserregers der anatomische Bau der Placenta, der bei ver- schiedenen Tierspecies ein verschiedener ist, eine große Rolle. Die Kaninchen- und Ziegenplacenta erleichtert durch ihren Bau den Ueber- gang von Infektionserregern, die Mäuseplacenta bietet einen weit wirk- sameren Schutz dagegen. Dementsprechend war auch das experimen- telle Resultat. Die menschliche Placenta verhalte sich ihrem Bau nach wie die Kaniuchenplacenta, sei daher ungefähr ebenso leicht von Infek- tionserregern zu durchdringen wie diese. Auch Latis^^ glaubt auf Grund seiner Experimente an graviden Meerschweinchen, dass die Milzbrandbazillen infolge Durchwachsens von Mutter auf den Fötus übergehen können, ohne dass die Placenta dabei sichtbar geschädigt wird. Das gleiche behaupten Freund & Leyy2i fiir den Typhusbacillus auf Grund einer Beobachtung am Menschen. LuBARSCH^ß, der ebenfalls in der Mehrzahl seiner experimentellen Fälle von placeutarem Uebergang der Mikroorganismen auf die Frucht Hämorrhagieen oder andere nachweisbare Läsionen der Placenta ver- misste, steht gleichfalls auf dem Standpunkte, dass pathogene Bakterien die Epithelien und Kapillarräume der Placenta durchwachsen können. Für dieses Vorkommnis ist indessen nach Lubarsch nicht sowohl der anatomische Bau der Placenta als vielmehr die Menge und Virulenz so- wie die Dauer der Einwirkung der in der Placenta vorhan- denen Mikroorganismen maßgebend. Das Durchwachsen und damit der Uebergang auf den Fötus beginne erst, wenn sich die Mikro- organismen in den intravillösen Räumen sehr stark vermehrt haben. Deshalb sei entscheidend für den gesamten Vorgang der placentaren Uebertragung die Zeitdauer, welche verfließt von dem ersten Auftreten der Mikroorganismen in der Placenta bis zum Tode des Muttertieres. Erbliche Uebertragung von Infektionskrankheiten. 383 Hiermit erklärt Lubauscii auch das verschiedene Verhalten der einzelnen Infektionserreger bezüglich der Häufigkeit des Durchtrittes durch die Placenta. Die Milzbrandl)azillen treten erst sehr spät, kurz vor dem Tode des Tieres in der Placenta auf und zeigen dortsclbst nur eine sehr mäßige Vermehrung, deshalb ist in praxi der placentare Ueber- gang derselben auf die Frucht ein seltener. Erleichtert wird derselbe allerdings durch etwa stattfindende anatomische Störungen der Placenta. Dagegen siedeln sich Pneumokokken und pyogene Kokken sehr frühzeitig in der Placenta an und vermehren sich gew^öhnlich in der- selben beträchtlich bis zum Tode des Tieres, deshalb beobachtet man sowohl im Experiment bei Tieren wie in der Praxis beim Menschen (Nettfr) weit häufiger einen Uebergang dieser Mikroorganismen auf die Frucht. Was die Infektionen betrifft, bei welchen beim Menschen eine sichere placentare Uebertragung von Mutter auf Kind be- obachtet w^urde, so sind diese abgesehen von Tuberkulose, Lepra und Syphilis, welche wir weiter unten besprechen werden, Milzbrand (Paltauf^^), Pneumonie (Levyis, XetteriöjViti^"), Typhus(EBERTHl.c., Ernst 1. c, Hildebrand 1. c, Chantemesse & Widal, Freund & Levt2i), pyogene Kokken (Auche22^ Lebedeff^^^, Fränkel & Kiderlen 23)^ Febris recurrens (Spitz zit. nach Roger, Malad, inf. Paris 1902, p. 1222), Variola (Champ^^, s. dort auch Litteratur). Nicht sicher scheint mir die Beobachtung von Tizzoni & Cattani^s über placentare Uebertragung von Cholera asiatica beim Menschen, ebenso die Angaben über angebliche placentare Uebertragungen beim Menschen von Scharlach, Masern, Malaria und Gelenkrheumatismus (Baillon, Ferrario, Portier, Vogel, Heine, Rilliet & Barthez, Pitres, Aubanais, Schurig, Hoffmann, Rüssel, Pollack, Schäffer zit. nach Roger 1. c). Für eine Anzahl anderer Infektionen ist die Möglichkeit der placen- taren Uebertragung experimentell erwiesen, so für den Rotz (Löetler26), indessen liegen für den Menschen keine Beobachtungen vor. Für Lyssa wird die Möglichkeit der placentaren Uebertragung auf Grund von Ex- perimenten (Perroncito & Carita^') behauptet, von Zagari-^ dagegen bestritten. Wir ersehen sonach aus den soeben angeführten Fällen, dass bei einer großen Anzahl von akuten Infektionen die Möglichkeit der pla- centaren Uebertragung beim Menschen vorliegt. Indessen sind es immerhin nur wenige Fälle, welche bisher zur Beobachtung kamen, so dass wir dieser Art der Uebertragung in praxi irgend eine bedeutendere Rolle bei der Verbreitung der genannten akuten Infektionen nicht zu- schreiben können. Gegenüber dem Faktor der intravitalen In- fektion tritt die placentare Uebertragung vollkommen zurück. Es ist dies ohne weiteres klar, denn abgesehen davon, dass, wie wir sahen, der Uebergang der Infektionserreger durch die Placenta stets nur unter gewissen Bedingungen in einem Prozentsatze der Fälle statt- findet, kommt bei den akuten Infektionen noch der Umstand hinzu, dass die Frucht im Verlaufe derselben zumeist abstirbt. In der That wurde denn auch von allen Seiten bisher auf die hereditäre Ueber- tragung akuter Infektionen mehr ein wissenschaftlicher als praktisch epidemiologisch in Betracht kommender Wert gelegt. Anders dagegen steht dies mit der hereditären Uebertragung der chronischen Infektionskrankheiten, Syphilis, Lepra und Tuberkulose. Abgesehen von der Syphilis, deren Erreger uns unbekannt ist und über dessen 384 A. Wassermann, Uebertrag-ungsmechanismus vor der Geburt wir dalier keinerlei exakten Beobachtungen anstellen können, ist es vou den bei uns heimischen Infektionen vornehmlich die Tuberkulose, für welche von einer sehr großen Anzahl von Forschern und Praktikern der Heredität die aller- größte Bedeutung zugeschrieben wird. Andere dagegen betrachten diesen Vorgang auch bei dieser Infektion als untergeordneten Faktor für die Verbreitung der Krankheit und ziehen vielmehr hierfür fast ausschließlich die intravitale Kontagion heran. Die Hauptvertreter der letzteren Lehre sind K. Koch und seine Schüler, vornehmlich Cornet, während auf der anderen Seite in erster Linie Baumoarten und dessen Schüler seit langem durch eine große Reihe von x4rbeiten und Beobachtungen der Heredität den breitesten Raum bei der Uebertragung des Tuberkel- bacillus einzuräumen suchen. Ich möchte indessen ausdrücklich hier betonen, was vielen Autoren bei der Durchsicht der Litteratur offenbar entgangen ist, dass weder Baumgarten die Kontagion der Tuberkulose post partum vollständig leugnet, noch R. Koch auf dem Standpunkt steht, die Möglichkeit jeder hereditären, d. h. placentareu Uebertragung der Tuberkefbazillen in Abrede zu stellen. Nur über die germinale Uebertragung der Tuberkelbazillen (s. unten), sowie überhaupt über die Wichtigkeit und Häufigkeit des hereditären Einflusses bei der Tuber- kulose gehen die verschiedenen Ansichten weit auseinander. Betreffs des Näheren in dieser Beziehung sowie über die Stellung der Anbänger von Kontagion und andererseits Heredität in der Lehre der Tuberkulose zu den experimentellen und statistischen Untersuchungen vergl. das Kapitel »Tuberkelbacillus« in Bd. II. Hier seien nur die Ansichten und Lehren Baumgartens als des wissenschaftlichen Haupt- vertreters für die große Bedeutung der Heredität bei der Tuberkulose insoweit gebracht, als es des Verständnisses halber für das folgende nötig ist. Baumgarten 29 :'o 31 nimmt nach seinen und seiner Schüler zahlreichen Arbeiten über diesen Gegenstand an, dass die Tuberkulose in der übergroßen Zahl der Fälle auf placentare resp. germinale (s. unten) Uebertragung des Tuberkelbacillus zurückzuführen sei. — Baumgarten, sowie seine zahlreichen Anhänger, unter denen wir besonders JoussET^a, Haupt 33 35 ^^id Riffel 3 4 anführen, sind der Ansicht, dass die erblich übertragenen Tuberkelbazillen nicht sofort oder kurze Zeit nach der Ge- burt, also innerhalb der ersten Lebensmonate tuberkulöse Veränderungen und Krankheitssymptome stets zu machen brauchen, sondern die er- erbte Tuberkulose könne lange Zeit latent bleiben. Mit dieser Latenz der Tuberkulose erklärt Baumgarten die statistische Thatsache, dass die Tuberkulosesterblichkeit nach einem anfänglichen Höhepunkt am Ende des ersten und zweiten Lebensjahres mit Beginn der Pubertät bis ca. zum 30. Lebensjahre von neuem stark in die Höhe steigt. BAUMGARTEN3is 1 Minute. 3. Absoluter Alkohol, Aufbellen, Einschließen. ß) Spezielle Färbungsmethoden zur diflferenten Darstellung von Teilen des Bakteriums. I. Methodeu der Kapselfärbung-. Die Darstellung der Bakterienkapsel gelingt in der Regel nur bei Material, das dem Tierkörper entstammt. Boni-^'' konnte allerdings auch bei Bakterien aus Kulturen Kapseln darstellen, wenn er statt des destil- lierten Wassers bei der Färbung Bouillon, Körperflüssigkeit oder eine Mischung- von einem Hühnereiweiß, 50 gr Glycerin und einige Tropfen Formalin verwandte. Methode von Johne -^o. 1. Färbung mit erwärmter 2proz. wässriger Lösung von Methylviolett oder Gentiauaviolett, 1 — 2 JMinuten. 2. Wasserspülung. 3. Entfärbung in 1 — 2proz. Essigsäure, 10 Sekunden. 4. Wasserspülung. 5. Untersuchung in Wasser, nicht in Balsam! Methode von Klett^^. 1. Färbung mit alkoholisch-wässriger Methylenblaulösuug 1:10:100 unter Erwärmen bis zum Aufkochen. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 423 2. Wasserspülnuii'. 3. Färbung- mit FiicliBiulösnug- von gleicher Konzentration w'ia die Methylenblaulüsung, 5 Sekunden. 4. Wasserspülung etc. Methode von Friedländer -^^^ Für Deckglaspr üparate. 1. Behandeln der fixierten Deckglaspräparate mit Iproz. Essigsäure, 2 Minuten. 2. Abspülen, Trocknen. 3. Färbung mit Aniliuwassergentianaviolettlösung, einige Sekunden. 4. Wasserspülung, Trocknen, Einschließen in Kanadabalsam. Für Schni tte. 1. Färbung in folgender Lösung, 24 Stunden bei 37°: konzentrierte alkoholische Gentianaviolettlösung* 50,0 Eisessig 10,0 Aq. dest. 100,0. 2. Differenzierung in Iproz. Essigsäure. 3. Wasserspülung, Entwässern etc. Methode von Ribbert^-I Für Deckglaspräparate. 1. Färbung in einer in der Wärme gesättigten Lösung von Dahlia in: Wasser 100,0, Alkohol 50,0, Eisessig 12,5, einige Minuten. 2. Wasserspülung, Trocknen, Einschließen in Balsam. Methode von Vixcext ^^. Für Deckglaspräparate von Blut. 1. Behandeln des Deckglaspräparates mit folgender Mischung (zur Entfernung des Hämoglobins] : 30,0 Glycerin, 30,0 kalte, gesättigte Kochsalzlösung, 6,0 5proz. Karbolsäure, 1 — 2 Minuten. 2. Wasserspülung. 3. Färbung in Lösung von Karbolmethylenblau und 1 — 2proz. wässriger Methylenblaulösung. 4. Wasserspülung, Untersuchung in Wasser. Methode von Xicolle. 1. Färbung in folgender Mischung: Gesättigte alkoholische (95proz.) Gentianaviolettlösuug 10,0 Iproz. Karbolsäure 100,0. 2. Abspülen in absolutem Alkohol und Vs '^'ol. Aceton. 3. Wasserspülung, Trocknung, Einbettung. Methode von Kaufmann ^^. 1. Vorfärbung mit LöPFLERschem Methylenblau, mehrere Stunden unter öfterem Erhitzen oder im Brutschrank bei 35°. 2. Spülung in alkalisiertem Wasser (Zusatz von 1 — 2 Tropfen kon- zentrierter Lösung von Kali oder Natronlauge auf ein Uhrschälchen voll Wasser). 424 E. Friedbei-ger, 3. Trocknung. 4. Behandlung- mit Y2pi*oz. Silberlösung, 2 Minuten. 5. Spülung in dem unter 2. angegebenen alkalisierten Wasser. 6. Nachf;lrl)ung )nit alkolioliseh-wässriger Fuclisinlösung (1 : 20), 30 Sek. 7. Spülung mit alkalisiertem Wasser (cf. unter 2). 8. Trocknen etc. Methode von Olt^^, 1. Färbung mit 2proz. wässriger, heiß liereiteter und filtrierter Safrauinlösung unter mehrmaligem Erhitzen, V2 — 1 Minute. 2. Wasserspülung und Untersuchung in Wasser (Kapsel fiirbt sich quittengelb, Bakterieuleib rotbraun). II. Methoden der Sporenfärbuug. Methode von Buchxer^t^ 1. Behandeln des fixierten Deckglases mit konz. Schwefelsäure, 30 Sekunden. 2. Kachfärben mit Karbolfuchsin. (Nur die Sporen färben sich.) Methode von Hauser ^s. 1. Färbung mit wässriger Fuchsinlosung, indem das mit der Farb- lösung bedeckte Präparat 40 — 50 mal durch die Flamme gezogen wird event. unter Erneuerung der verdampfenden Farblösung. 2. Entfärbung in 25proz. Schwefelsäure. 3. Wasserspülung. 4. Nachfärben mit wässriger Methylenblaulösung. Methode von Fiocca^s. 1. Färbung der Präparate 3 — 15 Minuten in einer Lösung von 20 ccm lOprozentigem Ammoniak und 10 — 20 Tropfen alkoholischer Anilinfarb- stotflösuug. 2. Differenzierung in Schwefelsäure. 3. Wasserspülung. 4. Gegenfärbung mit verdünnter wässriger Anilinfarbstofflösuug. Methode von Möller ^0. 1. Behandeln des fixierten Deckglases mit Chloroform, 2 Minuten. (Unter der Chloroformcinwirkung lösen sich eventuell im Präparat vor- handene Fetttropfen, die durch ihre Färbung Sporen vortäuschen können.) 2. Wasserspülung. 3. 5proz. Chromsäure, IY2— 2 Minuten. 4. Wasserspülung. 5. Färbung mit wässriger Karbolfuchsinlösung unter Erwärmen, 1 Minute. 6. Entfärbung in 5proz. Schwefelsäure, 5 Sekunden. 7. Wasserspülung. 8. Nachfärben mit wässriger Lösung von Methylenblau, Y2 Minute. 9. Wasserspülung, Trocknen, Einschließen in Kanadabalsam. Methode von Klein 20 Ausgehend von der Vorstellung, dass die Farben besser vor der Fixation eindringen, färbte Kleix sporenhaltiges Material vor der Fixation nach folgender Methode: Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 425 1. Zusatz eines gleichen Quantums Karbolfuchsinlüsung zu einer Emulsion des sporenhaltigen Materials in Kochsalzlösung-. Färbung 6 Minuten unter schwachem Erwärmen. 2. Aufstreichen auf Deckgläser, Lufttrocknung und Fixierung in der Flamme. 3. Entfärbung in Iprozentiger Schwefelsäure, 1—2 Sekunden. 4. Wasserspülung. 5. Nachfärben mit verdünnter Methylenblaulösuug, 3—4 Minuten. Nach dem Prinzip der Färbung vor der Fixation lassen sich übrigens auch gewöhnliche Bakterien behandeln. Auch das LöFFLERSche Verfahren zur Darstellung der Geißeln (s. u.) kann zur Sporenfärbung verwandt werden. III. Methoden der (xeifselfiirbung. Zur Färbung eignen sich am besten junge, auf nicht zu alten Nähr- böden gewachsene Agarkulturen. Notwendige Vorbedingungen für das Gelingen der Präparate sind ferner: Herstellung einer stark verdünnten Emulsion und Ausstreichen auf absolut reinen vor allem fettfreiem Deck- gläsern. Methode von Löffler^^. 1. Beizen mit folgender Mischung unter leichter Erwärmung, 1/2 Ws 1 Minute: 20proz. wässrige Tanninlösung (in der Hitze bereitet) 100,0, Kaltgesättigte Ferrosulfatlösung 50,0, Alkoholische resp. wässrige Fuchsinlösung 10,0. 2. Gründliche Entfernung der Beize durch Wasserspülung. 3. Abspülen mit Alkohol. 4. Färbung mit erwärmter Anilinwasserfuchsinlösuug, die durch Zu- satz von Natronlauge im Zustand der Schwebefällung sich befindet. 5. Wasserspülung, Trocknung, Einbettung. Die Lösung in dem für die Beize angegebeneu Rezept ist nicht für alle Bakterienarten geeignet, sie benötigt vielmehr in der Ptcgel noch einen je nach der zu färbenden Bakterienart verschiedenen Zusatz von Säure resp. Alkali. Methode von Bunge ^2. Dieselbe stellt eine Älodifikation der LöFFLERSchen Methode dar. 1. Beizen mit folgender Mischung unter Erwärmen, 1—5 Minuten. 75 konz. wässr. Tanninlösung, 25 5proz. Lösung von Liquor ferri sesquichlorati, 10 konz. wässr. Fuchsinlösung. Die Beize ist erst einige Tage nach der Bereitung gebrauchsfähig und wird vor dem Gebrauch bis zur rotbraunen Färbung mit Wasser- stoffsuperoxyd versetzt. 2. Wasserspülung. 3. Färbung mit erwärmter Karbolgentianaviolettlösung. 4. Wasserspüien u. s. w. Methode von van Ermengem^», 1. Beizen mit folgender Mischung 5 Minuten unter Erwärmen oder Y2 Stunde in der Kälte: 426 E. Friedberger, 60 ccm 20X Tanninlösung, 30 ccm 2^ Osmiumsäure, 4 — 5 Tropfen Eisessig. 2. Wasserspülung. 3. Alkoliolspüluug. 4. Eintauchen in 0,5 — \% Lösung von Argentum nitricum, 1 — 3 Sek. 5. Abspülen in folgender Lösung für einige Sekunden: Acid. gallic. 5,0, Acid. tannic. 3,0, Natr. acetic. 10,0, Aqu. dest. 350,0. 6. Behandeln mit der unter 4. erwähnten Silberlösung unter häufigem Hin- und Herbewegen des Präparates bis die Lösung sich schwärzt. 7. Wasserspülen, Trocknen u. s. w. Stephensex ^^ verwendet bei der van ERMENGEMschen Geißelfärbung statt Silberlösung eine 2prozentige Larginlösung mit gutem Erfolg. Methode von Welcke ^^. 1. Fixieren der sorgfältig ausgestrichenen lufttrockenen Präparate in der Flamme. 2. 20 Minuten kalt beizen mit Löfflees oder Bunges Beize. 3. Wasserspülung. 4. Behandlung mit Silberoxydammoniaklösung unter Erwärmen bis zur Dampfbildung und Bräunung des Präparates. 5. Wasserspülung. 6. Eintauchen in Iproz. Sublimatlösung, 15 Sek. Wasserspülung. 7. Behandlung mit Silberoxydammoniaklösung bis zur leichten Bräu- nung des Präparates. Wasserspülung. 8. Behandhmg mit Ptodinal- oder Metolentwickler 15 Sek. Wasser- spülung. Trocknung. Bei leicht darzustellenden Arten kann direkt nach der Sublimat- einwirkung die Entwicklung erfolgen. Methode von Zettnow^^ 1. Beizen der Deckglaspräparate unter Erwärmen auf einer Metall- platte (80"i im Blockschälchen in einer Lösung, die folgendermaßen be- reitet wird: Zu einer 5 proz. leicht erwärmten Tanninlösung wird soviel von einer Brechweinsteinlösung zugesetzt, bis ein dauernder Niederschlag entsteht. Danach Filtration. 2. Behandeln mit folgender Silberlösung unter Erwärmen: Verdünnung einer gesättigten Lösung von Silbersulfat (aus Silber- nitrat durch Zusatz von Magnesiumsulfat oder Natriumsulfat dargestellt) zur Hälfte mit Wasser und Zusatz einer 30 proz. Lösung von Aethy- lamin bis zur völligen Lösung eines anfänglich aufgetretenen Nieder- schlags. Abermalige Hinzufügung von Silbersulfat bis zur beginnenden Niederschlagsbildung. 3. Wasserspülung. 4. Verstärken mit einer Lösung von aurum chloratum neutrale 1 : 2000 oder mit Sublimat 1 : 100. 5. Wasserspülung. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 427 6. Behandeln des Deckglases mit einer Mischung von 2 Tropfen ^% Sodalösung und 1 — 2 Tropfen einer Lösung von 1 gr Pyrogallol in 20 ccm Alkohol + 2 Tropfen Eisessig. 7. ^V^asserspülung u. s. w. Statt durch die Silberlösung (cfr. unter 2) lassen sich die Bakterien auch mittels Gold wie folgt sichtbar machen: Behandlung des gebeizten Präparats mit Aurum chloratum neutrale 1 : 2000 unter Erwärmung bis zur Dampfbildimg. Verstärken mit einer Mischung von 1 Tropfen einer Iproz. Silber- nitratlösung + 4 Tropfen folgender Lösung: Wasser 150,0 Zitronensäure 2,0 Pyrogallol 0,5 Zusatz von etwas Thymol gegen Schimmelbilduug. Die Mischung soll 2 mal nacheinander je eine Minute einwirken. Methode von Peppler^v. 1. Beizen mit folgender Mischimg (4 — 6 Tage alt), 1—5 Minuten: on ^^ w ' in der Wärme gelöst, 80 ccm Wasser, ) =■ ' Nach dem Erkalten Zusatz von 15 ccm 2,5proz. Chromsäure. 2. Wasserspülung. 3. Färbung mit Anilinfarbstofflösung (10 ccm konz. Alkohol, Farb- lösung, 2,5 Acid. carbolic. ad 100 Wasser), 2 Minuten. 4. Wasserspülung. (5. Nachbehandlung mit Jodjodkaliumlösung, 1 Minute.) 6. Wasserspülung u. s. w. Methode von Smith ^^ 1. Beizen mit folgender Lösung unter Erwärmen bis zur Dampf- bildimg, 3 Minuten lang: Heiße, gesättigte Lösung von Sublimat wird mit Ammoniakalaun im Ueberschuss versetzt. Zu 10 ccm dieser Flüssigkeit Zusatz von 10 ccm einer frisch bereiteten lOproz. Tanninlösung und 5 ccm Karbolfuchsin. Filtrieren. 2. Wasserspülung. 3. Färben 3 — 4 Minuten unter Erhitzen mit folgender Mischung: 10 ccm gesättigte Ammoniakalaunlösung, 1 ccm alkoholische Gentiana- violettlösung. 4. Wasserspülung u. s. w.. IV. Färbung der Babes-Ernstscheu Körpercheu. ^o öoa Methode von M. Neis.ser'''J'\ 1. Färben mit folgender Lösung 1 — 3 Selamden (oder länger): 1 gr Methylenblau, 20 ccm Alcohol abs. 50 Eisessig ad 1000 Wasser. 2. Wasserspülung. 3. Nachfärben mit Vesuvin (2proz. wässr. Lösung), 3 — 5 Sekunden. 4. Wasserspülung u. s. w. 428 E. Friedberger, Methode vou Piorkowski*'». 1. Färben mit alkalischer Methylenblaiilüsung- imter leichtem Er- wärmen, V2 — 1 Minute. 2. Entfärben mit 3 proz. salzsanrem Alkohol, 5 Sekunden. (3. Nachfärben mit Iproz. wässriger Eosinlösung.) 4. Wasserspulen u. s. w. V. Färbung- des Chromatins nach Romanowsky. lieber das das Chromatin färbende Prinzip bei der EuMANOwsKYschen Färbung, vergl. die Ausführungen S. 420. Hier seien nur die gebräuch- lichsten Modifikationen des RoMANOWSKyschen^i Verfahrens angeführt. Methode von Ziemann*'^. 1. Färbung der Präparate in folgender Mischung, 30—40 Minuten: 1 Teil Iproz. Lösung von Methylenblau med. pur. Höchst, 6 Teile 0,1 proz. Eosinlösung. AG oder BA Höchst. Durch Zusatz von 2 — 4 Teilen Borax zur Methylenblaulösung wird deren Wirksamkeit erhöht. Man nimmt alsdann zur Mischung 4 Teile Eosinlösung. Färbedauer in diesem Fall 8 — 10 Minuten. 2. Event. Differenzierung mit dünner Eosin- bez. Methylenblaulösung. 3. Wasserspülung u. s. w. Methode von NochtH Färbung in folgender Mischung, 5^ — 10 Minuten: Eine aus \% Methylenblau und 1/2^ Soda hergestellte Farblösung wird einige Tage bei 50 — 60" gehalten. Dieselbe wird dann erkaltet tropfenweise zu einer Mischung von 2 — 3 Tropfen Iproz. Eosinlösung -f 1— 2 com Wasser zugesetzt, bis der Eosinton verschwunden ist. Methode von Zettnow'''^. 1. Färbung der Präparate in folgender Mischung, 2 — 5 Minuten: 2 Teile einer Mischung von 50 ccm 1 proz. Methylenblaulösung (pur. med. Höchst], 3 ccm 5 proz. Sodalösung und 0,5 ccm 10 proz. alkohol. Thymollösung. 1 Teil 10 proz. Eosinlösung B. Höchst. 2. Event. Differenzierung mit 0,5 proz. schwach essigsaurer Methylen- blaulösung oder 0,2 proz. Eosinlösimg. 3. Wasserspülung u. s. w. Methode von Michaelis ^s. Michaelis färbt ähnlich wie bei der älteren NocHTSchen Methode die Präparate Y4 Stunde lang in folgender Mischung: Lösung von 2 g Methylenblau med. (Höchst) in 200 Wasser wird mit 10 ccm einer Normalnatronlauge versetzt. Zusatz von 5 Teile Eosinlösung 1 : 1000 zu einem Teil dieser Lösung. Methode von Reuter ^^^ Färbung der in Alkohol oder Alkoholäther fixierten Präparate. 20 bis 30 Minuten für frische Ausstriche, 3 — 4 Stunden für ältere in folgender Farbstoff lösung : Wässrige Lösung von \% Methylenblau pur. Höchst und 0,5^ Natriumbikarbonat wird 2 — 3 Tage bei einer Temperatur von 40 — 60° C. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 429 g-elialten, bis zum Auftreteu der NocHTScheu Eotreaktion. Nach dem Erkalten Filtration, Aiisfällung mit gesättigter wässeriger Eosinlösung und Zusatz von etwas Eosin im Ueberschuss. Absaugen des Nieder- schlages mit Saugtilter; Auswaschen des Kückstandes mit destilliertem Wasser; Trocknen im Exsiccator oder Thermostaten. Von diesem Farb- stoft'e wird eine gesättigte alkoholische Stammlösung bereitet (etwa 0,2 Farbstoff auf 100 Alkohol) und mit "1% Anilinöl versetzt. Mit Hilfe der alkoholischen Stammlösung erfolgt die Bereitung der zur Färbung zu verwendenden, wässrigen Lösung (1 — 2 Tropfen auf 1 ccm destillierten Wassers). y) Die Gramsehe •'•' Methode. I. Für Ans st rieh Präparate. 1. Färbung mit Aniliuwassergentiauaviolettlösung oder 2proz. Karbol- wassergentianaviolettlösung unter Erwärmen, 2 Minuten. 2. Behandeln mit folgender Lösung (LuGOLSche Lösung), 1—2 Minuten: Jod 1,0, Jodkalium 2,0, Aq. dest. 300,0. 3. Entfärben in Alkohol, 10 Sekunden. 4. Nachfärben mit wässriger Aniliufarbstofiflösung. 5. Wasserspülung. IL Für Schnitte. 1. Färbung in Auilinwassergentianaviolettlösung, 5 — 30 Minuten. 2. Behandeln mit LuGOLScher Lösung, 1—2 Minuten. 3. Diiferenzierung in Alkohol bis der Schnitt nahezu farblos erscheint. 4. Wasserspülung. 5. Nachfärbung mit Pikrokarmiu- oder Vesuvinlösung*. Rezept der Pikrokarminlösuug: Karmin 1,0, Aq. dest. 50,0, Ammoniak 1,0. Pikrinsäurezusatz, bis sich ein Niederschlag bildet; dieser wird in etwas Ammoniak gelöst. Zusatz einiger Tropfen Karbolsäure zur Lösung. 6. Abspülung in 60 ^ Alkohol. 7. Entwässern, Aufhellen, Einschließen. Au Stelle der Nachfärbung (5) kann eine Vorfärbung mit den be- treffenden Farbstoffen treten. Modifikation von Kutscher''^. Kutscher färbt, statt mit Anilinwassergentiauaviolettlösung, allein mit Anilin wassergentianaviolettlösung, Alkohol und öproz. Karbolsäure zu gleichen Teilen 10 — 15 Minuten lang. Modifikation von Güxther^i. Günther entfärbt 10 Sekunden mit salzsaurem Alkohol, dann mit Alkohol, bis das Präparat farblos erscheint. 430 • E. Friedberger, Modifikation von Unna^s. Unna verwandte statt der Jodjodkalilösung, die häufig NiederscHäge verursacht, Jod in statu nascendi, das er durch Mischung einer öproz. Jodkalilösung mit Wasserstoffsuperoxyd erzeugt. Modifikation von Nicolle^s, I. Für Ausstrichpr iiparate. 1. Färben mit folgender Lösung unter Erwärmen, 1 — 5 Minuten. 10,0 ccm gesättigte alkoholische Gentianaviolettlösung, 100,0 ccm 1 proz. Karbol wasser. 2. Jodjodkalium, 4 — 6 Sekunden. 3. Entfärben in 3 Teilen Ale. abs. und 1 Teil Aceton. 4. Nachfärben u. s. w. II. Für Schnitte. 1. Vorfärbung mit alkoholischer ORTHscher Karminlösung (5 Teile ORTHSches Karmin^ 1 Teil 95 proz. Alkohol). 2. Färbung mit der vorher unter 1 beschriebenen Lösung. 3. Jodjodkalium, 4 — (3 Sekunden. 4. Dift'erenziernng mit absolutem Alkohol und i, 3 Volumprozent Aceton. 5. Behandlung mit 95^ Alkohol und Pikrinsäurezusatz bis zur Gelb- grünfärbung, 1 — 5 Sekunden. 6. Entwässern mit absolutem Alkohol, Aufhellen, Einschließen. Modifikation nach Weigert-Kühne^'^' (für Schnitte). 1. Vorfärben mit Lithionkarminlösung — Karmin 2,5 bis 5 ad 100 gesättigt, wässr. Lösung von Lithionkarbonat — Y2 Stunde. 2. Differenzierung in Alkohol oder salzsaurem Alkohol. 3. Wasserspülung. 4. Behandlung mit Kristallviolettlösung (konzentrierte Lösung ver- dünnt mit Wasser, dem einige Tropfen Salzsäure zugesetzt sind, im Verhältnis 1 : 10) 5—15 Minuten. 5. Abspüluug mit Wasser oder 0,6^ Kochsalzlösung. 6. Trocknen des Schnittes auf Spatel oder Objektträger mit Fließpapier. 7. Behandlung mit Jodjodkaliumlösung 1^ — 2 Minuten. 8. Abtrocknen mit Fließpapier. 9. Entfärbung mit Anilinöl, bis es keine Farbe mehr entzieht. 10. Xylol. 11. Einschließen. Methode von Claudius ^^ für Ausstrichpräparate und Schnitte. Sie entspricht der jMethode von Gram. Der Pararosanalinfarbstoff bildet mit der Pikrinsäure einen Niederschlag, der von gewissen Bak- terienarten sehr festgehalten Avird. 1. Färbung in Iproz. wässr. Methylviolettlösung 1 Minute. 2. Wasserspülung, Trocknung mit Fließpapier. 3. Spülung in halbgesättigter wässriger Pikrinsäurelösung, 1 Minute. 4. Wasserspülung, Trocknung mit Fließpapier. 5. Entfärbung in Chloroform oder Nelkenöl. 6. Trocknen mit Fließpapier, Einbetten. Es färben sich alle nach Gram färbbaren Bakterien, ferner der Bacillus des malignen Oedems und des Rauschbrands. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 431 d) Methoden zvim Nachweis des Actinomyces und anderer Strahlen. pilze in Schnitten. Neben dem GrRAMSchen Verfahren sind am gebräuchlichsten: •Methode von Bostköm^s. 1. Färbung in Anilinwassergentianaviolettlösung. 2. Uebertragen direkt in WEiGERTSche Pikrokarminlösung. 3. Wasserspülung. 4. Alkoholbehandlung, bis die Schnitte rotgelb sind. 5. Aufhellen, Einschließen. Methode von Israel 69. 1. Färbung in konzentrierter Lösung von Orcem in essigsaurem Wasser, mehrere Stunden. 2. AVasserspülung. 3. Behandlung mit absolutem Alkohol, einige Sekunden. 4. Trocknen, Einschließen. Methode von Weigert ''9\ 1. Färbung 1 Stunde in dunkelroter Lösung von Orseille in: Alcohol absol. 20,0 Acid. acetic. 5,0 Aq. dest. 40,0 2. Waschung in Alkohol. 3. Färbung in Iproz. wässriger Gentianaviolettlösung. 4. Entwässern iu 60^^ Alkohol, Aufhellen, Einschließen. e) Spezifische Bakterienfärbungsmethoden. Färlbung der säurefesten Bakterien (Tuberkelbazillen u. s. w). I. In Ausstrichpräparaten. Methode von Ehrliches. 1. Färbung in Anilinwasserfuchsiulösung (oder Aniliuwassergentiana- violettlüsung) unter Erwärmen, 3 — 5 Minuten. 2. Entfärbung in 35proz. Salpetersäure, V4— 1 Minute. 3. Behandeln mit 60^ Alkohol, bis keine Farbwolken mehr aufsteigen. 4. Nachfärbung mit wässr. Methylenblau- resp. Bismarckbraunlösung. Methode von Ziehl-Neelsen^o vo 1. Färbung mit Karbolfuchsin unter Erwärmen bis zur Dampfbildung 2 Minuten. Rezept der Karbolfuchsiulösung: Acid. carbol. cyst. 5.0 Alkohol 10,0 Fuchsin 1,0 Aq. dest. 100,0 2. Entfärbung in 20^ Salpetersäure 5 Sekunden. 3. Entfärbung in 60^^ Alkohol, bis das Präparat farblos erscheint. 4. Nachfärbung mit wässriger Methylenblaulösung. 5. Wasserspülung u. s. w. 432 E. Friedberger, Methode von Fräxkel-Gabbet "i. 1. wie bei der vorigen Methode. 2. EutfärbuDg und Gegenfärhung- gleichzeitig mit einer gesättigten Lösung von Methylenblau in: Alkohol 50 Schwefelsäure 25 Aqua dest. 100 Methode von Czaplewsky ''2. CzAPLEwsKY verwandte statt der Miueralsäure einen sauren Farb- stoff, Fluorescin, um eine Entfärbung einzelner Tuberkelbazilleu durch die stärker wirkende Mineralsäure zu vermeiden. 1. Färbung mit erwärmtem Karbolfuchsin. 2. Ohne Wasserspülung einige Sekunden eintauchen iu eine Lösung von Fluorescin (Grübler) 1,0 ^ 2 Tage lang stehen lassen, Alkohol 100 j vom Bodensatz abgießen, mit Methylenblau 5,0, einen Tag stehen lassen, vom Bodensatz abgießen. 3. Eintauchen 10 bis 12 mal in eine Lösung von Methylenblau 5,0, Alkohol 100, Wasserspülung. Methode von Weichselbaum ^3_ 1. Färbung in Karbolfuchsin unter Erwärmen (2 — 3 Minuten. 2. Wasserspülung. 3. Nachfärbuug mit alkoholischer Methylenblaulösung. 4. Wasserspülung u. s. w. Weitere Modifikationen bei der Färbung der säurefesten Bakterien. Müller'^ ersetzte, da bei der Säurebehandluug der Tuberkelbazillen ein Entfärbungsverlust eintritt, die Säure durch Kaliumperkarbonat (K2C2O6). Viertelstündige Einwirkung. Statt der Kaliumperkarbonat- lösung verwandte er auch alkalische Wasserstoftsuperoxydlösung. Ein- wirkung einige Minuten. EoNDELLi und Buskalioni empfehlen zur Entfärbung der Tuberkel- bazillen Eau de Javelle. Dauer der Entfärbung 2 — 3 Minuten. Dorset''^^ gelang eine spezifische Färbung des Tuberkelbacillus mit Sudan 3, einem Fettfarbstoff'. IL In Schni tteu. Die Methode zum Nachweis von Tuberkelbazillen in Schnitten entspricht ganz der für Deckgläschen gebräuchlichen, natürlich unter Berücksichtigung der für Schnittpräparate im allgemeinen giltigen Prin- zipien. Dauer der Fuchsinfärbung mindestens V2 Stunde. Differential-diagnostische Eärbung der Leprabazillen nach Baumgarten ''S, 1. Färbung in sehr verdünnter alkoholischer Fuchsinlösung 5 Minuten. 2. Entfärbung in einer Mischung von Alkohol 10, Salpetersäure 1: 20 Sekunden. 3. Wasserspülung. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 433 4. NachfärbuDg mit Methylenblau. Der Tuberkelbacillus ist schwerer färbbar als der Lepraerreger und bleibt bei dieser Methode noch un- gefärbt. L) Die vitale Färbung. Eine Methode, die in gewissem Sinne die Mitte einnimmt zwischen der Betrachtung der Bakterien in hängenden Tropfen und dem fixierten Präparat, ist die Methode der vitalen Färbung. Nakanishi ""^ führt sie in folgender Weise aus: Er bestreicht gut gereinigte Objektträger mit einer in der Wärme gesättigten, wässrigen Methylenblaulösung (BB Höchst) und wischt sie wieder ab, bis das Glas eine himmelblaue Farbe an- genommen hat oder er übergießt den Objektträger mit siedendheißer Methylenblaulösung und wischt ihn nach dem Trocknen mit einem Tuch ab, bis der gewünschte Farbenton erreicht ist. Er bringt dann Tröpfchen von einer Bakterienemulsion auf Deckgläser und legt sie auf den ge- färbten Objektträger. Alle Bakterien nehmen nach dieser Methode die Farbe sehr gut an, sogar säurefeste. Da die verschiedenen Elemente des Bakterienleibes sich verschieden schnell und in verschiedenem Intensitäts- grad tiugieren, so treten Details der Bakterienstruktur deutlich zu Tage. Täuschungen durch Kunstprodukte sind bei dieser schonenden Methode zu dem weit weniger zu befürchten als bei dem gewöhnlichen Färbever- fahren mit der voraufgehenden eingreifenden Fixation. Die Methode dürfte daher berufen sein, die in vielen Punkten noch dunklen Strukturverhältnisse des Bakterienkörpers zu klären. Man kann auf diese Weise die Bakterien lebend färben, doch ist es in vielen Fällen zweckmäßiger, sie vorher mit Formalindämpfen abzutöten. Färbung der Gonokokken im lebenden Zustand erreichte Uhma ^' auf die Weise, dass er auf dem Objektträger Yo ^^is Iprozentige alkoholische Lösung auftrocknen ließ und ein mit einem Eitertropfen beschicktes Deckgläschen auflegte. Plato^^ verfuhr so, dass er einen Tropfen des zu untersuchenden Eiters mit einer Oese einer Keutralrotlösung (1 ccm einer kalten, gesättigten, wässrigen Neutralrotlösung auf 100 physio- logischer Kochsalzlösung) mischte. Untersuchung im hängenden Tropfen. Die Gonokokken färben sich leuchtend rot und treten deutlich in den wenig oder gar nicht gefärbten Zellen hervor. Litteratur. Darstellungen der bakteriologischen Methoden finden sich in folgenden Bakteriologischen Hand- und Lehrbüchern. 1. Deutsche Litteratur: Abel, Taschenbuch für den bakteriologischen Praktikanten. Würzburg 1901. — Baumgarten, Lehrbuch der pathologischen Mykologie. Braunschweig 1890. -- C. Flügge, Die Mikroorganismen. Leipzig 1896. — C. Fränkel, Grnnd- riss der Bakterienkunde. Berlin 1890. — C. Günther, Einführung in das Stu- dium der Bakteriologie. Leipzig 1902. — L. Heim, Lehrbuch der bakteriolog. Untersuchung u. Diagnostik. Stuttgart 1894. — F. Huephe, Die Methoden der Bakterienforscliung. Wiesbaden 1891. — Ders., Naturwissenschaftliche Einfüh- rung in die Bakteriologie. Wiesbaden 1896. 2. Englische Litteratur: Edgar Crookshank, Bacteriology and Infective Deseases. London 1896. — Kanthack & Drysdale, Practical Bacteriology. London 1895. — E. Klein. Microorganisms and Disease. London 1896. — G. Sternberg, A Manual of Bacteriology. New York 1893. — Stevenson & Murphy, System of Hygiene. London 1892—1894. — G. S. Woodhead, Bacteria and their Products. London 1891. — Woodhead and Hace »Pathological Mycology«. L Methods. 1886. Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 28 434 E. Friedberger, 3. Französische Litteratur: A. Besson, Technique microbiologique et serotherapeutique. Paris 1898. — Salomonsen, Technique Elementaire de Bacteriologie. (Aus dem Dänischen übersetzt.) Paris 1891. — Thoinot & Mas.selin, Precis de microbie. Paris 1896. — WuRTZ, Precis de bacteriologie cliniqne. Paris 1895. SpezialWerke über das Mikroskop. S. CzAPSKi, Theorie der optischen Instrumente nach Abbe. [Breslau 1893. — L. DipPEL, Das ]\Iikro8kop und seine Anwendung. I. Teil: Handbuch der allgemeinen Mikroskopie. Braunschweig 1898. — Hager-Mez, Das Mikroskop und seine Anwendung. Berlin 1899. — Wilhelm Kalser, Die Technik des modernen Mikroskopes. Wien 1901. — K. J. Petri, Das Mikroskop. Berlin 1896. — A. Zimmermann, Das Mikroskop. Leipzig und Wien 1895. Werke über histologische Technik. Behrens, Kossel & Schiefferdecker, Die Gewebe des menschlichen Körpers. Braunschweig 1889. — A. Böelm & M. Davidoff, Lehrbuch der Histologie des Menschen einschließlich der mikroskopischen Technik. 2. Aufl. Wiesbaden 1898. — Friedländer. Mikroskopische Technik, herausgeg. v. Eberth, 6. Aufl., Berlin 1900. — V. Kahlden, Technik der histologischen Untersuchung pathologisch-ana- tomischer Präparate. Jena 1898. — Kühne, Praktische Anleitung zum mikrosko- pischen Nachweis der Bakterien im tierischen Gewebe. Leipzig 1888. — A. B. Lee & P. Mayer, Grundzüge der mikroskopischen Technik für Zoologen und Ana- tomen. Berlin 1898. — A. Pappenheim, Grundriss der Farbchemie. Berlin 1901. — G. Schmorl, Die pathologisch-histologischen Untersuchungsmethoden. Leipzig 1897. — Ph. Stühr, Lehrbuch der Histologie. Jena 1898. Litteratur zum I. Kapitel. 1 Stephenson, Journ. of the Mikrosk. Soc, 1878. — 2 Abbe, Sitzber. d. Med.- Naturw. Gesellschaft zu Jena, 10. Januar 1879. — 3 r. Koch, Cohns Beiträge zur Biologie der Pflanzen, 1877. — Ders. , Untersuch, über die Aetiologie der Wund- infektionskrankh. Leipzig 1878. — 4 Abel, Ztschr. f. wissensch. Mikrosk., Bd. 12, 1894. — 5 p. Schimenz, Die neuen Zeichenokulare von Leitz. Ebd., Bd. 12, 1895. — fi M. Schultze, Arch. f. mikr. Anat, Bd. 1, 1865; Bd. 9, 1873. — " L. Pfeiffer, Die Protozoen als Krankheitserreger. 1890. — « Stein, Centr. f. wiss. Mikrosk., 1884. — 9 E. Kraus, Centralbl. f. Bakt., Bd. 23, 1898. — i" L. Pfeiffer, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., 1887, Bd. 2. — n Friedrich, Mitt. Kais. Gesundh., Bd. 8. — 12 Nu- tall, Centralbl. f. Bakt., I. Abt.. Bd. 27, 1900. — i» F. Plehn, Zeitschr. f. wiss. Mikr., Bd. 8. 1890. — i^ r. Pfeiffer, Centralbl. f. Bakt, Abt. I, Bd. 27, 1900. — 15 NiKOFOROFF, Wratsch, 1887. Ref. Zeitschr. f. wissensch. Mikrokopie, Bd. V, 1888. — 16 A. Neisser, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 4, 1889. — i7 Miller, Centralbl. f. Bakt., Bd. 15, 1894. — i« R. Koch, Mitt. Kais. 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Eundsch., Bd. 4, 1894. — 32 Kühne, Praktische Anleitung zum mikroskopischen Nachweis der Bakterien im tierischen Gewebe. 1888. — Ders., Fortschr. d. Med., Bd. 6, 1888. — 33 Guam, Fortschr. Med., 1884, Bd. 2. — 34 Nocht, Centralbl. f. Bakt, I. Abt, Bd. 24, 1898 u. Bd. 25, 1899. — 35 L. Michaelis, ebd., Abt. I, Bd. 29. 1901. ^ 30 Reuter, ebd., Abt L, Bd. 30, 1901. — 3' Weigert, Fortschr. Med.. Bd. 5, 1887. — 3S Unna, Centralbl. f. Bakt., Bd. 3, 1888. — 3!) BoNi, Münch. med. Wochenschr.. 1900. — 4o Johne, Deutsche tierärztl. Wochenschr., 1894. — 4i Klett, Inaug.-Diss., Gießen 1894. — 42 Fried- länder, Fortschr. der Med., Bd. 3, 1885. — 43 Ribbert, Deutsche med. Woch., Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 435 1885. — 44 M. H. Vincent, Centralbl. f. Bakt, I. Abt., Bd. 16, 1894. — 45 Kauf- mann, Hyg. Rundsch., Bd. 8, 1898. — 4g Q^p Deutsche tierärztl. Wochenschr., 1899, Nr. 1. — 47 Buchner, Aerztliches Intellig.-Bl, 1884. — 4« Hauser, Miinch. med. Wochenschr.. 1887, Nr. 34. — 49 Fiocca, Centralbl. f. Bakt, 1893, Bd. 14. — 50 MÖLLER, ebd., Bd. 10, 1891. — 5i Löffler, ebd., Abt. I, Bd. 6, 1S89 und Bd. 7, 1890. — ''2 Bunge, Fortschr. Med.. 1894. — 53 van Ermengem, Centralbl. f. Bakt., Ref., Bd. 15, 1894. — 54 Stephensen, Lancet 1889. — 55 Welcke, Arch. f. klin. Chirurgie, 1899, Bd. 59. — 5fi Zettnow, Zeitschrift f. Hyg. n. Inf, Bd. 30, 189^). — 5- Peppler, Centralbl. f. Bakt., Bd. 29, 1901. — 58 Smith, Brit. med. Journ., 1901. — 59 Babe.s, Virch. Arch., 1887. — 59a Ernst, Zeitschr. f. Hyg. u. Infek., Bd. 4, 1888. — 59b M. Neisser, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 24, 1897. — ™ Piorkowsky, Centr. f. Bakt., Abt. I., Bd. 29, 1901. -^- C''- Romanowsky, Zur Frage der Parasitologie und Therapie der Malaria. Deutsch von P. Werner. Petersburg 1891. — ß2 Zie- mann, Centr. f. Bakt, Bd. 24, 1898. — 63 Zettnow, Z. f. Hyg. u. Inf., Bd. 30, 1899. — 64 Kutscher, ebd., Bd. 18, 1894. — 6ö Nicolle, Ann. Pasteur, Bd. 9, 1895. — 66 C. Weigert, Fortschr. Med., Bd. 5, 1887. — 6" Claudius, Ann. Pasteur, Bd. 11, 1897. — 68 BosTRüM, Zieglers Beiträge, Bd. 9. — Ders., 4. Kongress f. innere Medizin, Wiesbaden 1884. — 6'.' Israel, Virchows Arch., Bd. 105. — 69.i q_ Weigert, Yirchows Archiv, Bd. 84, 1881. — ™ Neelsen, Deutsche med. Wochenschr., 1883. — ''- Fränkel. Berl. klin. Wochenschr., 1884. — ~- Czaplewsky, Die Untersuch- ung d. Auswurfes auf Tuberkelbazillen. Jena 1891. — '3 Weichselbaum, Grund- riss der patholog. Histologie. Wien 1892. — '4 j^_ Müller, Centralbl. f. Bakt., Bd. 29, 1901. — "4^ Dorset, Rep. and papers of the Americ. Public. Health. Assoc, Bd. 24. — '5 Baumgarten, Zeitschrift f wissensch. Mikrosk., Bd. I, 1884. — "6 x^. kanischi. Münch. med. Wochenschr., 1900, Nr. 6. — "^ Uhma. Arch. f. Dermat., Bd. 50, Heft 2. — "s Plato, Berl. klin. Wochenschr., 1899, Nr. 49. II. Kapitel. Die Methoden der Bakterienzüchtung. A. Zwecke der künstlichen Züchtung der Bakterien. Die Züchtung der Bakterien auf künstlichen Nährböden ermöglicht es einerseits, die Bakterien, losgelöst von den Verhältnissen ihres natür- lichen Vorkommens, jederzeit für die Bedingungen des Versuchs zur Hand zu haben. Ein weiterer Vorteil der künstlichen Züchtung beruht darin, dass die Verschiedeuartigkeit des Wachstums oder auch der Nachweis der Bildung gewisser Umsetzungsprodukte der Bakterien in den Nährböden uns die Bestimmung morphologisch und färberisch sich gleichverhaltender Arten möglich machen. Ein Beispiel möge genügen. Bacterium coli und Typhusbacillus sind morphologisch nicht auseinander zu halten und ebensowenig durch eine spezifische Färbemethode. Der Colibacillus unterscheidet sich aber dadurcli scharf vom Typhuserreger, dass er u. a. in einem zuckerhaltigen Nährmedium durch Zersetzung des Kohlehydrats Gärung veranlasst. Der Hauptwert der künstlichen Züchtung und namentlich der künst- lichen Züchtung auf festen Nährböden beruht aber darauf, dass durch sie die Trennung der einzelnen Arten eines Bakteriengemischs und damit die Züchtung von Bakterien in Reinkulturen sich ausführen lässt. Ehe die zu diesem Zweck bestehenden Methoden besprochen werden, sei die Darstellung der Nährböden erörtert. 28* 436 E. Friedberger, B. Nährmedien. Darstellung der Nährböden. 1. Die Apparate zur Sterilisation und die Verfahren der Sterilisierung der Glasgefäfse und Nährböden. Da, wie erwähnt, bei der künstlichen Züchtung die Gewinnung von Reinkulturen in erster Linie bezweckt ist, so ist es nötig, dass sowohl das Nährmaterial wie die Gefäße, in denen es aufbewahrt wird, selbst keimfrei sind. Zur Sterilisation der Glasgefäße verwendet man die Trockenhitze, Fig. 16. die Sterilisation der Nährmedien erfolgt i. R. im strömenden Dampf bei 100° oder im gespannten Dampf im Autoklaven bei etwa 110°. a) Sterilisation der Glasgefäße. Der Heißluftsterilisator zur Sterilisation der Glasgefäße besteht aus einem doppelwandigen Schrank aus Eisenblech mit Thür und Tubus mit durchbohrtem Korkstopfen zum Einstecken eines Thermometers. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 437 Die Erhitzung erfolgt von der Bodenfläche aus mit Hilfe einer Gasflamme. Bei den neuesten Konstruktionen (Fig. 16) wird durch an der oberen Wand frei mündende Röhren r/, &, c, d, e, f der Flamme, die keine andere Luftzuführung hat, vorgewärmte Luft zugeführt, wodurch eine gleich- mäßige Erhitzung des Innenraums gesichert wird und ein großer Heiz- eöekt bei möglichst geringem Gasverbrauch erzielt wird. Flaschen, Reagenzgläser, Kolben werden, nachdem sie sorgfältig gereinigt und getrocknet sind, vor der Sterilisation an der Mündung mit einem AYattebausch verschlossen. Um auch eine Verunreinigung der Mündungsstelle zu vermeiden, hat Pasteur Kolben konstruiert, auf deren Hals ein helmartiger Aufsatz angeschliffen ist (Fig. 17], der an seinem oberen Ende offen ist und mit Watte verschlossen wird. Auf diese Weise bleibt der Rand des Kolbens sicher keimfrei. Eine derartige komplizierte Einrichtung jedoch ist überflüssig, da man durch Erhitzen in der Flamme jederzeit den Gefäß rand genügend sterilisieren kann. Die mit Watteverschluss versehenen Gefäße werden in verzinkten Drahtkörben in den Heißluftsterilisator auf einen nahe dem Boden be- findlichen, herausnehmbaren, durchlochten Einsatz gestellt und mindestens eine halbe Stunde lang einer Temperatur von 160° ausgesetzt, wobei sich die Watte leicht bräunt. Platten und Pipetten werden in besonderen Blechbüchsen sterilisiert. (Gummigegenstände [Pfropfen und Schläuche] vertragen weder trockene Hitze noch Sterilisation im Dampf. Sie werden mit Wasser und Seife gewaschen, in Wasser ge- spült und ca. eine Stunde in 1 p m Sublimatlösung eingelegt und vor dem Gebrauch mit sterilem Wasser abgewaschen.) b) Sterilisation der Nährböden. Die Sterilisation der Nährböden erfolgt im strömenden Dampf in einem von R. Koch angegebenen Apparat (Fig. 18). Er besteht aus einem kupfernen von unten anzuheizendem Wasserreservoir mit Wasserstandsrohr und Regulator für Fig. 17. den Wasserzufluss. Dieser Topf geht über in einen doppelt isolierten Dampfmantel, der von einem schlechten Wärmeleiter (meist wird besonders präpariertes Linoleum verwandt) umgeben ist. Den Verschluss bildet ein lose aufsitzender, abnehmbarer Deckel mit einer Oeftnung zum Einfügen eines Thermometers. Sobald die Temperatur im Innern des Apparats auf 100° gestiegen ist, stellt man in einem Drahtkorbe von oben die zu sterilisierenden in vorher im Trocken- schrank sterilisierte Glasgefäße gefüllten Nährmedien auf einem über dem Wasserbehälter befindlichen Rost in den Dampftopf hinein. Am zweckmäßigsten ist es nach Petri, den Dampf von oben in den Apparat einströmen zu lassen, wodurch die kältere, schwerere Luft schneller ausgetrieben wird. Da viele Nährböden keine allzulange Sterilisation bei hoher Tem- peratur vertragen, so wird die Sterilisation fraktioniert nach Tvxdall vorgenommen, indem die zu sterilisierenden Objekte an drei aufeinander- folgenden Tagen je eine halbe Stunde in den Dampf kommen. Bei dieser Art der Sterilisation werden die vegetativen Formen der Bakterien bereits bei der ersten Einwirkung vernichtet. Die widerstandsfähigen Sporen keimen bis zum nächsten Tag aus und werden dann bei der aber- maligen Dampfeinwirkung gleichfalls zerstört. 438 E. Friedberger, Für Substanzen, die eine höhere Temperatur als 100° vertragen, erfolgt die Sterilisation zweckmäßig in einem Digestor (Fig. 19). Die Erhitzung im gespannten Dampf geht nämlich schneller und sicherer vor sich als im strömenden Dampf. Der Apparat ist auf eine bestimmte Zahl von Atmosphären geeicht, mit Sicherheitsventil, Thermometer und Manometer versehen. Sobald mit dem strömenden Dampf alle Luft aus dem Apparat ausgetrieben ist, wird er sorgfältig verschlossen. Nachdem genügend lange Zeit die gewünschte Temperatur eingewirkt hat, wird der Dampf ganz allmählich abgelassen, da sonst die im Innern befindlichen, zu sterilisierenden Flüssigkeiten zum Siedenkommenund herausgeschleudert werden. Um auch ohne Autoklaven Tem- peraturen über 100° erzeugen zu können, benutzt mau Salz-, Oel- oder Paraffinbäder. Fig. 18. Fig. 19. Ein Apparat, der gleichzeitig als Dampfkochtopf und als Autoklav benutzt werden kann, ist von Abba i angegeben. Er gestattet allerdings nur einen Ueberdruck von ^2 Atmosphäre, w\ns aber für die meisten bakteriologischen Zwecke ausreichend sein dürfte. Er besteht aus einem gewöhnlichen Sterilisator, nur ist der Deckel mittels Flügelschrauben dampfdicht aufzuschrauben. Im Deckel befindet sich ein Thermometer, ein Sicherheitsventil und ein Luftauslasshalm. Soll der Apparat als Autoklav benutzt werden, so wird einfach der Deckel fest geschlossen und nach Entweichen der Luft auch der Lufthahn. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 439 Um Flüssigkeiten ohne Anwendung von erhöhten Temperaturen zu sterilisieren, werden sie durch keimdichte Filter filtriert (deren Beschrei- bung siehe unten). 2. Filter für Nährböden. Die Filtration der bei gewöhnlicher Temperatur festen mit gelati- nierenden Substanzen bereiteten Nährböden erfolgt durch ein doppeltes Faltenfilter oder auch durch entfettete Watte. ~ die Filtration im strömenden Dampf vornehmeu, wo die Nährböden natürlich länger flüssig bleiben und relativ schnell filtrieren. Ferner sind zur bequemen Fil- tration Heiß wassertrichter (Fig. 20] Zur Erleichterung kann man Fig. 20. Fig. 21. sehr zweckmäßig. Es sind Trichter mit umliegenden Kupfermantel, in dem sich Wasser befindet, das von außen erwärmt wird. Von Unna 2 ist ein besonderer Dampftrichter (Fig. 21) angegeben, bei dem man unter er- höhtem Druck filtrieren kann. Er besteht aus einer kupfernen Hohlkugel mit Ventil, deren oberes Segment abhebbar ist, im Innern sitzt ein nach außen mündender Metalltrichter, der mit dem verflüssigten Nährmedium gefüllt wird ; die Erhitzung erfolgt von außen. Das Wasser befindet sich zwischen äußerer Trichter- und innerer Kugelwand. Mit diesem Trichter kann man nach Unna viermal so schnell als gewöhnlich filtrieren. Andere Filtrationsvorrichtungen speziell für Agar s. S. 444. 440 E. Friedberger, Das Einfüllen der fertigen Nährmedien in ein Rölirehen kann mittels gewöhnlichen Trichters geschehen, an dessen unterem Ende sich ein Stück Gummischlauch mit Quetschhahn und einem zur Spitze ausge- zogenen Glasrohr befindet. Sollen abgemessene Mengen des Nähr- mediums in die Kulturgefäße eingefüllt werden, so bedient man sich ent- weder einer von Heim (Lehrb.) angegebenen Bürette, die an den vier Seiten verschiedene Maßeinteilung hat, oder des dem Schütteltrichter ähnlichen Abfülltrichters von Treskow (Fig. 22}. An dem Ausflusse dieses Trich- ters befindet sich ein mit rechtwinkliger Bohrung versehener Hahn, von dem ein kleines Messrohr nach oben abgeht. In dieses fließt bei der ersten Hahndrehung das Nährmaterial bis zur gewünschten Marke ein und wird bei der zweiten Drehung in ein untergehaltenes Gefäß abgeführt. 3. Die Bereitung der Nährböden. Auch die meisten parasitischen Bakterien stellen an die Zusammensetzung des Nährbodens keine allzu hohen Ansprüche. Es genügt das Vorhandensein geringer Mengen von N und C, sei es in organischer oder anorganischer Form, von Salzen und Wasser; dabei bevorzugen die meisten Arten eine schwachalkalische Reaktion des Nähr- mediums und bestimmte Wachstumstemperatur. Nur bei wenigen Arten bedarf es noch der Gegenwart besonderer Substanzen, um eine künstliche Züchtung zu ermöglichen a) Eiweißfreie Nährlösungen. Bei Nährböden, die die Quelle des N und C in an- organischer Form enthalten, wird nach Nägeli^ das N am leichtesten assimiliert, wenn es als NH-, vorhanden ist, weniger als NH, noch weniger als NO. Eiweißfreie Nährlösungen sind von pASTEUR-t, CoHN-% Nägeli (1. c.) Und ueucrdings von Uschinsky^ an- gegeben worden. Die PASTEURSche Nährflüssigkeit besteht aus 1 Teil weinsaurem Ammoniak, 10 Teilen Kandiszucker und der Asche von 1 Teil Hefe auf 100 Teilen AVasser. Die CoHNSche Nährlösung enthält phosphorsaures Kali 0,1 g, kryst. schwefelsaure Magnesia 0,1 g, dreibasisch phosphorsauren Kalk 0,01 g, weinsaures Ammoniak 0,2 g, 20 cm'^ dest. Wasser. Die UscHiNSKYsche Lösung besteht aus Wasser 1000, Glycerin 30—40, Chlornatrium 5 — 7, Chlorcalcium Magnesinmsulfat Dikaliumphosphat Ammonium lacticum Fig. 22. 0,1, 0,2—0,4. 2-2,5, ■ 6-7. Natrium asparaginicum 3,5. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 441 Einfacher ist die folgende von C. Fränkel^ (1894) angegebene Lösung: Kochsalz, 5 g Kaliumbiphosphat, 2 g Ammonium lacticum, 6 g käufl. Asparagin, 4 g Wasser, 1000 g verdünnte Natronlauge bis zur deutlich alkalischen Reaktion. Eine ähnliche Lösung hat Maassen ^ bereitet: Aepfelsäure, 7 g Asparagin 10 g Magnesiumsulfat 0,4 g Sekundäres Natriumphosphat, 2,0 g Krystallisierte reine Soda 2,5 g Trockenes Calciumchlorid 0,01 g Wasser 1000,0 g Kohlehydrat 1/2— IX- Sind die vorhergehenden Nährlösungen mehr universell und rein empirisch zusammengestellt, so haben Proskauer & Beck^ eiweißfreie Nährlösungen, die für eine bestimmte Versuchszeit nur die für einzelne Bakterienarten nötigen Substanzen in der für sie notwendigen Konzen- tration enthielten, hergestellt. Wachstum des Tuberkelbacillus haben Proskauer & Beck z. B. auf folgenden eiweißfreien Nährlösungen erzielt. Käufliches Ammoniumkarbonat 0,35 X Monokaliumphosphat 0,15^ Magnesiumsulfat 0,25^ Glycerin 1)5^ Die künstlichen Nährlösungen werden in vorher im Trockenschrank sterilisierte Gefäße mit Watteverschluss eingefüllt und 3 mal 20 bis 25 Minuten im Dampf sterilisiert. b) Die eiweißhaltigen Nährböden. Man wendet die eiweißfreien Nährböden in der Regel nur zu be- sonderen biologischen Studien an und bedient sich im übrigen solcher Nährböden, in denen Eiweiß die Sticksto If quelle darstellt. Meist ist dabei der wesentliche Bestandteil des Nährbodens das Infus einer solchen eiweißhaltigen Substanz, auf der die Bakterien auch unter den gewöhn- lichen Bedingungen sich finden. Saprophyteu, die auf Gras vorkommen, wird man zweckmäßig in einem Heuinfus, solche die auf Mist sich finden, in Mistinfus züchten u. s. f. Für die Nährböden pathogener Bakterien wird am häufigsten ein Fleischinfus verwandt, das Eiweiß- und Extraktiv- stoife in annähernd der gleichen Beschaflenheit und etwa in gleichem Konzentrationsgrad enthält, wie das Blut, und überall leicht und billig herzustellen ist. a) Herstellung der Nährbouillou. Die Bereitung dieses unter dem Namen Nährbouillon bekannten Nährbodens gestaltet sich wie folgt: Fettfreies, gehacktes oder geschabtes Fleisch wird in einem Kolben mit der doppelten i^Ienge destillierten Wassers übergössen, durch kräf- 442 E. Friedberger, tiges Umschütteln gut im Wasser verteilt und 12 — 24 Stunden an einen kühlen Ort — im Sommer in den Eisschrank — gestellt. (Man nimmt i. E. Kindfleisch oder das billigere Pferdefleisch, das für die meisten Zwecke brauchbare Nährböden liefert. Die Bouillon aus Pferdefleisch ist etwas trüber als die' aus Rindfleisch, hat einen reicheren Gehalt an Glykogen resp. Zucker. Manchmal ist es zweckmäßig, bestimmte Fleischsorten zu bevorzugen. Zur Züchtung der Bakterien des Meeres empfiehlt z.B. B. Fischer i" nach der Untersuchung der Plauktonexpedition Herstellung der Nährböden mit Seewasser und Verwendung von Fleisch frischer Seefische statt Rindfleisch). Während des Aufenthaltes im Eisschrank werden die löslichen Ei- weiß- und Extraktivstoffe ausgelaugt. Man kann schneller zu diesem Ziel kommen, wenn man das mit Wasser übergossene Fleisch 1 Stunde über freier Flamme kocht oder nach Petri & Maassen zuerst 1 Stunde bei Zimmertemperatur, dann 3 Stunden bei 60° hält und danach noch eine halbe Stunde kocht. Bei diesem Verfahren ist für einen Ersatz des verdampfenden Wassers Sorge zu tragen, da sonst die Bouillon zu dunkel wird; aber auch sonst neigt nach diesen Methoden bereitete Bouillon leicht zur Trübung. Die die löslichen Bestandteile des Fleisches enthaltende Brühe, das » Fleisch wasser«, wird mm durch ein Tuch geseiht; dann wird das Fleisch nachgeschüttet, in das Seihtuch eingeschlagen und mit der Hand oder einer Fleischpresse noch kräftig ausgedrückt. Das Fleischwasser stellt eine rötlich gefärbte, schwach sauer reagierende Flüssigkeit dar. Da bei dem Modus der Bouillonbereitung ein großer Teil des Eiweißes durch Hitze ausgefällt wird, so wird noch ein nicht durch Kochen koagu- labeler Eiweißkörper meist in der Form des Peptons hinzugefügt und ferner noch etwas Na Gl. Als Ersatzmittel des Peptons sind für bestimmte Zwecke andere Eiweißpräparate angegeben worden, so von Wasser- mann ^^ die Nutrose (Kaseinuatriumphosphat), von Hesse ^^ für Tuberkel- bazillen der Nährstoff Heyden , von Labosciiin ^3 das Protogen u. s. w. Die natursaure Reaktion der Bouillon wird durch krystallisierte reine Soda schwach alkalisch gemacht. Man nimmt i. R. 1% Pepton (am ge- bräuchlichsten Pepton, siccum Witte) und ^1^% Kochsalz zum Fleischwasser. Das Pepton löst sich relativ schnell besonders bei leichter Erwärmung der Mischung. Sobald die Lösung vollzogen ist, wird die Flüssigkeit mit Hilfe einer gesättigten Natriumkarbonatlösung bis zum Lackmusueutralpunkt neutralisiert und für 1 bis Vj^ Stunden einer Temperatur von 100° im Dampftopf oder Wasserbad ausgesetzt. Bei dieser Temperatur fällt das Eiweiß aus und schwimmt zusammengeballt in der klaren Flüssigkeit. Dieselbe wird durch vorher mit destilliertem Wasser augefeuchtete Falten- fllter filtriert, nochmals auf Reaktion und Durchsichtigkeit hin geprüft und in vorher sterilisierte Gefäße eingefüllt. Diese werden mit Watte- verschluss versehen und 1 Stunde lang im Dampf sterilisiert. ß) Bereitung fester durchsichtiger Fleischwasser-Nährböden mittels gelatinierender Substanzen. Die Bouillon, der Hauptrepräsentant der flüssigen Nährmedien, bildet mit gelatinierenden Substanzen versetzt auch die Grundlage der von R. Koch eingeführten, festen Nährböden. Als die zur Erzeugung fester Nährboden gebräuchlichen Zusätze der Bouillon kommen die Gelatine und das Agar in Betracht. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 443 Die Gelatine, die in Tafeln in den Handel kommt, ist ein Eiweiß- präparat und besitzt saure Reaktion von wechselndem Grad. lO^tige Gelatine schmilzt bei etwa 23 — 25° und erstarrt wieder bei unter 22". Durch längeres Kochen kann die Erstarrungsfähig-keit aufgehoben werden. Durch peptonisierende Fermente wird die Gelatine verÜUssigt. Häufig haften ihr sehr widerstandsfähige Sporen an. Das Agar, das von Frau Hesse zuerst empfohlen wurde, ist pflanz- lichen Ursprungs. Es ist die Gallerte von Seetangen und kommt pulve- risiert oder in Säulen gepresst in den Handel. Agar ist ein Kohlehydrat von neutraler Reaktion. Es schmilzt bei etwa 90° und erstarrt wieder bei unter 40°. Beim Erstarren wird das Agar etwas trübe, presst Wasser aus und zeigt unterm Mikroskop leichtfädige Beschatfenheit. Entsprechend dem verschiedenen chemischen und physikalischen Ver- halten der beiden Stoife ist die Bereitung des Nähragars und der Nähr- gelatine eine etwas verschiedene. «((] Herstellung der Nährgelatine. Dem Fleischwasser wird außer den bereits bei der Bereitung der Bouillon erwähnten Zusätzen (Kochsalz und Pepton) noch 10 _^ Gelatine zugegeben. Zur deren Lösung wird der Kol1)en kurze Zeit leicht er- wärmt. Stärkere Erhitzung ist zu vermeiden, da sonst Eiweiß vorzeitig ausgefällt würde. Nachdem die Gelatine gelöst ist, wird die Flüssigkeit neutralisiert. Da die Gelatine an sich eine starke, je nach der Berei- tung des Produkts schwankende saure Reaktion besitzt, so ist der Ver- brauch an Alkali zur Neutralisation natürlich größer wie bei der glei- chen Bouilloumenge. Nach der Neutralisation erfolgt Erhitzen im Dampf- topf und Filtration wie bei der Bouillonbereitung. Die Filtration geht um so schneller von statten, je heißer die Lösung ist. Eventuell empfiehlt es sich daher, dieselbe im Dampftopf oder mit Hilfe eines Warmwasser- trichters oder Dampftrichters (Unna) vorzunehmen. Durch das Kochen kann die vorher alkalische Reaktion der Gelatinelösung wieder um- schlagen (»Nachsäuern« der Gelatine). Es ist daher nötig, vor oder nach der Filtration, die Reaktion nochmals zu prüfen. Man hüte sich aber davor, in Rücksicht auf das Nachsäuern der Gelatine von vorneherein einen höheren Alkaleszenzgrad zu geben, da dies die Klärung beim Kochen beeinträchtigt. Die durch das Filter ablaufende Gelatine muss absolut klar sein und klar bleiben, wenn eine Reagenzglasprobe auf- gekocht und dann schnell in Eiswasser abgekühlt wird. Zeigt sich die Gelatine auch bei wiederholter Filterpassage noch etwas trübe, so wird zu der unter den Koagulationspunkt der Eiweißkörper abgekühlten Flüssigkeit das Weiße eines Hühnereis zugegeben. Dann kommt sie wieder für kurze Zeit in den Dampf, wo die Trübungen meist durch das ausfallende Eiweiß mit niedergerissen werden. Die Gelatine wird zuweilen, namentlich wenn sie nach der Fertig- stellung in neuen Glasgefäßen aufbewahrt wird, noch nachträglich trübe. Dies rührt daher, dass neue Gläser etwas Alkali enthalten, das die Klarheit der Gelatine beeinflusst. Es empfiehlt sich daher, solche Ge- fäße vor der Benutzung mit angesäuertem Wasser auszuspülen. Die filtrierte Gelatine wird wie l>ouillon in sterile Geläße eingefüllt. (ERLEXMEYEii-Kolben oder Reagenzgläser). Dabei ist darauf zu achten, dass beim Einfüllen keine Gelatine an die Stellen gelangt, die der Watte- pfropf berührt, da dieser sonst am Glas festklebt. Die Sterilisation der Gelatine in den mit Watte keimdicht verschlossenen Gefäßen erfolgt 444 E. Friedberger, nicht wie die der Bouillon durch einstündiges Erhitzen im Dampftopf bei 100°. Da eine so lang-dauernde Erhitzung die Erstarrungsfähigkeit der Gelatine beeinträchtigen würde, so wird sie diskontinuierlich steri- lisiert. Nach der Sterilisation wird die erstarrte Gelatine gebrauchs- fertig an einem kühlen, dunklen Orte aufbewahrt. Durch eine länger dauernde Erhitzung wird, wie erwähnt, der Ver- flüssigungspunkt der Gelatine herabgesetzt, während man eine Gelatine von höherem Schmelzpunkt dadurch erhält, dass man den Sterilisierungs- prozess nach Möglichkeit abkürzt und die Gelatinmenge vermehrt. Der- artige Gelatinnährböden vom Schmelzpunkt von etwa 30° sind u. a. von Faxe 14, Elsneri^ sowie Forster i6 angegeben. Forster erreichte Gelatine von hohem Schmelzpunkt durch das folgende Verfahren. Er löste die Gelatine in LöFFLER'scher Bouillon, die in einem Theekessel auf 60° erhitzt war, alkalisierte und gab ein Eiweiß zu. Die Sterilisierung er- folgt nach Einstellung des Kessels in siedendes Wasser, in dem dieser 15 Minuten laug stehen bleibt. Nunmehr wird bei 60" durch ein Filter filtriert. Das Filtrat kommt in sterile Reagenzgläser und wird 20 Minuten in siedendem Wasser erhitzt. Die auf diese Weise bereitete Gelatine ist steril, wenn nicht zufällig das Rohprodukt widerstandsfähige Sporen enthielt. Der Schmelzpunkt liegt nach 24 stündigem Erstarren bei 29^30°. van't Hoff 17 erreichte eine Erhöhung des Schmelzpunktes der Gelatine durch Zusatz von Formalin. Trotzdem für eine ausreichende Erhöhung nur minimale Mengen von Formalin nötig sind, dürfte dieses Verfahren doch wegen der wachstumshemmenden Eigenschaft des Formalins nicht praktisch verwertbar sein. ßß) Herstellung des Nähragars. Aehnlich wie die Herstellung der Gelatine gestaltet sich die Bereitung des Nähragars. Um die an und für sich sehr mühsame Agarfiltration nicht noch durch die Gegenwart des ausgefällten Eiweiß zu erschweren, wird das Fleischwasser mit Kochsalz und Peptonzusatz zunächst ohne Agarzusatz 1 Stunde im Dampf gekocht, bis das Eiweiß koaguliert ist. Dann wird durch Filtrierpapier filtriert und das Filtrat mit 1 — 2^ Agar versetzt. Zur Lösung des Agars wird die Flüssigkeit im Dampftopf oder über freiem Feuer leicht erwärmt. Danach wird neutralisiert und im Dampf- topf circa 1 Stunde lang bei 100° gekocht. Filtration, Kontrollierung der Reaktion und Prüfung der Durchsichtigkeit erfolgt wie bei der Gelatine (eventuell Klärung mittels Hühnereiweiß). Jokott ^^ stellte Agar schnell auf einfache Weise wie folgt her. 500 g fettfreies, gehacktes Fleisch werden mit einem Liter Wasser vermischt, auf dem Sandbad stark erhitzt, nach IV2 Stunden filtriert; zu einem Liter Filtrat 15 g Agar; eine Stunde auf dem Sandbad kochen; Zusatz von 10g Pepton, 5 g Kochsalz; Neutralisation mit Sodalösung bis zur schwachen Alkales- zenz; Abkühlen bis 50°, Zusatz von 2 Hühnereiweiß, 1—2 Stunden im Sandbad auf 100° unter Ersatz des verdunstenden Wassers erhitzen. Filtration durch feuchte Faltenfilter. Die Filtration des Agars ist sehr schwierig. Man nimmt sie zweck- mäßig im Dampftopf vor, wo der Agar lange flüssig bleibt, oder man benutzt zur Filtration den vorher beschriebenen Heißwassertrichter resp. Dampftrichter. Von Tu. Paul ^^ ist in neuester Zeit ein Sandfilterapparat für Agar angegeben worden. Bei diesem läuft die Flüssigkeit durch Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 445 mehrere Schichten Sandes verschiedener Korngröße. Derartige Filter sollen sehr schnell und gut arbeiten. A. Fräxkel^o umging die Filtration ganz, indem er das Agar sedimentieren ließ. Haegler^i zentri- fngierte es. Die geschilderten drei Nährmedien genügen zur Züchtung hei weitem der meisten Bakterienarten, sowohl was die relativ einfache Zusammen- setzung als den Reaktionsgrad anlangt. Einzelne Bakterienarten ver- langen jedoch eine andere Reaktion, sei es eine stärker alkalische (Cholera), oder schwach sauere (Tuberkelhacillus), um zu einem ergiebigen Wachs- tum zu gelaugen. Darauf ist bei der Einstellung der Reaktion Rück- sicht zu nehmen. Für den Cholerabacillus hat z. B. Hesse 22 das Optimum des Alkaleszenz- grades ermittelt. Es ist das 0,4 bis 0,9 g krystallisierten Natriumkarbonats auf 1 Liter Nähragar. Wenn aber selbst ein großer Alkaliüberschuss von den meisten Bakterien gut vertragen wird, finden auf sauerreagie- renden Nährböden selbst bei schwachem Säuregrad nur die wenigsten Bakterien ein Fortkommen. Eine Ausnahme machen z. B. die Essig- bakterien, welche erst beim Gehalt von 2^ Säure wachsen. /) Zusätze zu den Nährböden. Für gewisse Zwecke versetzt man sowohl Bouillon wie Gelatine und Agar noch mit gewissen Zusätzen. Das geschieht zu verschiedenen Zwecken . Zunächst sollen sie zur Erhöhung der Nährlahigkeit für eiuzelne an- spruchsvolle Arten dienen. Eine Methode, um die Nahrungsbedürfnisse einer Bakterienart kennen zu lernen und die quantitativ und qualitativ optimale Zusammensetzung ihres Nährsubstrats zu ermitteln, rührt von Beijerixck23 her. Er goss Platten des gewöhnlich zusammengesetzten, festen Nährmediums (Gelatine oder Agar) und ließ an verschiedenen Stellen gelöste Nährsubstanzen in verschiedener Konzentration in den festen Nährboden hineindiffundieren. Er impfte dann die auf ihre Wachs- tumsverhältnisse zu untersuchende Bakterienart auf diese Platten. An der Stelle, wo die Bakterien am besten gediehen, hatte der Boden die für das Wachstum günstigste Zusammensetzung. Er erhielt auf diese Weise gewissermaßen eine bildliche Darstellung der Wachstumsenergie unter gewissen Ernährungsbedingungen und bezeichnete solche Platten als Auxanogramm, die Methode als Auxanographie. Die Zusätze, mit denen man Bouillon, wie Gelatine und Agar ver- setzt, sind ferner solche, die dazu dienen, durch chemische Umsetzungen gewisse biologische Eigenschaften der Bakterien zu demonstrieren und damit zur Differenzierung sich morphologisch und färberisch gleich ver- haltender Arten beizutragen. Endlich stellt mau durch gewisse Zusätze Nährböden her, die das Wachstum einzelner in Baktcriengemischen vorhandenen Arten begünstigen oder hemmen und dadurch die Isolierung erleichtern (elektive resp. spezifische Nährböden). Die Zusätze werden meist erst hinzugefügt, wenn das Nährmedium zum Abfüllen in Gläser fertig ist. Dies geschieht aus dem Grund, um eine Zersetzung der betrefienden Substanzen bei der mit der Bereitung des Nährmediums verbundenen, langdauernden Ein- wirkung höherer Temperaturen zu vermeiden. Die wichtigsten Zusätze seien im folgenden mit den nötigen Rezepten kurz aufgeführt. Traubenzuckerhaltiger oder milch zuckerhaltiger Nährboden wird in der AVeise hergestellt, dass den fertigen Nährmedien vor der 446 E. Friedberger, Sterilisierung 0,3 — 0,5^ Traubenzucker zugesetzt wird. Ein Mehr ist schädlich, da es bei zu hohem Zuckergehalt leicht infolge der Thätig- keit der Bakterien zu stärkerer Säurebildung im Nährboden kommt, wodurch das Wachstum der Keime gehemmt wird (Smith 2^). Es sei hier erwähnt, dass die mit Fleischinfus bereiteten Nährböden infolge des Gehalts an Muskelzucker (Glukose) in der Regel geringe Mengen von Zucker schon an sich enthalten (Pere^s). Absolut zuckerfreie Gelatine und Bouillon erhält man bei Verwendung von Fleisch, dessen Glukose durch circa zweitägige Aufbewahrung bei 10 bis 15" zersetzt ist (Milch- säurebildung) (Pere [1. c], Sproxck26). Nach Shmith (1. c.) ist ferner das Fleisch schlecht genährter (tuberkulöser) Rinder an sich zuckerfrei. Die Herstellung zuckerfreien Nähragars gelingt nicht, da beim Kochen des Agar-Agars, das bekanntlich ein Kohlehydrat ist, stets geringe Mengen Zucker abgespalten werden (Beijerinck^^). Der Zuckerzusatz dient erstlich zur Verbesserung des Nährmediums, dann zum Nachweis der Fähigkeit gewisser Arten CO2 zu bilden. Durch die reduzierende Eigenschaft des Zuckers ist auch in zuckerhaltigen Nährmedien die Anaerobenzlichtung erleichtert. Zur Anaerobenzüchtung werden auch andere reduzierende Substanzen, vor allem ameisensaures Natron oder indigschwefelsaures Natron besonders zu Agar zugesetzt (gleichfalls etwa 0,5%^) (näheres s. h.). Ein wesentlich besseres Wachstum verschiedener Bakterien, vor allem aber der auf den einfachen Nährböden nur äußerst kümmerlich gedeihen- den Tuberkelbazillen wird durch Zusatz von ca. b% Glycerin erreicht. Die Züchtung auf Blut entspricht am ehesten für pathogene Bak- terien den Bedingungen ihres natürlichen Vorkommens. Dementsprechend haben sich Blutbouillon (Delius & Kolle 2S) und Blutagar (Pfeiffer 29) als vorzügliche Nährmedien für gewisse pathogene Keime erwiesen, die wie z. B. der Influenzabacillus auf anderen künstlichen Böden überhaupt nicht gedeihen. Das unter aseptischen Kautelen (nach gründlicher Beseitigung der zur Desinfektion verwandten Antiseptica von der betreffenden Hautstelle) entnommene Blut wird in geringen Mengen der Nährbouillon zugesetzt oder mit der Platinöse auf der Agaroberfläche verrieben. Die so vor- bereiteten bluthaltigen Nährböden kommen eventuell für 24 Stunden zur Kontrolle in den Brutschrank; danach werden bakteriell verunreinigte ausgeschieden, die übrigen zur Impfung benutzt. Besonders geeignet ist neben Menschenblut das von Tauben (Entnahme am besten aus der Flügelvene). Das wirksame Prinzip des Blutes ist nach R. Pfeiffer das Hämoglobin. Dieses kann man ebenso wie Hämatogen an Stelle des Blutes verwenden. Gewinnung des Hämoglobins: Frisches Blut wird in ein steriles Ge- fäß mit steriler physiologischer Kochsalzlösung eingerührt und 24 Stunden im Eisschrank sedimentiert. Der Bodensatz der roten Blutkörperchen wird noch zweimal mit Kochsalzlösung gewaschen. Das Hämoglobin wird durch Schütteln der Erythrocyten mit Aether oder durch Gefrieren- lassen und Wiederauftauen derselben frei gemacht; Verdunsten des Aethers. Die so dargestellte reine Hänioglobinlösung wird zum Schluss durch Kerzen filtriert. Cantani^o bestrich Agar statt mit Blut mit Sperma das etwa in gleicher Weise auf das Wachstum wirkt. Ein begünstigendes Wachstum mancher Arten auf Nährböden wird durch die Symbiose mit andern Bakterien bewirkt. Turro^i fand z. B. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 447 ein besonders üppiges Wachstum des Streptococcus in Kulturen, die gleichzeitig Cholera, Pyocyaneus und Milzbrand enthielten. Während die bisher behandelten Zusätze nur eine Verbesserung des Nährbodens bezweckten, sollen andere dazu dienen, gewisse Umsetzungs- produkte der Bakterien mit dem Xährboden nachzuweisen oder fermen- tative und andere Eigenschaften der Bakterien zu eruieren. Zum Nachweis der reduzierenden Fähigkeit der Bakterien wird von der Thatsache Gebrauch gemacht, dass die Mehrzahl der reduktions- fähigeu Farbstofi'e farblose Eeduktionsprodukte »Leukokörper« bilden. Durch Einwirkung von Sauerstoft' kommt es wieder zur Bildung der ursprünglichen Farbe (»Verküpung«), indem sich der Wasserstoff des Leukoprodukts mit dem Sauerstoff' zu H^O verl)indet. Um die Redaktionsfähigkeit bestimmter Bakterienarten zu demon- strieren, führt man also dem Nährboden Farbstoffe zu, die ihre Farbe durch die reduzierende Einwirkung der Bakterien verlieren oder sich um- färben (Küpen). Hierher gehören Indigblau, Neutralrot, Methylenblau und andere. Der Farbstoff ist dem Nährboden natürlich in einer Ver- dünnung zuzusetzen, die nicht entwicklungshemmend wirkt. Auch zum Nachweis der Säure- und Alkalibildung benutzt man Farbzusätze. Speziell die von Pe rRUSCHKY 32 angegebene Lackmusmolke, bei der eine Lackmusl(3sung der Nährlösung zugesetzt wird, sei hier erwähnt. Ihre Darstellung gestaltet sich folgendermaßen: Frische Milch wird mit soviel verdünnter Salzsäure versetzt, dass das Kasein ausfällt. Filtration. Neutralisirung des Filtrats mit Natronlauge oder Sodalösung. 2 Stunden kochen im Dampftopf. Abermalige Filtration. Die Molke muss nach dem Kochen wasserhell sein und genau neutral. Zusatz von 5 ccm einer Lackmuslösung auf 100 Molke. Es entsteht so eine Flüssig- keit von neutralvioletter Farbe in der säurebildende Arten eine Rot- färbuug, alkalibildende eine Blaufärbung bewirken. Nährboden von Bei.jerinck ^3 zum Säurenachweis: 20 g Hefe werden mit 100 ccm Leitungswasser gekocht, dazu 8 g Gelatine oder 3/^ g Agar und 3 bis 10 g Glukose. Nach dem Kochen filtrieren und Zusatz einiger Tropfen einer Suspension von Sclilemmkreide in Wasser. Aus- gießen zu Platten. Die Platten sind gleichmäßig milchigweiß getrübt; diejenigen Bakterienarten, die Säure bilden, hellen jedoch die Gelatine durch Lösung des Karbonats auf. Eine Methode zum Säurenachweis, die auf der Ausfällbarkeit des Eiweiß durch Säure beruht, ist von Haxna^^ augegeben. Er verdünnte Ochsenserum mit der zehnfachen IMenge destillierten Wassers, sterilisierte im Dampf und setzte der Nährlösung Zucker zu. Bei der Züchtung säurebildender Arten in dieser Nährlösung fällt das Eiweiß aus. Jequiritilösung nach Kaufmakx35 zum Nachweis von Säure: 10 g Jequiritisaraen werden durch Zerstampfen im Mörser von den Schalen befreit, mit 100 ccm Wasser übergössen und 2 Stunden im Dampf sterilisiert. Darnach Filtration. Die neutral reagierende Flüssigkeit wird in Reagenzgläser gefüllt, sterilisiert und ist direkt als Nährboden ver- wendbar. Sie kann mit gelatinierenden Zusätzen zu festen Nährböden verarl)eitet werden, was sich jedocli nach Kaufmann wenig empfiehlt. Weiteres über die gefärbten Nährböden siehe unter Reduktions- fähigkeit der Bakterien und unter Methoden zum Nachweis der Bildunu' von Säure und Alkali (S. 509 ff.). Zum Nachweis der Schwefelwasserstoffbildung gewisser Bakterien- arten dient ein Zusatz von Bleizucker zum fertigen Agar (1 Teil auf 448 E. Friedberger, 1000 Teile Agar) (Morris 36) oder Zusatz von Bleiweiß (Bleikarbonat) bis zur gleichmäßig schneeweißen Verfärbung des Agars (Beyerixck^^). Für die Gelatine nimmt man zweckmäßiger eine Eisenlosung (Fromme ^^), die folgendermaßen gewonnen wird: Aus Eisenchlorid mit Kali oder Natron- lauge frisch gefälltes Eisenoxydhydrat wird mit destilliertem Wasser aus- gewaschen und in organischer Säure gelöst (nicht Essigsäure). Die Lösung wird der fertigen Gelatine vor der Sterilisation zugesetzt. d) Ersatzmittel des Fleischwassers. Im wesentlichen von den gleichen Gesichtspunkten ausgehend, die bei der HinzufUgung von Wachstum fördernden Zusätzen zu den ein- fachen Nährmedien maßgebend waren, hat man auch eine Keihe von Ersatzmitteln für das Fleischwasser verwandt. Dem Fleischwasser am nächsten in der Zusammensetzung steht die Fleischextraktlösung, die im Mengenverhältnis von 1/2 bis 1^ der Peptonkochsalzlösung zugefügt wird. Die Verarbeitung der Fleisch- extraktlösung zu Nährböden erfolgt genau wie die des Fleischwassers. Die Bereitung der Nährböden gestaltet sich wohl etwas einfacher; aber an Güte sind die Fleischwasserbödeu überlegen. Das Fleischextrakt enthält zuweilen sehr widerstandsfähige Sporen, hat einen schwankenden Salzgehalt und verleiht dem Nährboden eine dunkle Farbe. Man kann auch auf das aus dem Fleisch stammende Eiweiß ganz ver- zichten und die Peptonkochsalzlösung direkt als Nährboden verwenden. Herstellung: 10,0 g Kochsalz, 10,0 Pepton sicc. Witte auf 1 Liter Leitungs- wasser; leicht erwärmen zur Lösung des Peptons; 1 Stunde im Dampftopf kochen; filtrieren; in sterilen Gefäßen fractioniert im Dampf sterilisieren. Direkte Ersatzmittel für das Fleischwasser stellen menschliche resp. tierische Exsudate, Se- und Exkrete wie Harn, Ascites-Hydro- celenflüssigkeit, Milch u. s. w., dar. Milch kann direkt wie Bouillon als flüssiger Nährboden verwendet werden. Da die bei Verwendung von Vollmilch auf der Oberfläche schwimmende Fetthaut eventuell stören kann, so benutzt man Mager- milch. Dieselbe wird entweder an 5 — 6 aufeinander folgenden Tagen je einige Minuten im Dampftopf oder durch einmaliges Erhitzen im Autoklaven bei 120° sterilisiert. Bei der Sterilisation im Autoklaven bräunt sich die Milch leicht infolge Karamelisierung des Milchzuckers. Die Milch lässt sich auch chemisch durch Chloroform sterilisieren (S terlixg 39). Man versetzt zu dem Zweck die Milch mit Chloroform im Ueberschuss und vertreibt das Chloroform nach 14 Tagen durch höhere Temperaturen. Mit der gleichen Menge Agar resp. Gelatine versetzt, läßt sich die Milch auch zu festen, allerdings undurchsichtigen Nährböden verarbeiten. Raskin^^o ist die Herstellung durchsichtiger, fester Milch- nährböden gelungen. Dieselben haben sich nicht eingebürgert, denn die Bereitung ist relativ umständlich, und sie bieten gegenüber den Fleisch- wassernährböden keine wesentlichen Vorteile. Harn kann sowohl an sich als flüssiges Nährmedium, wie zur Berei- tung fester, durchsichtiger Nährböden verwandt werden. Am besten eignet sich der phosphatarme, in nüchternem Zustand gelassene Harn. Der nach Desinfektion des Orificium urethrae entleerte Urin ist abgesehen von der ersten Portion, die man nicht auffängt, meist steril (Prüfung durch eintägigen Aufenthalt im Brutschrank). EvcHtuell kann er mittels Filtration durch Kerzen oder durch einmalige V4 t)is 7.2 stündige Sterili- sation im Dampf keimfrei gemacht werden. Bei letzterem Verfahren Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 449 tritt jedoch infolge der Erhitzung bereits eine Zersetzung des Harnstoffs und eine Trübung durch Phosphatausscheidung ein. Die Farbstoffe des Harns, die in geringem Grad wachstumhemmend wirken, lassen sich durch Tierkohle entfernen. Zur Bereitung fester Harnnährböden wird der Harn wie Fleischwasser verwandt (Heller^^). Piorkowski^^ jj^t speziell zur Züchtung von Typhusbazillen eine Harngelatine angegeben (s. b. Typhus). Infus resp. Dekokt von Pflanzenfresserkot, besonders von Pferde- mist wird zur Züchtung von Schimmelpilzen benutzt. Bereitung: Auf 3 Ballen Pferdekot Y2 1 Wasser, IV2 Stunden kochen, durch Tuch filtrieren (nicht durch Papier, das sich verstopft), mit Agar resp. Gela- tine versetzen, kochen, filtrieren, in sterilen Gefäßen abgefüllt sterili- sieren. Als Nährlösungen pflanzlichen Ursprungs finden Infuse der verschie- densten Cerealieu und anderen Früchten Verwendung. Dieselben werden in analoger Weise wie Fleischwasser hergestellt und können auch zur Bereitung fester Nährböden verwandt werden. Bierwürze (mit Agar, dient als Ersatz des Fleischwassers bei der Züchtung von Hefen. s) Bereitung fester Nährböden ohne Zusatz gelatinierender Substanzen. Allen im voraufgehenden Teil Ijehandelten festen Nährböden war gemeinsam die Zusammensetzung aus zwei Hauptbestandteilen, der eigent- lichen Nährlösung und der die feste Konsistenz verleihenden Substanz (Gelatine oder Agar). Es giebt jedoch noch eine Reihe Nährsubstrate, die an sich eine feste Beschaffenheit haben oder durch einfjiche physi- kalische Prozesse (Erhitzen) in den festen Aggregatzustand übergeführt werden können. Herstellung von Nährböden aus Kartoffeln. Die Kartoffel stellt die älteste Form fester Nährböden dar (zuerst von Schröter -^3 benutzt), und kommt in gekochtem Zustand i. R. in der Form halbierter KartoÖeln, der Kartoffelscheibchen und der schräg halbierten Kartoffelcyliuder zur Verwendung. Die halbierte Kartoffel (Koch«). Gute, nicht zu kleine Kartoffeln (am geeignetsten sind Salat- kartoffeln) werden mit einer Bürste unter dem Wasserleitungsstrahl gründlich gereinigt. Der in den Vertiefungen, aus denen die Keime heraustreiben(» Augen«), sitzende Schmutz wird noch besonders mit Hilfe eines spitzen Messers ausgekratzt. Im übrigen ist die Schale der Kar- toffel möglichst zu schonen, damit bei dem nunmehr folgenden Einlegen der Früchte in Sublimatlösung diese nicht zu leicht in das Innere der Kartoffel eindringen kann. Nach 1/2^ — ^ Stunde kommen die Kartoffeln aus der Sublimatlösung nnd werden V2 — V* Stunde im Dampftopf ge- kocht. Nach genügender Abkühlung werden sie zwischen Daumen und Zeigefinger der linken zuvor desinfizierten Hand an ihrem kleinsten Um- fang gefasst und mit einem sterilen Messer an dem größten Umfang durchschnitten. Die beiden noch zusammenliegenden Hälften lässt man auf dem Boden einer »feuchten Kammer« auseinander klappen, wobei sie so zu liegen kommen, dass die Schnittflächen nach oben schauen. In der feuchten Kammer sollen die Kartoffeln vor Austrocknung und Verunreinigung geschützt werden; diese Kammern werden auf folgende AVeise hergestellt. Der Boden beider Hälften einer großen Doppelschale Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 29 450 E. Friedberger, von etwa 20 cm Durchmesser und 6 — 8 cm Hijhe wird mit kreisrunden Filtrierpapierblätteru bedeckt. Auf diese wird Sublimat geträufelt, bis das Fließpapier leicht damit getränkt ist. Man vermeide einen Ueberschuss von Sublimat, da sonst das an den Innenwänden der Kammer sich nieder- schlagende Condenswasser auf die Kulturen herabträufeln kann, dadurch die Keimtrennung hindert und außerdem die Beobachtung stört. Stehen die beiden Schalen ineinander, so überragt die Filtrierpapierscheibe in der oberen Schale allseitig den freien Rand der unteren Schale und schließt damit keimdicht. Statt mit Hilfe der oberen Schale kann man den Verschluss der unteren vermittels einer Glasplatte erzielen. Eine her- metische Dichtung wird nach Daiimen^s dadurch erzielt, dass man den freien Schalenrand mit einem der Länge nach aufgeschnittenen Gummi- schlauch umkleidet, auf den die allseitig etwas überragende Glasplatte aufgelegt wird. Um gekochte Kartoffeln für I^ährböden vorrätig zu halten, über- zieht SiMMONDS-iß die aus dem Dampftopf entnommenen Kartoffeln nach der Abkühlung durch Eintauchen in eine Gellacklösung mit einem luft- dicht abschlieiJendeu Ueberzug. Solche KartoÖelu sollen noch nach Monaten eine feuchte Schnittfläche liefern. Kartoffelscheiben nach v. Esmarch^?. Die etwas umständliche Herrichtung der feuchten Kammer lässt sich umgehen, wenn mau Kartoffelscheiben (nach v. Esmarch) verwendet. Gut geschälte und imter der Wasserleitung gereinigte Kartoffeln werden in Scheiben von V2 his 1 cm Dicke geschnitten. Diese werden in vor- her sterilisierte, kleine Doppelschälchen (etwa 6 cm Durchmesser) ge- legt und ^4 Stunden in den Dampftopf gestellt. Halbierte Kartoffelcylinder nach Bolton*«, Globig*-\ Rouxäo. Um Kartoffelkulturen in Reagenzgläsern anzulegen, werden mit Hilfe eines saubereu Korkbohrers Cylinder aus Kartoffeln ausgestochen. Nach- dem die Schale an beiden Enden entfernt ist, werden die Cylinder in der Diagonale durchschnitten, und die Hälften in sterilen Reagenzgläsern mit Watteverschluss im Dampftopf sterilisiert. Um eine Eintrocknung und dadurch bedingte Verfärbung der Kartoffeloberfläche zu verhindern, bringt man vor der Sterilisation einige Tropfen Wasser auf den Boden des Reagenzglases. Damit die Kartoffelstücke nicht in das Kondens- wasser zu stehen kommen, kann man zunächt etwas Watte (Hueppe, Methoden) oder ein Glasstückchen (Günther, Lehrb.) auf den Boden des Reagenzglases bringen oder den unteren Teil des Röhrchens einkerben, so dass "das Kartoffelstück auf der Einschnürung ruht (Roux). Andere Kartoffelnährbüden. HuEPPe (Lehrb.) sterilisierte geriebene Kartoffeln (Kartoffelbrei) im Dampf und gab ihm einen Zusatz von Stärke, Zucker, Pepton oder Fleisch- extrakt. G. Wood schneidet aus Kartoffeln feine Scheiben heraus, drückt sie auf sterilisierte Glasstreifen an und bringt diese in Reagenzgläser. Sterilisation im gespannten Dampf Auf diese Weise erhält man einen Kartoffelnährbodeu in durchscheinender Form. Durch kurzes Einlegen der Kartoffelstücke in Essigsäure lässt sich die natursaure Reaktion verstärken, durch Behandeln mit Sodalösung wird sie in die alkalische übergeführt. (Statt der Kartoffel lassen sich auch andere Früchte verwenden, wie z. B. die Zuckerrübe, die in glei- cher Weise A-orbereitet werden (Kral^M. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 451 Ilerstellung von Nährböden aus breiartigen Substanzen. Aus Fleischpulverbrei (Kkal, 1. c), aus Reisbrei (Soyka-''^), aus Makkarouiteig (Lagerheim ^^j ^i^^j anderen Substauzcn hat man feste Nährböden hergestellt. Brotbrei (2 Teile g-eriebenes Brot mit 1 Teil Wasser im EiiLEXMEVEK-Kölbcheu fraktioniert sterilisiert) ist ein vorzüg- licher Nährboden zur Züchtung- von Schimmelpilzen. Schill'"'* züchtete auf sterilisierten angefeuchteten Oblaten. Eine Reihe eiweißhaltiger Flüssigkeiten werden als solche zu Nähr- böden benutzt oder durch Koagulation des Eiweißes bequem in feste Nährböden verwandelt. Hierher gehört in erster Linie das Blutserum. Herstellung von Nährböden aus Blutserum. Das Blutserum ist ein Nährboden, der vor allen Dingen pathogenen Bakterien vermöge der für sie günstigen, natürlichen Zusammensetzung ein ausgezeichnetes Nährsubstrat liefert und auch die Züchtung von Arten ermöglicht, die sich andern Nährböden unvollkommen oder gar nicht unzupassen vermögen. Das Blutserum kann einmal als flüssiger Nährboden verwendet werden, dann aber benutzt man es zur Bereitung von festen Nährböden auf Grund seiner Fähigkeit, vermöge seines Eiweiß- gehalts bei etwa 65° zu einer festen durchsichtigen Gallerte zu erstarren. Ein Nachteil gegenüber anderen festen, durchsichtigen Nährböden beruht darauf, dass das einmal erstarrte Serum sich nicht wieder auflöst. Die Erstarrungsfähigkeit ist bei den Sera verschiedener Provenienz nicht gleich. Sehr ausgesprochen ist sie bei Rinder- und Hammelserum, das auch zu Nährböden ausgedehnte Verwendung findet. Erhitzt man das Serum stärker, so wird es zwar undurchsichtig, aber in seiner Qualität als Nährsubtrat erleidet es keine Veränderung. Man kann es, wenn man auf die Durchsichtigkeit verzichten will, als- dann auch bequem im strömenden Dampf sterilisieren. Da sehr viele Bakterienarten auf Serum ein sehr charakteristisches Oberflächen- wachstum zeigen, so fällt die Undurchsichtigkeit des auf diese Weise sterilisierten Serums weniger ins Gewicht. Das Auffangen des Bluts zur Bereitung der Serumuährböden geschieht, wenn es möglich ist, unter aseptischen Kautelen in sterilen Gefässen. Das Blut kommt an einem kühlen Ort zur Ausscheidung des Serums und wird, sobald die Gerinnung vollständig erfolgt ist, mit einem sterilen Glasstab von den Wänden des Gefäßes gelöst. Diese Prozedur erleichtert die Ausscheidung des Serums. Die Ausbeute be- trägt etwa 100 bis 200 ccm auf 1 1 Blut. Das Serum wird mit sterilen Pipetten abgenommen und in sterilen Gefäßen flüssig aufbewahrt oder zu festen Serumböden verarbeitet. Zu dem Zweck bringt man es in Petrischalen oder in schräggestellten Reagenzgläsern in einen mit Wasser gefüllten, dopiielwandigeu Blechkasten, in dem es bei einer Temperatur von 65° zum Erstarren gebracht wird. Zur Prüfung der Sterilität kann man die Nährböden für 24 Stunden in den Brutschrank bei 37° bringen. (R. KochH) Die sterile Entnahme menschlichen Blutes geschieht durch Adcrlass oder man benutzt nach Bumms''^ Vorschlag das nach der Geburt aus dem mütterlichen Ende der Nabelschnur zu gewinnende Blut. Die Bereitung von Serumnährböden gestaltet sich ab- weichend von der soeben geschilderten Methode, wenn es 29* 452 E. Friedberger, nicht möglich ist, das Serum steril zu erhalten. In diesen Fällen muss es nämlich vor oder nach dem Erstarren sterilisiert werden. Die Durchsichtigkeit kann gewahrt bleiben, weun man das Serum durch keimdichte Filter filtriert oder nach Kociis (1. c.) Vorschlag 8 Tage lang fraktioniert bei 65° sterilisiert. Kirciixkr^*^ empfiehlt das Serum 2 Monate lang in gut verkorkten Flaschen unter Zusatz von 1 bis 2 ^ Chloro- foim in der Dunkelheit an einem kühlen Ort aufzubewahren. Die Er- starrung bei einer Temperatur von 65" genügt alsdann, um das flüchtige Chloroform auszutreiben. C. Fränkel-^^ verzichtet auf die Durchsichtigkeit und sterilisiert nach dem Erstarren bei höherer Temperatur auf die gewöhnliche Weise im strömenden Dampf. Koch mischte Blutserum mit gleichen Teilen Gelatine; nach der Mischung kann man noch fraktioniert bei 52° sterilisieren. Hueppe vermischte Blutserum mit 2% wässriger Agar- lösung zu gleichen Teilen (oder 3 Teile Serum auf 2 Teile Agar) und erzielte so einen Serumnährboden, der in der üblichen "Weise sterilisier- bar ist und auch wieder verflüssigt werden kann. Ein besonders für die Züchtung der Diphtheriebazillen vorteilhafter Zusatz zum Serum be- steht nach LöFFLER^* in Traubenzuckerbouillou. Herstellung von Nährböden mit tierischen Exsudaten. Eine ähnliche Zusammensetzung wie Blutserum haben Nährböden, die mit Hilfe seröser Exsudate (Ascites, Hydrocelen-Ovarialflüssigkeit) hergestellt sind. Indem mau das Eiweiß dieser Flüssigkeiten in ein beim Kochen nicht fällbares Alkalialbuminat überführt, kann man mit ihnen durchsichtige Nährböden auf folgende Weise nach Kanthak & Stephexs-^^ herstellen. Zu je 100 ccm. des serösen Exsudats, das nicht zu eiweißreich sein darf, kommen 2 ccm 10^ Kalilauge, 1,5 X Agar. Dazu 1,5—2^ Grlycerin, Abfüllen in sterile Gläser, sterilisieren. Herstellung von Nährböden aus Vogeleiern. Vogeleier (vor allem Hühnereier) kommen in toto oder auch in ihren Bestandteilen als feste und flüssige, durchsichtige und undurchsichtige Nährböden zur Verwendung. Am einfachsten ist es, das Ei nach vorheriger Sterilisierung der Schale ohne weitere Präparation als flüssiges Nährmedium zu ver- wenden (Hueppe, Lehrb.). Frische Eier werden zu dem Zweck nacheinander mit warmem Seifeuwasser und Sublimat gebürstet, mit sterilem destillirtem Wasser oder vorher noch mit Ammoniumsulfat abgespült. Dann wird mit ausgeglühter Nadel am einen Pol ein Loch in die Schale gestoßen und durch dieses die Impfung vermittels Platiuöse vorgenommen. Ein steriler Verschluss der Impfstelle wird durch Papier mit Collodium oder Watte oder besser durch Siegellack erzielt. Will man das Ei ohne Schale, aber mit Schonung des Dotters benutzen, so gießt man nach Zörkendörfer^o das Eiweiß in einen sterilen ERLENMEYER-Kolben, legt den Dotter vorsichtig auf die Mündung und stellt das Ganze in Eiswasser. Durch den Luftdruck wird der Dotter in den Kolben hineingetrieben, eventuell kann man durch vorsichtiges Blasen nachhelfen. Danach Watteverschluss. Sterili- sation an 3 Tagen 1 bis 2 Stunden lang bei 56". Um den ganzen Eiinhalt als festen Nährboden zu verwenden, verfährt Wesener 61 so, dass er durch kräftiges Schütteln des frischen Hühnereis Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 453 Dotter uud Eiweiß zunächst gut vermischt. Dann wird der Inhalt des Eis bei 75—80° koaguliert, nach Sterilisation der Schale heraus- genommen, in Scheiben zerschnitten und im Damjjf sterilisiert. Zu festen Nährböden wird auch das Eiweiß allein und zwar in verschiedener Weise verwandt, je nachdem es sich um Herstellung durchsichtiger oder undurchsichtiger Nährböden handelt. Wird auf die Durchsichtigkeit verzichtet, so verfährt man (Hesse ^2 Sakharoff63) in der Weise, dass man aus gekochten, geschälten Eiern Eiweißstücke ausschneidet und diese in sterilen Reagenzgläsern mit Watteverschluss im Dampf sterilisiert. Um die Austrocknung zu ver- hindern, kann mau zuvor etwas steriles Wasser in das Reagenzglas bringen. Zur Bereitung durchsichtiger Eiereiweißnährböden werden von Schenk 6^ sowie von dal Pozzo^s Kibitzeier verwandt, die die Eigen- schaft haben, bei Tem])eraturen von 75° zu einer durchsichtigen Masse zu erstarren. Man entnimmt das Eiweiß steril, vermischt es mit der gleichen Menge Wasser, sterilisiert diskontinuierlich und bringt die Masse zum Erstarren in analoger Weise wie Blutserum. Durchsichtigkeit des Eiereiweißnährbodens lässt sich ferner durch Ueberführung des Eiweiß in Alkalialbumiuat erzielen. Zu diesem Zweck kann man verschiedene Verfahren einschlagen. Tarchaxow^s brachte Hühnereier in lOproz. Lösung von Kalihydrat. Nach 4 Tagen wird das veränderte Eiweiß in Reagenzgläser gefüllt und zur Hälfte mit Wasser verdünnt. Dieses sirupartige Alkalialbumiuat kann im Dampf sterilisiert werden, ohne fest zu werden. Nach 15 Minuten langer Einwirkung von 105° erstarrt es opaleszierend, bleibt aber noch durchscheinend. Nach 14tägigem Liegen in der Kalilauge wird das Ei- weiß fest und kann in Scheiben geschnitten als Nährboden verwandt werden. Karlinski 67 brachte die Eier für 14 Tage in 10—20 proz. Kalilauge, nahm die Schale mit ausgeglühter Pinzette al) und schnitt das Eiweiß mit sterilem Messer in Scheiben, die in sterilen Doppelschälchen ohne w^eiteres als Nährljöden benutzt wurden. Rosentiial & Schulz es pressten frisches Eiereiweiß durch Musseline. Auf je 5 Eiweiß Zusatz von 3 ccm 1^ Kali- oder Natronlauge. Die Substanzen bleiben in einem Maßcylinder mit Glasstöpsel einige Stunden stehen und werden durch wiederholtes Neigen des Cylinders vermischt. (Schütteln wegen störender Schaumbildung vermeiden!). Einfüllen der Mischung in sterile Reagenzgläser; Erhitzen bei 95 bis 98° im Wasser- bad; dabei gerinnt das Eiweiß zu einer durchsichtigen, höchstens leicht opaleszenten Gallerte. (Temperaturerhöhung auf 100° ist zu vermeiden, weil die dann in Blasen entweichenden Wasserdämpfe die Gallerte zer- reißen.) Man kann durch Ersatz eines Teiles des Wassers durch Bouillon den Nährstoffgehalt dieses Bodens erhöhen. Der Eidotter bewirkt als Zusatz zu Agar (mehrere Oesen auf ein Röhrchen) nach CAi'ALDiea eine Verbesserung des Nährbodens für viele Mikroorganismen. t) Nährböden die speziell zur Züchtung einzelner Bakterienarteu angegeben sind. Soweit die im vorhergehenden beschriebenen Nährböden von den gewöhnlichen in ihrer Zusammensetzung abweichen, handelt es sich um Zusätze oder Ersatzmittel, die zu dem Zweck angewandt wurden, das Wachstum einer sonst schwer oder gar nicht züchtbaren Species zu er- 454 E. Friedberger, leichtern respektive zu ermöglichen, ohne class beabsichtigt wurde, damit das Wachstum anderer Arten zu hemmen oder ganz zu hindern. Um einige Beispiele anzuführen: Ein Zusatz von Blut zu Agar ist für das Wachstum des Influenzabacillus, ein solcher von Glyceriu für ein gutes Fortkommen des Tuberkelbacillus uötig; aber andere pathogene Keime werden durch diese Zusätze in ihrem Wachstum nicht gehemmt. Das Bestreben der Bakteriologen ist aber von jeher daraufgerichtet, für die Züchtung pathogener Keime, die im Tierkörper oder an Orten ihres Vorkommens in der unl»elebten Natur, häufig mit anderen Arten vermischt sich finden, spezifische Nährmedien zu finden. Das sind einerseits solche Böden, auf denen das Wachstum der gesuchten Art ausschließlich oder doch ganz überwiegend erfolgt und gerade die als Begleitl)akterien in Betracht kommenden Arten keine oder doch nur sehr ungünstige Bedingungen ihres Fortkommens finden. Auf der anderen Seite beabsichtigt man neben einer partiellen Wachstumshemmung das Auftreten besonders differeuter und charakteristisch aussehender Kolonie- formen der verschiedenen Arten und damit Erleichterung der Isolierung. Es ist leider für keine einzige pathogene Bakterienart bis heute ein Nährboden gefunden, der die gewünschten Ziele ganz erreicht, wenn auch manche ihnen nahe kommen. Die als spezifisch angepriesenen Nährböden erwiesen sich meist für diesen Zweck nur in sehr bedingtem Maße als brauchbar und sind zum Teil bald in Vergessenheit geraten. Bezüglich der Darstelhmg dieser Nährböden sei aiif die Kapitel Tuberkelbacillus, Gonococcus, Typhus- bacillus, Choleraviln'io u. s. w. verwiesen. Um beim Aufbewahren der fertigen Nährböden in Kolben eine Wasser- verdunstung aus den Nährböden zu verhüten, hat Burri einen von Stutzer ^0 konstruierten Gummiverschluss beschrieben. Er besteht aus einer Gummikappe mit einem ventilartig wirkenden engen Schlitz. Man bringt diesen Gummiverschluss vor dem Sterilisieren auf das Keagenz- glas oder den Kolben. Beim Sterilisieren öffnet sich nun infolge der Luftausdehuung das Ventil und lässt den Wasserdampf entweichen. Beim Erkalten entsteht durch Verdichten des Wasserdampfes in der Flasche ein Vacuum und die atmosphärische Luft drückt den Verschluss fest auf den Flaschenhals, so dass das Ventil luftdicht geschlossen ist. C. Methoden der Verwendung der Nährböden zur Isolierung und Züchtung der Bakterien. Die im vorhergehenden in ihrer Bereitung geschilderten Nährböden werden nun zur Isolierung und Züchtung der Keime benutzt. Dieselbe gelingt, wie später gezeigt werden soll, sicher und relativ einfach bei Verwendung der von Koch (1881) eingeführten festen, durchsichtigen Nährböden (Gelatine und Agar). Ursprünglich aber, solange man auf flüssige Nährböden angewiesen waren, war die Methoden der Isolierung auBerordentlich zeitraubend und mühsam. ] . Uebersicht über die Methoden der Reinzüehtung auf flüssigen Währböden. a) Massenkultur. Die ersten Reinkulturen von Mikroorganismen wurden von Pasteur'^i (1857) und Cohn^ erzielt. Als Ausgangsmaterial dienten »Massenkultureu«. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 455 lu bakterienlialtigen Flüssigkeiten sind bei dem Antagonismus verschie- dener Arten einzelnen Species im Kampf ums Dasein überlegen. Diese werden schließlich die Oberhand über andere gewinnen, und wenn man dann Spuren der Ausgangsflüssigkeit in eine neue Nährflüssigkeit über- trägt, so besteht die Wahrscheinlichkeit, zumal wenn hier die ursprüng- lichen Lebensbedingungen vorliegen, eine Reinkultur zu bekommen. Klebs ^2 (Methode der fraktionierten Kultur) nahm eine Spur des Mate- rials aus einer bakterienhaltigen Flüssigkeit mittels einer Kapillare, brachte das Material in sterile Nährlösung und wiederholte diesen Prozess mehrere Male, bis er eventuell diejenigen Bakterien rein erhielt, die in der Ursprungsflüssigkeit in überwiegender Menge vorhanden waren. Auf diese Weise kann man wohl zur Züchtung einer bestimmten Art kommen, aber es ist nicht gesagt, dass diese die ursprünglich für die Eeinzüchtung bestimmte war; und es ist schwer, bei nachträglicher Verunreinigung wieder die ursprüngliche Art rein zu erhalten. Leichter gelingt die Isolierung sporenhaltiger Bakterien, die zuerst Egberts""' erreicht hat. Da Sporen im Gegensatz zu den vegetativen Formen hohe Hitze gerade vertragen, so kann man sie durch die Er- hitzungsmethode wohl von diesen trennen, aber sobald im Ausgangs- material ein Gemisch von verschiedenen, sporeuhaltigen Bakterien ent- halten ist, lässt die Methode schon wieder im Stich. b) Die Reinkultur von einem Keim aus. (Verdünnungsmethode). Brefeld ^-^ und in gleicher Weise Klebs gelang es dann, Reinkulturen, von einem einzigen Keim ausgehend, zu erzielen. Brefeld mischte das schimmelpilzhaltige Ausgangsmaterial so stark mit Wasser oder Nähr- flüssigkeit, bis in einem auf den Objektträger gebrachten Tröpfchen sich nur noch ein oder zwei Keime befanden. Dazu setzte er einen Tropfen Nährlösung, schützte den Kulturtropfen durch Anwendung hohlgeschlif- fener Objektträger vor der Verdunstung oder gab geringe Menge Gelatine zu, wodurch gleichfalls eine weite Entwickelung des eingebrachten Keims gewährleistet wurde. Die Reinzüchtung von Bakterien auf Grund des BREFELDSchen Prinzips der Verdünnung gelang zuerst Lister ^^. Er verdünnte soweit, dass ein oder zwei Tropfen der Verdünnung noch gerade einen Keim enthielten. Mit diesen Mengen impfte er sterile Nährlösungen und hatte so die Möglichkeit, in einer Reihe von Fällen nur einen Keim zu über- tragen oder unter mehreren auch einmal mehrere einer Art und so Reinkulturen zu erzielen. Aber eine Sicherheit, dass nicht mehrere verschiedenartige Keime verimpft wurden, bestand nicht. Die Schwierig- keit steigerte sich natürlich, je mehr Arten in einem Gemisch vorhanden waren, und wuchs ins Unendliche, wenn es galt, alle Arten eines Ge- misches zu isolieren. Ein dem hohlgeschliffenen Objektträger ähnlicher Apparat, der es gestattet, aus dem hängenden Tropfen einen einzigen Keim herauszu- nehmen und von diesem ausgehend eine Reinkultur zu gewinnen, ist von ScHOU TEX ^6 angegeben. Man bringt das starkverdünute, bakterien- haltige Material auf ein Deckgläschen und in die Nähe einen Tropfen einer Nährlösung. Das Deckgläschen wird umgekehrt über eine feuchte Kammer gestülpt, in die von außen verschiebbar zwei sehr feine Glas- uadeln hineinragen. Man kann unter Kontrolle des Mikroskops mit der einen Glasuadel einen Keim aus dem Tropfen herausfischen und ihn mit Hilfe der andern Nadel in den Nährmaterialtropfen überführen. 456 E. Friedberger, (i c) Kultur iu Kapillaren. Den Uebergang zur lieinzUclitung auf festen Nälirsubstraten bildet die Kultur iu Kapillaren nach Salomoxsen "^. Im bakterienhaltigeu Blut entwickeln sich außerhalb des Körpers die yerschiedenen Keime an verschiedeneu Stellen und eine Vermischung findet wegen der Dick- flüssigkeit des Blutes und der schnellen Gerinnung nicht statt. Diese Beobachtung führte Salomonsex zu der Methode der Züchtung in Kapillaren. Er fing das bakterienh altige Blut in sterilen Kapillarröhren auf und sah sich an verschiedenen Stellen Kolonieen, die der Art entsprechende Diiferenzen in der Form u. s. w. [ 2 erkennen ließen, entwickeln. Nach Oeffnuug des ^S^ Röhrchens an der Stelle einer bestimmten Kolonie kann man mit steriler Nadel diese abimpfen und das Material in steriler Flüssigkeit als Reinkultur weiter- züchten. c 2. Methoden der Züchtung und Isolierung der Bakterien auf festen Nährböden. Während in Flüssigkeiten stets eine Vermischung diiferenter Keime stattfinden muss, werden auf einem IL festen Nährmedium verschiedene an verschiedene Stellen gelangte Keime an diesen Orten getrennt und iso- liert zur Entwickelung kommen. Dies Prinzip benutzte R. Koch (1. c. 1881) zur Reinzüchtung und Isolierung der Bakterien vermittelst fester Nährböden. Da er dazu durchsichtige Nährböden verwandte, so schuf er noch Fig. 27. die Möglichkeit, mikroskopisch die Wachstumseigen- tümlichkeiteu der einzelnen Kolonieen zu studieren und damit die Diiferentialdiagnose von Arten, deren Einzelindividuen morphologisch sich gleich verhalten, zu erleichtern. Da bei der Ver- wendung fester Nährböden etwa aus der Luft eindringende Keime nur lokalisiert am Ort ihres Haftens auf der Nährfiäche sich vermehren können, so kann die Gefahr der Verunreinigung durch sie weniger in Betracht kommen. Zum Impfen benutzt man mit dem be- treffenden Material infizierte Platindrähte, die eventuell an der Spitze zu einer Oese .^ umgebogen und in Glasstäben eingeschmol- :^ zen oder in besondere von Kolle ange- gebene Halter (Fig. 27) eingeschraubt sind. Um zu vergleichenden Untersuchungen Fig. 28. immer Oesen von konstantem Durchmesser herstellen zu können hat Czaplewski einen Satz von Oesenmaßstäben verschiedener Dicke konstruiert (Fig. 28). a) Methode der Objektträgerkultur. Ursprünglich verfuhr Koch so, dass er verflüssigte Gelatine auf Objektträgern ausgoss, den Nährboden hier bis zur Zähflüssigkeit erstarren ließ und dann mit einer sterilisierten Platinuadel eine Spur Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 457 des Impfmaterials iu StricluMi über die ganze Gelatiiietiäclie verteilte. Es blieb danu von Strich zu Strich weniger Material hängen, und die iu den letzten Strichen liegenbleibenden Keime kamen schließlich vereinzelt an getrennten Stellen nach dem Erstarren der Gelatine zur Ent- wickelung, ohne sich mit benachbarten vermischen zu können. Um ein Austrocknen der Gelatine und die Luftinfektion zu vermeiden, werden die geimpften Objektträger in feuchte Kammern, wie sie bei den Kartoifelkulturen beschrieben sind, eingelegt (cf. S. 449). b) Das Platten verfahren (nach Koch). Um die Keime in der Gelatine noch besser zu verteilen, ging dann Koch zum Verfahren der Plattenkulturen über (1883). Man bedarf für diese Methode Glasplatten von Objektträgerdicke, deren Breite und Länge man mit EUcksicht auf die Größe und Breite Fig. 23 des Objekttisches so bemisst, dass alle ihre Punkte unter dem Mikroskop betrachtet werden können. Um die Gelatine auf die Platte in gleich- mäßiger Schicht auszugießen, benutzt man einen besondern Nivellierungs- apparat (Fig. 23). Derselbe besteht aus einem mit Stellschrauben ver- sebenen Holzdreieck, auf das eine offene Schale gestellt wird. In diese kommt eine kleinere, mit Wasser und Eisstücken gefüllte Schale, die von einer matten Glasplatte überdeckt ist, auf Korkfüßen zu stehen. Diese Scheibe wird durch eine Dosenlibelle horizontal eingestellt. Auf die Glasplatte kommen die mit Gelatine zu beschickenden Platten. Zum Schutz vor Luftverunreinigung kann eine Glasglocke übergestülpt werden. Die wichtigsten Glasgefäße zur Züchtung sind ferner Reagenzgläser, Petrischalen (Fig. 24), kleine, weitbauchige Kolben nach Eklenmeyer (Fig. 25), Schalen zu Massenkulturen nach Kolle (Fig. 26). 458 E. Friedberger, Beim Platteuverfaliren wird die verflüssigte Gelatine bereits vor dem Ausgießen infiziert, wodurch die Keime auf eine größere Menge Gelatine verteilt werden. In dieser Methode der Impfung in verflüssigte Gelatine vereinigte Koch in genialer Weise die Vorzüge des PASTEUR'schen Ver- dünnuugsprinzips mit dem Prinzip der festen Nährböden. Das Verfahren gestaltet sich folgendermaßen: Es wird ein Pöhrchen mit verflüssigter Gelatine mittels ausgeglühter Platinnadel mit einer Spur des zu unter- suchenden Materials geimpft. Ist es eine Flüssigkeit, so wird je nach dem Keimgehalt eine bis mehrere Oesen in die flüssige Gelatine über- tragen. Festes Material wird mit einem Platinspatel au den Innenwänden des Reagenzglases verrieben und dann in der Gelatine gleichmäßig ver- teilt oder vorher in einer Ptcibschale mit steriler Kochsalzlösung zer- quetscht und ösenweise übertragen. Beim Impfen wird das Reagenzglas zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand so eingeklemmt, dass das offene Ende auf Bing- und kleinem Finger ruht. Durch drehende Bewegung wird der Wattepfropf mit Zeigefinger und Mittel- finger der andern Hand von deren Eückenfläche aus herausgezogen. Bei der Impfung wird die Platiuöse schreibfederartig in der rechten Hand gehalten. Man "hat darauf zu achten, dass der Inhalt der Oese gänzlich Fig. 26. in die Gelatine hineingelangt; die aus dem Röhrchen zurückgezogene Oese muss leer sein. Nach erfolgter Infektion wird der Wattepfropf wieder aufgesetzt, und das Material durch Drehen, Senken und Heben des Röhrchens gleichmäßig verteilt. Ist das Ausgangsmaterial einigermaßen bakterienreich, so genügt die im Gelatineröhrcheu erzielte Verdünnung nicht, um später isolierte Kolonieen zu erhalten. Man überträgt dann, indem man ein zweites Röhrchen mit verflüssigter Gelatine in der gleichen Weise wie das erste und parallel mit diesem hält, mit ausgeglühter Platinöse eine geringe Menge des Inhalts des ersten Röhrchens in das zweite, eventuell impft man noch aus dem zweiten in ein drittes und aus diesem in ein viertes. Auf diese Weise erzielt mau von Röhrchen zu Röhrchen eine Abnahme der Keirnzahl. Der Inhalt der infizierten Röhrcheu wird nun auf die vorher auf den Nivellierungsapparat gelegten Platten so ausgegossen, dass er allseitig noch um etwa 1 cm vom Rand entfernt bleibt. Die geimpften Platten werden in einer feuchten Kammer auf Glasbänken übereinander aufgestellt. Die beim schnellen Erstarren der Gelatine an verschiedenen Stellen liegengebliebenen Keime wachsen später zu isolierten Kolonieen aus. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 459 Bei der VerdUnnuag in der Gelatine findet eine so ausgedehnte Keim- trennung wie in Flüssigkeiten nicht statt, was ja bei der zähen Konsistenz des Mediums ohne weiteres verständlich ist Da, wo es sich um ge- naue quantitative Bestimmung der Keimzahl handelt, nimmt man deshalb besser nach HuErrE die ersten Verdünnungen in Flüssigkeiten vor. c) Modifikationen des Platteuverfahrens. k) Ersatz der Platten durch PETiusche Schalen. Das KocHSche Plattenverfahren wird in der ursprünglichen Form heute zumeist nicht mehr geübt, ist jedoch im Prinzii» das gleiche ge- blieben ; man hat nur die Platten durch bequemere Doppelschälchcn er- setzt, bei denen ein Abfließen der Gelatine vermieden wird, wodurch das Arbeiten mit dem umständlichen NivellieruDgsapparat und die Bemttzung der feuchten Kammer sich erübrigt. Die Doppelschälcheu (cf. Fig. 25 sind ursprünglich von Salomonsen (1. c), später von Babes^^ und Petrins empfohlen worden und gehen allgemein unter dem Namen der PETRischeu Schälchen. Petki*" stellt sie neuerdings aus dunklem Glas her und ver- sieht sie am Boden mit eiuer Rille, die das Aufeinanderstellen vieler Schälchen erlaubt, ohne dass die oberen abgleiten. M. Beck*^! hat eine Kulturschale angegeben, bei der der Deckelrand einen ringförmigen Falz besitzt, der in die Unterschale hiueinpasst. Kehrt man den Deckel um imd setzt die Unterschale von oben ein, so kann man den zwischen beiden Hälften befindlichen AYall durch AVasser oder Paraffin al)sperren und dadurch eine Verdunstung im Innern der Schale verhüten. Durch seitlich in den Deckel eingeschmolzene Glas- röhren kann eine Durchleitung von Gas erfolgen, was die Benutzung dieser Schalen zur Anaerobenzüchtung (cf. p. 460 ff.) ermöglicht. ß] Methode der »Rollr öhrchen« (v. EsmarchS^). Die Benutzung von Platten oder Schälchen fällt ganz weg bei einer Modifikation des Plattenverfahrens von v. Esmarcii. Bei diesem Ver- fahren der »Rollröhrchenkultur<; wird das in der gewöhnlichen Weise in- fizierte Gelatineröhrchen mit einem über den Wattepfropf gezogenen, fest schließenden Gummipfropf bedeckt. Darauf wird die Gelatine in dünner Schicht längs den Innenwänden des Reagenzglases zum Erstarren gebracht, indem man dies in eine Schale mit Eiswasser fast horizontal einlegt und um die Längsaxe rollt. Prausnitz83 konstruierte zum Ausrollen einen besondern Rotations- apparat. Andere rühren von KcmBER*^ und Nuttal^^ ijej-_ Schill^s ver- teilte die Gelatine längs den Wänden des Glases in der Weise, dass er in die verflüssigte und geimpfte Gelatine ein zweites engeres, steriles Reagenzglas so hineinschob, dass der Nährboden sich zwischen beiden ausbreiten musste. y) Methode von SoykaS'. Andere Modifikationen des Platten Verfahrens bezwecken eine Ersparnis an Gelatine und Platten. Bei dem SoYKASchen Verfahren wird die flüssige Gelatine in mehrere auf dem Boden einer Doppelschale befindlichen xVus- schliflfe eingegossen, die nacheinander von einem ausgehend infiziert werden. Man kann nach Heim (Lehrb.) auch eine einfache Glasplatte ohne Ausschliffe benutzen. ()') Methode von Agarplatten. Bei der Verwendung des Agars benutzt man fast ausschließlich nur Petrischalen, da das Agar auf den randlosen Glasplatten nur sehr schlecht 460 E. Friedberger, haftet, (v. EsMARCH suchte das durch Zusatz von Gummi arabicum zum Agar zu vermeiden.) Da das Agar ferner sehr leicht erstarrt, so er- fordert das für die Gelatine beschriebene Verfcihren viel größere Schnellig- keit des Arbeitens und ein zu frühzeitiges Wiedererstarren des Agars ist häufig nicht zu vermeiden. In der Regel begnügt man sich daher bei der Verwendung von Agar mit einer oberflächlichen Aussaat nach dem Prinzip der alten Kocuschen Objektträgerkulturen. Das in Schalen ausgegossene Agar wird erst nach dem Erstarren oberflächlich infiziert. Das zu impfende Material, von dem bei hohem Bakteriengehalt eventuell vorher noch Verdünnungen in steriler Bouillon angelegt werden müssen, wird zu dem Zweck mit einer Platinöse oder einem vorher sterilisierten und infizierten kleinen Pinsel (Krüse^s) über die ganze Oberfläche der Platte gestrichen. M. Neisser*^ infiziert ein steriles Wattebäuschchen mit dem auszusäenden Material und streicht damit einmal über die Platte. An dem Ausstrich wird ein zweites Wattebäuschchen infiziert und damit ein Impfstrich parallel dem ersten angelegt, dieser dient wieder als Impf- material für ein drittes Wattebäuschchen und so fort über die ganze Platte. Die erwähnten Verfahren bieten den Vorteil, dass mau ausschließ- lich leicht abimpf bare Oberflächenkolonieen erhält. Will man jedoch auch Tiefen Wachstum von Kolonieen beobachten, so übergießt man einen Teil der geimpften Agarfläche mit einen zweiten Schicht sterilen Agars. e) Modifikation des Platten Verfahrens für flüssige Nährböden. Für die Keimtrennung in flüssigen Nährmedien nach dem Prinzip der Plattenmethode ist eine Methode von Drossbach 9** ausgearbeitet. Sterile Glasplatten, die mit gepressten oder geschliffenen Vertiefungen von 2 — 3 mm Tiefe versehen sind, werden mit einer Aufschwemmung der bakterienhaltigen Substanz in Bouillon übergössen. Das Impfmaterial ist so verdünnt, dass 2 — 3 ccm weniger als 1000 lebensfähige Keime enthalten. Mit ungeleimtem, sterilisiertem Papier wird der Ueberschuss der Flüssigkeit von der Platte entfernt, so dass diese nur in den Ver- tiefungen zurückbleibt. Die Bebrütung der Platten erfolgt in feuchten Kammern. Ist in einer Vertiefung nur ein Keim vorhanden, so wird wie hier eine Reinkultur entstehen. Ein ähnliches Verfahren hat Holten^^ beschrieben. Er hat außerdem eine mit einer Anzahl von Stiften ver- sehene sterile Platte nach erfolgtem Wachstum so auf die Kulturplatte gebracht, dass die Stifte in die einzelnen Bouillontropfen hineinragten. Mit Hilfe dieser infizierten Stifte impfte er dann eine Gelatineplatte. Die Glasplatten kann man durch Petrischälchen ersetzen, die mit er- starrtem Paraffin ausgefüllt und in die Vertiefungen mit Hilfe eines Korkbohrers eingelassen sind. 3. Die Züchtung von Bakterien in sauerstoflFfreier Atmosphäre. Das Wachstum mancher Bakterienarten wird durch die Anwesenheit von LuftsauerstoflE" gehemmt (anaerobe Bakterien). Es ist deshalb der Sauerstoff sowohl aus dem Nährmedium wie aus dem umgebenden Raum auszutreiben. Die Befreiung des Nährmediums von Sauerstoff geschieht auf einfache Weise mittels Austreiben der Luft durch Kochen. Zweck- mäßig benutzt man zur Anaerobenzüchtung überhaupt Nährböden, die mit reduzierenden Substanzen, Zucker, ameisensaures Natron, 0,3—0,5^, indigschwefelsaures Natron, 0,1^, (nach dem Vorgang von Kitasato & Weyl92) versetzt sind. HammerlS^ empfiehlt als reduzierendes Mittel das Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 461 Scbwefelammouium (Ammoniumsultydrat). Nach Trenckmann»^ g:estattet der Zusatz von Scliwefelalkali auch streng anaeroben Arten die Ent- wicklung bei Zutritt von Luft. (Zusatz von 4 — 10 Tropfen 10^ Na2S Lösung, in 10 ccm Bouillon, 2 Tropfen zu 20 ccm Agar.) Umgekehrt hindert der Zusatz oxydierender Mittel nach Kitasato & Weyl (1. c.) das Wachstum der Anaeroben. 0,5^ chlorsaures Kali, 0,05^ chromsaures Natrium heben das Wachstum der Anaeroben auf, ohne anaerobe Arten zu beeinträchtigen. Um in Anacrobcnkulturen das gebildete eventuell schädlich auf das Wachstum der Kultur wirkende Gas zu entfernen, leitet esEpsTEiN^^'' durch ein Glasröhrcheu, dem ein BuNSEXsches Lippenventil aufgesetzt ist, aus dem Kulturgefäß nach außen in einen dem Glasrohr dicht aufsitzenden mit 2^ Borsäurelösung gefüllten glockenförmigen Glastrichter. Das Wachstum von Anaeroben kann ohne besondere Kautelen bis- weilen in der Symbiose mit anderen Bakterien erfolgen, sei es, dass der Sauerstoff durch die auaeroben Arten vollständig verbraucht wird oder dass nach Kedrowsky'^-^ durch die Aeroben Stoffe gebildet werden, die ähnlich wie die reduzierenden Substanzen das Wachstum der anaerobeu auch bei Sauerstoffgegenwart gestatten. Nach den Untersuchungen vou ScHOLTz96 scheint allerdings die erste Annahme die richtige zu sein. Der Ausschluss des Sauerstoffe von dem im Gefäß befindlichen Nähr- medium wird auf verschiedene Weise erreicht*]. a) Beschränkung des Luftzutritts. R. Koch (1. c, 1884) erreichte sie dadurch, dass er über die geimpften Gelatineplatten Glimmer- oder Marienglasplatten legte. Das Glimmerblatt schmiegt sich vermöge seiner Elastizität vollständig an die Gelatincplatte an und hindert den Luftzutritt. Sanfelice^^ modifizierte dies Verfahren, indem er statt der Glimmerplatten eine Glasplatte auflegte, die darunter befindliche Luft herauspresste und den Rand dieser Platte rings mit Gelatine umgoss. Gapfry^s uj^(J j^ach ihm W. &R. Hesse^*^ und Liburius^^o verhinderten Luftzutritt durch Ueberschichtung des Nährmediums. Gafpky brachte das Material ins Innere einer gekochten Kartoffel und verschloss die Zutrittstelle wieder mit Kartofifelmasse. Hesse überschichtete mit Gelatine. Liborius endlich legte Stichkulturen in hochgeschichtetem Nährboden an und überschichtete hier die Einstichstelle mit Gelatine. Es genügt jedoch auch, eine einfache Stichkultur in einer hohen Schicht des Nährmediums anzulegen, von dessen tieferen Partieen auch ohne Abschluss die Luft genügend ferngehalten wird. V. EsMARCH*2 erzielte Luftabschluss in seinen Rollröhrchen in der Weise, dass er den Innenraum des ausgerollten Röhrchens mit steriler Gelatine ausgoss. Um dabei ein Schmelzen des dünnen Gelatineüberzuges durch die erwärmte, verflüssigte Gelatine zu vermeiden, muss das Rollröhrchen während der Prozedur in ein Glas mit Eiswasser gestellt werden. Die Kultur im frischen Hühnerei nach Hüeppe gewährt gleichfalls Luftabschluss, vorausgesetzt, dass man die Schale des Eies vollständig mit Lack überzieht. Im nicht präparierten Ei besteht dagegen kein * Zum Nachweis des vollständigen Stauerstotfmangels fügt man etwas kon- zentrierte, alkoholische Methylenblaulüsung dem Nährboden zu oder bringt die Farb- lösung in ein Schälchen in den zur Züchtung benutzten Raum. Bei Sauerstoff- abschluss entfärbt sich durch Reduktion das Methylenblau. 462 E. Friedberger, strenger Ausschluss der Luft, da durch die Schale stets geringe Mengen von Sauerstoff diffundieren. h) Die Verdrängung der Luft. Man kann die Luft entweder ganz austreiben und im Vacuum züchten oder die Luft durch das Nährmedium selbst oder durch ein indifferentes Gas verdrängen. (i) Austreibung der Luft und Züchtung im Vacuum. Das Absaugen der Luft geschieht mit einer Luftpumpe (Fig. 29) oder Wasserstrahlpumpe (Fig. 30). Das einfachste Verfahren ist das von GrEUBER^oi Ej. verengt lange Reagenzgläser im oberen Drittel zu einem Hals (Fig. 31), nach dem Sterilisieren wird mittels eines Kapillartrichters die Nährlösung eingeführt, zu der man wegen der beim Evakuieren er- folgenden Eindickung auf 10 com noch 2 ccm sterilen destillierten Wassers hinzufügt. Nach Infektion wird der Wattepfropf bis zur Ver- engerungsstelle vorgeschoben und darüber ein Gummipfropf eingesetzt, der mittels eines durch seine Bohrung gesteckten Rohres mit der Luft- pumpe in Verbindung steht. Handelt es sich um Nährböden mit gela- tinierenden Substanzen, so wird das Glas während der Evakuierung in ein Wasserbad gestellt, dessen Temperatur so gewählt ist, dass sich das Nährmedium flüssig erhält. Nachdem alle Luft ausgepumpt ist, wird die verengte Stelle abgeschmolzeu. Bei gelatinierenden Nährmedien kann der Lihalt des Röhrchens alsdann ausgerollt werden. Li der gleichen Weise wie in Röhrchen kann man die Evakuierung in flachen Gefäßen vornehmen und das gelatinierende Substrat am Boden des Gefäßes als Platteukultur zum Erstarren bringen. Zupnik1"2 erzeugte das Vacuum zur Züchtung der Anaeroben auf folgende Weise: Er benutzte cylindrische Kulturgefäße, die an beiden Enden veijüngt und mittels Glashähuen luftdicht abschließbar sind. Nach Einfüllen der Nährlösung, Sterilisation und Impfung wird an das eine Ende des Gefäßes mittels eines Gummischlauches ein Glasrohr an- gefügt und dies mit Quecksilber gefüllt. Dann wird die Oefl'nuug des Rohres mit dem Finger zugehalten, der Apparat umgestülpt nnd unter Quecksilber gebracht. Nunmehr wird der untere Hahn geöffnet. Es entsteht nach dem Prinzip der ToRiCELLischeu Leere beim stattfindenden Ausfließen der Nährlösung ein absolutes Vacuum im Apparat. Ist ein gewisser Teil des Nährmediums ausgesogen, so wird der Hahn wieder geschlossen; die Entwicklung der verimpften Keime kann nunmehr unter anaeroben Verhältnissen erfolgen. ß) Verdrängung der Luft durch das vorher ausgekochte Nährmedium. Roux^os saugt die ausgekochte Gelatine in das Mittelstück eines pipetten- artigen Gefäßes, das nach der Impfung au beiden Enden zugeschmolzen wird. WEiGiirioi hat eine, sehr einfache Vorrichtung angegeben, um bei Verdrängung der Luft durch das Nährmedium Anaerobe gleichzeitig mit Aeroben züchten zu können. Eine Pipette mit kleinem BauchstUck ragt durch den Wattepfropf in ein Reagenzglas mit Bouillon hinein. Zwischen Bauch- und Halsteil der Pipette ist ein Stückchen Gummischlauch ein- geschaltet. Nach Sterilisation und Impfung des ganzen Apparates wird die infizierte Flüssigkeit in die Pipette gesogen, bis sie oberhalb des Gummizwischenstuckes steht. Durch Hineinschieben des oberen Rohr- stückes in den Apparat wird das Gummizwischenstück geknickt. In dem auf diese Weise abgeschlossenen Bauch der Pipette gelingt die Züchtung Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 463 aüaerober Arten. Bei obligaten Anacroben bleibt die Bouillon außer- halb der Pipette klar. Fig. 29. Fig. 30. Fig. 31. Am gebräuchlichsten ist das folgende Verfahren: y) Verdrängung der Luft durch ein anderes Gas. Dasselbe muss natürlich inditferent für das Wachstum sein. Dies ist bei Wasserstofi' im wesentlichen der Fall, während andere Gase, wie 464 E. Friedberger, Kohlensäure, Lenclitgas u. s. w., nacli Untersucliung-eu von Fränkel ^^s und anderen die Mikroorganismen schädigen. Die Züchtung unter Wasserstoff wurde zuerst von Hauser loe empfohlen. Die Herstellung des Gases erfolgt in einem Kipp- schen Apparat (Fig. 32). Das Gas passiert vor der Verwendung zwei Waschflaschen, die mit verdünnter Jod-Jodkalilösung resp. mit alkalischer Pyrogallus- säure gefüllt sind, um vollständig von Säuredämpfen und Sauerstoff befreit zu werden. Fig. 32. Die Verdrängung der Luft durch den Wasserstoff findet im Prinzip in der Weise statt, dass mittels eines Zu- und Ableitungsrohres AVasserstoff durch das im luftdicht verschlossenen Gefäß befindliche Nährmedium oder durch den Raum, in dem die geimpften Platten aufgestellt sind, durchgeleitet wird. Nachdem alle Luft verdrängt ist, wird zuerst die Zuleitungs- und dann die Ableitungs- stelle luttdicht abgeschlossen. Soll der Wasserstoff die Luft aus Reagenzgläsern oder Kölbchen, in denen sich das geimpfte Nährmaterial befindet, verdrängen, so benutzt man einfachsten eine Versuchsan- am Ordnung, die von Hueppe^o^ ^^nd C. Fkänkel 108 ^ unabhängig vonein- ander angegeben wurde. In der Oefif- nung des Gefäßes (Fig. 33) sitzt ein mit zwei Durchbohrungen versehener Gummipfropfen; in der einen Durch- bohrung steckt ein Glasrohr, das nur etwas üljer Unterfläche des Gummipfropfens reicht und rechtwinklig abgebogen ist. Durch die andere geht ein gleichfalls rechtwinklig ab- gebogenes Rohr bis nahe auf den Boden des Gefäßes. Durch das letztere wird der Wasserstoff zugeleitet, und nachdem die Durchleitung Fig. 33. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 465 Fig. 33 a. Ziischmelzung- Reageuz- geniigend lange stattgehabt hat, werden beide Köhrehen an einer ver- engerten Stelle abgeschmolzen. Zur Durehleitung durch verflüssigte, feste Nährsubstrate stellt man das Kulturgefäß in einem Wasserbad von ent- sprechender Temperatur. Auf dem gleichen Prinzip wie die HLEPPESchen und FKÄNKELSchen beruhend sind Ge- fäße von Petki & Maassen i^''' ange- geben (Fig. 83 a) bei denen Zu- und Ab- leitungsrohr angeblasen sind und der Verschluss durch Kautschukpfropfen am Ausführungsrohr und durch einen Gummischlauch mit eingeführtem Glas- stab am Zuführungsrohr geschieht. Sehr einfach ist eine von Eoux ausge- bildete und von Heim (Lehrb.) modiü- zierteMethodefürEeagenzglaskulturen, bei der nur die Zuleitung des Gases durch ein besonderes Pohr erfolgt. Das Reagenzglas wird nach der Impfung an seinem oberen Teil zu einer engen Röhre ausgezogen. Durch die Verengerung wird eine mit dem Kippschen Apparat verbundene Kapil- lare eingefügt und das Gas mittels dieser 5—10 Minuten durch das flüssij::e oder verflüssigte Nährmedium geleitet. Alsdann erfolgt die des vorherige glases, ohne vorherige Unter- brechung der Durchleitung an der verengerten Stelle. Nur bei Anlage von Rollkulturen ist unmittelbar vor dem Verschlie- ßen das Kapillarröhrchen her- auszuziehen. Hesse*'- gab das folgende Verfahren an, das sich jedoch nur für feste Nährböden in Rea- genzgläsern eignet. Das geimpfte Reagenzglas wird, nachdem der Wattepfropf einige Centimeter in das Glas hineingeschoben ist, umgekehrt und in Quecksilber eingetaucht. |Nun leitet man mittels eines am Ende umge- bogenen Glasröhrchens Wasser- stoff in das Reagenzglas und entfernt das Rohr nach Ver- drängung der Luft. Zur Züch- tung bleibt das Reagenzglas um- gekehrt in Quecksilber stehen. Um Platteiikultureu in Wasserstoffatmosphäre zu züch- ten, ist es nötig, dieselben in einem luftdicht abgeschlossenen Raum auf- zustellen, der eine Vorrichtung zum Zuleiten des Wasserstoffs und zum Ab- leiten der Luft besitzt. Als der Typus eines derartigen Ap])arates zum Auf- bewahren von Platten unter Wasserstoffatmosphäre kann der Anaeroben- apparat von BoTKixiio (Fig. 34) gelten. Er besteht aus einer Glasglocke, Handbucli der pathogeiien Mikrooiganisineii. I. 30 Fiff. ;}4. 466 E. Friedberger, die in einer tiefen Untersatzscliale stellt und mit Bleirohr beschwert ist. Auf dem Boden der letzteren befindet sich ein Bleikreuz und darüber, von der Glocke bedeckt, ein Einsatz zur Aufnahme von Doppelschalen. In die Glocke wird auf der einen Seite ein U förmig; gebogener Schlauch, der mit einem Wasserstoftapparat in Verbindung steht, bis zu der Kuppe eingefugt und in der gewünschten Form durch einen eingesteckten Kupferdraht festgehalten. Ein gleichfalls U förmig gebogener Schlauch, von dem nur ein kürzerer Schenkel unter die Glocke geht, dient zur Ausströmung des Gases. Die Dichtung der Glocke gegen die Schale erfolgt durch eine Schicht flüssigen Paraffins. Nachdem im BoxKixschen Apparat die geimpften Platten auf dem Gestell aufgestellt sind, kommt auf dessen unterste Etage eine Schale mit Pyro- gallussäurelösuug, der unmittelbar vor dem Aufsetzen der Glasglocke einige Tropfen Kalilauge zugefügt werden (näheres s. unter c folgende Seite). Nunmehr wird \Vasserstofi' zugeleitet, die Ausströmungsöffnung aber bleibt vorerst verschlossen, so dass die Luft zunächst durch das Paraffin hindurch entweicht. Nach einigen Minuten öÖnet Fis:. 35. man das Ableitungsrohr und entzündet das Gas an einem dort eingefügten, spitzverengten Glasrohr. Ist alle Luft verdrängt, so muss das Wasser- stoögas mit ruhiger Flamme brennen. Nunmehr wird die Gaszuleitung unterbrochen und die Schläuche werden herausgezogen. Blücher 11' konstruierte einen ähnlichen Apparat, in dem der Ab- schluss statt durch Paraffin durch Glycerinlösuug bewirkt wird. Fig. 36. Im Prinzi]) dem B(JTKiNSchen Apparat ähnlich ist ferner der Apparat zur Anaerobenzüchtung von Hesse ''^ (Eig. 35). Er besteht aus einer Metall- platte mit einer breiten und tiefen Rinne, die zur Hälfte mit Queck- silber gefüllt ist. lieber dieser Rinne steht eine Glasglocke, in die die Kulturgefäße zu stehen kommen. Die Füllung der Glocke mit Wasser- stoff geschieht durch U-förmig gebogene Röhren, die unter das Quecksilber eingeschoben werden. Um Einzelplatten unter luftdichtem Abschluss einerWasser- stoffatmo Sphäre auszusetzen, konstruierte Kitasato^i^ (Fig. 36) ein flaches, birnenförmiges Gefäß, ähnlich den KoLLESchen Schalen für Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 467 Massenkulturen mit einer weiteren und einer gegenüberliegenden engeren Oeffinmg. Durch die weitere Oeffuung erfolgt das Eingießen des ver- flüssigten, geimpften Nührmaterials und die Einleitung des Wasserstofis mit Hilfe eines aufgesetzten Gummischlauches. Nach Durchleitung er- folgt Abschmelzung des Zu- und Ausführungsendes. Akens 1'' konstruierte eine ähnliche Vorrichtung, bestehend aus Schale mit aufgeschliflenem Deckel und luftdicht eingesetztem Zu- und Ableitungs- rohr. Der dichte Abschluss des Deckels erfolgt durch Umlegen eines Gummibandes. Andere Apparate der Anaerobenzüchtung unter Wasserstoff sind von Kovyi'^, Gabrischewskyiis, Zettnow^i«, Kamen ii^, Epstein i^^ u. a angegeben. c) Absorption des Luftsauerstoffs durch chemische Mittel. Bei den bisherigen Verfahren wurde die Luft mechanisch ausgetrieben und eventuell durch ein anderes Gas ersetzt. Eine andere Methode beruht darauf, den für die Anaerobenzüchtung allein schädlichen Bestand- teil der Luft den Sauerstoff durch Absorption zu entfernen. Es geschieht dies durch alkalische Pyrogallussäure. Die Bakterien wachsen dann in der übrigbleibenden Atmosphäre bestehend aus Stickstoff und Kohlensäure mit geringen Spuren von Kohlen- oxyd. Buchner 1' 9 hat dies Verfahren zuerst angewandt. Er bringt in ein größeres reagenzglasähuliches Gefäß (Fig. 37) 1 g Pyrogallussäure und dazu mit einer Pipette Iccm einer Yioprozen- tigen Kalilauge. Auf dem Boden des Gefäßes befindet sich ein kleines Drahtgestell, auf das nunmehr das geimpfte Eea- genzglas zu stehen kommt, nachdem sein Wattepfropfen etwas gelockert ist. Das ganze wird mit einem luftdicht schließenden Gummistopfen verschlossen, der noch mit Paraffin abgedichtet werden kann. Es erfolgt nun im Innern des Apparates eine Absorption des Sauerstoffs durch die alkalische Pyrogallus- säure. Um ein Wachstum hintanzuhalten, solange noch Sauer- stoff vorhanden ist, kann man die geimpften Röhrchen zu- nächst einige Zeit auf Eis stellen. Die Absorptionsmethode eignet sich auch für Platten, die man nach Akens (1. c.) unter einen luftdicht abschließbaren Exsiccator bringt, in dem sich die alkalische Pyrogallussäure befindet. Klein 120 stellt die auaerob zu züchtenden Platten unter eine Glas- glocke, die unten gegen eine Glasplatte abgedichtet ist. Durch eine Tubulatur in der Glasglocke erfolgt die Evakuierung mittels einer Wasser- strahlluftpumpe. Unter der Glocke steht ferner eine U-förmige Eöhre mit einem geschlossenen und einem offenen Schenkel, die mit GOprozentiger Kalilösung gefüllt ist. Unter dieser Röhre liegt trockene Pyrogallus- säure angehäuft. Beim Auspumpen der Luft steigt die Kalilauge im offenen Schenkel in die Höhe und ergießt sich durch einen ange- schmolzenen Glasheber auf die Pyrogallussäure. Da bei diesem Verfahren das Verhältnis der absorbierenden Fläche zum Luftinhalt ein nicht sehr günstiges ist, hat Slupskyi^i unter Be- rücksichtigung dieses Faktors einen Apparat konstruiert, bei dem eine möglichst große absorbierende Fläche einem geringen Luftinhalt ent- spricht. Die geimpfte Agarschale kommt offen auf einem Dreifuß in eine große Schale über ein Gefäß mit alkalischer Pyrogallussäure zu stehen, über die Platten und die Schale mit der Pyrogallussäure kommt 30* Fiff. 37. 468 E. Friedberger, eine Glasglocke mit aufgescliliffenem Rand. Der Raum zwischen der Außenwand dieser Glocke und der Innenwand der Schale wird mit Paraffin ausgegossen, wodurch ein Eindringen der Luft vermieden wird. Hammerl^' züchtete Anaeroben mittels des Verfahrens der Sauerstoff- absorption durch Pyrogallussäure direkt in Petrischalen. Er benutzte Schalen, die einen sorgfältig aufgeschliffenen Deckel haben und befestigte an der Innenseite des Deckels mit Wachs oder Paraffin eine Platte aus dicke, porösen Papierstoff', die er mit alkalischer Pyrogallussäurelösung tränkte. Das Ganze verschluss er durch ein Gummiband. Züchtung der Anaeroben im hängenden Tropfen. Mit Hilfe der Absorptionsmethode kann man in sehr einfacher Weise Anaerobenkulturen im hängenden Tropfen anlegen. Man bringt zu dem Zweck an die eine Seite des Ausschliffrandes eines hohlgeschliffenen Objektträgers einen Tropfen Pyrogallussäure, an eine benachbarte Stelle einen Tropfen Kalilauge, legt das Deckglas mit dem hängenden Tropfen über und mischt die beiden an dem Rande befindlichen Tropfen durch geeignetes Neigen des Präparates, „ ^-^^ "'•'^^ ohne den hängenden Tropfen mit der Mischung in Berührung zu Fig. 38. bringen (Nikiforoff i22j Besser benutzt mau statt der gewöhnlichen hohlgeschliffenen Olyektträger solche nach F. E. Schultze, die mit einer Rinne an der Peripherie des Ausschliffs ausgestattet sind (Fig. 38). Braatz12"' konstruierte zur Anaerobenbetrachtung einen Objektträger, dessen Ausschliff mit einem Gefäß in Verbindung steht, das mit alkalischer Pyrogallussäure gefüllt ist (Fig. 39). 4. Züchtung der Bakterien bei konstanter Temperatur. Der Thermostat. Die in den vorhergehenden Kapiteln beschriebenen Nährböden be- dürfen nach der Beschickung für die Auskeimuug der Mikroorganismen, meist gewisser für das J Wachstum optimaler Temperaturen. Zu die- sem Zweck bringt man mj^^m^^^' i f / .:^' /-^, die Kulturen in Thermo- Fig. 39. eingestellt sind. Die Thermostaten oder Brut- schränke (Fig. 40) sind doppelwandige, mit einer schlecht wärmeleitenden Hülle umgebene Metallkästen, zwischen deren Wänden sich Wasser be- findet. Den Zutritt zum Innern vermitteln wohlverschließbare Doppel- thüren. Der Innenraum ist in mehrere Etagen abgeteilt. Die Erwärmung geschieht von unten am besten durch Gas mittels eines KocHSchen Sicherheitsbrenners (Fig. 41). Ein Durchschlagen der Flamme ist bei diesen Brennern dadurch vermieden, dass an der Gasausströmungs- und Luftzuführungsöffnung ein Drahtnetz angebracht ist. In die Flamme ragt eine Feder hinein, die vermöge ihrer Ausdehnung ein mit einem Gewicht belasteten Hebelhahn horizontal festhält. Beim zubilligen Auslöschen der Flamme findet dieser an der sich abkühlenden und zusammenziehenden Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 469 Feder keine Stütze mehr und führt einen Abschluss der Gaszufuhr herbei. Beim Anzünden der Flamme wird der Hebelarm solange horizontal gehalten, bis er durch die Ausdehnuug der Feder eine genügende Stütze ündet, um in dieser Lage zu l)eharren. Da, wo kein Gas vorhanden ist, erfolgt die Erwärmung durch Petroleum oder Spiritus. Fig. 40. Laxdois hat einen regulierbaren Thermostaten augegeben, der mit Stearinlichtern geheizt wird. Zur Regelung der Wärmezufuhr für die Flamme dient ein Thermo- regulator. Die schnellste Kegulierung gestattet ein Quecksilberthermo- rc'ulator. °Der gebräuchliche LAUTEXscHLÄGERSche elektrische Thermoregu- lator (Fig. 42) hat folgende Konstruktion: In die luftleere Kapillare 470 E. Friedberger, oberhalb des Quecksilberreservoirs K sind zwei Platiudrähte a und h ein- gefügt, über ihnen befindet sich ein Glas- widerstaud c, der jedoch dem aufsteigenden Quecksilber die Passage frei lässt. Beim Fallen des Thermometers aber reißt der Quecksilberfaden an der Stelle des Wider- stands. Das untere Stück tritt in die Kugel zurück. Ist das Thermometer in Funktion und gelangt die untere Queck- silbersäule bis an den obereuPoldraht />, so tritt Stromschluss ein und die Gaszufuhr wird dann vermittels eines mit dem Thermo- meter verbundenen Gasschließers abgestellt. Verlässt die Quecksilbersäule bei Sinken der Temperatur wieder den Poldraht b, so ööuet sich der Strom und die Gaszufuhr ist wieder frei. Der Gasschließer besteht aus einem Hebelarm mit Eisenkern, der beiStromschluss von einem Elektromagneten angezogen wird, wodurch die Gaszufuhr reguliert wird. Von den zahlreichen Gas- thermoregulatoren sind die gebräuchlichsten die auf dem Prinzip des Lothar Meyer- schen beruhenden. Der moderne Spiralthermo- regulator (System Lauten- 8CIILÄGEK, Fig. 43), der sich im Prinzip au den genannten an- schließt, ist folgendermaßen eingerichtet: Er besteht aus einem langen, unten geschlos- senen und oben mit ]Metall- kuppe versehenen Glasrohr G^ das durch eine quere Scheide- wand bei c in zwei Hälften ge- trennt ist, die durch eine im untern Teil befindliche, oflene Spirale Sp miteinander kommu- nizieren. Im oberen Teil be- findet sich ein Ableitungsrohr h für das Gas zum Brenner. Durch die Metallkappe Ä' geht das gasdicht verschiebbare Zu- leitungsrohr r. Dieses besitzt einen Schlitz d und oberhalb eine kleine Oeffnung, das so- genannte Notloch e. In dem untersten, von der offenen Spi- rale erfüllten Teil befindet sich Quecksilber und Aether. Beim Fig. 42. Fig. 43. Erwärmen dehnt sich der Aether aus und treibt das Quecksilber durch die Spirale hindurch in den oberen Eohrteil, wo es die schlitzförmige Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 471 Oeffimng,- des Zuleitanicsrolires je nach der Höhe der Temperatur mehr oder weniger absperrt. Dadurch wird die Gasausströmung zum Brenner reguliert. Ein vollständiges Auslöschen des Brenners wird dadurch ver- hindert, dass durch das Xotloch immer noch Gas ausströmen kann. Je tiefer das Zuleitungsrohr in den Kegulator hineinragt, bei um so niederer Temperatur ist schon der Schlitz durch das Quecksilber abgesperrt. Die Einstellung des Thermoregulators: Der zwischen Gas- leitung und Brenner eingeschaltete Kegulator wird zur Einsteilung in ein Wasserbad gesetzt, das eine etwas höhere als die für den Brut- schrank gewünschte Temperatur hat. Man schiebt nunmehr das Zu- leitungsrohr nach unten, bis die Flamme gerade anfängt kleiner zu werden. Mau bringt dann Wasser von der entsprechenden Temperatur in den Wasserraum des Brutschranks, steckt den Regulator durch eine für ihn augebrachte Tubulatur in das Wasser hinein [Th Fig. 40) und verbindet ihn mit Brenner und Gasleitung. Findet eine Abkühlung statt, so sinkt das Quecksilber im Regulator, der Schlitz am Zuleitungsrohr wird weiter geöftuet, damit wird die Gas- zufuhr stärker, die Flamme größer und die Regulierung findet auf diese Weise selbstthätig statt. Der Thermostat trägt noch am oberen Teil ein in das Innere hineinragendes, außen ablesbares Thermometer [T Fig. 40), das die Kontrolle über die Innentemperatur ermöglicht. Seitlich ist ein AVasserstandsrohr für den Wasserraum angebracht. Für Gelatinenährböden ist die Brütung bei höherer Temperatur als 22° gewöhnlich ausgeschlossen. Um auch im Sommer besonders in lieißem Klima ein Steigen der Temperatur über 22° zu verhindern, hat Lautenschläger nach den Angaben von Bitter & Kolle einen Brut- schrank für konstante, niedrige Temperatur konstruiert (Fig. 44), bei dem, sobald die Temperatur über 22° steigt, durch ein elektrisches Kontakt- thermometer eine Eiswasserregulierung selbstthätig in Aktion tritt. Ein einfacher Brutapparat für die Bedürfnisse des praktischen Arztes ist von Walz -^ angegeben worden. Die Erwärmung erfolgt durch einen Einsatz, der mit Thermophormasse (essigsaures Natron) gefüllt ist. Vor dem Gebrauch wird der Einsatz für kurze Zeit in kochendes Wasser gesetzt. Beim Auskrystallisieren des essigsauren Natrons wird die Wärme an den Brütofen allmählich abgegeben. Man braucht für den gewöhnlichen Betrieb zwei Brutschränke, von denen der eine für Agarböden auf 37° eingestellt ist und der zweite für Gelatinenährböden die konstante Temperatur von 22° hat. Die geimpften Kulturen werden für bestimmte Zeit je nach der Wachs- tumsenergie, die bei den einzelnen Bakterieuarten schwankt, in den Brut- schrank eingestellt. Um bei langsam wachsenden Arten eine Eintrocknung des Nährmediums zu verhindern, überzieht mau Reagenzglaskulturen mit einer Gummikappe, Petrischalen mit einem eng anschließenden Gummiring. Hesse benutzt bei langsam wachsenden Bakterien, um ein Eintrocknen des Schaleninhaltes zu vermeiden, hochrandige Petrischalen, die er nach Impfung ihres Inhalts umkehrt. Auf die Innenseite der jetzt als untere Schale dienenden Deckschale kommt ein niederes Gefäß mit Wasser. Da- durch ist wochenlange Züchtung bei 37° ohne Austrockuung ermöglicht. Da das Agar die Eigentümlichkeit besitzt, beim Erstarren Wasser auszupressen, das nachher im Brutschrank sich an dem Deckel der Petrischalen kondensiert und über die Oberfläche der Platten laufend die Keimtrennung illusorisch macht, so stellt man Agarplatten allgemein um- gekehrt in den Brutschrank ein. 472 E. Friedberger, 5. Methoden der Herstellung von Reinkulturen. Ist auf Platten ein sichtbares Kolonieenwaehstum erfolgt, so werden sie aus dem Brutschrank herausgenommen, um die einzelnen Arten zu iso- lieren und rein zu züchten. Zu diesem Zweck betrachtet man die Platten zunächst bei schwacher Vergrößerung unter dem Mikroskop und sucht Aufschluss zu gewinnen ül)er die Zahl der vorhandenen, verschiedenartig aussehenden Kolonieen. Von diesen sucht mau möglichst isoliert liegende aus, von denen Ausgangsmaterial zu Reinkulturen entnommen wird. Man stellt eine solche, isolierte, am besten oberflächliche Kolonie scharf ein, entnimmt mittels einer ausgeglühten Platinnadel unter Kon- trolle des Mikroskops einen Teil der Kolonie und überträgt diesen, nachdem man sich davon überzeugt hat, nur von einer Kolonie ent- nommen zu haben, auf ein Röhrchen mit schrägerstarrtem Nährboden, indem man den Draht vorsichtig darüber hinführt Strichkultur), oder man sticht den infizierten Draht von oben in ein Röhrchen mit gerade erstarrtem Nährboden ein (Stichkulturi. Wurde sicher nur von einer Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 473 Kolonie abg:eim])ft , so wird eine Reinkultur der betreffenden Art in Stich- resp. Strichkultur erzielt. Soll die Stichkultur der mikroskopischen Untersuchung- zugäng-lich gemacht werden, so legt man sie nahe der AVand des Reagenzglases an (Kral). Das Entnehmen von isolierten Kolonieen, das »Fischen«, kann man sich dadurch erleichtern, dass man dem abimpfendeu Platindraht einen Stützpunkte verleiht. Zu dem Zweck hat Pkausnitz^'^ mittels eines Ringes ein kleines Metallblech mit Einschnitt am Objektiv angebracht (Fig. 45). Unna hat ferner eine Bakterienharpune angegeben (Fig. 46), die nach Ein- stellung der Kolonie an Stelle des Objektivs an den Revolver angeschraubt wird und beim Senken des Tubus die gewünschte Kolonie aussticht. Freymuth cK: Lickfett125 haben die Bakterienharpune noch modifiziert. Um l)ei Rollplattcn den störenden Einfluss der Krümmung des Reagenz- glases bei der Einstellung auszuschalten, legt man auf die unter die Linse des Mikroskops zu bringende Stelle mittels Zedernöls ein Deckglas auf. Die Abimpfung von Rollplatten geschieht mit einem winklig ge- bogenen Platiudraht. Fis:. 45. Fig. 46. Das von der isolierten Plattenkolonie abgeimpfte Material wird auf das Nährmedium übertragen, dass das beste Wachstum gewährleistet. Handelt es sich aber darum, die Identität der Art erst festzustellen, so werden direkt aus dem Ausgangsmaterial oder von der gewonnenen Reinkultur noch Ueberimpfungen auf die verschiedensten Nährmedieu vorgenommen, um aus der Art des Wachstums und dem sonstigen Ver- halten zum Nährsubstrat Anhaltspunkte für die Bestimmung der Art zu gewinnen. War die abgeimpfte Ktdtur nicht sicher rein, so benutzt man das abgefischte Material zunächst zu einer neuen Platenserie. 6. Die Betrachtung von Kulturen. Morphologisch gleiche Arten können sich schon durch eine Ver- schiedenheit des Wachstums auf verschiedenen Nährmedien als difterent erweisen. Man achte bei Bouillonkulturen darauf, ob die Bouillon klar bleibt oder ob Niederschläge entstehen, die eventuell eine be- stimmte Farbe haben. Die Niederschläge können verschiedenes Aus- sehen haben, bald sind sie bröcklich, bald zusammengeballt, bald schlei- mig, bald dünn. Beim Umschütteln veranlassen sie entweder eine gleichmäßige Trübung der Bouillon oder sie steigen in Form von Flocken auf oder als eine zusammenhängende, geballte Masse. Die 474 E. Friedberger, Bouillon kann ferner verschieden stark getrübt sein, ibre Konsistenz ändern, oberflächlich eine Haut bilden, die ihrerseits wieder ein ver- schiedenes Aussehen haben kann. Sehr verschieden ist das Aussehen von Gelatinestichkulturen. Es ist bereits erwähnt, dass die Gelatine ein Eiweißkörper ist und dass verschiedene fermcntbildende Bakterien imstande sind, sie zu verflüssigen, während andere sie gänzlich intakt lassen. Bei nicht verflüssigenden Arten bildet sich bald Oberflächenwachstum allein, bald nur ein Wachstum längs des Stichkanals oder nur in dessen unteren Particen. Das Oberflächenwachstum ist bald flach, bald stark prominent (nageiförmig), bald gleichmäßig rund oder ungleichmäßig be- grenzt. Die Konsistenz der Kulturmasse kann eine verschiedene sein, zäh oder weich. Der Impfstich kann zusammenhängend oder unter- brochen sein. Das Wachstum kann von der Einstichstelle in das Innere des festen Nährmediums gleichmäßig sich fortsetzen. Bei den verflüssigenden Arten ist das Aussehen der Kulturen ein ganz verschiedenes, je nach der Schnelligkeit, mit der die Verflüssigung erfolgt. Der Verflüssigungstrichter ist bald schmäler, bald breiter und endigt spitz oder stumpf. An der Oberfläche können sich Häutchen bilden u. s. w. Die Kulturen können eigene Farben zeigen oder das Nährsubstrat färben. Das Kulturmaterial kann verschiedene Konsistenz besitzen. Es kann weich sein und feucht, oder trocken, schwer abhebbar und brüchig u. s. w. Um verschiedene Wachstumsformen einzelner Kolonieen auf den gewöhnlichen, festen Nährböden zu beobachten, bedient man sich am besten des Plattenvcrfahrens. Man hat dal)ei auf die Größe, die Farbe, die Erhebung über die Oberfläche, die Durchsichtigkeit der Kolo- nie zu achten, ferner auf den Bau der ganzen Kolonie, ob sie homogen, oder ob sie granuliert ist, ob sie aus Schüppchen zusammengesetzt scheint oder aus langen Fäden u. s. w. Der Rand endlich kann regelmäßig oder unregelmäßig begrenzt sein, zackig oder wellenförmig verfilzt, er kann Ausläufer besitzen, die ihrer- seits wiederum verschiedenes Aussehen haben. Auf Kartoffeln bilden sich bald dicke oder dünne, trockene oder feuchte, glatte oder runzlige Ueberzüge, bald kaum sichtbare Rasen, bald intensiv gefärbte, deutlich prominente Kolonieen. Sterilisierte Milch kann ohne Säurebildung oder unter Säure- bildung fein- und grobflockig gerinnen. An die Gerinnung kann sich wieder eine Lösung des geronnenen Kaseins anschließen oder nicht. Noch schärfer treten Unterschiede hervor bei Verwendung der Kulturmedien, die speziell zur Differentialdiagnose dienen. In traubenzuckerhaltigen, festen Nährböden bilden sich bei gärungsfähigen Arten große Blasen im Innern, bei andern nicht; bei säure- resp. alkalibildenden und bei reduzierenden Bakterien entstehen verschiedene Färbungen der mit betreffenden Zusätzen versehenen Nähr- medien. Ist auf diese Weise bei pathogenen Arten, eventuell auch noch mit Zuhilfenahme des Tierversuchs, die Artbestimmung einer Reinkultur er- folgt, so wird die betreffende Art von Zeit zu Zeit auf ein neues Röhrchen mit Nährmaterial übertragen und so weiter gezüchtet. Das für die Ueber- tragung erforderliche Zeitintervall ist bei verschiedenen Art ein ganz verschiedenes und schwankt selbst bei sporenfreien Arten zwischen we- nigen Tagen und Monaten. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 475 7. Methode der Herstellung von Dauerkulturen. Um Kulturen dauernd aufzubewahren, muss man sie vor der Ein- trocknung schützen, was durch einen luftdichten Abschluss zu erreiclien ist. Die Kultur selbst braucht dabei vorher nicht unbedingt abgetötet zu werden, da bei Luftabschluss ohnedies das Wachstum bald sisticrt. Der sicherste Abschluss wird durch Abschmelzen der Oeffnungen der Kulturgefäße errreicht (Soyka & Krali^Rj. CzAPLEVv'SKi '2' wandte für Keagenzglaskultureu einen Paraffin verschluss an. Der Wattepfropf wird ein Stück weit in das Reagenzglas hinein- gestossen und mit flüssigem Paraffin überschichtet, bis dieses nach dem Erstarren bis zur Stundung des Glases heranreicht. Petrischalen kon- servierte er auf die Weise, dass er bei umgekehrter Haltung der Schale den Zwischenraum zwischen beiden Hälften mit Paraffin ausgoss. Sollen die Kulturen vor der Konservierung abgetötet werden, so er- halten sie zunächst einen Formalinzusatz (Hauser'^sj, Schalenkulturen werden zu dem Zweck auf der Innenseite des Deckels mit Filtrierpapier ausgekleidet, das mit einer Formalinlösuug betupft wird. Sie kommen dann in eine feuchte Kammer zu stehen, in der sich in einem offenen Schälchen mit Formalin getränkte Watte befindet. Pei Picagenzglas- kulturen wird das untere Ende des Wattepfropfs in Formalin getaucht und derartige Kulturen werden dann bis zur erfolgten Abtötung in ein luftdicht zu verschließendes, cylindrisches Glas eingestellt, auf dessen Boden sich gleichfalls mit Formalin getränkte Watte befindet. Das Formalin härtet die Gelatine, ändert aber im übrigen weder das Aus- sehen der Kultur noch des Substrats. Um wirkliche Dauerkulturen zu erhalten, ist jedoch auch bei abgetöteten Kulturen ein luftdichter Ab- schluss, wie er l)ei Eeagenzglaskulturen durch A])sehmelzung erzeugt wird, zur Verhütung der Eintrocknung nötig. Um dies auch für Petrischalen sicher zu erreichen, hat Pauli^'j ein besonderes Verfahren angegeben. Er schließt die kulturtragenden Petrischalen nicht mit einem Deckel, sondern mit einer Glasplatte, die eine für die Schale passende, tiefe Kinne hat. Die Abdichtung erfolgt durch geschmolzenen weißen Siegellack. Zur Konservierung einzelner Kolonieen in Form des mikroskopischen Präparates trocknete Garre '3*» ausgeschnittene Gelatinekolonieen auf dem Objektträger und konservierte sie in Glyceringelatine unter Deckglas. Aehnliche Verfahren rühren von Plaut ^'^i, Lipez'32^ JacobiI^^ "und Güxther'-^i her. Auch von mit Formalin abgetöteten Platten lassen sich Präparate einzelner Kolonieen auf Objektträgern herstellen. Der Ein- schluss erfolgt in verflüssigter Gelatine unter Deckglas. Zum Erstarren der Einschlussmasse werden die Präparate 24 Stuuclen Formalindämpfen ausgesetzt; Lackring zum Schutz gegen Eintrocknung. Um den feineren Bau von Kolonieen zu studieren, muss man das Substrat härten und färben. Jacobi übergießt zu dem Zweck Platten mit Iprozentiger Lösung von Kaliumbichromat, lässt sie 1—3 Tage an der Luft stehen und löst sie nach Entfernung des Kaliuni))ichr(tmats von der Unterlage. Nach 24 stündigem Auswaschen in Wasser und Härtung in Al- kohol werden ausgeschnittene Stücke gefärbt. Einschluss in Kauadabalsam. A. Neisser135 iiat Schnitte mit dem Mikrotom aus den in analoger Weise vorbereiteten Gelatinestichkulturcylindern angefertigt und gefärbt. WixKLERi^fi hat Schnitte durch lebende Agarkulturen augelegt. Er verfertigte sich aus Paraffinblöcken Hohlcyliuder, die unten mit Paraffin verschlossen wurden und goss sie mit Airar aus, der eventuell schon 476 . E. Friedbergei, vorher infiziert war oder iiachträglich durch eine Stichkultur geimpft wurde. Bei einem gewissen Grad des Wachstums wurden mit dem Mikrotom Schnitte unter Alkohol durch die Kultur angelegt. Litteratur. 1 Abba, Centralbl. f. Bakt.. Abt. L Bd. 23. 1898. — 2 Unna, ebd., Abi. I, Bd. 9, 1891. — Ders., ebd., Bd. 11. 1892. — -^ Nägeli. Untersuchungen über niedere Pilze. München, Leipzig 1882. — * Pasteur, Comptes rend.. Bd. 45, 1861. — 5 J. CoHN, Beiträge z. 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Die KocHsche Methode giebt schon annähernden Aufschluss über die Zahl der in der Luft vorhan- denen Mikroorganismen. Um jedoch diese genauer festzustellen, verfuhr man in der Weise, dass man gemessene Quantitäten Luft durch Flüssig- keiten (Miquel) oder über feste Nährböden (Hes.se'1 hinstreichen ließ und dann die Zahl der eingebrachten Keime bestimmte oder die Bakterien in Filter auffing und diese nachher zur I^ntwicklung in Nährmedien brachte (Petri 4). Um das Luftquantum abzumessen, bedarf es eines geaichten Aspirators resp. einer geeichten Luftpumpe; falls diese nicht vorhanden sind, muss das Luftquantum mit Hilfe einer Gasuhr geraessen werden. Mk^uel bestimmte den Keimgehalt der Luft in der Weise, dass er sie durch steriles Wasser durchsaugen ließ und nachher die keimhaltige 478 E. Friedberger, Flüssigkeit, die zuvor zur Keimtrennung kräftig geschüttelt wurde, zu gleichen Portionen in 40 - 50 Kolben mit steriler Bouillon verteilte. Die Aspiration und eventuelle Verdünnung der Waschflüssigkeit ist so zu regeln, dass etwa 25^ der Kolben steril bleiben. Emmerich^ suchte eine innigere Berührung der keimhaltigen Luftblasen mit der Flüssigkeit dadurch zu erreichen, dass er die Luft durch ein vielfach gewundenes mit steriler Flüssigkeit gefülltes Glasrohr schickte (Fig. 47). SEHLENf' sowie HuEPPE (Lehrb.) verbesserten diese Methode dadurch, dass sie die Luft nicht durch Flüssigkeit, sondern durch verflüssigte, gelatinierende Niihrmedien schickten. Hueppe bediente sich dabei einer X^ersuchsanordnung ähnlich der, die er für die Züchtung anaerober Bakterien in KeagenzgUiskulturen unter Wasserstoff angegeben hat (Fig. 48). Nur sitzt hier der zweifach durchbohrte, mit Eöhrchen armierte Gummipfropfen nicht dem Reagenzglas direkt auf, sondern in einem auf das Reagenzglas gestülpten Glashelm (ähnlich dem Pasteur- schen Verschluss), um eine Verunreinigung beim späteren Ausgießen des Inhalts zu Platten zu vermeiden. Durch das längere Rohr des Gefäßes Fie:. 47. Fig. 48. tritt die Luft ein, das kürzere ist mit dem Aspirator verbunden. Auf dem gleichen Prinzip beruhen Apparate, die von Kammerer & Giacomi'', V. Straus &- Würz* angegeben sind. Die Methode des Arbeitens mit Flüssigkeiten hat den Vorzug, dass man Bakterienverbände, wie sie gerade in der Luft auf Staubteilchen sitzend so häufig vorkommen, durch Schütteln trennen kann, so dass die Einzelindividuen zu isolierten Kolonieen auswachsen. Andererseits aber ist das Verfahren sehr umständlich und es findet bei dem immerhin nur laugsamen Hindurchleiten bereits während des Versuchs eine störende Vermehrung schnellwachsender Arten statt. Ein Verfahren, bei dem diese Fehlerquelle fortfällt und das auch sonst relativ einfach in seiner Handhabung ist, stammt von Hesse (1. c). Der von ihm benutzte Apparat (Fig. 49) besteht im wesentlichen aus einer Glasröhre von 70 cm Länge und 3,5 cm Durchmesser, die mit steriler Gelatine so ausgerollt ist, dass auf der Bodenfläche ein etwas reichlicherer Gelatinebelag besteht. Der Verschluss wird an der einen Seite durch zwei Gummikappen bewirkt, von denen die eine innere Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 479 einen runden Ausschnitt besitzt. Im andern Ende steckt ein fest schlie- ßender Gummistopfen, in dessen zentraler Bohrung sich ein Glasrohr befindet, das mit dem Aspirator in Verbindung steht. Der Apparat ist auf ein Stativ aufgesetzt. Wird er in Betrieb gesetzt, so wird die an einem Ende befindliche, undurchbohrte Gummikappe abgenommen und die Luft durch die Oetiuung in der zweiten Gummikappe langsam aspiriert, dass etwa in der jMinute V2lLuft hindurchgeht. Die Keime setzen sich auf der Gelatine nieder und können nach dem Auswachsen gezählt und bestimmt werden. Aehnlich dem HESSEScheu Verfahren ist ein Verfahren von Miquel, das auf dem Prinzip beruht, dass Mikroorganismen kapillare Röhren nicht passieren, sondern an den Wänden haften bleiben. Der Apparat besteht aus einem ERLENMEYER-Kolben, der nach oben in eine Glasröhre ausläuft, die an ihrem unteren Teil verengt ist. In die Ver- engerung ist ein Wattepfropf ein- gelassen, ein zweiter schließt das obere Ende der Röhre. An der Seitenwand des Kolbens wenig über dem Boden befindet sich eine Tubulatur mit einem Kork- stopfen, durch den ein dünner Glasstab in das Innere des Kolbens fast bis zur entgegengesetzten Wand reicht. Man bringt soviel des gelatinierenden Nährmediums in den Kolben hinein, dass der Glasstab vollständig bedeckt ist, neigt dann das Gefäß etwas, dass die Spitze des Glasstabes wieder aus dem Nährmedium herausragt und lässt den Nährboden in dieser Lage erstarren. Dann verbindet man das obere Ende des Kolbens mit dem Aspirator, zieht den Glasstab aus der Gelatine her- aus und lässt nun die Luft durch den gebildeten, engen Kanal hin- durchströmen. Zum Schlussschließt man die Tubulatur wieder mit einem Korkstopfen. Das Nährmedium, in dem beim Durchleiten der Luft durch den Nährbodenkanal alle Keime haften geblieben sind, wird wieder verflüssigt und zur sorgfältigen Ver- teilung der Keime geschüttelt. Diese kommen dann innerhalb des Kolbens zur Entwicklung und können gezählt werden. Der Kontroll- wattepfropf, der an der Verengerung des kapillaren Röhrchens sitzt, bleibt meistens steril, da in dem engen und feuchten Kanal vorher alle Keime zurückgehalten wurden. Diese Methoden haben jedoch gegenüber der Verwendung von Flüssig- keiten wieder den Nachteil, dass unter Umständen Bakterienverbände, nicht einzelne Individuen zu Koloniecu auswachsen. Man erhält auf diese Weise geringere Werte als bei der Verwendung von Flüssigkeiten. Frankland 9 und Petri H c.) haben unabhängig voneinander eine Methode angegeben, die von den Mängeln der beiden vorigen frei ist. Die Fiff. 49. 480 E. Friedberger, Luft wird nach der Anordnung von Petri (Fig. 50) vermittels einer Luft- pumpe durch sterilisierten Quarzsand von 1/3^ — ^1/4 ^^ Korngröße geleitet. Dieser Sand befindet sich in einer 6 — 10 cm langen, beiderseits offenen Glasröhre von Keagenzglasdicke. An der mit dem Aspirator verbundenen Seite ist sie mit einem Gummipfropfen mit zentraler Bohrung, in der sich ein Glasrohr befindet, geschlossen. Der Verschluss auf der andern Seite ist durch einen Wattepfropf bewerkstelligt, der beim Versuch heraus- genommen wird. Das Innere der Köhre ist mit Quarzsand ausgefüllt. In der Mitte der Filtermasse befindet sich eine Drahtgazekappe, die das Filter- Fig. 50. material in zwei Portionen trennt. Die Luft wird nun durch das senk- recht gestellte Filter durchgeleitet (etwa 10 1 pro Minute 10 — 20 Minuten lang). Die vordere Hälfte des auf diese Weise infizierten Sandes wird in verflüssigtes Nährmedium gebracht, dort zur Keimtrenuung gut ge- schüttelt und zur Plattenaussaat und eventuellen Keimzählung benutzt. Die andere Hälfte des Filtersandes wird in gleicher Weise zu Kontroll- platten verwandt. In ihr sollen sich keine Keime mehr befinden. Der Apparat hat durch FickerI" eine Eeihe von Verbesserungen er- fahren (Fig. 51). Statt der Luftpumpe benutzte er einen spindelförmigen Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 481 Gummiballon von bekanntem Luftinhalt. Die Filterröhre ist hinter der Einstrijmungsöffnung für die Luft erweitert. Der Luftzutritt erfolgt durch eine eingefügte engere Köhre. Auf diese Weise ist der Luftstrora ge- zwungen, die Mitte des Filters zu passieren, während bei der Petri- schen Anordnung die Luft zum Teil durch die Lücken zwischen Glas- wand uud Köhreninhalt durchstreichen konnte, ohne die Keime abzu- geben. Die Sandkörner ersetzte Ficker durch Glasstaub, da auf den mit Sand beschickten Platten wegen der entstehenden Trübung der Ge- latine die Entwickelung der Kolonieen sich weniger gut beobachten ließ. Fig. 51. Frankland (1. c.) hat überhaupt als Filtermaterial eine lösliche Substanz (Zuckerpulver) benutzt. Zum Nachweis pathogener Bakterien, die wegen ihres langsamen Wachstums oder aus anderen Gründen mit dem Züchtungsverfahren der Beobachtung entgehen, muss i. R. der Tierversuch angewandt werden. Tuberkelbazillen hat auf diese Weise Cornet^i durch Impfung auf Meer- schweinchen im Staub von Krankenzimmern gefunden. Es ist jedoch Flügge 12, 13, i3iv ^^ud seinen Schülern gelungen, auch direkt Tuberkel- bazillen, die beim Husten, Sprechen oder Niesen der Kranken an feinsten Tröpfchen haftend nach außen gelangten, auf Objektträgern aufzufangen und durch Färbung nachzuweisen. Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 31 482 E. Friedberger, B. Die Methoden der bakteriologischen Untersuchung des Bodens, Eine genaue quantitative UnterBuchuDg der Bakterien des Bodens ist mit großen Schwierigkeiten verknüpft, da Eamentlich in den oberen Bodenscliichten die Keimzahl eine sehr hohe ist und die Mikroorga- nismen des Bodens die heterogensten Wachstumsbedingungen erfordern. Es finden sich anaerobe Arten neben aeroben, solche die bereits bei den niedrigsten Temperaturen wachsen neben ausgesprochen thermo- philen. Zudem ist eine gleichmäßige Verteilung der entnommenen Bodenproben im Nährmedium fast unmöglich. Die Entnahme der Bodenproben von der Oberfläche geschieht nach Fränkeli^ mit einem aus Platin bestehenden, zuvor sterilisierten, kleinen Löffel von bekann- tem Inhalt. Sollen Erdproben aus der Tiefe keimfrei gewonnen werden, so benutzt man einen gleichfalls von Fränkel an- gegebenen Bohrer (Fig. 52). Derselbe be- sitzt oberhalb der Windung eine durch eineHülse verschließbare Kammer. Der Bohrer wird bei geschlossener Kammer in die betreffende Tiefe hineingebohrt. Bei einer geringen Drehung nach rechts öffnet sich in der Tiefe die Kammer und die Erde kann in dieselbe ein- treten. Eine Drehung in der entgegen- gesetzten Richtung schließt wiederum automatisch die Kammer. Diese und die Hülse sind vor dem Gebrauch zu sterilisieren. Die Untersuchung- der entnonnnenen Bodenproben muss wegen der schnellen Vermehrung der Keime möglichst sofort erfolgen. Fränkel brachte Erdpartikel in verflüssigte Gelatine, zerkleinerte sie mit einem sterilen Platindraht und goss Rollröhrchen. Eberbach^^ zerrieb die Erde zuvor mit sterilem Sand. Man kann auch eine bestimmte P)0- denmenge (als Einheit benutzt man 1 ccm) mit sterilem destilliertem Wasser ver- F'g- ^2- reiben, dann in eine größere Wasser- menge eintragen und durch kräftiges Schütteln die Keime in das Wasser überführen, von dem man einen Teil zur Aussaat benutzt. Wegen der großen Zahl der zur Entwicklung kommenden Keime ist es nötig, starke Verdünnungen anzulegen. Da im Boden, wie bereits erwähnt, Keime vorkommen, die die verschieden- sten Lebensbedingungen haben, so muss man sowohl Züchtungen bei höheren wie niederen Temperaturen und auch bei Luftabschluss vor- nehmen, wenn man ein Urteil über alle vorkommenden Arten ge- winnen will. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 483 Zum Nachweis der im Boden vorkommeudeu patliogeneii Keime, wie Erreger des Tetanus und des malignen Oedems, dient der Tierversuch. Man überträgt verdächtige Bodenproben geeigneten Versuchstieren unter eine Hauttasche. Von den eingehenden Tieren sind die Keime relativ leicht (direkt oder nach weiteren Tierpassagen] zu isolieren. 0. Die Methoden der bakteriologisohen Untersuchung des Wassers. 1. Entnahme des Wassers. Die Entnahme des Wassers zur quantitativen bakteriologischen Untersuchung geschieht mit sterilen Gefäßen. Die Entnahme ist eine verschiedene, je nachdem es sich um ein offenes Wasser, eine Leitung oder einen Brunnen handelt. Wird das Wasser einer Leitung untersucht, so hat mau einfach, nachdem das in den Eöhren stagnierende Wasser ab- gelassen ist, ein Erlenmeyerkölbchen oder ähnliches Gefäß an dem Auslasshahn zu füllen. Pfuhl i^ hat vorgeschlagen, den oberen Teil des Kolbchens vor dem Sterilisieren mit einer über die Mündung greifen- den und mit Bindfaden fixierten Wattekappe zu versehen, damit nicht beim Füllen Keime vom Hand in das Lmere des Kolbchens gelangen können. Zur Untersuchung eines neu angelegten Köhren- brunnens wird nach M. Neissersi^ Vorschlag zu- nächst die Leitung mit Dampf sterilisiert und dann das nach einiger Zeit des Pumpens kalt ab- fließende Wasser zur Untersuchung verwendet, da- mit man ein reines Bild vom Keimgehalt des Wassers bekommt und nicht durch Verunreinigungen, die aus der Leitung stammen, gestört wird. Handelt es sich dagegen um die Prüfung eines bereits im Ge- brauch befindlichen Eöhrenbrunnens, so ist für gewöhnlich eine Peinigung der Pumpe zu unter- lassen, da es dann in der Kegel auf eine Unter- suchung des Wassers möglichst in dem Zustand ankommt, in dem es unter den gewöhnlichen Ver- hältnissen entnommen wird. Bei oberflächlichen Gewässern, wie Flussläufen, Teichen, entnimmt man das W^asser möglichst vom Ufer entfernt. Man wirft zu diesem Zweck, falls man nicht mit einem Boot an die betreffende Stelle gelangen kann, vom Land aus eine an einem Fig. 53. Faden befestigte, sterile und mit einigen sterilen Schrotköruern belastete Flasche möglichst weit vom Ufer weg in das Wasser. Das untersinkende und sich füllende Gefäß zieht man am Faden heraus. Zur Entnahme von Wasserproben aus einer bestimmten Tiefe sind besondere Flaschen angegeben, deren Füllung erst in der gewünschten Tiefe vor sich geht. Man benutzt nach v. Esmarchi* Flaschen (Fig. 53), die durch eine mit Blei beschwerte Gummikappe verschlossen sind und die mittels eines angehängten Gewichtes an einer Schnur bis zur be- stimmten Tiefe in das Wasser versenkt werden. Durch Zug von außen an 31* 484 E. Friedberger, einer zweiten am Verschlussstück befestigten Schnur wird nunmehr die Flasche geöffnet, so dass das Wasser einströmen kann. Durch Locker- lassen der Schnur schließt sich die Flasche und wird, ohne dass der Inhalt derselben mit dem Wasser in anderen Schichten in Berührung- kommen kann, herausgezogen. Roux evakuierte Gefäße, die am oberen Ende in ein zugeschmolzenes, kapillares, gewundenes Glasrohr ausge- zogen waren (Fig. 54). Mit Hilfe eines angehängten Gewichtes C wird das Kölbchen A in ein Gefäß B eingeschlossen in die Tiefe versenkt. An dem kapillaren Hals ist bei A eine Schnur befestigt, mit der, sobald das Kölbchen die gewünschte Tiefe erreicht hat, der Hak abgerissen wird. Das Wasser stürzt nunmehr in das luftleere Kölbchen hinein und füllt es bis zum Rand. Die Evakuierung derartiger Glasgefäße geschieht in der Weise, dass sie zur Hälfte mit destilliertem Wasser ge- füllt werden, das mau nunmehr vollständig zum Ver- dampfen bringt. Sobald das Wasser bis auf Spuren ver- dampft ist, schmilzt man, während noch der Wasserdampf entweicht, die enge Oefinung des Gefäßes zu. Ba Fig. 54. 2. Bestimmung der Keimzahl des Wassers. Das entnommene Wasser muss möglichst sofort zur Keimzählung verwandt werden, da sehr schnell eine Ver- mehrung der Bakterien auch bei niederen Temperaturen stattfindet. Die Bestimmung des Keimgehalts erfolgt allgemein nach dem KocHschen^ Plattenverfahren. Dasselbe besteht im Prinzip darin, dass man die in einer bestimmten Wasser- menge enthaltenen Keime auf einem festen Nährboden au getrennten Stellen sich zu Kolonieen entwickeln lässt, deren Zahl (unter der Voraussetzung, dass jede Kolonie aus nur einem Keim entstanden ist und dass alle Bakterien zu Kolonieen auswachsen) diejenige der ursprünglich vor- handenen Bakterien angiebt. Um das Plattengießen auch am Ort der Entnahme ausführen zu können und eine Vermehrung der Keime bei langem Transport zu verhindern, haben v. Esmarch, Pros- KAUER und andere besondere Ausrüstungskästen mit den nötigen Utensilien angegeben. Ist die Aussaat an Ort und Stelle nicht möglich, so wird das Wasser in Eis verpackt der Untersuchungsstation zugeschickt. Es ergiebt alsdann die Untersuchung der Keimzahl aber kein genaues Bild mehr, da durch die Einwirkung der Kälte nicht eine Vermehrung aller Bakterienarten hintan gehalten wird und auf der andern Seite auch wieder ein Absterben empfindlicher Arten statthaben kann. Die Verarbeitung der Wasserproben zur Keimzählung gestaltet sich folgendermaßen. Man bringt in ein Röhrcheu mit verflüssigter Gelatine je nach dem Keiragehalt 0,1 — 1 ccm des Wassers und sorgt durch leichtes Schütteln für eine Trennung etwaiger Bakterienverbände. Sehr stark keimhaltiges Wasser wird vorher mit sterilem destilliertem Wasser verdünnt und ein aliquoter Teil der Verdünnung zur Plattenaussaat ver- wendet. Es ist für die Genauigkeit des Resultates zweckmäßi2:er. bei Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 485 derartigen, bakterienreichen Wässern stärkere Verdünnung-en anzulegen, als mit feinen Pipetten kleine Mengen abzumessen und direkt mit der Gelatine zu vermischen. Das mit den Wasserproben vermischte Material wird auf Platten oder in Petrischalen gegossen. ]Man zieht im allge- meinen die Gelatine dem Agar vor wegen der charakteristischen Wachs- tumsform der Arten auf diesem Nährboden. Zu vergleichenden Untersuchungsreihen wird mau stets Nährböden von ganz gleicher Zusammensetzung und gleichem Alkaleszenzgrad zu verwenden haben. Speziell ist lur die Wasserwerke des deutschen Reiches eine Vorschrift erlassen, nach der die Gelatine für die Wasser- untersuchung einen gleichen Alkaleszenzgrad besitzt, der auf die Weise erreicht wird, dass zum neutralen Gemisch 1,5^ krystallisierten Natrium- karbonats hinzugefügt wird. Hesse & Niedner''-* empfehlen statt der Gelatine das Agar, weil hier eine Verflüssigung durch peptonisierende Arten wegfällt. Sie geben als geeigneten Nährboden für die bakteriologische Wasseruntersuchung einen Nährboden an, der ohne Zusatz von Fleischwasser, Säure oder Alkali folgendermaßen zusammengesetzt ist: Agar 1,25^, Nährstoff Heyden 0,75^, dest. Wasser 98^. Die günstigste Temperatur zur Züchtung für die meisten Arten be- trägt ca. 20°, pathogene erfordern jedoch Körpertemperatur. Fig. 5ö. Die BebrUtung der Platten muss mehrere Tage (bis etwa 8) dauern, da viele Arten nur sehr langsam wachsen. Häufig ist aber bei Gelatineplatten wegen des reichen Gehalts der Wasserproben an verflüssigenden Arten eine baldige Zählung nötig ohne Rücksicht darauf, ob bereits alle wachs- tumsfähigen Keime zur Entwickelung gekommen sind. Man kann die Platten noch etwas länger vor der vollständigen Verflüssigung schützen, wenn mau die bereits verflüssigte Gelatine absaugt und an die betref- fenden Stellen Tropfen von Sublimat oder Kaliumpermanganat bringt. Bei keimarmen Wässern ist es für die Genauigkeit der Resultate zweck- mäßig, wenn man die Gelatineröhrchen nach dem Ausgießen des Nähr- bodens wieder mit dem Wattepfropf verschließt, in den Brutschrank bringt und die in dem Gekitinerest zur Entwickelung kommenden Keime mit in Anschlag bringt. Man kann auch, nach Müller, den im Röhrchen zurückbleibenden Nährbodenrest mit einer bestimmten Menge sterilen, verflüssigten, gleichartigen Nährmaterials ausspülen. Zur Zählung der Kolonieen dient der Plattenzählapparat von Wolf- hügel (Fig. 55). Er besteht aus einer schwarzen, in einen Holzrahmen eingelassenen Glastafel, auf die die aufihreKolonieenzahl zu untersuchende 486 E. Friedberger, Platte oder Petrischale gelegt wird. Darüber kommt eine zweite Glas- platte, die mit einem Diamauten in Quadratoentimeter eingeteilt ist, von welchen die in den Diagonalen liegenden wiederum in je neun kleinere Quadrate geteilt sind. Die Zählung der in den einzelnen Quadraten sichtbaren Keime erfolgt mit Hilfe der Lupe. Man zählt bei gleich- mäßigem Wachstum nur eine Anzahl von Quadraten aus, nimmt das Büttel und multipliziert mit der Anzahl der Quadrate, die die Platte einnimmt. Bei größerer Keimzahl zählt man nur eine Reihe der kleineren Quadrate = '/o qcm und berechnet im übrigen in gleicher Weise. Mie^*^ quadriert die schwarze Platte des Zählapparates, da bei der WoLFFHüGELSchen Anordnung für Keimzählung in Platten die Paral- laxe störend wirkt. Beim Auszählen der Petrischalen berechnet man gleichfalls den Durch- schnitt pro qcm und multipliziert die gefundene Zahl mit der Quadrat- centimeterzahl des Schalentiächeninhalts den man nach der Formel t'^tt. berechnet. Da jedoch die Schalen keinen ganz ebenen Boden haben, sondern nach dem Rande zu abgerundet sind, ist es zur genaueren Zählung nötig, nicht einzelne Quadrate, sondern Sektoren auszuzählen. Lafar2i hat eine Zäblplatte kon- struiert (Fig. 55 b), deren Sektoren in Felder von je 1 qcm Inhalt eingeteilt sind. Man zählt einen oder mehrere Sektoren aus und bestimmt mit Hilfe der gefundeneu Zahlen die Keimzahl auf der ganzen Petrischale. Bei einem sehr hohen Keimgehalt der Platten, nach M. Neisser^- bereits wenn der Keimgehalt des Wassers 1500 Keime übersteigt, ist die Zählung mit dem WoLFFHüGFLSchen Apparat nicht exakt durchzuführen. Man zählt alsdann nach M. Nelsser mit Hilfe des Mikroskoi)S mehrere Gesichtsfelder, Fig. 55b. deren Größe man mittels eines Objekt- mikrometers für die bestimmte Linscu- kombination und Tubuslänge ein für allemal bestimmt hat. Aus der Mittel- zahl für ein Gesichtsfeld, der bekannten Größe des Gesichtsfeldes und dem Gesamtflächeninhalt der Platten kann man leicht die Zahl der Kolonieen berechnen. Die Zählung mit Hilfe des Mikroskops wird durch die Einfügung eines Okularzählnetzes nach Heim (Lehrb.) zwischen die beiden Linsen des Okulars erleichtert. Man hat bei der mikro- skopischen Zählung darauf zu achten, dass man durch die ganze Tiefe des Gesichtsfeldes hindurchgeht, damit keine Keime entgehen. Die Zählung mittelst des Mikroskops gestattet auch die Berück- sichtigung kleinster Kolonieen, die bei Anwendung der Lupe nicht sicht- bar sind. Die Zählung der Rollröhrchen vereinfacht man sich dadurch, dass man die Außenseiten des Röhrcheus durch Längs- und Querstriche in Felder einteilt und diese mit einem von v. Esmarch22 angegebenen Apparat auszählt (Fig. 56). Die Berechnung erfolgt bei bekannter Länge und Durchmesser des Röhrchens nach der Formel l .2 r tc. Der Vorteil des Plattenverfahrens beruht darin, dass man sich aufs genaueste auch über die Art der aufgegangenen Keime orientieren kann. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 487 Dem Verfahren haften jedoch auch eine Reihe von Fehlern an, die den Resultaten der Zählung mit dieser Methode nur einen relativ sehr bedingten Wert verleihen. Nicht jede Kolonie ist aus einem Keim hervorgegangen, vielmehr sind häufig die Bakterien in den Substraten, in denen ihre Keimzahl bestimmt werden soll, in schwer trennbaren Verbänden vorhanden, die ihrerseits nur zu einer Kolonie auswachsen können. Sodann entgehen Arten, die auf den gewählten Nährböden und bei den sonstigen ein- gehaltenen Züchtungs])edinguugen nicht wachsen oder überhaupt nicht künstlich züchtbar sind der Zählung. Ein weiterer Nachteil des Tlatteu- verfahrens beruht darin, dass es uns nur über die Zahl der entwicklungs- fähigen Keime und dies wie erwähnt nur bis zu einem gewissen Grad orientiert, während es uns über die Zahl der gleichzeitig vorhandenen abgestorbeuen Keime keine Auskunft zu geben vermag. Methoden, um die Gesamtzahl aller Keime der lebenden sowohl wie der toten der künstlich züchtbaren und der nicht auf Nährboden wachsen- den zu bestimmen, beruhen auf der direkten Zählung der Keime. Fig. 56. Es ist klar, dass diese Methoden für die Wasseruntersuchuug nur bei einem sehr hohen Keimgehalt in Frage kommen können und daher im Vergleich zur Plattenmethode sehr selten in Anwendung gezogen werden. Doch seien sie hier gleich im Anschluss an die KocHSche Plattenmethode geschildert. WixTERBERG^^ beuutzt zur Keimzählung von Flüssigkeiten oder Bakterienemulsionen im allgemeinen die schon von Hueppe sowie von Lafar empfohlene TnoMA-ZEisssche Zählkammer. Zur Verdünnung wird steriles destilliertes Wasser benutzt. Die Zählung geschieht mit Zeiss Objektiv D, Okular IV. Die Berechnung erfolgt nach der Formel r = — -250000, wobei :r die Keimzahl in einem ccm, y die Summe // der gezählten Quadrate und n die Zahl der gezählten Keime bedeutet. Die Methode liefert höhere Werte als die Plattenmethode. Man erhält natürlich keinen Aufschluss über die Art der Keime oder darüber ob sie noch leben oder nicht. Klein24 zählte die Bakterien direkt in gefärbten Präparaten. Die Herstellung der Präparate erfolgt abweichend von dem sonst üblichen Verfahren, indem die Färbung an feuchtem Material erfolgt und Trocknung 488 E. Friedberger, und Fixierung erst nachher vorgenommen wird. Eine Abspülung der Farbe durch W asscr unterbleibt gänzlich, um Fehler durch Herunterspulen der Bakterien vom Deckglas zu vermeiden. Nach dem KLEixscheu Verfahren, dass ausführlich von Hehevverth ^s beschrieben ist, bringt man Y2 ccm der Flüssigkeit, deren Bakteriengehalt bestimmt werden soll, in ein Uhrschälchen , setzt die gleiche Menge Anilinwassergentiaiia- violettlösung hinzu und entnimmt mittelst einer geaichten Platinöse eine geringe Menge, die auf einem Deckglas gleichmäßig ausgestrichen wird. Nach Lufttrocknung und Fixation wird das Präi)arat in neutralem Xylol- balsam eingeschlossen. Man zählt 50 Gesichtsfelder mittelst des Mikro- skopes und berechnet mit Berücksichtigung der Deckgläschengröße, des Inhalts der Platinöse und der Größe des Gesichtsfeldes die Bakterien- zahl auf 1 ccm. Auch bei diesem Verfahren ist die Bestimmung der Keimzahl zahl- reichen Fehlern ausgesetzt. In der zum Ausgangsmaterial des Präpa- rates dienenden Flüssigkeit resp. Bakterieuemulsiou können die Bak- terien ungleich verteilt sein. Weiter ist die Eichung einer Oese nicht genau möglich; sodann können Bakterien an der Oese haften bleiben oder bei dem Verstreichen auf dem Deckglas durch Verstäubung ver- loren gehen. 3. Der Nachweis pathogener Keime im Wasser. Von pathogenen Keimen, deren Nachweis im Wasser von hoher Be- deutung ist, kommen die Erreger der Cholera und des Typhus in Be- tracht. Zum Nachweis des Cholerabacillus verarbeitet man größere Mengen Wassers, denen man ein Gehalt von 1% Pepton und ^1^% Koch- salz giebt (Heim^'^, Kutscher^^). Diese Mischung l)ringt mau in Erlen- MEYER-Kölbchen in den Brutschrank bei 37°, wo eine Anreicherung der Cholerabazillen stattfindet. Sie sammeln sich vermöge ihres Sauer- stoffbedürfnisses und ihrer Beweglichkeit an der Oberfläche der Flüssig- keit. Man entnimmt von ihr nach etwa 12 Stunden mit einer Piatinöse geringe Mengen, die zur Plattenaussaat in der bekannten Weise ver- wendet werden. Von verdächtigen Kolonieen werden dann weitere Ab- impfuugen gemacht. Die Identifizierung der Art wird mit Hilfe des PPEiFFERschen Phänomens vorgenommen. Für Typhusbakterien besteht eine brauchbare Anreicherungsmethode nicht, obwohl es nicht an Versuchen gefehlt hat, auch für den Typhus ein derartiges Verfahren ausfindig zu machen. Doch vermögen in ein- zelnen Fällen die im folgenden zu schildernden Methoden auch den Nach- weis des Typhusbacillus aus dem Wasser zu erleichtern. Rodet 2s gelang die Isolierung des Typhusbacillus aus Wasser durch Vorkulturen mit Bouillon, die bei 45" gehalten wurden, eine Temperatur, bei der die meisten gelatine verflüssigenden Bazillen zu Grunde gehen, der Typhusbacillus aber lebensfähig bleibt. Aus den Vorkulturen wurden dann zum Nachweis der Typhusbazillen Platfen- kulturen augelegt. Vincent 20 benutzte zur Vorkultur Peptonbouillou mit 0,7^ Karbol- säuregehalt, die er mit dem zu untersuchenden Wasser infizierte und bei 42" bebrüten ließ. Nach eventuellen weiteren Uebertragungen waren alle Bakterien bis auf Typhus, Coli und wenige andere Arten vernichtet; Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 489 unter diesen konnten mittelst des Plattenverfahrens die Typhusbazillen isoliert werden. Peke^o benutzte erheblich größere Mengen zur Vorkultur, nämlich eine Mischung von 100 Bouillon, 5 Pepton, 1 Karbolsäure auf 1 Liter Wasser. Bebrütung bei 32 — 36". Nach eventuell mehreren Uebertragungen werden wie bei den früheren Verfahren Plattenkulturen angelegt, um Typhus und Coli zu trennen. Kleber3i konnte nach dem PERESchen Verfahren den Typhusbacillus nicht zuverlässig nachweisen. Kawitsch & Stscherba^^ verwandten zur Bouillonvorkultur statt des Karbols a Naphtol [1%]. Bei diesem Verfahren überwuchern jedoch die Colibazillen bei weitem den Typhuserreger, wie Lösner und andere fanden. Löffler3^ empfiehlt folgendes Verfahren der Anreicherung. 100 ccm des zu untersuchenden Wassers werden mit 10 ccm sterilisierten Kartofi'el- saftes versetzt (etwa gleich 0,1 %o Salzsäure) und bei 30" bebrütet. Nach 8—12 Stunden wird eine geringe Menge Flüssigkeit in Kartoffelsaft- gelatine übertragen und in Verdünnungen zur Aussaat gebracht. Durch die Vorkultur sind eine Keihe typhusähnlicher Wasserbakterien und zahl- reiche gelatineverflüssigende Arten vernichtet. Im übrigen benutzt man zum Nachweis der Typhusbazillen im Wasser mit oder ohne Vorkultur die zur Diagnose des Typhus angegebenen Nährböden. (Näheres hierüber siehe bei Typhus.) Litteratur. 1 MiQUEL, Annuaire de l'observatoire de Montsouris, 1879, 1885, 1886. — ? Koch, R., Mitt. a. d. Kaiserl. Ges.-Amt, Bd. 1, 1881. — 3 Hesse, ebd., Bd. 2, 1884. — 4 Petri, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 3, 1887. — 5 Emmerich, Archiv f. Hyg., 1883. — 6 Sehlex, Fortschr. Med., 1881. — " Kammerer & Giacomi, Archiv f. exper. Pathol., 1886. — « Straus & Würz. Ann. Pasteur, 1888. — 9 Frankland, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 3, 1887. - w Ficker, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 22, 1896. — 11 CoRNET, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 5, 1889. — 12 Flügge, ebd., Bd. 25, 1897. — 13 Heymann, ebd., Bd. 30, 1899. — i3^ Laschtschenko, ebd. Bd. 30, 1899. — 11 Fränkel, C, ebd., Bd. 2, 1887. — i5 Eberbach, 0., Hyg. Rundschau, Bd. 1, 1891. - ifi Pfuhl. Centralbl. f. Bakt, Abt. I., Bd. 8., 1890. — i" Neisser, M., Zeitschr. f. Hyg., Bd. 20, 1895. — 1« v. Esmarch, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 20, 1895. — i'J Hesse & Niedner, ebd., Bd. 29, 1898. - 20 Mie, Hyg. Rundschau, Bd. 4, 1898. — 21 Lafar, Centralbl. f. Bakt, Abt. I, Bd. 15, 1894. — Ders., Technische Mykologie. Jena 1897. — 22 y. Esmarch, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 1, 1886. — 23 Winterberg, ebd., Bd. 29, 1898. — 24 Kleln. Centralbl. f. Bakt.. Abt. I, Bd. 27, 1900. — 25 Hehewerth, Arch. f. Hyg., Bd. 39, 1901. — 20 Heim, Centralbl. f. Bakt., Abt. I, Bd. 12, 1892. — 2: Kutscher, Zeitschr. f. Hvg. u. Inf., Bd. 19. 20 (1895,. — 28 Rodet, ref. Centralbl. f. Bakt., Abt. I, Bd. 6, 1889. — 2>' Vincent, Ann. Pasteur, 1890. — «o Pj^rk, ]\i.. ebd.. Bd. 5, 1891. — 3i Kleber. A., ref. Hyg. Rundschau, Bd. 5, 1895. — 32 Rawitsch-Stscherba, ref. Baumgartens Jahresber., Bd. 8, 1892. — 33 Löffler, Das Wasser und die Mikroorganismen. Weyla Handbuch d. Hyg., Bd. 1. 1896. 490 E. Friedberger, IT. Kapitel. Die Methoden des Tierversuchs. Die Methoden des Tierversuclis erheischen nur insofern eine besondere Besprechung, als sie von den sonst gebräuchlichen tierexperimentelleu Methoden durch die eigenartigen Verhältnisse der ^likroorganismen al)- weichen. A. Die Zwecke des Tierexperiments. Wir verfolgen mit dem bakteriologischen Tierexperiment im wesent- lichen einen doppelten Zweck. Einmal dient die Verimpfuug unreinen Materials, in dem eine für das Versuchstier infektiöse Bakterienart vor- handen ist, dazu, diese durch eventuell mehrfache Tierpassage rein zu züchten. Wir benutzen so gewissermaßen das Tier als den optimalen Nährboden, auf dem die zu züchtende Art schließlich andere verdrängt. Durch Einspritzen von tetanushaltiger Erde gelingt es z. B. mit dieser Methode relativ leicht, den Tetanusbacillus rein zu züchten. Bei der ersten Tierpassage finden sich neben ihm wohl noch andere Bakterien, deren Zahl aber bei weiteren Impfungen mehr und mehr abnimmt, bis sie schließlich ganz verschwinden. Der wichtigste Zweck des Tierexperiments aber ist der, festzustellen, inwieweit eine bei einer Krankheit gezüchtete Bakterienart für die gleiche Tierspecies und für andere, näher oder ferner stehende infektiös ist. Es ist natürlich ohne weiteres klar, dass man Schlüsse aus Verimpfuugen, besonders auf andere Species nur beschränkt ziehen darf, zumal man nur selten die Verhältnisse schaffen kann, die dem natürlichen Infektious- modus, was den Weg der Infektion oder die Dosis des Infektionsmaterials anlangt, entsprechen. B. Instrumente für den Tierversuch, Operationsbretter zum Aufspannen der Tiere existieren in zahl- reichen Modellen. Für größere Tiere, wie Hunde, ist der Halter von Malassez (Fig. 57) sehr geeignet. Für kleinere Tiere, wie Kaninchen und Meerschweinchen, ist das Operationsbrett nach Tattin (Fig. 58) empfehlenswert. Klebs^ immobilisierte Meerschweinchen dadurch, dass er sie unter Freilassung der Bauchwand mit einer Flanellbinde um- wickelte. An derartig fixierten Tieren konnte er ohne Assistenz Injek- tionen in den Darm vornehmen. Voges^ hat zur Iluhigstellung von Meerschweinchen einen sehr einfachen, Halter angegeben (Fig. 59 1. In eine cylindrische Blechbüchse mit seitlichem Schlitz und Siebboden wird ein Meerschweinchen hineingesteckt. An dem immobilisierten Tier können Injektionen, Temperaturmessungen und dergleichen vorgenommen werden. Für Ratten hat CuRt Müller^ einen Halter konstruiert (Fig. 60). Die Ratte wird im Nacken mit einer Metallkornzange gefasst und diese sowie das Schwanzende des Tieres mittelst federnder Klemme auf ein Metallbrett aufgespannt. Alsdann werden die Füße des Tieres mit Klemmen seitlich an das Brett fixiert. Kfiasato hat einen ähnlichen Halter für Mäuse konstruiert (Fig. 61). Die Fixation des Tieres auf den Metalltisch erfolgt durch zwei federnde Klemmen, die am Schwanzende Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 491 und im Nacken angelegt werden. Der Tisch ist durch ein Kugelgelenk drehbar und lässt sich so in jeder Lage feststellen. Sehr zweckmäßig ist für mittel- große und kleine Tiere das Universaloperationshrett nach CowL^ (Fig. 62 a u. b). Das Brett besitzt zahl- reiche Löcher, in die je nach der Größe des Tieres w^eiter voneinander entfernt oder näher zusammen die Beinhalter mid der Kopf- halter gesteckt werden. Von Spritzen benutzt man meist solche nach dem alten PRAVAZschen Typus: der Stempel kann mittelst Schraube am Stempelkopf so verstellt werden, dass der Stempelschaft absolut dicht an die Glaswand sich anschmiegt. Auf diese Weise wird ein Zurücktreten der Flüssigkeit hinter den Stem- pel möglichst vermieden. Um bei Undichtigkeiten des Stempels eine Lifektion des Operateurs durch nach hin- ten tretende Flüssigkeit sicher zu vermeiden, hat Glücksmann den Spritzen- cyliuder hinter den Stempel hohlkehlenartig erweitert. Die Kociische Spritze Fig. 58. 492 E. Friedberger, Fig. 59. Fig. 60. Fiff. 61. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 493 (Fig. 63) ist ganz ohne Stempel hergestellt. Ira hintern Teil des Glas- rohres, das vorne an einem eingeschliffenen Konus die Kanüle trägt, befindet sich ein Gummiballon mittels einer Metallfassuug angebracht. An seiner hinteren Seite ist eine kleine Oeffnung, die beim Ansaugen der Flüssiorkeit mit dem Daumen verschlossen zu halten ist. Nachdem mit einem Metallhahn die Kommunikation zwischen Spritze und Ballon geschlossen ist, kann der Finger weggenommen werden. Das Entleeren der Spritze erfolgt nach Oeffnung des Hahnes durch Zusammendrücken des Ballons, dessen Oeffnung dabei verschlossen zu halten ist. Die Spritze von Stroiischeix (Fig. 64) besteht aus einem Rohr mit Gra- duierung, das vorne auf einem Konus aufgesetzt die Kanüle trägt und 494 E. Friedberger, hinten eine kleine Oeffnung hat. Auf das graduierte Rohr ist ein wei- teres, hinten geschlossenes, reagenzglasälmliclies Glasrohr aufgesetzt, das mit Hilfe einer Gummidichtung auf dem ersten luftdicht gleitet und so als Stempel wirkt. Zur Injektion größerer Flüssigkeitsmengen dient u. a. ein von Fig. 63. !k/ Fig. 65. Ehrlich angegebener Apparat (Fig. 65). Er besteht aus einem sterilisier- baren Glaskolben mit zwei Oefihungen für die zu iujizierende Flüssig- keit. In die obere OeÖnung wird mittels eines durchbohrten Pfropfens ein Gebläse eingesetzt ; über die untere ist ein Gummischlauch gestülpt, der die Kanüle trägt. Abschluss durch einen Quetschhahn. Die allgemeinen Methoden der Bakteriolo":ie. 495 Das für bakteriologische Zwecke gebräucliliclie Instrunieutarium ist im übrigen das in der Chirurgie und der experimentellen Physiologie übliche. Ein besonderes Besteck für bakteriologische Zwecke in einer Metalltasche sterilisierl)ar ist von II. Pfeiffer angegeben (Fig. 66a u. b). 0. Die Methoden der künstlichen Infektion. Bei den Methoden der künstlichen Infektion sucht man wenigstens in der Mehrzahl der Fälle im Experiment den Modus der spontanen Infektion nachzuahmen. Man wird also Erreger, deren Ort des natür- lichen Vorkommens der Darmkanal ist, in diesen einbringen, Bakterien, die sich z. B. in den Lungen finden, dort injizieren. In der überwiegenden Anzahl der Fälle aber wird die In- jektion in die Haut oder in die Blutbahn wiegen der be- quemen Ausführbarkeit be- vorzugt, obwohl diese Art der A}»plikation im wesentlichen nur für Wundkrankheits- erreger dem natürlichen Weg der Infektion entspricht. Um bei der Infektion mit Reinkulturen das Virus vor- Fig. 66 a. her zu dosieren, kann man mit der Platinöse entnommene Mengen ab- wiegen. Kach Petruschky'' verfährt man dabei so, dass man die Kultur- masse in ein tariertes Reagenzglas bringt und auf der chemischen Wage wiegt. Eine Fehlerquelle durch Wasserverdunstung soll nach Petruschky nicht vorhanden sein, da die bei der kurze Zeit dauernden Wäguug verdunstenden Was- sermengen sich an den Innen- wänden des horizontal liegen- den Reagenzglases konden- sieren. Soherniieim'' schwemmte den Inhalt eines Agarröhrchens in 10 ccm Bouillon auf und nahm einen aliquoten Teil. Bei gleicher Agarfläche und gleichen Wachstumsbedingun- Fig. 66 b. gen lässt sich auch mit dieser Methode eine hinreichend genaue Dosie- rung ermöglichen. Einfacher ist das Verfahren von R. Pfeiffer^, der sich eine bestimmte Oese (»Normalöse«) von 2 mgr Fassungsgewicht für seine Versuchsreihen herstellte und diese immer in gleicher Weise mit der Kultnrmasse füllte. Die Nornialöse Bakterienmaterial wird in Bouillon oder Kochsalzlösung aufgeschwemmt und in entsprechender Verdünnung verimpft. Bei manchen Versuchen sollen die zur Intektiou dienenden Bakterien wohl dem Einfluß der Körpersäfte, nicht gleichzeitig aber dem der zelligen Elemente ausgesetzt sein. Man schließt sie daher vor dem Einbringen in den Tierkörper in Substanzen ein, die Avohl für die 496 E. Friedberger, erstereu, aber nicht für die letzteren durchgäugig sind. Metschnikoff empfahl zu dem Zweck die feinen Membranen, die den Markraum des Schilfes (fraemites communis) auskleiden. Stückchen dieser Membranen werden mit den Bakterien beschickt, sackartig- zugebunden uud den Tieren in die Haut oder die Körperhöhle eingebracht. Petruschky* ver- wandte Stücke von getrocknetem Froschdarm, auch Säckchen aus CoUo- dium elasticum eignen sich zum selben Zweck. Die verschiedenen Infektionsmodi. 1. Infektion vom Intestinaltraetus aus. Man kann die einzubringenden Bakterien mit dem Futter oder mit dem Getränk der Tiere (Wasser oder Milch) mischen. Eventuell müssen die Tiere durch Hungern zur Aufnahme des infizierten Futers ge- nötigt werden. Koch, Gaffky & Löffler'^ brachten die Bakterien in ausgehöhlte Kar- tofifelwürfel, die wieder mit Kartotielmasse bedeckt, auf den hinteren Teil der Zunge gelegt und dann von den Tieren ungeteilt verschluckt wurden. Bei Vögeln bringt man die infizierte Nahrung in den Schnabel und hält diesen zu, worauf die Tiere ohne wei- teres das Material verschlucken. Flüssig- keiten verarbeitet man auch mit Mehl zu einem Brei und führt sie auf dieselbe Weise ein. Um die keimtötende Wirkung des sauren Magensaftes zu paralysieren, hat E. Koch'** Meerschweinchen mit der Schlundsonde 5 ccm Natriumkarbonat in den Magen gespritzt und nach einiger Zeit gleichfalls mittels der Sonde eine Aufschwemmung der Keime in Bouillon gegeben. Eventuell gab er noch zur Sistie- rung der Peristaltik Opiumtinktur 1 ccm auf 200 gr Gewicht in die Bauchhöhle. Heim (Lehrb.) verwendet statt Natriumkarbonat eine Schüttelmixtur von Magnesia usta, die nicht wie das Natriumkarbonat gleichzeitig einen Katarrh der Schleimhaut bewirkt. Die Einführung der Sonde geschieht in der Weise, dass man dem Tier einen durchbohrten, keilförmigen Klotz ins Maul steckt, durch dessen Bohrung die Sonde eingeführt wird. NiKATi & RiETSCH^i Umgingen die störende Wirkung des Magensaftes dadurch, dass sie das Material direkt in das durch Laparotomie frei- gelegte Duodenum einspritzten. Fig. 67. 2. Infektion durch die Lungen. Um Untersuchungen über die Aufnahme von Keimen durch die Lungen anzustellen, kann man das Versuchstier in einen gut verschlossenen Kasten bringen, in dem eine Suspension der Bakterien in sterilem Wasser versprayt wird. Die Art und Weise wie hier die Bakterien in Massen in die Luft gelangen, entspricht freilich nicht den natürlichen Bedingungen. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 497 Zudem bandelt es sieb nicbt um reine Inbalation, da ein Verscblucken des reicblicb berumgespritzten Materials nicbt auszuscbließen ist. Buchner 12 bracbte daber den Sprayapparat außerbalb des Käfigs an und leitete nur die versprayten Dämpfe in diesen binein. Der Sprayapparat (Fig. 67) befindet sieb auf dem Boden eines großen Reagenzglases, das durcb einen doppelt durcbbobrten Gummipfropfen verschlossen ist. Durcb die eine Oefinung des Gummipfropfens gebt ein dünnes, oberhalb des Pfropfens rechtwinklig gebogenes Glasrohr, das mit einem Gebläse ver- bunden ist, bis zum Spray apparat , den die bakterienbaltige Flüssigkeit umgiebt. Ein zweites weiteres Rohr reicht nur bis zur Unterfläche des Gummipfropfens und steht mit dem Käfig in Verbindung. Durcb dieses weitere Rohr tritt die mit Bakterien beladene feuchte Luft zu dem Tier. Soll bakterienbaltiger Staul) vom Tier eingeatmet werden, so bedient man Fig. 68. sich gleichfalls zweckmäßig einer Versuchsanordnung von Büchner. Das Tier l)efindet sich in einem weitmaschigen Drabtkäfig, welcher von einer Glasglocke überdeckt ist. Diese gebt nach unten in einen ge- schlossenen, trichterförmigen Blechkasten über. Auf den Grund dieses Blecbkastens kommt der bakterienbaltige Staub. Durch ein in der oberen Oeffnuug der Glocke befindliches und mit einem Gebläse in Ver- ])indung stehendes Rohr kann der Staul) aufgewirbelt und der Luft des Käfigs mitgeteilt werden. Speziell für die Inhalationsversuche mit Pest hat Martini i3 einen In- halationsapparat (Fig. 68) angegeben, der den Experimentator beim Ar- beiten nach Möglichkeit vor Gefahr schützt. Ein von der Firma Bürrough, Wellcome & Co. unter dem Namen »Paroleine« eingeführter Zerstäuber Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 32 498 E. Friedberger, Pa, der mit einer Luftpumpe L (Fahrradpumpe) in Verbindung steht, ist am oberen Ansatz mittels eines Schraubengewindes in eine Glasplatte P luftdicht eingeschraubt. Auf der Glasplatte steht der Käfig K mit dem zu infizierendem Tier; darüber wölbt sich eine Glasglocke G, die mau luft- dicht mittels Vaseline auf die Platte aufsetzt. In die Glasplatte ist weiterhin ein nach außen mündendes Rohr R eingelassen, das den Luft- austausch zwischen dem Inneren der Glasglocke und der Außenluft vermittelt. An den nach außen mündenden Teil dieses Rohres ist ein Platinrohr P angeschraubt, das durch einen Brenner B erhitzt wird. Die hier mit der infizierten Luft austretenden Keime werden dadurch sofort sicher vernichtet. Da bei Inhalationsversuchen immerhin die Möglichkeit gegeben ist, dass die Infektion durch Mund und Nasenhöhle erfolgt, so empfiehlt es sich unter Umständen, die Einspritzung direkt in die Trachea vor- zunehmen. Man legt die Trachea frei und injiziert unter Vermeidung von Schleimhautverletzungen das Material mit einer Spritze, deren Kanüle zwischen zwei Tracheairingen eingestochen wird. Natürlich ist eine Infektion der Operationswunde streng zu vermeiden. 3. Impfung von der Haut aus. Von der unverletzten Haut aus hat zuerst Garre^^ durch Ein- reibung der Bakterien Infektionen erzielt. Kutane Impfungen werden in der Weise vorgenommen, dass man das Material in leichte Hautverletzungen, wie sie z. B. schon beim Rasieren der Haut gesetzt werden, hineinbringt. Zweckmäßig nimmt man die Impfung am Ohr vor, das die Tiere nicht belecken können. Sehr schön lässt sich die Entwickelung der Infektion beobachten, wenn man in die durchsichtige Hornhaut impft. Soll bei der subkutanen Impfung das Material absolut ohne Ver- menguug mit an der Haut haftenden Keimen eingebracht werden, so ist strenge Asepsis beim Operieren erforderlich. Die subkutane Impfung erfordert eine verschiedene Methode, je nachdem es sich um die Ein- bringung festen oder flüssigen Materials handelt. Bei Einimpfung festen Materials (Gewebstücke u. s. w.) legt man mit einem Scherenschnitt eine kleine Hautwunde an, erweitert dieselbe mittels eines Platinspatels zu einer Tasche und schiebt das Material mit einer Platinnadel oder einer Pinzette ein. Die Wunde kann mit Collodium verschlossen oder eventuell vernäht werden. Die Injektion von Flüssigkeiten erfolgt in eine Hautfalte. Durch Massage wird nach- her das Material im Unterhautzellgewebe gleichmäßig verteilt. Ebenso wie subkutan erfolgt die Impfung intramuskulär. 4. Impfung in die Blutbahn. Bei Kaninchen erfolgt die Injektion in die kom])rimierte, vorher durch einen Scherenschnitt oberflächlich freigelegte äußere Randvene des Ohres. Bei kleineren Tieren legt man die Jugularis frei und impft in diese. Bei größeren Tieren kann man durch Druck am Halse die Vena jugularis zum Anschwellen bringen und direkt die Kanüle einführen. Man schneidet an der betreflenden Stelle die Haare ab, kauterisiert eine kleine Hautstelle und geht durch den sterilen Schorf mit der Kanüle ein. Die allgemeinen Methoden der Bcakteriologie. 499 Es seien an dieser Stelle im Anhang- einige Methoden zur sterilen Entnahme von Blut besprochen. Bei Menschen geschieht sie durch Aderlass unter aseptischen Kautelen oder durch einen blutigen Schröpfkopf nach Desinfektion der Haut. Zur sterilen Entnahme bei Tieren fuhrt Salo- MoxsEx eine am einen Ende fein ausgezogene und verschlossene Glas- röhre in die Blutbahn ein, bricht hier die Spitze ab und saugt durch den weiteren und mit Watte verstopften Teil des Rohres das Blut ein. Die feine Oefifnung wird unmittelbar nach der Entnahme wieder ab- g-eschmolzen. Eine keimfreie Entnahme ist gleichfalls mit der folgenden Methode gewährleistet. Man zieht die Kuppe eines sterilen, mit Watte ver- schlossenen Reagenzglases über der Flamme zu einer Kapillare aus, bricht die Spitze ab und geht mit dem feinen Röhrchen in die frei gelegte Arterie ein. Durch den Blutdruck steigt das Blut in dem Reagenzglas in die Höhe. Nach Herausnahme des Röhrchens und Unterbindung des Grefäßes wird die feine Mündung des Reagenzglases über der Flamme vorsichtig zugeschmolzen. 5. Impfung in die Brusthöhle. Man geht mit der Kanüle in einem Interkostalraum ein und injiziert. Um Verletzungen zu vermeiden, empfiehlt sich die Verwendung einer stumpfen Kanüle. 6. Impfung in die Bauchhöhle. Bei der intraperitonealen Impfung besteht die Gefahr einer Darm- verletzung und damit einer Mischinfektion. Dieselbe wird vermieden, wenn man nach dem Vorgang von R. Pfeiffer stumpfe Kanülen verwendet. Zu dem Zweck ist es nötig, die Bauchdecke in der Mitte zwischen Sternum und Symphyse mit einem kleinen Scherenschnitt einzuschneiden. Durch die freiliegende Muskulatur dringt die Kanüle ohne Mühe durch. Von Stephenson & Bruce '^ ist eine besondere Kanüle zur Injektion in die Bauchhöhle angegeben worden. Dieselbe besteht aus einer ge- krümmten Nadel, deren Ausflussölfnung sich nicht am Ende, sondern an der Konvexität befindet. Bei der Injektion hebt man eine Bauchfalte samt dem Peritoneum auf, stößt die Nadel durch, lässt die Bauchfalte los und vollzieht die Injektion. Das Einströmen der Flüssigkeit erfolgt durch die in die Bauchhöhle hineinragende Oefinung der Kanüle. SoBERXHEiM stccktc in gleicher Weise eine gewöhnliche Kanüle durch eine Bauchhautfalte und zog sie dann etwas zurück, bis sie frei in das Peritoneum hineinragte. 7. Impfung in das Centralnervensystem. Zur subduraleu Impfung legt man unter aseptischen Kautelen die Schädelwand frei, öffnet sie mit einem von Kollin angegebenen und von Baues '6 für diese Zwecke modifizierten Trepan und injiziert unter die Dura. Injektionen in den Wirbelkanal werden nach HeuhnerI' in der Weise vorgenommen, dass man mit der Kanüle zwischen zwei Wirbeln eingeht und in die Dura einimpft. 8. Impfung in die vordere Augenkammer. Die Impfung in die vordere Augenkammer gestattet ebenso Avie die in die Cornea die Beobachtung des sich entwickelnden Krankheits- 32* 500 E. Friedberger, Prozesses. Mau hält den eventuell kokainisierten Augapfel mit eiuer Pinzette nach unten und geht am oberen äußeren Eand der Cornea mit einer Lanzette ein. Während des Zurückziehens derselben muss die Spitze gegen die Hornhaut gerichtet sein, damit die eventuell prola- bierende Iris nicht verletzt wird. In die gesetzte Oeffnung wird das zu impfende Material mit einer Irispinzette oder einer Spritze eingebracht. D. Die Methode der Tiersektion. Das Tier wird auf dem Rücken liegend auf ein Brett aufgespannt, indem die vier Extremitäten mit Nägeln auf demselben befestigt werden. Die Haare werden in der Mitte der Bauch- und Brusthaut abgeschoren, die Haut eventuell rasiert und die HautÜäche mit Sublimat benetzt. Die Haut wird nunmehr vom Manul)rium sterni bis zur Symphyse durch- trennt. Ferner werden an den Enden des Längsschnittes Querschnitte nach den Extremitäten zu angelegt und die Haut wird vollständig zurück- präpariert, wobei man auf eventuelle Veränderungen im Gewebe zu achten hat. Sind Drüsenschwellungen, Abszesse oder entzündliche Erschei- nungen des subkutanen Gewebes vorhanden, so werden zunächst Drüsen- teile oder Stücke der veränderten Haut mit sterilen Instrumenten herausgeschnitten und in sterile Doppelschälchen gebracht. Eiter aus Abszessen wird sofort auf Nährböden ausgestrichen und eine andere Partie zu mikroskopischen Präparaten verarbeitet. Nach der Unter- suchung der Haut werden die freiliegenden Bauchdecken nochmals mit Sublimat abgespült, um eventuell aufliegende Haare zu beseitigen. Man fasst nunmehr mit einer sterilen Pinzette die Bauchwand und trennt sie in der Linea alba mit einer mit stumpfer Spitze versehenen Scheere durch. Es erfolgt zunächst eventuell eine Aussaat des Peritonealexsudats und die Anlegung mikroskopischer Präparate aus demselben. Alsdann werden die Organe der Bauchhöhle oder geeignete Stücke davon nach- einander mit sterilen Instrumenten herausgenommen und in sterile Doppel- schalen eingelegt. Soll der Darmtractus untersucht werden, so wird er nach Beendigung der Thoraxsektion oberhalb des Magens und am Kectum unterbunden, vom Mesenterium getrennt und gleichfalls in eine sterile Schale gebracht. Die Eröffnung des Thorax erfolgt durch zwei Schnitte zu beiden Seiten des Sternums. Das Herz wird mit einem heißen Platin- draht oder mit sterilem Messer angestochen und ein Heraustreten der Blutstropfen zur Aussaat, eventuell zur mikroskopischen Untersuchung benutzt. Nimmehr erfolgt die Herausnahme der Lungen und des Herzens und die Aufbewahrung in steriler Schale. Zur Freilegung des Rückens, an dem sich eine eventuell zu unter- suchende Impfstelle befinden kann, wird die Halswirbelsäule durehtrennt und die Haut von oben nach unten frei präpariert. Es ist darauf zu achten, dass man möglichst für die Entnahme jeden Organs, vor allem aber für die äußeren Hautschnitte besondere sterile Instrumente benutzt. Die geljrauchten Instrumente werden sogleich in einen in Thätigkeit befindlichen ScHiMMELBuscHschen Sterilisierungs- apparat oder in Karbolwasser gebracht. Nach Beendigung der Sektion werden die einzelnen Organe mit sterilen Instrumenten aufgeschnitten, dann mit sterilen Pinzetten gefasst, auseinandergerissen und möglichst aus der Tiefe das Material zur Züchtung mit sterilem Platindraht herausgenommen. An die Aussaat schließt sich Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 501 die Verfertigung mikroskopischer Präparate au; danach werden vStücke der Orgaue zur Fixierung in Alkohol gebracht. Der Kadaver wird nach Beeudiguug der Obduktion verbrannt. Litteratui*. 1 Klebs. Deutsche med. Wochenschr., 1892. — ^ Voges, Centralbl. f. Bakt, Abt. I. Bd. 18. 1895. — 3 Curt Müllek, ebd.. Abt. 1, Bd. 13, 1893. — 4 Cowl, Du Bois-Reymond Arch., J896. — 5 Petru.schki. Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 12, 1892. — f' ÖOBERNHEiM, ebd., Bd. 15, 1893. — Ders., ebd.. Bd. 20, 1895. — " R. Pfeiffer, ebd., Bd. 17, 1891. — Ders., ebd., Bd. 11, 1892. — « Petruschki, Ziegler's BeitrJige, Bd. 33, 1888. — '• Koch, Gaffky, Löffler, Mitt. a. d. Kaiserl. Ges.-Amt, Bd. 2, 1884. — w Koch, Berl. klin. Wochenschr., 1885. — " Nicati & Rietsch, Semaine med., 1884. — i^ Buchner, Centralbl. f. Bakt., Abt. I, Bd. 6, 1889. — « Martini, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 38, 1901. — i* Garre, Fortschr. Med., 1885. — 15 Stephenson & Bruce, Centralbl. f. Bakt.. Abt. I, Bd. 9, 1891. — le Babes, ebd., Abt. I, Bd. 4, 1888. — i" Heubner, Deutsche med. Wochenschr., 1896. V. Kapitel. Methoden der Beobachtung der Lebensäufserungen der Bakterien. A. Methoden der Eeobachtung der Lokomotionsfähigkeit, Das Studium der Bewegung der Bakterien geschieht im hängenden Tropfen, wo man sowohl Ortsveränderuug als auch Bewegungen an der Stelle, wie Drehung der Bakterien um ihre Körperaxe, Wirbel- bewegung u. s. w. studieren kann. Dagegen kann man die Beweguugs- organe, die Geißeln, deutlich nur in gefärbten Präparaten zur Darstellung bringen (s. S. 425 ö\ Die Beweguugsintensität ist von verschiedeneu äußeren Momenten abhängig. Die Bewegungsfähigkeit kann bei unter normalen Verhältnissen beweglichen Arten ganz verloren gehen. Hemmenden Einfluss haben un- genügende Ernährung, ungünstige Keaktion und Zusammensetzung des Nährbodens, ferner ungünstige Temperaturen und bei aeroben Arten Sauerstoffmangel. Auf diese Momente hat man Kücksicht zu nehmen, sobald mau ein sicheres Urteil über die Bewegungsfähigkeit einer Bak- terienart gewinnen will, z. B. lässt sich die von Pfeffer sogenannte »Hungerstarre« durch Züchtung auf geeigneten Nährböden wieder auf- heben. Der hemmende EiuÜuß zu starker Salzkouzentration des Nähr- bodens wird durch Auswaschen der Bakterien mit Wasser wieder auf- gehoben. Die Starre infolge Beobachturg bei zu niederer Temperatur wird durch günstigere Temperatur beseitigt und die Bewegungstahigkcit nimmt dann bis zu einem Optinum an Intensität zu. Durch äußere Einflüsse kann die Bewegung eine gewisse Eichtung erhalten (positive und negative Chemotaxis). Eine vergleichende Messung der aktiven Beweglichkeit der Bakterien sowohl auf festen wie auf flüssigen Nährböden hat GabritschewskiI nach einer besonderen Methode versucht. Genau horizontal in Petrischalen erstarrte Agarböden werden mit einem sterilen runden Stück in Bouillon getränkten Fließpapiers bedeckt, auf dem man vorher ein Kreuz mit 502 E. Friedberger, 4 gleich laugen Schenkeln in Quadratcentimetereinteilung liuiiert hat. Das Papier wird mit einer dicken Platinöse auf der Agarplatte so ausgebreitet, dass die darunter befindlichen Luftblasen verschwinden. Auf den vier Sclienkeln des mit Quadratcentimeterteihing versehenen Kreuzes werden 1 qcm groBe Stückchen von sterilisiertem Filtrier- papier verschieden weit von der Mitte entfernt aufgelegt. Die Mitte des centralgelcgenen Quadrats infiziert man mittels einer Platinöse mit der Kultur der zu untersuchenden Bakterienart und bringt die Platte in den Brutschrank. Nach einigen Stunden entnimmt man mittels steriler Pin- zetten die verschieden weit von der Mitte aufgelegten Papierstückchen und bringt sie in Bouillonröhrchen. Es wird eine Infektion der Bouillon- röhrchen nur durch diejenigen Stückchen erfolgen, bis zu denen die Bakterien über das Filtrierpapier hingewandert waren. Die Zeit, in der die Bakterien so eine gewisse Entfernung zurücklegen, giebt einen Aufschluss über die Schnelligkeit ihrer Bewegung. Die Wachstumsgeschwindigkeit, die gleichfalls hier in Betracht zu ziehen, ist spielt nach Gabritschewski nur eine untergeordnete, das Resultat nicht störende Rolle. Um die Bewegungsgeschwindigkeit in flüssigen Medien zu studieren, nimmt Gabrietschewski eine Glasröhre, die am einen Ende nach oben gebogen und vermittels gut schließender Glashähne in vier Abschnitte zerlegt ist. Die Länge eines jeden Abschnittes beträgt etwa 5 cm. Der sterilisierte Apparat wird bei offenstehenden Hähnen mit der NährflUssigkeit gefüllt. Nachdem der zugehörige Hahn geschlossen ist, wird der nach oben gebogene Endabschnitt der Röhre wieder geleert und es wird hier die sterile NährflUssigkeit durch eine Bouillonkultur der zu untersuchenden Bakterienart ersetzt. Man öffnet alsdann den Hahn wieder und stellt den Apparat in den Brutschrank. Die Schnelligkeit des Fortschreitens der Trübung in den einzelnen Abschnitten giebt einen Maßstab für die Ge- schwindigkeit der Bakterienbewegung und die Wachstumsenergie. Man kann auch aus den verschiedenen Al)schnitten, ehe schon mikroskopisch eine Trübung sichtbar ist, Proben entnehmen, in Bouillon impfen und danach ersehen, wie weit das Wachstum bereits vorgeschritten ist. Bei dieser Versuchsanordnuug konmt als störendes Moment allerdings noch die Brown sehe Molekularl)eweg"ung und Diftussionsströmungen zwischen den einzelnen Abschnitten des Apparates in Betracht; diese sind eine Folge der Veränderung der chemischen Zusammensetzung des Röhreninhalts bedingt durch das Bakterienwachstum. Immerhin giebt aber auch dieses Verfahren, wenn auch weniger genau als die Plattenmethode, einen Maßstab für die aktive Beweglichkeit der Bakterien. Beide Methoden sind auch zur Isolierung beweglicher Arten von anderen und zur Isolierung von ver- schieden intensiv beweglichen Arten zu gebrauchen. Litteratur. 1 Gabritschewski, Zeitschr. f. Hyg. ii. Inf., Bd. 35, 1900. B. Methoden zur Beobachtung der Vermehrung der Bakterien. Die Vermehrung der Bakterien kann im hohlgeschlififenen Objekt- träger, besonders bei Anwendung des heizbaren Objekttisches direkt beobachtet werden. Eine maximale Vermehrungsgescliwindigkeit kann aber unter den hier herrschenden ungünstigen Ernährungsverhältnissen und der ungenügenden SauerstoÖzufuhr nicht statt haben; eine quantitative Bestimmung ist nicht möglich. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 503 Eine Methode, die es gestattet, die Vermelirungsgescliwindigkeit von Bakterien unter günstigen äußeren Bedingungen zahlenmäßig zu bestimmen, ist von Buchner, Longakd & Riedlin^ angegeben. Sie impften eine Fleisehwasserpcptonzuekerlösuug mit der zu untersuchenden Art und Ije- stimmteu die Zahl der Bakterien in der Aussaat (primäre Plattenkulturen); nach einer bestimmten Zeit der licbrütung wurde dann die Zahl der l^)ak- terien in der Ernte (sekundäre i'lattenkulturen) bestimmt. Mit Berück- sichtigung der Zeitdauer zwischen Aussaat und Ernte lässt sich aus der Differenz der Kolonieeuzahl zwischen der primären und sekundären Platte die Größe der Geuerationsdauer, d. h. die Vermchrungsgeschwindigkeit berechnen. ]^)ezeichnet man mit a die Zahl der Bakterien der primären Platte, mit h die Zahl der Bakterien der sekundären Platte und mit e die Zahl der Generationen, so werden aus a Bakterien unter Voraus- setzung, dass die Bakterien sich stets durch Zweiteilung vermehren, nach einer Generation a . 2, nach zwei Generationen «. 2^, nach drei Geuera- lo- l) \cr Q, tionen « . 2^ und nach n Generationen a .2": b = a . 2"; n = — — , ^ — . lg-2 Die Dauer jeder einzelnen Generation ist , wobei t die Versuchszeit bedeutet. Die Anlegung der primären und sekundären Platte geschah in diesen Versuchen auf folgende Weise. Es wurde eine Platinöse der zu unter- suchenden Reinkultur in Fleischwasserpeptonlösung in 50 ccm steriler Kochsalzlösung übertragen. Hiervon kam 1 ccm in 50 ccm steriler Fleischwasserpeptonlösung. Aus dieser Verdünnung wurde mit 1 ccm die primäre Platte angelegt, zur Bestimmung der Größe der Aussaat, und nach einer gewisse Zeit dauernden Bebrtituug mit gleicher Menge die sekundäre Platte zur Bestimmung der Ernte. Die Versuchszeit soll nicht mehr als 2 bis 5 Stunden betragen, da nach dieser Zeit bereits eine Er- schöpfung des Nährbodens und eine Hemmung der Lebensenergie durch die Anhäufung schädigender Zersetzungsprodukte eintreten kann, wodurch die Generationsdauer natürlich verlängert wird. Auch das Alter der Ausgangskultur ist in gleichem Sinne von Eiufluss auf die Generations- dauer. Nach Max Müller 2 und Hehewerth^ muss man bei der Be- rechnung der Generationsdauer darauf Rücksicht nehmen, dass bei nicht ganz frischen Kulturen in einer initialen Periode die Fortpflanzung zu- nächst ausbleiben kann. Nur bei ganz jungen Kulturen beginnt die Fortpflanzung sofort. Ueber Bakterienzählung s. S. 485 ff. Litteratur. 1 Buchner, Longard & Riedlin. Centralbl. f. Bakt, Abt. I, Bd. 2, 1887. — 2 Max Müller, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 20, 1895. — 3 Hehewerth, Archiv f. Hyg.. Bd. 39. 0. Die Methoden zum Nachweis der Sporenbildung. Die Sporen wurden zuerst von Perty^ beobachtet. Mit Hilfe des Mikroskops lässt sich durch die Methode des hängenden Tropfens sowohl der Vorgang der Sporenbildung, als auch der Auskeimung der Sporen zu vegetativen Formen verfolgen, wie das Cohx^ zum erstenmal gelang. Der Nachweis der Sporen in Dauerpräparaten geschieht durch Färbung mittelst der auf Seite 424 angegebenen Methoden. 504 E. Friedberger, In einfach gefärbten Präparaten erscheinen die Sporen ungefärbt, aber auch selbst in sporenfreien Bakterien können, wie Buchner-* gezeigt hat, ungefärbte vakuolenartige Stellen, die sich infolge von Kontraktion des Protoplasmas gebildet haben, Sporen vortäuschen. Die Methode der färberischen Sporendarstellung ist eine weit un- sicherere wie die der Beobachtung der Sporeubildung und Auskeimung im hängenden Tropfen. Eine weitere Methode zum Nachweis der Sporen beruht auf der Thatsache , dass sie widerstandsfähiger als Bakterien sind. Man prüft daher das Verhalten der verdächtigen Bakterien gegenüber chemischen und physikalischen Einflüssen. Bei Temperaturen, die die vegetativen Bakterienformen sicher zum Abtöten bringen, können Emulsionen des sporenhaltigen Materials ihre Keim- fähigkeit noch bewahren. Dasselbe ist der Fall, wenn man auf die sporenverdächtige Bakterienaufschwemmung Antiseptica in einer Kon- zentration einwirken lässt, die sporenfreie Bakterien sicher tötet. Findet nach, für die Vernichtung der vegetativen Formen genügend langer Einwirkung derartiger Agentien noch ein Wachstum statt, so kann daraus mit Sicherheit auf das Vorhandensein von Sporen geschlossen werden. Da es jedoch auch weniger widerstandsfähige Sporen giebt, so ist umgekehrt die Vernichtung der Keimfähigkeit durch die erwähnte Mittel kein Beweis für das Fehlen von Sporen. Um Sporen zu erhalten, ist es nur nötig, die sporenbildende Art eine Zeit lang bei günstiger Temperatur fortzuzüchten, während man durch Tierpassage sicher ein sporenfreies Material gewinnt; im Tierkörper sind Sporen noch nicht gefunden. Man kann aber auch sporenfreie Bakterien bei niederen Temperaturen erhalten; so fand R. Koch-^, dass unter 16° der Milzbrand keine Sporen bildet; ebenso bilden Aeroben bei Luftmangel und Auaeroben bei Sauerstoözutritt keine Sporen (Slupski^, Jacobitz^). Endlich kann man durch Zusatz entwicklungshemmender Substanzen asporogene Rassen züchten. Behring gelang das z. B. durch Züchtung in Salzsäuregelatine und in Rosolsäuregelatine. Um Sporen frei von vegetativen Formen zu erhalten, setzt man das Material einer Temperatur aus, die die vegetativen Formen vernichtet ohne die Sporen abzutöten. Litteratur. 1 Perty, Zur Kenntnis kleinster Lebensformen, 1852. — 2 Cohn, Beiträge zur Biologie der Pflanzen, 1876. — 3 Buchner, Centralbl. f. Bakt., Abt. I, Bd. 4, 1888. — 4 R. Koch, Mitt. a. d. Kaiserl. Ges.-Amt. Bd. 1. — s Slupski, Centralbl. f. Bakt., Abt. I, Bd. 30. 1901. — <•' Jacobitz, ebd., Abt. I, Bd. 30, 1901. — -? Behring, Zeit- schrift f. Hyg. u. Inf., Bd. 6, 1889. D. Methoden zur Eestimmuug des SauerstofFbedürfnisses. Darüber, ob eine Bakterienart anaerob oder aerob ist, giebt unter Um- ständen schon die Stichkultur Aufschluss. Wachsen die Bakterien nur in den obersten Schichten des Stichkauais, so ist die Art streng aerob, wach- sen sie auch in tieferen Partieen, so ist die Acrobiose eine fakultative, ist endlich nur in den untersten Teilen des Stichkanals ein Wachstum sicht- bar oder erfolgt es nur unter strengem Luftabschluss in Wasserstoff- atmosphäre u. s. w., so ist die betreffende Bakterienart streng anaerob. Kicht bei allen aeroben Arten herrscht das gleiche Sauerstoflhedürfnis. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 505 Vielmehr sind die verschiedenen Arten auf eine verschiedene Sauerstoif- spanniing- abgestimmt. Eine Methode, die dies demonstriert, ist von Ex(iELMAXxi, eine andere von Beijerixck^ angegeben. Exgelmaxx brachte in die ]\Iitte eines mit verschiedenen liakterienarten infizierten hängenden Tropfens eine belichtete, chlorophyllbaltige Alge. Diese scheidet bekanntlich Sauerstoff aus und bewegliche Bakterien sammeln sich je nach ihrer Sauerstoffsi)annung in engern oder weiteren konzen- trischen Ringen um die Alge an. Die BELTERixcKsche Methode beruht darauf, dass sich in flüssigen Xährmedien die Bakterien verschiedener Sauerstoftavidität in verschiedenen Öchichten ansammeln (»Bakterienniveaus«,'. Um das im mikroskopischen Präparaten zu demonstrieren wurde durch Einschiebung eines Platindrahtes unter das Deckglas von einer Seite der Luft Zutritt gelassen. Es bilden sich alsdann, entsprechend der durch das verschieden abgestufte Sauerstofif- bedürfnis der verschiedenen Arten bedingten Lagerung in verschiedener Entfernung von der 0-Quelle, »Atmungsfiguren« teils aus konzentrisch ring- förmigen, teils ans flachen Bakterieuansamndungeu. Die Beobachtung- kann bei schwacher Vergrößerung mit der Lupe vorgenommen werden. Litteratiir. 1 Engelmann, Botanische Zeitung. 18S1, 1SS2, 1888. — - Beijerinck. Cen traibi. f. Bakt., Abt. I, Bd. 14, 1893. E, Methoden zur Bestimmung des Temperaturbedürfnisses, Die für das Wachstum optimale Temperatur bestimmt man einfach auf die Weise, dass man Aussaaten der zu untersuchenden Bakterien- art auf einem bestimmten günstigen Nährboden bei verschiedenen Tem- peraturen hält. Einen einigermaßen brauchbaren Anhalt über die zu- sagende Temperatur giebt die Wachstumsenergie. Zahlenmäßig kann mau aus der Bestimmung der Kohlcnsäureausscheidung und Sauerstoflfauf- nahme nach dem Verfahren von Hesse (s. S. 508) einen Maßstab für die Energie der Lebensprozesse l)ei der betreftenden Temperatur finden. Durch die einfache Züchtungsmethode kann man auch die Wärniebreite, d. h. die niedrigste und höchste Temperatur, bei der die betrefitende Bakterienart noch lebens- und fortpflanzungsfähig ist, bestimmen. Auf dem gleichen Prinzip beruht die Temperaturbestimmung für das Optimum der Sporenbildung und für ihre Breite. Die niedrigsten Temperaturen erreicht man durch flüssige Luft; niedere Grade bis zu 0° dadurch, dass man die Kulturen in Eis- oder Kältemischungen bringt. Im Eis- schrank herrschen Temperaturen von 5 bis 8°. Temperaturen bis zur Zimmertemperatur sind in kühlen Kellerräumen oder in Gefäßen mit doppelter Wandung, durch die man kaltes Wasser zirkulieren lässt, vorhanden. Zur Erzeugung von Temperaturen über Zimmertemperatur dienen Thermostaten. F. Methode des Nachweises gasförmiger Stoffwechselprodukte der Bakterien. Der qualitative Nachweis von Kohlensäure, die bei der Gärung des Zuckers auftritt, geschieht am besten mit Hilfe der gebräucldichen Gärungsröhrchen, wie sie von Duxbari (Fig. 69) angegeben sind oder mit 506 E. Friedberger, den ^ewöhnlieli für die Harng-äruug benutzten Kölbchen, die Smith 2 (Fig. 70) für diese Zweclie zuerst angewandt hat. Die etwa bis zur Hälfte des unteren Sehenkels mit der NährliJsung gefüllten sterilen Rührchen werden nach Watteverschluss im Dampf sterilisiert. Die dabei in der Kuppe des langen Schenkels eingedrungenen geringen Luftmengen werden durch vorsichtiges Neigen des Röhrchens ausgetrieben. Nacli der Abkühlung erfolgt Impfung mittelst Platindrahtes in den kurzen Schenkel, danach wieder Watteverschluss und Bebrütung der Röhrchen. Das Gas sammelt sich in der Kujjpe des langen Schenkels. Die Bildung von Schwefelwasserstoff dokumentiert sich häufig schon durch den intensiven charakteristischen Geruch. Die Fähigkeit der Schwefelwasserstoffbilduug kommt wie Rubner^, Petri, Maassen^ und andere gezeigt haben, einer großen Anzahl von Bakterien zu und ist in der Quantität in gewissen Grenzen abhängig von der Zusammensetzung des Nährbodens. Die Bildung des HoS im infizierten Tierkörper ist von Petri & Maassen zuerst nach der Methode vom Hoppe-Seyler spektro- skopisch beobachtet worden. Da der Nachweis jedoch auf diese Weise Fig. 69. Fig. 70. nicht stets sicher gelingt, so verfuhren die genannten Autoren auch so, dass sie Organstücke in sterile Reagenzgläser brachten und zwischen Wattepfropf und Glaswand einen Streifen von Papier einlegten, der mit einer Lösung von basisch-essigsaurem Blei oder mit alkalischer Blei- lösung getränkt war. Um einen Zutritt von Schwefelwasserstoff von außen zu vermeiden, wurden die Röhrchen mit einer Gummikappe ge- schlossen. Die Schwärzung des Bleipapiers zeigte die Gegenwart von Schwefelwasserstoff au. Diese Reaktion ist sehr empfindlich. In gleicher Weise erfolgt der Nachweis des HoS in Flüssigkeits- kulturen mittels Bleipapiers Man kann auch, statt Bleipapier zu ver- wenden, das untere Ende des Wattepfropfs mit der betreffenden Blei- lösung tränken. Zum Nachweis der Schwefelwasserstoffbildung in festen Nährböden dient für Gelatine der Nährboden von Fromme'' oder für Agarkulturen der von Morris*^ oder Beijerinck^ (cf S. 447/48). Werden Eier als Nährböden benutzt, so erfolgt der Nachweis der Schwefelwasserstoffbildung nach Petri & Maassen mittels Bleipapier auf folgende Weise. Die Eier werden Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 507 zunächst ungeinipft in Bleipapier eingewickelt und in ein cylindrisches Gefäss zwischen zwei Wattelaücn eingepackt. (Jeher die Watte kommt nochmals Bleipapier. Ist bei dieser Art der Aufhewahrung in einigen Tagen kein »Schwcfelwasserstotf nachweisbar, so erfolgt die Infektion und abermalige Verpackung in der gleichen Weise. Der quantitative Nachweis flüchtiger Stofl'wechselprodukte er- folgt nach Ableitung derselben nach den üblichen gasanalytischen Me- thoden. Zum Sammeln der zu diesem Zweck nötigen gröl^eren Gas- mengen sind besondere Apparate angegeben worden. Pasteuk* benutzte Kolben mit einem langen, durch einen Gashahn luftdicht geschlossenen Zuleitungsrohr und einem S-förmig gebogenen Ansatzrohr (Fig. 71). Der Kolben ist mit der Nährlösung gefüllt und das Ansatzrohr taucht in eine Schale, die die gleiche Lösung enthält. Es wird nun die Flüssigkeit im Kolben und die in der Schale gleichzeitig erhitzt, wodurch alle Luft aus dem Kolben entfernt wird. Der Dampf treibt die Flüssigkeit aus dem Ballon heraus und in den luftleeren Raum strömt von neuem Flüssigkeit aus der Schale. Auf diese Weise erhält man eine luftfreie Flüssigkeit in einem Vacuum, Man bringt nunmehr das Ableitungsrohr Fig. 71. Fig. 72 für die Gase unter steriles Quecksilber, impft, indem man die infizierte Flüssigkeit, die sich in dem über dem Hahn gelegenen Teil des Zu- leituugsrohrs befindet, schnell einfließen lässt und bringt das ganze in den Brutschrank. Auf demselben Prinzip beruht ein von Botkin '■> (Fig. 72) angegebener Apparat, bei dem Zu- und Ableitungsrohr mittels eines doppeltdurch- bohrten Kautschukpfropfeus in den Kolben, in dem sich Nährflüssigkeit befindet, eingelassen sind. Ueber dem Hahn des Zuleitungsrohres befindet sich ein Scheidetrichter, der das Material für die Impfung der Nähr- flüssigkeit aufnimmt. Der Apparat wird mit oftenen Hähnen im Dampf sterilisiert, darnach erfolgt Abschluss, Impfung und weitere Behand- lung in der gleichen Weise wie vorher. Andere Apparate, die den gleichen Zwecken dienen, sind von Nencki und von A. Koch^" ange- geben w^orden. 508 E. Friedberger, Hesse 1^ hat zu quantitativen Versuchen über Bakterienatmung' eine Versuehsanordnung- zusammen mit Hempel ausgearbeitet, die es gestattet, mit kleinen (lasmcngen zu arbeiten, und binnen einer Viertelstunde schon den gasförmigen Inhalt eines Kulturgefäßes auf Kohlensäure und Sauer- stoff zu untersuchen. Litteratur. 1 Dunbar, Zeitschr. f. Ryg. n. Inf, Bd. 12, 1892. — 2 Smith, Centralbl. f. Bakt., Abt. I, Bd. 7, 1890. — 3 Rubner. Archiv f. Hyg., Bd. 16, 1892; Bd. 19, 1893. — 4 Pethi & Maassen, Mitt. a. d. Kaiserl. Ges.-Amt. Bd. 8.-5 Fromme, Inaiig.- Diss., Marburg 1891. — f' Morris, Archiv f. Hyg., Bd. 30, 1897. — " Beijerinck, Centralbl. f. Bakt., Abth. II, Bd. 6, 1900. — « Pasteur, Etndes snr la biere, 1876. — 9 BOTKIN-, Zeitschr. f. Hvg. u. Inf., Bd. 11, 1892. — i" A. Koch, Centralbl. f Bakt., Abt. I, Bd. 13, 1893. — n Hesse, Zeitschr. f Hyg. n. Inf. Bd. 15, 1893. G. Methode zum Nachweis von Indol, Zum Nachweis der Indolbildung versetzt man 10 ccm einer in Pepton- bouillon gewachsenen, 24 stündigen Kultur mit 1 ccm einer schwachen Lösung von Kaliumnitrit und einigen Tropfen Schwefelsäure. Es tritt alsdann eine Kotfärl)ung ein, die nach Salkowski^ auf die Bildung von Nitrosindol zurückzuführen ist, eines Farl)stoffes, den Indol und Säure in Gegenwart von Nitriten bilden. Die Bildung des Indols erfolgt ausschließlich aus dem Pepton (Proskauer & Voges^). Als ein geeignetes Nährmedium für den Nachweis der Indolbildung schlägt Bleisch^ folgende Lösung vor: Pepton siccum (Witte) 2,0 Natriimi chlor, purissim. 0,5 Aqua dest. 100 sol. Cal. nitric. puriss. (0,08 zu 100,0.) gtts XXX— L. In Cholerakulturen tritt diese Reaktion bei dem bloßen Zusatz von Schwefelsäure auf, die man vorsichtig an der Innenwand des Reagenz- glases herunterlaufen lässt, so dass sie sich unterschichtet. An der Be- rührungsstelle mit der Nährflüssigkeit entsteht ein rotgefärbter Ring (Cholerarotreaktion). Die Thatsache, dass es bei Cholerabakterien und einigen andern gelingt, die Nitrosiudolreaktion auch ohne Zusatz von Nitriten auszuführen, beruht darauf, dass die Ijetreft'enden Bakterien die Eigenschaft haben, geringe Mengen von Nitrat, die nach Untersuchungen von Petri^ dem Nährmedium anhaften und besonders im WiTTEschen Pepton jedenfalls enthalten sind, zu Nitrit zu reduzieren. Bei Zutritt von Säure allein tritt alsdann die Reaktion mit dem ge- bildeten Indol ein. Andererseits aber kann die Verwendung nitrithaltiger Säure oder Nährböden die Chlorarotreaktion vortäuschen. Daher ist auf die Benutzung nitritfreier Säure besonders zu achten. Die Cholerarot- reaktion wurde zuerst von Pöhl^, von Büjwid*^ und von Dunham^ un- abhängig voneinander gefunden. Dunham verwandte zuerst Schwefel- säure und Kulturen in reiner Peptonlösung. Es eignen sich auch an Stelle der Schwefelsäure andere Mineralsäuren. Da nach Liebreich ^ Schwefelsäure für sich allein Nitrate zu Nitriten reduzieren kann, so empfiehlt er Ersatz durch Weinsäure oder Oxalsäure. In zuckerhaltigen Nährböden ist die Indolbildung infolge der Säureproduktion gehemmt (Gorini 9, Smith i», Peckham'i, Seelig i2). Nach Bleisch ist ein Ueber- schuss von Nitraten im Nährmedium für die Reaktion hinderlich. Der Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 509 günstig:e Zeitpunkt der Eeaktion lieg-t zwischen 24—48 Stunden. Bei scliwaelier Reaktion kann man den Farbstoff zur deutlicheren Sichtbar- machung' mit Amylalkohol ausschütteln. Litteratur. 1 Salkowski. Virchow's Archiv, Bd. 10. — ^ Proskauer & Voges, Zeitschr. f. Hvg. u. Infect.. Bd. 28, 1898. — '■^ Bleisch, ebd , Bd. 14, 1893. — 4 Petri, Centralbl. f. Bakt., Abt. I. Bd. 5. 1S89. — '^ Pohl. Berichte d. Deutsch, ehem. Gesellsch.. 1886. — •■ BuJwiD, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf.. Bd. 2, 1887. — ' Dunhaji. ebd., Bd. 2, 1887. — « Liebreich, Berl. kliii. Wochenschr., 1893. — » Gorini. Centralbl. f. Bakt, Abt. I, Bd. 13, 1893. — i" Tit. Smith, Joiirn. of experim. Med., Bd. II, 1897. — 11 Peckham, ebd., Bd. II, 1897. — ^2 Seelig, Virchow's Archiv, Bd. 146. H. Methode zum Nachweis der Bildung von Säure und Alkali. Eine Einteilung- der Bakterien in Säure- und Alkalibildner lässt sich im strengen Sinne nicht vornehmen. Die Fähigkeit der Erzeugung der einen oder anderen Reaktion im Nährmedium ist vielfach abhängig von der Zu- sammensetzung des Nährbodens und von seiner Eigenreaktiou. Sind gärungsfähige Substanzen im Nährboden vorhanden, so kann eine Säure- bildung durch Bakterien eintreten, die beim Fehlen derartiger Stoffe aus- bleibt. Derselbe Bacillus kann aus 2 verschiedenen Körpern seines Sub- strats Säure und Alkali bilden, und die Endreaktion hängt dann nur von dem verschiedenen Mengenverhältnis der gebildeten Stoffe ab oder wie ohne weiteres verständlich von dem ursprünglichen Reaktionsgrad des Nährmittels. Immerhin sind die Methoden des Nachweises der Re- aktionsänderung von Wichtigkeit für biologische und diagnostische Unter- suchungen. Der Nachweis geschieht mit Hilfe von Indikatoren, die dem Nährboden zugesetzt werden, nur qualitativ, oder durch nachträgliche Titration der gebildeten Säure oder Alkali auch quantitativ. Für die Titration von Säure oder Alkali in Nährlösungen ist das Phenolphtalein ungeeignet. Man benutzt Lackmuspapier oder Rosolsäure. Büchner 1 hat zuerst durch Zusatz von Lackmuslösung zu Zucker- peptontleischextraktlösung ]3akterien auf die Bildung von Säure oder Alkali hin untersucht. Bei dieser Methode mit Üüssigem Nährboden stört jedoch die gleichzeitig reduzierende Wirkung der Bakterien, die durch den Peptongehalt des Nährbodens begünstigt wird, ein Uebel- stand, dem schon I^eiiring- dadurch zu begegnen suchte, dass er feste, mit Lackmus gefärbte Nährböden l)enutzte. Petrusciiky* verbesserte die ]\Iethode durch Anwendung seiner Lackmusmolke, deren Herst_ellung S. 447 geschildert ist. Kaufmann^ gelang der Nachweis der Säure- resp. Alkalibildung durch Züchtung in Jequirityinfus (s. S. 447). Alkali- bildner färbten die schwach gelb gefärbte Flüssigkeit grün, während Säurebildner dieselbe entfärl)ten. Im BEUERixcKschen^ Nährboden (s. S. 447) lösen säurebildeude Arten die zugesetzten Karbonate. Um die Kolouieen derartiger Bakterien entstehen durchsichtige Felder. Gleich- zeitig vorhandene alkalibildende Arten veranlassen Defekte an den Diffusionsfeldern der säurebildenden. Quantitative Untersuchungen wurden von Sommaruga« augestellt; er titrierte in vorher genau auf ihren Alkaleszenzgrad geprüften Nähr- medien nach erfolgtem Wachstum mit Hilfe von Normalschwefel- säure unter Verwendung von wässriger Rosolsäure als Indikator. Die Titration wurde durch Uebertitriereu mit Säure und durch Zurück- 510 E. Friedberger, titrieren mit Alkali ausg-efiilirt , weil die Kotfärbung der Rosolsäure bei Eintritt der Alkalescenz schärfer zu erkennen ist als die Entfärbung bei Säurezusatz. Der Nährboden von Sommakuga unterscheidet sich von dem PETRUscuKYSchen durch das Fehlen gärungsfähiger Sub- stanzen. Litteratur. 1 Buchner, Archiv f. Hyg., Bd. 3. — 2 Behring, Zeitschr. f. Hyg. i;. Inf., Bd. 5 u. 7, 1889. — 3 Petruschky, Centralbl. f. Bakt, Abt. I, Bd. 6, 1899. — 4 Kauf- mann, ebd., Abt. I, Bd. 10, 1891. — s Beijerink, ebd., Abt. I, Bd. 9, 1891. — 6 SOMMARUGA, Zeitschr. f. Hyg. ii. Inf., Bd. 12, 1892. L Methoden zum Nachweis des Eeduktionsvermögens der Bakterien. Ebenso wie der Nachweis von Säure und Alkali, wird das Reduktions- vermögen der Bakterien durch ihr Verhalten gegenüber Farben geprüft. Man muss dabei Zusätze solcher Farben zum Nährmedium verwenden, die uugiftig sind. Nach Eiikliciii sollten es Farbstoffe sein, die an sich Oxydationsstufen sind und die Eigenschaft haben, durch Reduktion ein farbloses Leukoprodukt (Küpe) zu bilden, das durch den Eintluss oxy- dierender Mittel und auch schon durch die Berührung mit dem Luft- sauerstoff wiederum die ursprüngliche Farbe erhält (Verküpung). Es ist aus letzterem Grund im allgemeinen zur Prüfung des Reduktionsvermögens eine Versuchsanordnung vorzuziehen, bei der der Luftzutritt kein un- gehinderter ist, und es werden sich daher Kulturen auf festen Nähr- böden ev. mit Ueberschichtung der Oberfläche besser eignen als gewölm- liche Reagenzglasbouillonkulturen. Will man mit flüssigen Nährmedien arbeiten, so legt man nach Smith 2 die Kulturen besser in Gäruugskölbchen an, deren geschlossener Schenkel ganz von der Luft abgeschlossen ist. Es ist bei Reduktionsversuchen auch darauf zu achten, dass den verschiedenen Nährmedien selbst eine reduzierende Eigenschaft zukommt. Dies hat Spixa^ zuerst für die Gelatine gezeigt, die in sterilem Zustand bei Zusatz konzentrierter Lösung von Methylen- oder Indigblau, wenn auch sehr langsam, von unten nach oben sich entfärbt. Das gleiche gilt nach Siimitii für Bouillon, besonders gegenüber Methylenblau, während Lackmus nur bei Anwesenheit von Traubeuzucker oder Fleisch- zucker reduziert wird. Dieser Farbstoff erleidet nach Fr. Müller* eine Reduktion durch Agar. Da die verküpenden Farbstofie sich ferner besonders leicht bei den durch die Sterilisation der Nährmedien bedingten hohen Temperatur reduzieren, so setzt man erst den fertigen Nährböden einige Tropfen der konzentrierten wässrigen Farblösung zu. Dies ist angängig, da kon- zentrierte Lösungen der betreffenden Farbstoffe stark baktericide Eigen- schaften haben und daher keimfrei sind. Auf die keimtötende Eigen- schaft gewisser Farbstoffe ist bei der Bereitung gefärbter Nährböden bezüglich der Menge des zuzusetzenden Färbstoffs Rücksicht zu nehmen. Ferner sind die fertigen Nährböden vor Licht geschützt aufzubewahren oder nach Müller das Sonnenlicht eine reduzierende Wirkung entfaltet. Zur Demonstration des Reduktionsvermögens sind eine große Reihe von Farbstoff in der bakteriologischen Technik verwandt worden. Zum Nachweis des Reduktionsvermögens fügte Pöhl^ 0,05^ Ferri- chlorid und Ferrieyankalium zur Nährlösung, wo unter Umständen die Reduktion des Ferricyankaliums zu Ferrocyankalium (Berlinerblaubildung) Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 511 eintrat. Da jedoch dieser Prozess nur in saurer Lösung vor sich geht, so ist diese Methode nicht für alle Bakterien brauchhar. Spina (1. c.) verwandte zum Nachweis Methylenlilau. Er färbte die Xährböden mit einigen Tropfen konzentrierter, sterilisierter Lösungen dieses Farbstofies. Fr. Müller (1. e.) nimmt 10 ccm Methylcnblaulösung 1:10CX) pro Liter Agar. V. KozsAHEGY^ empfahl nach Prüfung einer großen Reihe von Anilinfarben außer Methylenblau noch Fuchsin. Büchner^ und nach ihm Cahen*^ benutzten als Zusatz Lackmusfarbstofte. Behring « empfahl statt der Lackmusgelatine das Lackmusagar, da bei der höheren Tem- peratur die Reduktion besser vor sich geht. Er gab zu 1 1 Agarnähr- boden einen Zusatz von 40 ccm einer nach Berthelot it Fleuriet von Erdalkalien befreiten, starken, konzentrirten Lackmustinktur. Fr. Müller verwendet 30 ccm einer wässriger konzentrierten Lackmuslösung pro Liter Agar. Methylenblau ist für Reduktionsversuche geeigneter als Lackmus, weil es leicht reduziert wird, leicht wieder verküpbar ist und w^cil ferner seine Konstitution bekannt ist (Michaelis^**). Hingegen leistet der Lackmusfarbstoff gegenüber der Reduktion durch die meisten Bakterienarten mehr Widerstand (Smith, Fr. Müller), wenn auch einzelne Arten Lackmus leicht reduzieren. Die Konstitution dieses Farbstoffes ist unbekannt. KiTASATO & Weyl^i empfahlen indigschwefelsaures Natron. Indig- sulfosaures Natron ist jedoch nach Wolff^- ungeeignet, da es auch durch Oxydation ein farbloses Produkt bilden kann. NöGGERATH^3 gclilug Zusatz ciucs Farbeugemischcs zum Nährboden vor, dessen Bestandteile den Spektralfarben möglichst entsprechen. Die Bakterien sollen unter Umständen aus dieser Mischung neue Farben bilden, die in den ursprünglichen Komponenten nicht enthalten waren. V. SoMMARUGA^^ empfahl Rosolsäure, die er in einer Menge von 0,003 zu Bouillon, 0,0045 zu Gelatine und 0,0068 zu Agar auf je 10 cc des Nährsubtrats zusetzte. Nach Rotberger^s wird Neutralrot von reduzierenden Bakterien- arten entfärbt. Er versetzte verflüssigte Agarröhrchen mit zwei bis drei Tropfen einer sterilen konzentrierten Lösung von Neutralrot (Toluolenrot) und impfte die betreffenden Bakterien aus Bouillonkulturen ein. Typhus z. B. lässt die Farbe des Nährbodens unverändert. Durch Coli wird die Farbe zuerst in eine fluoreszierende verwandelt und dann aufgehellt. A. Wolff (1. c.) sowie Scheffleris haben die Methode von Rot- berge u noch dadurch verbessert, dass sie, statt der von diesem ver- wandten Schüttelkulturen, Stichkulturen anlegten und durch Zusatz von Traubenzucker zum Nährboden die Reaktion beschleunigten: 100 flüssiger Agar. 0,3 Traubenzucker. 1 ccm konzentrierte, wässerige Neutralrotlösung. Neisser & Wechsberg 1^ gründen auf das Reduktionsvermögen der Bakterien und anderer Zellen eine Methode der Beobachtung der vitalen Energie (Bioskopie). Die Zellen (Bakterien), deren Energie geprüft werden soll, -werden in etwa 3 Teilen Kochsalzlösung, die mit stark verdünnter Methylcnblaulösung versetzt ist, in Reagenzgläser gebracht. Lnftabschluss erfolgt durch Ueberschichteu mit flüssigem Paraffin. Die Entfärbung des Methylenblaus erfolgt proportional dem Reduktions- vermögen, das seinerseits ein Maßstab für die allgemeine vitale Energie ist. 512 E. Friedberger, Kontrollproben sind stets erforderlich, zumal auch das Reduktions- vermögen unter Umständen bei toten Zellen vorhanden sein kann. Den bisher Ijesprochenen zur Reduktion verwandten organischen Farb- stoifen steht das Natrium seleuosum gegenüber, das au sich ungetärbt erst durch die Reduktion eine Farbe annimmt. Es wurde von Klett einge- führt. Es wird in 2^iger Lösung sterilisiert in geringen Mengen (eine Oese bis 10 Tropfen) dem sterilen Kährl)oden zugesetzt. Bei gleich- zeitiger Sterilisierung mit dem Nährmedium würde eine Reduktion durch die organischen Sul)stanzen des letzteren statthaben. Reduzierende Bak- terien bewirken auf diesem Nährboden eine Reduktion des Salzes zu metallischem Selen, das durch seine ziegelrote Farbe hervortritt. In gleicher Weise wie Natrium selenosum ist auch Na tellurosum anwendbar. Durch diese Substanzen findet jedoch für manche Bakterienarten eine Wachstumshinderung statt. Litteratiir. 1 Ehrlich, Das Sauerstoffbedürfnis des Organismus, Berlin 1885. — 2 Smith. Centralbl. f. Bakt.. Abt. I, Bd. 19, 1896. — 3 Spina, ebd.. Abt. I, Bd. 2, 1887. - 4 Fr. Müller, ebd.. Abt. I, Bd. 26, Nr. 2 3, 25, 1899. — '^ Pohl, Berichte der Deutsch, ehem. Gesellsch., 1880. — •'^ v. Rozsahegy, Centr. f Bakt.. Abt. I. Bd. 2, 1887. — 7 Buchner, Archiv f. Hyg.. Bd. 3. — « Cahen, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 2, 1887. — 9 Behring, ebd., Bd. 7, 1889. — lo Michaelis, Centralbl. f. Bakt., Abt. I, Bd. 29, 1901. _ 11 KiTASATO & Weyl, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 8, 1890. — i-' A. Wolfe, Centralbl. f. Bakt., Abt. I, Bd. 27, 1900. — i3 Nöggerath. Fortschr. Med., Bd. 6, 1888. — 14 V. SoMMARUGA, Ztschr. l Hyg. u. Inf, Bd. 12, 1892. — is Rotberger, Centralbl. f Bakt., Abt. I, Bd. 24, 1898. — iR Scheffler, ebd., Abt. I, Bd. 28, 1900. — " M. Neisser & Wechsberg, Münch. med. Wochenschr., 1900. — is Klett, Centralbl. f Bakt., Abt. I. Bd. 27, 1900. K. Methoden des Nachweises von Enzymen, Zum sicheren Nachweis einer euzymatischen Wirkung ist es aus- zuschließen, dass die betreffende Spaltung eine Funktion des lebenden Zellprotoplasmas ist. Es ist daher nötig, vor der Untersuchung auf von Bakterien gebildete Enzyme, die Keime selbst abzutöten oder die be- trefteuden Stoffe von ihnen zu trennen und in sicher keimfreien Lösungen zu benutzen. Bitter ^ l)ewirkte die Trennung durch Erwärmung der Kultur auf 60", eine Temperatur, die das Leben der Bakterien nicht aber ihre Enzyme vernichtet. Auch Laxder, Brunton äMacfaydyen^ empfehlen diese Methode. Sie sterilisierten Gelatiuekulturen bei der angegebenen Temperatur und ließen die enzymhaltigen, von lebenden Bakterien be- freiten Kulturen auf die zu untersuchenden Substrate einwirken. Fermi^ schaltete die Funktion der lebenden Zellen bei seiner Yersuchs- anordnuug außer durch die vorher erwähnten IMethoden auf die AVeise aus, dass er bei der Prüfung auf Enzyme Substrate verwandte, die mit Sublimat 1 — 2ö/o„, Karbolsäure 3^^, Salicylsäure ^gesättigte Lösung), oder Thymol versetzt waren. Nach Lander, Brunton <& Macfaydyen (1. c.) soll jedoch der Zusatz von Antisepticis mehr als die Erwärmung auf 60° auch die Enzyme selbst schädigen. Die direkte Isolirung der Fermente wurde zuerst von Wortmann ■* versucht durch Extraktion eines Bakteriengemenges und Fällen mit Alkohol. Doch ist seine Versuchsanordnung nicht ganz einwandfrei. Lander, Brunton und Macfaydyen isolierten das peptische Ferment durch Fällung von Bouillonkulturen mit absolutem Alkohol. Aufnahme Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 513 des Niederschlages mit Wasser; abermalige Alkoholljchandlung; und Lösmig- im Wasser. Aelmlich isolierte Kalisciier^ ein Labferment und peptisches Ferment. CüHx'^' isolierte ein labälmliches Ferment auf folgende Weise. Die das betreffende Enzym besitzenden Bakterien werden in sterilisierter Milch 10 Tage lang gezüchtet, dann Avird das ganze mit Wasser ver- mischt und durch Chamberlandkerzen tiltriert. Durch Ausfällung mit Salz wird das Ferment gewonnen, das durch Dialyse von Salz noch be- freit werden kann. Der Kachweis der bakteriologischen Enzyme erfolgt im wesentlichen nach den in der physiologischen Chemie üblichen Methoden. Zum Nach- weis eines peptischen Enzyms benutzt man die Eigenschaft derartiger Körper, Eiweiß in lösliche Albumose und Pepton überzuführen. Nach Fermis Vorgang bringt man das Enzym mit 5 — lO^iger Gelatine zu- sammen, die in Reagenzgläsern erstarrt ist. Man kann bei Verwendung gleicher Gelatinemenge und gleich weiter Eeagenzgläser auch eine quanti- tative Bestimmung der Enzymmenge vornehmen durch einfaches Ab- messen der Vertlüssigungssäulen. Mit Hilfe von Trypsinlösungen von bestimmter Konzentration lässt sich vorher die Gelatine gewissermaßen eichen und die peptische Bakterienenzymwirkung mit der des Trypsin zahlenmä ßig vergleichen. Hankin & Wesbrook ^ wiesen die Peptonbildung auf chemischen Weg durch die Biuretreaktion (Kupfersulfat und Kalilauge) nach. Kalisc'her untersuchte die Abbauprodukte des Kaseins erzeugt durch peptonisierendes Bakterienfermeut nach den üblichen chemischen Methoden. EiJKMANN s verwandte zum Nachweis des peptischen Enzyms kasein- haltige Nährböden, die er durch Mischen von 1 Teil sterilisierter Mager- milch und 1 Teil Agar bereitete. Zum Nachweis diastatischer Enzyme benutzt man stärkehaltige Nährsul)strate (Stärkekleister], in denen der gebildete Zucker auf chemischem Wege nachgCAviesen wird. Ebenso kann man nach dem Vorgang von Kabazany*^ den Zucker quantitativ durch Titrierung be- stimmen. Went^o benutzte zur Demonstration der Diastase Stärkeagar- platten und wies die Zuckerbildung durch Uebergießen einer verdünnten Jodlösung nach. An den Stellen der Platte, an denen durch Umsetzung aus der Stärke Zucker gel^ildet worden war, blieb die Platte farblos, im übrigen färbte sie sich blau. Der Nachweis von Labfermenten geschieht in der üblichen Weise mit Hilfe steriler Milch. Der Nachweis der invertierenden Fermente kann in rohrzuckerhaltigen Lösungen mittels des Polarisationsapparates erbracht werden oder nach Permi & Montesanoii durch die Traubenzuckerprobe mit Hilfe des NYLANDERSchen oder RuBNER-PENZOLDischen Reagenses. Das Harnferment (die Urase), das eine hydrolytische Spaltung gewisser Amidverbindungen des Harns bewirkt, wird durch den chemischen Nach- weis der betreffenden Substanzen erkannt. Die Spaltung der Fette ist noch nicht sicher als rein enzymatisch erkannt. Litteratur. 1 Bitter, Archiv f. Hyg., Bd. 5.-2 Lander, Brunton & Macfadyen. The ferment-action of Bacteria. Proceedings of the Royal Society. London. Bd. 46, 1889. — 3 Fermi, Archiv f. Hyg., Bd. 10, 1890. — 4 Wortmann, Zeitschr. f. physiol. Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 33 514 E. Friedberger, Chemie, Bd. 7. — s Kalischer, Arch. f. Hyg., Bd. 39. 1900. — (> Cohn, Centralbl. f. Bakt., Abt. I.. Bd. 12, 1892. — i Hankin & Wesbrook, Annal. de l'Inst. Fast., Bd. 6, 1892. — « EiJKMANx. ('entralbl. f. Bakt., Abt. I. Bd. 29, 1901. — '' Kabazaxy, Centralbl. f. Bakt. Abt. I, Bd. 13. 1893. — i" Went. Sitzimgsber. d. Königl. Akad. d. Wissensch. zu Amsterdam. Februar 1901. — ^i Fermi ^ Moxtesano, Centralbl. f. Bakt., Abt. II, Bd. 1, 1895. L. Methode der künstlichen Virulenzänderung. 1. Methode der VirulenzabsehwäehuBg. Ausg'eheud von der Thatsache, dass die Virulenz pathogeuer Bak- terien eine selir variable ist, mid zahlreiche Methoden angegeben wor- den, um die für die Praxis der Immunisierung so überaus wichtigen, in ihrer Virulenz herabgesetzten Kulturen zu gewinnen. Fast alle diese Methoden arbeiten mit Hilfe von Mitteln, die bei längerer und intensiver Anwendung eine vollständige Abtötung aller Keime zur Folge haben. Ganz allgemein lässt sieh sagen, dass die Methoden, die die Abschwä- chung alimählich herljeiführen, eine dauerhaftere Virulenzverminderuug bcAvirken als jene Methoden, die eine intensive und schnelle Al)schwä- chung bewirken. Die Bestimmung der Virulenz geschieht an geeigneten Versuchstieren unter Dosierung des Virus in der Seite 493 geschilderten Weise. Man hat jedoch verschiedentlich auch versucht, eine genaue Virulenzbestimmung mit Umgehung des Tierversuchs zu ermöglichen. Beyern hat eine Me- thode der Virulenzbestimmung auf die Thatsache begründet, dass sich um ein Stück metallischen Silbers, das man auf eine geimpfte Agarplatte legt, in gewissem Umkreis keine Kolonieen entwickeln, weil Stoif- wechselprodukte der Mikroben mit dem Silber keimtötend wirken. Je geringer die Virulenz, desto weiter von der Sill)erplatte entfernt beginnt das Wachstum. Hochvirulente Kulturen vermögen bis nahe an die Silber- platte heranzuwachsen. Die gleiche Methode wurde auch von Syngaewskij^ angewandt. MARX&WorniE-Mjestimmten die Virulenz bei sporenlosen Bak- terien aus dem Grad der Ausbildimg der BABES-EiiNSTScheu Körpercheu. Auf das Wesen der Virulenz ist hier nicht weiter einzugehen; es seien nur die Mittel und Wege geschildert, die man zur Abschwächung von pathogenen Bakterienkulturen anwendet. a) Durch Züchtung von Bakterien bei Temperaturen, die zwischen der optimalen und der keimtötenden liegen, erreicht man eine Abschwä- chung der Virulenz. Je weniger dabei die Temi)eratur sich ül)er die optimale erhebt, desto länger dauert es, bis die Abschwächung erreiclit ist. Aber diese ist dann, Avie bereits erwähnt, haltbarer und kehrt in den folgenden Generationen nicht leicht wieder auf die ursprüngliche Höhe zurück. ToussAiNT^ erreichte zuerst eine Virulenzalniahme des Milz- braudbacillus durch 10 Minuten langes Erhitzen des keimhaltigen Blutes auf 45°. Chauveau^ erhitzte Milzbrandbakterien 1 bis 3 Stunden auf 47°, um sie abzuschwächen. Auch die Sporen seiner avirulenten Bazillen waren weniger widerstandsfähig wie normale. Pasteue, Cham- berland & Eoux^ erhielten eine dauerhaftere Abschwächung durch wocbenlange Züchtung l)ei 42 bis 43 Grad. Auf die gleiche Weise haben auch Koch, Gaffky & Löffler ^ Milzbrand mitigiert. Bei dieser Form der Abschwächung durch erhöhte Temperaturen beeinflussen schon Bruchteile eines Grades deutlich die Wirkung. Je höher die Temperatur, um so kürzere Zeit bedarf es ihrer Einwirkung. Die Erzielung einer Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 515 völligen Avirulenz dauert bei Milz])rand liei 43° 9 Tage, bei 42,6° 24 Tage imd bei 42" 43 Tage, liei der Temperatur von 42,6° gezüchtet, ist der Milzbrand noch nach 6 Tagen für Schafe, nach 10 Tagen für Kaninchen, nach 12 Tagen noch für Meerschweinchen und nach 20 Tagen noch für Mäuse virulent. Vom 24. Tag ab wird er völlig avirulent. Bei Milzl)randsporen erreichte Geppekt ^ durch 2 Minuten lange Einwirkung siedenden Wasserdampfes eine Viruleuzverminderung. b) Gleichzeitig durch erhöhte Temperatur und durch er- höhten Druck haben Wossnessensky^ sowie Chauveau^o Bakterien abgeschwächt. ArsonvalI^ wandte mittels flüssiger Kohlensäure- einen Druck von 45 Atmosphären bei einer Temperatur von 40° zur Mitigation des Milzbrandes au. c) Unbeständiger als durch Temperaturen ist die Virulenza1)nahme, die die Bakterien durch das Tageslicht und speziell durch die Sonnen- strahlen erfahren. Die Abschwächung durch diesen Faktor wurde zu- erst von AELOIXC4 12 studiert. Sporenmaterial von Milzbrand verhält sich, wie Kruse 13 gezeigt hat, dieser Methode gegenüber passiv. d) Pasteur 1^ hat zuerst bei seinen Schutzimpfungen gegen Tollwut den abschwächenden Einfluss erprobt, den die Austrocknung des Virus zur Folge hat. Er brachte ein Stückchen des lUickenmarks oder der Medulla" oblougata der an Hundswut verendeten Tiere 14 Tage lang in Gefäße, deren Luft durch Kalinitrat trocken gehalten wurde. Nach Roux kann man Konservierung eines bestimmten Virulenzgrades des Rückenmarks dadurch erreichen, dass man die Stücke in 30 proz. Glyceriu einlegt. Kruse & Pansini ^^ machen den berechtigten Einwand, dass bei den Versuchen Pasteürs die beim Trocknen erfolgte Keimverminderung die Virulenzaljuahme möglicherweise vorgetäuscht hal)e. Eine sichere Abschwächung durch Austrocknung haben diese Autoren beim Pneumo- coccus erreicht. e) Eine wichtige Rolle hat Pasteuri*^ dem Sauerstoff für die Abschwä- chung zugeschrieben. Bei Kulturen, die er unter Luftabschluss hielt, blieb die Virulenz und Lebensfähigkeit der Keime viel länger erhalten als bei solchen, zu denen die Luft ungehinderten Zutritt hatte. Buch- ner sah bald eine Abschwächung der Kulturen eintreten, wenn er Milz- l)rand in Flüssigkeiten züchtete, die in einem Schüttelapparat stets mit Luft durchmischt wurden. Pasteur aber hat bei seinen Kulturen nicht berücksichtigt, dass neben der Luft auch die Stoffwechselprodukte der Bakterien in älteren Kulturen an und für sich eine Al)schwächuug be- wirken, und Buchner hat niclit in Betracht gezogen, dass eine länger dauernde Erschütterung allein schon eine Abschwächung der Bakterien bedingt. f)"Bei Luftabschluss kommt es nur zu einer Spaltung des Nährbodens, bei gleichzeitigem Sauerstoözutritt al)er auch noch zu einer Oxydation, und auf die dadurch l)edingte schnellere Erschöpfung des Nährbodens ist es mit zurückzuführen, dass Kulturen bei Luftzutritt früher ihre Virulenz verlieren. g) Neben der Erschöpfung des Nährbodens kommt der Einfluss der von Bakterien gebildeten Stoff Wechselprodukte in Betraclit. Es ge- nügt also in vielen Fällen, eine Kultur nur in größeren Zeitintervallen auf künstliche Nährljöden überzuimpfen und vor allen Dingen, sie nicht durch den Tierkörper zu schicken, um ihren Virulenzgrad lierabzumindern. h) Noch vollkommener erreicht man diesen Zweck durch die Züchtung, wenn man Nährböden mit Zusätzen benutzt, die erfahrungs- 33* 516 E- Friedberger, gemäß die Virulenz herabmindern. Es braucht dabei keineswegs gleichzeitig- mit der Virulenzabnahme eine Verminderung der Wachstums- energie verbunden zu sein. Häufig ist im Gegenteil ein üppigeres Wachs- tum mit einer Al)na]nne der Virulenz verknüpft, z. B. verliert der Tuberkelbacillus durch Züchtung auf glycerinhaltigen Nährböden, auf denen er sehr gut wächst, leicht seine Infektiosität. Noch sicherer kommt man zum Ziel, wenn man zu den Kährljöden Zusätze von anti septischen Stoffen macht in Mengenverhält- nissen, die das Wachstum nicht aufheben, aber eine sichere Einbuße der Virulenz bedingen. Chamberland & Roux^" gaben zu diesem Zweck zu neutralisierter Kalbsbouillon, die mit Milzbrandbazillen geimpft war, geringe Mengen von Karbolsäure, Kaliumbichromat oder Schwefelsäure. Bei Zusatz von Karbolsäure 1 zu 600 waren die Isakterien nach 12 Tagen nur für Meerschweinchen und Kaninchen infektiös, nach 29 Tagen vollständig avirulent. 1 : 8000 hemmte die Sporenl)ildung, die erst bei 1 : 1200 wieder eintrat. Kaliumbichromat schwächte den Milzl)rand in einer Konzentration von 0,05^. Durch Kombination dieser Methode mit der PASTEURschen Erhitzungsmethode gelaug den beiden genannten Autoren die weitere Abschwächung von Milzbrandbazillen, die vorher bei 42 bis 43" gezüchtet waren, bei weit stärkerer Verdünnung der Antiseptica. Die Virulenzvernichtung von Milzbraudsporcnmaterial erreichten Chamber- DLAN & Koux durch 2 proz. Schwefelsäure, Geppert durch Ol— 0,2 proz. Chlorlösung. Jodtrichlorid Avurde von Behring & Kitasato ^^ benutzt, um den Diphteriebacillus abzuschwächen. i) Aber selbst bei Verwendung von Nährböden, die in ihrer Zusammen- setzung den Substraten am meisten entsprechen, auf denen pathogene Bak- terien ihr natürliches Fortkommen finden, tritt selbst bei häufiger Ueber- impfung, durch die eine Erschöpfung des Nährbodens oder die Bildung schädlicher Stoffwechselprodukte ausgeschlossen ist, doch mit der Zeit eine Virulenzabnahme ein. Es ist das am einfachsten durch eine all- mähliche Anpassung der ursprünglich parasitisch veranlagten Bak- terien an die saprophy tische Lebensweise zu erklären. So genügt z. B. für den Diphtheriebacillus oder für Kotz eine mehrere Generationen dauernde künstliche Züchtung ohne Tierpassage auch auf den günstig- sten Nährböden und bei häufiger Ueberimpfung, um die Kulturen ihrer krankheitserregenden Fähigkeit zu berauben. k) Auch die Tierpassage seilest ist unter Umständen ein Mittel, um die Virulenz zu vermindern, falls man Tiere nimmt, in denen die Bak- terien keine günstigen Lebensbedingungen finden. Um den Schweinerotlauf bacillus abzuschwächen, wandte Pasteur^'^ die Passage durch Kaninchen an. Kitt 20 sowie Smirxow^i konnten aller- dings die Eesultate Pasteurs nicht bestätigen; andere Beispiele für Abschwächung durch Tierpassage sind die Abschwächung des Lyssavirus bei der Passage durch Affen (Pasteur), des Milzbrandes bei der Passage durch den Hammel (Chauveau22j, des Tuberkelbacillus im Peritoneum des Huhns (Gramatschikoff^s). 2. Methoden der Virulenzsteigerung. Nach der Aufzählung der Methoden der Abschwächung ergeben sich die Methoden für die Steigerung der Virulenz ganz von selbst. a) Wie die Züchtung auf ungünstigen Nälirl)öden die Virulenz herab- setzt, so wird die Fortpflanzung auf Nährböden, die in ihrer Die allgemeinen Metlioden der Bakteriologie. 517 Zusnmmeiisetzniii;' den tierischen Säften nahe stehen, die Virulenz weniüstens für ii'ewisse Zeit unter Umständen steigern; so ist ein Zusatz von Blut zum Kährljodcn imstande, die Virulenz vieler Bakterien- arten zu erhöhen, wie das z. B. Chauveau für den Milzbrand nach- g-ewicsen hat. Xaeh Blachsteix^^ wird die Virulenz durch Gegenwart von Kaliunniitrat, Natriumphosphat und anorganischer Eisensalze im Nährboden erhöht. b) Sicherer als durch Züchtung auf geeigneten Nährböden erreicht man eine Virulenzerhöliung durch Tierpassage. Man nimmt zweckmäßig bei der ersten Impfung eine große Menge der Kultur und benutzt junge Tiere. Das l)akterienhaltige JMaterial der eingegangenen Tiere überträgt man, falls die Keime sich gut entwickelt liaben, direkt von Tier zu Tier, bis ein gewünschter Grad der Virulenz erreicht ist. Durch Passage von Tier zu Tier gelang es auf diese Weise Czaplewski^s, Tauben für Milzl)rand , für den diese Tiere sonst unempfindlich sind, virulent zu machen. Für Cholera und Typhus erreicht man leicht eine hohe Virulenz dadurch, dass man den Bauchhöhleninhalt intraperitoneal- geimpfter und eingegangener Meerschweinchen auf andere Tiere Uber- impft, bei der Pest nach Kolle & Martini-" durch Uel)ertragung des Lungensaftes an Pest eingegangener Tiere auf andere. Da man jedoch auf diese Weise keinen bestinnnten Anhaltspunkt über die Menge des einverleil)ten Virus hat, so ist es, da wo es angeht, zweckmäßiger, aus den einzelnen eingegangeneu Tieren Reinkulturen anzulegen und von diesen weiter zu impfen. Die durch Tierpassage zu erreichende Virulenzsteigerung ist keine unbegrenzte. Kulturen mit der höchst erreichbaren Virulenz bezeichnet Pasteur als »virus fixe«. Will mau die Passage mit Hilfe weniger empfänglicher Tiere vor- nehmen, so muss man die Widerstandsfähigkeit der Versuchstiere durch äußere Einflüsse zu sclnvächeu suchen. c) Die Virulenz bei der Tierpassage kann weiter gesteigert Averden durch gleichzeitige Mitverimpfung anderer, auch unter Umständen gar nicht krankheiterregender Bakterienarten, ja sell)st durch gleich- zeitige Einverleibung abgetöteter Keime oder steriler Stoöwechsel- produkte von Bakterien. Die Virulenz des Pneumococcus kann man z. B. durch gleichzeitige Verimpfung von Milzbrand steigern. In gleicher Weise wirken Strepto- kokken nach Roux & Yersin^^ auf die Virulenz des Diphteriebacillus. Durch ganz unschuldige Saprophyten konnte Novy 2^ die Infektiosität für Tetanus und malignes Oedem erhöhen. Durch gleichzeitige Injektion al)getöteter Colikulturen oder sterilisierter Faulflüssigkeiten lässt sich die Empfänglichkeit für Typhus erhöhen und a. m. Litteratur. 1 Beyer, Allgem. med. Centralztg.. 1898. — - Sykgaewsk.ii . Russ. Arcb. f. Path., Bd. 8. Ref. Baumgartens Jahresber., 1899. — -^ Marx & Woithe, Arb. a. d. Chirurg. Klinik Berlin, Bd. 15. 1901. — * Toussaint, Comptes rend. de TAcad.. Bd. 91. 1880. — 5 Chauveau. ebd., Bd. 96, 1883. — « Pasteur, (Jhambekland. Roux, ebd., Bd. 92, 1881. — " Koch. Gaffky, Lüffler. Mitt. a. d. Kaiserl. Ges.- Amt. Bd. 2, 1884. — ^ Geppert, Berl. klin. Wochenschr., 1890. — '■> Chauveau, Comptes rend. de TAcad., Bd. 98. — w Wossnessensky, ebd., Bd. 98. — n d'Arson- VAL, Ref. Centralbl. f. Bakt., Bd. 9. 1891. — ^^ Arloing, Comptes rend., Bd. 101. 518 E. Friedberger, 1S85. — i;i Kruse, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 19, 1895. — i* Pastkur, Comptes rend. de l'Acad., Bd. 90, 1S80. — i> Kruse & Pansini. Ztschr. f. Hvg. u. Inf., Bd. 11, 1892. — 1« Pasteur, Comptes rend. de l'Acad.. Bd. 91. 1880. — i""Champ.erland & Roux, ebd., Bd. 96. 1883. — i^ Behring & Kitasato, Deutsche med. Woclienschr. 1890. — 19 Pasteur, Comptes rend. de l'Acad.. Bd. 97, 1883. — ^o Kitt, Centralbl. l Bakt., Abt. I, Bd. 2, 1887. — -^ Smirnow, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf, Bd. 4, 1889. — ~ Chauveau, Comi)tes rend. de l'Acad., Bd. 108. — 23 Gramatschikoff, Centr. f allg. Pathol., Bd. 2, 1891. — -'4 Blachstein, Berl. klin. Wochenschr., 1894. — -"' Czaplewski. Zeitschr. f Hyg. u. Inf, Bd. 12, 1892. — ^r; Kolle & Martini, Deutsche med. Wochenschr.. r9l>2. — -' Roux &, Yersin, Ann. Pasteur, 1888. — 2^ NovY, Zeitschr. f Hyg. u. Inf, Bd. 17, 1894. M. Apparate zur chemischen Untersuchung von Bakterien, Bakterienkeimen u. s. w. 1. Bakterienülter. Zur Untersuchung- der in flüssig-en Baktcrienkultureu gebildeten Stofifwechselprodukte und zur Untersuclumg der Bakterienleiher sell)st ist es nötig, korpuskulare Elemente und gelöste Bestandteile voneinander zu trennen. Dies geschieht mit Hilfe von keimdichten Bakterien- filtern, deren Poren so klein sind, dass sie auch den kleinsten der be- kannten Mikroorganismen den Durchtritt verwehreu. Man erhält dann auf dem Filter zurückbleibend die Bakterienmasse und im sterilen Filtrat die Stofifwechselprodukte. Von letzteren w^erden allerdings, und das ist der Nachteil der Filtration, gewisse Mengen im Filter zurückgehalten. Namentlich gilt dies nach Sirotinin ^ für die ersten durch das Filter gellenden Flüssigkeitsmeugen. Akloing^ fand, dass auch bei Ueber- druck von 3 Atmosphären ein CHAMßERLAXDSches Filter im neuen Zustand bedeutend größere Mengen der gelösten Substanzen zurückhält, als nach längerer Benutzung. Die Bakterienfilter bestehen aus zwei Hauptteilen; erstens dem eigent- lichen Filterapparat und zweitens einem Rezipienten für die filtrierte Flüssigkeit. Die Filtration geschieht stets unter Druckdifferenzen, indem entweder die Flüssigkeit unter erhöhtem Druck durch das Filter durch- g'epresst wird oder in dem Gefäß, in das die filtrierte Flüssigkeit hinein- fließt, eine Luftverdünnung erzeugt wird. Das erste Bakterienfilter aus gebranntem Thon w^urde von Tiegel (1871) angegeben. Pasteur & Joubert^' verwandten Gipsfilter, ebenso MiQUEL & Benxoist. Später benutzten Pasteur & Chamberland^ Filter aus Bisquitporzellan. Nordmeyer ^ empfahl die von Berkefeld fabrizierten Filter aus Infusorienerde. Sie haben gegenüber den Porzellan- filtern den Vorzug-, dass sie eine schnellere Filtration ermöglichen. Die Oberfläche lässt sich sehr leicht mittels eines Luflawischers von angesetzten Schlickschichten reinigen, was bei dem härteren Porzellan nur schwer möglich ist. Die BERKEFELDSchen Filter sind dagegen leicht zerl)rechlich und w erden nach Dachniewsky ^ schneller von den Keimen durchwachsen als die Porzellanfilter. Sehr gebräuchlich besonders für die Filtration größerer Flüssigkeitsmengen sind Filter aus gebranntem Kaolin von Pukall. Nach der Filtration sind die Filter sorgfältig- auszuwaschen, bis namentlich bei Filtration von eiweißhaltigen Lösungen alles Eiweiß aus den Filterporen verdrängt ist. Zur Sterilisation werden sie alsdann in kaltem Wasser angesetzt und entsprechend lang darin gekocht. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 519 Für die Montienmg der Filter bestehen verschiedene Methoden, wohei man natiirlicli Filter aus dem verschiedensten Material benutzen kann. Der Filtrationsapi)arat von Miquel (Fig-. 72 a) besteht aus einem Ballon, dessen Hals im unteren Drittel verengt ist. In den über der Verengerung beündlichen Teil des Halses wird die Filtermasse (Gips; eingeliracht. Unterhalb der Verengerung betindet sich ein Ansatz, der mit der Luft- pumpe in Verbindung gesetzt werden kann. Die mittels eines Tricliters auf das Gipsfilter gel)rachte Flüssigkeit wird durch das angefeuchtete Filter hindurch in den Kolben gesaugt. Zur Filtration leichtzersetzlicher Flüssigkeiten liat Mk^uel die nebenstehende Eiskühlvorriclitung an- gegeben. Bei der gel)räuchlichsten Anordnung des CiiAMBERLANDSchen Filter- apparates (Fig. 73) wird mittels einer Luftpumpe die in dem Keservoir betindliclie Flüssigkeit von außen durch die Wände der Porzellankerze hindurchgepresst. Das REiCHELSche Filter (Fig. 74) besteht aus einer Porzellanfilter- kerze, die iu ein mit zwei Tuben versehenes Gefäß hineinragt und mittels eines Kragens auf dem Flaschenrand rulit. Die Abdichtung er- folgt durch eine Gummikappe, die ein zentrales Loch besitzt, durch das die Kerze beschickt wird. Zum Gebrauch wird der eine Tubus mittels Quetsclihalm und Gummischlauch luftdicht geschlossen, der andere mit der Wasserstrahlpumpe iu Ver- bindung gesetzt. Aehnliche Konstruktion besitzt das Filter nach Maassex (Fig. 75), dessen Flasche nur einen Tubus zur Luftpumpe besitzt. Am un- teren Ende der Flasche befin- det sich ein durch Hahn verschließbares Al)laufrohr, dass eine sterile Abfüllung der filtrierten Flüssigkeit gestattet. Bei dem Filter von Kita- SATO (Fig. 76) wird die Kerze, Fig. 72 a. die aus Porzellanmasse besteht, mittels Guramischlauclis in eine Glasbirne eingesetzt und der ganze Appa- rat auf eine mit Absaugvorrichtung versehene Flasche montiert. Um sicher eine Entnahme der filtrierten Flüssigkeit ohne Verun- reinigung zu erlangen, benutzen Pawlowsky i^c Gladin " den folgenden Appa'rat:' In einem Glasgefäß sitzt ein Gummipfropfen mit 3 Oefifnungen. Durch die eine Oeftnung ragt eine Kerze in die Flasche hinein, durch die andere geht ein kurzes (llasrohr, dass mit einer WuLFFSchen Flasche ver- bunden ist, die ihrerseits mit dem Aspirator in Verbindung steht. Durcli die dritte Bohrung geht ein Glasrohr Itis auf den Boden des Gefäßes; dieses Röhrchen ist nach außen mittels Gummischlauch mit einem zu- gespitzten Glasröhrcheu verbunden. Auf diesem Glasröhrchen steckt nochmals ein kurzer Gummischlauch. Die Kerze ist durch einen Schlauch mit dem Kulturgefäß, dass einen seitlichen Stutzen hat, verbunden. Der ganze Apparat wird im Dampf sterilisiert. Dann wird die Verljin- duns,- mit dem Aspirator hergestellt und die Flüssigkeit in die Kerze 520 E. Friedberger, eingelassen. Nach beendigter Filtration unterbricht man die Verbindung- zum Aspirator und trennt das Aufnahmegefäß von der WuLFFScheu Flasche. Alsdann füllt sich das auf den Boden der Sammelflasche ragende Glasrohr selbstthätig mit der Flüssigkeit und diese kann nach Wegnahme des Schlauches von der Glasspitze in Gefäße abgezapft Averdeu. Zur Filtration kleiner Mengen von Flüssigkeit benutzt man die sogenannte Liliputfilterkerzen aus Infusorienerde. Die Kerzen sind auf ein Metallrohr aufgekittet und werden luftdicht in einen oben offenen und unten mit einer für das Ansatzstück passenden Oeöuung versehenen Glasc^^linder eingeschraubt (Fig. 77). Das Filter wird mittels Gummipfropfen auf eine Saugflasche aufge- setzt und die in den Cylinder gegossene Flüssigkeit von außen in die Flasche hin- ein gesogen. Zum Sammeln kleiner Mengen ^'on Filtrat setzt man in die Saugflasche ein Reagenzglas ein, in das das Filtrat aus dem Filter abfließt. Eine ähnliche Zu- sammensetzung besitzt der Filtrierapparat (Fig. 78), bei dem eine Chamberlandkerze mittels Gummistopfens in einen Glascylinder eingesetzt ist. Durch die Bohrung geht das Mundstück der Kerze und mündet mittelst eines Schlauches in die Saug- flasche. Um Bakterienleiber in größerer Menge bequem sammeln zu können, sind von Maassex Filter angegeben worden, von denen ein Satz in gegenüberstehender Figur abg'ebildet ist (Fig. 79). Bei den PuKALLschen Thonfilter (Fig. 80j wird die Flüssigkeit von außen nach innen gesaugt. Man setzt die Thonzelle F in ein Becher- glas jB, das die zu flltiie- rende Flüssigkeit enthält. In dem Tulnis T befindet sich ein Gummipfropfen 6^, durch dessen centrale Bohrung ein zweimal rechtwinklig gebogenes Rohr R zur Saugflasche S übergeht, die ihrer- seits durch das Rohr Ä mit einer eingeschalteten WuLFFscheu Flasche und der Luftpumpe verbunden ist. Da Filter nicht immer gleich sorgfältig gearbeitet sind, auch häufig unsichtbare Sprünge oder Risse besitzen können, so ist es stets nötig, das Filtrat auf seine Sterilität durch Einsaat in Nährböden zu prüfen." Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 521 2. Vacuuradestillierapparate. Um FlUssigkeiteu, die die leicht zersetzliclien Stoffwecliselprodukte der Bakterien eiitlialteii, eiuzueiigen, kann man liijliere Temperaturen wegen der leichten Veränderlichkeit dieser Substanzen nicht anwenden. Man nimmt vielmehr die Eindampfung- im Yacunm hei niederen Tem- Fig. 77. Fig. 79. peratureu vor. Vacuumdestillierapparate speziell für bakteriologische Zwecke sind unter anderen von Bkiegek, Proskauer sowie Behring beschrieben. Vacuiimdestillierapparat nach Brieger (Fig. 81). Der doppelwandige Behälter Ä Avird durch den seitlichen Tubus mit Wasser gefüllt, bis dasselbe in der Höhe des kleinen Ansatzrohres i?'steht. Die einzu- engende Flüssigkeit kommt alsdann in einer Schale in das Innere 522 E. Friedberger, Fig. 80. von Ä und es wird mittels der Flügelschraiiben S der Helm H auf- gesetzt, der, um den Einblick in den Innenraum zu ermöglichen, zwei Glasaugen trägt. In einem Tubus des Helmes befindet sich luft- dicht eingelassen ein Thermometer T, dessen lauges Unterteil in das Innere hineinragt, und in eine zweite Oeflf- nung des Helmes ist ein Glasrohr C eingelassen, das umgekehrt U-för- mig gebogen ist und auf der andern Seite mittels eines Gummipfropfens in ein mit Schwefelsäure gefülltes Gefäß mündet. Durch eine zweite Bohrung des Gummipfropfens geht ein anderes, durch einen Hahn ver- schließbares Eohr, das in eine ka- pillare Spitze nach außen mündet. Dieser Teil des Apparates dient zur Zufuhr getrockneter Luft. Man lässt Avährend des Destillierens stets ge- ringe Mengen von Luft über die Flüssigkeit streichen, um die Destilla- tion zu beschleunigen und ein starkes Schäumen der Flüssie-keit zu ver- Fig. 81. Die alloremeinen Methoden der Bakterioloo-ie. 523 hindern. Ein dritter Tubus im Helm dient zum Einsetzen eines Tropftrich- ters, durch den kontinuierlich Flüssigkeit dem Apparat zugelassen werden kann. Durch ein seitliches Kohr D ist der Apparat ill)er eine WiLFFsche Flasche mit Vacimmnieter mit der Wasserstrahlpumpe verbunden. Soll auch das Destilhit weiter untersucht werden, so ist zwischen D und V ein LiEBiGscher Kühler einzuschalten. Um den Einblick in das Innere zu ermöglichen, bringt man vor das eine Schauglas ein brennendes Streich- holz und blickt in das andere hinein. Man umdeckt den Helm noch, wäln-cnd sich der Apparat in Thätigkeit befindet, mit einem Ueberfall- deckel, wodurch ein doppelwandiger Raum entsteht, den die Heizgase ]»assiereu; dadurch wird eine gleichmäßige Erwärmung des Deckels ge- währleistet und eine übermäßige Kondensation der aufsteigenden Dämpfe am Deckel verhindert. Die Flamme zur Erwärmung wird unter A gestellt. Fig. 82. Einfacher und mit Hilfe der im Laboratorium vorhandenen Glasge- räte leicht zusammenzustellen ist der folgende Apparat von Pküskauer (Fig. 82). In dem zur Aufnahme der Flüssigkeit bcstinmiten Kolben Ä", der an seinem Halse erweitert ist, sitzt ein dreifach durchbohrter Gummi- pfropfen, in den diescll)en Nebenapparate eingesetzt sind, die beim BruEGEKSchen Modell in die Tubulaturen des Helmes eingelassen waren, nämlich das Thermometer T, der zum Zulassen der Flüssigkeit bestimmte Tropftrichter 8 mit dem Hahn H und das Luftzuführungsrohr mit der mit konzentrierter Schwefelsäure gefüllten Vorlage IL. Der Kolben steht auf einem Wasserbad ir, das von unten erwärmt wird. Die im Koll)en sich entwickelnden Dämpfe gelangen durch das seitliche Ansatzrohr in den Kühler Ä'i, wo sie kondensiert werden und in die Saugtlasche abtropfen. Die Saugflasche ist über eine WuLFPSche Flasche mit der Wasserstrahl- 524 E. Friedberger, pumpe, und mittelst eines T-Rolires mit dem Quecksilbermanometer M und einem LUftungsliahn H^ verbunden. Sobald der Apparat evakuiert ist, wird das Wasserbad auf die gewünschte Temperaturhölie gebracht und die Flüssigkeit durch den Hahn H zugelassen. Am Schluss der Eineng- ung löscht man die Flamme, stellt die Pumpe ab und öffnet vorsichtig den Hahn i7, . Die Sterilisation des Apparates erfolgt durch Durchspülen mit Alkohol, der vor dem Einfüllen der Flüssigkeit durch Verdampfen entfernt werden kann. Der h e i z b a r e Y a c u u m t r 0 c k e n a p p a r a t v o n Proskauer (Fig. 83) dient dazu, Substanzen bei niederer Tem- peratur zu trocknen oder Flüssigkeiten einzuengen. Der Apparat bestellt aus einem Vacuumexsiccator mit doppelwandiger Er- wärmungskammer, der im Innern der Glocke A gelegen ist. In das Innere des Exsiccators werden die mit dem einzu- engenden Material gefüllten Gefäße gestellt und ferner Gefäße mit Schwefelsäure, um den sich entwickelnden Wasserdampf zu absorbieren. Der zweite Hauptbestandteil des Apparates ist das Expansionsgefäß i?, das durch die Flamme C erwärmt wird. In das Expansionsgefäß mündet oben das Fig. 8,3. Fi"-. 84. Eohr B ein, durch das das Gefäß mit Wasser gefüllt wird imd in dem das sich ausdehnende Wasser beim Erwärmen ansteigt. In den Deckel des Expansiousgefäßes ist ferner das Rohr F eingelassen, durch das das warme AVasser zur Erwärmungskammer von A steigt. Nach Abgabe seiner Wärme sinkt es dann wieder durch das Rohr Q zum Expansions- gefäß zurück. Nach der Evakuierung von A wird der Hahn E ge- schlossen. Ist die nötige Temperatur und Luftverdünnung erreicht, so kann der A})parat nach Kleinerstelluug der Flamme ohne Aufsicht ge- lassen werden und arbeitet automatisch weiter. Die allgemeinen Methoden der Bakteriologie. 525 3. Hydraulisehe Presse. Um die Leibessubstanzen der Bakterien unter Ausschluss chemischer Agentien rein zu erhalten, verreibt Büchner § die feuchte Bakterien- masse mit Infusorienerde und Quarzsand und presst sie heiß mit Hilfe einer hydraulischen Presse (Fig-. 84) bei 300 — 500 Atmosphären Druck aus. 4. Dialysatoren. Zur Befreiung von Flüssigkeiten von Salzen benutzt man die Dialy- satoren, von denen zum sterilen Dialysieren der Dialysator nach Pßos- KAUER (Fig. 85) sehr empfehlenswert ist. Das Kohr a des Apparates wird mit der Wasserleitung verbunden, das Wasser tritt in das Gefäß B und ver- lässt dasselbe durch das Rohr R. In dem Hals des Gefäßes B sitzt das Gefäß C\ das unten durch den Per- gamentbeutel P abgeschlossen ist. Die Einführung der Flüssigkeit in P geschieht durch den mit Wattepfropf verschlossenen Hals von C. Von Schleicher & Schüll sind besondere Pergamenthülseu zur Dia- lyse angegeben; dieselben sind im Dampf sterilisierbar und werden nach der Einfülluug der Flüssigkeit am oberen Ende mit Watte verschlossen. Aus Collodium stellt man sich Dia- lysierhülsen in folgender einfacher Weise dar. Ein Pteagenzglas oder ähn- liches Gefäß wird mit der Kuppe in verflüssigtes Paraffin und nach dessen Erstarren in Collodiumlösung ein- getaucht. Ist der Collodiumüberzug ^ i&- ^'^ fest geworden, so lässt er sich in warmem Wasser leicht von dem schmelzenden Paraffin abstreifen. Der Rest des am Collodium haftenden Paraffins wird durch Xylol entfernt. Litteratur. 1 SiROTiNiN, Zeitachr. f. Hyg., Bd. 4, 1889. — - Akloing, Comptes rend. de l'Acad., Bd. 114. 1892. — 3 Paste UR & Joubert. ebd.. Bd. 84, 1877. — ^ Chamber- LAND, ebd., 1884. — 5 Nordtmeyer, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 10, 1891. — c Dachniewsky. Ref. Centralbl. f. Bakt., Abt. I, Bd. 16, 1894. — ' Pawlowski & Gladin. Centralbl. i. Bakt., Abt. I, Bd. 18, 1895. — « H. Buchner, Münch. med. Wochenscbr., Nr. 12, 1897. Eine Uebersicht über ziisammenfassende Darstellungen bakteriologischer Methoden findet sich am Schlüsse des I. Kapitels. X. Die Hyphenpilze oder Emnyceteu. Von Dr. phil. et med. H. C. Plaut in Hamburg. Mit 54 Abbildungen im Text*) und 38 Photogrammen. Allgemeines über Fadenpilze. Unter Pilzen versteht mau im allgemeinen alle cbloropbylllosen, pflanzliclien Lebewesen, also solcbe, welche nicht im stände sind, Kohlen- säure zu assimilieren und deshalb auf saprophytisches oder parasitierendes Dasein angewiesen sind. Unter Pilzen im engeren Sinne werden die- jenigen cbloropbylllosen Gewächse zusammeugefasst, die als vegetatives Organ ein Mycel bilden. Nur mit diesen, die man im Gegensatz zu den ersteren, den Myceten, Eumyceten nennt, haben wir uns im vorliegenden Kapitel zu beschäftigen. Um eine gewisse allgemeine Uebersicht (s. d. S. 543) über den ganzen Stoff zu haben, ist es zwar zweckmäßig, sich au ein System der Pflanzen zu halten, aber es soll hier gleich gesagt sein, dass wir uns bei der Einteilung des Stoffes nicht an ein solches binden werden, da einmal zahlreiche Arten, mit denen wir uns zu beschäftigen haben, im System keine Stellung erhalten können, weil man ihre Verwandtschaft zu den dort untergebrachten Arten noch nicht kennt, andererseits in patho- gener Beziehung sich nahestehende Arten im System weit voneinander entfernt sind. Unter den zahlreich aufgestellten Systemen ist das von Beefeld 2 ge- schaffene, natürliche System, welches sich auf die innere Verwandtschaft der Arten stützt, das anerkannte. Nach demselben schließen sich die chlorophylllosen Pilze den grünen Algen direkt an, unterscheiden sich aber von diesen und allen anderen Pflanzen dadurch, dass die niedrig- sten Stufen geschlechtliche und ungeschlechtliche Fortpflanzung besitzen, während die höchsten jeder geschlechtlichen Fortpflanzung entbehren. Bei allen anderen Pflanzen ist das Verhältnis gerade umgekehrt. Hierin liegt also das Charakteristicum der Eumyceten. Die Eumyceten zerfallen nach Brefeld in zwei große Hauptabtei- lungen, in die Phykomyceten oder Algenpilze und in die Mykomyceten *) Die Abbildungen ohne Angabe der Quelle sind Originalzeichnitngen. Die- selben sind von Herrn Hissnauer in Hamburg nach der Natur gezeichnet. Die ITyphenpilze oder Eumyceten. 527 oder liöhercu Pilze. Die ersteren stehen ihrer inneren Verwandtschaft nach den Algen nahe, hilden wie diese septenloses Mycel und ge- schlechtliche und ungeschlechtliche Fortpflanzungsorgane. Man unter- scheidet bei ihnen zwei Eeihen: die Oomyceten und die Zygomyceten. Nicht au die Oomyceten, sondern au die Zygomyceten schließen sich die übrigen höheren Pilze an und zwar an die Sporangieu tragenden Formen die ascusähnliche Sporangieu tragenden Hemiasci und endigen in den völlig gesetzmäBig bestimmten Askomyceten. An die Konidien tragenden Zygomyceten schließen sich die mit basidieuähnlichen Konidien- trägern ausgestatteten Hemibasidien an und endigen in den gleich- falls völlig fest charakterisierten Basidiomyceten. Zur besseren Uebersicht diene folgendes Schema: Oomyceten Sporangientragende Zygomyceten Hemiasci Algeu. Phykomyceten. Zygomyceten 1"^ 1 Conidientragende Zj'gomyceten il Hemibasidii j Basidiomyceten Mykoniyceten od. höhere Pilze Askomyceten Unter zu Grundelegung dieses Einteilungsprinzips baut sich das BiiEFELDSche System in folgender Weise auf: System der Eumyceten. A. Phykomyceten (Algenpilze, niedere Fadenpilze). Ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Endosporen oder Konidien, geschlecht- liche durch Zygosporen oder Oosporen. Reihe 1: Oomyceten. Ungeschlechtliche Fortpflanzung in Sporangieu und Konidien, geschlechtliche in Oosporen. a « ^„+^ -A^ [Familie 1. Monoblepharidaceen: Saprophvtische Wasser- bpeimatozoiden ^ bewohner. /Familie 2. Per onos p oraceen: Parasiten auf Land- und Wasserpflanzen. Schwärmsporen < Familie 3. Saprolegniaceen: Saprophytisch und parasitisch auf Wassertieren. vFamilie 4. Leptomitaceen: In Abwässern. [Familie 5. Synchy triaceen: Befallen auf feuchtem Substrat Mycel verkümmert ■ und in Wasser Algen, Diatomeen, Pilze und nie- \ dere Tiere. 528 H. C. Plaut, Reihe 2: Zygoinyceten. Ungeschlechtliche Fortpflanzung überwiegt die geschlechtliche. Ungeschlecht- liche Fortpflanzung in Sporangien und Konidien, geschlechtliche in Zygosporen. (Familie 1. Mucoraceen: Saprophytische und pathogene Schimmelpilze. Familie 2. Mor tiereil aceen: Mistbewohner. Familie 3. Chaetocladi aceen: \ (Familie 4. P i p t o c e p h a 1 i d a c e e n :J iFamilie 5. Entomophthoraceen: Insektenschmarotzer. a) Sporangientragend b) Konidientragend Mucorschmarotzer. B. Höhere Pilze oder Mycomyceten. Mesomyceten. Hemiasci. Ascusähnliche Sporangien. 1. Askoideen erzeugen Schleimflüsse bei Buchen u. s.w. 2. Protomyceten bilden Mycel in leben- den Pflanzen, auch sa- prophytisch. 3. Theleboleen "j Blasenschneller a. Tier-[ kot, Walderde u. s. w. Exohemi- asken. Karpo- hemiasci. Hemibasidii. Basidienähnliche Konidienträger. 1. Ustilagineen Brandpilze (Staubbrand). 2. Tiletieen (Schmierbrand). Askomyceten. Echte Asken. Exoasken. (Ascus frei.) Endomyceten. Saft und Pilzflüsse der Bäume er- zeugende Arten. Basidiomyceteu. Ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Basidiosporen, Chlamydosporen und Konidien. Protobasidiomyceten. Basidien geteilt. Uredineen (Rostpilze). Karpoasken. Gymnoasken. Auf Pferdemist, Federn, ver- dorbenen Nahrungsmitteln. Perispori aceen. Pflanzenkrankheiten. Schim- melpilze. Pyrenomy ceten. Pflanzenparasiten. Claviceps purpur. Cordyceps. Hysteriaceen. Parasiten und Saprophyten auf Pflanzen. Diskomyceten. Parasitische und saprophy- tische Schwämme; auch ess- bare Schwämme. e 2 '^ Cm CS fl bco g O l^ (- 2 oa ® o a II 'S g Autobasidiomyceten. Basidien ungeteilt. Dakryomyceten. Kleine gallertige Pilze auf faulenden Pflanzen. Gasteromyceten. Bauchpilze. Viele essbare Arten, wenig giftige. PhalloTdeen. Auf der Erde wachsende Schwämme. Hj^menomj^ceten. Essbare und giftige Schwämme. Anhang: Fungi imperfecti. Sphaeropsidales. Konidien in Pyknidien gebildet. Melanconiales. Konidienlager. Hyphomyceten. Konidien an Konidienträgern oder Koremien. Die Hj-phenpilze oder Eumyceten. 529 Allgemeine Morpliologie und Physiologie. Bei dem verhältnismcäßig geringen Räume, der in diesem Handbuche naturgemäß den Fadenpilzen zugewiesen werden konnte, musste das vorliegende Kapitel, das sich mit botanischen Elementarbegriffen zu beschäftigen hat, nur sehr kurz gehalten werden. Es sei des näheren auf die im Litteraturverzeich- nis angeführten botanischen Lehrbücher verwiesen, besonders auf Zopfs^^ un- entbehrliches Werk »die Pilze« und auf Ludwigs ^^ »Lehrbuch der niederen Kryptogamen«. Die folgenden Ausführungen werden nur das Allernotwendigste streifen, aber auf diejenigen Thatsachen etwas näher eingehen, die seit dem Erscheinen der genannten Werke neu hinzugekommen sind oder über die sich die Anschauungen geändert haben und auf die, welche zum Verständnis der recht komplizierten, neueren Lehre von den Fadenpilzen der Haut unbedingt erforderlich sind. Zusammensetzung der Pilzzelle. Sie besteht wie andere Zellen aus Membran, Plasma und Kern. An der Membran kommen Verdickungen und dadurch bedingte Tüpfelungen (teilweise Verdickungen), Höcker, Warzen, Faltungen und Schichtenbildungen vor, auch chemische Differenzierungen, wie Gallertbildung und Verschleimung {Quellungsfähigkeit), Bildung von Wachs, Fett (Unbenetzbarkeit), Harz und Farbstoffen, Krystallbildungen als Einlagerungen. Die Membran besteht aus einer celluloseähnlichen Masse (bei den Saprolegnien und Peronosporeen aus echter Cellulose und einem stickstofi'haltigeu, dem Chitin ähnlichen Körper (van WisselingrH). Das Cytoplasma ist eine zähflüssige Masse, in welche kleine, stärker lichtbrechende Körperchen emulsionsartig verteilt sind (Mikrosomata) (Zopf, S. 102). Es existiert ein Primordialschlauch, wie bei den Pflanzeuzellen. Das Cytoplasma beherbergt an Einschlüssen Tröpfchen (Vakuolen), Krystalloide, Cellnlinkörper, Fibrosinkörper, Fette, Farbstoffe, Harze und echte Krystalle, niemals Stärke. Der Zellkern ist von sehr wechselnder Größe. Manche Pilzzellen haben nur einen Kern, andere viele, z B. die Phykomj'ceten. Kleine Kerne sind strukturlos, größere besitzen Kernkörperchen. Sie vermehren sich meist durch direkte Teilung, aber auch durch Karyokinesis. Die Zellkerne enthalten Nuklein. Das typische MyeeL Man unterscheidet an den Pilzen den vegetativen, den Mycelteil, und den fruktifiziereuden Teil. Beide .zusammengenommen heißen Thallus. Die erste Mycelanlage entsteht durch Keimung einer Spore. Nach Ver- längerung des Keimschlauchs bilden Basidiomyceten und Askoraj^eeten Scheide- wände: Septen, die Phykomyceten nicht (Fig. 1 u. 2). Der der Spore zunächst gelegene abgegrenzte Teil (Binnenzelle b) Avächst nicht weiter, wohl aber der peripher abgegrenzte (Scheitelzelle e). (Fig. 3, s. S. 385). Das nennt man echtes Spitzenwachstum. Wachstum innerhalb der Binnenzellen nennt man inter- kalares Wachstum. Die Phykomyceten bilden Septen erst bei der Fruchtanlage und nur un- mittelbar unter dieser aus; jedoch kommen Ausnahmen vor bei schlechter Ernährung, aber auch bei einzelnen Arten. Die dann weiter abgesandten Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 34 530 Fig. 1. Phykomycetenmycel (Mncor mucedo). c Spore, von der das septenlose Mycel ausgeht, bei a, b, c Fruchthyphen , bei b und c an der Spitze Sporangien. Nach Zopf, S. ö. Fig. 2. Myliomycetenmycel (Penicillium glaucum). A. a Spore oder Konidie von der das septierte Mycel ausgeht, bei t Fruchthyphen mit Konidienabschnürung. B. Oberer Teil einer Fruchthyphe stark vergrößert , h eine Basidie von der die Konidien abgeschnürt werden, bei e ein sogen. Isthmus. Nach Zopf, S. 28. Die Ilyplienpilze oder Eumyceten. 531 Mycelzweige bilden je nach der Lage, Boden-, Flächen- oder Luftmycel. In mycelien. Das Sprossmycel. Wenn statt des auskeimenden und sieh verlängernden Mycelschlauches Aus- stülpungen entstehen, die sich in der Folge zu einem der Mutterzelle ähnlichen oder gleichen Gebilde entwickeln, so reden wir von Sprossung. Die Ausstül- pung heißt Spross, je nach der Gestalt kurz- oder Langspross, ein System dieser Sprossen, Sprossverhand (Fig. 4]. Sprossmycelien bilden sehr viele Eumy- ceten aus, einige unter normalen, andere unter anormalen oder besonderen Be- dingungen. Diejenigen Arten, welche vorzugsweise unter normalen Bedingungen sich durch Sprossung fortpflanzen, nennt man Spiosspilze, auch wohl Hefepilze. Zu denjenigen Arten, welche unter nor- malen Bedingungen neben dem Spross- mycel auch noch typisches Mycel bilden, gehören die sogenannten wilden Hefen, die man auch als Oidien oder Moni- lien bezeichnet und zu denjenigen, die für gewöhnlich typisches, unter anorma- len Bedingungen aber Sprossmycel bilden, viele Mucorarteu und andere Schimmel- pilze im engeren Sinne, auch viele Ba- sidiomyceten. Das typische Mycel kann sehr ver- schiedene Beschaifenheit haben. Jung ist es frei von gröberen Einlagerungen, durch- sichtig, zart. Wenn es älter wird, er- die sie zum Xährsubstrat einnehmen, Flüssigkeiten oder Gallerte: Kugel- Fig. 3. Konidienkeimiing und An- tans der Mycelentwicklung bei PeniciUixxm glaucuiB. Ä Konidie, B Keimschlanchbildung, C aus der Konidie siud 3 Keimschläuche hervorgegangen, D Abgrenzung des Mycels durch .f = Septum, E bei s' neues Septum. bei h Binnenzelle, bei c Scheitelzelle. Nach Zopf. S. 4. rx ^*^sc*% O ^ ■ K C^'^'? Fig. 4. Sprossmycel Saccharomyces Pastorianus III. Hansen. Jörgensen» S. 214. 34* 532 H. C. Plaut, sclieinen die doppelten Konturen deutlicher, die Einlagerungen treten hervor. Bei zu starker Ernährung des Mycels kommt es an verschiedenen Stellen zu bauchigen HervorAvölbungeu auch am Ende des Fadens, die Fruktifikations- anlagen vortäuschen können (Fig. 5). An solchen Stellen finden oft Proto- plasmaanhäufungen und -Austritte statt (Fig. 6). Diese werden manchmal durch eine deutliche Membran zusammengehalten (Fig. 5 und 7aj, manchmal sind sie frei (Fig. Ih). Sie sind meist intensiver gefärbt als das Protoplasma Fig. ö. Mycel von Favus. Bei a bauchige Hervor- wölbungen teilweise mit Membran versehen, bei h Abschnürung einer Seiten- knospe. Fig. 6. Mycel von Favus. Protoplasmaaustritt aus einer kugeligen Endan- schwellnng (KnALsches, gelbes Körperchen;. Fig. 7. Mycel von Favus. Bei b freie Protoplasmamasse. in den Zellen und von Chlamydosporen (s. d.) ohne längere Beobachtung nicht unterscheidbar. Als Gegenstück kommen bei schlechter Ernährung, ausgenutztem Nähr- boden, sogen, sterile Hyphen zur Beobachtung. Lang aufgeschossene, dünne Fig. 8. Durchwachsungserscheinung bei Botrytis cinerea. Nach P. Lindexer. mit wenig Seitenzweigeu versehene Fäden, geradezu langen Frauenhaaren ähnlich. (S. Tafel V, Fig. 156.) Beachtenswert ist, dass Mycelien in andere Mycelien hineinwachsen können. Es werden hierdurch komplizierte Verhältnisse geschafi'en, die selbst den Geübtesten irreführen (Vortäuschung endogener Fruktifikation, von Sporen- membranen u. s. w. (Fig. 8). Mycelien zeigen häufig im Alter Involutionsformen. Die gewöhnlichste Veränderung besteht in unförmigem, l)lasigem Aufschwellen des Mycels; es findet auch eine Art der Involution statt, die äußere Aehnlichkeit mit dem Die Hyphenpilze oder Enmyceten, 533 Verwelken der Blätter hat, aber nicht aus Wassermangel entsteht. Die My- celien krausen und schieben sich an den Enden zusammen. Eine andere Art der Degeneration zeigt sich in Verschwommenwerden aller Konturen : sie erscheinen wie Fett unter dem Mikroskop. lieber Färbung- der Mycelieu siehe unter Fruktifikation. Von Mycelieubildungen sind bekannt Saugorgane, Kletter- und Haft- organe, Schlingen, Sklerotieu, Mycelstränge und Häute: Saugorgaue oder Haustorien kommen bei vielen parasitischen Pilzen zur Be- obachtung und dienen teils zum Festhalten, teils zur Nahrungsaufnahme. K 1 e 1 1 e r - und H a f t o r g a n e werden wir bei den Mucorineen kennen lernen. Diese Klettermycelien bestehen aus Stolonen, d. h. unverzweigten, langen, oft weithin sich erstreckenden bogigen Fäden, die, wo sie den Nährboden berühren, sogen. Rhizoiden bilden, d. i. ein Wurzelsystem, bestehend aus Fäd- chen mit zugehörigen Appressorien, die, den Saugballen an den Füßen der Laubfrösche vergleichbar, dazu be- Fig. 9. Mucor rhizopodiformis mit verzweigten Rhizoiden. Nach Lichtheim. Fig. 10. Ein Mycelfadengeflecht /^/, mit Konidienbündel //, vonFumago salicina. Nach Zopf, S. 47. fähigt sind, auch an den glättesten Flächen emporklimmen zu helfen (Fig-. 9j. Bemerkung: Haustorien und Appressorien haben gewisse Aehnhchkeit mit der ersten Anlage von Schlauchfrüchten, worauf zu achten. SchlingmyceUen spielen eine interessante FtoUe bei dem auf Mist lebenden Arthrobotrys oligospora, der sich Aeichen mit diesen Schlingen fängt und ver- braucht. Näheres Zopf, S. 17. Sklerotieu nennt man festgefügte Mycelbildungen von pseudoparenchym- artiger Zusammensetzung, also mit fester Fände versehene Körper, welche zum Aufspeichern gewisser Reservestoft'e dienen und nach einer Ruhepause auskeimen können. Bekanntes Beispiel: Seeale cornutum. 534 H. C. Plaut, Mycelsträuge imd M3'celbäute bilden die unter dem vulgären Namen »Scliwämme« bekannten großen Pilze der Wiesen und Wälder: Wir begegnen ihnen nur bei Penicillium, wo Strangbildung (Coremium) vorkommt (s. Fig. 10), bei Soor (s. Fig. 33) und bei Yerticillium (s. Fig. 27). Fruktifizierender Teil des Thallus. Am Mycel macht sich der Beginn der Fruchtanlage durch gewisse morphologische Ditferenzierimgen kenntlich. Zunächst tindet Anhäufung von Protoplasma an verschiedenen Stelleu der Mycelien statt, einige Fäden erscheinen prall mit den körnigen Massen gefüllt, andere leer, unscheinbar. Ist das Protoplasma gefärbt, so erkennt man oft schon makroskopisch an der verschiedenen Farbe des Mycelrasens, dass eine Fruktitizieruug im Beginn ist. Nach der Fruktifikation sind derartige Stellen sehr häutig besonders stark gefärbt oder auch sonstwie von den übrigen Rasen unterscheidbar, sie sind gekörnt oder fein punktiert oder sammetähnlich u. s. w. An solchen Stellen muss mau also die Fruktifikation behufs mikroskopischer Untersuchung aufsuchen. Dass die Bildung der Fruktifikation mit der Erschöpfung des Kährbodens immer zusammenfallen müsse, wie man so häufig liest, entspricht durch- aus nicht meinen Beobachtungen. Es liegt vielmehr gewöhnlich so, dass die einzelnen Pilzarten eine ganz bestimmte Zeit nach der Keimung die Fruktifikation beginnen, ohne Rücksicht auf den Nähr- boden. Bei ungenügendem Nährmaterial findet die Fruktifikation auch statt, häufig aber nur rudimentär. Die Zeit ist hauptsächlich abhängig von der Temperatur und von dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft, erst in zweiter Linie von der Zu- sammensetzung des Nährbodens. Die Fruchtanlage erfolgt entweder an den Mycelästen selbst oder an eigens hierzu umgeformten Trägern. Diese unterscheiden sich von den Mycelien dadurch, dass sie ihr Spitzeuwachstum einstellen, die Wachstumsrichtung ändern, andere Gestalt annehmen und Sporen bilden. Von Fruktifikationsarten sind zu unterscheiden: 1. Exosporen oder Konidienbildung, 2. Endosporeu oder Sporangienbildung, 3. Chlamydosporenbildung, 4. Zygosporenbildung (Oosporenbilduug). 1. Exosporen. Aus einem Mycellager erhebt sich senkrecht zur Axe ein Träger und schnürt nach oben die Sporen ab. Das kann in dreierlei Weise erfolgen (Fig. 11). Entweder schnürt er die Spore an der Spitze ab, streckt sich und schnürt die zweite ab (Tyi)us 1) oder er schnürt eine Spore ab, die dann ihrerseits wieder selbstständig Sporen bildet (Typus 2) oder der ganze Sporenträger zerfällt von oben nach unten in Konidieu (Typus 3). Bei dem ersten Typ ist die oberste Spore die größte uud älteste (Penicillium), bei dem zweiten Typ die oberste die kleinste und jüngste (Hormodendron). Bei dem dritten sind die Sporen gleich groß, die oberste ist die älteste (Oidium). Konidieu können einzellig oder mehrzellig sein, sie bilden die ver- schiedenartigsten Gebilde, können Haare auf ihrer Membran haben und die verschiedensten Färbungen zeigen. (Beispiele von Konidieu Fig. 39 und Fig-. 45—48.) Die Hyplienpilze oder Enmyceten. 535 Konidienträger. Die Konidien schnüren sich, wie wir sahen, von be- stimmten Mycelhyphen ab. Diese können verschiedene Gestaltungen erfahren. IMan unterscheidet zwischen fädi- « gen Konidienträgern, Koni- dieubündehi, Konidienhigern und KonidienfrUchten. Der fädige Konidienträger spielt bei der Einteilung der Hautpilze durch die franzö- sische Schule eine Hauptrolle. Mau unterscheidet in den bota- nischen Lehrbüchern eine ganze Reihe als Traube, Aehre, unterbrochene Traube, Dolde, Köpfchen, Mouopodium, Dicho- tomer Kouidienstand, Sympo- diale Konidienstände u. s. w. Uns interessieren hier zunächst folgende: die Traube und die Acladiumform (Fig. 12). Die sogenannte Botrytisfruktifikation der Franzosen tritt meist in Form einer Traube auf, d. h. von dem Fruchtträger gehen abwechselnd Seitenäste ab, die an ihrer Spitze eine Spore tragen (Fig. 121), häufig handelt es sich auch um dichotome Konidienstände. Die Acladium- formation stellt sich als uuverzweigte Aehre dar, d. h. abwechselnd entstehen am unverzweigten Konidienträger stiellose Sporeu (Fig. 1 2 II). Ferner werden (Fig. 13) kammzinkenähnliche Gebilde tra- gende, also einseitig fruktifizierende Hyphen unter dem Namen Acladium begriffen. Von den Kammzinken wird eine Spore abgeschnürt oder die Zinke schnürt sich selbst ab. Vom monopodialen Typ werden wir im Laufe unserer Arbeit noch die Dolde, das Köpf- chen und den wirtlichen Kouidienstand treffen, von denen die beiden ersteren kaum einer Erklä- rung bedürfen. Der wirtliche Kouidienstand kommt bei Verticillium (Fig. 27) vor, er stellt eine Hauptaxe dar, an der auf gleicher Höhe eine Anzahl Nebenaxen eingefügt sind (s. Zopf, S. 38). Unter Basidieu versteht man einzellige konidienabschnürende Seitenaxen, wenn die- selben, statt der gewöhnlichen Zellform, außergewöhnliche Gestaltung zeigen, oder Fig. 11, Typus I. NachlZoPF, S. 29. Fig. 11, Typus II. Nach Zopf, S. 29. i i Fig. 11, Typus III. Zopf. S. 29. ./ Nach \d a. I IE Fig. 12. /Traube. //Aehre. Nach Zopf, S. 37. 536 H. C. Plaut, allg-emeiner kouidienabschnürende Endglieder von besonderer Form. (Zopf, S. 44). Von Konidienbüudeln merke man die Stammbildung (Core- mium) bei Penicillium. Von Konidienlagern unterscheidet mau 2 Arten, ein unmittelbar an den Fäden des Mycels entspringendes und ein mit Zwischenlager (Stro- ma) versehenes. Im letzteren Fall nennt man die auf dem Stroma entstehende kouidien- bildende Region Hymenium (Fig. 10 h). Konidienfrüchte (Py knidien) finden sich nur bei den höheren Pilzen und stellen die am höchsten entwickelte Konidienfruktifikation dar. Man unterscheidet an der Konidien- frucht FruchtAvand und Konidie. 2. Endosporen. Im Gegensatz zu den Exo- sporen entstehen die Endo- Fig. 13. Acladium-FruktifikationL bei Mikro- »poren im Inneren des Mycel- sporon (Kammzinken). fadens. Diese Art Sporen Fig. 14. Chlamydomucor racemosus, nach Brefeld. 1. Verzweigter Sporangien- träger. 2. Sporangiendurchschnitt stark vergrößert ;300fach). 3. u. 4. Chlamydo- sporenbildung. 5. Keimende Chlamydosporen h , mit Sporangienträgern c, Sporangien d. Bei e Entleerung der Sporen. 6. Dichte Septierung. 7. Oidien- zerfall. 8. Keimung der Oidien. Die Hyplienpilze oder Eumyceten. 537 hat man früher im Gegensatz zu den Kouidieu Gonidieu genannt, es ist aber zweckmäßiger, sie als Endosporen zu bezeichnen. Die Sporen- behälter heißen Sporangicn. Dieselben entstehen meist am Ende eines Fruchtträgers 'Fig. 14, 2), aber auch im Verlaufe des Mycels. Die Sporaugien sind rnud oder oval, seltener cylindrisch oder spindelig. Die Sporangieuträger werden in derselben Weise benannt event. eingeteilt, wie wir es bei den Konidienträgern kennen gelernt haben. Membranlose Sporen meist mit Cilien versehen, nennt man Schwärmsporen, die Sporangien dazu Zoosporangien. Die Sporangien der Askomyceten heißen Schläuche Asci, die Sporen derselben Askosporen (Fig. 16). Wie bei den Konidien unterscheidet mau auch bei den Sporangien zwischen Sporangieuträger, Sporangienlager und Sporangienfrüchteu. Ist die Zahl der Sporen in den Asken eine unbestimmte, so redet man von Hemiasci, ist sie eine bestimmte von Euasci. Bei den Hemiaskeii giebt es auch Dauersporangien, welche erst nach einem Dauerznstand Sporen bilden. Das Initialorgan, von dem die Bildung der Frucht- körper resp. Schläuche ausgeht, nennt man Askogon (s. Fig. 16). Vereinigt sich der Fruchtträger mit dem fruchttragenden Ted, so wird ein gemeinsamer Fruchtkörper gebildet. Liegt er frei, so heißt er gymnokarp, Hegt er von einer Hülle umschlossen, so wird er als kleistokarp bezeichnet, die Hülle als Peridie; wenn er nur einen Ted der Entwicklungszeit geschlossen, später ge- öfinet ist, so bezeichnet man ihn als hemigymnokarp , als hemikleistokarp endlich, wenn er seine Reife in einer Umhüllung durchmacht und dann zu Tage tritt. Auf die Pseudoperidien, Schleierbildungen u. s. w. brauchen wir hier nicht einzugehen, da sie nur bei höheren Pilzen in Erscheinung treten. 3. Chlamydo Sporenbildung. Es giebt Mycelarten, welche von vornherein im Verlaufe Neigung zeigen, Anschwellungen und Auftreibungen zu bilden (Mucorarten, Favus und Mikrosporon). An sol- chen aufgebauchten Stellen werden dann häufig (nicht im- mer) später Chlamydosporen gebildet. Diese Bildung geht so vor sich, dass das Proto- plasma auf Kosten benach- barter Zellen in andere strömt. Hier erscheint es häufiger wegen der Ansammlung in- tensiver gefärbt, als das üb- rige Protoplasma. Die proto- plasmafreien Zellen zu beiden Seiten der Chlamydospore sterben dann ab und die Spore wird frei, nachdem sie gewöhn- lich eine feste Membran ge- bildet hat. (Fig. 15.) Fis. 15. Myeel von Mikrosporon. Vollendete Chlamydosporenbildung. Solche Chlamydosporen können in der ersten Entwicklung leicht mit Oidien- bUdimg verwechselt werden, indes sind diese unregelmäßig geordnet, die Oidien regelmäßig. (Vergleich: Diphtheriebazillen und Streptokokken). Die Chlamydospore enthält Fett, Glykogen und viele andere Reservestoffe. Eine 538 H. C. Plaut, C Fig. 16. Eurotium Aspergillus glaucus. Nach de Bary. vi Myceliäden, c Konidien- träger mit Sterigmen in s stark vergrößert. F Peritliecium, /"erste Anlage eines Askogons, f keimende Konidie. h Keimschläuche. A Ascus. r keimende Asko- sporen. S Ausgebildetes Askogon. bei p beginnt die Umhüllung. T älterer Zustand. W Askogon fertig umwachsen. X u. V Längsschnitte. M zeigt einen jungen [a\ und einen älteren («') zerplatzten Ascus (Jörgensen, S. 116;. Die Hyphenpilze oder Eumyccten. 539 besonders starke Widerstandsfähigkeit äußern Einflüssen gegenüber kommt den Chlamydosporen nicht zu. Auf anderen Nährboden gebracht, keimen einige von ihnen aus. viele zeigen sich als abgestorben. Geschlechtliche Sporenbilduug. Die bisher betrachteten Formen von Fruktifikatiou waren ungeschlecht- lich. Geschlechtliche Formen kommen nur bei den Algenpilzen vor. Man unterscheidet Oosporen- und Zygosporenbilduug. Bei den Oosporen fließt der Inhalt der männlichen Zelle (Autheridium) in die v^eibliche (Oogonium) ganz oder teilweise über und bildet da Oosporen oder Oosporangien. Die in den letzteren nach der Reife ge- bildeten Sporen werden als Zoosporen bezeichnet. Fig. 17. Zygosporenbildung von Mucor mucedo. 1. Zwei Aeste wachsen gegen- einander, in 2. erfolgt Abgrenzung, a konjugierende Zellen, h Suspensoren. 3. Kon- jugation vollendet. 4. Reife Zygosporen. 5. Keimung. H. Mucor erectus, Azygo- "sporenbildung von zwei Aesten. 7. Dieselbe nur an einem Ast ausgebildet. 8. u. 9. Mucor tenuis, Azygosporenbildung von einem Ast ausgehend, also vüUig ungeschlechtlich (Tavel-", S. 29;. Bei der Zygosporenbilduug wachsen sich zwei gleichgestaltete keulen- artige Zellen entgegen (kein morpholog. Unterschied zwischen männ- licher und weiblicher Zelle), septen sich ab und bilden nach Auflösung der Seitenhyphen eine mit dicker Membran versehene Zygospore, die auf günstigem Nährboden dann wieder auskeimt. (Fig. 17). Folgt keine Konjugation so spricht num von Azygosporeu (Fig. 17 Kr. 8). Pleomorphie und Polymorphismus. Unter Pleomorphie versteht man die Fähigkeit der meisten Pilz- species, mehr als zwei der eben beschriebeneu Fruktifikationsarteu zu bilden. 540 H. C. Plaut. Es giebt auch Pilze, die nur eine Fruktifikation bilden können z. B. die Trüffel, diese nennt mau monomorph, andere zwei Arten z. B. ■ Penicillium, der Kouidien und Schlauchfrüchte produziert, diese nennt man dimorph. In früherer Zeit kannte mau diese Fähigkeit der Pilze nicht und beschrieb viele Fruktifikationen als Species sui generis. Erst die Untersuchungen von TuLASXE, KtJHN, DE Bary, Fuckel, Zopf, Brefeld, EiDxUi, Schröter u. a. haben diesen Irrtum beseitigt. Einige pleomorphe Arten bedürfen zur Ausbildung einer bestimmten Fruktifikation eines Wirts- oder Substratwechsels z. B. Getreiderost bildet seine Aecidien nur auf Berberitze aus, während die Uredo- und Teleuto- sporenform nur auf Gräsern entstehen kann. Unter Polymorphismus versteht man die Eigenschaft sehr vieler Pilzarten, auf Aenderung der Lebensbedingungen durch Aenderung der Form und Eigenschaften zu reagieren. Die einmal angenommenen Formen und Eigenschaften besitzen eine gewisse Konstanz und werden häufig viele Generationen weit vererbt. Man nennt so entstandene Formen Varietäten. Besonders tritt der Polymorphismus, wie begreiflich, bei Wirtswechsel in Erscheinuug; so kommt es, dass dieselben pathogenen Pilze von Mensch und Tier und der Tiere untereinander sich in der Form und den Eigenschaften häufig sehr voneinander unterscheiden. Vielen von den Pilzen, mit denen wir uns zu beschäftigen haben werden, ist ein sehr hochgradiger Polymorphismus eigen. Ernährung der Pilze. Die Eumyceten bestehen, wie alle anderen Pflanzen, aus anorganischen und organischen Bestandteilen. Von anorganischen Stoffen kommen vor: Phosphor, Kali, Chlor, Schwefel, Silicium, Natrium, Calcium, Magnesium, Eisen, Mangan, Aluminium, Zink und Lithium. Kali und Phosphor sind sehr wichtige Nahrungsmittel für Pilze, da ein Viertel bis zur H<älfte und mehr ihrer Asche aus Kali resp. aus Phos- phorsäure besteht. Kali kann durch Natrium nicht ersetzt werden (W. Beneke und E. Günther), auch nicht durch Cäsium, betreffs des Rubidiums sind noch die Ansichten getheilt (0. Low und die oben erwähnten). Magnesium ist entgegen früheren Anschauungen ein notwendiges und unentbehrliches Nahrungsmittel (Wixogradsky, Adolf Mayer, H. Mollisch). Es kommt in sehr verschiedenen Mengen in den Pilzen vor, nach Zopf durchschnitthch zu 2%. Eine Vertretung des Magnesium durch Calcium, Baryum, Strontium, Beryllium, Zink und Cadmium ist nicht möglich. Eisen scheint gleichfalls unentbehrlich, der exakte Beweis steht aber noch dahin, da es mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, völlig eisenfreie Nährböden herzustellen. Zink und Lithium gelten als Reizmittel, nicht als Nahrung. Schwefel ist wohl uu- entbehrlieh, weil er beim Aufbau der Eiweißstofle eine sehr wichtige Rolle spielt, er kann nicht durch Selen ersetzt werden. Mangan spielt eine wichtige Rolle in den Oxydationsvorgängen mancher Pilzarten und kann gleichfalls nicht ersetzt werden. (Lafar^^ S. 401 fl".) lieber Arsen s. S. 560. Von organischen Verbindungen wurden sehr zahlreiche schon in den Pilzen nachgewiesen. Zopf führt folgende an: Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 541 1. Kohlenhydrate (Zuckerarteü, Traubenzucker, Celluloseu, Hemi- cellulosen, Glykogen, Gummiarten, Mannit, Inosit u s. w.j, 2. Pflanzen- säuren (Oxalsäure, Zitronensäure, Essigsäure, Weinsäure, Ameisensäure, Sklerotinsäure , Sphazelinsäure u. s. w.), 3. Aromatische Säuren, 4. Fette, 5. Aetherische Oele, 6. Harze, 7. Farbstoffe, 8. Glykoside, 9. Alkaloide, (Ergotin, Trimethylamiu, Muskarin u. s. w.), 10. Gallen- stoffe, 11. Eiweißstoffe (Peptone, Eiweiß). Von diesen organisclien Verbindungen sind als Nahrung für die Pilze natürlich sowohl die Stickstoff- als auch die kohlenstoffhaltigen notwendig. Kohlenstoff können die Pilze aus fast allen lösHchen Kohlenstoffverbindungen nehmen, die nicht sehr giftig für sie wirken. Indessen werden auch direkte Pilzgifte in sehr starker Verdünnung von den Schimmelpilzen als Nahrung verbraucht, z. B. Phenole. Nach der Ernährungstüchtigkeit hat Nägeli i^ die KohlenstofiVerbiudungen empirisch folgendermaßen geordnet. 1. Zuckerarten, 2. Mannit, Glycerin, 3. Weinsäure, 4. Essigsäure, 5. Benzoesäure, 6. Phenole. Von stickstoffhaltigen Quellen sind die löslichen Eiweißstoö'e und Peptone in erster Linie zu nennen, der N. -Bedarf kann auch gedeckt werden aus allen Ammoniaksalzen und salpetersauren Salzen, ebenso aus den Amiden und Aminen, nicht aus der Cyangruppe. Außer den genannten Nährstoffen l)rauchen die Eumyceten noch zu ihrer normalen Entwickelung Sauerstoff", Wasser und eine gewisse Temperatur. Was den Sauerstoff anbelangt so ist derselbe zur Entwickelung gewisser Schimmelpilze nicht unbedingt nötig. Trichophytie und Favuspilze wachsen z. B. unter einer Oelschicht recht gut, die pathogenen Pilze in der Niere, in der Leber u. s. w., aber zur Fruktifikationsbildung brauchen wohl alle Arten freien Sauerstoff. Es ist aber auch hierzu nur geringe Meuge notwendig. So fruktifizieren Penicillium, Mucor, Aspergillus, Favus und die Trichophytieenarteu sehr schön von Deckgläschen überdeckt auf den gewöhnlichen, ganz flachen Objektträgern, wenn sie nur feucht gehalten werden. Taucht man gewisse Schimmelpilze, z. B. die Mucor- arten, in gärungsfähigeu Flüssigkeiten unter, so entsteht Gemmen- und Hefe- bildung unter Entwickehmg von Kohlensäure und Alkohol. Das Wasser ist unbedingt das unentbehrlichste Nahrungsmittel der Pilze. Ohne Feuchtigkeit keine Keimung, keine Mycelbildung , keine Lebens- äußerung. Freilich bedürfen die Pilze geringerer Mengen zu ihrer Entwicke- lung, als die Spaltpilze. Sie gedeihen noch auf Medien, die nur 10^ Wasser enthalten, jedoch liegt das Optimum ihres Wachstums etwa bei 80^ (Gott- schlich 1896 S. 115). Das Temperaturoptimum, Maximum und Minimum liegt natür- lich bei den verschiedenen Pilzarten ganz verschieden. So schwankt das Minimum z. B. zwischen 1,5" und 30" C, das Maximum liegt bei gewissen pathogenen Pilzen bei über 50° C, bei anderen bei 24° C. Die Reaktion der Nährsubstrate schwankt gleichfalls in weiten Grenzen. Die Schimmelpilze wachsen bekanntlich besser auf saurem Nährboden, als auf neutralem oder alkalischem, sie kommen aber auch auf alkalischem Nähr- boden, wenn in Reinkultur, sehr gut fort. (Ueber Absterbebediugungen der Pilze s. u. Desinfektion und den speziellen Kapiteln.) 542 H. C. Plaut, Methoden der Züchtung. Die gewöliulicheu Schimmelpilze imd die der Soorpilzgruppe an- gehörigeu Varietäten, lassen sich nach den Methoden züchten, wie sie Koch für die Bakterien ausgearbeitet hat. Um Reinkulturen zu gewinnen, ist die Plattenmethocle stets in Anwendung zu ziehen. Es erweist sich hierbei zwecknicäßig, die Schimmelpilzsporen, die sehr schwer Wasser annehmen und deshalb leicht verstauben, einen Moment mit absolutem Alkohol in Berührung zn bringen und dann erst zu verarbeiten. Ihre Keimfähigkeit wird hierdurch nicht beeinflusst (Rosenbach i"). Als Nährsnbstrat benutzt man zweckmäßig das gleiche oder ein ähnlich zusammengesetztes, wie das ursprüngliche war, auf dem der zu züchtende Pilz gefunden wurde. Zu wissenschaftlichen Untersuchungen sind auch die bekannten Nähr- lösungen von Nägeli zu empfehlen, ferner Bierwürze, Molken mit Weinsäure hergestellt und dann neutralisiert, Lösungen von Glycerin, Maltose, Trauben- zucker (1 — 3^) mit 1% Pepton, schwach sauer, sterilisierte Milch, die ge- Avöhnlichen Gelatinen und Agararten u. s. w. Um einen Pilz zur Fruktifikation zu bringen, der im Inneren eines Organs gewachsen ist, kann man neben der Anwendung der Platten- methode noch Organstücke in feuchten Kammern auslegen, wo die Fruk- tifikation gewöhnlich bei Brutwärme nach 24 Stunden einzutreten pflegt. Um nicht folgenschweren Irrtümern ausgesetzt zu sein ist die Kenntnis der gewöhnlicheren Verunreinigungen unserer Nährböden beim Arbeiten mit den Eumyceten Erfordernis. Einer anderen Methodik bedürfen wir, wenn wir die Erzeuger der parasitären Hautkrankheiten in Reinkultur gewinnen wollen und zwar aus folgenden Gründen. Die Hautpilze sind häufig mit enormen Mengen von Spaltpilzen im Krank- heitsgebiet vereinigt und meist sehr in der Minderzahl diesen gegenüber. Mau sieht leicht ein, dass dadurch die Trennung durch Verdünnung erschwert wird. Verdünnt man zu stark, so erhält man auf den Platten, die die Spaltpilze genügend weit voneinander getrennt enthalten, keine Fadenpilze, verdünnt man zu schwach, so bekommt man keine Reinkulturen. Dazu kommt noch, dass viele Pilzkeime, die man bei der mikroskopischen Untersuchung noch für lebensfrisch halten kann, bereits abgestorben oder doch auf unseren künst- lichen Nährljoden nicht mehr zur Entwickelung zu bringen sind. Aus diesen Gründen haben viele Forscher wohl mit den gewöhnlichen Züchtungsmethoden beim Studium der Hautpilze ungenügende Resultate erhalten. Es sind deshalb schon seit langer Zeit andere Methoden üblich. Man kann 2 Arten von Züchtungsmethoden unterscheiden die ziemlich gleich sicher zum Ziele führen. 1. Gewinnung der Pilze durch Anwendung elektiver Nährböden (Verschiedenheit der Reaktion, Temperatur, Konsistenz, Zusätze von Kohlehydraten). 2. Gewinnung der Pilze durch Befreiung von ihren Mitparasiten, durch Anwendung von mechanischen oder chemischen Mitteln. Ge- wöhnlich werden beide Methoden kombinirt. Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 543 Zu der ersten Art gehören die Züclitungsmethoden der älteren Autoren wie Rindfleisch^* und Grawitz^, aber auch die SABOURAUDsche und IJNXASche Methode sind elektive Trennungsmethoden. Sabourauu ^'^ und Unna 21 legen kleine Bruch Stückchen der Haare und Schüppchen des Krankheitsmaterials ohne vorherige Reinigung auf einen sehr kohlehydratreichen Peptouagar von saurer oder neutraler Reaktion und lassen das Material bei Zimmertemperatur aus- wachsen. Dann übertragen sie vom Rande auf anderen Nährboden und erhalten rasch die Riesenkulturen, die zur Bestimmung der Varietäten notwendig sind. Es ist empfehlenswert, da bei dieser Art, Kulturen zu gewinnen, Verun- reinigungen kaum auszuschließen sind, derartige Kulturen, bevor man sie als Reinkulturen betrachtet, Tierimpfuugen anstellt u. s. w. , noch einmal durch eine Platte zu schicken. Die andere Art, Reinkulturen zu erhalten, besteht entweder darin, dass mau das Krankheitsmaterial dadurch zum Plattengnss geeignet macht, dass man es mit Kieseiguhr verreibt (Kräli^j^ oder die Mitparasiten durch An- wendung desinfizierender Mittel, die den Eumyceten nichts oder sehr w^enig anhaben, aber die Bakterien schädigen, zu schwächen oder zu vernichten sucht. Die erstere Art verdient den Vorzug, giebt aber be- sonders bei knappem Material aus vorige Seite angeführten Gründen manchmal keine Resultate. Es ist deshalb gut, wenn mau bei der Züchtung der Hautpilze sich verschiedener Methoden bedient, um sicher zum Ziel zu kommen. Zur Beobachtung der Entwicklung der Pilze unter dem Mikroskop kann man die BREFELOsche Kammer benutzen; da aber die Hautpilze, wie wir sehen werden, durchaus nicht auf flüssigem Mhr- boden am besten gedeihen oder alle ihre Entwickelungsstadien daselbst durchmachen, so ist es zweckmäßig zum Studium derselben sich auch meiner im Centralblatt für Bakteriologie*) beschriebenen Methode zu bedienen, auf die ich weiter unten noch kurz zurückkommen werde. Die pathogenen Fadenpilze. Allgemeine Uebersicht. Unter den Eumyceten giebt es viele Arten die auf Pflanzen schmarotzen, aber nur relativ wenige, die pathogen oder schädlich für den Menschen und die Tiere sind. Da nur die letzteren in diesem Handbuch Berücksichtigung tindeu werden, so können nur einige Hauptvertreter der übrigen der Voll- ständigkeit und der besseren Uebersicht wegen augeführt werden, und zwar nur die, welche eine gewisse Beziehung zu den menschen- oder tierpathogenen Pilzen erkennen lassen oder von allgemeinerem medizinisch -hygienischem Interesse sind. Wegen eingehenden Studiums verweise ich auf die natürlichen Ptlanzenfamilien von A. Exgler & K. Praxtl^' i6 und auf die Lehrbücher von Zopf, Flijgge^ (1883) und Ltdwu;, nach denen ich mich auch bei der Auf- stellung dieser Uebersicht hauptsächlich gerichtet habe. Unter den Phykoniyceteil bieten die Chytridieen (deren Stellung im System noch nicht feststeht) als Veruichter vieler Algen, Pilze und niederer Wassertiere eine gewisses hygienisches Interesse, auch erzeugen die Olpidiaceen eine Krankheit des Klees und junger KohlpÜanzen. Sie stellen einzellige bauchige Organismen mit geringer oder fehlender Mycelbildung dar.^^ .1^^^ *) XXXI. Bd. Nr. 5. 1902. fS* \0 _ O^) fö/^ ^•^ f\C>, Lj i L I B R A R Y aoj 544 H. C. Plaut, Die Peronosporaceen haben dagegen reich entwickeltes Mycel, unge- schlechtliche und geschlechtliche Fortpflanzung. Die Konidien keimen ent- weder aus oder werden in Wasser, Tau u. s. w. zu Schwärmsporangien. Die geschlechtlichen Früchte entstehen im Innern der Wirte. Antheridien und Oogonien deutlich von einander unterschieden. Sie leben als strenge Parasiten und bringen entweder die ganze befallene Pflanze oder einzelne Organe zum Untergänge. Durch Befallen wichtiger Kulturpflanzen können sie beträchtlichen Schaden stiften. Am bekanntesten ist Phytophthora infestans, die Erzeugerin der gefürchteteu Kartoflelkrankheit, die 1830 aus Chile in Deutschland mit Guano eingeschleppt worden sein soll. Früher richtete sie durch sehr ausgedehnte Epidemieen un- geheuren Schaden an, jetzt nur noch in feuchten Jahren. Der Pilz bildet zu- nächst auf den Blättern der Nährpflanzen weiße Ptasen, die die Blätter zum Absterben bringen. Die abgestorbenen Blätter sehen braun und verwelkt aus. Durch die vorzeitige Ausschaltung der wichtigen Assimilationsorgane werden natürlich die Knollen in ihrer Entwicklung gestört. Außerdem kriecht das Mycel des Pilzes noch von den Blättern und Stengeln zu den Knollen und bewirkt hier eine Trockenfäule. Die Nassfäule wird durch Buttersäure- bazillen erzeugt, pflegt aber in Gemeinschaft mit der Phytophthora vorzu- kommen. Der Pilz überwintert in den Knollen und kommt im nächsten Jahre, wenn Feuchtigkeit seiner Entwicklung günstig ist, in den jungen Trieben wieder zum Vorschein. Von der Kartofielkrankheit befallene Kartoffeln er- zeugen bei Haustieren nach dem Genüsse Krankheiten: bei Schweinen nach Haubner Verstopfung, bei Pferden Kolik und Verdauungsbeschwerden, nass- faule Kartoffeln bei Schweinen Magen- und Darmentzündung, bei Rindern ge- fährliche Diarrhoen. Saprolegniaceen kommen für gewöhnlich nur auf Wasserpflanzen und toten Tieren im Wasser vor, erzeugen aber auch verheerende Krebs- und Fischsenchen. Sie haben ein Wasser- und ein Nährmycel; ersteres bildet schleimige Massen im Wasser, letzteres senkt sich in die Nährsubstrate ein und liegt auf der unteren Seite des Wassermycels. Fortpflanzung in Schwärm- sporensporangien und Oosporen. Wichtig sind die Leptomitusarten, welche Verunreinigungen der Gewässer und Verstopfungen der Kanäle hervorrufen. Hierdurch entstehen häufig außerordentlich widrige Gerüche. Ferner ist die Achlya prolifera bemerkenswert, welche die sogenannte Krebspest erzeugt. Von den Zygomyceteil besprechen wir die Mucoraceen eingehend S. 553 u. ff. Die Entomophthoreen erzeugen Epidemieen unter den Insekten. Mycel reich entwickelt, anfangs einzellig, später geteilt. Fortpflanzung durch Zygo- sporen, die in den Tieren gebildet Averden und durch Konidien, welche an schlauchartigen Trägern, die aus den AVirten herauswuchern, abgegliedert oder geschleudert werden. Es kommen auch Azygosporen vor, über die in neuester Zeit Vuillemin22 interessante Studien veröffentlicht hat. Die bekannteste und wichtigste Gattung ist die die Herbstseuche der Fliegen erzeugende Empusa muscae. Das Mycel durchwächst den Körper der Stuben- fliegen, sendet die oben erwähnten Träger aus den Ilinterleibsringen heraus, an denen dann die Sporen entstehen, die auf weite Entfernungen hin nach der Ptcife abgeschleudert werden und andere Fliegen infizieren können. Das Mycel heftet die Tiere an der Unterlage an. Da die Fliegen in hygienischer und wirtschaftlicher Beziehung als Ueberträger von Infektionsstoffen und Parasiten (z. B. Tyroglyphus Megnin) als schädlich betrachtet werden müssen, so muss man die Empusa muscae als nützlichen Parasiten ansehen. Leider befällt sie Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 545 aiicli die Schwebeiiiegen, welche bei der Befruchtung des Getreides eine sehr wichtige Rolle spielen. Die Entomophthoreen leben nicht nur auf Insekten, sondern auch auf denjenigen Pflanzen, die gern von Insekten besucht werden, und kommen naturgemäß auch im Kote insektenfressender Tiere vor. Unter den Hemiasken befinden sich nur pflanzliche Schmarotzer von untergeordneter Bedeutung. Unter den Exoasken sind für uns vor allem die En domycesarteu von Wichtigkeit. LuDAvrc hat früher einmal die Meinung ausgesprochen, dass Favus, Trichophytie, Soor u. s. w. in ihrer systematischen Stellung ihrer oidienartigcn Knospuug wegen vielleicht hier einzureihen seien. In neuester Zeit (1900) hat nun Vuillemin in Nancy behauptet, dass der Soorpilz ein Endomyces sei. Endomyces hat Anteil am Saft- und Pilzfluss der Bäume und lebt in Gemeinscliaft mit gärenden Hefezellen und Leukonostoc Lager- heim ii LrDWKJ meist auf Eichen.*) In diesen Schleimflüssen entstellt alkoholische Gärung. Von dem Gerüche der gärenden Massen werden In- sekten augelockt, die nacli dem Genüsse derselben narkotisiert werden und zu Boden fallen. Das ziemlich starre Mycel dieser Pilze ist reich verzweigt, meist nur auf einer Seite, wodurch es leicht erkannt wird. Fortpflanzung durch Oidien- bildung, Chlamydosporen und Asken. Letztere entstehen am Ende der Fäden, wie alle Exoasken, gewöhnlich im Leukonostocschleim. Im Ascus bilden sich 4 Sporen aus. Die Taphrinearten mit dem bekannten Repräsentanten Exoascus pruni (den Narren oder Iluugerpflaumen) haben für uns wenig Interesse, dagegen müssen wir unter den Gyilinoasken den Ktenomyces Eidam erwähnen, weil er von Matruchot & Dassoxville'-* in Verbindung mit dem Mikrosporon- pilz gebracht worden ist. Dieser sehr merkwürdige Pilz wurde von Eidam auf Rabeufedern gefunden, bildet kralleuartige Haftorgane in den Mycelien, die der Verbreitung der Art dienen, aber auch kammartige Bildungen mit Konidienabschuttrungen, die Aehnlichkeit mit der Acladiumformation bei Mikro- sporon und Favus haben sollen. Da, wie meine Untersuchungen ergeben haben, Raben ihre Nester häufig aus Haaren von Rindern bauen und die Trichophytie und favusähuliche Krankheiten unter den Rindern sehr häufig sind, so ist es nicht ausgeschlossen, dass der Trichophytiepilz gelegentlich auf Ra1)eu gefunden wird. Den Pilz selbst habe ich auf Rabenfedern nicht ge- funden, ihn auch uicht mehr durch Eidam-^ erhalten können, die Abbildungen aber, die Eidam in seiner Arbeit giebt, sind in der That der Acladiumforma- tion der Favusarten nicht unähnlich. Von den Perisporiaceeu resp. Tuberaceeu besprechen wir S. 558 die Schimmelpilze im engern Sinne genauer: Aspergillus und Penicillium. Bei den Pyreiiomyceten, welche häufig saprophytisch, seltener parasitisch leben, sind die Nektrieu als Brand- und Krebserzeuger der Laubbäume zu er- wähnen, besonders aber Claviceps- und Cordycepsarten. Claviceps purpurea ist die bekannteste Art. Die Infektion geschieht am Fruchtknoten des Roggens durch Schlauclisporen. Durch das Mycel- wachstum Avird der Fruchtknoten emporgehoben, so dass seine Reste auf dem *) Es ist nicht unwalirscheinlich, dass die von Boxouuen auf Eiclienrinde gefundene Monilia Candida, mit der es mir 1887 gelungen ist. Soor bei Tauben u.s.w. zu erzeugen, in genetischem Zusammenhang mit Endomycesarten oder einem Mit- parasiten dieser Pilze steht. Hamllnii'li der patbo^'i-non -Alikroorganismen. I. 35 546 HC. Plant, ausgebildeten Pilzkörper zu oberst sitzen. Von den pallisadenartigen Konidien- trägern werden ovale Konidien seitlich gebildet, gleichzeitig eine süße, milchige Flüssigkeit abgesondert, Avelche der Verbreitung des Pilzes durch Insekten dient (Honigtau des Getreides). Dieser Konidienzustand des Pilzes wird Sphacelia genannt und bezeichnete früher eine besondere Art. Nachdem die Konidien- bildung sich erschöpft hat, entsteht aus dem Pilzkörper durch Wachstum und Wasserverlust ein hartes, schwarzes Sclerotium, das bekannte Seeale cornutum. Dasselbe besteht aus einer harten schwarzen Rinde und einem weißen Pseudo- parenchym und enthält eine Menge Oele, Alkaloide und Reservestoife. Es fällt nach der völligen Entwicklung im Herbst zu Boden und entwickelt sich erst im Frühjahr. Es wachsen aus diesem Sclerotium viele fleischrote Stiele aus, die oben ein Köpfchen bilden (Claviceps purpurea). Dieses Köpfchen enthält die Fruchtkörper, in denen die Asken ausgebildet werden, deren Sporen die Fruchtknoten der Roggenpflanzen wieder infizieren. Das Mutterkorn erzeugt die bekannte Kriebelkrankheit bei Mensch und Tier. Durch Verbesserung der Getreidereinigungsmaschinen sind jetzt die früher durch Brot häufigen Vergiftungen bei Menschen sehr selten geworden. Vergiftungen durch minderes Schrotgetreide und Hühnerfutter bei landwirt- schaftlichen Nutztieren nicht ganz selten. Symptome zeigen bei Rindern Aehn- lichkeit mit Rinderpest bei akuten Vergiftungen, bei chronischen entsteht das bekannte Symptombild des Ergotismus gangraenosus. (Friedberger & Fröhner'', S. 274.) Die Cordyceps arten zeigen eine ganz ähnliche Entwickelung, befallen die lebenden Insekten, Raupen, Käfer u. s. w., töten sie durch Mycelentwicke- lung und machen ihre Weiterentwicklung als Saprophyten auf den Kadavern dieser Tiere durch. Am bekanntesten sind Cordyceps militaria und ento- morrhiza. Hier möge auch Botrytis Bassiana erwähnt werden, der Erzeuger der Muskardine oder Calcino der Seidenraupen. Nach Ludwig wird unter diesem Namen wahrscheinlich nur eine Sammelspecies gleichgestalteter aber zu verschiedenen Cordycepsarten gehöriger Konidienformen ))egriflen. Die von dem Pilze ))ei Lebzeiten ergriflenen Seidenraupen werden matt und sterben. Auf ihren Kadavern entstehen dann erst die Botrytisrasen, welche die ge- wöhnlichen, runden oder birnförmigen Sporen abschnüren. Diese setzen sich auf der Haut der Insekten (Seidenraupen und andere Raupen, Engerlinge und Schmetterlinge) fest und senden ihre Keimschläuche in den Körper. Im Körper werden sichelförmige Sporen (Isariensporen) abgeschnürt, die im Blute und den Organen zu Mycelfäden auswachsen, die Tiere töten und sich dann weiter, wie im Anfang l)eschrieben, auf den Kadavern entwickeln. Die Art der Sporenbildung hat Aehnlichkeit mit der Ektosporenbildung der Trichophytiepilze, wodurch Sabourai^) veranlasst wurde, den letzteren ihre Stellung im natürlichen System bei Botrytis anzuweisen.*) Beim Menschen ist das Vorkommen einer Isariaart einmal von Schubert in der Nase beobachtet worden. (S. S. 567.) Hier wäre auch Fusarium unterzubringen, weil es gleichfalls Sichel- sporen und Oidiensporen bildet. Es zeichnet sich durch einen eigentümlich ^moschusartigen Geruch aus und bildet rötlichen Farbstoff. Dieser Moschus- pilz wurde von Kitasato ^ zufällig in Pflanzeninfusen entdeckt und von Lagerheim in der Wasserleitung von üpsala in kolossaler Masse nachge- wiesen. Er verunreinigt auch die Wasserleitungen in München, Würzburg und Braunschweig. *) Es muss hier l)etont werden, dass man aus der Aehnlichkeit der Konidien- bildung zweier Pilze nicht auf ihre verwandtschaftlichen Beziehungen schließen darf. Die Hyphenpilze oder Eumjoeten. 547 Für Warmblüter ist er nicht pathogen, wohl al)er für Frösche. Bei Menschen, die in Gebäuden wohnen, in deren Nähe er in größerer Menge angehäuft ist (Mühlen), erzeugt sein Geruch Kopfweh. Unter den Henii1)0. — ■' Baumgartex & Müller, Mitteilungen über Versuche über accomodative Züchtung von Schimmel- pilzen. Sitzungsber. der Königsb. med. Gesellsch. v. 9. 1. 1882. — * Berg, De la structure anatomico-microscopique du muguet. Clin. d. hop.. 1842. — 5 Chanth- MEssE, Sur une tuberculose mycosique. Intern, med. Congress. Abt. III. pag. öl, 1890. — '' Degexer, Ann. phjs. m(kl. Vratisl. Tent. 28, pag. 643. Cit. nach Virchov. — ' Eidam, Beitr. zur Biologie der l'Hanzen. v. Cohn. Bd. 3, H. 3. — >* Gaffky, Mitt. aus dem Kais. Gesundh.-Amt, 1881. Berl. klin. Wochenschr.. 1881. — '•' Grawitz, Ueber Schimmelvegetationen im thierischen Organismus. Virch. Arch. Bd. 81. — i" Grohe (Block , Berl. klin. Wochenschr.. 1870. Nr. 1. Greifs- walder Diss., 1870. — n Gruby, Compt. rend. 1842, pag. (i34, und 1844, pag. öHö. — '- Harz & Bezold, cit. bei Siebenmann, 18S8. — " HErsixiiER, Ueber die Entstehung niederer vegetabilischer Organismen auf lebenden tierischen Körpern, 1826, cit. bei Virchow. — 1* Hörn, De situ correptis partibus corp. hum. viv., 1739, cit. bei Virchow. — i"" Kaufaevnn, Recherches sur l'infection produite par r. Aspergillus glaucus. Lyon mcdical, 1882. Tome 39. — ig Langenbeck. Frorieps Notizen, 1839, cit. nach Eulenb. Realencycl. »Soor«. — i'^ Leber, Ueber die Wachstumsbedingungen der Schimmelpilze im menschlichen und tierischen Kürper. Berl. klin. Wochenschr.. 1882, Nr. 11. — ^^ Lichtiieim, Ueber pathogene Schimmel- pilze. Berl. klin. Wochenschr., 1882, Nr. 9 u. 10. Ueber pathogene Mucorineen. Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 7, Heft 2. — !'• Lindt, Mitteilungen über einige neue pathogene Schimmelpilze. Arch. f. exper. Pathol. und Pharm., 1886, Bd. 21. 1. — -" Potain, Un cas de tuberculose aspergillaire. L'Union medicale, 1891. — -I Renon, Etüde sur raspergillose chez les animaux et chez l'homme. Paris 1897. Sehr vollständige Litteraturangaben. — — Schöneein, Zur Pathologie der Impetigines. Müllers Archiv, 1839. — -■'■ Siebenmann, Die Fadenpilze und ihre Beziehungen zur Otomycosis aspergillina. 1883. Neue Beiträge u. s.w. zur Otomy- cose, 1888. — 24 Virchow, Beiträge zur Lehre von den bei Menschen vor- kommenden pflanzlichen Parasiten. Virch. Archiv, 1856, Bd. 9. — -■' Zenker, Ber. d. Ges. f. Nat. u. lleilk. Dresden 1861 62, cit. nach Baumgarten. 1. Gruppe. Die pathogenen Schimmelpilze Allgemeines. Die durch diese Pilze erzeugten Krankheiten sind, im Verhältnis zu der großen Verbreitung der pathogenen Arten, bei Menschen recht selten. Ueber die Verbreitung des Aspergillus fumigatus in den verschiedenen Ländern haben Siebexmaxn und Rexon Untersuchungen gemacht. Ersterer ermittelte aus der Otomykosen- Litteratur, dass die pathogenen Arten in allen Ländern Europas und in Amerika vorkommen. Rexox tand sie in den verschiedenen Ländern verschieden häufig und nach der Jahreszeit wechselnd. Auch in Indien sind Ohrmykosen eine sehr häufige Krankheit. (Hatch & Row^j. Die gewöhnlichen pathogenen Schimmelpilze sind bei uns jedenfalls fast ebenso stark verbreitet wie die banalen Schimmelpilze und fehlen in keinem bewohnten Raum. Es genügt, ein Stück frisch gebackenes Schwarzbrot kurze Zeit an die Luft zu legen, dann unter eine Glasglocke, die mit Fließpapier austapeziert und luftdicht verschlossen wird, zu bringen, um 552 H. C. Plaut. nach kurzer Zeit bei geeigneter Modifikation der Wärmeregulierung eine ganze Anzahl von pathogenen Schimmelpilzen zu erhalten. Will mau Mucorarten erhalten, so nimmt man besser Weißbrot (Siebenmanx). Die Lebens- und Absterbebedingungen der pathogenen Arten sind dieselben, wie die der banalen, mit Ausnahme der höheren Wärme, welcher viele pathogene Arten zu ihrer ungestörten Entwicklung bedürfen. Bei der Optimaltemperatur wachsen sie mit kaum glaublicher Schnelligkeit. Aspergillus fumigatus ))ei 37° C. bildet in einer Nacht Rasen von 2 cm Durchmesser auf Maltoseagar! (Tafel VII, Fig. 180.) Die Virulenz der Sporen lässt sich niclit durch Variation der Lebens- bedingungen oder Einwirkung von Chemikalien, Hitze u. s. w. auf dieselben abschwächen (Fränkel^^ Ziegenhorn^oj Präventivimpfungen der verschie- densten Art sind gleichfalls erfolglos (Renon). Toxine scheinen beim Wachs- tum dieser Arten überhaupt nicht gebildet zu werden*). Lucet^ behauptet zwar, fiebererregende Substanzen beim Wachstum des Aspergillus fumigatus gefunden zu haben, aber diese Mykosen verlaufen durchweg fieberlos. Es handelt sich bei Menschen am häufigsten um Erkrankungen des äußeren oder inneren Ohrs (Otomykosen oder Syringomy kosen), sodann um Bronchopneu- monomykosen, viel seltener um Aflektionen der Nase und des Nasenrachen- raums, der Cornea und nur ganz ausnahmsweise um Allgemeinerkrankimg (Fall Paltaufs ^). Von Tieren erkranken sehr häufig Vögel an Verschimmelungen der Luftsäcke und der Bronchien, seltener die Säugetiere an derartigen Affektionen. Es lässt sich aber bei diesen und auch bei den Vögeln durch Einbringen von Sporen pathogener Schimmelpilzarten in die Venen, in die Lunge oder die Bauchhöhle eine tj^pische Allgemeinerkrankung, die spontan noch nicht bei Tieren beobachtet wurde, hervorrufen. Bei Anwendung hochvirulenter Arten (Mucor corymbifer , oder bei der nötigen Sporenmenge weniger pathogener Species, lässt sich mit Sicherheit schon kurze Zeit nach der Infektion der Tod der Versuchstiere erwarten. Wie die Zerstörung der Sporen im Körper in Fälleu erfolgt, wo Heilung nach der Injektion eintritt, darüber steht ebensowenig Positives fest, wie über die eigentliche Todesursache der mit Sporen geimpften Tiere. Die Ansicht RiBBERTS nämlich, dass die Phagocyten die Zerstörung der Sporen bewirken, scheint mir durch Baumoartens Kritik widerlegt, der auf die Machtlosigkeit der Leukocytenwälle gegenüber den Aspergilluswucherungen bei der Kerato- und Nephromycosis hinweist. Der wesentliche Grund für das Absterben der Keimlinge liegt nach Baumoarten vielmehr in der relativen Ungunst der Lebens- nnd Entwicklungsbedingungen der Keime im Innern des Körpers (Mangel an freiem Sauerstoff, alkalische Reaktion, mechanische Widerstände). Sicher ist auch, dass die normalen Schleimhäute auch in den stets auf ihnen befindlichen zahlreichen Bakterien ungemein kräftige Hilfstruppen gegen faden- pilzliche Eindringlinge besitzen. Wir kennen kaum ein natürliches Mittel, das so prompt das Wachstum dieser Schimmelpilze in der Kultur verzögert, wie die zu- fällige Verunreinigung mit Spaltpilzen. Wahrscheinlich handelt es sich auch bei den pathogenen Schimmelpilzen um ähnliche Verhältnisse, wie ich sie bei meinen Studien der Hautpilze keunen gelernt habe: Von den vielen Millionen Sporen, *) Indessen möge hier darauf aufmerksam gemacht werden , dass durch einen pathogenen Schimmelpilz, den Aspergillus niger, nach Eaulik'^ Rhodanwasserstoff- säure produziert wird. Rhodannatron steigert nach Paschkis' die Reflexerregbar- keit, macht Krämpfe und Blutdrucksteigerung. Der Harn und Speichel des Men- schen enthält bekanntlieh Rhodankalium ,Kobert*, S. 521, 1893 . Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 553 welche in den künstliclieu Kulturen vorbanden sind, und die mau zur Ein- impfung verwendet, keimen nur ganz wenige auf der tierisolien Haut aus, die anderen gehen zu Grunde. Die eigentliche Ursache des Todes bei den Versuchstieren wird ver- schieden gedeutet, die meisten Forscher glauben, dass die Unmenge der Ent- zündungsherde, die sich in lebenswichtigen Orgauen gebildet hal)en, die Schuld daran tr.ägt. Sticker (s. S. 565) wirft die Frage auf, ob in der starken Kohlen- säurebildung, die bei der Entwicklung der Schimmelpilze entsteht, die deletäre Wirkung des Schimmels auf die Warmblüter zu suchen sei, andere glauben, dass dabei eine Fermentwirkung eine Kolle spielt (l>orK(iri'L(JT & Hkrissey i). An den Erkrankungen beteiligen sich selten die Mucorineen, häufig die Aspergillusarten. Wir kennen bis jetzt folgende Arten pathogener Schimmelpilze: a) Zu den Mucoraceen gehörend 1. Mucor corymbifer, » rhizopodiformis, » ramosus, » pusillus. ' » septatus, » conoides (racemosus\ b) Zu den Aspergilleen gehörend: 1. Aspergillus fumigatus, 2. » flavus, 3. » niger (nigricans;, 4. » nidulans, 5. » subfuscus, 6. Eurotium malignum. Zu den Fungis imperfectis gehörend und zwar zu den Mucedineen (Hyalo- sporae), Verticillium und Botrytis. a) Mucoraceen. Die Mucorineen gehören, wie wir S. 528 sahen, zu den Phykomyceten und zwar in die Klasse der Zygomyceten. Das Mycel dieser Pilze ist bis zur Fruchtl)ildung einzellig (Fig. 1), reich verzweigt und bildet bei einzelnen Arten kurze Haustorien, die dazu bestimmt sind, in die Wirtspflanze (meist selbst Pilze) einzudringen. Einzelne Arten bilden sehr charakteristisches Luft- mycel. Alte Mycelien erscheinen häufig septiert, auch kommen echte Chla- mydosporenbildung und bei in zuckerhaltigen Flüssigkeiten untergetauchten Mycelien Sprossverbände vor. (Fig. 14.) Involutionsformen sehr häufig! Un- geschlechtliche Sporenbildung entsteht auf Sporangien (Fig. 14, 2), die auf ein- fachen oder verzweigten Trägern sitzen. (Fig. 14, 1.) Die Bildung geschieht folgendermaßen: Zuerst Septierung der kugelig angeschwolleneu Fruchthyphe (das spätere Sporangium), Hervorwölbung dieser Scheidewand in die kugelige Anschwellung, die nun Columella heißt ^die Basis des späteren Sporangiums). Aus dem vorhandenen Protoplasma findet dann die Bildung der Sporen durch simultane Teilung statt. Es bleibt bei einigen Arten, da nicht alles Protoplasma verbraucht wird, eine quellbare Zwischensubstanz zurück. Sporangien ohne Columella nennt man Sporangiolen. Wenn die Sporen reif sind, so genügt ein kleiner äußerer Anlass, z. B. Benässung, um die Sporangienhülle zu sprengen und die Sporen in Freiheit zu setzen. Es werden dann noch bei einigen Arten echte Konidien oder auch Konidienketten gebildet. 554 H. C. Plaut, Die geschlechtliche. Sporenbildung findet bei Luftzutritt statt, gewöhnlich am Luftmycel ; es wachsen sich zwei Myceläste, die kolbenähnlich anschwellen, entgegen, und verwachsen nach der Septierung. Die verwachsenden Enden heißen Gameten. (S. Fig. 17.) Die ohne Kopulation also an einem Myceläste entstehenden Sporen, die sonst einer Zygospore ähnlich sind, nennt man Azygosporen (Fig. 17). Physiologisch wichtig ist die Fähigkeit mancher Mucorarten, Alkohol erzeugende Hefen zu bilden. Es giebt ungefähr 130 Arten. Viele Arten sind über die ganze Erde gleichmäßig verbreitet. Der gewöhnlichste und verbreitetste aller Mucorineen ist der Mucor mucedo. Mucor mucedo. (Fig. 17.) Er bildet seidenartige weiße Rasen, die später bräunlich werden. Auf Mist und vielen anderen stickstoffreichen Nährmitteln. Fig. 18. Mucor stolonifer mit Rhizoiden. Zeiss, A., Oc. 2. Fig. 19. Mucor rhizopodiformis, nach Sprengung der Sporangienmembran. Die Columella C ist deutlich sichtbar, ebenso die Ansatzstelle der Sporangienmembran. Nach LicHTiiKiM. Zeiss, E., Oc. 2. Geringes Luftmycel. Sporangiumträger meist einfach aufrecht, 10 cm lang. Sporangien rund, Columella oval, Farbe zuerst braun dann schwarz, mit Krystallen besetzt. Sporen oval 7 — 10 /i lang, 4 — 6 /.i breit. Runde Zygosporen entstehen im Substrat. 90 — 200 fi breit. Epispor schwarz, warzig. Fruchtträger bilden mitunter Sporangiolen. Nicht pathogen. Mucor racemosus (s. Fig. 14) bildet im Mycel reichlich Chlamydosporen, die auskeimen können, Sporen 5 — 8 /t lang, 4 — b /.i breit, rundlich. Zartere Verhältnisse, wie bei Mucor mucedo, kommt häufig auf Mist und faulen Pflanzenteilen vor. Pathogen für Vögel. (Rhizopus) Mucor stolonifer, Mycel bogenförmig sich erhebend. Wo der Bogen den Nährboden berührt, entstehen feine Mycelhaare. Sporen rund, 10 — 15 f^i laug, 11 ^t breit. Sporangien schwarz, Zygosporen braun. Azygo- sporen. Der Pilz verursacht Alkoholgärung. Nicht pathogen. (Fig. 18). Mucor rhizopodiformis (Lichtheim). Sehr weit verbreitete pathogene Art auf angefeuchtetem Weißbrot in Begleitung anderer pathogener Schimmel- pilze bei 37° C. gefunden. Er bildet weiße, später mausgraue, seidenartige, Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 555 flaumige Rasen. Er zeichnet sich durch die Kleinheit aller seiner Verhsiltnisse von den übrigen ^lucorineen aus. Das Mycel ist kriechend. Wie bei Mucor Fig. 20 a. Mucor corymbifer. Nach Lichtheim. Zeiss, C, Oc. 4. stolouifer steigen auch hier bräunliche Myceläste bogenförmig auf und senken sich wieder auf das Substrat und laufen an diesem hin (s. Fig. ü). An der Berührungs- stelle abwärts kurze ver- zweigte Würzelchen mit geraden spitzigen Aesten, aufwärts Sporaugienträ- ger entwickelnd. Sporan- gienträger einzeln oder bü- schelförmig; kurz (120 u bis 1,8 mm), bräunlich. Sporen 5 — 6 ii. Sporan- gien kugelig (66 /.i bis 1,5 mm), wenn reif schwarz mit undurch- sichtiger in W^asser rück- standlos löslicher Mem- bran. Columella bräun- lich, 50 — 75 u breit, nach der Basis verjüngt, gegen den Träger abge- stutzt, so dass dieser sich von ihr durch eine flache Breite, Apophyse, scharf abgrenzt (Fig. 19). Spo- ren farblos kugelig, platt Yig. 20b. Mucor corymbifer. Nach Lictitiieim. 5 — 6 j«. Zygosporen Zeiss, E., Oc ö. nicht beobachtet. Mucor Corymbifer (Lichtheim). Viel seltener als der vorlier beschriebene, von Lichtheim zufällig auf einer Brotinfusgelatine gefunden. Alle Verhält- 556 H. C. Plaut, Fig. 21. Mucor pusillus. Sporangienbildung, Membran mit Stacheln besetzt. Nach Lindt. Leitz, IV, Oc. 2. nisse des Pilzes siud noch viel kleiner als bei der vorigen Art und äußerst zierlich. Lockeres krauseres Mycel, als das des rhizopodiformis, schneeweiß, später hellgrau, kriecht wenig, sondern l)leibt mehr auf den Impfstrich be- schränkt, wächst auch aufrecht in die Luft. Sporangienträger nicht auf- steigend, sondern lang hingestreckt, dolden- traubenförmig ver- zweigt, an der Spitze bis 12 gestielte Spo- rangien doldenförmig ausstraUend (Fig. 20ff). Unter den End- kolben nocb kleinere zwergartige Sporan- gien, traubenartig ent- wickelt. Sporen 2 bis 3 1^1. Sporangien farl)- los, birnenförmig ver- jüngt, scharf von Trä- ger abgesetzt, von sehr verschiedener Größe, 10— 70 /f. Sporan- giummembrau durcli- siclitig. Columella durch die massenhaft vorhandenen Sporen verdeckt, erst nach Ausstreuung derselben sichtbar und zu einer am Grunde kreiseiförmig nach dem Scheitel gewölbten und kegelförmigen, manchmal warzigen Keule auswachseud (Fig. 20/j). Sporen farblos, 3/t lang, 2 u lireit. Zygosporen nicht be- obachtet. Sehrpathogen auch im Ohr gefunden. Mucor pusillus (Lindt). Zufällig gefundener und ge- nau beschriebener pathoge- ner Pilz. Erst schneeweißes, dann mausgraues kriechen- des Mycel, sehr niedrig, samtartig, Luftmycel sehr gering. Meist einfach ver- zweigte, 1 mm hohe Spo- rangienträger. Sporan- gien schwarz, kugelig mit stacheliger Membran 60 bis SO u. Columella eiförmig bis kugelig scharf gerad- linig abgesetzt, Farbe hell- braun. Breite 50«. Hcihe 60 i-i. Sporen sehr klein, 3 — 3y2 f^h i'und, farblos. Gedeiht nur bei höheren Temperaturen, untere Grenze 24 — 25° C. Maximum zwischen 50 und 58° C. Optimum bei 45° C. (Fig. 21). Mucor ramosus (Lindt). Herkunft wie beim vorigen. Ueppiges Luft- mycel überwächst schnell den Impfstrich. Sporangienträger 5 — 15 /< breit, Fig. 22. Mucor ramosus. Reife Sporagien, runde Columella. Nach Lindt. Leitz. VII, Oc. 1. Die Hyphenpilze oder Enmyceten. 557 sowohl von dem Bodenmycel wie von den Liifthypbeu sioh abzweigend. An- fangs unverzweigt Averden sie rasch lang, 1 — 2 cm, bleiben aber bogenförmig gekrümmt und verzweigen sich dann sehr stark, sympodial oder dolden- traubenförmig. Sporangien 70;», schwärzlich , Membran durchsichtig (Fig. 22, umstehend). Luftmycel führt auch Sporangiolen. Colu- mella rund oder abgestutzt, Sporen farblos, mit zarter glatter Membran, oval, 3 — 4 u breit, 5 — 6 u lang. Zeigt in allem eine große Aehnlich- keit mit Mucor corymbifer, mit Ausnahme der Sporen. Sehr patho- gen für Kaninchen. Tötet diese Tiere nach 36 — 60 Stunden. Mucor septatus (Siebenmann) hat Aehnlichkeit mit 31. rhizopodi- formis , aber blassgelbbräunliche, kugelige Sporangien, kleine farblose Columella, die nach Verlust der Sporangien weiter wächst und sich bräunt , septierte Sporangienträger, wonach er beuannt ist, und viel kleinere Sporen 2.b — !(. Er wurde mehrmals im Ohr gefunden Fig. 23a. Mycelien mit Wandverdickung. bei a = Rhizoiden. Mucor septatns. Nach ^iebenmann. (Fi- 23) Fig. 23 b. C Sporangium mit Sporen gefüllt, b u. e verschie- dene Stadien der Columella nach Entleerung der Sporen. Am Mycel sind die Septen deutlich zu sehen. Mucor septatus. Fig. 23c. Zeigt die Anordung (d) des Thallus. bei (/' schirniartig um- geklappte Columella. Nach SiEBKNMAXX. 558 H. C. Plaut, Zweifelhafte Arten. Mucor niger? von Ciaglinski & Hewelke (s. S. 570) von der sogen, schwarzen Zunge isoliert. Wächst nur bei niederen Temperatnrgraden. Mucor conoides ist wahrscheinlich mit M. racemosus identisch. Bei Vögeln von Boltjnger gefunden. b) Eurotium- und Euaspergillusarten. Diese Pilze rechnet man zu den Perisporiaceen. Die Asci werden bei den Eurotiuniarten aus schraubenartig gewundenen Hyphen gebildet, welche von unter diesen Schrauben heraussprießenden Mycelfäden dicht umsponnen ■werden (s. Fig. IG f, S u. T). Es entsteht in der P'olge ein fester Körper, das sogenamnte Perithecium, aus Scheinparenchym zusammengesetzt, in dem sich die aclitsporigen Asken ausbilden (s. Fig. 16 J.). Bei der reifen Frucht sind die Scheinparenchymzellen aufgelöst, so dass nach Platzen der Wand die Sporen frei werden. Diese Fruchtbildung ist die seltene, die Konidien- form dagegen die häufige und oft allein vorkommende: Aus dem Mycelrasen erheben sich einzelne ihr Spitzenwachstum eiustellende Fruchthyphen, die dann kolbenförmig anschwellen (s. Fig. 16 c). Um das Köpfchen herum entstehen morgensternförmig angeordnete flaschenartige Sterigmen, die die Konidien in Ketten abschnüren. Diese Fruchtform wurde früher für eine selbständige Pflanzenart betrachtet und als Aspergillusschimmel bezeichnet. Euaspergillus bildet statt der Perithecien Sklerotien, Ludwig S. 256. 1892. Im Gegensatz zu Euaspergillus bezeichnet man mit Aspergillus Konidienträger von Aspergillusform mit unbekannter Zugehörigkeit. Sehr wichtig ist, dass derartige Konidienträger nicht unbedingt zu den Askomyceten zu gehören brauchen. Der Basidiomycet Heterobasidium annosnm (Rotfäule der Nadel- hölzer erzeugend) hat auch Aspergilluskonidienträger (Ludwig S. 257). Von physiologischen Eigenschaften sind hervorzuheben: Invertinbildung, Diastasebildung, Alkoholgärung und Spaltung des Tannins in Gallussäure und Glykose (Zopf S. 443). Es ist wichtig, auch die häufigsten nichtpathogenen Arten dieser Pflauzen- gattung zu kennen, weil sie als gewöhnlichste Verunreinigung, viel häufiger noch, als die Mucorarten, in den künstlichen Kulturen vorzukommen pflegen. Eurotium, Aspergillus glaucus deBary, Aspergillus herbariornm. Auf zuckerhaltigen Früchten, feuchtem Brot u. s. w. Sehr häufiger, all- gemein verbreiteter Schimmelpilz. Konidienträger 1 mm aufrecht am oberen Ende kugelig angeschwollen (20 — 40 mikra) mit dichtstehenden, un ver- zweigten Sterigmen versehen, welche ellipsoidische Konidien (9 — 15 mikra im Durchmesser) in Ketten abschnüren. Membran derselben schmutzigbrann, fein warzig, Konidienrasen grau- bis olivengrün. Askosporen 8 — 10 mikra Durchmesser, 15 — 17 mikra hoch. Perithecien schwefelgelb mit einschich- tiger Wandung 79—90 mikra. Nicht pathogen. (S. Fig. 16). Aspergillus repens, ähnlich wie der vorige, auf denselben Substraten, alle Reproduktionsorgane aber kleiner. Konidien 7—9 mikra Durchmesser. Nicht pathogen. Eurotium malignum Lindt. Konidienrasen blaugrün. Konidienträger kurz, Anschwellung birnförmig 22—24 u. Unverzweigte Sterigmen. Koni- dien 3—4 /<. Perithecien 40—60 /<. Askosporen 6 — 8 /,«. Gedeiht gut bei höheren Temperaturen. Von Lindt im menschlichen Gehörgang gefunden. Aspergillus nidulans. Sterigmatocystis nidulans Eidam. Chlorgrüner Konidienrasen (Asperg. fumigatus lilaugrün, A. flavescens gelbgrün). Später auf- tretendes Luftmycel, oft rosa. Zufällig gefunden auf Ilummelnestern. Konidien- träger 0,6 — 0,8 mm, Breite 8 — 10 mikra, farblos, uuverzweigt, werden später Die Ilyphenpilze oder Euniyceten. 559 braunrötlich und verzweigt. Fig. 24. Auf einer keulenartigen, si)äter mehr dreieckig rundlichen Anschwellung sitzen verzweigte Sterigmen, bestellend aus einer basalen Zelle mit zwei und mehr Zweigen, jeder dieser Zweige schnürt 20 — 30 Konidien in Reihen ab, medusenartiges Aussehen, oder Cylinder bildend (Fig. 24). Der Pilz bildet einen braunroten Farbstoff, stecknadelkopfgroße, gelbliche Perithecien im Pilzrasen (0,2 — 0,3 mm Durchmesser) mit 8 Askosporen. Die Anlage erfolgt schon nach 4 — 5 Tagen bei Körpertemperatur. Am zweiten Tag erste Krankheitserschei- nungen, Zwangsbewegungen nicht bemerkbar, wie bei Aspei'gillus fumigatus (iO Stunden nach der Impfung Tod. Nieren aufs Doppelte ver- größert, mit kleinen weißen Pünktchen durch- setzt und streifenförmige Herde. Alles meist nur in der Rinde. Herzmuskel mit Herden durchsetzt, ebenso Diaphragma. Milz, Leber frei. Darm gesund, Psoas einzelne Herde. Manchmal Herde in der Leber und im Peritoneum. Nur eine große Zahl von Sporen wirkt letal (Eidam) (Lindt). Aspergillus fumigatus. Sehr verbreitet. Bildet dem gewöhnlichen Penicillium sehr ähnliche, bläuliche, spfiter graugrüne Mycellager, mit körniger Oberfläche (Taf. \TI, Fig. 180). Konidienträger kurz, keulenförmig, Durchmesser 5 — 6 u unten, 8 — 10 ,a oben. Sterigmen unverzweigt, 6 — 15 a lang, dichtge- Fig. 24. Aspergillus nidnlans. auch Sterigmatocystis nidiilana genannt, wegen seiner ver- zweigten Sterigmen. Nach EiDA.M. Fig. 25. Aspergillus fumigatus. der Papageilunge. Aus Fig. 26. Aspergillus flavus. Zeiss, DD., Oc. 4. drängt. Fig. 25. Konidien rund, farblos 2,5 — 3,0//. Sämtliche Teile des Konidien- trägers werden später bräunlich bis dunkelgraugrün. Es kommen auch geteilte Konidienträger vor von kleineren Dimensionen. Perithecien von Behrens, Sklerotien von Olsen beschrieben. Häutigste pathogene Art unter den Asper- gillaceen. Spielt auch eine Rolle bei der Erwärmung des Heus und der keimenden Gerste, die er auf über 60" C. bringen kann. 560 H. C. Plaut, Aspergillus flavus bildet goldgelbe Rasen mit schwefelgelben grünlichen und braunen Nuancen. Konidienträger 0,4 cm lang, 7 — 10 ,u dick. Frucht- köpfchen gelb, auf trocknem Boden schwefelgelb, auf feuchtem olivengrün, im Alter braun (Siebenmann S. 5). Konidien rund, schwefelgelb-braun, warzig. Durchmesser 5 — 7 //. Häufige pathogene Art. (Fig. 26.) Aspergillus niger, Sterigmatocystis antacustica Gramer, Aspergillus nigricans etc., bildet chokoladebraune Rasen. Konidienträger 8 mm lang mit dicker Wand. Blase kugelig, 75 fi Durchmesser. Sterigmen 20 — 100 /t lang, braun, aus einander gespreizt (Sterigmatocystis). Konidien rund, braun bis schwarz, glatt oder warzig, 3,5 — 5 /t Durchmesser. Konidien keimen in situ Fäden, pathogen. Wächst noch bei 40°. Aspergillus subfuscus. Olsen-Gaiie. Olivengelbe, ins Schwarze spie- lende Farbe der reifen Rasen. Gedeiht auch bei niederer Temperatur. Asper- gillus fumigatus sehr ähnlich, etwas weniger bösartig als dieser und flavus. Von weiteren nicht pathogenen Aspergillusarten sind bemerkenswert, der weiße Sporen und Fruchthyphen bildende A. candidus, der auf Vogelkot vorkommende A. sulfureus mit gelben Sporenköpfchen und sekundären Sterig- men, der anfangs fleischfarbige später ockergelbe verzweigte Sterigmen be- sitzende Sterigmatocystis ochraceus, der bei der Bereitung des Reisweins benutzte Aspergillus oryzae und der stärke- und celluloseartige Stoffe verzuckernde mit starkem Peptonisierungsvermögen ausgerüstete Aspergillus Wentii -Wehmer. Er kommt spontan auf Sojabohnen vor und wird zur Be- reitung der Sojasaucen u. s. w. verwandt. e> Penicillium. Penicillium crustaceum (glaucum) gehört, wie die soeben besprochenen Aspergillaceen gleichfalls zu den Perisporiaceen. Er ist der häufigste Schimmel- pilz und auch die weitaus gewöhnlichste Verunreinigung unserer Kulturen. Die Ascusfrüchte erscheinen nur sehr .selten, gewöhnlich auf Brod im Herbst, und gleichen in ihrer Entwicklung dem Eurotium. Die Schraube be- teiligt sich aber mit an der Bildung der Fruchtkörper durch Sprossung. Die Konidienträger sind aufrecht, gegliedert, obeu pinselförmig verzweigt. Am Ende dieser Aeste befinden sich flaschenförmige Sterigmen, die in Ketten die Konidien (2 — 3 u) abschnüren. (S. Fig. 2 B.) Es tritt auch Coremiumbildung durch Zusammenlagerung mehrerer Konidienträger ein. Der Pilz erzeugt anfangs schneeweiße flockige, dann von der Mitte aus blaugrünlich werdende Schimmelrasen. Er wächst auch bei niederen Tempe- raturen. Er spielt in der Natur als Hauptverwesungserreger eine große Rolle. Bei der Roquefortkäsebereitung wird er als Gärungserreger verwandt. Man kennt bis jetzt erst eine pathogene Art. Penicillium minimum. Siebexmanx. Gleicht der Beschreibung nach durchaus Penicillium crustaceum. Auch die Sporengröße ist dieselbe. Wurde von Siebexmanx im Ohr gefunden. Von weiteren Penicilliumarten als Verunreinigung sind bemerkenswert: P. luteum. Konidienrasen graugrün. Konidien kleiner als crustaceum. P. in- signe. Konidienrasen weiß. Auf Mist beobachtet. P. aureum. Sporen spindel- förmig. Konidienrasen gelb. Für den biologischen Arseniknachweis wird Penicillium brevicaule Gossio verwendet, der bei höheren Temperaturen gut gedeiht. Es giebt noch eine große Anzahl von Penicillium ähnlichen Koni- dienzuständen, deren Zugehörigkeit noch unbekannt sind. Es muss deshalb nicht jeder Pinselschimmel, der gefunden wird, ohne weiteres mit Penicillium glaucum identifiziert werden! Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 561 Verticillium Graphii (Hakz & Bezold). Stemphylium polymorplium (Box.) Graphium penicilloides (Corda) Halliek. Trichotbecium roseum (Steudexer). Diese Pilze wurdeu von Hassexsteix, Steudexer, Bezold imd Siebex- MAXN im Ohr gefunden. Unter 7 Otomykosen mit fütidem Sekret fand sich 4 mal Verticillium. Die botanische Stellung der Pilze lässt sich nicht fest- stellen, da genauere Angaben fehlen und Kulturversuche nur mangelhafte Resul- tate ergaben. Siebexmaxx meint, Graphium sei kein Pilz sui generis, sondern bloß eine Stamm oder Strangbildung der Fruchtträger von Verticillium, Avie sie sich auch bei den Isarien findet. Fig. 27 a. Das HALLiERSche Stem- phylium, das STEUDEXERSche Trichotbecium sowie das HARZ-BEZOLDsche Verticillium hält er für identisch. Ich gebe hier nur zur Orientierung einige botanische Notizen über die genannten Pilze nnd die Beschreibung Siebexmaxxs von Verticillium Graphii: Fig. 27. Von Verticillium kennt man 50 Arten. Sie kommen meist auf faulem Holz, auf faulen Hutpilzen, auf halbtoten Stengeln der Kartofielstauden u. s. av. vor. Von Graphium kennt mau 60 Arten, auch sie finden sich meist auf faulem Holz, auf Eicheln, in leeren Essigfässern u. s. w. Von Trichotbecium kennt man 8 Arten, die gleichfalls auf faulem Holz und faulenden Pilzen leben. Siebex:maxx beschreibt diesen Pilz folgendermaßen: Hyphen durchsichtig, farblos, später gelb bis braun, septiert verzweigt. {Fig. 27 b.) D = 2—Z 1.1. Fruchtträger dünner als das Mycel. Aeste reichlich, paarig und gegen- ständig, oft Avieder verzweigt. Sporen einzeln auf der Spitze der Zweige, gegen den Fruchtträger sich ver- jüngend, bei der Reife rauch-grau, eiförmig. Fig. 27c. b:S u D. Büudelförmige Mycelstränge und Stammbildung mit normaler Konidienbildung sehr häufig. Litteratur. 1 BouRQUELOT & Herissey, Nots concemant l'action de Temulsin de rAsper- gillus niger sur quelques glucosides. Compte reudu de la Societe de Biologie, 1895. — 2 A. Fr.vnkel, Bakteriologische Mitteilungen. Deutsche med. Wochenschr.. 1885. — 3 Hatcii & Row, Fungus Disease of the aar. The Lancet, Dec. 1. 1900. — 4 KoBERT, Lehrbuch der Intoxikationen, 1893. — 5 Lucet, De Taspergillas fumigatus chez les animaux domestiques et daus les ceufs en incubation. Etüde Handbuch der patliogenen Mikroorganismen. I. 36 562 U- C. Plaut, clinique et experimentale. Paris 1897. — '"' Paltauf, Mycosis mucorina. Virch. Arch-, Bd. 102, 1885. — " Paschkis, Wien. med. Jahrb., 1885. Cit. nach Robert. — 8 RiBBERT, Der Untergang pathogener Schimmelpilze im Körper. Bonn 1887 (M.Cohen. — •' Raulin, cit. nach Robert. — i" Ziegenhorn, Versuche über die Abschwächung pathogener Schimmelpilze. Arch. f. exper. Path. u. Pharm.. Bd. 21. S. 249. Aus der med. Rlinik in Bern, 1886. Durcli pathogene Schimmelpilze erzeugte Erkrankungen der Menschen und Thiere. A. Broncliopneumonom.y kosen. Während die Verschimmelnng der Lungen bei Vögeln schon seit 1S15 bekannt war, ist dieser Befund bei Menschen erst im Jahre 1847 erhoben worden. Bexket hatte zwar schon früher in den Kavernen einer tuberkulösen Frau Pilze gefunden, Raier auf der veränderten Pleura von Phthisikern bei Pneumothorax und Rejiak 3 Jahre später im Auswurf eines Pneumouikers nachweisen können, aber die erste Beobachtung einer echten durch Aspergillus verursachten Bronchopneiimouomykose machten Baum, Litzmaxx & Eich- STETT bei der Sektion einer an Lungenbrand gestorbenen Frau. Die erste wissenschaftliche Beschreibung solcher Fälle mit ganz genauer Bestimmung der Pilzart rührt von Virchow^'' 1856 her. Vjkchow fand dreimal Gangräuherde, die sich von dem gewöhnlichen Ijungenbraud durch ihre Geruchlosigkeit leicht unterscheiden ließen, eiumal nur Schimmelrasen in den Bronchien bei einem an Dysenterie gestorbenen Mädchen. Die frischen Lungenherde bei den andern Fällen hatten große Aehnlichkeit mit hämorrhagischen Infarkten. Es handelte sich nach Virchow stets um sekundäre Befunde. Nach diesem waren es zunächst Friedreich 5, v. Dusch & Pagenstecher ^^ die ähnliche Fälle be- schrieben, d. h. bei der Sektion geruchlose Kavernen fanden, die aus hämor- rhagischen Infarkten durch sekundäre Ansiedelung von Schimmelpilzen ent- standen zu sein schienen. Bestimmung der Pilze fehlt; auch in dem dann von Cohxheim beschriebenen Fall, der einen isolierten Herd in der Lunge betraf, ist eine Bestimmung der Art nicht gemacht worden. Die nächsten drei Be- obachtungen stammen von Fürbringer^ und sind deshalb besonders erwähnens- wert, weil bei zwei derselben die Bestimmung des Pilzes aus den Frukti- fikationen Mucor ergab. Das sind also die zwei ersten Beobachtungen von Mucor beim Menschen und mit dem PALTAUFSchen Fall die drei einzigen. Die Deutung geschah im ViRCiiowschen Sinne. Dagegen ließ es Weichsel- baum 20 in seinem Fall dahingestellt, ob nicht die Schimmelpilze (Aspergillus) auch einmal in nicht vorher erkranktem Gewebe sich angesiedelt hätten. Es folgen nun Mitteilungen von LicuTHEiit, Wheatox^i^ Boyce ^ mit Befunden, die den oben erwähnten mehr weniger gleichen. Der Fall von Koiix'^ ist sehr bemerkenswert und wichtig, da Koiix die Lungeninfarkte nicht als primär auffasst, sondern sie ebenso wie die Gefäßthrombosen als durch die Schimmel- wucherung entstanden hinstellt. Er räumt den Schimmelpilzen das erste Mal eine primäre Aktion ein, indem er ihnen als Wirkung umschriebene Nekrosen und demarkierende Entzündung zuschreibt. (Den sehr interessanten Befund Paltaufs besprechen wir unter Allgemeinerkrankung durch Mucor.) Hier müssen wir die neueren Arbeiten der französischen Schule über die Pseudotuberculosis aspergillina erwähnen. Nach diesen Autoren (s. geschichtl. Uebersicht) soll bei dem Menschen eine primäre Lungenmykose existieren, die unter dem Bilde der Lungentuberkulose verläuft, aber auch mit dieser kompliziert sein kann, wodurch natürlich die Deutung der Befunde sehr er- schwert wird. Den Anstoß zu diesen Arbeiten gab eine kurze Mitteilung, die Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 563 Cha>;temesse auf dem zehnten internationalen Kongress in Berlin machte. Er berichtete zunächst von einer Erkrankung* der Tauben, welche von Maconne und Italien in Paris eingeführt und verkauft werden. Die Krankheit verläuft unter dem klinischen Bilde der Tuberkulose der Lungen, der Leber, seltener des Oesophagus, der Eingew^eide und der Kieren, manchmal auch der Mundhöhle. Die Knötchen enthalten Mycelien von Aspergillus fumigatus. Er vermutet eine ähnliche Erkrankung bei den Tauben mäst er n, die an der Lunge infolge ihres Berufs erkrankt sind. Ihr Sputum enthält Pilzfragmente und ruft Tauben venös eingespritzt eine Pseudotuberkulose hervor. Disponiert werden die Mäster durch die starken Exspirationen, die sie während des Mästens*} mit ihrem eigenen Mund machen müssen, angesteckt durch die Pilzsporen, die zweifellos der Mastbissen, der aus Getreidekörnern besteht, enthält**). Die Entwicklung der Erkrankung glich völlig einer chronischen Lungentuberkulose. Ein Obduktionsbefund lag nicht vor. Rexox hat diese Erkrankungen am genauesten verfolgt und mehrere Fälle zusammengetragen. Auch bei den Pariser Haarkämmern, welche die aus den Lumpen gesammelten Haarbüschel heraussuchen, mit Mehl entfetten, (das pathogeue Pilzsporen enthalten soll,) und dann auskämmen, soll eine Krankheit infolge des kolossalen giftigen Staubes, der bei ihrer Arbeit aufwirbelt, beobachtet werden, eine Krankheit, die mit der Taubenmästerkraukheit identisch sein soll. Diese Pseudotuberku- lose, die von chronischer Tuberkulose nicht ohne Untersuchung des ^Vuswurfs zu unterscheiden ist, auch typhusähnliche Infektionen und Septikämie vor- täuscht, verläuft sehr chronisch, zeigt Tendenz auszuheilen oder geht in echte chronische Tuberkulose über. Es sind aber bis jetzt noch keine beweisenden Sektionen gemacht worden. In wie weit es sich also dabei um eine selbstän- dige Krankheit handelt, muss abgewartet werden. Besonders bemerkenswert ist die schon mehrfach citierte Arbeit von Saxer^-^, welche nicht nur eine genaue, völlig objektiv kritische Besprechung der ge- samten Schimmellitteratur bringt, 5 eigene Beobachtungen über primäre Asper- gillusmykose mitteilt, sondern auch durch zahlreiche Experimente an Tieren ganz üijerzeugend nachweist, dass Aspergillus fumigatus in der Lunge selbständig Entzündung, Nekrose und geruchlose Höhleubildung macht. Hiernach wird es wahrscheinlich, dass viele der bis dahin für sekundär gehaltenen Fälle primär durch Schimmel erzeugt worden sind. Es muss aber betont werden, dass in allen bis jetzt beobachteten Fällen irgend eine, wenn auch geringe, pathologische Veränderung in der Lunge neben den sicher durch Schimmel hervorgerufenen bestanden hat: ge- wöhnlich pneumonische Prozesse. Das stimmt auch mit dem Verhalten der anderen pathogeuen Hyphomyceten überein, die ohne Läsion des Gewebes nicht zum Haften bei den Versuchstieren zu bringen sind! (Soor.) Nach Sticker 1'^, dem wir eine sehr genaue Zusammenstellung der bisher beobachteten Fälle von Lungenverschimmeluug verdanken, kann die Asper- gillusmykose bei Menschen sporadisch oder endemisch auftreten. Im ersteren Falle handelt es sich fast stets um schAvache, an anderen Krankheiten leidende Individuen. Sticker führt 39 Fälle aus der Litteratur auf und nur 5, wo die Krankheit von Haus aus gesunde Personen befiel. Die endemisch auftretenden Krankheiten entstehen infolge des Berufs der Patienten. Hierher gehören die Krankheiten der Taubenmäster und der Haar- *) Der Mastbissen wird im Mund gehalten und den Tauben in die Schnäbel hineingetrieben. **) Auch durch die schimmelkranken Tauben kann natürlich Ansteckung er- folgen. 3ß* 564 H. C. Plaut, kämmer in Paris, vielleiclit auch der Scliwammremiger, welche Tersaxciiy i"*) beschrie))en hat. Der KraukheitsverLauf n. s. av. ist ans den ol)en besprochenen Arbeiten ersichtlich. Die Veränderungen der primären Aspergillusherde in der Lunge be- schreibt Saxer: Schon makroskopisch ist der eigentliche Herd gegen die Umgebung durch einen sehr deutlichen, sehr dunkel gefärbten Saum ab- gegrenzt. Das ganze innerhalb dieses Ringes gelegene Lungenparenchym ist vollständig abgestorben, kein Kern erscheint bei der Färbuug normal. Dabei ist die Struktur erhalten. In der Mitte liegt das Schimmelmycel. Von einem eigentlichen Zerfall konnte auch in den größeren Herden nichts entdeckt werden. Arterien sind thrombosiert. Bronchus kolossal verschimmelt. Die zweite Zone, welche sich als fortlaufende Nekrose darstellt, wird von einem Ring zerfallener Leukocyten umgeben. Vom Bronchus aus, der Fruktifikatiousorgane enthalten kann, kann die Verschleppung der Sporen in andere Lungeuteile stattfinden. Die Herde lösen sich los, ohne einzuschmelzen und führen zur Entstehung der geruchlosen GaugrJlnherde. Die Geruchlosigkeit dieser Schimmelhöhlen rührt von der gasaufsaugendeu Kraft der Schimmelrasen her. Bei Säugetieren kommt die Krankheit spontan beim Pferd {PecrIi, Rivolta^^. Schütz), bei Ochsen, die mit Schlempe gefüttert wurden (Zürn), (Pilz von 0. E. R. Zimmermann 22 als Aspergillus fumigatus bestimmt), bei Schafen, Hunden und Hirschen vor. Sehr häufig ist die Krankheit bei allen möglichen Arten von Vögeln, wo sie große Verheerungen anrichten kann (Schütz). Ich selbst beobachtete vor Jahren eine große Epidemie im Vogelstande eines Leipziger Vogelhäudlers. Es starben täglich 5 — 10 Tiere, wochenlang. Die Krankheit ging von exotischen Vögeln aus, die im Schiflsraum Avährend der Ueberfahrt in Käfigen untergebracht waren, die in der Nähe der Schiflsmaschine aufgehängt waren, ergriff a))er auch einheimische Vögel. Der gezüchtete Pilz erwies sich als Aspergillus fumigatus. Die histologischen Veränderungen in der Lunge bei Vögeln sind von Schütz, (s. S. 574) am genauesten beschrieben worden. Der anatomische Befund bei den Säugetierlungen ist dem des Menschen ähnlich. Es finden sich miliare, erbsengroße Knötchen in großer Anzahl über die ganze Lunge verbreitet, die mitunter verschmolzen wallnussgroße Knoten bilden. Sie bestehen entweder aus einer bindegewebigen Kapsel mit eiterigem, pilzhaltigem Centrum oder aus lobulären kleinsten Entzündungsherden, deren Centrum von einem breiten Schimmelrasen eingenommen und deren Peripherie vom gesunden Gewebe durch eine hämorrhagische oder hepatisierte Zone ab- gegrenzt wird (Friedberger & Frühner 1900, S. 93). Es kommen auch pathologisch-anatomische Befunde vor, die beim Pferde mit Brustseuche (Thary & LucetI^), beim Rinde mit Lungeuseuche verwechselt werden können. Bei sehr akutem Verlauf kann sich vollständig das Bild einer Fremdkörperpneu- monie mit folgendem Lungenl)rand entwickelu. Als therapeutische Maßnahmen kommen beim Menschen die Anwendung von Joddämpfen (Herterich') oder die Einatmung von ätherischen Oelen (Sticker^^) in Frage, ebenso kann Jodkali innerlich versucht werden. Bei den durch die Beschäftigung erkrankten Patienten ist selbstverständlich auf das Aufgeben derselben zu dringen. Bei Tieren werden ähnliche Mittel empfohlen. *j Es ist das Verdienst Stickers. auf diese völlig in der Litteratur vergessene Arbeit aufmerksam gemacht zu haben, auch auf die Arbeit Salisburvs siehe Litteratur. Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 565 Litteratur.*) 1 BoYCE, Eemarks upon a case of Aspergillus pneumonomycosis. J. of Path. and Bact., 1892, pag. 163. Cit. nach Saxer. — - Cohnheim, Zwei Fälle von Mycosis der Lunge. Virch. Archiv, Bd. 33, 1865. — 3 y. Duscii & Pagenstecher, Fall von Pneumonomycosis. Virchows Archiv, Bd. 11, S. öGl, 1807. — 4 Fkied- BERGER & Fröhner, Lehrbuch der spez. Pathologie, 1900. — ^ Fhiedreich, Ein Fall von Pneumomycosis aspergill. Virch. Archiv, Bd. 10, S. 510. Cit. nach >Saxer. — f"' Fürbrixger, Beobachtungen über Lungenmycosen beim Menschen. Virch. Archiv, Bd. 66, S. 330. — "' Herterich, Ein Fall von Alycosis tracheae. Aerztl. Intell.-Bl., 1880. Cit. nach Saxer. — '^ Kockel, Demonstration eines Präparates von ausgeheilter Aspergillusmycose der Lunge. Verhandl. der Gesellsch. der Naturf. und Aerzte. 69. Vers. Braunschweig. — '■' Kohn, Ein Fall von Pneumono- mycosis aspergillina. D. med. Woch., 1893, Nr. 50. — i" Pearson & Mazyck, P. Raveuel: A case of Pneumonomycosis due to the Aspergillus ftimigatus, 1900. Enttiält sehr instruktive Abbildungen. — ii 1'ech, cit. nach Friedberger u. Frühner, S. 92, Bd. 2. — • 1- Podack, Zur Kenntnis der Aspergillusmycosen im menschlichen Respirationsapparat. Virch. Arch., Bd. 139, S. 260, 1895. — !•* Rivolta, cit. nach Zürn, S. 359. — i* Salisbury, Die Folgen der Inhalation und Inokulation des Getreideschimmels. Journ. de Chimie-med., 1863, cit. nach Sticker. — ^'^ Saxer, Pneumonomycosis aspergillina. Jena, Gustav Fischer, 1900. Sehr zahlreiche, zuverlässige Litteraturangaben. — i" Sticker, Schimmelpilzerkrankungen der Lunge. Spezielle Pathologie u. Therapie von Nothnagel. Bd. 14, 1900. Zahlreiche Litteratxirangaben. — i"^ Tersaxchy^ Die Schimmelräude und die Atmungs- beschwerden der Arbeiter in den Schwammfabriken. Cit. nach Sticker. — i^Thary & LüCET, Receuil de medecine veterinaire, 1895. Cit. nach Friedberger und Fröhner. — i'JVirchow, Beiträge zur Lehre von den beim Menschen vorkommenden pflanzlichen Parasiten. Virch. Archiv, 9 Bde., 1856. Hier findet sich eine sehr vollständige Litteraturangabe älterer Arbeiten. — 21 Weichselbaum, Eine Be- obachtung von Pneumonomycosis aspergill. Wien. med. Wochenschr., 1878, S. 1289. — -- WiiEATON, Case primarily of tubercle in which a Fungus grew in the bronchi and lung, simulating actinomycosis. Transact. of the Pathol. society of London, 1890, pag. 34. — - Zimmermann, cit. bei Zürn, S. 359. B. Otomykosen. Die erste Beobachtung von Schimmelpilzen im Ohr rührt von Mayer her, der im Jahre 1844 bei einem 8jährigen Mädchen, das an Ohrenfluss litt, im Gehörgang cystenförmige Pilzmassen fand, die der Beschreibung nach von einem Aspergillus herrührten, es folgt dann ein Fall von Pacini aus dem Jahre 1851 mit Aspergillus niger, einer von Grove 1857, der einen Pilz fand, der dem MAYERScheu glich und 1859 die genaue Beschreibung eines Falls durch Cr/UIER, bei dem sich ebenfalls Aspergillus niger fand, den er Sterigmato- cystis antacusticus nannte. In den folgenden Jahren mehren sich die Be- obachtungen und Veröffentlichungen über Ohrpilze. Hervorzuheben sind die Arbeiten von Schwartze und v. Wreden, der die parasitäre Natur der Pilze behauptete und verteidigte, von Büke, Bezold, Politzer u. s. w. Die ge- nauesten Studien über die Ohrmykosen hat Siebexmaxn in seinem Buche »Die Fadenpilze«, niedergelegt, in dem auch eine umfassende Litteraturübersicht vorhanden ist. Es existiert zu diesem Werke ein Nachtrag aus dem Jahre 1888. Von der neuesten Litteratur ist die Veröffentlichung von Hatch & Row bemerkenswert, die in Indien, wo die Ohrmykose eine sehr häufige Erkrankung ist, 22 Fälle in einem Monat beobachteten und nur einmal kon- statieren konnten, dass vor der Invasion mit Schimmeli)ilzen schon eine Ohr- erkrankung bestand. Es handelt sich also dort fast immer um primäre Er- krankungen. Sie fanden Asp. niger, viridesceus, fumigatus, albus, glaucus und flavescens. *) Die hier nicht angeführten Namen sind in der Litteratur der geschicht- lichen Uebersicht vorn über Allgemeines, S. 561, enthalten. 566 H. C. Plaut. Die Otoraykose ist eine häufige Erkrankung. Nach Siebexmanx ist sie mit 0,5 — \% au alleu Ohreukraukheiten beteiligt, Mäuuer sind mehr dispo- niert als Fraueu, Gärtner und Landleute wegen ihrer Beschäftigung mit be- fallenen Pflanzen besonders häufig erkrankt. Instillation mit Oel, Glyceriu und Bohren mit lustrumeuten scheinen die Ansiedelung der Pilze zu be- günstigen. Nicht jeder Schimmelpilzbefund im Ohr besitzt pathognomische Be- deutung. Häufig ist das Ohr gesund uud die Ansiedelung des Pilzes auf das Cerumen beschränkt. Nur wo die Pilze mit iliren Mycelien in den Ge- weben Fuß gefasst haben, kann man den Pilzen eine pathologische Piolle zu- trauen und auch da ist es oft schwer, ja, in vielen Fällen überhaupt nicht möglich zu entscheiden, ob die Pilze sekundär auf schon krankhaften Geweben gewachsen oder ätiologisch an den vorhandenen krankhaften Gewebsverände- rungen beteiligt sind. Wenn die Pilze im Ohr gefunden werden, so besteht sehr häufig einfacher seröser Katarrh, seltener eiteriger Ausfluss, gerade das Serum stellt .einen sehr günstigen Nährboden für die in Frage kommenden Schimmelpilze dar, während sie auf gesunder Epidermis, wie die Versuche Siebenmanxs gezeigt haben, nur schlecht fortkommen. Von Symptomen wären zu nennen Jucken, su1)j. Geräusche, ganz selten krupöse Entzündungen, auch Taubheit, wenn der ganze Kanal verstopft ist (Hatch & Row). Der Sitz der Pilze ist das Trommelfell und der knöcherne Gehörgaug; wenn das Trommelfell verletzt ist, so kommt es auch, allerdings nur ausnahmsweise, zum Uebergreifen der Krank- heit auf die Paukenhöhle (Myringomycosis). Der am häufigsten im Ohr gefundene Pilz ist der Aspergillus fumigatus, dann der Aspergillus niger, ungefähr ebenso häufig wie dieser das Verticillium Graphii (s. Fig. 27 auf S. 561), das ganz eigentümliche klinische Formen, wie fötideu Ausfluss und krupöse Entzündungen mit mächtiger Membranbildung verursachen kann, seltener erscheint Aspergillus flavus und nidulaus und nur ausnahmsweise Mucor corymbifer und septatus. Als große Seltenheit ist der Befund des Microsporon furfur zu betrachten, das einmal von Kirchner ^ bei einem Mann im Ohr gefunden wurde, der an starkem Ohrjucken litt. Der Patient hatte auch an der Brust und am Hals Pityriasis versicolor. Endlich hat Siebekmann auch noch ein Penicillium im kranken Ohr gefunden, das er wegen seiner Kleinheit Penicillium minimum benannt hat. Der Verlauf der Affektiouen ist bei richtig eingeleiteter Therapie stets günstig. Als unangenehme Komplikation ist das Ekzem des äußeren Gehör- ganges zu nennen, das Exsudation setzt und dadurch zur Begünstigung der Schimmelvegetation beiträgt. Recidive dann nicht selten. Die einfachste und sicherste Therapie besteht in Ohrbäderu von 2% Sali- cylalkohol, 3mal täglich. Nach wenigen Tagen sind meist alle Beschwerden und auch die Ursache derselben, die Schimmelpilze, verschwunden. Bei Tieren sind ebenfalls Ohrmykosen, wenn auch nicht gerade häufig, beobachtet. Zürx-* fand mehrfach bei Hunden Aspergillusrasen auf der ent- zündeten Haut des äußern Gehörgangs, auch Spinola^ und Gotti*; beim Pferd Goodall. Litteratur. 1 Hatch & Row s. S. 561. — - Kirchner, Pityriasis versicolor im äußereu Gehörgang. Monafssclirift für Ohrenheilkunde, 18S'5, Nr. 3. — 3 Siebenmann s. Litteratur z. geschieht!. Uebersicht; bringt ganz genaue Litteraturangabeu über Otomykosen. — * Zürn, Die pflanzlichen Parasiten, S. 306, 1887. Spinola cit. nach Zürn. Gotti, Goodall cit. nach Sticker. Die übrigen Litteraturangabeu nach Siebenmann. Die HAphenpilze oder Eumyceten. 567 C. Fadenpilze in der Nase, im Nasenrachenraum und in den Nebenhöhlen. Von Verscbimmelimgeu der Nase sind nur wenig Notizen in der Litteratur zu finden. Der erste Fall stammt von Bernhard Langenbeck. Er fand in den Nasenhöhlen eines rotzkranken Pferdes einen nicht näher bestimmten Pilz mit farblosem Mycel und rosenkranzartig aneinandergereihten rotbraunen Sporen. Eine zweite Angabe findet sich 1856 bei Viiicnow, der in dem Nasenschleim einer alten Frau Puccinia graminis-Sporen in großer Anzahl sah, die er auch sonst schon häufiger in pathologischen Se- und Exkreten bemerkt hatte. Einen pathognomischen Wert legte ihnen Virchow nicht bei. Der erste genau be- schriebene Fall rührt von Paul Schubert ^ 1885 her, der auch die gefundenen Pilze bestimmte. Es handelte sich um eine mächtige Wucherung von Asper- gillus fumigatus im Nasenrachenraum und in der Nase. Bald darauf bemerkte er bei einer zweiten Patientin auf einer der Muschel aufsitzenden Borke einen kleinen Pilz, der sich gleichfalls als Aspergillus fumigatus erwies. Es folgt nun ein Zwischenraum von 6 Jahren, ohne dass weitere hierhergehörige Be- obachtungen bekannt geworden wären. Dann erfolgte wiederum durch Schubert die Beschreibung folgenden höchst bemerkenswerten Falls: Bei einem Brenner, der an Nasenverstopfung und lästigem Ausfluss litt, ergab die Spiegelung beide Nasenhälften in Bereich der unteren und mittleren Muschel vollständig ausgefallt mit einem graugrünen, schmierig-bröckligen Sekret von widerlichem, doch nicht an Ozaena erinnerndem Geruch. Die mikroskopische Untersuchung ergab das Vorhandensein eines Fadenpilzes, zwischen dessen Mycel langge- streckte cylindrische Konidien sichtbar waren. Sie waren einzellig, schwach sichelförmig gekrümmt und an der Ansatzstelle etwas zugespitzt. Die Bestim- mung des Pilzes durch Ferdinand Cohn konnte nicht genau ausgeführt werden, da aus äußeren Gründen Kulturen nicht angelegt worden waren. Indes ließ sich erkennen, dass der Pilz Aehnlichkeit mit gewissen Isarien hatte, welche in den Larven, Puppen und vollkommenen Zuständen vieler Insekten sich als Parasiten entwickeln und diese Tiere töten. S. S. 536. Weitere Fälle von Verschimmelungen der Nase haben dann noch Siebex- MANN und DuNN^ veröfientlicht. Schimmelpilze in der Kiefernhöhle fanden Zarniko^ und Mackenzie2. Von pathogenen Pilzen sind bis jetzt nur Asper- gillusarten und Soor (siehe d.) nachgewiesen worden. Verschimmelung der Nase bei Tieren ist merkwürdigerweise bis jetzt noch nicht beobachtet worden. Die Symptome bestehen in Jucken, Niesen, Absonderung einer scharfen Flüssigkeit aus der Nase, Verstopfung des Lumens. Diagnose wird durch mikroskopische Untersuchung resp. Kultur gestellt. Die Prognose ist günstig, wenn das primäre Leiden, das wohl immer zur Ansiedelung der Schimmel- pilze in der Nase Bedingung ist, da die unverletzte Nasenschleimhaut einen sehr ungünstigen Nährl)oden für sie darstellt, günstig ist. Die Therapie besteht in Entfernung der Pilzmasseu durch Spritzen und Behandlung mit 4^iger Borsäurelösung und Borsäurepulver. Litteratur. 1 DuNN, Growth of the aspergillus glaucus inhumannose. Arch.of Otologie,1895. Vol. 24. — ^ Mackenzie, Preliminarv report on Aspergillus mycosis of the antrnm maxillare. Bulletin John Hopkins Hospital. Baltimore 1S93. — 3 Schubert. Zur Kasuistik der Aspergillusmycosen. D. Aroh. für klin. Med., 36. Bd., 188.), S. 162. Mit Abbildung. Fadenpilze in der Nase. Berliner klin. Wochenschr., 1889. Nr. 39. In dieser Arbeit finden sich Litteraturangaben. — * Zaunhco, Aspergillusmycose der Kieferhöhle. Deutsche med. Wochenschr., 1891. 568 H. C. Plaut, D. Keratomycosis. Durch ScMmmelpilze erzeugte Keratitis ist eine äußerst seltene Krankheit. Es sind bis jetzt überhaupt nur ganz wenige Fälle beschrieben worden. Den ersten Fall hat Leber ^ beobachtet. Er betraf einen 45jährigen Landmaun, dem bei der Arbeit an der Dreschmaschine eine Haferspelze ins Auge flog. Zen- trales Hornhautgeschwür mit Hypopyon. Heilung mit totalem Leukom. Den zweiten Fall beschrieben Berliner^ und Uhthoff^. Es handelt sich auch hier um einen Landmann, dem beim Obstschütteln eine Birne gegen das Auge flog. Bestimmung des Schimmelpilzes fehlt. Den dritten Fall hat Er;sst Fuchs 3 genau beschrieben. Der Patient war 53 Jahre alt, seiner Beschäftigung nach Müller. Er war unter Fieber erkrankt, wobei sich sein rechtes Auge ent- zündete (wahrscheinlich Herpes auf der Cornea), die Conjunctiva sah aus wie Trachom, aber ohne Infiltration der Uebergangsfalte. Hornhaut getrübt, abgeflacht. Hypopyon. Synechien. Belag gelb, bröckelig, aus Pilzfäden be- stehend. Die Bestimmung ergab Aspergillus fumigatus. Nach dem Abheben des Belags ersetzte sich dieser. Die Fäden dringen ungefähr 1/2 ^"^ ^'^ ^^^ Hornhaut ein. Die befallene Hornhaut erwies sich bei der histologischen Unter- suchung als abgestorben. Tiefere Partien normal. Am Rande kleinzellige Infiltration. Einen vierten Fall beschrieben Uhthoff & Axenfeld^. (Erde war ins Auge geworfen worden). Weitere Fälle Schirmer 6 u. a. Aus diesen Fällen ersieht man, dass zum Zustandekommen der Krankheit eine, wenn auch leichte, Verletzung Bedingung ist. Dass fernerhin nur Leute die Krankheit zu acquirieren scheinen, welche viel mit Futtermitteln, Mehl oder befallenen Pflanzen in Berührung kommen. Das mehrmals beobachtete Hypo- pyon ist nicht auf Kosten der Schimmelpilze zu setzen, sondern als durch sekundäres Einwandern von Spaltpilzen aus der Conjunctiva erzeugt zu be- trachten (Baumgarten i). Der Verlauf ist langwierig, es tritt zuletzt Heilung mit oder ohne Leukombildung ein. Bei Tieren wird die spontane Keratomycosis nicht beschrieben, indes hat LiST^ beobachtet, dass ein Kaninchen, welches Aspergillus fumigatus-Sporen ausgesetzt war, während eines Inhalationsversuches, eine Keratomycosis acqui- rierte. Litteratur. 1 Baumgarten, Lehrbuch der pathologischen Mykologie, 1890, Bd. 2, S. 897. — 2 Berliner, Dissertation, 1882. — ^ Fuchs, Keratom. aspergill. Wiener klin. Wochenschr., 1894, S. .305. — ■* Leber, Keratom. als Ursache der Hypopyonkera- titis. V. Gräfe's Archiv, Bd. 25, Abt. 2, S. 285, 1879. — ^ List, Untersuchungen über die in und auf dem Körper des gesunden Schafs vorkommenden niederen Pilze. Dissertation. Leipzig 1885. — ^ Schirmer, Ein Fall von Schimmelpilz- keratitis. v. Gräfe's Archiv, Abt. I, S. 131. — "? Uhthoff, Partielle Nekrose der menschlichen Hornhaut durch Einwanderung von Schimmelpilzen. Ebenda, 1883, Bd. 29, S. 178. — ^ Uhthoff & Axenfeld , Beitrag zur pathologischen Anatomie der eitrigen Keratitis. Ebenda, 18%, Bd. 42. E. Vorkommen von Schimmelpilzen im Magen. Es ist natürlich, dass sich im Magen stets Schimmelpilzsporen befinden müssen, weil ja die Nahrungsmittel des Menschen dieselben enthalten, ebenso sicher ist es aber auch, dass es zum Auskeimen der Sporen, selbst wenn sie in kolossalen Mengen in den Magen eingeführt werden, wie es z. B. beim Genuss von saurer Milch oder beim Verzehren einiger Käsearten geschieht, auf der Magenschleimhaut für gewöhnlich nicht kommt. So haben auch die Die Hyphenpilze oder Enmyceten. 569 meisten Kliniker die pathologische Bedeutung der Schimmelpilze für die Magen- schleimhaut nicht allzuhoch angeschlagen und höchstens wird ihnen Bedeutung zugesprochen, wenn sie mit anderen Mikroorganismen im Mageninhalt in größerer Menge gefunden werden (Eixhokx^ 1901). Indes hat sowohl v. Wahl wie auch Recklixghausen Mj^kosen des Magens beobachtet, bei denen die Pilzelemente in die Drüsenschläuche ein- drangen und Nekrose erzeugt hatten. Die Pilze konnten niclit bestimmt werden, Klebs'^ denkt aber, dass es sich um Leptothrix gehandelt habe. Auch Naunyn 9 berichtet von zwei Magenerkrankungen, bei welchen bei der Ausspülung des Magens Schimmelpilze zu Tage getreten sind. Hier AYäre auch die fast vergessene Arbeit von Wettsteix (1885, cit. nach Zopf, S. 39 und 40) zu erwähnen; Wettsteix glaubt als Ursache des Sodbrennens (Pyrosis) den Rhodomyces Kochii annehmen zu müssen, einen Schimmelpilz, der besonders in physiologischer Beziehung interessant ist, da seine Sporen bei Lichtabschluss besser keimen, als bei Lichtzutritt, durch Temperaturen von — 7° Geis, abgetötet und seine Dauersporen erst bei Temperaturen von 4- 115° Geis, vernichtet werden. Dieser Rhodomyces ist wahrscheinlich mit dem Rhodomyces erubescens verwandt, der lediglich in der graviden Fruchthöhle des jMeerschweinchens infektiös Avirkt und von Ascher ^ entdeckt wurde. Eine ähnliche Beobachtung wie Wettsteix hat in allerneuester Zeit EiXHORX gemacht, der in mehreren Fällen intensiver Hyperchlor- hydrie, zuweilen auch mit Hypersekretion und Erbrechen verbunden und bei Gastralgien mit normaler oder herabgesetzter Magensaftsekretion Schimmel- pilze fand, die seiner Beschreibung und den Abbildungen nach einem oidien- bildeuden Schimmelpilz angehören. Eine Züchtung der Pilze wurde durch DuXHAAi versucht, es gelang aber nicht Fruktifikationen zu erzeugen, nur auf Brot wucherten banale Schimmelpilze, worauf auch Düxiiam mit Recht keinen Wert legt. Die Pilze scheinen fest auf der Mageuwand gesessen zu haben, da sie auch nüchtern nachweisbar waren, also nicht durch den Ghymus weg- gespült wurden. Die Pilze sind in dem Wasser, das bei den Magenausspü- lungen zurückkommt, als Häute und Fetzen von braun-grüner Farbe enthalten, in verschiedener Menge, 4 — 40 Stück. Größe der Flocken 2 — 5 mm im Durchmesser. Als Therapie scheinen sich Ausspülungen mit 1 — 2% Argent. nitric. -Lösung zu bewähren, da nach denselben die Schimmelflocken seltener wurden, dann verschwanden und mit diesen auch häufig die Beschwerden der Patienten. Dass die Schimmelpilze die Ursache der Beschwerden bilden, lässt sich natürlich nicht beweisen, wird auch nicht von Eixhorx behauptet. Bei Tieren werden nach Genuss befallenen Futters, wie S. 537 u. 538 angegeben, mykotische Magendarmentzündungen beobachtet. Im Magen von Bienen findet sich mitunter der Mucor melittophtorus. Litteratur. 1 Ascher, Ueber Rhodomyces erubescens. Ztschr. f. Hyg., 1900. S. 475. — - DE Bary, Beitrag zur Kenntnis der niederen Organismen im Mageninhalt. Arch. f. exp. Path. u. Ther.. Bd. 20, S. 243. — ^ Boas, Magenkrankheiten, 1. Teil, S. 218. — 4 Grawitz, Ueber Schimmelvegetationen im meuschl. Organismus. Virch. Archiv, Bd. 81, S. 355, 1880. — 5 Einhorn, Schimmelpilze im Magen. D. med. W. 1901. Mit genauen Litteratnrangaben. — ^> Eichhokst. Handbuch der spez. Pathol. u. Ther., 1900, Bd. 2, S. 170. — " Klebs, Hundbuch der path. Ana- tomie, 1869. — « Leube, Spez. Diagnose innerer Ki-ankheiten. — " Naunyx, Ueber das Verhältnis der Magengiiiungen. Deutsch. Arch. f. klin. Med., Bd. 31. — w Talma, Von der Gärung der Kohlenhydrate im Magen. Z. f. klin. Med., 1898, S. 512. 570 H. C. Plaut, F. Schwarze Zunge. Als ürsaclie dieser Affektiou glauben CiAGLiNSKi&HEWELKE^undSESDZiAK^ in drei Fällen einen Mncor ansprechen zu müssen, den sie wegen seiner schwarzen Sporen Mucor niger nannten. Er zeigte keine pathogenen Eigen- schaften für Kaninchen und gedieh nur gut bei 27" C. Gottheil' fand dagegen in neuester Zeit in einem Fall von schwarzer Zunge bei einem zweijährigen Knaben keine Pilze, sondern »eirunde, graue Körperchen«. Schmiegelow^ züchtete aus einer ähnlichen AiFektion einen Trichosporon chartaceum be- zeichneten Pilz, ein anderer Pilz gehörte zur Familie Oospora. Die Aetiologie dieser seltenen Erkrankung bedarf also noch sehr der Aufklärung. Litteratur. 1 Gottheil, Black Tongue; its Etiology. Archives of Pediatrics, April 1899, cit. nach Jahrb. für Kinderheilkunde, 1900, "'S. 282. — -' Clvglinski & Hewelke, Ueber die sogen, schwarze Zunge. Zeitschr. f. klin. Med.. Bd. 12, 1893. — 3 Sendziak, Beitrag zur Aetiologie der sogen, schwarzen Zunge. Monatsschrift für Ohrenheilkunde, Jahrg. XXVIII, Nr. 4. — * Schmiegelow, cit. nach Heims bacteriol. Lehrbuch, 1898, Ö. 443. G. Hauterkrankungen. Man kennt unter dem Namen Carate eine in Aequatorialamerika, sehr selten anderswo, vorkommende Hauterkrankung, bei der die mikroskopische Explo- ration der Schuppen das Vorhandensein von Pilzen erkennen lässt, die in der Mitte zwischen Aspergillus und Penicillium stehen und in den tiefen Schichten der Epidermis vegetieren. Es handelt sich dabei um Auftreten landkarten- artiger Plaques mit starker Schuppung. Besonders werden die Mineuarbeiter ergriffen, deren Füße beständig durch stehendes schwefelsäurehaltiges Wasser benässt werden, überhaupt erscheint die Dermatose besonders an nicht von der Kleidung bedeckten Partien und soll durch Insekten verbreitet werden (Montoya Y Florez^). Die Farbe der Plaques ist verschieden. Man kennt eine violette, rote, blaue und blaüschwarze Nuance. Je nach der Ptasse der befallenen Individuen scheint auch die Farbe der Affektion zu variieren. Eine kolorierte Abbildung findet sich in Pratique derm. S. 526. Die Krankheit wurde schon von Alibert PcAyer^ (1835) und Gomez-^ (1879) beschrieben, ihre Pilznatur von Gastambide näher untersucht. In neuester Zeit hat sie Montoya y Florez zum Gegenstand sorgsamer Forschung gemacht, zum Teil diese Studien im Laboratorium von Sabouraud* fortgesetzt. Dieser hat die Resultate derselben in der Pratique dermatologique Bd. 1 S. 756 u. 57 niedergelegt, auch eine Abbildung der Pilzart beigegeben. Eine genaue klinische Beschreibung der Affektion findet sich (von Barbe*) im selben Handbuche S. 522 ff. Das Leiden ist ein überaus chronisches. Es entstehen an den zuerst gefärbten Partien später ungefärbte Stellen und narl)ige Einziehungen. Die Dauer ist unbegrenzt, die Behandlung schwierig. Im Anfang wird Jodtinktur empfohlen, später Chrysarobiu. Die Tokelauerkrankung der Haut, welche auf den Fidji-, Gilbert- und Salomonsinseln vorkommt und von Patrik Manson unter dem Namen Tinea imbricata beschrieben wurde, werden wir bei Trichophytie abhandeln. Sie soll aber hier erwähnt werden, weil Tribonde AU einen asp er gi Uns ähnlichen Pilz für den Erzeuger hält, und Sabourattd ihm zustimmt. Endlich wäre hier noch der Vollständigkeit wegen zu erwähnen, dass Aspergilluspilze mitunter auf der menschlichen Haut gefunden wurden, die Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 571 längere Zeit mit Verbänden oder Priesnitzumschlägen behandelt worden war {Delepine-^, Olsex), auch in nlzerierten Krebsknoten der Achselhöhle 'Trump '^), und in einem perityphlitischen Abszess mit Fistel (Bostköm'^) wurden Schimmel- pilze (Aspergillus) nachgewiesen. Litteratnr. 1 Alibert. Monographie des dermatoses, 1835. tome 2, pag. 645. cit. nach Barbe. — - Boström, Demonstration. Berl. klin. Wochenschr., 1S86, Nr. 20. — •' Dklepixe, A Gase of mechanomycosis ofthe skin. Pathological society of London. 1891. — * GoMEZ, These. Paris 1879. cit. nach Barbe. La Pratique dermatologique par Besnier, Brocq, Jacqnet. tome 1. pag. 532, 1900. — "' Montoya y Florez. Eecherches si:r les carates de Colombie. These de Paris, 1898. — '' Olsen, cit. nach Baumg. Jahrb., 1880, S. 326. — ' Rayer, Traite des maladies de la peau, 18:}5. tome 3, pag. 896, cit. nach Barbe. — ■'^ Sabouraiid & Barbe, La Pratique derma- tologique, pag. 759, 1900. — 'J Trump, lieber saprophyte Schimmelpilze im Brus t krebs, 1889. Allgemeinerkrankung durch Mucoi\ PALTAUFScher Fall. In all den ziemlich zahlreichen Fällen von Sektionsbefunden von Broncho- pneumonieen beim Menschen, über die wir berichtet haben, ist nicht einmal Metastasenbilduug von Schimmel in anderen Organen verzeichnet, obgleich bei der mikroskopischen Untersuchung mehrfach festgestellt worden Avar, dass in die thrombosierten Gefässe Mycelien gewachsen waren. Um so bemerkens- werter ist eine Beobachtung von Paltauf, bei der diese Metastasenbildung erfolgt war. Es handelte sich um einen Mann, der an Enteritis erkrankt war mit sekundärer, circumskripter Peritonitis, anamnestisch war nichts bemerkenswert. Die Sektion ergab multiple Abszesse im Gehirn, Lungenherde, eine sub- muköse Pharynxphlegmone mit glatter Schleimhaut, eine ebensolche einseitige Larynxphlegmone und zahlreiche Darmgeschwüre (Peritonitis). Ueberall erwies die mikroskopische Exploration das Vorhandensein eines nicht näher bestimm- baren !Mucors. Die Darmveränderuugeu waren nach Paltauf die ältesten, und hier der locus iufectionis zu suchen, nach BAUMaARTE>f und Saxers Auffassung ist es nicht ausgeschlossen, dass es sich auch hier um primäre Herde in der Lunge gehandelt haben kann. Die Veränderungen in Gehirn und Lunge sind den von Saxer gefundeneu in histo-pathologischer Beziehung sehr ähnlich. Durch Schimmelpilze künstlich erzeugte Erkrankungen bei Versuchstieren. Aus der Einleitung ersahen wir, dass Grohe ^ der erste war, der bei Tieren Schimmelerkrankungen durch Injektion von Sporen experimentell erzeugte und wie durch die Arbeiten GRAwrrzs-^ LichtiiemsII ^^j^^ Baumgartens besonders auch in ätiologischer Beziehung schnell Licht über unerklärliche Widersprüche in der Lehre geschaffen wurde. Besonders durch Lichtiieims und seiner Schüler Arbeiten wurde die Thatsache festgestellt, dass die Injektion von Sporen gewöhnlicher Schimmelpilze, selbst in größter Menge der Blutbahn ein- verleibt, reaktionslos von den Versuchstieren vertragen wird, während die In- jektion pathogener Schimmelpilze in genügender Menge den Tod der Versuchs- tiere in wenigen Tagen herbeiführt, imd dass die klinischen Erscheinungen und die Sektionsbefunde nach der Art der Schimmelpilzsporen erhel)lich von- einander abwichen. 572 H. C. Plaut, Wenn mau Scliimmelsporeu von einer pathogenen Aspergillus- oder Mucor- art Kaninchen in die Blutbahu in genügender Menge beibringt, so vergeben zunächst 24 Stunden, in denen keine kraukhafteu Symptome bemerkt werden. Nach dieser Latenz stellen sich folgende Erscheinungen ein: Bei Mucorsporen: Fresslust vermindert. Mattigkeit, hochgradige Nieren- schwellung durch Palpation nachweisbar. Das Tier sitzt zusammengekauert in der Ecke, nach 48 — 72 Stunden exitus. Bei Aspergillus: Mattigkeit. Die Tiere liegen auf einer Seite mit schief- gestelltem Kopf. Lateraler Nystagmus. Rollbewegungen bei Versuchen, die Zwangslage zu ändern. Gleichgewichtsstörungen persistieren bis zum Exitus nach 72 Stunden. Bei Aspergillus nidulans fehlt die Gleichgewichtsstörung (Lindt12). S. S. 559. Diesem verschiedenen Verhalten der klinischen Erscheinungen entspricht auch das verschiedene pathologisch-anatomische Bild. Die Gleichgewichtsstöruugeu bei dem Aspergillussporentier finden ihre Er- klärungen in der Lokalisation der Pilze im Labyrinth (Lichtheim). Die sonstigen Verschiedenheiten gehen aus folgender Zusammenstellung hervor : Mucor. Aspergillus. Meist größere Herde in der hochgradig Kleine Herde in den Nieren. All- geschwollenen Niere. gemeinerkraukung der Niere tritt Nierenbecken mit Pseudomembranen zurück. bedeckt. Herzmuskel und quergestreifte Körper- Hämorrhagische Nephritis. muskeln stark befallen. Hämoglobinhaltiger Urin, neben roten Inneres Ohr. Blutkörperchen. Lymphatischer Apparat des Darm- kanals ist befallen. Die Mesenterialdrüsen und die Darm- wand selbst. Die PAYERschen Plaques ähnlich wie beim Typhus. Leber und Milz häufig makroskopisch unverändert. Die histologischen Veränderungen der Erkrankung sind natürlich nach der Intensität der Erscheinungen verschieden hochgradig. In der Mucorniere zeigt die mikroskopische Untersuchung die Durchwachsung der ganzen Niere mit unseptierten Mycelien. Die Glomeruli sind in erster Linie befallen, die dort ausgekeimten Mycelien wachsen in das umgebende Gewebe und gelangen in die Harnkanälchen des Labyrinths wie der Markstrahlen, dann in die Tubuli recti des Marks. Sie steigen in den Sammelröhren herab bis zur Papille und erreichen so das Nierenbecken, wo sie die Pseudomembranen bilden helfen. Außerdem finden sich die histologischen Befunde der akuten parenchymatösen Nephritis. Die Kernfärbbarkeit hat allgemein gelitten. Die Mesenterialdrüsen ent- halten gleichfalls viel Mycelherde im Lymphsinus, wie in den Follikularsträngen. PEYERSche Plaques zeigen hochgradige Veränderungen und Pilzmycelien auch dann, Avenn man makroskopisch keine Veränderung findet. Die Darm- schleimhaut ist gleichfalls stark von Mycelien durchzogen, sie sprießen im Innern der Follikel empor, umspinnen die Drüsen und gelangen dann zur Oberfläche. Auch die Exkremente sind pilzhaltig. Die Kernfärbung hat überall gelitten. Die Hyplienpilze oder Enmyceten. 573 Milz, Leber, Kuochenmark und alle übrigen Organe sind meist völlig frei, nur ausnahmsweise sind noch mikroskopisch Mycelien in Leber, Lunge oder Milz. Im Gegensatz zu den Älucornieren sehen wir bei den Aspergillusuieren keine so allgemeine nephritische Veränderung, sondern eine mehr herdförmige, auf die Pilzherde beschränkte. Diese sind besonders in der Rinde. Auch hier sehen wir die Fäden aus den Glomerulis herauskeimen und in den Harn- kanälchen abwärts ziehen, sie erreichen aber nicht wie bei den Mucornieren die Papille. Die nephritischen Veränderungen sind ebenfalls die der akuten parenchymatösen Nephritis. Die Kernveränderungen sind auch hier deutlich ausgeprägt, vielleicht etwas weniger intensiv als bei den durch Mucor gesetzten Veränderungen. Ueberall in der Nähe der Pilze werden kleinzellige Infiltrationen bemerkt. In den Muskeln sind die Pilzfäden bei Färbung deutlich zu er- kennen. Man bemerkt hier Undeutlichwerden der quergestreiften Muskulatur und auch Kleiuzelleuinfiltration. Derselbe Befund im Psoas, Zwerchfell u. s. w. Leber und Lunge meist frei, bei Aspergillus nidulans scheinen auch hier schon makroskopisch nachweisbare Herde vorzukommen (Eida:\i,. Eiterung oder Abszesse erzeugen die Schimmelpilze nie. Die einzelnen Arten der pathogenen Schimmelpilze sind nicht für alle Tier- arten pathogen, auch nicht im gleichen Grade bei empfänghchen Tieren. So sind Hunde gegen Mucor immun, gegen Asper- gillus nicht, Kaninchen sind kolossal em- pfäuglich für Mucor, weniger für Asper- gillus. Für Aspergillus sind außerdem folgende Tiere empfänglich Katzen (Nieren und Herzmuskel), Meerschweinchen und Vögel. Mäuse scheinen immun. Die Immunität der Muskeln der Ver- suchstiere bei Mucor ist nur eine schein- bare. Legt man die Mucorsporen vor dem Injizieren in Wasser und lässt sie quellen, so werden auch die Muskeln der Versuchstiere befallen : die kleinen Mucor- sporen können die Gefäße der Muskeln passieren, die gequollenen nicht, sie blei- ben in den Muskelkapillaren stecken und keimen aus (PiIbbertI-^). Einer besonderen Erwähnung bedürfen die sogenannten actinomj^cesähnlichen Wucherungen, wie sie in der Lunge der Versuchstiere gefunden werden, wenn man kleinere Mengen Sporen eingeführt hat und die Tiere deshalb länger am Leben bleiben. Sie bestehen aus einem kreisrunden Centrum (den gekeimten Sporen), von welchem nach Art der Strahlen eines Sterns nach allen Seiten dünne fädige Ausläufer divergieren. Fig. 28. Wenn die Enden, wie es oft vorkommt, keulenförmig angeschwollen sind, so zeigen sie in der That Aehnlichkeit mit Actinomycesdrusen. Indes ist das Centrum bei diesen keine Spore, sondern besteht gleichfaUs aus Keulen oder feinen Mycelfäden. Sie kommen besonders häufig und schön bei Asper- gillusmykosen vor , und nehmen die Anilinfarben sehr kräftig an. Sie sind als Degenerationsformeu aufzufassen und finden sich häufig in Kiesenzelleu, auch mit Leukocytenwall umgeben, (Ribbert), aber auch frei. Fig. 28. Schnitt durch einen Herd von Aspergillus fumigatus aus der Lunse eines 72 Stunden nach Sporeuinhala- tioii vereudeten Kaninchens. Vergr. 500. Nach List. 574 H. C. Plaut, Während die bisher beschriebenen experimentell erzeugten Mykosen dem natürlichen Infektionsmodus wenig entsprechen, sind die nun zu beschreibenden Arten der Infektion den natürlich beobachteten Erkrankungen ähnlicher. Zunächst die künstlich bei Tieren hervorgerufene Schimmelerkrankung der Hornhaut. Sie ist besonders gut geeignet, um die pathologischen Veränderungen, die die Pilze setzen, zu beobachten. Bei Einspritzungen von Sporen in die Cornea entstehen am Depot der Sporen zunächst Leukocytenansammlung; von da aus wachsen die Mycelien nach allen Seiten und bewirken Nekrotisierung des Hornhautgewebes. Um die nekrotisierte Zone entsteht ein dichter Leukocyten- wall. Eiterung oder Einschmelzung wird nicht beobachtet, höchstens infolge sekundärer Eindringlinge. Es entsteht aber häufig eine starke fibrinöse Ab- lagerung in der vorderen Augenkammer und dem Glaskörper. Die lokale Krankheit kann durch Uebergang auf den Glaskörper zu einer allgemeinen Mykose mit tödlichem Ausgang führen. Inhalationsmykosen der Vögel. Durch Verstaubung von pathogenen Schimmelpilzsporen in Gläsern, wo Vögel untergebracht waren, erzeugte Schütz ^6 tödlich endende Lungenmykosen bei den Versuchstieren. Kleine Vögel erkranken schon nach 15 Minuten langer Inhalation und verenden nach 2- — 3 Tagen, Tauben nach 3 Tagen. Die Sektion ergiebt die Zeichen der Pneumonie mit schlafler Hepatisation. Die Pneumonie ist der katarrhalischen der Kinder vergleichbar, mit der Lupe be- merkt man in den roten hepatisierten Lungenteilen kleine graue Flecke mit diffusen Rändern. Diese grauen Flecke erweisen sich bei der mikroskopischen Untersuchung als Flechtwerk von Mycelien. Um die Oeflhungen der Lungen- pfeifen, die mit ersteren in Verbindung stehenden Gänge und die um die letzteren gelegenen Alveolen waren gleichfalls Fäden des Mycels sichtbar. Die Fäden waren in kleinere und größere Blutgefäße hineingewachsen, ein Befund, der die Möglichkeit der Entstehung metastatischer Herde ofien lässt. Die Vögel starben aber zu schnell, so dass Metastasen nicht in facto beobachtet wurden. Litteratiir. 1 Baum GARTEN & Müller, Versuche über akkomodative Züchtung von Schimmelpilzen. Berl. klin. Wochenschr., 1882, Nr. 32. Ö. auch geschichtl. Ueber- scht. — - Fraenkel, A., Bakteriologische Mitteilungen. Verliandl. d. Vereins f. innere Med., Sitzung am 13. Juli 1885. Deutsche meiJ. Wochenschr., 1885, S. 316, Nr. 31. — 3 Gaffky, Experimentell erzeugte Septikämie mit Rücksicht auf pro- gressive Virulenz und akkomodative Züchtung. Die künstliche Anzüchtung ge- wöhnlicher Schimmelpilze zu Krankheitserregern. Mitteil. a. d. Kais. Ges. -Amt, S. 126, 1881. — 4 Grohe & Block, Experimente über die Injektion der Pilzspoien von Aspergillus glaucus und Penicillium glaucum. Berl. klin. Wochenschr., 1870, Nr. 1. — j Grawitz (außer den im geschichtl. Teil angeführten Arbeiten), Experi- mentelles zur Infektionsfrage. Berl. klin. Wochenschr., 1S81. — Ders., Die An- passungstheorie der Schimmelpilze und die Kritik des Kaiserl. Gesundheitsamtes. Berl. klin. Wochenschr., 1881, Nr. 45. — f' Hügemeyer, Ueber Abschwächung patho- gener Schimmelpilze. Bonn 1888. — '' Heider, Ueber das Verhalten der Ascosporen von Aspergillus nidulans im Tierkörper. Centralbl. f. Bakt., 1890. — ^ Kaufmann s. geschichtl. Uebeisicht u. Nouvelles experiences sur Tinjection de spores d' Asper- gillus glaucus. Lyon medical, 1882. Nr. 10. — '•' Kocii, Entgegnung auf den von Dr. Grawitz in der Berl. med. Gesellsch. gehaltenen Vortrag über die Anpassungs- theorie der Schimmelpilze. Berl. klin. Woch., 1881, Nr. 52. — i" Leber s. ge- schichtl. Uebers. — " Lichtheim s. geschichtl. Uebers. — i- Lindt s. geschichtl. Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 575 Uebers. — ^'■^ Nippen, Beitr. zur Schutzimpfung, D. Bonn 1SS8. — i* Olsen & Gade, Un dersogelser over Aspergillus subfuscus som patogen mugsop. Nord, med. Arkiv, 1SS6. Cit. nach Baumgarten, Jahresber. II, 326. — i^ Ribbert, üeber den Untergang pathogener Schimmeliiilze im Organismus. 59. Vers. D. Naturf., 1SS(). — i'i Schütz. Üeber das Eindringen von I'ilzsporen in die Athmungswege und die dadurch bedingten Erkrankungen der Lungen etc. Mittheil. a. d. kaiserl. Gesundheitsamt, 1884, S. 208. — '-"' Ziegenhorn s. Litteratur z. Allgemeines. 2. Gruppe. Der Soorpilz. Hauptlitteraturübersiclit und Geschichtllclies. Wie in der vormikroskopischen Zeit nnter dem Namen Tinea alle mö<;lichen klinisch verschiedenen Hantkrankheiten zusammengefasst wurden und erst mit der Einführung- des Mikroskops in die Diagnostik die Tinea favosa von den Impetigines abgetrennt Avurde, so fasste man auch früher unter dem Namen Aphthen alle möglichen Aft'ektionen der Mundschleimhaut zusammen und trennte von diesen erst den »Soor«, als der Erreger von Laxgexbeck-^i »k Berg^ (1839 u. 1841) entdeckt war. Keiikek macht in seiner schonen Untersuchung über den Soorpilz mit Recht darauf aufmerksam, dass der einfache, unbefangene Sinn des Volkes schon längst eine Aehnlichkeit von Soor und Pilzen geahnt haben müsse, da ja seit lange die charakteristische Mundschleimhauterkrankung mit dem Namen Schwämmchen bezeichnet wurde. Indes hebt er her- vor, dass auch Aerzte, nämlich Jahx^'' 1816 und BüchxerI" 1841, schon vor Bekanntwerden der Entdeckung des Soorpilzes, dessen Schwamm- natur behauptet haben. Mau kann die Geschichte des Soorpilzes in drei Perioden einteilen: die erste von 1839 — 1877, die zweite von 1877 — 1893, die dritte von da bis auf die Gegenwart. Aeltere Litteraturangaben finden sich im Index-Catalogue of the Library of the Surgeon-General's Office (Washington 1880) vol. I, pag. 486 u. 487. Unter den dort verzeichneten Arbeiten sind hervorzuheben zunächst die von den Entdeckern Laxgexbeck und Bekg. Laxgenbeck hielt den Soorpilz, den er bei einem Typhuskranken gefunden hatte, für die Ursache des Typhus, Berg dagegen für die Ursache der Schwämm- chen. Die ersten Untersuchungen Bergs wurden in Paris in dem Hopital des enfants trouves vorgenommen und dann in Stockholm an dem dortigen Kinderhospital fortgesetzt. Von ihm stammen die ersten positiven Uebertragnngsversuche des Soors von kranken Kindern auf gesunde Säuglinge (1841). Bestätigungen betreft's des Vorhandenseins des Pilzes in den Schwämmchen brachten die Arbeiten von Oesterleix "^^^ Grubt 34, Haxxover'^^ und Höxerkopff-^^ alle im Jahre 1842 — 43. Grübys Arbeit niuss deshalb hervorgehoben werden, weil in ihr zuerst von einer botanischen Bestimmung des Soors die Rede war. Gruby nannte ihn Aphtaphyte und stellte ihn in die Nähe von Sporotrichum ; RoBix"'' (1847) gab eine genaue Beschreibung des Pilzes mit Abbildungen, zählte ihn zu den Oidien und nannte ihn (1853) Oidium albicans. Diesen Namen hat der Soor bis zum heutigen Tag am treuesten bewahrt. Von den Arbeiten der folgenden Jahre muss zunächst auf einen wichtigen Sektionsbefund Virchows-'^ hingewiesen werden, bei dem er ein Hinein- wachsen der Soorfäden in das "submucöse Gewebe des Oesophagus ver- zeichnete und auf die erste Beobachtung von Soormetastasen durch 576 H. C. Plaut, Zenkeröb (1861) (im Gehirn eines alten, heruntergekommenen Mannes, der an Rachensoor gelitten hatte). E. Wagner »s berichtet 1868 über einen ganz ähnlichen Fall, in welchem er bei einem Kinde die Soor- fäden von dem Bindegewebe der Speiseröhre aus sogar in die Blutgefäße hinein gewachsen fand (vgl. auch Parrot'"'6 und Vogel 93). Weniger wichtig sind die nun folgenden Arbeiten von Burchardt, Hallier3' und Quinquaud^s. Hallier (1866) bestimmte den Pilz als Stemphylium polymorphum, Qüinquaud als Syringospora. Letzterer For- scher machte vergebliche Versuche, Soor auf Erwachsene, Meerschwein- chen und Hunde zu übertragen. Wichtiger ist die Arbeit von Haus- mann-ii aus dem Jahre 1870, welcher den Pilz in der Vagina, besonders schwangerer Frauen, nachwies und ihn vom Mund des Säuglings auf die Vagina mit positivem Erfolg übertragen konnte. Mit dem Jahre 1877 beginnt eine neue Periode in der Geschichte des Soorpilzes: Die Pteinzüchtung des Pilzes durch Grawitz^^ und er- folgreiche Uebertragung der Reinkulturen auf Kaninchen und junge Hunde. Grawitz hielt den Pilz für eine Mykodermaart, Reess'I, der ihn bei den Saccharomyceten untergebracht wissen wollte, bestritt die Richtig- keit dieser Auffassung, und es kam dann zwischen ihm und Grawitz zu einer Polemik über diese botanischen Streitpunkte. Kehrer (1883) war der erste, der die Kulturversuche Grawitzs genau wiederholte, wich- tige morphologische und physiologische Eigenschaften des Soorerregers beschrieb und ihn in der Luft von Kraukenzimmern u. s. w. nachwies. Bestätigt durch Lebrun 1883. Mit der botanischen Stellung des Soor- pilzes befasste sich Kehrer nicht, während Plaut «^ dieselbe (1885) zum Gegenstand einer kleinen Monographie machte. In dieser Studie suchte er den Beweis zu führen, dass Soor mit Mycoderma vini Cienkowsky nicht identisch sei, dass er vielmehr Aehnlichkeit mit einer von Hansen ^'J inzwischen entdeckten Monilia zu erkennen gebe. In einer zweiten Monographie (1886) berichtete er, dass es ihm gelungen sei, mit einer von Botanikern als Monilia Candida Bonorden^ bestimmten Art auf dem Kropf von Vögeln und im Auge von Kaninchen Mycelwucheruugen zu erzeugen, die von den durch Soor hervorgerufenen nicht zu unter- scheiden waren. In die Jahre 1885/86 fallen dann die Untersuchungen von Stumpfst, Baginsky^, Klemperer^®, Escherich 22^ Grawitz ^2, Fischl24 n. s. w. Stumpf hielt die Soorhefe und die Soormycelien für zwei verschiedene Pilze, Baginsky und Klemperer wiesen diese irrige Auffassung zurück und letzterer erzeugte zuerst durch Impfung der Soor- organismen in die Blutbahn des Kaninchens eine Mycosis generalis des Soors, was Grawitz vergeblich versucht hatte. Escherich fand in dem diarrhoischen Stuhl eines Säuglings, wiederholt auch in den Platten- kulturen aus roher Milch, einen Pilz, der von Dr. Will 22 als Monilia Candida Hansen bestimmt wurde. Grawitz prüfte seine Versuche aus dem Jahre 1877 mit den neuen Kociischen Methoden nach und konnte seine früheren Befunde, Soor betreffend, durchaus bestätigen. Die Identi- tätserklärung des Soors mit Mycoderma vini ließ er fallen. Fischls statistischer Beitrag zur Frage der Prophylaxe der Muudkraukheiten der Säuglinge spricht sich gegen die Mundwaschuugen aus, weil dadurch ein Mundkatarrh geschaffen wird, den er mit Eppstein2o (1880), Solt- MANN^o u. a. für eine unerlässliche Bedingung des Soorwachstums hält. Im Jahre 1889 berichtete Heller ^2 auf der Naturforscherversammlnng in Heidelberg über das Eindringen von Soorfäden in und durch die Blutgefäße und bewies, dass es sich nicht um einen postmortalen Vor- Die Hyphenpilze oder Enmyeeten. 577 gaug dabei bandeln könne. Metastasen konnte er bei seinen Fällen nicbt nacbweiseu. Diese Befunde Hellers sind für die Weiterentwicklung unserer Kenntnis von der Soorkrankbeit von großer Bedeutung gewesen und besonders bat sieb die scbon damals ausgesprocbene Ansiebt, dass den patbogenen Bakterien durcb die Öoorfäden Bahnen eröffnet werden, in die Gewebe einzudringen, als vollständig ricbtig erwiesen. Schon im folgenden Jahr konnte Sciimürl" bei einem an Typbus abdominalis ge- storbenen Mädeben, das neben einer ausgedebuten dipbtberitiscben Ver- scborfnng der Racbenscbleimbaut Soorwucberungen im Mund, Racben und Oesophagus aufwies, Soormetastasen in der iSlere und der ^lilz an- treffen, vergesellscbaftet mit Streptokokken und Staphylokokken (in der Milz mit Typbusbazillen). Aucb die neuerdings von der französiseben Scbule gemachten Beobachtungen bei mit Soor komplizierten oder, wie aucb einige Forscher meinen, durch Soor hervorgerufenen Anginen, stützen die Ansicht von dem verhängnisvollen Einfluss der Soorfäden auf die Ver- breitung der Keime im Organismus. Soormetastasen sind außerdem noch von GuiDi^s 1896 6 Fälle) und von Pineau"" 1898 (IFall) beschrieben worden. Von hervorragender Wichtigkeit sind die Studien von Lixossier & Roux-'''^ aus den Jahren 1889^90 über morphologisches und biologisches Verhalten des Soorpilzes. Es sind dies die genauesten und ausgedehn- testen Versuche, die bis jetzt überhaupt über den Pilz gemacht wurden. Als besonders wichtig seien folgende Punkte hervorgehoben. Zunächst zeigte es sich aus den verschieden augew^andten Nährmitteln, dass der feste Nährboden sich besser eignet, als der flüssige, da der Soorpilz keine Mykodermahaut bilden kann und des Sauerstoffes zu seiner Ent- wicklung notwendig bedarf. Er wächst in reinem Sauerstoff besser als in Atmosphäre. Auf Runkelrübe nehmen die Hefenkolonieen des Soors eine rosa Fleischfarbe an, auf NoEGGERATHScher kolorierter Pepton- gelatine wächst er mit violettem Mittelstreifen mit weißen Ausbuchtungen. Diese beiden Merkmale sind von difterential-diagnostischer Bedeutung. Sehr genau studierten die Verfasser die schon von Grawitz, Kehrer -^^^ Plaut und Baginsky gesehenen und verschieden gedeuteten eigentüm- lichen Kapseln, welche sie als Chlamydosporen bezeichneten. Sie be- obachteten aucb Auskeimen derselben. Betreffs der verschiedenen Wuchsformen des Soorpilzes stellten sie folgendes Gesetz auf: »Die Komplikation der Wucbsformen des Soorpilzes wächst parallel dem Molekulargewicht des zugeführten Nährstoffs«. Die verschiedenen Kul- turen sind hinsichtlich der Neigung, ihre Formen zu ändern, nicbt gleich geartet, nicbt einmal immer alle Zellen derselben Aussaat, mitunter tila- mentiert nur eine einzige unter ihnen, die doch unter den gleichen Be- dingungen, wie alle anderen, wächst. Diese Eigenschaften werden ver- erbt und dauern viele Generationen hindurch. Der Soorpilz zeigt also die Neigung Varietäten zu bilden in hohem Grade! Ferner ist der Soor- pilz sicher kein Saccharomycet, da Verfassern die Erzeugung von Asko- sporeu nicht gelang und Soor Alkohol verarbeitet (Hefe nicbt), während Hefe Erythrit assimiliert, Soor nicht; von den Schimmelpilzen unter- scheidet er sich auch, indem er weder Essigsäure noch Nitrate als Nähr- mittel verwenden kann. Der Cblamydosporenbildung nach möchten Verf. dem Pilz seine Stellung neben den Mucorineen anweisen, sie verhalten sich aber noch abwartend. An eine Identität des Soorpilzes mit Monilia Candida glauben die Verf. nicht, da weder die Beschreibung noch die Abbildungen, die Costatix von diesem Pilze gäbe, eine Annäherung des Soors an denselben rechtfertigen. Handbucli der patbogenen Mikroorganismen. I. 37 578 H. C. Plaut, Mit den Studien von Brebeck & Fischer 23 beginnt die letzte Periode in der Geschichte des Soors. Bei der Besprechung- der Arbeiten von Linossier & Roux hatten wir bereits gesehen, dass der Soorpilz zu Varietätenbildung neige. Brebeck &FiscHE[i konnten in der That zeigen, dass zwei morphologisch wohl uuterscheidbare Pilze als echte Soorerreger anzusprechen seien. Sie fanden in fünf Fällen den gewöhnlichen Soorpilz, in einem Fall aber eine kleinsporige Form (in Begleitung von Dematium pullulans), die in vielen Punkten von der großsporigen abweicht. Während die großspo- rige Varietät Bierwürzgelatine verflüssigte, ließ diese sie auch nach Wochen fest, während jene eine Haut auf Molken bildete, war die klein- sporige kein Kahmhautbildner u. s. w. Auch in der Pathogenität fanden sich Unterschiede. B. & F. fanden beim gewöhnlichen Erreger, im Gegensatz zu Linossier & Roux, Plaut und vielen anderen, Gebilde auf der Kahmhaut der Molke, die sie ihrem Aussehen nach für Asken mit 1—4 Sporen ansprechen zu müssen meinten. Auskeimungen dieser Gebilde beobachteten sie nicht. Der kleinsporige Soorpilz bildete keine solche Sporen, wohl weil er auch keine Kahmhaut entstehen ließ. Brebeck & Fischer rangieren deshalb den Soorerreger unter die Saccharomyceten. Eine Vergleichung ihrer Pilze mit Monilia Candida Hansen ergab beträchtliche Unterschiede mit dieser in morphologischer und physiologischer Beziehung, auch zeigte sich Monilia Hansen bei Tierversuchen nicht pathogen (s. aber S. 593). Die Soorkapseln, die von allen anderen Soorforschern gesehen wurden, konnten sie nicht liuden, was als sehr auffallend bezeichnet werden muss. Wir müssen nämlich annehmen, dass Brebeck & Fischer diese Gebilde entweder für Asko- sporen gehalten haben . w^as sie zweifellos nicht sind, oder dass damals ihre Stämme die Fähigkeit nicht besaßen, Chlamydosporen zu bilden. Der von Kral mir als Sacch. liqu. Brebeck-Fischer zugeschickte Stamm bildet die Chlamydosporen jetzt in so reichlicher und typischer Weise, dass ich nicht annehmen kann, dass sie von diesen Forschern einfach übersehen sein sollten. Brebeck & Fischer gebührt das Verdienst, durch ihre Arbeit darauf hingewiesen zu haben, dass zwei morphologisch außerordentlich ver- schiedene Pilzvarietäten in den Soorplaques vorkommen können. In der That sind in der darauf folgenden Zeit mehrere Arbeiten über Soor mit so verschiedener Darstellung des Soorpilzes in morphologischer, physio- logischer und pathologischer Beziehung erschienen, dass sie kaum eine andere Erklärung zulassen, als die Annahme verschiedener Varietäten. Um Arten handelt es sich nicht, denn wir ersehen aus diesen Ar- beiten, dass es sich um Unterschiede handelt, wie sie Linossier & Roux bei Soorkonidien beschrieben, die von denselben Stammzelleu herrührten (s. S. 577). So fand Noisette" in 31 Fällen von Soor 19 mal die Moui- lienform (Soorkonidien und Fäden), 12 mal nur Soorkonidien und ganz selten Fadenbildung allein, Frisch einen Pilz ohne Pathogenität, der nach Paltaufs Untersuchungen absolut kein Gärungsvermögen zeigte, in den Größenverhältnissen aber mit dem gewöhnlichen Soorerreger über- einstimmt. Olsen "1 zwei verschiedene Pilze mit verschiedenen morpholo- gischen, physiologischen und pathologischen Eigenschaften, Galli-Val- BRI0 29 einen kleinsporigen Pilz, v. Stoecklin *2 ^^d viele andere nicht- tierpathogene Arten u. s. w\ Außer diesen Arbeiten sind aus der neuesten Zeit noch die sehr sorg- fältigen Studien von Stooss^^ 2u erwähnen, die, wie wir noch sehen wer- Die Hyphenpilze oder Eumrceten. 579 den, unsere Kenntnisse über die Soorkrankheit wesentlich erweiterten. Aneli die französische Schule ist jetzt lebhaft beschäftii^t, die Sooran- ginen und besonders die generalisierte Soonnykose bei Mensch und Tier, sowie die Toxizität der Soorerreger zu erforschen, und die Ar- beiten von Grasset 31, Ostrowsky"-^, Fixe au, Noisette und Daireuvai^ machen es sehr wahrscheinlich, dass der Soor nicht nur mechanisch und durch Metastasenbildung, sondern auch chemisch durch seine Stoflf- wcchselprodukte nach Art vieler pathogener l>akterien wirksam ist. Endlich müssen wir aus dem Jahre 1899 über die l)otanischen Studien VuiLLEMiNS^^ berichten, der beim Soorpilz wohl charakterisierte 4 sporige Asken fand, die sich frei oder an Fäden oder aus Chlamydosporen entwickeln können. Er weist demnach dem Pilz seine Stellung im System bei den Endomyceten, also bei den Exoascis au und benennt den Pilz Endomyces albicans. Morphologie. Am häufigsten findet sich bei der Soorerkraukung zweifellos die grofssporige Varietät. Es ist dieselbe, die Kehrer, Plaut, Stumpf, Baginsky, Klemperer, Fische, Soltmann, und viele andere beschrieben haben und identisch mit der verflüssigenden Art von Brebeck-Fischer. Der Pilz erscheint sowohl in der Läsion, als auch in den Kultur- medien als Hefe und Mycelbildner. Stumpf war dadurch verleitet worden, zwei verschiedene Pilze anzu- nehmen, von den anderen Soorforscheru aber hat kein einziger diese beiden Wuchsformen für zwei verschiedene Pilzformen erklärt. Ich mnss das hier betonen, da Giuseppe Cao i-' in seiner Arbeit über Oidien und Oidiomykose GRAwrrz, Klemperer und Plaut vorwirft, sie hätten beide Formen als verschiedene Pilze angesehen. Nicht Bagixsky, wie Cao meint, sondern gerade Grawitz hat den Zusammenhang der Hefe mit den Fäden gleich in seiner ersten Arbeit betont (vor ihm schon Kobin und viele andere), imd man kann kaum verstehen, wie Cao zu diesem Irrtum kommt, wenn man nicht seine übrigen Litteraturangaben sich ansieht und bemerkt, dass dieselben an Un- genauigkeit alles bis jetzt Dagewesene überbieten. Die Hefe uz eilen sind meiner Messung nach 5 — ^6 u laug und 4 u breit, haben also eine etwas ovale Form, und sind in nichts von an- deren Hefezellen zu unterscheiden, weder durch die Fortpflanzung noch dem äußeren Aussehen nach. (S. Fig. 36.) Die Soorfäden sind von sehr verschiedener Länge und Dicke und können alle Uebergangsformen zwischen typischem Mycel und Spross- mycel zeigen. Sie sind doppelt konturiert und enthalten die Einschlüsse, die auch sonst Mycelfädeu enthalten, Tröpfchen, Granula und Vakuolen (s. Taf. I, Fig. 2 u. 3j. Durchwachsungen kommen vor. Ob endogene Sporenbildung erfolgt ist noch zweifelhaft. Man bemerkt oft im Innern des Mycels runde konidienartige Gebilde (schon von Kobin c^ Quixquaud beobachtet, auch von mir abgebildet und später von Stoecklix und Dairreuva beschrieben), die von Vuillemin, da er einen Kern nach- gewiesen hat, für echte endogene Sporen gehalten werden. Daireuva fand sie im Abszesseiter beim Kaninchen. Die Hefensprossung erf(dgt nach dem Kouxsehen Gesetz, besonders in Alkohol, Glycerin, mihdisaurem Natron u. s. w.. Avährend der Zusatz von Kohrzucker, arabischem Gummi oder Dextrin die Fadenbildung be- günstigt. Man findet aber auch in den hefebildenden Flüssigkeiten sehr 37* 580 H. C. Plant, vereinzelte Fäden. Saure Reaktion, Sauerstoff begünstigt die Hefe- bildimg. Bei Mangel desselben, Mangel an Nahrung, Einwirkung von Giften, alkalischer Reaktion, erfolgt Fadenbildung. Durch diese Ein- wirkung wird wahrscheinlich die charakteristische Form des Soorpilzes in weicher Nährgelatine bedingt (s. Fig. 29). Wenn man die Weiter- entwicklung eines solchen Häufchens von Soorzellen unter dem Mikro- skop beobachtet, so bemerkt man, nachdem es eine gewisse Größe erreicht hat, dass es ganz feine Fäden ein Stückchen über diese Häuf- chen hinausschickt, als suche die Kolonie sich neue Nahrung. Ein Fädchen beginnt dann zu knospen und bildet wieder einen Haufen, das geht so fort, die Häufchen werden aber immer kleiner, je mehr sie von der Mutterkolonie entfernt sind. Wahrscheinlich beginnt die Fadenbildung infolge Einwirkung von Stoffwechsel- produkten und Mangel an Nah- rung. Dass die Kolonieen peri- pherwärts kleiner werden, ist Fig. 29. Soorpilz (verfl.) in weicher Gelatine, wohlauf eine Anrek-herung der Zeiss, A., Ocul. 4. Gelatme mit Stottwechselpro- dukten zu beziehen. Infolge der eben genannten schädigenden Momente entstehen auch die von mir in neuester Zeit wieder genauer studierten Soorkapseln, die am Rande dieser Häufchen manchmal unter noch nicht näher er- forschten Umständen sehr schön zur Beobachtung kommen. Ich hatte dieselben in früherer Zeit auf die Autorität 0. E. R. Zimmermanns hin und weil ich ein Auskeimen nie beobachtet habe als Involutionsformen angesprochen, halte sie aber heute mit Linossier & Roux für echte Chlamydosporen, da ich jetzt ihre Auskeimung beobachten konnte*). Zweifellos umgeben sie sich mit einer dicken Kapsel und kommen auch im Verlauf des Mycels vor. Fig. 30 zeigt ein Häufchen Soorzellen mit Chlamydosporenbildung in situ, Fig. 31 einen Mycelzweig mit 4 Chlamydo- sporen stark vergrößert. Diese Chlamydosporen sind von Grawitz 1877, von Kehrer 1883, von mir (fälschlich als Involutionsformen gedeutet) 1887, von Linossier & Roux 1890, von Grasset 1893 und von Vuillemin & Da'ireuva 1898 und 1899 gesehen und beschrieben wor- den. Wahrscheinlich ist auch das Sporangium von Baginsky mit ihnen *) Herr Prof. Hansen, Kopenhagen, dem ich ein Präparat mit Chlamydosporen während Drucklegung dieser Arbeit sandte, hatte die Liebenswürdigkeit, mir mit- zuteilen, dass er meine Ansicht von der Chlaraydosporennatur der Gebilde teile, ebenso Herr Prof. Vuillemin, Nancy. Herr Prof. Fischer, dem ich gleichzeitig ein Präparat gleicher Herkunft zur Beurteilung schickte, war gleichfalls so freundlich, mir folgendes mitzuteilen: »Wir haben früher von derartigen Sporen und puccinia- ähnlichen Bildungen nichts beobachtet. Die endogenen Sporen, die wir in der Molkenhaut sahen, fanden sich in freiliegenden, nicht mit Hyphen in Verbindung stehenden Zellen, sahen übrigens sonst ähnlich aus, wie die in Ihrem Präparate am Rande und zwar am Ende der Mycelfäden sitzenden, ovalen, sporenhaltigen Zellen. Es wird natürlich durch die'Knltur festzustellen sein, ob es sich noch um eine Reinkultur von Soor handelt oder ob sich etwa ein fremder Organismus eingeschlichen hat.« — Ich sage den drei Herren an dieser Stelle nochmals für ihre Bemühung den besten Dank. Die Hyphenpilze oder Eumyceten. Ö81 identisch. Sie kommen, wie icli 1887 uachyewiesen habe, auch in den Soorplnques vor und entstehen außer aus den schon angegebenen Gründen auch noch unter der Einwirkung von mitkonkurrierenden Bakterien (Da'ireuva). Ausser den Chlamydo- sporen wurden noch echte Askeu von Brebeck & Fischer mit 1 — 4 Sporen gefunden, die von solchen der Saccharomyceten dem Anblick nach nicht zu unterscheiden waren, und von VuiLLEMiN 1898 Asken, welche den Exoasken gli- chen, stets 4 Sporen ent- hielten, die sich bei der Reife übereinanderlegen. Diese Askosporen sind nach VuiLLEMiN elliptisch, etwas auf der einen Seite ab- ge])lattet und in den drei Dimensionen verschieden. Ihre Länge ist ,« 2,8 — 3,5, ihre Breite 1,75 — 2 u und ihre Dicke 1,2 — 1,4 /<. Die Memljran ist dick 0,25 u. Die Sporen hängen nach ihrer Befreiung Fig. 30. Soor (verfl. Variet.), Chlamydosporen- bildung. Zeiss, Apochr. 8, Ocul. 4. Fig. 31. Myeelfaden von Soor mit 4 reifen Chlaraydosporen. in der Mitte Konidien. Zeiss, Oelimmers. 0.8, Ocul. 4. noch eine Zeitlang mit einem Epiplasma zusammen. Leider soll es nicht in der Hand des Experimentators liegen diese Askosporen Vuille- mins mit Sicherheit hervorzurufen, da sie einmal überhaupt selten auftreten sollen und die Bedingungen ihres Entstehens noch nicht erforscht Fig. 32. sind. Es ist mir nicht gelungen, sie bis jetzt zu finden, ebensowenig wie die Brebeck- FisciiERSchen Saccharomycesasken. Auf Plattenkulturen erscheint der Pilz in zweierlei Formen. Ober- flächliche Kolonieen: rund, wachs- artig, mikroskopisch grob granuliert, Fig. 32a, tiefliegende Kolonieen: un- regelmäßig begrenzt mitfädigradiären Ausläufern, Fig. 32h und Fig. 34. Vertrocknet der Nährboden stehen manchmal Kolonieen wie in Fig. 33.*; Tiefe Kolonieen. Zei>!S, A. ( »berflächliche Kolonieen. Ocul. 2. SO ent- stätigt. Sogen. Coremiumbildung. von Daiueuva zuerst gesehen und von mir be- 582 H. C. Plant, Fig. 33. Coremiumbildung bei Soor (verfl.Variet.). Zeiss, A., Ocul.4. Plattenkultur. ^g;>>/ — r-— Q o :9m rM U o Fig. 34. Tiefe Plattenkultur von Soor (verfl. Variet.) mit Chlamydosporen. Zeiss, A., Ocul. 4. Die Hyphenpilze oder Eamyceten. 583 Die Farbe der Kolonieen variiert nach dem verwandten Nährboden, erscheint z. 1>. bei dunklerer BierwUrzgelatine rötlich ^Taf. VII, Fig-. 175^, :i« ; I IL- K^ Monilia Candida Hansen auf Gelatine. Fig. 35. Stichkulturen von Monilia Candida Soor Bon. auf Agar. auf Gelatine. Soor auf Agar. bei hellerer weißlich, bei Eübeug-elatine fleischrot, auf gewöhnlicher Xähr- gelatine schneeweiß (Taf. VII, Fig. 183), auf Agar grauweiß u. s. w. Der Geruch aller Soorkulturen ist an- genehm säuerlich. Auf Stichkultureu in Gelatine ergiebt sich das von vielen für Soor charakteristisch gehaltene Bild, das aber, wie Brebeck & Fischer, erwähnen, auch vielen anderen Pilzen gemeinsam ist (Fig. 35j. Bierwürzegelatine wird langsam verflüssigt, die Verflüssigung ist bei Stich- kulturen am 4. — 6. Tage schon deutlich wahrnchmljar, es handelt sich nicht um eine richtige Verflüssigung, wie sie z. B. bei Staphylokokken stattfindet, sondern mehr um eine Erweichung. Gewöhnliche Gelatine wird nicht verflüssigt, in derEegel auch nicht erweicht.*) Auf Agar sehen die Kulturen ganz ähnlich aus, wie auf der Gelatine. Auf der Oberfläche: flächen- artige oder knopfförmige Ausbreitung, in der Tiefe: zierliche, baumartige Verzwei- gungen; Wachstum schneeweiß (Fig. 35). Fig. 35a. Monilia Candida Bonorden. Bei a Konidien in der Abschnürungsphase. (Nach Boxorden.) In Flüssigkeiten entstehen *) Wenn man aber eine tiefe Schale mit 1^ Traubenzuckergelatine mit zahl- reichen Stichen impft, dicht nebeneinander, so stellt sich nach 3 Wochen Erwei- chung der Gelatine ein unter Bildung massenhafter Chlamydosporen. 584 H. C. Plaut. meist am Boden der Kulturgefäße Flocken von gelblicliweißer Farbe, Kahmhautbildung nicht oft und wenn, dann schwach. Auf Molke ist es mir nicht" gelungen, Kahmhaut zu erzeugen. Fischer dagegen hat solche bekanntlich beobachtet und in den Kahmhäuten die Askosporen gefunden. Da ich glaubte, nicht kahmhautbildende Varietäten xoy mir zu haben, ließ ich mir den verflüssigenden Soorpilz Stamm Fischer durch Kral senden, hatte aber mit diesem auch keine positiven Kesultate. So- bald eine Kahmhaut gebildet wurde, waren Verunreinigungen mit Si)alt- pilzen nachweisbar. Ich verwandte Molke, welche auf 125 ccm Milch 1 g Weinsäure enthielt und dann neutralisiert wurde. Es ist möglich, dass man bei anderer Bereitung der Molke (Alaunmolke u. s. w.) — Fischer sagt leider nichts über die nähere Ikn-eitung, — Kahmhäute erhält. Auf roher Milch ist das Wachstum schlecht (Roux & Linossier), auf Speichel nach denselben gleichfalls gering, aber auf Speichelnähr- böden nach G. Mayer^Q günstig. Wachstum, auf gefärbten Kährboden, s. S. 577. Die Gärungsfähigkeit des Soorpilzes in gärungsfähigen Flüssigkeiten ist den Saccharomyceten gegenüber gering (Reesj. Dextrin, Mannit, Alkohol, Milchsäure, (Tlyceriu werden ohne Fermen- tation verbraucht. Saccharose wird vom Pilz aufgezehrt ohne Invertin- bildung, dagegen vergärt er Traul)enzucker, Lävulose, Maltose, aber laug- sam und in kleiner 5lenge. Von anderen Fermentationsprodukten kommen bei der Alkoholbildung vor: Essigsäure und Aldehyd. Das Maximum der Alkoholbildung beträgt 5,5*^, ist also viel geringer als bei den Saccharomyceten. Alle diese chemischen Wirkungen des Soorpilzes auf sein Nährmedium erinnern gar nicht an Saccharomyceten (Roux & Linossier). Wachstum auf Kar- toifeln verschieden, oft mehlartig. Das Wachstum auf den übrigen Nährböden bietet wenig Charakteristisches. Genaue Angaben darüber finden sich bei Linossier & Roux und bei Plaut. Was die Gärung des Soors anlangt, so sind die Ansichten der Forscher sehr geteilt. Nach Breheck & Fischer vergärt der Soorpilz nicht Laktose und Saccharose, wohl aber Dextrose, Lävulose und Maltose, nach Roux & Linossier vermag der Soorpilz den Rohrzucker durch die gebildete Säure zu invertieren und dann erst zu vergären. Nach Paltauf besitzt Soor über- haupt nicht die Fähigkeit, zu gären. (Siehe unter Frisch 28.) Nach Teissier^s und Fischer vergärt Soor Laktose nicht, nach Olsen bildet er bei der Gärung erdbeerätherartige Substanzen u. s. w. Auch in Bezug auf die Pathogenität lauten die Angaben verschieden. (Siehe S. 593 unter Tierpathogeuität.) Die uicht verflüssigende Varietät scheint äußerst selten zu sein; außer dem Fall, den Brebeck & Fischer (Prof. v. Starck in Kiel) untersuchten, scheinen noch GuiDi & Galli-Valerio ähnliche Arten gesehen zu haben. Der Pilz, den ich aus dem Krälschen Laboratorium unter der Etiquette »Sacch. non liquefaciens« erhielt, sieht aus wie ein Soorpilz en miniature ohne oder mit sehr seltener Fadenbildung. In Fig. 36 stelle ich die beiden Formen auf Bierwürze 8 Tage lang gezüchtet bei derselben Vergrößerung gezeichnet einander gegenüber. Die Soorkonidien dieser Varietät sind nur 1,9 bis 3,8 ii gross und runde Formen die Regel. Bierwürzgelatine wird nicht verflüssigt. Chlamydosporenbilduug konnte ich bei dem Pilze ebensowenig beobachten Avie Askosporen, die auch Fischer & Brebeck nicht konstatieren konnten. Außer diesen beiden Formen sind noch andere Varietäten beschrieben worden, wie Avir schon am Ende der geschichtlichen Bemerkungen ausführten. So fand Noisette unter 31 Fällen von Soor 12 mal nur Hefe, 19 mal Hefe Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 585 und Fäden, ganz selten Fäden allein. In 61,19;^ Fäden und Hefen, in 28,7^ nur Hefen. — Auch in morpliologiselier und l)iologisfher Beziehung unter- schieden sich die gefundenen Keime voneinander durch Größe, Waclistum, Pathogenität u. s. w. So erwiesen sich die von StöCklix bei Angina iso- lierten Formen sämtlich als nicht pathogen und auch die aus Blasensoor stammenden (Frisch — Paltauf) ergaben, Tieren intravenös injiziert, keine Krankseitserscheinungen. Noisette hat nun, Avie wir S. 59ß sehen werden, eine spezifische Serumreaktion zur Unterscheidung der Arten angewandt und kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Resultat: II n'y a donc 0@@ Fig. 36. 9 Nicht verflüssigende Varietät. Verflüssigende Varietät. Vergr. Zeiss, Apochromat 8, Ocul. 4. pas un saccharomyces albicans: c'est une classe qui comprend des varietes. Es bedarf Avohl kaum der Bemerkung, dass die Frage, ob es sich beim Soor- pilz um Arten oder Varietäten handelt, falls die spezifische Reaktion wirklich für jede abweichende Form existiert, im Sinne der Mehrheit der Arten entschieden wäre. Bei der Schwierigkeit aber, welche Tierexperimente überhaupt und besonders jene bieten, die sich mit der Erzeugung von Immunstoflfen im Tierkörper befassen, ist es selbstverständlich notwendig, dass die NoiSETTESchen Resultate mehrfach von verschiedenen Seiten bestätigt werden, bevor wir aussprechen können, das klinische Bild des Soor kann durch ver- schiedene Pilzarten erzeugt werden. Bis dahin wollen wir mit Roux & Li- NüssiER sagen, dass der Soorpilz große Neigung zeigt, Varietäten zu bilden und werden damit gewiss keinen Fehler machen. Systematische Stellung. Sporotrichum Grubt, Heim Oidium lactis (albicans) Robix Syringospora Quinquaüd Stemphylium polymorph. Hallier Mycoderma vini Grawitz Monilia Candida Bonorden Plaut Saccharomyces Guidi, Ress, Brebeck-Fischer Dematium albicans Laurent ^3 Mucor LiNOssiER, Roux Endomyces albicans Olav Olsen, VuiLLEmN. Ein Blick auf diese Tabelle zeigt, dass wohl kaum ein Pilz so sehr Wandlungen in seiner systematischen Stellung ausgesetzt gewesen ist, wie der Soorpilz. In der That sind die Schwierigkeiten, einem unbekannten Pilz seine Stellung im System anzuweisen, schon an und für sich hervorragend, sie wachsen aber natürlich noch, wenn ein Pilz, wie der unsere, polymorph ist, d. h. Varietäten oder gar Arten gebildet hat. Uns Mediciner und Hygieniker interessiert es aber außerordentlich zu wissen, wo ein Pilz im System steht, weil wir dadurch Aufschluss zu ))ekouimen hoflen, ob und unter welchen Verhältnissen der Parasit als Saprophyt oder als anderweitiger Parasit lebt. 586 H. C. Plant, AVir müssen ja annehmen, dass Parasitismus ans dem Saprophytismus ent- standen ist, eine Ansicht, die durch die neueren Forschungen Brefelds nun auch experimentelle Stütze erhalten hat. Der Soorpilz nun ist einer von den pathogenen Pilzen, von denen wir mit Sicherheit sagen können, er muss heute uoch als ungemein häutiger Saprophyt vorhanden sein, da er in der Ptegel nicht durch Ansteckung verbreitet wird, sondern die durch ihn erzeugte Krankheit da auftritt, wo die Verhältnisse zu seiner Ansiedelung günstig sind. Es ist also ganz natürlich, dass sich zahlreiche Forscher damit beschäftigt haben, dem Soorpilz in seinem saprophy tischen Dasein nachzuspüren. Wenn wir nun die oben augeführten Pilze durchgehen, so können wir Sporotrichum, Stemphylium, Syringospora und Oidinm lactis von vornherein ausschließen. Heim*) hat zwar geglaubt, dass Soor dem Sporotrichum vielleicht in die Nähe zu setzen sei — , wegen der Bildung seitlicher Ektosporen. Wenn wir die seitlichen Sprossen des Soors aber als Ektosporen ansehen wollen, würden wir zweifellos einen Irrtum begehen, da, diese Sprossungen bei jedem Sprossmycel vorkommen und als weiter nichts als modifizierte Sprossung aufgefasst werden dürfen, abgehend von einer in die Länge ge- zogenen Sprosszelle (Mycelfaden). Syringospora kommt aus dem gleichen Grund nicht in Frage, Stemphylium hat braune bis schwarze Sporen und gar keine Aehnlichkeit mit Soor, Oidinm (lactis) kann sehr verschiedenen Ursprungs sein und stellt eigentlich nur eiuen Typus der Konidiensprossung dar, der vielen Mehltaupilzen — auch dem Soorpilz eigentümlich ist. (Typ. III, S. 535.) Man wird deshalb keinen direkten Fehler machen, wenn man den Soorpilz Oidinm albicans nennt, aber etwas über die natürliche Verwandtschaft im System wird durch diesen Namen nicht angedeutet. Mycoderma viui kommt gleichfalls nicht in Frage, weil es nicht pathogen ist und sich in vieler Be- ziehung von Soor unterscheidet. Wenig Aehnlichkeit hat der Soorpilz mit Dematium pullulans, in dessen Nähe, wie wir sahen, Laurent ihn unter- gebracht wissen möchte. Nach Brefelds Untersuchungen ist Dematium pullulans eine Nebenfruchtform von Sphaerulina intermixta, die zu den Pyre- nomyceten gerechnet wird. Diese Form wird häufig in Brunnenwasser, in Brauwasser, auch in fadenziehendem Biere und Würze gefunden, ferner auf Weinbeeren und anderen Früchten. Der Pilz bildet ein verästeltes Mycel, von dem sich zahlreiche Knospen abschnüren, die sich dann wieder als Hefe- zellen durch Sprossung fortpflanzen. Das Mycel kann selbst in Hefezellen zerfallen, die wieder Fäden treiben oder Sprosszellen abschnüren können. Alte Fäden färben sich bräunlich oder olivengrün. Eine auch nur entfernte Aehnlichkeit mit dem Soorpilz hat Dematium pullulans nicht, ausgenommen vielleicht die Kolonie auf der Gelatineplatte. Pathogene Wirkung wurde bisher nicht beobachtet. Zu den IMucorineen können wir den Pilz auch nicht stellen; die Chlamydo- sporenbildung ist vielen Pilzen, sowohl Mykomyceten als auch Phykomyceten gemein und die deutliche und schon im Anfang vorhandene Septierung des Soormycels spricht entschieden gegen eine Verwandtschaft mit den Phykomy- ceten. Anders verhält es sich mit Saccharomyces, da es in der That patho- gene Saccharomyceten giebt und viele Saccharomycesarten morphologische Aehnlichkeiten mit Soor besitzen. Ich Avill hier nicht die Frage der syste- matischen Stellung der Saccharomyceten berühren und nur darauf hinweisen, dass sie nach Brefeld nicht als besondere Art, sondern nur als besondere Fruchtform höherer Pilze anzusehen sind. Die Endosporenbildung der Hefen- konidien ist nach ihm nichts anders, als die gelegentliche Umwandlung von *) Lehrbuch der Bakteriologie 1898, S. 386. I Die Hyphenpilze oder Enmyceten. 587 Konidien in Sporaiigieu. Eine Einreihung ins System würde der Pilz also auch dann nicht erfahren, wenn wir ihn mit Brep.kck-Fisciifr und GuiDi zu den Hefen rechnen würden, wogegen sich aber absolut nichts einwenden ließe, Avenn die Beobachtung von saccharomycesartigen Sporen von Brehkck- FiscHER von anderen Forschern ihre Bestätigung linden sollte. Die neueste Arbeit von Vüillemin hat nun zwar, wie wir sahen, Resultate ergeben, die diesen Forscher veranlassten, seinen Pilz zu den Endomyceten zu zählen. Indes fehlen auch hier noch Bestätigungen und es dürfte vor der Hand das Richtige sein, die Frage über die Stellung des Soorpilzes in der Botanik noch in suspenso zu lassen. Zum Schlüsse möchte ich aber hinzufügen, dass ich meine im Jahre 1887 ausgesprochene Ansicht, dass der Soorpilz mit gewissen Monilien identisch ist, auch heute noch aufrecht erhalte und zwar um so mehr, als sich seit dieser Zeit herausgestellt hat, dass zahlreiche Arten, die wir früher zu den Monilien rechneten, die jetzt aber von einigen mit den eben so wenig sagenden Namen Oidien, Sprosspilzen, wilde Hefen, Torulaformen bezeichnet Averden, pathogen sind und pathogene Aifektionen erzeugen, welche mit den von Soor hervorgerufenen die allergrößte Aehnlichkeit besitzen. Wenn diese Pilze nichts mit Soor gemein haben sollen, dann möchte ich doch die Frage mir erlauben, wo in aller Welt versteckt sich der Pilz, der in der Natur so verbreitet sein muss, wie die Sarcine, oder die rosa Hefe oder eine andere Verunreinigung unserer Platten? »Solange es deshalb nicht gelingt, Entwickelungsformen zu entdecken, die uns eine wirkliche Einreibung des Soorpilzes ins natürliche System gestatten, ist man berechtigt, ihn bei den Fungis imperfectis zu den Monilien zu stellen, die ja selbst noch gar nicht im natürlichen System untergebracht werden konnten und jedenfalls sämtlich nur Entwicklungsformen höherer, wahrscheinlich sehr gewöhnlicher Pilze darstellen. < (Plaut, Centr. f. Bakt. u. Paras. 1892. S. 734). A. Die Soorkrankheit als Lokalaffektion: Vorkommen und Verbreitung. Der Soor kommt primär am häufigsten auf der Schleimhaut der Mundhöhle von Säuglingen in den ersten Lebenswochen zur Beobachtung, besonders von frühgeborenen oder sonst schwächlichen Kindern. Auch Brustkinder werden ergriflen. Sodann ist er ein Parasit der Vagina (Hausmann), besonders schwangerer Frauen, wo er als Vaginalsoor eine mit leicliten Beschwerden verknüpfte Mykose hervorrufen, aber auch ohne Symp- tome zu veranlassen sich hier ansiedeln kann. Weit seltener befällt er Er- w^achsene und ältere Kinder, deren Organismus durch Krankheit geschwächt ist, besonders gern Diabetiker (Grawitz, Erxst21), Typhuskranke, Greise La- BOULBEXE^^"), und endlich ist er bei katarrhalischen Anginen und im ]\Iund ge- sunder Individuen nachgewiesen worden. Sekimdär ist er in vielen Organen, so im Nasenrachenraum, in der Nase, im Oesophagus, in den Bronchien, in den Lungen, seltener im Magen und Darm, im Mittelohr, im Kehlkopf und auf der exkoriierten Haut beobachtet worden. Auch Metastasenbildung im Gehirn, in der Leber, den Nieren und Lungen sind, allerdings sehr selten, in der Litteratur beschrieben. Bei Tieren wird der Soor gleichfalls beobachtet, Vögel werden häufig, Kälber und Fohlen seltener ergriflen. Die geographische Verbreitung des Soor scheint eine allgemeine zu sein. Sein Auftreten ist gewöhnlich sporadisch, in Findelhäusern und Kinder- kliniken nicht selten endemisch. In der Luft solcher Anstalten ist der Soor- keim von Kehrer nachgewiesen, auch begegnet man sehr häufig soorähnlichen Keimen als zufälliger Verunreinigung beim bakteriologischen Arbeiten, indes 588 H. C. Plaut, lässt sich der Beweis nur selten und sehr schwer führen, dass es sich hier wirklich nm Soor handelt (s. S. 593). Disposition: Die Empfänglichkeit für die Soorerkranknng ist beim ge- sunden Menschen und Tier gleich Null. Streicht man Soorkonidien haufenweise Tauben in den Schnabel, in die innere Nase, so ist nach 24 Stunden mikrosko- pisch keine Spur mehr von normalen*) Soorzellen zu erblicken, man mag mecha- nisch oder chemisch reizen wie man Avill. Nimmt man dagegen junge Tauben zu diesem Experiment, die man längere Zeit hungern und dursten ließ, so werden sie mitunter kropfsoorkrank. So gelang es auch S(jltmaxx nicht, gesunde Säuglinge durch Hineinbringen von Soormassen auf die Schleimhäute des Mundes soorkrank zu machen, und gesunde Säuglinge, die bei einer Amme gestillt wurden, die nebenbei noch soorkranke Kinder stillte, wurden nicht soorkrank (Eppstein). Dagegen ist die katarrhalisch erkrankte Schleimhaut bei Säug- lingen empfänglich. Nach Stooss gelingt die Uebertragung auf gereizte Schleim- häute (Vagina) der Kaninchen, es entstehen aber nur lockere Auflagerungen, während die Mischung pathogener Eiterkokken mit Soor fester haftende Beläge bewirken soll. Symptome: Auf der Mundschleimhaut der Säuglinge erscheint die Pilz- aflektion als Häufchenbildung von reinweißer Farl)e und krümeliger, käsiger Beschaöenheit, die sich von der katarrhalisch tiefdunkel verfärbten (primäres Erythem der Mundschleimhaut) oder auch ganz anämischen Schleimhaut (Solt- mann) deutlich abheben und am meisten mit geronnenen Milchresten, wie sie nach dem Erbrechen im Munde hängen bleiben, verglichen werden können. Die Größe der Soorplaques schwankt von nadelstich- bis stecknadelkopfgroßen Stippchen bis membranartigen Ausbreitungen über große Ge1)iete, die in seltenen Fällen geradezu Verstopfung des Oesophagus verursachen können. Die Soor- häufchen sind stets in der Schleimhaut eingelagert, entfernt man sie, so bleibt eine leicht erodierte, auch wohl blutende Stelle zurück. Am häufigsten und zuerst werden die Wangen hinter den Alveolarfortsätzen, dann die Zungenspitze, der weiche Gaumen, seltener der Pharynx und Oeso- phagus befallen. Von da kommt es zu den oben geschilderten Ausbreitungen. Die Beschwerden sind nach der Intensität der Aft'ektion verschieden. Kinder mit geringer Ausdehnung der Soorplaques zeigen nur Schmerzensäußerungen bei der Nahrungsaufnahme, Kinder mit ausgebreiteteren Aflektionen verweigern die Nahrung ganz, machen einen überaus schweren Krankheitseindruck und werden sehr bald benommen. Dazwischen giebt es natürlich viele Abstufungen. Nicht immer, aber sehr häufig sind soorkranke Kinder, und zwar primär, an Verdauungsstörungen verschiedenen Grades erkrankt, meistens sind sie wund und recht häufig habe ich als Komplikation Ekzem gesehen, was freilich bei der großen Verbreitung des Ekzems nicht viel zu bedeuten hat. Pathologische Anatomie: Soor durchsetzt mit seinen Fäden die oberen und mittleren Schichten des Pflasterepithels, dringt in die Zellen ein (Plaut und Daireuva) und geht seltener auf das Cylinderepithel über. Er dringt auch in die tiefer gelegenen Schichten ein, ins submucöse Gewebe (Virchow), wächst in die Gefäße hinein (Heller), wodurch Metastasenbildung eintreten kann (ScHMüRL, Schmidt"'', Ribbert"-u. a.). Durch diese Fadeubildungen werden Eingangspforten für pathogene Mikroorganismen im Körper geschaffen (Heller). Die Soorhaufen bestehen aus Epithelzellen, Soorkonidien, Soorfädeu, zahl- reichen Spaltpilzen, weißen und roten Blutkörperchen. Auch findet man. wenn auch selten, Chlamydosporen. *) Es finden sich nur große Mengen von Zwergformen, welche kulturell sich als Soor erweisen. Die Hyphenpilze oder Euiuyceten. 589 Der Soorpilz bewirkt dnrcli sein Wachstum im Organismus sowohl Em- bolien, Rundzellenanhäufung (Dciderlein ^'J, Steiner'"' \ als auch ^'ekrose, wenn auch nicht in so starkem Maße wie die pathogenen Schimmelpilze. Prognose: Die Sterblichkeit der Säuglinge an Soor wird nach Soltmaxn auf ^2% unter ungünstigen Verhältnissen berechnet. Diese Zahl gilt also für künstlich ernährte Kinder. Bei Brustkindern ist die Prognose günstig, wenn eine rationelle Behandlung eingehalten wird. Soor in Gefolge von schweren Er- krankungen gilt im allgemeinen für ein böses Omen, indes nicht ganz mit Recht. Ich habe bei Gehirnerkraukungen, schweren Ohreiterungen, Typhus und Diph- therie, Soorwucherungen gesehen, bei Patienten, die wieder genasen. Der ein- tretende Soor bei Tuberkulose dagegen ist häufig ein Vorbote des nahen Todes. Diagnose: Dieselbe bietet keine Schwierigkeiten, wenn man sich des Mikroskops bedient, sonst können die Soorplaques mit Milchresten verwechselt werden, kaum mit diphtheritischen Belägen. Auch hat Grasset auf das häufige (?) Vorkommen eines Pseudosoors aufmerksam gemacht, bei dem sich mikroskopisch und kulturell keine Soorelemente, sondern nur Kokken finden. Von Stooss'''} bestätigt. Die Prophylaxe gegen den Soor der Säuglinge stößt mitunter auf rechte Schwierigkeiten. In manchen Findelhäusern ist es kaum möglich, ein dyspepsie- krankes Kind vor Soor zu schützen. Wahrscheinlich wird der Soor beim Passieren vieler Individuen infektiöser, wie beim Tier nachgewiesen (s. S. 596). Reinlichkeit steht allen Maßnahmen voran. Man soll sie aber auf die Um- gebung des Kindes und seine Haut beschränken, nicht aber Auswaschungen des Mundes vornehmen, w'odurch nicht nur Verletzungen der Schleimhaut (Fischl) und dadurch Disposition geschaffen, sondern auch andere infektiöse Erkrankungen (z. B. Brechdurchfall) übertragen werden können. Der Schnuller ist zu verbieten oder wird zweckmäßig durch den Esche- KiCHSchen-- Borsaccharinschnuller ersetzt, wenn bereits Soor vorhanden ist. Wie bei allen andern Säuglingskrankheiten, so ist auch hier die strenge Durchführung einer rationellen Hygiene des Säuglingsalters die beste Prophy- laxe gegen den Soor. Therapie: Bei der Behandlung des Soors steht die Beseitigung der primären Dyspepsie oder der primären Erkrankung ül)erhaupt oben an. Die Soormasseu entfernt man behutsam mit einem weichen Läppchen und pinselt auf die erodierten Stellen dann irgend ein erprobtes Soormittel auf (Argent. nitric. 0,1^), Kali hypermanganicum (1,5 : 10^), 2% Boraxlösung u. s. w. Soor ist wenig empfindlich gegen Säuren und Alkalien und gedeiht in stark alkalischen und stark sauren Medien gleich gut. Er ist sehr empfind- lich gegen die gewöhnlichen Desinfektionsmittel, besonders gegen Salicylsäure, Sublimat, Karbolsäure, Silbernitrat, Lysol, Euphorin (Maraxtorio ■^'•j Kali hypermanganicum u. s. w. Hitzegrade über 60^' Gels, töten ihn schnell ab. Chinosol in \% Lösung tötet den Soor in V2 Stunde (Galli-Valerio). Näheres über die EiuMirkung der Antiseptica auf Soor siehe bei Plaut und DAiREm'A. Taube ''5 pinselt ohne vorherige Entfernung der Soormassen die Backenschleim- haut der Kinder mit Pyoktanin 1 : 10, aus mit sehr gutem Erfolg. Die Kinder verschlucken sehr oft etwas von der Piuselflüssigkeit und erbrechen dann blau- gefärbte Soormassen, die aus dem Oesophagus stammen. In leichteren Fällen kommt man mit dieser Therapie aus, in schwereren ist meist jede Therapie machtlos. Bei Verstopfung des Oesophagus soll man Brechen zu erzielen *) Stoos.s hat aber nur einen Fall beobachtet, wo die klinische Diagnose Soor sich nicht mikroskopisch bestätigte. Ueber die Kultur wird nichts mitgeteilt. 590 H. C. Plaut, suchen durch subkutane Apomorphininjektioueu oder Pinseln der Schleimhäute mit Kupferlösuug (Paltauf). Innerlich wird ?>% Natron-bicarbonicumlösung empfohlen, von den Franzosen Vichywasser (Cohendy '-^j. Besondere Formen: Soorpilze bei Gesunden, Anginen, Sooru.s.w. Einen primären Soor des Rachens hat Tordeus^^ bei einem sonst ganz ge- sunden 6 Wochen alten Knaben beobachtet, Soor des Rachens bei sonst gesunden Männern sind dreimal von Scheck "^ und zweimal von Freudexberg"-'^ beschrieben und über Soorbefunde bei Anginen wird von Stooss, Teissier, Guimbretiere-'**, Stöcklin, Monnier'^'^ u. a. berichtet. Bei der Wichtigkeit und Neuheit des zu- letzt erwähnten Themas ist es notwendig, etwas näher darauf einzugehen. W^enn mau häufiger Gelegenheit hat, Ausstrichpräparate von Anginen zu färben und Beläge von Tonsillen u. s. w. kulturell zu untersuchen, so stößt man nicht selten, neben den bekannten Kokken- und Bazillenformen, auf vereinzelte hefeähnliche Zellen und dementsprechende Hefekolonieen auf den Platten, auf die man, weil sie den gewöhnlichen Mikroorganismen gegenül)er in sehr geringer Zahl in Erscheinung treten, kein Gewicht zu legen ptiegte. In einzelnen Fällen aber ist ihre Anzahl beträchtlicher, als die der anderen Mikroorganismen, in seltenen der einzige Befund, sowohl auf dem Ausstrich- präparat als auch in der Kultur. Stooss war der erste*), der unter den vor- sichtig gewählten Ueberschriften »Priinärer Soor des Rachens <; und »Angina mit Soor« einen wirklichen Fall von Augina bei einer Amme beschrieb, der sich durch das klinische Bild und die kulturellen Befunde von anderen Anginen unterschied. »Der Belag fiel sofort durch die blendend weiße Farbe sowie durch das samtartige Aussehen auf. Als feiner zierlicher Besatz bedeckt er die freien Ränder des Gaumenbogens, des Gaumensegels und des Zäpfchens und lässt die Schleimhäute der Mundhöhle völlig frei (Stooss 1895 S. 78). Die Bestätigungen des STOOSSschen Befundes erljrachten dann die Arbeiten folgender Forscher. Teissier beobachtete bei eiuer Syphilitischen in den Pseudomembranen einer Angina eine Reinkultur von Soor im strengsten Sinne des Worts : weder mikroskopisch noch durch Kultur waren andere Keime nachweisbar**). M. GuiMBRETiERE : Soor und vereinzelte Kokken bei einem Anginafall. Pineau berichtet ü])er eine ganze Anzahl ähnlicher Fälle. Roger "^ fand den Soor in Häufigkeit von 3 — 4 % aller Anginafälle, (durch Agarkultur) bei Diphtherie 2mal bei 31 Fällen, bei gewöhulicher Angina Imal auf 56 Fälle imd bei Scharlachangina 4mal auf 116 Fälle. M. Tomarkin^s fand bei 500 diphtherieverdächtigen Fällen 330mal Diph- theriebazillen und 37mal Soor. Stöcklin behauptet, dass Soor die Virulenz der Diphtheriebazillen erhöhe, dass einfache Anginen mit Soor schwer zu verlaufen pflegten und dass Soor, der von Anginen stammt, keine Virulenz auf Tiere besitzt. Es ist in der That möglich, dass, wie wir S. 577 sahen, der Soor z. B. den Streptokokken *) Wenn man nicht die folgende Beobachtung aus dem Jahre 1883 als hierher gehörig betrachten will, was mir aber kaum angängig erscheint. Troissier c& Achalme'w fanden einen der gewöhnlichen Bierhefe .Sacchar. cervisiae) sehr ähn- lichen Keim bei einer hartnäckigen Angina eines Typhuskranken, daneben wenige Bazillen. **) Es klingt fast paradox : »Reinkultur aus der Mundhöhle« und doch kommen solche Fälle, freilich recht selten, vor. Bei einer Form der Angina, die ich''"'*, nicht Bernheim oder Vincent, wie häufig citiert. zuerst 1894 beschrieben habe, fand ich in einem Falle auf vielen Kulturmedien beim Ausstrich keinen einzigen Mikro- organismus entwickelt, weil die Pseudomembran nur Spirochäten und sogenannte MiLLERSche Bazillen enthielt, die sich auf unseren gebräuchlichen Nährmedien nicht züchten lassen. Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 591 den Weg erleichtert, in den Organismns einzudringen, andererseits al)er mnss doch darauf hingewiesen werden, dass dem Soor älinliclie oder mit Soor identisclie Pilze, wie oben bemerkt, gar nicht selten in Platten gefunden werden, die von Anginenbelägen stammen, und man nicht gefunden hat, dass solche Fälle virulenter gewesen Avären, als andere. Ich selbst habe mit Herrn Dr. Julius Sachs in Hamburg einen Fall von einer Angina bei einem 11jährigen Knaben beobachtet, wo die l)akteriologische Untersuchung sehr wenig Strepto- kokken, aber enorme Mengen von Soorpilzen ergab, auch die Häufchen von den Tonsillen u. s. w. mikroskopisch und makroskopisch echten Soorplaques glichen. Fieber fehlte. Leichte Schluckbeschwerden. In 2 Tagen Heilung. Der Pilz war nicht tierpathogen. Man sielit also, dass die STÖCKLixsche Regel wenigstens nicht überall Anwendung finden kann*). Einen ätiologischen Auteil an den Anginen kann man dem Soorpilze nach dem heutigen Stand unserer Kenntnis sicher nicht einräumen. Es handelt sich wahrscheinlich um weiter nichts, als um eine stärkere Entwickelung saprophytisch in der Mundhölile lebender Soorkeime auf entzündeter Basis. Vaginalsoor wurde nach Hausmann noch von Döderv.ein, Herff^^, GiULiNi'^" u. a. beobachtet. Letzterer berichtet von einer 24jährigen Frau, die unter Fieber und starken Schmerzen in der Vulva erkankt war, wo die Unter- suchung membranartige Auflagerungen der ganzen Vulva und eines Teils der Vagina ergab. Die bakteriologische Untersuchung erbrachte Reinkultur von Soor. Gewöhnlich verläuft die Affektion leichter und es wird nur über leichtes Jucken und Brennen geklagt. Der Vaginalsoor soll sehr häufig sein und vorzugsweise schwangere Frauen befallen. ludes kenne ich sehr beschäftigte Gynäkologen, denen die Soorerkrankung der Vagina noch nicht in der Praxis vorgekommen ist. Die aus Vaginalsoor gezüchteten Pilze besitzen Tieren gegenüber volle Pathogenität (D(")DERLEIn). Soor der Blase bei Diabetikern w^urde von Senator"^, Ernst und Frisch l)e3chrieben. Frisch behauptet, die Pneumaturie rühre von Bact. coli her, nicht von Soor, der keine Gärung, nachdem er rein gezüchtet war, verur- sacht habe. Der Soor erwies sich bei Tierversuchen als nicht pathogen. Ueber Soor in der Nase liegen Mitteilungen von Schubert, Senuzluv-'J und Thorner ^^ vor, über Soor in den Lungen 2 Mitteilungen von Grawitz (bei Diabetikern), je eine von Birch-Hirschfeld '', Rosenstern, Korr & Prey- hahn, endlich eine von Legay & Legrain ^^, die bei einem 28jährigen Tuberku- lösen Soorpilze in der Lunge fanden und auch bei Lebzeiten den Soor im Sputum neben Tu1)erkelbazillen nachweisen konnten. Der Patient hatte an Oesophagussoor gelitten und die Soormassen aspiriert. Soor des Oesophagus und des Nasenrachenraums sind zahlreich beobachtet worden, seltener Affek- tioneu des Kehlkopfs (Heller, Soltmann) und des Mittelohres (Valentin^';. In neuester Zeit l)erichtet Denecke i* eingehend über einen Fall von Entzündung und Perforation eines MECKELSchen Divertikels bei einem 7jährigen Knaben, her- vorgerufen durch Soor. Uel)er Metastasen des- Soors siehe das folgende Kapitel. B. Soor als Allgemeinerkrankung. Allgemeinerkrankungen durch Soor sind außerordentlich selten und deshall) jede einzelne Beobachtung von hervorragendem Interesse. Den Fall Zenkers haben wir schon mehrfach erwähnt und beschrieben, außerdem existieren noch Beobachtungen ähuHcher Art von Rirbert, Schmorl Pineau und Guidi. *) Freilich bietet ein Anginafall , bei dem Soorplaques auf der Schleimliaut der Mundhöhle sekundär entstehen, eine ungünstige Vorhersage I 592 H. C. Plaut, Der RiBBERTsche Fall betraf ein Kind von 12 Tagen, dessen Mutter Puerperalfieber gehabt hatte. Bei der Autopsie ergaben sich außer Soor des Rachens, der Mandeln, des Oesophagus und Larynx in beiden Hemisphären Miliarabszesse, die vereinzelte Soorfädeu enthielten. Kulturergebnisse fehlen. Die ScHMORLSche Beobachtung bezieht sich auf ein lOjähriges Mädchen, das an Typhus gestorben war und außer Soor des Rachens Soormetastasen in der hypertrophischen Niere und Milz aufwies. Es handelte sich um eine Mischinfektion (s. S. 577;. PiNEAü fand bei einer 37jährigen Syphilitischen, die zu Lebzeiten Symp- tome fötider Bronchitis, Tuberkulose der Lungen und jAKSONsche Epilepsie, Hemiparese und motorische Hemiplegie der ganzen rechten Seite gezeigt hatte, einen Gehirnabszess im linken Occipitallappen. Guim beschreibt 6 Fälle von Soormetastasen bei Säuglingen. Symptome, die auf eine Allgemeinerkrankung mit Soor schließen lassen, sind bis jetzt noch nicht festgestellt worden. Die Allgemeininfektion erfolgt zweifellos auf dem Blutwege, vielleicht auch auf dem Lymphwege. Wir wissen durch Heller, vgl. 8. 576, uud Daireuva, dass die Soorfäden in die Gefäße hineinwachsen und die Soorkonidien im lebenden Blut existieren können, ferner durch den letzteren Forscher, dass der Soor in den Leukocyten vorkommt und von diesen auf entferntß Partieen über- tragen werden kann. Alle Möglichkeiten für Generalisatiou des Soors sind also bestens vorhanden. Dass dieselbe so selten erfolgt und keine Neigung hat große Dimensionen anzunehmen, liegt Avohl an der durch die direkte Ein- wirkung -des Soorerregers bedingten Thrombosierung der Gefäße, ferner daran, dass die Soorfäden am Rande der Gefäße an der Eintrittstelle festgehalten werden, also nicht leicht fortgespült werden können, und dass Mycelfäden im Blut keine Neiguug zeigen Konidien abzusprossen. Diese letztere Thatsache ist natürlich besonders wichtig. Ostrowsky ist sogar der Meinung, dass der Soor überhaupt nur durch seine Anwesenheit, gar nicht durch seine Vermehrung schädige. Indessen ist diese Ansicht durch Daireuvas Einwände widerlegt. Der Soor kann Sprossen und Konidien ins lebende Blut und die Lymphbahnen senden, er thut es aber aus nicht genauer bekannten Gründen nicht häufig, auch nicht bei der künstlichen Infektion von der Blutbahn aus. Hierin und durch die Wirkung seiner Toxine unterscheidet er sich von den Schimmel- pilzen im engeren Sinne. Tier-Soor. Soor ist bei den Tieren keine häufige spontane Krankheit; wir sahen, dass Vögel, Saugkälber und Fohlen von der Krankheit ergriflen werden. Grawitz hat Soor auch bei jungen Hunden erzeugt. Die Aflektion der Säugetiere bietet nichts Besonderes und deckt sich mit den pathologisch anatomischen Befunden beim Menschen. Der Soor der Vögel bildet insofern eine Besonder- heit, als er nicht im Schnabel, sondern im Kropf auftritt. Um den Soor im Kropf bei Tauben nicht zu übersehen, muss man den ganzen Kropf heraus- präparieren und mit Nadeln auf einem Brettchen ausbreiten. Man bemerkt dann zwischen den vorspringenden Leisten oder auf ihnen kleine stärker injizierte Partieen, als die Umgebung. Hier sieht man die kleinen krümeligen Häufchen liegen, die ziemlich fest haften. Um die Futterreste zu entfernen, empfiehlt sich das tüchtige Abspülen des Kropfes unter dem Wasserstiahl, wodurch Soorhäufchen nicht mitgerissen werden. Ist der Soor alt, so bietet die Untersuchung keine Schwierigkeiten, aber kurz bestehende, durch Impfung gesetzte Soorstippchen werden im Kropf leicht übersehen, da die eigentümliche anatomische Beschaffenheit desselben die Erkennung erschwert. Bei bestehen- Die Ilyphenpilze oder Eumyceten. 593 dem Kropfsoov eutliält auch der Schleim des Scliiiabels Soorkonidien. Der Pilz des Hühuer- uud Taubensoors wurde zuerst von mir reiugezüchtet. Einen Unterschied vom Meuscheusoor konnte ich nach keiner liichtuug hin kon- statieren. Tierversuche. Schleimhantübertragungen. Nach Koch darf man nur dann einen Mikroorganismus als Erzeuger einer Krankheit ansehen, wenn derselbe in Reinkultur einem Versuchstier eingeimpft dieselbe oder eine ähnliche Krankheit hervorbringt, wie diejenige war, von deren Läsion er stammt. Schlecht zu dieser Forderung passen viele der Tierexperimente, die gemacht worden sind, um die Identität eines irgendwo gefundeuen Pilzes mit Soor zu erweisen. Denn Einimpfungen der fraglichen ivouidien in die Cornea, die vordere Augeukammer und in die Venen erzeugen Krankheiten, die mit dem Schleimhautsoor absolut nicht vergleichbar sind. Zwar gleichen diese Krankheiten denjenigen, welche entstehen, wenn wir echte Soorkonidien Tieren in ebensolcher Weise einverleiben, aber eine ganze Reihe von Pilzen, die sicher nichts mit Soor zu thun haben, verhalten sich auch so z. B. Monilia Candida Hansen (RxViunowitsch ''^, Cao). Auch die aus der Impf- läsion gewonnene Kultur ergiebt keine Entscheidung, weil viele Pilze dem Soorkeime sehr ähnlich sehen und sich erst bei eingehendster Untersuchung als audere Arten herausstellen. Wir köunen eigentlich, da die spezifische Serumreaktion des Soors noch nicht genügend feststeht, nur dann einen Pilz für identisch mit Soor erklären, wenn er in Reinkultur typische Soorplaques auf irgendwelchen Schleimhäuten hervorruft. Dieser Nachweis ist leider nicht leicht zu erbringen, weil gesundi^ Älenschen und Tiere überhaupt kaum soor- krank zu machen sind und kranke Tiere oder solche, die man künstlich ge- schwächt hat, Soor auch spontan sich zuziehen können. Mit Recht haben deshalb Breueck & Fischer die Beweiskraft meiner Soorimpfuugen bei Hühnern und Tauben mittelst Kropfschnitts beanstandet, weil sie nur dann sicher bei Tieren gelang, wenn sie durch Hunger uud Durst geschwächt waren. Wenn man auch, wie ich es häufig gethan habe, Kontrolltiere benutzt und aus dem Nicht- erkranken dieser Tiere an Soor schließt, dass die mit Soor geimpften Tiere durch den Soor, nicht durch den Eingriff und das Hungern soorkrank geworden sind, so ist doch der Versuchsfelder nicht auszuschließen, der dadurch bediugt wird, dass Tiere sehr ungleiche Empfänglichkeit für Soor auch unter genau denselben Bedingungen zeigen. Eine andere Art der Impfung hat Stooss augewandt, die es wenigstens mitunter ermöglicht zu entscheiden, ob es sich um einen akuten Soorerreger handelt oder nicht. Stooss impfte Mischkulturen von Soor imd eitererregen- deu Kokken auf die gereizte Vaginalschleimhaut der Kaninchen und erhielt positive Resultate. Reinkulturen von Soor allein brachten nur wenig fest haftende Soorplaques auf der gereizten Schleimhaut hervor, unverletzte Schleim- haut erwies sich in beiden Fällen nicht empfänglich. Ich habe die Methode mehrfach versucht und mitunter positive Resultate gehabt, leider Avar das Resultat aber auch sehr häufig negativ. Gewöhnlich entsteht durch das Auseinanderzerren der Vagina, das mit Pinzetten gemacht Averden muss, eine ziemlich starke Reizung der Vulva mit diphtherieähnlichen Belägen, die wohl kaum mit Soor verAvechselt Averdeu können (?). Gelingt die Impfung aber, so ist die entstehende Aflektion dem Soor der Mundhöhle außerordentlich ähnlich. Eine ideale Art der Impfung stellt die Sroossschc Modifikation ihrer Un- sicherheit Avegen ebensoAvenig dar. Avie alle anderen. Handbuch der pathogeneii Mikroorgauismen. I. 38 594 H. C. Plaut. Subkutane Injektionen von Soor bat niclit, wieSTOOss meint, Grasset'-^i zuerst gemacht, sondern Döder- LEiN und zAvar mit positivem Erfolg. Diese beiden Forscher sahen nach der Injektion lokalbleibende Abszesse eintreten. Nach Grasset und Stooss*^ kann im Anschluss an den Abszess der Tod des geirnj^ften Tieres eintreten, ohne dass es zu multiplen Abszessen in inneren Organen kommt, also durch Giftwirkung. Mischinfektionen von Soor mit Eitererregern ergeben ein merkwürdiges Resultat : Der Soorerreger lässt sich l)ei der Abimpfung nach Entstehen des Abszesses allein nachweisen, Streptokokken und Staphylokokken sind zu Grund gegangen. Auf dem lebenden Körper verhält sich der Soor also umgekehrt, wie auf dem toten Nährsubstrat, denn da töten Kokken stets den Soor. Intravenöse Injektionen (Klemperer) führen nach Stooss bei Kaninchen ausnahmslos zur allgemeinen Soormykose. Stp:inerS1 hat später die Versuche von Stooss wiederholt, und fand, dass ältere und kräftige Kaninchen weniger empfänglich für die intravenöse Impfung sind, selbst bei Einspritzung sehr großer Mengen von Soorkultur. Es kam bei Steiner zur allgemeinen Soormykose, ebenso wie bei Klemperer^*, während Stooss nur Nieren, Herzmuskel uud Peritoneum parietale mit Knötchen be- deckt, alle anderen Organe aber frei fand. Die histologischen Veränderungen Avaren zum Teil sehr hochgradig in der Niere. Hier kommt es zu kleinzelligen Infiltraten, welche auch die Stelle der Glomeruli einnehmen können, zu Blutungen, I^xsudatiouen und Nekrose, und zwar werden Rinde uud Mark gleichmäßig ergrift'en. Etwas weniger stark sind Leber und Milz befallen, stark meist auch Magen- und Darmwand. Im Zentralnervensystem waren zwar keine Knötchen makroskopisch zu sehen, die histologischen Veränderungen aber und die Pilzelemente mikroskopisch in Schnitten in schönster Form nachzuweisen (Steiner). Genaue Untersuchungen über die Symptomatologie der durch die venöse Injektion gesetzten Allgemeinerkrankung veröflentlichte Ostroavsky 65 ; Erste Periode: 1. Temperaturerhöhung ( — 41,2) zu Anfang, später tritt Untertemperatur ein, die bis zum Tod anhält, niedrigst beobachtete Temperatur 33" Cels. 2. Herzschläge vermehrt. 3. Albuminurie, Abmagerung, Mattigkeit. Zweite Periode: 1. Diarrhöen profuser Natur bis zum Ende. 2. Somnolenz. 3. Myosis. 4. Auurie. Nach 3 — 7 Tagen erfolgt der Tod in Hypothermie. Im Unterschied zur Aspergillusmykose findet sich hier keine Gleichgewichts- störung uud keine Vermehrung der Leukocytose. Von Stoffwechselanomalieen Aväre noch zu erwähnen, dass die Isotonie der roten Blutkörperchen sich verändert. (M. Langlois cit. bei Ostroavsky). Der Zuckergehalt des Bluts bleil)t dagegen uubeeinflusst und auch der Glykogen- gehalt der Leiter Avird nicht verändert. Die Diarrhöe in der zweiten Periode der Erkrankung ist nicht von allen Forschern beobachtet Avorden. Ostroavsky Die Hyi)henpilze oder Eumyceten. 595 hält sie für eine Folge der Ausscheidung der UmhüUungsmembranen des Soors aus dem Organismus, welche durch die Därme erfolgen soll ?). Hierdurch soll Hyperämie entstehen, Loslösung des Epithels und Eindringen sekundärer Organismen in die Darmwand bewirkt Averden. Diese wirken schädlicher auf die Schleimhäute ein, als die Soorerreger, da die Partieen, wo Soorhaufen sitzen, weniger stark verändert sind, als die übrigen. Die schädliche AVirkung des Soors auf die Gewebe besteht nach Ostrowsky weniger in einer Giftwirkung, als in einer mechanischen Reizung aller Ge- webe, die er durchdringt. In der That findet sich der Soor nach der venösen Fig. 37. Glaskürperverschimmelung durch Soor, (j = Konidien. c = Eiterzellen. Injektion im Urin, im Blut, iu der Galle, mark, in den Exkrementen, unter und submukösen Gewebe (Heller -i^], in den Wenn man das Serum der erkrankten gegenüber toxisch. 3 ccm Serum töten Toxizität ist eine Folge der eintretenden Produkte des Soors bedingt. Somit erfolgt der Tod der geimpfte Schädigung der Gewebe. in der Milz, im Gehirn, im Kuochen- in den Epithelzellen (Daireuva), im Lymphgefäßen (BUHL^i) u. s. w. Tiere prüft, so zeigt es sich Tieren einen Frosch iu 36 Stunden. Die Anurie, nicht durch die Stoffwechsel- n Tiere durch Autointoxikation und Impfungen ins Peritoneum und in das Auge. Die ersteren sind meist wirkungslos. Impfungen in die Pleuren ergeben ähnliche Resultate wie intravenöse Injektionen. Skarifikationen der Cornea und Einbringen des Soorerregers bewirken Hornhautinfiltrate, die Aehnlichkeit mit den unter Ceratitis aspergillina be- schriebenen Veränderungen haben, Injektionen iu die vordere Augenkammer, Verschimmelungen des ganzen Bulbus mit nachfolgender Verödung desselben. 38* 596 H. C. Plaut, Immunität, AgglutiDierung und Toxizität. Wir sahen bei den Schimmelpilzen im engeren Sinn (Aspergillns und Mucor), dass es niemals gelungen ist, durch irgend welche Maßnahmen Schimmelsporen abzuschwächen oder Tiere auf irgend eine Art immun gegen die künstliche Schimmelinfektion zu machen (Ribbert ''^, Olsex*^^ und Gade, P'ränkel, Ziegexhorn u. s. w.). Beim Soor gelingt es dagegen, Kaninchen zu immunisieren (Roger"^ und Noisette^'^). Die löslichen Produkte der Soor- pilzkulturen vermögen keine Immunität zu verleihen, scheinen vielmehr die Empfänglichkeit fiir den Soorpilz noch zu erhöhen. (Charrix & OstrowskyI'). Ebenso wird die Disposition bei den Versuchstieren für Soor erhöht durch Einführen von Substanzen in den Organismus, die Glykosurie erzeugen (Gra\vitz32j^ Kulturen auf zuckerhaltigem Boden, und gleichzeitige Injektion von Traubenzucker mit den Konidien steigert die Virulenz (Ostrowsky). Eben- sowenig gelingt es, Immunität zu erzeugen durch Einführen von Kulturen, welche durch Erhitzen (auf 60° C.) vorbehandelt sind. Auch sterilisierte oder filtrierte Kulturen gaben negative Resultate. Also gelingen die ge- wöhnlichen Methoden, Immunität zu erzeugen, bei Soor nicht. Dagegen lässt die Einführung schwacher Dosen der Soorkultur in die Venen, oft wiederholt, nach und nach die Widerstandskraft des Organismus gegen höhere Dosen wachsen. Die dreimal tödliche Dose wird dann ver- tragen. Zugleich mit dieser Immunisierung erhält das Serum keimtötende Kraft und wirkt agglutinierend auf diejenige Art, mit der die Immunität her- vorgerufen wurde (Noisette). Säet man in solches Serum die zugehörige Soorsorte ein, so bemerkt man nach 24 Stunden am Boden des Gläschens Flocken und Häufchen^ die eine große Tendenz haben, aneinander zu kleben. Unter dem Mikroskop sieht man die einzelneu Elemente umgeben von einem breiten Saum, der etwa 5 — 10 mal so breit ist, wie die normale Cuti- cula. Selten liegen die Zellen allein, meistens sind sie zu 2,3 und oft zu voluminösen Häufchen vereint. Es handelt sich um eine Verschmelzung der Cuticula der Zellen, um eine wirkliche Zooglöenbildung (Roger). Noisette hat mit dem gewonneneu Immunserum seine verschiedenen Sorten von Soor unter- sucht und gefunden, dass die Hefen nur durch das Immunserum agglutiiiiert werden, mit welchen die Immunität erzeugt wurde. Nach Noisette also giebt es nicht einen Saccharomyces albicans, sondern eine ganze Klasse, welche Varietäten enthält. Die Arbeiten Rogers und Noisettes bedürfen selbstverständlich noch einer genauen Nachprüfung. Die Giftigkeit der Stoffwechselprodukte des Soors ■ in der Kultur ist ge- ring: 20 — 40 com löslicher Substanz töten ein Kilogramm Kaninchen. Serum vom infizierten Tier tötet eine Maus in der Hälfte der Dosis des gewöhn- lichen Serums. Passage des Soorpilzes durch den Tierkörper (Kaninchen, Meerschwein- chen) erhöht die Virulenz (Tordeus). Auf ähnlichen Verhältnissen beruht Avohl auch die größere Infektiosität des Soors in Findelanstalten u. s. w. sporadisch auftretenden Fällen gegenüber. Litteratiir. ^ AcHALME, Le Champignon du muguet. Gazette des höpitaux, Paris, Nr. 49, 1891. — 2 Adametz, Untersuch, üb. die nied. IMlze der Ackerkrume. Dissert. Leipz. 1886. — ^ Audry, Sur l'evolution du Champignon du muguet. Revue de medecine, 1887. — 4 Baginsky, Ueber Soorkulturen. Deutsche med. Wochenschr., Die Hj'phenpilze oder Eumyceten. 597 1S85. — •'' Baumgarten. Lehrbuch der pathol. M3-kologie. 1890. — c Berg, lieber die Öchwämmchen bei Kindern. 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Favus, Mikro- sporie und Trichophytie werden durch eine Pilzklasse hervorgerufen, deren einzelne Glieder nicht nur in sehr naher Verwandschaftsbeziehung stehen, sondern mitunter sogar wirkliche Uebergangsformen bilden. Aus diesem Grunde lassen sie sich nicht immer scharf auseinanderhalten. Die Pilze, die bei Pityriasis versicolor, Piedra und Erythrasma ge- funden werden, haben weder unter sich, noch zu den oben genannten Arten Beziehungen. Allgemeine geschichtliche Notizen über die Dermatomykosen. Die am längsten bekannte Pilzkrankheit der Haut ist der Favus. Vor der Entdeckung des Erregers durch Schönleix-^" im Jahre 1839 wurden unter Favns eine ganze Reihe verschiedener Hautaffektiouen znsammengeworfen, die wir hente unter den Ekzemen und bei den Impetigines unterbringen würden. Der Name Favus kommt schon bei Celsus vor, er stammt von dem arabischen Wort Sahafts, welches Honigwabe bedeutet. Im Mittelalter bezeichnete man die Krankheit mit Tinea = Motte, in Frankreich als teigne faveuse. Willan & Batemax 6i (1817) stellten sie in ihrer berühmten Einteilung der Hautkrankheiten zu den Pusteln und nannten sie Porrigo lupinosa. An der Entdeckung des Contagiums beteiligten sich mehrere Forscher un- abhängig voneinander. Schon Remak'^2 war 1837 die eigentümliche Beschaffenheit des Scntnlums aufgefallen und auch früher schon (1826) hatte Heusinger die pilzliche Natur des Scutulums vermutet und den Botanikern zum Studium empfohlen. Indes wurde der Hinweis nicht beachtet und erst SCHÜX- lein (1839) war es vorbehalten, angeregt durch Bassis • Arbeiten über den Muskardinepilz der Seidenraupen, das Contagium des Favus beim mikro- skopischen Studium der ansteckenden Hautkrankheiten der Menschen zu ent- decken. Remak^2 (1845) bestätigte den Befund und züchtete den Pilz auf Apfel- scheiben, den er mit Erfolg auf seinen Arm übertragen konnte imd nannte ihn Achorion Schönleinii. Unabhängig von Schönlein entdeckte Gruby^s (1841) zwei Jahre später gleichfalls den Pilz und beschrieb ihn eingehend. Die neue Lehre fand bei den meisten zeitgenössischen Forschern volle Anerkennung und Bestätigung, aber es fehlte auch nicht an solchen, die die ätiologische Bedeutung der Pilzbefunde in Frage zogen. Besonders gefördert wurde die Favuslehre durch Kübxers34 ^^n^ Peyritschs-*^ (1869; wertvolle Experimeutalstndien, die Remaks Versuche voll bestätigten und dazu den Beweis erbrachten (1866 — ^76), dass wirkliche Reinkulturen von AcHORiON Schoexleinii mit banalen Schimmelkulturen nicht im genetischen 600 H. C. Plaut, Zusammenhang ständen, wie Hall[er26 (1865 — 73) und seine Sclinle, getäuscht durch fehlerhaft angeordnete Versuchsreihen und unrichtige Deutung gesetzter Impfläsionen, behauptet hatten. Der Favuspilz der Maus wurde 1850 zuerst von Bennet gesehen (von Helbert ■-•*, ScHBAUER 29 und SiMON ^^ bestätigt), der der Katze, des Hundes und des Kaninchens von St. CyrI^ ; Gerlach^ ' n. a. fanden ihn beim Geflügel. Drei Jahre nach der Entdeckung des Favus durch Sch()NLeix und Grubt gelang dem letzteren Forscher auch der Kachweis von Pilzen in den Kopfhaaren trichophytiekranker Kinder und in den Barthaaren der mit Bartflechte be- hafteten. Wunderbar ist es, dass Gruby in einer Zeit, in der die Mikroskope noch unvollkommen waren und in der es noch keine feineren Färbemethoden gab , schon die feinsten Details in der Verteilung der Pilze im Gewebe und im Haar so genau studierte, dass die neuere Forschung, wären seine Arbeiten nicht in Vergessenheit geraten, kaum etwas wesentlich Neues hinzuzufügen gehabt hätte. Er gliederte die eine klinische Form, welche in typischer Weise die Köpfe der Kinder befällt, von der Trichophytie ganz ab imd benannte den bei dieser Aflektion gefundenen, kleiusporigen Pilz nach dem bekannten Mnskardineforscher Audouin: »Microsporon Audouini«. Er beschrieb genau den Erreger der P)artflechte und dass dieser außerhalb des Haarschafts sich ansiedelt, er fand den Erreger der anderen klinischen Form der Trichophytie der Kinderköpfe, die damals nach Mahox^'^ (1829), der sie zuerst beschrieben hatte, Porrigo decalvans benannt wurde und zeigte, dass der Pilz bei dieser Form im Haarschaft zu suchen sei. Bazin'' (1853) bestätigte Grubys Ent- deckungen und baute sie aus, dann gerieten sie im Laufe der Zeit in Ver- gessenheit, bis Sabouraud^'* (1894), in neuester Zeit mit Quellenstudien bei der Herausgabe seiner Arbeiten über Trichophytie beschäftigt, sie wieder entdeckte und in uneigennütziger und gebührender Weise zu würdigen wusste. Einige Jahre später als Grfby, aber unabhängig von diesem fand Malmsten-io (1845) auch einen Pilz in Porrigo decalvans und Herpes squammosus, den er Herpes tonsurans benannte. In Deutschland war es wieder Köbner (1864), der sich am eingehendsten mit Studien über Trichophytiepilze befasste, die Sycosis parasitaria eingehend beschrieb, das Eccema marginatum als Trychophytie erkannte und entdeckte, dass auch die schon 1853 und 55 von Baum & Meissner^i in den Nägeln beschriebenen Pilze den Trichophytiepilzen zugehörten. In England ist als Trichophytieforscher jener Zeit besonders Mc. Call Anderson 1 zu nennen. Bei Tieren wurde der Trichophytiepilz zuerst von Gerlach^-* (1857 — 59) beim Rind nachgewiesen, Haubner"-", Fi;NGER2i, Perroncito^^, Siedamgrozki^^ (1871) u. a. entdeckten dann auch bei den anderen Haustieren kurze Zeit nacheinander die Erreger der Herpes-tonsurans-Krankheit. Der Pilz der Pityriasis versicolor, Microsporon furfur, wurde 1846 von EiCHSTEDT^* entdeckt, Microsporon minutissimum der Pilz des Eythrasma 1862 von Bärensprung'' und für die seit 1846 durch Osorio^*'^ bekannt gewordene Knoten in den Haaren erzeugende Piedra der oder die Erreger von Iuhel Renoy (1888), Behrendt (1890) und Unna^« (1896) in kleinen und großen Sporen eines Fadenpilzes, dessen Züchtung gelungen ist, nachgewiesen. Die Anschauungen über die Natur der Dermatomykosenerreger halben sich im Laufe der Zeit vielfach geändert. Während früher Hebra^s (1855) und auch Grawitz2^ (1876) annahmen, ein Pilz erzeuge Favus, Trichophytie und Pityriasis, wurde nach baldiger Beseitigung dieses Irrtums, durch Quincke^i (1886), Frank22j Neebe & Unna 45 und Furthmann (1892) die Auffassung vertreten, Die Hyphenpilze oder Eumjceten. 601 dass das klinische Bild des Fa\us resp. der Trichophytie durch ganz ver- schiedene Pilzarten hervorgerufen werden könne. Während Pick (1887^ Kral-*"^ (1891}, MiHELLi-i^ (1H92), Mariaxelli« (1892), Wälsch'^o (1896) und viele andere für die Einheit der Erreger eintraten und die verschiedenen Formen der gefundenen Pilze mit dem Polymorphismus zu erklären suchten, fehlte es auch nicht an hervorragenden Vertretern der anderen Richtung, für die besonders Unna und Bodin^^ bei Favus und Unxa und Sauoiraud bei Trichophytie eintreten. Eine völlige Einigkeit in den Anschauungen unter den Dermatologen ist bis heute noch nicht über diese Streitfrage erzielt w^ordeu und wird wohl auch bei der Schwierigkeit des Objekts nicht so bald er- folgen, immerhin haben sich unsere Kenntnisse über die Erreger des Favus und der Trichophytie gerade durch den heftigen Kampf und die damit verbundenen, eingehenden Arbeiten in beiden feindlichen Lagern derart vertieft und erweitert, dass die Dermatomykosenerrcger jetzt zu den am besten studierten Eumyceten gehören, die wir kennen. Von diesen Arbeiten bedürfen die wichtigeren, wie die von Sabouraud, Unna, Bodix, Saijrazes'^^, Morris, Pick, Kräl, Rosexbach, Krösixg, Wälscii, Fox, Adamsox, Bukowski i-' und auch einige neuere einer ein- gehenden Besprechung, weshalb wir sie in dieser geschichtlichen Ueber- sicht nicht weiter berücksichtigen werden, sondern auf die Spezial-Aus- führungen verweisen. Litteratur. 1 Andersox, On the parasitic affection on the skin. London 1868. — - Auspitz k Schiff, Favus. Eulenburg's Eealencyklopädie. — •' Bärknsfrung. Erythrasnia Charite Annalen. 1862. Bd. 6, pag. löO. — * Bassi, Del mal del segno. calcinaccio 0 moscardino. 1837. — •'• Bazix, Recherches sur la nature et le traitement des teignes. Paris 1853. — Ders., Lecons tht'oriques sur les aifections cutanees para- sitaires. Paris 1858. — '■ Behrend. G., lieber Trichomycosis nodosa Juhel Reno)- , Piedra Osorio). Bari. klin. Wochensclir., 1890. — ' Bexnett, On the vegetable uature of tinea favosa, 1842. — Ders., Favus. Monthl. 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Diese Form behält das Scutulum aber nur so lange, als es von Hornschicht bedeckt ist, hat es dieselbe durch Wachstum gesprengt, so wächst es als atypische Pilz- borke weiter. Lokalisation. Die Krankheit befällt beim Menschen meist den behaarten Kopf, kann aber auch an jeder anderen Stelle des Körpers vorkommen (Rumpf, Extremi- täten, Augenlider, Penis, Nägel) lind in ganz seltenen Fällen durch Uebertritt der Pilzsporeu in den Kreislauf eine genera- lisierte Mykose hervorrufen (KuNDKATll, KaPOSIII). Bei Tieren bietet die Lokalisation nichts Besonderes, indessen sind auch hier der Kopf, die Nase, Ohren und die Backen bevorzugt und zuerst ergriffen, von hier aus kommt es viel häufiger als beim Menschen zum Favus der ganzen Körperoberfiäche. Häufigkeit und geographische Verbreitung. Favus war früher eine sehr häufige und allgemein verbreitete Krank- heit der ärmeren Klasse der Bevölkerung. Mit der fortschreitenden Kultur weicht der Favus immer mehr zurück. Daher kommt es, dass er in Deutschland, England, Schweiz, Japan und Amerika eine seltene Krankheit darstellt, während er in Oesterreich, Russland, Schottland, Italien, Spanien, Zentralasien, China und Aegypten auch heute noch als eine recht gewöhnliche Hautaöektion zur Beobachtung kommt. In Frank- reich, Holland und Skandinavien ist er noch häufig, aber im Abnehmen (Petersen-*^). Disposition. Disponiert sind jugendliche Individuen, ältere favuskranke Personen haben sich die Erkrankung wohl immer in der Jugend zugezogen, in- dessen sind erwachsene Personen auch für das Contagium empfänglich, wenn sie massenhaft mit den Sporen des Pilzes in Berührung kommen, sei es bei der Behandlung favuskranker Personen (Fuli-y), sei es bei der absichtlichen Uebertragung, durch Impfung. Das weibliche Geschlecht ist für Impfung empfänglicher als das männliche (Kral, Saurazks). Rassendisposition, wie man früher annahm, existiert nicht, natürlich werden aber diejenigen Völkerschaften besonders häufig befallen, welche in der Kultur zurück sind oder mit Haustieren, wie Katzen und Hunde, infolge Gewohnheit und Sitte im innigen lieisamraensein zu leben pflegen. Mazerierte Haut nach Prießnitz- oder Breiumschlägen erhöht die Disposition. Uebertragung von Favus auf mit Umschlägen solcher Art behandelte erwachsene Patienten, die zufällig in Sälen lagen, in denen Favuskranke gelegen hatten, sind beobachtet (Kaposi). 604 H. C. Plaut, Coutaerium. Der 'Favus wird durch die Sporen des Pilzes verbreitet, die Mycelien selbst sind nicht imstande krankheitserzeugcnd zu wirken (Grawitz, 1876). Kinder stecken sieh sehr häufig- und leicht untereinander an (Sabrazes), werden auch mitunter von Katzen seltener von Mäusen favuskrank. Von den Tieren erkrankt am häufigsten die Maus, dann die Katze durch das Verzehren favuskranker Mäuse (Drapper), dann der Hund, der durch die Katze angesteckt wird, ferner Kaninchen, Pferde und Hühner, auch bei einem Kasuar habe ich Favus beobachtet.' Arten oder Varietäten. Aus der geschichtlichen Uebersicht ersahen wir, dass Hebra (1855) annahm, das Favus, Trichophytie und Pityriasis versicolor durch ein und denselben Pilz erzeugt würden und zwar auf Grund der klinischen Beobachtung, dass gar nicht selten bei einem Individuen Favusscutula, Herjjesringe und Schuppen auftreten können. Diese Anschauung wurde durch Köbners Untersuchungen (1864) geändert, der feststellte, dass der Entwicklung des Scutnlums ein Ringstadium vorausgeht, das er als herpetisches Vorstadium bezeichnete und dass man mit Favus- kulturen bei der Impfung Herpesringe auf menschlicher Haut erzeugen könne, Beobachtungen, die durch Pick (1865) Bestätigung erhielten. Den kulturellen Nachweis, dass die 3 Pilze identisch seien, hatte Grawitz zu erbringen gesucht (1876), indes überzeugte er sich später (1886) bei der Wiederaufnahme seiner Arbeiten nach Einführung der KocHSchen Methoden von der Unrichtigkeit dieser Hypothese. Durch die Quincke- sche Arbeit (1887) wurde die wichtige Thatsache erkannt, dass eine als klinische Einheit aufgefasste Krankheit durch (scheinbar) sehr verschiedene Pilzarten erzeugt werden könne. Quincke fand bei der Untersuchung verschiedener Favusfälle 3 Pilze, die er mit a, ß, y bezeichnete. Sie zeigten in Bezug auf Wachstum und Pathogenität, auch auf Lokalisation der Läsionen, beträchtliche Unterschiede. Ein Jahr später gab Quincke (1888) die eine Pilzart (/>') auf und unterschied nunmehr nach der Lokali- sation zwischen einem Pilz des Favus herpeticus und einem des Favus vulgaris. Er konnte beide Pilzarten an einem Individuum feststellen. Den or-Pilz erklärte er mit dem im selben Jahre von Boer entdeckten Mäusefavuspilz mit Puccinia ähnlichen Sporen für identisch, da er den Pilz häufig auf der Maus und nur mitunter auf Menschen fand. Zahl- reiche Forscher beschäftigten sich in der folgenden Zeit mit der Nach- prüfung der QuiNCKESchen Untersuchungen. So fand Fabry stets den y-Pilz, aber auch auf glatter Haut, wo er nach Quincke nicht vorkommen sollte (1889), Elsenberg in einer großen Anzahl von Fällen 2 Pilz- varietäten, die den ß- und ^-Pilzen Quinckes glichen, in den Krank- heitsherden sehr assoziiert waren, und sich durch Plattenkulturen nicht trennen ließen (1889 und 90), Jada,ssohn=^i (1889) nur einen Pilz, der mit dem Grawitzs und der 2. Varietät Elsenbergs übereinstimmte. Im gleichen Jahre begannen die wichtigen Arbeiten Krals. In seiner ersten Veröffentlichung konnte er aus 2 Favusfällen 6 verschiedene Pilze züchten, unter ihnen den ß- und ;^-Pilz Quinckes und den ersten Pilz von Elsenberg. Nach Ausarbeitung eine neuen Trennungsmethode (s. S. 608), die der Eigenart der Dermatomykosenerrreger angepasst war und durch deren Anwendung erst die von Koch geforderte Trennung Die Hyphenpilze oder Eum5'ceten. 605 der Keime völlig- ermöglicht ^vlu•de, konnte Kral (1891) nur uocli einen einzigen Pilz mit ganz bestimmten Eigenschaften aus den verschiedensten Fällen von Favus züchten. Da, wie aus seiner oben erwähnten Arbeit hervorgeht, das Scutulum viel verschiedene Eumyceten enthalten könne*], so stellte KuÄL den Grundsatz auf", dass man zum Ausgangspunkt von Keinkulturen nur solche Keime wählen dürfe, die unter Kontrolle von einem einzigen Keim ausgewachsen sind. Zugleich mit der KiiALschen Arbeit erschien eine gleichfalls sehr wichtige klinische Studie Picks, durcli die bewiesen wurde, dass 1. die Aufstellung mehrerer Favus- formen nicht statthaft ist, dass keinerlei Veranlassung vorliegt, den Favus an behaarten und unbehaarten Stelleu als zwei verschiedene Krankheiten zu betrachten; 2. dass es nur von den örtlichen Verhält- nissen abhängig ist, ob es zur Entwicklung der einen oder anderen Form kommt, ob die Krankheit abortiv verläuft, oder bis zur voll- ständigen Ausbildung des typischen Scutulums gelangt; 3. dass, wie aus an lo Individuen angestellten Impfungen mit Reinkultur von Favus hervorgeht, der vom behaarten Teil des Kopfes stammende Pilz aus einem Scutulum auf unbehaarten Körperstellcn Favuserkran- kungen meist mit herpetischem Vorstadium hervorruft, dass die Eein- zucht aus demselben Scutulum dieselbe Krankheit erzeugt, und dass die aus beiderlei Arten von Impfscutula gezüchteten Pilze mit den aus genuinen Herden gezüchteten Pilzen üljereinstimmcn, dass Favus also einen einheitlichen Krankheitsprozess darstellt, der durch den von Kral isolierten Pilz hervorgerufen wird (1891). Bestätigung der KRALscheu und PicKschen Forschungen erfolgte durch sehr eingehende Arbeiten von Mijjelli (1892), Makiaxelli" (1892), Duhreuilii und Sabrazes (1893). Auf dem Kongress in Siena demonstrierte Miuelli (1891) Kulturen von Di'iuiEuiLH, Sabrazes, Kral, Marianelli und seine eigenen, die vollständig miteinander übereinstimmten, soweit sie vom Menschen stammten. Nach diesen Arbeiten könnte man geneigt sein, die Favusfrage als im Sinne der Einheit des Erregers entschieden zu betrachten, aber die Forschungen anderer Autoren brachten mehrere Angaben im entgegen- gesetzten Sinn. So züchtete Frank (1891) 3 verschiedene Pilze aus Mäuse und Menschenfavus und Unxa und Neehe (1893) kamen auf Grund von Vergleichuugen eigener Kulturen mit denen anderer Forscher verschiedener Länder zu dem Resultat, dass nicht weniger als 9 Arten existieren mUssten, 3 aerophile und 6 aerophobe. Sie unterschieden zwischen: Achorion cutythrix, dikroon, atakton, radians, akromegalicum demergens, cysticum, moniliforme, tarsiferon. Von diesen 9 Arten habe ich 3 näher studiert, nämlich Ach. cutythrix, atakton und dikroon. Die Kulturen wurden mir von Herrn Dr. Unna s. Z. zur Vcrlügung gestellt. Ich halte Ach. euthytrix und atakton unter sich für identisch und identisch mit dem «-Pilz Quinckes und dem BoERschen Pilz, kann also die An- gaben Jessners32 aus dem Jahre 1893 voll bestätigen. Achorion dikroon ist mit dem von Kral (1891) und mir studierten Pilz, ebenso mit dem /-Pilz Quinckes identisch. Dieser Pilz wird für gewöhnlich im mensch- lichen Favus gefunden, nur ganz ausnahmsweise Ach. cutythrix. Der letztere ist kein Achorion, sondern bildet eine Uebergangsform zwischen Diese Angaben Krals konnte ich in meinen Füllen nicht bestätigen. 606 H. C. Plaut, Favuspilzeu und Trichopliytie resp. Mikrosporiepilzen. Er erzeugt den Favus bei der Maus (Bodin, 1902). Von den nun folgenden sehr zahlreichen Arbeiten mögen hier nur die allerwichtigsten erwähnt sein. Zu ihnen gehört unbedingt in erster Linie SABRAZi:s (1893) ausgezeichnete Monographie »Sur le Favus de Thomme, de la pouie et du chien«. Er kommt zu dem Resultat auf Grund aus- gedehnter Versuche an Mensch und Tier: es giebt nur einen Favuspilz des Menschen, aber es giebt auch einen des Hundes und einen der Hühner. Die ersten beiden Arten machen Scutula auf der Haut des Menschen, alle 3 Arten Scutula von verschiedener Malignität auf der Haut der Maus. Im Gegensatz zu Sabrazes nahm Bodix erst (1893) 7 verschiedene, später (1894) 5 Arten von Favus an. Er hält jetzt (1902) den Mäusefavus für eine ganz bestimmte Art, die dem Menschenfavus ferner steht, als der Mikrosporie s. o. Brno (1893), Kluge (1896), Bukowsky (1899), Sabouraud (1900) sprechen sich für die Einheit des Favuserregers aus, Tischutkin (1894) prüfte sein Material und viele fremde Kulturen, darunter ÜNNASche, den Hühnerfavus von Megnin (1881), den Hundefavus von Sabrazes ^^ (1893) u. s. w. und fand den veeitgehendsten Polymorphismus aller Pilze. Er konstatierte, dass die Merkmale, welche die Forscher veranlasst hatten, besondere Arten von Favus zu konstruieren, in ein und der- selben Kultur auftraten, wenn man die Qualität des Nährbodens, die Konzentration, die Temperatur, den Wassergehalt, die Eeaktion u. s. w. veränderte. Er schließt aus seiner sehr sorgfältigen Arbeit, dass der Favus durch eine einzige Pilzart verursacht werde. Wir schließen unsere Uebersicht mit der wichtigen Arbeit von Wälsch2i (1898), die den Experimentalbeweis erbringt, dass Mäuse- favus durch Passieren der menschlichen Haut zu echtem Menschenfavus umgezüchtet werden kann. Kesume. Ueberblickt man die hier kurz erwähnten wichtigeren Arbeiten über die Artenfrage, so wird man dazu ungezwungen in folgender Weise Stellung nehmen können: Der Favuspilz repräsentiert sich, da er von Natur aus sehr polymorph ist, in verschiedenen äußeren Verhältnissen äußerst verschieden. Wenn er auf einer bestimmten Tierspecies sich eingenistet hat und die Indi- viduen derselben einen laugen Zeitraum immer imd immer wieder be- fällt, so muss er, nach den S. 540 erwähnten polymorphistischen Gesetzen gewisse festbleibende, charakteristische Eigenschaften annehmen, die er nicht nur selbst zäh festhält, sondern auch auf weite Generationen hinaus vererben kann. Es gelingt nicht immer leicht, auch nicht in kurzer Zeit, auch nicht mit unseren gewöhnlichen, botanischen Hilfsmitteln, diese festeingewurzelten Eigenschaften nach Belieben umzuzüchten. Aus der Art hat sich eine Varietät al)gczweigt, die mit der ursprünglichen Art so wenig Uebereinstimmung zeigt, dass man sie für eine neue Art erklären müsste, wenn man nicht wüsste, dass es in der That für einige dieser tierischen Varietäten gelungen ist (Tischutkin bei Hühner- und Hundefavus, Wälsch bei Mäusefavus), sie durch Aenderung der äußeren Verhältnisse resp. durch Passage anderer Haut arten in die gewöhnliche, ursprüng- liche Form zurückzuzüchten. Echte Arten hätten auch unter diesen Verhältnissen ihre spezifischen Merkmale bewahrt. Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 607 Mikroskopische Untersuchung der Krankheitsprodukte. Pilzelemeute im Scutiiluni. Wenn mau die Bef^tandteile eines Scutiilnms behufs mikroskopiselier Durchforsehunii' iu 40^^" Kalicarbouicumlüsuui;- oder 15% Natr()ulaui;-e zerzupft uud über der Flamme auf dem Objelitträg-er leicht erwärmt hat, so treten die masseuliafteu Pilzelemeute uud vielgestaltigeu Pilzformeu mikroskopisch deutlich hervor. Diese Masseuhaftig-keit uud Vielg-estal- tiiikeit ist für Favus des Menschen charakteristisch. ]\Ian unterscheidet unter dem Mikroskop bei mittelstarker Verj^rüßerung-, einerlei, ob es sich um Menschen- oder Tierfavus handelt, folgende Einzelheiten: 1. Doppelt konturierte ovale, runde oder rechteckige Sporen, 3—8 u lang und 3—4 u breit, allein und in Ketten. Diese Sporen setzen das Centrum des Skutulums zusammen. 2. Mycelienhaufen, in der Mitte unentwirrbar, am Rande knorrige, fettglänzende, mit körnigem Protoplasma versehene, sehr verschieden breite Schläuche, an den Enden manchmal zweigabelig geteilt, an den Spitzen keulenförmig-e Anschwellungen. Die Fäden knospen aucli seit- lich und schnüren die Seitenhyphen beinahe rechtwinklig ab (s. Fig. 5). 3. Detritusmassen, Fetttröpfchen, vereinzelte gequollene Hornzellen uud Epidermiszelleu. Es fehlen völlig- fremde Pilzelemente: Das Scutulum stellt im Innern eine Reinkultur des Favuspilzes dar (Unna, SabkazeS;. (lieber Anordnung der Pilze im Scutulum, Entstehung derselben, Wirkung auf die Umgebung s. S. 611.) Pilzelemente im herpetischen ^'orstadium uud auf erythe- matüseu Flecken. Die Vorbereitung der Schuppen mit Natronlauge genügt manchmal nicht, um die sehr sparsam vorhandenen Pilzelemente zu erkennen. Folgende, von mir etwas modifizierte Methode von Bizzozero^ führt fast stets zum Ziel: Schuppen werden mit Eisessig auf den Objektträger gebracht und mit einem anderen breitgequetscht. Dann Alkoholanwendung und Erwärmung bis Al- kohol und Essigsäure verdunstet sind und die Schüppchen noch etwas feucht auf trockener Umgebung liegen. Färbung mit ZiELscher Lösung 3 Minuten lang. Vorsichtig mit FUesspapier abtupfen, Jod-Jodkaliumlösung (1:2: SOOi 1 Minute. Dann Anilinöl oft gewechselt, ))is keine Farbwölkchen mehr ab- gegeben werden. In Anilinöl wird nach Auflösen des Deckgläschens unter- sucht. Die nur in geringer Anzalü vorhandenen Favuselemente erscheinen tiefdunkelrot auf blassrosa gefärbtem Gewebe. Pilzelemente im Haar. Im Haar sind die Pilze schon mit Natronlauge deutlich nachweisbar, meist als aus rechteckigen Gliedern bestehende Mycelketten. Färbung wie unter Schuppen angegeben nach vorheriger gründlicher Entfettung der Haare durch Einlegen in Aether-Spirituslösung auf mehrere Stunden. Pilzelemente in den Nägeln behandelt mau mit der Feile (Saboukaud) oder man macht dünne Rasier- messerschnitte, die man färbt. Lieblingssitz der Pilze ist zwischen Nagel- bett und Nagellamina. Man bemerkt meist versporte Mycelien. 608 H. C. Plaut, Reinkulturen. Bei Favus kommt man fraglos mit der KRALschen Methode*) am schnellsten zu Reinkulturen. Man kann aber auch auf gewöhnliche Weise Agarplatten gießen und Partikelchen auslegen, die man aus der Mitte eines Scutulums entnommen hat. Gelatineplatten sind nicht zu empfehlen, da Favus höhere Temperaturen zum Wachstum braucht. Man erhält bei der KRALsehen Methode schon nach 24 Stunden Keimung der Sporen und kann nach 48 Stunden bequem unter dem Präparier- mikroskop abimpfen. Die junge Kultur wird auf 1 ^1^% Zuckerpepton-**) agar (4:2:100) in ERLENMEYERschen Kolben (100 (irm. Inhalt) in der Mitte auf der Oberfläche ausgelegt und die Kultur dami ohne (Uimmi- bedeckung in dem Brutofen belassen. Impfung in den Kährboden und Buftabschluss durch Kappe bewirkt Störungen in der Entwicklung der Kulturen, ferner muss für eine genügende Menge Nährboden gesorgt sein, man wird die Ag'arschicht 1 Y2 cm hoch wählen. Hat man all die kleinen Vorschriften Sabourauds richtig befolgt, so erhält man in 14 Tagen bis 3 Wochen schöne Kulturen, aus denen man die Varietät bestimmen kann, ohne zu sehr durch den Polymorphismus gestört zu werden. Die Beschreibung der Reinkulturen ist schwierig und umständlich und reicht nie aus, um eine Kultur so zu schildern, dass gegebeneu Falls eine gezüchtete Kultur danach bestimmt werden könnte. Ich habe deshalb eine Anzahl von Photogrammen von einigen meiner Reinkulturen hergestellt und glaube, dass dieselben die Beschreibung wesentlich ver- einfachen. Ich werde nur die Punkte zu berücksichtigen brauchen, die aus der Abbildung nicht ersichtlich sind. Mau kann zwei Haupttypeu unterscheiden: 1. Den Wachstyp, [ß u. y Pilz Quinckes, Achorion dikroon Unnas, Krals Pilz***), Menschenfavuspilz Sabrazes u. s. w.) (Taf. VII, Fig. 177, 178 und 179.) (leibliche Kuchen von wachsartig-er BeschaÖenheit mit radiären Falten und zentralen Erhebungen. In der Regel kein Luft- mycel, jedoch kommt es mitunter zu einem kurzen Flaum, wie in Fig. 177 ersichtlich. 2. Den Flaumtyp. a Pilz Quinckes, Achorion eutythrix (Unna), Mäuse- favus. Weiße, mit hohem Flaum bedeckte Scheiben mit zentralen unregel- mäßigen Erhebungen. Farbe wechselnd, schneeweiß, rötlich, gelb. Bildet ein Bindeglied zwischen Favus und Trichophytiepilzen. (Taf. VI, Fig. 163.) Taf. VII, Fig. 176 zeigt einen Pilz, der aus der Läsion eines Knaben gewonnen wurde, der von Mäusen angesteckt war. Uebcrgang des Flaumtyps in den Wachstyp. Eigene Beobachtung. Taf. VI, Fig. 171 Hundefavus Sabrazes, Oospora canina. *) Man nimmt recht viel Material in eine Porzellanschale und verreibt dasselbe mittelst ausgeglühter Infusorienerde mit einem Porzellanstößel ohne zu brüsk auf- zudrücken. Dann beschickt man flüssig gemachtes Agar 40" C.) mit 2 bis 8 Platinüsen infizierter Infusorienerde per Eöhrchen und gießt Platten. Nach 2 mal 24 Stunden wird untersucht. Man kann auch in bekannter Weise Verdün- nungen anlegen, wenn es das Material erfordert. **; Milieu d'epreuve von .Sabouraud besteht aus Maltose 4,0, Pepton 2,0, Fucus crispus 1.5 und Aqu. destillat. 100.0. Die Maltose kann durch Glycerin, Traubenzucker, Mannit u. s. w. ersetzt werden, statt dieser Mittel kann man auch Brauwürzeagar verwenden. (Nicht zu lange kochen! Zu milieu d'epreuve ist stets Maltose zu verwenden. ***j Mutterkultur stammt aus dem KnÄLschen Laboratorium. Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 609 Mikroskopische Untersucliung* der Reinkulturen und be- sondere Eig-entümlichkeiten derselben. Die Unteri^iu'hung- der fertig-en Reinkulturen unter dem Mikroskop stösst naturgemäß wegen der starken Verfilzung der Mycelfäden aut Schwierigkeiten. Bei starkem Zerzupfen mit Nadeln kann man zwar einzelne Details unterscheiden, aber über die Anordnung der fruktifizieren- den Teile zum vegetativen Körper erhält man keinen Aufschluss. Bessere Resultate geben gefärbte Schnitte durch die, in Formalin u. s. w. ge- härteten, Agarkulturen. Den besten Aufschluss über Wachstum und An- ordnung der Elemente erhält man bei der Zucht in mit Nährbouillon beschickten flachen Glasschalen oder durch direkte Beobachtung der auf Objektträgern aufbewahrten und in situ gezüchteten Hautschüppchen, Haaren u. s. w. Da der zusagendste Nährboden für die Dermatomykosenerreger nicht die Flüssigkeit, sondern der feste Nährboden der Haut ist, so er- hält man mit der letzteren Methode*) die schnelleren Resultate: Nach Keimung der Sporen, die bei 35° C. schon in 14 Stunden er- folgt, bildet sich um die Sporenhäufchen ein sternförmiger Mycelsteru. Von diesem Mycel zweigt sich in den nächsten 24 Stunden ein ganz feines Luftmycel ab, das Ektosporen abschnürt (Taf. V, Fig. 155); während dieser Zeit kommt es auch zur Mycelversporung der auf und in dem Nährboden liegenden Mycelicn (Fig\ 39 und Taf. V, Fig. 156). Hiermit ist der Vegetationstyp normaler Weise abgeschlossen. Alle Sporen, auch die Luftsporeu können keimen und den Vegetationscyklus wiederholen. Da- durch wachsen die Kulturen peripherwärts und gewinnen auch schnell an Dicke. Die moosförmigen Ausläufer sind aus Taf. VII, Fig. 184 u. 185 ersichtlich. Auf flüssigen Nährböden, Milch, und in Massenkulturen auf Agar, Gelatine, Kartofieln kommt es außerdem noch zu verschiedenen anderen Formen: zu Chlamydosporen (bes. auf Kartoffeln), zu gelben Körperchen (Protoplasmaaustritteu) (s. Fig. 6 u. 7), kronleuchterartigeu Myeelien, Spindelsporen (Taf. V, Fig. 154) korkzieherartigen Bildungen**) am Mycel, plasmodienartigem Mycel und sekundärem Luftmycel auf alten Kulturen (duvet blanc). Die Gelatine wird, wie bei allen Dermatomykosenerregern, langsam verflüssigt oder erweicht; hierbei kommt es manchmal zur Bildung eines dunkel gelblichen bis rötlichen Farbstoffs, der auch regelmäßig auf Agarstrichkulturen auf der Kehrseite der Kulturen sichtbar ist. Auf Brodscheiben bemerkt man bei vielen Favuskulturen einen eigentümlichen Geruch nach Mäuseharn, den wir auch am Kopf der favuskranken Kinder häufig wahrnehmen. Kulturen von Hühnerfavus auf diesem Nährboden riechen nach Käse. Dieser Geruch scheint mit der Entwicklung einer Gasart zusammenzuhängen, die dort gm- bildet zu werden scheint, wo Chlamydosporen und Oidien entstehen. Dort gerade erfolgen auch die charakteristischen Auftreibungen der Kulturen und in Taf. VH, Fig. 177 kann man ersehen, wie die andrängende Gas- entwicklung die Kultur nach oben gesprengt hat***). Ektosporen und Spindelkonidien finden sich nur am Luftmycel, kommen also speziell dem Flaumtyp zu, erstere finden sich aber auch, wie schon oben bemerkt, anfangs kurz nach der Keimung der Sporen bei allen Favuskulturen. *' Genau beschrieben im Centralbl. f. Bakteriol. u. Parasitenkunde, 31. Bd. 1902, Nr. 5. **) Die von Matruchüt & Dassonville i- für Anlagen von Askosporen ge- halten werden. ***) Nähere Angaben über diese Veränderungen findet man in den Verhand- lungen d. Gr. D. Naturf. u. Aerzte, 73. Versammlung. Haiulbuch. der patliogenen Mikroorganismen. I. 39 610 H. C. Plaut, Auf den Polymoi-phismiis der Kulturen kann hier nicht näher ein- geg'ang-en werden. Um nur ein Beispiel zu geben, verweise ich auf Taf. VII, Fig. 178 u. 179. Diese beiden Kulturen sind von derselben Mutterkultur ge- wonnen, nur ist Fig. 178 auf Maltose, Fig. 179 auf Bierwürze-Agar gewachsen. Ein ganz unbeständiges Merkmal sind bei unseren Pilzen alle Pigment- bilduugen, die verschwinden und entstehen, ohne dass wir die Ur- sache davon ermitteln können. Eine wochenlang reinweiß gebliebene Kultur kann bei der Abimpfung plötzlich ein kirschrotes Pigment (Taf. VI, Fig. 170 u. 171] bilden und umgekehrt dann eine rote Kultur bei der Ab- Fig. 39. Favusschüppchen in situ gezüchtet, unten links die Schuppe, End: Mycelversponing; Ed.: Ektosporen am Luftmycel. impfung plötzlich weiß werden. Der Wachstyp geht mitunter in den Flaumtyp über, aber der letztere scheint eine große Konstanz zu besitzen. Physiologisches. Favus bedarf höherer Temperaturen zu seiner günstigen Entwicklung. Das Optimum liegt bei 35° C. Einzelne Varietäten wachsen auch bei niederen Temperaturen, so Hundefavus bei 12—13" C. Unter 10° C. findet kein Wachstum statt. Favus bedarf zu seiner Ernährung des Stickstoffs in reichlicher Menge und wächst auf reiner Kohlehydratnah- rung nur kümmerlich. Hierin unterscheidet er sich von den Trichophytie- Dia Hyphenpilze oder Eumyceten. 611 pilzen (Verujsky). Favus verlräjit kurze Zeit 44" C, ist aber gegen liüliere Grade empfiDcllich. G0° C. tötet ilm iu wenig Sekunden. Die gebräucliliclien Desinfektionsmittel in der gewölniliclien Konzentration tüten Favussporen in kurzer Zeit. Verzögernd auf die Keimung wirken Alkohol, ätlierisclie Oele und Säuren. Scliwefelige Säure in Dampfform tötet Favussporen in kurzer Zeit. Favussporen konservieren sich in den Seutulis meinen Beobachtungen nach viel kürzere Zeit als gewöhn- lich angegeben wird. Schon nach 3 — 4 Monaten erlischt ihre Keim- fähigkeit. Dagegen halten sich Sporen in Mäusefavusscutulis jahrelang. Kulturen von Favus gehen schon oft nach 6—8 Wochen nicht mehr an. Kartoffelkultureu halten sieh am längsten. Impfung. Graue Mäuse sind sehr empfänglich bei der Impfung. Sie bekommen auch schon Scutula am Kopf, wenn man sie Favuskulturen verzehren lässt (Unna). Saboukaud empfiehlt die Schwanzwurzel als Impfstelle. Beim Menschen ist die innere Fläche des Oberschenkels zu empfehlen. Einspritzung von Sporen in die Venen von Kaninchen führt zu Pseudo- tuberkulose der Lunge, wo sich die Fäden fangen, nach Sabrazes & BuKOwSKi. Bei Verwendung sehr schwacher Pilzemulsionen bleiben die Tiere am Leben, sonst gehen sie je nach der Stärke der Emulsion in 1- — -14 Tagen zu Grunde. Im Centrum der Knötchen linden sich die stern- förmig actinomycesähnlich angeordneten Mycelien von Leukocytenwällcn dicht umgeben.'^ Die Knötchen sind teils sehr klein, teils größer, einige treten aus der Pleuraoberfläche hervor. Genauere histologische Befunde giebt BuKOWSKi. Einspritzung von Favussporen in die Bauchhöhle be- wirkt Pseudotuberkulose des Peritoneums (Sabrazes). Einen diagnosti- schen Wert für Favus haben diese Injektionen nicht, da auch Trichophytie- sporen die gleichen Veränderungen hervorrufen (Sabrazes). Auch sind sie von nicht konstant pathogener Wirkung. Empfänglich für Impfung mit Favus sind außer Mäusen noch Ratten, Meerschweinchen, Katzen, Hunde und Hühner. Favuskrankheit des Menscken. 1. Favus der Kopfhaut. Die Scutulumbildung findet meistens ihren Ausgangspunkt von der Mündung eines Haarfollikels. Nach einem sich meist der Beobachtung entziehenden wenig auffälligen erythematösen Stadium entstehen hier zunächst rötere Stellen, dann kleine gelbliche Punkte. Darauf wachsen diese Punkte rasch in 10—14 Tagen zu linsengroßen Scutula heran. Dieselben sind besonders gut wahrnehmbar, wenn man die Haut mit Alkohol befeuchtet (Neisser^i). Histiologie des Scutulum. Nach Unna ist das Scutulum ein rein aus Hyphen und Sporen be- stehender in die Hornschicht eingelassener, nicht an den Haarfollikel gebundener Pilzkörper. Die Fäden wachsen senkrecht von allen Seiten aus der Horuschicht empor so, dass nur die unteren und seitlichen kräftig ernährten Partiecn kräftig wachsen, während die oben entspringenden Fäden infolge der mangelhaften Ernährung im Wachstum zurückbleiben. 39* 612 H. C. Plaut, Dadurch soll das wallartige Wachstum des Scutulum zustande kommen. MiBELLi spricht sich in ähnlichem Sinne aus, Wälsch bezweifelt die , Eichtigkeit dieser Theorie und weist darauf hin, dass auch ein peripheres Wachstum des Scutulum besteht. Kaposi^i glaubt, dass die Dellung mit der Befestigung der Hornschicht an der Cuticula des Haars zusammenhänge und dadurch nur die Partieen gehoben werden könnten, die um das Haar herum gelagert sind. Hierfür spricht, dass die typische Form des Scutulum verschwindet, wenn die Horn- schicht g-esprengt ist, dagegen die Thatsache, dass Scutula auf haarfreier Haut (Augenlidern und Penis Beschnittener) beobachtet sind. Außerdem kann man bei manchen Favuskulturen ein ähnliches Wachstum der künstlichen Kulturen beobachten (z. B. beim Hundefavus). Gleichzeitig mit der Scutul Umbildung sind auch die Haare von der Pilzwucherung ergriffen worden. Die Haare sehen glanzlos aus, pflegen aber nicht so leicht wie bei Trichophytie abzubrechen, son- dern fallen mit ihren Wurzelscheideu aus. Da der Favus mit Narbenbildung heilt, so pflegt der Ver- lust der Haare ein dauernder zu sein. Die Hauptentwicklung der Pilze liegt nach Wälsch am oberen Ende der inneren Wurzel- scheide. Von hieraus erfolgt nach oben und unten Wachstum der Mycelien sowohl extrafollikulär als auch an der Oberfläche des Haars zwischen Cu- ticula und Einde und auch in derselben, aber nicht so mächtig wie bei manchen Trichophytieen. Der Bulbus bleibt frei von Pilzentwicklung (Unna- Wälsch). (S. Fig. 40.) h<\ Außer den typischen Scutula giebt es noch degenerierte, die keine bestimmte Form haben, auch keine Eeinkulturen darstellen. Zunächst bleiben die Scutula isoliert, später fließen einige derselben zusammen, lösen sich ab oder zerfallen in formlose bröckliche Pilzmassen, die der Kopfhaut nur lose aufsitzen. Nach und nach werden, wenn keine Behandlung eintritt, immer mehr Partieen der Kopfhaut ergriffen und mit Ausnahme der seitlichen, die häufig intakt bleiben, die ganze Kopfhaut in Mitleidenschaft ge- zogen. Komplikationen. In diesem Stadium der Erkrankung stellen sich häufig Komplikationen ein, wie impetiginöses Ek- zem, gewöhnliches Ekzem, Dermatitis mit Drüsen- schwellungen und Phtiriasis (Bodin), von anderen Autoren wird das Vorkommen von Läusen bei Favus geleugnet, sie sollen den üblen Geruch der Favusborke scheuen. Zu tieferen GeschwUrsbildungen kommt es beim Menschenfavus nicht. Fig. 40. Favusbaar. Das obere Ende stark vergrößert. Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 613 Folgezustände und Verlauf. Wo die Sciitula der Haut eingelagert sind, da befinden sich auch entsprechende konkave feuchtglänzende Vertiefungen, wie ersichtlich, wenn man ein Öcutulum entfernt. Diese Einbuchtungen geben bei langem Bestand des Favus den Ausgangspunkt für atrophische Prozesse in der Haut und Xarbenbilduug, mit dem die Favuskrankheit ihren Ab- schluss erreicht. Bis diese Xarbenbilduug aber überall eintritt, pflegen Jahrzehnte zu vergehen, da die Krankheit nur ganz allmählich und schubweise sich ausbreitet (JarischI"). Außer dieser typischen, favösen Erkrankung der Kopfhaut kommen nach DuBREUiLH^ noch drei verschiedene Formen vor: ein pityriasisches Stadium, ähnlich der Psoriasis, eine Form, die mit Impetigo contagiosa Aehnlichkeit hat und eine an Alopecia erinnernde Erkrankung. Ich selbst habe einmal einen Kerion beobachtet, der durch Achorion Schoen- leinii verursacht war. Die subjektiven Symptome sind gering, trotz ausgedehnter Aöektionen sind die Klagen der Patienten meist auf die begleitenden Komplikationen beschränkt. Ueber Juckgefühl wird aber häufig geklagt. Der Geruch der von Favuskranken ausgeht, ist außerordentlich charakteristisch und erinnert am meisten an den der weißen Mäuse. Favus des übrigen Körpers. Allgemeiner Favus. Der Favus der wenig behaarten Haut kommt nach Bodix m %% aller Faven zur Beobachtung, naturgemäß recht häufig in Verbindung mit Kopffavus, von dem er ausgehen kann. Indessen sind auch Ent- wicklung von Scutulis auf wenig behaarter Haut ohne vorhergehenden Kopffavus mehrfach beschrieben. Ich selbst habe vor kurzem zwei der- artige Fälle bei Geschwistern beobachtet. In diesen Fällen handelte es sich um Mäusefavus (s. Taf. VII, Fig. 176 und Fig. 38). Die Affektion beginnt mit einem Herpes, in dessen Mitte dann die Scutulumbildung erfolgt. Nach Bukowski verhindert die Serumbildung die Weiter- entwicklung des Pilzes, während dort, wo die Reaktion nicht eintritt, Pilzweiterentwicklung und Scutulumbildung erfolgt. Diese Theorie be- darf aber noch des Beweises, da sie mit den histologischen Befunden MiBELLis nicht in Einklang zu bringen ist (Jarisch). Der Favus der unbehaarten Haut kann auch zu universellem Favus (Fabry") fuhren; solche Fälle sind aber außerordentlich selten, da gerade der Körperfavus durchaus nicht hartnäckig zu sein, sondern schon nach Anwendung einfacher Reinlichkeitsmaßregeln zu verschwin- den pflegt. Einen Fall von allgemeinem Favus hat Nobl beschrieben, bei dem die Favusmassen wie Schwämme an Baumrinden die ganze Körperoberfläche überzogen (Jarisch, S. 558). In dem oben erwähnten IvAPOsischen Fall, bei dessen Sektion Intestinalfavus gefunden wurde, handelte es sich auch um Allgemeininfektion der Körperoberfläche. Neuerdings berichtete Eugenio Sipari ^^ über drei Fälle von allgemeinem Favus; bei einem Patienten war auch Nagelfavus vorhanden. Favus der Nägel sowohl an den Nägeln der Hand, wie denen der Füße ist häufiger als Trichophytie derselben. Er wird meist durch Autoinfektion erworben, indes sind auch Fälle bekannt, in denen nur die Nägel erkrankt waren (PurserI'^, RirpixG^', Collas^). Die Infektion erfolgt vom freien Nagelrande aus und die Pilze wuchern in dem von der Nagelplatte geschützten Nagelbett. Durch 614 H. C. Plaut, dieses Wachstum wird der Nagel abgehoben und die Kagelplatte, die sonst nur wenig von den Pilzen direkt zu leiden bat, in ihrer Er- nährung gestört. Es kommt zu bröcklichen Massen an den Nagel- winkeln und unter den Nagelplatten. Die Pilzkijrper scheinen manch- mal durch den Nagel, wenn er nicht getrübt ist, als gelbliche Pünktchen durch. Die Atfektion verläuft ohne stärkere Beschwerden überaus chronisch und ist schwer therapeutisch zu beeinflussen. Die Prognose ist bei Kopffavus nicht günstig. Nur strenge Durch- führung einer rationellen Therapie bringt Heilung, sonst zieht sich die Affektion über Jahrzehnte hinaus. Endlich heilt sie durch Narben- bildung von selbst. Stets erfolgt bei lange bestehendem Favus Haar- verlust auf den ergriffen gewesenen Partien. Bei Körperfavus dagegen ist die Prognose überaus günstig, da selbst ohne therapeutische Maß- nahmen in nicht langer Zeit Spontanheilung einzutreten pflegt. Favus der Nägel stellt eine sehr langwierige Affektion dar, die trotz sorgfältiger Therapie oft nicht zur Heilung zu bringen ist. Wenn man die Scutulumbildung als Charakteristikum für Favus gelten lassen will, so bietet die Diagnose in ausgeprägten Fällen keine Schwierigkeiten. Beim schuppenden Stadium und beim herpetischen Vorstadium aber sind Verwechslungen mit Herpes tonsurans, Psoriasis, Impetigo, Lupus er3^tematosus u. s. w. möglich. Das Mikroskop muss dann bei der Diagnose zu Rate gezogen werden. Sehr schwierig kann die Differentialdiagnose zwischen Favus und Trichophytie werden und ist, wie wir schon erwähnt haben, in gewissen Fällen überhaupt nicht möglich. Man wird der Kultur und der Tierimpfung zur Fest- stellung der Varietät nicht entbehren können. Man Avird, wenn es sich um das Vorstadium des Favus handelt, meist Kulturen erhalten, welche nur bei höherer Temperatur gut gedeihen und sich auch nur dann üppig entwickeln, wenn ihnen viel Stickstoff geboten wird. Kulturen, die auch bei niederer Temperatur auf stickstoffarmem Nährboden gedeihen, müssen der Trichophytiegruppe zugezählt werden. Endlich wird der positive Impf erfolg an der Maus mit Scutulumbildung für Favus oder einen favusähnlichen Pilz sprechen. Zur Unterscheidung von Favus- und Trichophytonhaareu hat man die Chloroformprobe empfohlen (Dyce Duckwokth'-^ und Behrend^). Bei Behandlung der Haare mit Chloroform sollen die Trichophytonhaare wegen der starken Zerklüftung ihrer Corticalis weiß werden, während die Favushaare, die nicht so zerklüftet sind, unverändert bleiben. Die Methode ist aber durchaus nicht sicher, da auch bei Favus starke Zer- klüftungen vorkommen. Nagelfavus kann auch große diagnostische Schwierigkeiten bieten, wenn keine andere favöse Erkrankung am Körper nachzuweisen ist, auch mit Ekzem, Liehen und Psoriasis der Nägel können Verwechslungen vorkommen. Mikroskop und Kultur sind bei der Diagnose der Nägelerkrankuugeu unentbehrlich. Favus bei Tieren. Favus bei Tiereu ist nicht häufig. Am häufigsten erkrankt die Maus, daun die Katze und der Hund, viel seltener Pferde und Esel, häufiger dagegen ist die Krankheit bei Vögeln (Hühnern). Bei anderen Tiereu ist noch kein Favus spontan beobachtet worden. Die Hyplienpilze oder Euiiiyceten. 615 Die Scutulumbildimg beim Tier miterscheidet sich nicht oder nur wenig von der beim Menschen. Die Farbe ist bei Tieren oft nicht gelb, sondern weißlich (Katzen, Hunde), grau oder rotgrau, auch kommen bei Mäusen Riesen- scutula von mörtelartiger Beschaflenheit vor, wie sie kaum bei Menschen be- obachtet werden. Der ganze Kopf kann bei Mäusen von zusammengeflossenen Scutulis eingehüllt und dadurch verdickt erscheinen. Man findet Scutula be- sonders an der Nase, den Ohren, der Stirn, am Bauche, an der Außenseite der Hinterschenkel und bei Katzen in der Umgebung der Krallen. (Fried- ]$ERGEii & Fköhneh). Auch die Hufe der Tiere (Esel) werden befallen (Ercolaxi^). Der Geruch favuskrauker Tiere ist sehr unangenehm und erinnert an schlechten Käse. Der Hühnerfavus unterscheidet sich klinisch von den Faven anderer Tiere. Es entstehen am Kamm und an den Ohrläppchen schimmelartige Flecken, die nach und nach diese Organe ganz überziehen. Später entstehen dann Borken und zuletzt wird auch die übrige Haut des Körpers ergriflen. Der Verlauf des Favus bei Tieren ist nicht so langwierig wie beim Menschen, Heilung tritt manchmal spontan ein, besonders schnell aber, wenn man die Borken und Scutula regelmäßig entfernt. So pflegen Mäuse, die enorme Affektioneu des Kopfes aufweisen, durch einmalige gründliche Entfernung aller kranken, meist zusammenhängenden Massen, geheilt zu werden. Bei Hühnern und Vögeln führt das zu gründliche Säubern von Krankheitsprodukteu häufig zu Sepsis. Litteratur. (Siehe auch S. 601 und ß02.) 1 BizzozERO. Ueber die Mikrophyten der normalen Oberhaut des Menschen. Vircb. xVrch., 1884, Bd. 98. — - Behrend. Ueber Herpes tonsurans und Favus. Archiv, 18S4. — • ^ Collas. Note snr la teigne des ongles, iudependant de tonte autre manifestation de favus. Arch. de med. naval., Bd. 8, Paris 1867. Zit. nach Heller. — * Dubreuilh & Sabrazes, Nota sul fungo del favo. Giorn. ital. delle Mal. Verere et dell. Pelle, 1891. — >> Dyce Duckworth, Brit. med. Journ.. 1873. pag. 515. Zit. nach Jarisch. — 6 Ercolani, Del onychomycosis dell uomo et dei solipedi. Journ. de Micrologie. Bd. 4. Paris 1880. Cit. nach Heller. — " Fabry, Klinisches und Aetiologisches über Favus. Archiv, 1889. — « Fournier, Etüde sur la trichophytie des ongles. Journ. de maladie cutan. etc., 1889/90. Cit. nach Heller. — 'J Friedberger & Fröhner, Lehrbuch d. spez. Path. u. Ther. d. Haus- tiere, 1900. — 10 Jarisch, Die Hautkrankheiten. 2. Hälfte. Wien 1900. — n Kaposi. Pathologie und Therapie der Hantkrankheiten. Wien 1899. — i- Matruchot & Dassonville, Bulletin de la Societe mycologique de France. 4 mai 1899. — i3 Neebe & Unna, Die bisher bekannten 9 Favusarten. Monatsh. XVI, 1893. — i* Neisser, Krankheiten der Haut: Favus. Handbuch der praktischen Medizin, 1901. — iJ Plaut, Beitrag zur Favusfrage. Centralbl. f. Bakt., 1892. — Ders., Züchtung der Tricho- phytiepilze in situ. Nachtr. Centralbl. f. Bakt. u. Par., 1902. — i*", Purser, Two cases of onychomycosis. The Dublin Journ. of Med. Sc, 1865. Cit. nach Heller. — 1" RipPiNG, Ueb. d. Therapie d. Onychomycosis. Dtsch. Klin. Berlin 1865. Zit. n. Heller. — i*^ Silpari, Eugenio, Di alcuni casi uon commi di Tigna Favosa Generalizzata. Clin. Dermosifilo patica della R. Universit. di Napoli. 1901. — 1" Schuster, Ueber Favusbehandlung. Monatshefte, 1889. — 20 Unna, Histopatho- logie, s. auch Neebe. — 21 Wälsch, Zur Anatomie des Favus. Arch., Bd. 31. 1895. — Ders., Ueber Favus bei Tieren und dessen Beziehungen zum Favus des Menschen. Prager med. Wochenschr. {Festnummer Pick , 1898. — -- Zinser, Ueber die Be- handlung des Favus mit Wärme. Arch., Bd. 29. 1894. 616 H. C. Plaut, Trichophytiepilzgruppe. Definition and geographische Verbreitung-. Die Trichophytie ist eine durch Fadeupilze hervorgerufene, an- steckende, epidemisch und endemisch auftretende Erkrankung, die sämmt- liche Hautgebikle bei Mensch und Tier befallen kann. Sie wird durch Ansteckung von Mensch zu Mensch oder vom Tier auf den Menschen oder seltener vom Menschen auf das Tier übertragen, aber auch durch tote Gegenstände wie Haarbürsten, Kämme, Handtücher, Streu, Stallboden, Futtermittel, an denen das Contagium häugt, das durch die Sporen der Pilzgruppe repräsentiert wird. Die Trichophytie tritt in sehr verschiedenen klinischen Formen auf. Man hat zu unterscheiden zwischen T r i c h 0 p h y t i e e n d e r b e h a a r t e n H a u t , Kopf- und Barttricho- phytieen, und Trichophytieen des übrigen Körpers. Herpes tonsurans circumscriptus und disseminatus, Eccema marginatum und Nägeltrk'hophytie, außerdem noch besondere Formen. Die geographische Verbreitung dieser Krankheitstypen ist eine ganz eigentümliche und viel auftallendere als beim Favus. Während in Deutsch- land die Trichophytie auf dem Lande zu den seltenen Krankheiten ge- hört und auch in den größeren Städten nur dann häutiger wird, wenn kleinere Barbierstubeu-, Schul- oder Pensionsepidemieen auftreten*), bildet sie in] London und Paris Endemieen von besorgniserregender Ausdehnung. Besonders die eine Form der Kopftiichophytie, die Mikrosporie, ist unter den Schulkindern in Paris und London so verbreitet, dass man sich ge- zwungen gesehen hat, besondere Schulen für die damit behafteten ein- zurichten. Die sanitären Zustände der ärmeren Bevölkerung dieser Kiesen- städte hierfür allein verantwortlich zu machen, ist nicht angängig, da man in anderen Großstädten Europas wie Berlin, Wien, Leipzig, Breslau, Rom, Neapel, Mailand, diese Form bis vor kurzem überhaupt nicht kannte und erst in neuerer Zeit, wohl weil man mehr darauf achtet, einige sporadische Fälle beschrieb, von denen sich bei den meisten eine Einschleppung von außen nachweisen ließ. Da nun wieder andere Formen der Trichophytieen, wie Herpes ton- surans disseminatus und Sycosis parasitaria in diesen Städten relativ häufig vorkommen, so lässt sich der Gedanke gar nicht unterdrücken, dass die Ursache der verschiedenen Krankheitstypen keine einheitliche sein kann und die verschiedenen Erreger in den Ländern Europas eine verschiedene Verteilung gefunden haben müssen. In der That haben die Züchtungsarbeiten von Fürthmanx^^^ Neebei^, Unna^i, Sabouraud^s^ Bodin2.3>4^ Morris 23j Rosenbach 2»^ Krösing^'J u. v. a. ergeben, dass die verschiedenen Trichophytietypen durch eine Anzahl verschiedener Varietäten hervorgerufen werden, die zwar unter sich große Verwandt- schaft zeigen, aber eine viel größere Selbständigkeit und Konstanz er- langt haben als die Varietäten, die wir bei der Favuspilzgruppe kennen gelernt haben. *) So in Breslau 1861 (Kübner), in Leipzig 1886 (Lesser), in Mannheim 1898 (Stern), in Wien 1900 (Pollitzer). Die Hyphenpilze oder Eumyceten. ßl7 Ob es sicli um eclite Arten oder Varietäten handelt, ob die Eigen- tümlichkeit des klinischen Bildes stets an eine bestimmte Varietät g-ebimden ist, oder ob eine Varietät verschiedene klinische Bilder erzeugen, oIj endlich die eine Varietät aus der anderen hervorgehen könne und in noch vielen anderen Punkten weichen die Ansichten der Autoreu, trotz zahlreicher und eingehender Studien, noch weit von ein- ander ab. Um sich als Fachmann ein objektives Urteil in diesen mitunter recht komplizierten Fragen zu bilden ist das eingehende Studium der Original- arl)eiten notwendig, für den Zweck des Orientierens genügt es, den Inhalt der maßgebenden Arbeiten kurz anzugeben. Uebersicht der wichtigeren Arbeiten über Trichophytie mit besonderer Berücksichtigung der Artenfrage. Da wir in der geschichtlichen Einleitung die älteren Arbeiten soweit not- wendig berücksichtigt haben, so beginnen wir unsere Uebersicht mit den grund- legenden Studien von Duclaux^o 1886 und Verujski^s^ die besonders bei den deutschen Forschern zu wenig Berücksichtigung gefunden haben. Duclaux stellte fest, dass der Parasit bei Favus und Trichophytie in der Läsion nur in der Form von Myceben und Mycelsporen zu finden sei, während er auf künstlichem Nährboden liöhere Fruktifikationen erzeuge, die seine Bestimmung im System ermögliche. Er beschrieb Chlamydosporen, Ektosporen in der Form von Botrytis und die spiraligen Aufwickelungen, die die erste Anlage eines Peritheciums darstellen sollen. Verujski 1887 studierte die Entwickelung von Favus und Trichophyton in der feuchten Kammer und stellte die wich- tigsten Ernährungsunterschiede zwischen diesen beiden Pilzen fest (s. S. 610), Roberts 1889 bestätigte und vervollständigte die Forschungen Verujskis. Zu etwas andern Resultaten kam betreffs der Fruktifikationsorgane v. Sehlex ^o (1889). MARiANELLi^i 1891 fand die klinisch verschiedenen Trichophytieformen durch einen Pilz verursacht. Ins selbe Jahr fällt die auf Unxas Anregung entstandene bekannte Arbeit von Furthmann & Neebe (1891), die den Anstoß zur Aufrollung der Frage von der Mehrheit oder Einheit der Tricho- phytieerreger gab. In 20 von Unna hergegestellten Reinkulturen fanden diese Forscher vier wohl charakterisierte Arten. Sie unterschieden zwischen Trichophyton oidiophoron, eretmophoron, atractophorou und pterygoides. Trichophyton oidiophoron ist der Beschreibung nach ein favusähnlicher Pilz, Trichophyton eretmophoron ein Mikrosporiepilz, Trichophyton atractophoron imd pterygoides sind Avohl echte Trichophytonvarietäten. Uie berühmten SABOURAUDschen Arbeiten über die Trichophytiepilze er- strecken sich hauptsächlich auf die Jahre 1892 — 1899. Sabouraud trennte die eine klinische Form der Kopftrichophytie, die Mikrosporie, von den anderen Trichophytieen vollständig ab und suchte zu beweisen, dass sie durch eine Pilzart hervorgerufen würde, die vöUig von den anderen Tricho- phytieen verschieden sei und nur das eine mit diesen gemeinsam habe, das Haar zu befallen. Diese Behauptung wurde zunächst ohne Kenntnis der GRUBYSchen Studien (s. S. 600) aufgestellt. In einer späteren Veröflentlichung zog Sabouraud die GRUBVsche Arbeit wieder ans Licht und räumte diesem alten Pilzforscher das Prioritätsrecht der Entdeckung ein. Die Mikrosporie nannte er dem Entdecker zu Ehren Teigne tondante special de Gruby. M. P. Vuillemin'^:} (1900) sucht in seiner sehr lesenswerten Schrift »Qu'est-ce que le Microsporon Audouini- Gruby? « zu beweisen, dass Sabouraud-Bodix nicht recht hätten, wenn sie das GRUBYSche Mikrosporon mit dem von 618 H.C. Plaut, ihnen beschriebenen identifizierten. Das GRüBYSche Mikrosporon sei mit dem MALASSEZschen identisch. Auf diese ziemlich komplizierte Frage kann hier nicht näher eingegangen werden, da sie von speziell botanischem Interesse. Außer dieser durch einen kleinsporigen Pilz erzeugten Aifektion lehrte Sabouraud noch zwischen zwei anderen Kopftrichophytietypen unterscheiden, welche großsporige Pilze in den Läsionen erkennen lassen. Die eine Form, welche durch einen Pilz verursacht wird, der im Haar ein leicht zerfallendes Mycel bildet und dessen Kulturen sich durch centrale Erhöhung auszeichnen, nannte er La tondante peladoide benigne, die andere, bei der der Pilz als resistentes Mycel das Haar durchzieht und in der Kultur eine kraterförmige Vertiefung im Centrum aufweist, Trichophyton h grosse spore. Beide Formen machen klinisch sehr ähnliche Aifektionen auf den Köpfen der Schulkinder, im Gegensatz zur Mikrosporie zeigen die zahlreichen Kopfherde schuppenlose Haut mit scheidenlosen Haarstümpfen und schAvarzen Punkten, welche durch unter dem Hautniveau abgebrochene Haare veranlasst Averden. Während es bei der Mikrosporie Varietäten giebt, die bei Tieren ähnliche Affektionen wie die bei Menschen beobachteten erzeugen (Bodin), nimmt Sabouraud für die Endothrisarten an, dass sie nur den Menschen befallen und auch nur durch Ansteckung von Mensch zu Mensch verbreitet werden. Als dritte Gruppe stellt Sabouraud mit Bodin die Trichophytieen tie- rischen Ursprungs hin, die also durch Pilze erzeugt werden, die für ge- wöhnlich auf Tieren parasitieren und nur gelegentlich auf den Menschen übertragen werden, dann aber auch von Mensch zu Mensch durch Ansteckung weiter verbreitet werden können. Hierher gehören die Barttrichophytieen, Kerion. Diese Formen werden nach Sabouraud durch eine große Anzahl (19) sehr verschiedener Pilze hervorgerufen, die zwar nahe verwandt sind, aber äußerst verschiedene Kulturen liefern. Als letzte Gruppe erwähnt Sabouraud eine als chronische Tricho- phytie älterer Personen auftretende Erkrankung, deren Aetiologie noch wenig erforscht sei. In den späteren Arbeiten (bis 1900) behandelte SxVbouraud die Stellung der Pilze im System, erwähnt favusähnliche Pilze, die Trichophytie verursachen können, führt zu den oben erwähnten Trichophytieen noch, durch Fox & Blaxalls (1896) und Bodins Arbeiten überzeugt, Endoektothrixpilze tierischen Ursprungs ein und giebt viele Details über den Polymorphismus der Kulturen, über die Technik und die Tierimpfungen. Hervorzuheben ist hier die Ein- führung eines bestimmten Nährbodens, des milieu d'epreuve. Auf diesem Substrat sollen die Pilze der »Teignes«, wenn die Zusammensetzung nur aufs bestimmteste eingehalten wird, stets die nämlichen Kulturen liefern ohne durch Polymorphismus beeinflusst zu werden. Zusammensetzung s. S. 608 Anm. 2. Die Nachprüfung der SABOURAUDSchen Behauptungen durch zahlreiche Forscher hat in der Hauptsache eine Bestätigung derselben ergeben, nur in einzelnen Punkten bedurften sie der Revision. Vor allem Avar es wieder KralI^ (1894) und Wälsch3-i (1896), die auf den großen Polymorphismus der Trichophytiepilze hiuAviesen und einen bestimmten Zusammenhang zwischen klinischem Bild und Form der Kultur in Abrede stellten. Auch Marianelli (1893), Ducrey & Reale ii (1896) und Roberts27 (1894 u. 95) leugnen solche Beziehungen, die ersteren erkennen auch einen durchgreifenden Unterschied zwischen kleinsporigen und großsporigen Pilzen überhaupt nicht au. Von neueren Arbeiten wäre hier die Mitteilung von Pollitzer 2»' aus dem Jahre 1900 hervorzuheben. Dieser Autor beobachtete in Die Hjphenpllze oder Eumyceten. 619 Wieu*) eiue aus einem Seebad in der Kühe von Fiume eingeschleppte Kopf- trichoph}tie nntin- 11 Waisenkindern. Er fand nicht nur die verschiedensten klinischen Formen. Kopf- und Korpertrichophytie, Kerion und oberflächliche Erkrankungen, sondern auch großsporige und kleinsporige Pilze am selben Individuum und sogar in derselben Läsion. Dagegen brachten die Untersuclrangeu Bodins, Adamsoxs^, Morriss, Fox & Blaxalls (1896) die Bestätigung, dass eiue kleinsporige Varietät existiere. Adamsox, Morris und Given (1899) fanden aljer auch häufig entzündliche Formen durch dieselbe verursacht, entgegen der Ansicht BabouRzVUds. Bodix entdeckte dem Microsp. Audouini ähnliche Parasiten beim Fohlen und lieim Hund, Fox & Blaxall" und er, dass die Ektothrixpilze auch im Haar wuchern können, während die Endothrixpilze nie in den Follikel dringen. Das Microsp. equi fand Bodix sehr polj^morph. Es bildete Kulturen nach dem Typ. Acladium, Endoconidium und Oospora. Sowohl dieses Mikrosporon als auch das des Hundes sind auf Menschen übertragbar und erzeugen dort Typen, die von dem Microsp. Audouini etwas verschieden sind. Weiter Bestätigungen der SABOURAUDschen Lehre brachten die Arbeiten von Rosenbach (1894), Krösixg (1896), Courmoxt'J (1896), Collavitti* (1896), MlBELLl22 (1897), PELAGATT12-1 (1899), DUBREUILH 12 (1899), HaLLOPEAU & LeredeIs (1900), BuNCH^ (1901) u. v. anderen. Besonders bemerkenswerth sind die Arbeiten von Mibelli, der erst das Mikrosporon in Parma ab- solut nicht finden, dann alter bei einem aus Brasilien eingewanderten 2-^ 4 jäh- rigen jVIädchen feststellen konnte. Ebenso interessant ist die erst neuerdings durch BosELLixi^ gemachte Entdeckung, dass die Oosporaform des Micro- spor. equi auch auf dem Menschen vorkommt. Bodix hatte die Oospora- varietät für Tiere nicht pathogen gefunden, sie auch nie auf Tieren oder Menschen beobachtet. llesume. Aus dieser Zusammenstelhiug' ist ersichtlich, dass die Forscher der- jeuiüen Länder, in denen Kopftricliophytieen häufig sind (Frankreich imd England), zwei verschiedene Formen von Pilzen für die Affektiou an- nehmen, einen Pilz, der in der Läsion in kleinen Sporen sich repräsen- tiert und einen großsporig-eu. In andern Ländern, wo die Kopftricho- })liytie überhaupt selten ist und andere Trichopliytieformeu vorherrschen, konnte mau lauge nicht an eine kleinsporige Species glauben, indessen haben auch hier vereinzelte Beobachtungen und besonders eingeschleppte Fälle die Zweifel am Bestehen einer wirklichen Mikrosporie beseitigt. Allgemein anerkannt wird der große Polymorphismus der großsporigen Pilze und dass sie mitunter im Haar, mitunter außerhalb desselben uud häufig als Endoektothrixarteii auftreten. Ein steter Zusammenhang zwi- schen der Pilzspecies und einem bestimmten Krankhcitsbilde wird von den meisten Autoren nicht zugegeben, indessen lässt sich meinen Er- fahrungen nach nicht leugnen, dass sehr oft ein Zusammenhang besteht und mehr ausnahmsweise Abweichungeu von Saboürauüs Schema vorkommen. Ob es sich bei den Mikrosporieen und Trichopliytieeu und bei den letzteren untereinander um echte Arten oderVarie- tätenbildung handelt, ist zwar noch nicht endgültig fest- *j Seltene Form der Trichophytie in Wien. Der Beschreibung nach bandelt es sich aber nicht, wie Pollitzer meint, um Mikrosporie. Kulturangaben fehlen. 620 H. C. Plaut, gestellt, indessen hat es den Anseliein, als oIj die Frage zu Gunsten der Varietätenbildung:, wie beim Favus, entschieden werden wird. Was ich bei Favus über den Eiufluss der Haut der verschiedeneu Tierspecies auf die Pilzvarietäten gesagt habe, gilt nämlich für die Trichophytiepilze, wie wir sehen werden, noch in erhöhtem Grade. Litteratur. 1 Abamson, Observation on the parasites of Eingworm. The brit. Journ. Nr. 81, 7, 1895, enthält vorzügliche Zeichnungen von Trichophytie- u. Mikrosporie- haaren. — 2 Bodin, Les teignes tondantes du cheval et leurs inoculat. humaines. These, Paris 1896. — ^ Bodin & Almy, Le microsporon du chien. Recueil de med. veterin., 1897. — * Bodin, Sur la forme Oospora Streptothrix du Microsporon du cheval. Annales 1899. — & Bosellini, Di una specie di tigna da Microsporon Audouini Var. equi forma Oospora Bodin. Clinic. dermosif. dell. Univers, di Bologna 1900. — f Bunch, On Ringworm Infection in Man and Animals. British Medical Jonrn. Febr. 9. h. 1901. — "' Colcott Fox and Blaxall, An Inquiry into plurality of the fungi causing ringworm. The british Journ.. 1896. — § Coli.a- viTTi, Trichophyton cutaneo. Riforma med. Nr. 41 — 43, 1896. — o Courmont, Types nouveaux de teignes exotiques. Arch. de med. exper., 1896. p. 200. — if' ÜUCLAUX. Seance de la Societe de biologie. 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Milano 1897. — 2:^ Morris, Ringworm in the light of recent research. London 1898 (sehr schöne Photogramme!!. — 24 Pelagatti, Ueber die Morphologie der Trichophytonpilze, Monatshefte 1899. — 2.5 Petersen, Encyclopädie der Haut- u. Geschlechtskrankheiten, v. Lesser, 1900. — 2fi Pollitzer, Ueber eine Endemie von Herpes tonsurans. Festschr. f Kaposi. Arch. 1900. — 27 Roberts, Unter- suchungen über Reinkulturen des Herpes tonsur. Pilze. Monatsh. f. Derm.. 1889. — Ders. Brit. med. Journ. 1894. Journ. of Path., August 1895, citiert nach Morris. — 28 Rosenbach, Ueber die tieferen eiternden Schimmelerkrankungen der Haut. Wiesbaden 1894. — 20 Sabouraud, Contribution ä Tetude de la trichophytie humaine, I. Mem. Annales de dermat. et de syphil., t. III, 1892. — Ders.. Note sur l'hypothese d'une existence saprophyte des trichophytons. ibid. t. IV, 1893. — Ders., Contribution ä l'etude de la trichophytie humaine, IL Mcm. Les tricho- phytons ä grosses spores. ibid. t.JV, 1893. — 'Ders., Contribution ä l'etude de la trichophytie humaine, III. Mcm. Etüde synthetique de la trichophj'tie ä grosses spores. Les trichoi^hytons animaux sur Ihomne. Trichophyties piliaires de la barbe. ibid. t. IV, 1893. — Ders., Note sur trois i)oints de Thistoire etc. ibid. t. V, 1894. — Ders., Sur une mycose Tinnominee de Thoinne. La teigne tondante speciale de Gruby, Microsporon Audouini. ibid. -1894, Nr. 2. — Ders., Rapport sur la trichophytie. ibid. t. V, 1894. — Ders.. Les trichophyties humaines avec atlas. La teigne trichophytique et la teigne special de Gruby, Paris 1894. Wich- tige Zusammenfassung. — Ders., Trichophytie d'origine aviaire. Annales, t. V, 1894. — Ders., Zusammenfassende Uebersicht: Monatshefte, 1896, S. 576. — Ders., La Pratique dermatologique. Trichophytie 1900. — *' y_ Seiilen, Ueber Fruktifika- tionsformen und Wachstum des Trichophyton tonsurans. Tagebl. d. 62. Vers. D. Naturforscher, 1889, S. 399 u. 594. — 3i Unna, Bemerkung über Züchtung u. Plura- lität d. Trichophytonpilze. Monatsh. 1897. — >^2 Verujski, Recherches sur la morphologie et la biologie du Trichophyton tonsurans et de l'Achorion. Annales de Derm. et de Syph. 1887. — •*3 Vuillemin, Qu'est-ce que le Microsporon Audouini Gruby? Lons-Le'-Saunier, 1900. — 34 Wälsch, Ueber die Mannigfaltigkeit der Wachstumsform pathogener Hyphomyceten (kultureller Pleomorphismus) insbeson- dere des Pilzes des Eccema marginatum. Archiv 1896, Bd. 37. — 3ö White, Vege- table Parasites and the diseases caused by their growth, 1874. Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 621 Krankheitstypen. Da die Trichopliytoiivarietäteu, eutsprccliencl ihrer Eigenart und der Vielg'estaltig'keit der klinischen Bilder, die sie hervorrufen, sich sowohl in der Kultur, als auch in der Läsion sehr ungleich verhalten, so stößt es auf große Schwierigkeiten, sie als ein Gemeinsames zu beschreiljen. Es emi)tielilt sich vielmehr, der Ijesseren Uebersicht wegen, die einzelnen Krankheitstypen gesondert zu betrachten und nach einer kurzen Be- schreibung des klinischen Bildes die des zugehörigen Erregers folgen zu lassen. JKopftiichopliytie. Die Trichophytie des behaarten Koi)fes ist mit äußerst seltenen Aus- nahmen eine Krankheit des kindlichen Alters. Morris sah bei Er- Avachsenen nur 6 Fälle in 20jähriger Praxis, Alder Smith 2 nur 2 Fälle in 25 Jahren! Besonders häufig werden die ersten 10 Jahrgänge er- griffen. Auch Säuglinge erkranken (Morris, EppsteixI^, Crocker^). Nach der Pubertät erlischt die Krankheit von selbst. Knaben sind liäufiger befallen als 3Iädchen, wohl weil sie die Mützen häufiger vertauschen und die Haare in den Barbierstuben öfter schneiden lassen. Die Inkubation beträgt nach Alder Smith 2 14 Tage; in einem Fall von Mikrosporie, den ich^^ beobachtet habe, entwickelte sich eine Herpes tonsurans-Affektion auf der Brust eines 16 jährigen Mädchens genau 4 Tage später, nachdem ihr Gjähriger Bruder mit seinem mikro- sporiekrankeu Kopf auf dieser Stelle gelegen hatte. Der weitere Verlauf der Affektion ist nach dem betreffenden Krank- heitstyp verschieden. Typ. 1. Mikrosporie. Die Affektion macht 60 — 65^ aller Kopftrichophytieeu aus. Der Anfang besteht in einem kleinen schu])pigen Fleck auf der Kopfhaut, gewöhnlich eine Handbreit über dem Ohr gelegen. Dieser Fleck dehnt sich langsam aus und erreicht einen Durchmesser von 5 — 7 cm. In- zwischen sind über den ganzen Kopf verstreut noch einige ganz kleine schuppige Herde entstanden, die mau erst bei genauem Kachsehen oder wenn die Haare kurz geschnitten sind, bemerkt. Der Verlauf ist so, dass auch diese Herde sich nach und nach vergrößern, zusammenstoßen und den größten Teil des Kopfes ergreifen, aber dazwischen immer ge- sunde Partien frei lassen. Ein Uebergreifen der Herde auf die unl)e- haarte Haut, oder spontanes Entstehen von Bingen daselbst findet in der Regel nicht statt. Die einzelnen Plaques bieten, wenn unbehandelt, ein charakteristi- sches Aussehen. Die 2—5 cm großen nicht sehr zahlreichen Flecke, von denen der Anfangsherd der größte (5—7 cm) zu sein pflegt, sind rund, manchmal etwas oval und kahl. Die Kopfhaut an diesen Stellen sieht grau aus, ist etwas gegen die Umgebung erhaben, mit zahlreichen Schuppen bedeckt und mit einzelnen und zu Büscheln vereinigten silber- grau aussehenden Haarstummeln versehen. Diese Haarstümpfe sind kurz über dem Haarboden abgebrochen, ragen also nur 2—6 mm über demselben empor. Betrachtet man sie recht genau oder nimmt mau eine Lupe zu Hilfe, so erkennt man, dass der sill)ergraue Glanz mit einer Scheide zusammenhängt, die den selbst nackten Haarstumpf ülier- zieht. Wenn man versuchf den Haarstumpf aus der Haut zu ziehen. 622 IL C. Plaut. SO gelingt das zwar sclieiiiljar leicht, aber die Haarwurzel bleibt im Haarboden stecken und das Haar reißt wenige Millimeter iinterhall) des Niveau ab. Die mikroskopische Untersuchung ergiebt nun, dass die Scheide die aus dem Follikel stammende innere Wurzelscheide des Haares ist, welche im Inneren mit den kleinen Ektosporen des Pilzes ausgefüllt wird, der mit seinen eigentümlich knorrigen kurzen Mycelästen das Innere des Haars durchzieht. (Fig. 41 und Fig. 42] . @ 9 &' Fig. 41. Mikrosporieliaar. Im Inneren des Haares kurze Mycelglieder, am Ende desselben große, dicke Sporen (Mycelsporen), am Rande die charakteristischen Ektosporen. Die Infektion des Haars erfolgt nach H. G. Adamsonsi und meinen Beobachtungen nach von der Epidermis*) aus, indem von hier aus ein j\[ycelfaden von oben nach unten wächst. Nun wird meinen Beobach- tungen nach zunächst der obere Bulbushals befallen, in dem sich massen- haft Mycelsporen und kurze Fäden bilden. Diese 8porenlager sind oft nicht leicht nachzuweisen. Erstens gelingt es meist nicht den ganzen Bul- bus aus der Haut zu entfernen, weil er häutig abreißt, (lelingt es aber und man färbt in be- kannter Weise, so wird der Bulljushals manchmal so kräftig gefärbt, dass er beinahe undurchsichtig und für die mikroskopische Untersuchung unge- eignet wird. Man muss also entweder noch nicht zu stark befallene Haare wählen oder Längs- schnitte machen. Einfacher ist es, in Kalilauge und (ilycerin aufzuhellen und mit enger Blende zu untersuchen. Man wird über die enorme Menge der regenwurmartig untereinander liegenden Pilzelemente des Bulbus- halses überrascht sein. Man sieht an dieser Stelle nicht nur die dünnen Mycelien des Schafts, nicht nur die kleineu Sporen außerhalb, sondern auch deutliehen My cel s p o r e u zerfall , wie bei gewöhnlichen Endo- thrixarten (Fig. 41). Diese Sporen haben 5 — 7 /t Größe, die Ekto- sporen 2 — 3 [i. Der Bulbus selbst bleibt, wie beim Favus, besonders bei stark pig- mentierten Haaren völlig von Pilzelementen frei. Vom Hals aus wächst ein eigentümliches knorriges, regeuwurmartiges, kurzseptiertes und stückiges ]\Iycel besonders am Rand des Haarschafts, im Haar in die Höhe und schnürt dann nach außen zu in die innere Wurzelscheide kleine Ektosporen in enormer Anzahl ab. Diese Sporen Fig. 42. Querschnitt durch ein Mikrosporon- haar. nach ]\Iorris. *) Sie ist meist ergriffen, wenn die Haare noch völlig intakt sind, wie man an eben entstehenden Herden nachweisen kann. Die Hj'pbenpilze oder Eiimyceten. 623 werden so fest iueiuauder gekeilt, dass sie sicli gegenseitig' abplatten und ein mosaikartiges Ansehen bekommen. Das Haar lockert sich dann wohl infolge der massenhaften Pilzelemente im Bulbushals*) mid steigt aus dem Hautniveau in die Höhe, so dass die innere Wurzelscheide sichtbar wird. Ein Teil des liulbushalses mit enormen Pilzmassen blcil)t aber mit dem pilzfreien oder -armen Bulbus im Follikel zurück. Die schwere Heilbarkeit der Mikrosporie und die vielen Rezidive er- klären sich in einfacher Weise durch das Zurückijleiben so vieler Pilz- elemente im Haarfollikel. Xacli Cälcott-Fox & Blaxall handelt es sich bei den kleinen Sporen in der Scheide nicht um Ektosporen, wie Sabouraud annimmt, sondern um Zerfall des Mycels in Sporen. Das ist meiner Ansicht nach nicht ganz richtig. Wie wir bei der Beschreibung des Pilzes in der Kultur sehen werden, bildet der Pilz kurz vor der Ektosporenbildung gerade so eigentümlich gewundene Aeste wie hier im Innern. Auch stimmt die (iröße der Ektosporen in der Kultur mit denen in der Sporenscheide befindlichen überein. Allerdings kommen außer diesen abgeschnürten Ektosporen in der AVurzelscheide auch, davon hal)e ich mich sicher überzeugt, einige wenige Mycelfäden vor, die in Mycelsporen zerfallen können. Es sind also wohl beide Fortpflauzungsvorgänge nebeneinander in der W^urzelscheide vor- handen, die Ektosporeujjildung aber überwiegt. Genaue histologische Untersuchungen über die Mikrosporie der Kopfhaut finden sich nur bei Frederic 12 g. 49 u. 50 1902, die anderen histologischen Untersuehnngeu von UxxA^i, Wälsch22^ Ullmann^o, Mibelli betreff enandere Triehophytieformen. Hervorzuheben sind die ziemlich starken Entzündungs- erscheinungeu trotz Fehleus subjektiver Symptome, das Vorhandensein von Ptiesenzellen (mit Pilzelementen), eine Knickung der FoUikelhaare, die mit der Verstopfung des Follikels zusammenzuhängen scheint und auch bei anderen Trichophytieen häufig vorkommt und das reichliche Vorhandensein von Mastzellen. Der Verlauf der Erkrankung ist, wenn nicht behandelt, äußerst chro- nisch und erstreckt sich bei gewissen Formen bis zur Pul)ertät, wo sie, wie alle Kopftrichophytieen, von selbst zu erlöschen pflegt. Behandelt pflegt sie bei unsern Formen zur Heilung mehrerere Monate zu bedürfen. Die in Paris und London vorkommenden JMikrosporieen sind zweifellos viel hartnäckiger, da sie jeder Therapie meist jahrelang widerstehen. In der Regel verläuft die Affektion so wie geschildert und macht auch nicht die geringsten subjektiven Beschwerden, ganz leichtes Juck- gefühl ausgenommen. ^Mitunter aber sieht mau beträchtliche Abweichungen. So können die charakteristischen Scheiden eine Zeit lang fehlen und erst später empor- gehoben werden. In anderen Fällen, wenn auch selten, sieht man Kerion- bildung, also hochgradige Entzündung mit Eiterbildung (Morris), wieder in anderen Fällen, "und das ist sehr häufig bei der in Hamburg herrschen- den Mikrosporie der Fall, Hautherde in Riugform im Gesicht, am Hals, der Brust und den Armen. Die Hautherde unterscheiden sich beträchtlich in histologischer Be- ziehung von den Kopfherden: Man findet vereinzelt meist dünne septierte *) Wodurch Druck auf die umgebenden Haarteile und dadurch Schwund entsteht. 624 H. C. Plaut, Mycelien und sehr wenig rimde oder ovale Sporen. Die Laniigohaare sind der eigentliche Sitz der Affektion. Hier sind die Pilze massenhaft vorhanden und füllen die Haarkolljen vollständig aus. Deshalb ist es gut bei der Untersuchung von Hautherden sich nicht mit den oberflächlichen Schuppen zu begnügen, sondern mit der Pinzette tiefer gelegene Partieen abzuheben. Eine Sporensclieide findet sich nicht au den Haarkolben. Somit bietet die Mikrosporie der wenig behaarten Haut nicht viel Charakteristisches anderen Trichophytieformen gegen- über, nur erscheinen die Pilzelemente meist dünner und zarter als bei den großspurigen Varietäten. Zweifellos kommen Uebergänge von der großsporigen Trichophytie des Körpers in die kleinsporige Varietät des Kopfes vor, wie ich in einigen Fällen beschrieben habe. Wahr- scheinlich nimmt die groß sporige Form, wenn sie auf anderes Gebiet kommt, z. B. vom unbehaarten Körper auf die behaarte Haut oder auf speziell disponierte Häute die Eigenschaft an am Haar Ektosporen zu bilden. Darauf beruht meiner Ansicht nach der ganze Unterschied zwischen großsporiger und kleinsporiger Varietät. Wir haben es hier mit einer pleomorphen nicht mit einer polymorphistischen Verschieden- heit zu thun, also mit ähnlichen Verhältnissen, wie wir sie bei den Rostpilzen S. 537 besprochen haben. Litteratur. (Von S. 621 bis S. 635.) 1 Adamson, Kulturen von verschiedenen Arten der Trichophytiepilze. Monats- hefte XXII. London, derm. Gesellsch. Brit. Jour. 1890. — - Aldersmith, cit. nach Morris. Ringworm and Alopecia areata, 4 th. Ed. London 1897, S. 36. — 3 Anderson, Mc. Call. Parasitis diseaces of the skin, 1868. — * Arnozan & DuBREUiLH, De la trichophytie des mains et des ongles. Archives Cliniques de Bordeaux. Fevr. 1892, Nr. 1 u. 2. — 5 Auche et Le Dantec, Nouvelle mucedinee pyogene parasite de Thomme. Arch. de med. exper., 1894. — 6 v. Bärensprung, Annalen der Charite. VI, 1895. — ■- Besnier. Brocq & Jacquet, La pratique dermatologique, 190O. Unentbehrl. Handb. — ^^ Bodin, s. oben und Note myco- logique sur le microsporon trouve ä Parme par Mibelli, Ann. 1897. — 'J Crocker, Diseases of the skin. 2 nd. Ed. London 1893, p. 812, cit. n. Morris. — w Doutrele- PONT, Ein Fall von parasit. Sycosis. Monatsh. 1883. — n Eppstein & Toch, Archiv, 1S95, Bd. XXII. iS. 365. — 12 Erederic, Beitrag zur Frage der Mikrosporie. Archiv LIV, Heft 1, 1902. — w Gruby, Sur une espece de mentagre contagieuse resultant du dcveloppeiuent d'un nouveau cryiitogame dans la racine des poils de la barbe chez l'homme. Comptes rendus, Paris, t. XV, 1842. — Ders., Eecherches sur la nature, le siege et le developpement du porrigo decalvans ou phyto-alopecie. ibid. Paris 1843, t. XVII. — 11 Gunsett, Eine kleine Epidemie von Mikrosporon in Strassburg, Archiv, 1902, I. IX. • — i5 A. Phillipson, Wie behandelt man die Furunkulose. D. M. W. 1899, Nr. 18. — i''' Plato, Ueber den Nachweis feinerer Wachstumsvorgänge in Trichophytie und anderen Fadenpilzen mittelst Neutralrot. Ztschr. f. Hygiene, Bd. XXXVIII, 1901. — i^ (Plato)-Neisser, Versuche über die Herstellung und Verwendung von Trichophytin. Archiv, 50. Band, 1902. — i« Plaut, Giebt es in Hamburg eine Mikrosporie? Monatshefte, Bd. XXX. — Ders., Demonstrationen einiger Trichophytiekulturen. Aerztl. Verein in Hamburg. Miinch. med. Wochenschr. 1900. — w Trachsler, Das Vorkommen d. 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Am 5. Tage, häufig auch früher, treten ungemein zahlreiche An- schwellungen einzelner Mycelien auf (s. Fig. 15). Diese sind, wenn sie zahlreich sind, charakteristisch für das Mikrosporonmycel. Vom 5. Tage an entstehen besonders auf festem Nährboden, aber auch in der Kammer, eigen- tümlich gewundene Luftmycelien, die den Figuren einer Peitschenschnur vergleichbar sind, wenn sie ge8chwipi)t wird (Fig. 43). Am elften Tage bemerkt man an den Bogen kammförmige Bildungen, die entweder selbst Fig. 43. Mikrosporonmycel. kurz vor der Ektosporenbildung (in situ gezüchtet). Zeiss, Apochr. 8, Oe. 4. abfallen (das gewöhnliche) oder noch eine Spore abschnüren (s. Fig. 13). Im Inneren des Mycels entstehen zu gleicher Zeit Chlamydosporen aus den oben beschriebenen Anschwellungen. Dabei wird die Unterseite der Kultur bei einigen Varietäten (canis Bodin) gelb bis dunkelbraun. Von den Luftmycelien aus werden häufig statt der Sporen lang verlaufende dünne Mycelfäden abgezweigt, welche am Ende anschwellen, sich strecken, dicht septieren und Spindelsporen bilden. Diese Sporen tragen häufig am ol)eren Bande Härchen und kommen auch im Laufe der Mycelfäden vor IS. Taf. V, Fig. 154). Am besten beobachtet man die Entwicklung des Pilzes in Haaren, die man in situ züchtet. Jedoch geling:t es hier nicht regelmäßig, Spindelsporen zu erzeugen. Ueberhaupt sind die Bedingungen unter denen diese Gebilde entstehen, noch nicht genauer untersucht. In Taf. VII, Fig. 191 sieht man in einem in situ gezüchteten Haar deutlich die Spindelsporen an den Myceltadcn. Sowohl die Ektosporen, welche Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 40 626 H. C. Plaut, eine guniinikappenartige Form haben wie auch die Spiudelsporen und Chlamydosporen können Keimsehläuche treiben. Ganz selten kommt es in jüngeren, häufiger in älteren Kulturen zu engen Septierungen und Mycel- sporenzerfall (Fig. 44). Das Microsporon Audouini — Grul)y-Sabouraud bildet nach Saboü- EAUD & BoDiN rein weiße, flaumige Basen auf BierwUrzeagar. Der Zentralflaum ist etwas erhöht und von einem flacheren Randflaum um- geben. Dadurch entsteht ein Ring um eine Scheibe. Auf dem Milieu d'epreuve entstehen radiäre Falten mit zentraler Knopf bildung, auf Kartoffeln w^eißer Flaum mit roter Randfärbung. Der von mir beo1)achte Mikrosporonpilz (TiiAcnsLERi^, Bodix^) leidet auf allen gel)räuchlichen Nährböden einen flaumigen Rasen von charakte- ristischem Aussehen (Taf. VII, Fig. 172 und 174). Der durch- sichtige Nährboden unter der Kulturscheibe wird, im Centrum l)eginnend,nach und nach peripher fortschreitend dunkler gefärbt, als die Farbe seines Nährbodens ist. AeltereKulturen zeigen an der Unterfläche eine saftig gelbbraune Verfärbung. Häufig entstehen auf Traubenzuckeragar radiäre Falten bildunfi In dieser Kultur ist es nachträg- lich zu einem sekundären Flaum gekommen. Auf Kartoffeln ent- stellt ein Flaum, von grauer Farbe mit rötlicher Verfärl)ung der Kar- toftel. Älanchmal wird die ganze mit zentraler Knopf- fs. Taf VII, Fig. 173). Fig. 44. Aelteres Mikrosporonmycel. Dichte Septierung. Zeiss, DD, Oc. 2. Kultur rot und sieht dann getrocknetem Blut ähnlich (Sabouraud, Bodin). Auf Milch bildet der Pilz zusammenhängende Massen von weißer Farbe. Die Milch unter der Pilzdecke bleibt flüssig und ändert ihren Säuregrad nicht. Es kommt hier sehr bald zu schönen Ektosporen. Auf Blut- serum mit Zuckerl)ouillon findet kräftiges Wachstum statt. Gelatine wird verflüssigt, wie bei allen hierher gehörigen Pilzen. Der Pilz ist pathogen für Meerschweinchen und erzeugt der Kinder- mikrosporie ähnliclie Aftektionen bei der Impfung an der inneren Ohr- muschel dieses Tieres, das Mikrosporon Gruby-Sabouraud ist wenig pathogen, nur Courmont^ S, 620 ist die Impfung auf Meerschweinchen, Kaninchen und Pferden einige Male gelungen. Der Pilz hält sich über 1 Jahr in der Kultur und auch lange, etwa 1 Jahr, im Haar. Er kann unter bestimmten Umständen ein saprophytisches Dasein führen und ist gegen die gewöhnlichen Desinfektionsmittel in ül)licher Konzentration sehr empfindlich, also gleicht in dieser Beziehung den gewöhnlichen Trichophytiepilzen auch in Bezug auf Licht u. s. w. (s. S. 632). Varietäten. Der zuletzt beschriebene Pilz hat viele Eigenschaften gemein mit dem BoDiNschen Microsporon canis. Einen anderen Mikrosporonpilz, der kein Pigment bildete, aber unge- mein viel Spindelsporen im Luftmycel, hal)e ich Ijei einem jungen Tiger Die Hyphenpilze oder Euinyceten. 627 gefunden, der zahlreiche Hautherde über den g-anzen Kör])er verstreut aufwies (Taf. VII Fig. 173). Beim Pferd hat Bodin ein sehr interessantes Mikrosporon be- schrieben, das in Bezug auf Polyniorphisnius einzig dasteht. Es er- zeugt den Herpcs contagiosus der Füllen, auch l)ei älteren Pferden Haut- attektionen und sehr selten solche l)ei Menschen. Es k<»nnnt in 3 ver- schiedenen Formen vor. Die Endokonidienform entsteht, wenn mau Kulturen von den Läsionen direkt auf Bierwürzeagar anlegt. Sie ist gekennzeichnet durch Ketten])ildung von hyalinen, cylindrischen oder an ihren Enden leicht abgerundeten Konidien von 3—4 a Breite und 12 — 20 n Länge. Außerdem kommen noch große Spindelsporen vor. Die Eudokonidieukultur auf Bierwürzagar ist sehr charakteristisch. Sie stellt einen absolut glatten runden, von vielen zentralwärts verlaufenden Falten durchfurchten, gelbroten Kuchen dar. Die Fariie wechselt nach dem Nährmedium. In der Mitte Ijetindet sich eine knopfförmige Er- hebung, am Bande eiu feiner Strahlenkranz. Auf den übrigen Nähr- böden ist das Wachstum weniger charakteristisch. Auf stickstoftYeichen Xährb(3den und bei hijhereu Temperaturen ge- züchtetet, enthält man aus diesen Endokonidienkulturen die Acladium- form, den Flaumtyp mit Ektosporen. In mit Gummihüten bedeckten Kulturen erhält man stets die Acla- diumform; wenn der Nährboden aber leicht austrocknen kann und unter noch nicht genug erforschten anderen Umständen, kommt es zum 3. Typ, der Streptothrixform (Oospora). Auf den Aeladiumkulturen bilden sich gipsähnliche Flecken, die man leicht isolieren und auf alle möglichen Nährböden überimpfen kann. Die Beschreibung der mikroskopischen Befunde der Kulturen stinnnt völlig mit solchen von Actinomyees über- ein. Es handelt sich um verzweigte dünne Filamente, w-elche in kleinste Teile segmentiert erscheinen. Die Segmente gleichen Bazillen und Mikro- kokken und färben sich nach Gram. Außerdem findet regelmäßig Sporenl)ildung (Typ. III, s. S. 535) am Ende der Fäden statt. Fast noch interessanter als diese Kulturergebnisse sind die Resultate der Impfungen mit den Kulturen. Oospora ist wenig pathogen für Tiere und giebt unsichere Resultate bei der Impfung, wurde aber bei Kopftrichophytie des Menschen von Bosellini ^ S. 620 in mehreren Fällen gefunden, Acladium und Endoconidium rufen bei der Impfung von Pfer- den Herpes contagiosus des Füllens hervor. Impft mau Acladium einem Meerschweinchen in die Haut, so entsteht eine Aftektion, die große Aehn- lichkeit mit der Kopfmikros])orie der Kinder hat. Wenn man nun von der Impfläsion wieder ein Haar zum Ausgangspunkt von Kulturen be- nutzt, so erhält man als Kultur die Form Endoconidium. Durch Wechsel des toten Nähr))odens ist es aber nicht möglich die Aeladium- form in die Endoconidiumform umzuwandeln. Man kann hieraus er- kennen, eine wie große Rolle die tierische Haut bei der Bil- dung der Varietäten spielt. Aehnliche Verhältnisse habe ich bei Impfungen der Meerschweinchen mit dem Pilz der Hamburger Mikro- sporie i)eol)achtet: der Flaumtyp ging in den Faltentyj) ül)er. Oospora- form hal)e ich bis jetzt nicht als in den Kreis des P<>lym()ri)liismus der Trieliophytiepilze gehörig gefunden. Streptothrixarten aber sind auf der tierischen Haut sehr gewöhnlich und mir bei Untersuchungen von Platten, die von Tierhautschuppen gegossen wurden, häufig aufgestoßen. Ob es sich bei den BoDiNsehen Befunden wirklich um einen Ueber- gang eines Eumyceteu in einen Streptothrix , oder um eine uaehträg- 40* 628 H. C. Plaut, Sp%. I fj'A liehe Veninveinigung handelt, die hei der Art und Weise, wie die französische Schule ihre Kulturen herzustellen pflegt*), sehr leicht vorkommen kann, wird die Zukunft lehren. Typ. 2. Kopftrichophytieen durch groß- sporige Pilze verursacht. La tondaute peladoide benigne Sabour. Tricho- phytie a grosse spore, a myeelium fragile; a culture acuminee und Trichophyton ä grosse spore. Von den großsporigen Kopftrichophytieen (35^ aller Kopf- trichophytieen) kommen nach Sabouraud 72^ auf zwei Arten, die übrigen werden durch andere sel- tenere Arten hervorgerufen. Der eine Pilz, der die Peladoide erzeugende ist mit 30^, der andere mit 42^ beteiligt. Beide durch diese Pilze erzeugten Krankheiten haben einige gemeinsame Punkte. 1. Der Parasit kommt nur innerhall) des Haars vor. 2. Die Primäraöektion der Haut ist flüchtiger Natur. 3. Die kahlen Flecke selbst sind, nachdem das Haar befallen ist, glatt und ohne Schuppen im Gegensatz zur Mikro- sporie. 4. Die Affektionen kommen fast stets auch auf der unbehaarten Haut vor. Die Peladoide beginnt mit flüchtigen Kreisen auf der Kopfhaut, die meist übersehen werden. Nach 12 — 14 Tagen sind die befallenen Stellen kahl. Es bleiben aber auf diesen Plaques noch einzelne lange, gesunde Haare stehen. Die vom Pilz befallenen Haare sind kurz über der Haut abgebrochen und bilden zahl- reiche Punkte auf der glatten, ganz gesund aussehen- den Haut. Es entsteht meist ein großer Fleck mit unregelmäßiger Umrandung 5 — 7 cm groß und meh- rere kleine Herde. Die Aftektion kann sich über den ganzen Kopf ausbreiten, dann macht derselbe den Eindruck der generalisierten Alopecie. Haut- herde kommen im Gesicht, am Hals, am Nacken und an den Händen vor und bilden die gewöhn- lichen trichophytisehen Ringe. Die Haare sind, da kurz über der Haut ab- gebrochen, schwer zu entfernen, die Stummel sind dunkel, zweimal so dick wie normal und im Inneren mit 5 — 7 cm großen runden, etwas ungleichmäßigen, deutlich doppelt konturierten schnitt voT^einem* Endo- Sporen, die lange Rosenkranzketten bilden, an- thrixhaar. gefüllt. Diese Ketten zerfellen sehr leicht bei der Präparation. (Fig. 45.) Kulturen ergeben auf milieu d'epreuvc zugespitzte Kulturen mit radiärer Faltenbildunc, Farbe cremeweiß. Feiustaubige Oberfläche. Zarte Fig. 45. Längs- nnd Quer- *) So erhielt Sabouraud früher sehr häufig Verunreinigungen in seinen Kul- turen nach einigen Wochen, die ihn veranlassten eine ganze Lehre vom Commen- salismus aufzustellen, die er später als unhaltbar zurückzog. Wir haben diese Lehre deshalb bei der SABOURAUDschen Arbeit gar nicht erwähnt. Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 629 Randstrablung- (Taf. VI, Fig-. 158). Auf Kartoffeln bräunlich pulveriger Belag. Die Aflfektion heilt innerhall) Aveniger Monate, die Heilung schreitet von der Peripherie nach dem Centrum fort. Erwachsene bekommen durch Ansteckung häutig trichophytische Aft'ektionen an den Händen, den Armen und im Gesicht. Die Krankheit ist hier recht selten, ich habe sie unter 60 Kopf- trichophytieen nur zweimal gesehen. Sie soll nach Sabouraud nicht auf Tiere übertragbar sein, ül)erhaupt nur bei Menschen vorkommen. Die Trichophytie a grosse spore soll etwas häutiger als die vorige den Kopf allein befallen, Hautherdc also seltener sein. Klinisch ist sie der vorigen sehr ähnlich, die Haarstümpfe ragen aber über der Haut hervor und sind ungleichmäßig lang. Einige wenige schwarze Punkte. Die befalleneu Flecke sind glatt, schuppenlos. Haarstümpfe gewunden, schwer ausziehbar, brechen etwas unter der Haut ab, man zieht besser noch nicht so stark befallene Haare aus, wenn man den Bull)us mit erlialten Avill. Im Inneren des Haares be- merkt man Mycelketten, welche aus rechteckigen doppelkonturierten Sporen von 5 u Breite und 5 — 7 ,u Länge zusannnengesetzt sind. Das Mycel soll resistenter sein als das des vorigen Pilzes. Kulturen auf milieu d'epreuve kraterförmig graubestaul)t mit Rand- strahlung (Taf. VI, Fig. 157 ; auf Kartoffeln staubige Kulturen in Sternform. Der Verlauf ist wie "bei der vorigen Form. Ich lialje diese Form hier nur einmal auf dem Kopf gesehen, häutiger aber Ijei Trichophytia corporis und Kulturen erhalten w^e Taf. VI, Fig. 159. Eine reine Endothrix ist diese Trichophytie nicht, Fäden konnten vielmehr auch in der inneren Wurzelscheide nachgewiesen werden. Histologischer Befund. Die genaueste Beschreibung stammt von Wälsch-2. Er untersuchte wahr- scheinlich eine Endoektotbrixkopftrichophytie. Die Haare waren hauptsächlich innen ergriflen und nur spärliche Elemente in der Wurzelscheide. Oberflächliche Exsudatmassen durchsetzt von gegliederten Fäden, Haartrümmeru, von Konidieuketten so stark erfiült, dass von der Haarsubstanz nur noch wenig zu sehen. Au der Peripherie der Haut Pusteln, in den unteren Hornsohichten spärliche Pilze. Retezapfen normal, verlängert oder verbreitert, schwach infiltriert. Derma: Gefäße erweitert, von Rundzellen umgeben. In den pilzhaltigen Haare tragenden Follikeln Entzündung gering. Die Haarerkrankuug hält nicht gleichen Schritt mit der Entzündung. Tiefere Follikel stärker ergritieu. Bulbus frei. Beim FoUikelaustritt erscheinen die Haare oft gegen die Oberfläche abgeknickt. Cystische Erweiterungen bedingt durch Verlegung des Follikels mit viel- fach gekrümmten Haaren: hier kann es zur völligen Zerstörung der Follikel- wand kommen. ^ Eigentliche Tricliophytiepilze. Die Pilze dieser Kopftrichophytieen haben denselben Entwicklungs- gang wie alle echten Tricliophytiepilze, deren Beschreibung wir uns nun zuwenden: Die Trichophytiepilze erscheinen auf der Agarplatte als schöne viel- strahlige . Sterne mit scharfen unregelmäßigen langen Strablen. Das Centrum ist nach der verschiedenen Varietät verschieden, auf der Ober- 630 H, C. Plaut, fläche oft bestaubt, verschiedenartig gefärbt, auf der Unterfläche immer etwas dunkler als der Nährboden, je nach der Varietät gelb, bismarck- braun, kirschroth, violett, rosa, braun bis braunschwarz, die Farbe ist lebhafter als bei Mikrosporon. Gelatine wird wie bei allen hierher- gehörigen Pilzen verflüssigt, bei den gefärbten Arten unter Verfärbung. In der feuchten Kammer entwickeln sich die eigentlichen Trichophyton- pilze folgendermaßen: Anscliwellung der Sporen nach wenigen Stunden. Bildung von 1, 2 oder auch mehreren Keimschläuchen aus einer Spore in den nächsten 24 Stunden. Anschwellungen der Mycelien kommen hie und da vor, nie aber in so großer Menge wie beim Mikrosporon. Nach 60 — 96 Stunden (verschieden lange nach der Varietät] Beginn der Ektosporen- bildung. Aus dem Centrum und aus dem Randrasen bilden sich feine Liifthyphen, die sich traubig, oft auch winkelig verzweigen und sehr kleine runde (1,5 — 3 /<) Sporen seitlich an kleinen Stielen abschnüren. Das geschieht je nach der Varietät verschieden reichlich, bei einigen Sorten so reichlicli, dass dichte Haufen ^ on Luftsporen den ganzen Mutter- rasen verdecken (Fig. 49). Diese Luftsporen fallen sehr leicht ab und sind keimfähig; neben diesen Botrytissporen bilden einige Arten noch massenhafte Spindelsporen mit und ohne Härchen.*) (Fig. 49.) Die Traubenform soll für diese Pilze nach Sabouraud^ö charakte- ristisch sein. Er nennt sie die Botrytisform (Fig. 46) und unterscheidet sie streng von der Acladiumform, der Ektosporenform der Mikrosporonpilze. Wie man sich aber aus Vergleiclmng von Fig. 47 und Fig. 48 überzeugen kann, kommen aucli bei den echten Trichopliytiepilzen Ektosporen- bildungen vor, die von der Acladiumform der Mikrosporiepilze nicht zu unterscheiden sind. Es ist deshalb nicht angängig auf die Ektosporen- bildung eine Einteilung zu basiren, vielmehr zeigt gerade die Aehnlicli- keit beider Typen in der Art iln-er Vermehrung, wie nahe verwandt sie sind. Die Spindelsporen (Taf. V, Fig. 154) entstehen meist an langen dünnen bogigen Lufthyphen, aber auch im Verlauf dicker Bodenmycelien und am Ende derselben. Wo diese Spindelsporen erscheinen, da sind die Kultur- scheiben mit grobem Staub bedeckt, während die Ektosporen feineren Staub bilden. Die Spindeln sind von ganz verschiedener Größe vielkammerig. Sie entstehen wie bei Mikrosporon aus den Mycelschläuclien selbst, wie ich genau beobachtet habe. Die Mycelien scliwellen am Ende oder in der Mitte an, septieren sich dicht und bilden auf diese Weise die Kannnern der Spindelspore (Fig. 49], später wird die Wand der Spindeln solider, sie füllen sich mit Protoplasma, das die sie tragenden Mycelien hergeben. Schnell nach der Bildung fallen die Spindelsporen ab und können aus jeder Kammer einen Keimschlauch treiben. Während der Ektosporen- und Spindelsporenbildung kommt es auf dem Bodenmycel zu Chlamydosporen- bildung mäßigen Grades. Echte Oidiensprossung, wie wir sie bei Favus kennen gelernt haben, wie sie auch diese Trichophytiepilze so schön in der Läsion zeigen (s. Fig. 45), bilden sie in der Eegel in künstlichem Nährboden nicht. Es kommt zwar mitunter zu unregelmäßigen Rosen- kränzen, aber lange nicht in dem Maße Avie bei Favus oder den bald zu beschreibenden favusähnlichen Pilzen. Der Polymorphismus dieser *) Dass Mikrosporon Spindelsporen stets mit Haarbesatz bildet, Trychopliyton nicht, wie Saboukaud & Bod]n meinen, konnte ich nicht bestätigen. Ueber Fär- bung der lebenden Spindelsporen mit Neutralrot s. Platoi^ Ztsch. f. Hyg., 1901. Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 631 Pilze ist enorm, scheinbar eharakteristiselie ^Merkmale ändern sich von Kultur zu Kultur und selbst die genauste Einhaltung aller Vorschriften, die Sahouraud zur Vermeidung- polymorphistischer Kulturen gegeben liat, lassen im Stich. Besonders launisch ist die Pigmentbildung. Kulturen, die monatelang gelblichen Untergrund gebildet haben, können plötzlich nach der Ueberimpfung durch ein kirschrotes oder violettes Pigment überraschen. Auf eine Beschreibung dieser polymorphistischen Fig. 46. Botrytis, nach Saboraud. Fig. 48. Ektosporenbildung bei einem Mikrosporonpilz. Unten Chlamydospore. Zeiss, Oclimmers. Vio, Oc. 2. Fig. 47. Ektosporenbildung bei einem Trichophytonpilz. Zeiss, Oclimmers. Vi2) Oc. 2. Fig. 49. Ektosporenbildung und Spindel- spoi-e bei Trichophytiepilzen. Wandlungen kann ich Raummangels wegen nicht eingehen und verweise auf die diesbezüglichen Arbeiten von Krali* S. 620 und AVälsch -^^ S. 620. Auf Massenkulturen zeigen diese Pilzvarietäten große Mannigfaltigkeit. Die eine Sorte (Katze) zeigt den Flaumtyp). Derselbe Pilz, der den Menschen passiert hat, zeigte Abweichungen im Wachstum, er hatte auch den Flaum- typ, wuchs aber viel langsamer (Taf. VI, Fig. 1691. Eine andere Sorte zeigt schöne Gehirnkulturen (Taf. VI, Fig. 160). Wieder eine andere giebt ähnliche Kulturen wie die kraterförmige der oben beschriebenen 632 H. C. Plaut, Kopftiichophytie. kommen wir auf Fig. 50. Haar aus einem Kerion (Ektothrix;. Hautherde erzeugen , so Besprechung der Haut- Da alle diese Pilze auch sie noch einmal kurz bei trichophytieen zurück. Die Trichophytiepilze wachsen hei 20—24" C. beinahe ebenso gut wie bei Körpertemperatur und auf stickstoifarmer, aber kohlenhydratreicher Nahrung vorzüglich. Hierin unterscheiden sie sich von Favus und den favusähn- lichen Pilzen. Die Pilzarten bleiben der Kultur lebensfähio:. ni ^2r Fig. 51. Das Haar von Fig. 50 im Querschnitt. (Fig. 50 u. 51). Außer dem (5 — 8 cm) einnehmen kann über den Kopf zerstreut etwa ein halbes Jahr äie sind gegen die ge- wöhnlichen Desinfektionsmittel in gebräuchlicher Konzentration ziemlich empfindlich und werden durch Temperaturen von 45° C. in einigen Stun- den getötet. Gegen Sonnenlicht sind sie sehr empfindlich, Kulturen die der direkten Sonne eine Stunde ausgesetzt wurden, wachsen häufig uiclit mehr weiter. Im Haar halten sich die meisten Trichophytiekeime selten länger als 6 Wochen. Die meisten Varietäten lassen sich mit Erfolg auf Meerschweinclienhaut übertragen, auch Kaninchen, Katzen und Hunde sind empfäng- lich. Subkutane Impfung erzeugt meist keine Eiterung. Die Impf-Trichopliytieen nehmen ge- wöhnlich keinen großen Umfang an und heilen von selbst. Typ. 3. Kopftrichophytieeu durch groß- sporige Pilze verursacht, welche beson- ders außerhalb des Haares vorkommen. Die Fälle sind hier selten, scheinen auch in Paris nicht häufig vorzukommen. Klinisch charak- teristisch ist der ausgesprochen entzündliche Cha- rakter und die gleichfalls stark entzündlichen Be- gleitaöektionen auf der wenig behaarten Haut. Auf dem Kopf kommt es zu Kerionbildung, Cerion Celsi (Tilbury, Fox.j, d. i. eine makronenartig vorspringende von Haaren ziemlich entblößte Her\orwölbung, die an vielen Stellen sieb- artig durchlöchert erscheint. Diese Löcher stellen erweiterte Follikelmündungen dar, aus denen Eiter beim Pressen hervorquillt. Die Haarstümpfe stecken nur locker in der Haut und lassen sich leicht herausziehen, sie sind kolbenförmig und zeigen die Pilz- elemente als Sporenmantel um die AYurzel herum (Fig. 50; . Um den Schaft schlängeln sich außerdem noch Mycelfäden und auch im Innern des Haars erweist die Färbung Pilzfäden und Sporen in geringer Menge Kerion selbst, der eine beträchtliche Größe pflegen noch kleinere entzündliclie Herde zu sein. Bei der Inspektion des Körpers Die Hj'phenpilze oder Eumyceten. 633 bemerkt man bei längerem Bestände der Affektion stets zahlreiche Hautringe und eiternde Trichoi)hytici)]aques. Die Affektion ist ziemlicli gutartig und kommt in einigen Wochen zur Heilung. Die subjektiven Bescliwerden aber sind sehr hochgradig, so dass die Patienten oft ziemlich herunterkonnnen. Histologie. Die histologische Untersuchung bei Keriou ergiebt nach Unna aus- gebreitete Plasmombildung. In den Haarbälgen und auch im Plasmom finden sich Abszesse. Das Obertiächenepithel ist stark gewuchert und von einer fibrinös eiterigen Kruste ohne Pilze bedeckt. Die Pilze fanden sich in der Oidienform in oben beschriebener Anordnung. Die Varietäten welche Kerion erzeugen können, scheinen nicht sehr mannigfaltig zu sein. Nach vielen englischen Autoren und auch meinen Beobachtungen nach macht der Mikrosporonpilz sicher Kerion, wenn au(;h recht selten und nur unter bestimmten Umständen (besonders nach reizender Behandlung). Der gewöhnliche Kerioupilz ist ein favusähnlicher Pilz der mit Tricho- phyton oidiophoron identisch zu sein scheint. (Taf. VH, Fig. 184.) Favusäbnliche oder Kerioupilze. Bei 37° C. erfolgt die Keimentwicklung der Sjxn-e (7 — 9 jn) schon in wenigen Stunden, bei Zimmertemperatur findet Keimung sehr lang- sam statt (in 8—9 Tagen). Sternförmige Mycelentwicklung in den nächsten 24 Stunden. Nach 3 Tagen Oidienbildung. Das ganze Mycel zerfällt in 7 — 9 u große Sporen. Später kommt es an einzelnen Zweigen zu Ektosporcnbiidung. Spindelsporenbildung und andere Fruktifikationen von mir nicht beobachtet. Massenkulturen auf miliea d epreuve stellen regelmäßige Sonnen von schneeweißer Farbe mit wurmförmigen Strahlen dar. Keine Pigment- bildung. Auf Kartoffeln schneeweiße, faltige Kulturen. Auf peptonfreien Nährböden auch bei 37° C. kaum Entwicklung. Bei subkutaner Einspritzung erzeugen die Pilzsporen im Gegensatz zu Favus und Trichophytie sein- leicht Abszesse. Kinder acquirierten die Affektion von Kälbern. Außer dieser Pilzart konnnen noch zahlreiche Varietäten großsporiger Pilze vor, Avelche auf dem Kopf der Kinder Trichophytieen erzeugen können, die aber nicht Neigung haben, Kerion zu bilden. Sie treten unter Formen auf, die leiclit mit nässenden Ekzemen des Kopfs ver- wechselt werden. Ich habe gar nicht selten bei als Kopfekzem dia- gnostizierten Affektionen Trichophytiepilze nachweisen köimen. Ver- dächtig sind alle hnpetiginösen Ekzeme des kindlichen K()i)fs, bei denen es zu" rundlich angeordneten Haarausfällen konunt. Lässt man solche Kinder sich entkleiden, so kann man häufig kleine charakteristische Trichophytieherde der w^enig behaarten Haut nachweisen. Die Krank- heit wird in den meisten Fällen durch Spielen mit Katzen erworben, seltener von Hunden ; auch von Kaninchen konnte ich den direkten Be- weis der Ansteckung erbringen. Es gelang mir bei drei Katzen und einem Hund aus Trichophytieherden dieselben Pilzvarietäten zu erlialten. wie aus den Krankheitsherden der Kinder, die mit den betreffenden Tieren gespielt hatten. Diagnose. Kopftrichophytie wird leicht mit Area Celsi verwechselt, be- sonders jene Formen mit glatter Haut. Ohne Zuhilfenahme des Mikro- 634 H. C. Plant, skops kann die Diagnose, wenn charakteristische Herde der glatten Haut fehlen, Schwierigkeiten bereiten; die Kultur wird man bei demieichten mikroskopischen Nachweis der Pilze im Haar für diagnostische Zwecke kaum benötigen. Zur Bestimmung der Varietät ist sie für die groß- sporigen Pilze natürlich notwendig, bei Mikrosporie gelingt auch ohne Kultur die Diagnose, so charakteristisch ist die Anordnung der Pilz- elemente im Haar und in der Wurzelscheide, besonders nach der Fär- bung des Haares. Auch gegen Verwechslung mit Ekzem, Impetigo und Pityriasis schützt die mikroskopische Untersuchung genügend. Cerion Celsi kann kaum mit etwas anderem verwechselt werden, wenn man die Aftektion einmal gesehen hat. Die sekundären Satelliten haben Aehnlichkeit mit Bromakne (Jarisch). Litteratnr s. Seite 620 u. 624. Barttrichophytie. Auf Grund von 230 Fällen von Bartflechte, welche Köbner^ in St. Louis Hospital in Paris studiert hatte, sprach sich dieser Forscher dahin aus, dass man zwischen einer durch Fadenpilze hervorgerufenen und einer nicht parasitären Sykosis unterscheiden müsse, die erstere sei als fort- geschrittene Stufe des Herpes tonsurans aufzufassen. In der That hat sich diese Ansicht als völlig richtig erwiesen und mau teilt heute die Bartflechten allgemein ein in Sycosis parasitaria und non parasitaria und versteht unter der letzteren eine sowohl oberflächlich als auch tiefer auftretende Entzündung der Barthaut, welche wahrscheinlich durch gelbe Staphylokokken verursacht wird. In Frankreich war es Bazin', in Eng- land Mc. Call Anderson und in Italien Tanturri^, welche die Existenz einer Sycosis parasitaria behaupteten, während sie von Hebra lange Zeit geleugnet wurde. Kaposi, Ziemssen^"^, Michelson-*, Levin^, Doutre^ LE PONTE, Lesser uud andere haben diese in einigen Distrikten häufige, in anderen ungemein seltene Hautkrankheit eingehend untersucht und beschrieben. Man kann nach Sabouraud bei der Bartflechte eine trockene und eine eiterige Form unterscheiden und die letztere wieder in eine oberflächliche und eine tiefe einteilen. Der Beginn ist ein typischer Herpesring mit oder ohne Kandbläschen. In diesem Stadium kann die Krankheit verharren, sich durch Ringbildung weiter verbreiten und bei sachgemäßer Behandlung rasch abheilen. Aus dieser oberflächlichen Form entwickelt sich aber bei Disposition (schwarze Individuen mit starkem Bart) oder reizender Behandlung die tiefere Form oft ganz plötzlich. Die Haarfollikelwandungen und ihre Umgebung zeigen Neigung zu Eiterbildung. Das ausgeschiedene Exsudat trocknet zu Borken ein und die Affektion macht schnelle Fortsehritte in die Tiefe. An einzelnen Stellen entsteht Infiltration mit Knotenbildung. Die Bart- haare fallen aus oder hängen lose in der Follikelwindung. Befallen sind besonders Kinn und der an das Kinn grenzende Halsteil. Besonders häufig werden von dieser Form Leute ergriflen, die Tiere abzuwarten haben.*) *) Während der Korrektur dieser Arbeit erschien im 1. Hefte des 60. Bandes des Archivs für Dermatologie eine Mitteilung von A. Neissek betreffs der Ver- suche, welche sein im Januar 1902 verstorbener Assistent Dr. Plato über die Stoifwechselprodukte der Trichophytiepilze angestellt hatte. Ich kann aut diese sehr wichtige Arbeit in dieser Anmerkung nicht so eingehen, wie sie es verdiente und hebe nur folgendes hervor: Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 635 Histologii^clie Befunde. Die histologischen Befunde sind ven Doutke le post2, Unna, Ull- MAMN^ und Wälsch'^ eingehend studiert worden. Für die oberfläch- liche Form fand Unna* neben den bekannten Veränderungen an den Haaren und den Wurzelscheiden, Erweiterung der Blutgefäße, Hyperplasie aller zelligen Elemente in Oberhaut und Cutis. Mitosen. Bindegewebezellen vermehrt. Keine Plasmazellen. Tv^ms der einfachen entzündlichen Hyperplasie. Die tiefen knotigen Formen ergeben Uebereinstimmung mit denen der Kerioubildung aber mit dem Unter- schiede, dass das Kerion nach der Peripherie, die Sykosisknoten nf.ch dem Centrum zu wachsen. Es kommt von den Follikeln aus zu Intiltration des perifollikulären Gewebes bis ins Unterhautzellgewebe, daran schließt sich Follikeleiterung und Einschmelzung des ganzen Gewebes zu Abszessen. Die Pilze sind meist um den Follikel herumgelagert und zwar in Sporenform, nach oben verlaufen die Mycelien in der inneren Wurzelscheide, dringen aber auch in die Haarsubstanz ein (Endoektothrix). Auch kommt es meinen Be- obachtungen nach vor, dass das Barthaar von den Pilzen hauptsächlich im Haar befallen wird und zwar von rechteckigen Mycelien. Das Haar ist dann von einem Endothrixhaar nicht zu unterscheiden. Die favusähnlichen Pilze befallen das Haar meistens in der inneren Wurzel- scheide und reichen nicht weit nach dem Schaft zu. Symptome und Verlauf. Während die oberflächlichen Formen außer Juckgefühl keine Be- schwerden verursachen, sind die tiefen Knoten äußerst schmerzhafte Leiden, welche die Patienten psychisch und physisch stark beeinflussen. Der Verlauf ist bei geeigneter Behandhmg stets günstig, jedoch kann sich, das habe ich sicher beobachtet, an eine parasitäre Sykosis eine sogen, staphylogene anschließen, insofern muss man die Prognose vor- sichtig stellen. Pilzvarietäten. Die erzeugenden Pilze sind in Bezug auf Varietätcnbildung sehr mannigfaltig, nach Mibelli -2 S. ^20, Ullmann", Rosenhach^» S. 620, Krösing und meinen Erfahrungen können aber dieselben Varietäten die oberflächlichen Formen und tiefe Sykosis erzeugen. Das steht im Gegensatz zu Sabuukauds Angaben, der für die mit tiefer Haut- entzündung eiuhergehende Sycosis circinee, eine schneeweiße Tricho- phytonart mit sternförmigen Ausläufern, vom Pferd stammend, fand, für die leichte feuchte disseminierte Hautentzündung eine gelbe gehirntormige Plato legte seine Kulturen (von tiefer Sykosis stammend) auf Maltosepepton- bonillon an und benutzte zur Herstellung des Trichophytin solche Kulturen, welche mehrere Monate bei Zimmertemperaturen gewachsen waren. Subkutane Ein- spritzung der zerriebenen, filtrierten und mit Karbol 0,25X) versetzten Kultur- produkte riefen bei gesunden Tieren und Menschen keinerlei Reaktion hervor, wohl aber reagierten Patienten mit tiefer Sykosis mit Fieber, ähnlich wie Tuber- kulöse bei Anwendung des Tuberkulins. Sehr interessant ist nun die Thatsache, dass Patienten mit oberflächlichen Bartherden nicht reagierten. Die Allgemein- reaktion war stark, örtliche scheint sehr gering gewesen zu sein. Ein Rückgang der Krankheitserscheinungen infolge der Einspritzungen war nach Weisser un- verkennbar. 636 H. C. Plaut, (Taf. VI, Fig. 166 und 167), und für die trockne Form eine rosa Abart. Ich habe auch diese drei Arten hier in Fällen von Sykosis gefunden, aber, wie gesagt, unabhängig vom klinischen Bild. So stammt die scheiben- förmige rotbraun ])estaubte Kultur (Taf VI. Fig. 161 u. Taf VII, Fig. 181) von einer äulierst schweren Sycosis parasitaria. Die Knoten wurden für bösartige Neubildungen gehalten und operativ entfernt. Die schneeweiße Kultur stammt gleichfalls von einer tiefen Hautentzündung (Taf VI, Fig. 162 u. Taf VII, Fig. 182). Sehr häutig findet man hier (Hamburg) den Kerionpilz bei Sykosis, also einen favusähnlichen Pilz (Taf VI, Fig. 168). Diagnose. Die häufigste Verwechslung kommt mit Kokkensykosis vor. Die Ringform bei der parasitären Sykosis im Anfang ist für diese Krankheit charakteristisch und wird bei der anderen Form nicht gefunden. Kommt es zu Knotenbildung, so ist das höchst akute Auftreten dersell)en für die parasitäre Natur der Krankheit maßgebend, die Sykosis non par. ver- läuft äußerst chronisch. Der Nachweis der Pilze ist ia diesem Stadium mikroskopisch schwer, leicht bei der Anwendung der Kulturverfahren. Im Anfang bietet der mikroskopische Nachweis der Pilze in den Rand- haaren der Ringe keine Schwierigkeiten. Die parasitäre Sykosis kann auch mit knotig ulzerösem Syphilid verwechselt werden. Auch hier entscheidet das akutere Auftreten der ersteren Erkrankung die Diagnose neben der Anwendung des Mikroskops und des Kulturverfahrens. &' Litteratur. (Siehe auch Seite 024. 1 Bazin, Consideration sur la mentagre et les teignes de la face. Paris 1854. — - DouTRELEPOKT, Ein Fall von parasitärer Sycosis. Monatshefte. IL Bd. Nr. 4, 1883. — 3 Levin, Charite Annal. I, 1870, cit. nach Wejl. — * Michelson. Archiv. 18Ö9, cit. nach Weyl. — 0 Köbner, lieber die Sycosis und ihre Beziehungen zur Mycosis tonsurans. Virch. Archiv, Bd. 22. 1801." — ß Tanturri, Morgagni, 1871, p. 130, cit. nach Weyl. — ' Ullmann, Zur Aetiologie und Histologie der Tricho- mycosis tonsurans. Wien. klin. Wochenschr.. 1890. Gute Litteraturangaben. — *^ Unna, Histopathologie. — '•' Wälsch, Beiträge zur Anatomie der Trichophytosis. Archiv, 1890. — "' Ziemssen, Greifswalder mediz. Beitr., 1803, cit. nach Weyl. Körpertrichophytie . Tricliophytia circumscripta. Die Erkrankung wird meist von Tieren acquiriert und kommt des- halb auf dem Lande, wo die Bewohner in engere Berührung mit den Haustieren kommen, häufiger vor als in der Stadt. Befallen sind Ge- sicht, Hände, Arme und Hals. Die anfangs kleinen ringtörmig auf- tretenden Plaques erreichen die Größe von 5—6 cm, sind von lebhafter, kirschroter Farbe und am etwas erhabnen Rand mit Bläschen und Börk- chen besetzt: Herpes tonsurans vesiculosus. Centrum der Ringfigur ist, wie bei allen Trichophytieen der glatten Haut, meist glatt. Das In- einanderlaufen der Herde, die sogenannte münzenartige Konfiguration, ist bekannt. Selten kommt es vom Centrum der Ringe aus zu neuem Auf- fiackeru des Prozesses, für gewöhnlich werden durch Kratzen die Pilze auf noch freie Hautstellen übertragen. In der Hohlhand verläuft die Krankheit chronisch, sonst akut in wenig Wochen auch ohne Behand- lung. Gereizt oder schlechtbehandelt kann die ol)erflächliche Form auch in die tiefe Form übergehen und auch auf der glatten Haut sind Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 637 kerionnrtige Bildna^^en beobachtet. Die subjektiven liescliwerden sind meist bedeutend, besonders wenn starke Eiterung vorlianden ist (Herpes tonsurans bulosus). Histiologie. Die Pilze kommen als Mycelien in den Horuschicliteu, also sehr obei-fläch- lich vor, Sporen sind nur wenige vorhanden. Talgdrüsen meist in Mit- leidenschaft gezogen, Drüsen selbst frei, auch die Schweißdrüsen. Histologi- sches Bild sonst nur graduell von der Kopftrichophytie abweichend. In den selten auftretenden tiefen Formen finden sich die Verhältnisse wie S. 633 beschrieben. Die Varietätenbildung dieser Pilzformen ist sehr groß (Tai. VI, Fig. 159, 160, 164, 165, 169, 170, 171), fast nie gleichen sich die Kulturen der aus den Krankheitsherden herausgezüchteten Pilze in ver- schiedenen Fällen vollständig. Kleine Abweichungen bilden die Regel, große sind häufig, absolut gleiche Kulturen die Ausnahme. Man findet in den Hautherden die Pilze nicht so leicht wie auf dem Kopfe und muss oft lange suchen, bis man den ersten Mycelfaden entdeckt. Die Züchtungsmethode in situ hat sich besonders bei diesen Formen be- währt, weil andere Methoden nicht selten bei der geringen Anzahl der Parasiten im Stich lassen (Taf VIT, Fig. 186 u. 188j. Die Pilze gehören meist zu den eigentlichen Trichophytiepilzen mit großen Sporen, indes macht, wie schon mehrftich angedeutet, auch Mikrosporon Hautherde bei Kindern und Erwachsenen. Diagnose. Zunächst besteht eine Aehnlichkeit mit seborrhoischem Ekzem, dieses tritt aber in größerer Verbreitung auf, der Ring hat keine steilabfallen- den Räuder, keine Bläschen, keinen roten Hof und ist flacher. Die Farbe ist auch bei Trichophytie lebhafter, kirschrot, während sie beim seborrh. Ekzem gelblichrot zu sein pflegt. Schuppen sind bei Tricho- phytie leicht, bei Ekzem schwer zu entfernen. Alle diese Momente aber können täuschen und oft kann nur eine Entscheidung durchs Mikroskop erbracht werden. Eine gewisse Aehnlichkeit besteht auch mit circinärem Syphilid; hier ist aber das atrophische Centrum des Ringes eingefallen und das umgebende meist vorhandene Infiltrat von bräunlicher Färbung. Mit Psoriasis wird die Affektion kaum verwechselt werden, davor schützt die Lokalisation der Psoriasis und die andere Beschaffenheit ihrer Schuppen. Favus und Trychophytie können in vielen Fällen nicht aus- einander gehalten werden, wenn nicht Scutulumbildung vorhanden. Hier muss Kultur und Tierversuch zur Diagnose der Varietät herangezogen werden. Trichopliytia disseminata. Diese Form kann sich aus der vorigen entwickeln, kommt aber meist spontan vor. Nach Kaposi'* soll die Erkrankung durch feuchte Woll wasche acquiriert werden, auch durch solche, die lange in den Läden gelegen hat und ungewaschen auf den Körper gezogen wird. Gewöhnlich entstehen ganz akut über einen großen Teil des Körpers so dichte Effloreszenzen, dass man ein akutes Exanthem vor sich zu haben glaubt. Bei genauer Betrachtung bemerkt man, dass es sich um kleinste rote Papeln handelt, die auf ihrem Centrum ein Schüppchen 638 H. C. Plaut, tragen. Die Papeln vergrößern sich und verwandeln sich dann durch zentrale Abheiluug und peripheres Wachstum zum Teil in typische Ringe. Brust, Rücken, Oberschenkel und Arme sind am meisten befallen. Nach Kaposi soll die Aftektion auch auf den behaarten Kopf übergehen können. Verlauf ist günstig, aber oft dauert es Wochen, bis vollständige Heilung eintritt. Die Krankheit ist in südlicheren Ländern häufiger als in nördlich gelegenen. Indes habe ich sie hier in Hamburg einmal beobachtet und zwar bei einem Falle der als seborrhoisches Ekzem diagnostiziert war. In Leipzig habe ich sie in der LEssERSchen Klinik vor Jahren häufiger gesehen. Von vielen Dermatologen z. B. Unna wird das Vorhandensein dieser Krankheit überhaupt in Abrede gestellt. Sie hat in der That große Aehnlichkeit mit seborrhoischem Ekzem und Pityriasis rosea, indessen gelingt es bei eifrigem Suchen Pilze mikroskopisch zu finden und auch zu kultivieren. In dem einen Fall, den ich kulturell untersucht habe, fand sich ein Ektosporen in großer Menge produzierender Pilz, braune bestaubte Sonnen bildend. Diagnose. Herpes tonsurans disseminatus wird besonders mit Pityriasis rosea und seborrhoischem Ekzem verwechselt. Riehl behauptet bekanntlich die Identität der Pitiryasis rosea mit Trichophytie und in der That ist die Aehnlichkeit beider Aftektionen eine auffallende. Bei Pityr. rosea soll sich häufig ein monatelang bestehender Primitivfleck finden, auch der Verlauf entscheidend sein. Das Mikroskop wird kaum zur Ent- scheidung herangezogen werden können, da der Nachweis der Pilz- elemente bei dieser Trichophytieform schwierig ist. Das Kulturverfahren (in situ) ist in jedem Falle entscheidend. Die Ditferentialdiagnose zwischen seborrh. Ekzem und disseminierter Trichophytie ist dieselbe wie bei der circumskripten Form. Roseolae syphiliticae haben ebenfalls Aehnlichkeit mit Trichophytia disseminata, indes fehlt hier die zentrale Schuppe im Anfang und die Schuppenbildung im Verlauf, ferner auch das Juckgefuhl, dass bei Trichophytie sehr ausgeprägt ist und endlich ist die Roseola sehr gleichartig, die Trichophytie mehr polymorph (Ringbildung neben Papeln). Nägel erkr an kun gen. Die Ouychomycosis trichophytina wurde von Kaposi^ (1853), Meissner^ (1853) und Virciiow'^ (1856) in den Nägeln Trichophytiekranker beobachtet. Nach Pelizarri** erkranken 13^, nach Arnozan & Dlbreuilh', die die Statistik in ihrem ausgezeichneten Werk eingehend behandeln, 8,8 aller Trichophytiekranken an dieser Nagelaffektion. Nach anderen Autoren ist es eine äußerst seltene Krankheit (Anderson^ und White). Dubreuilh-^ meint, dass sie leicht übersehen wird. Die Krankheit entsteht primär oder durch Fortpflanzung vom tricho- phytiekranken Haudrücken aus. Durch Pflege maltraitierte Nägel sind besonders disponiert (Collas, Pürser). Auch nach Operationen an den Nägeln wird die Krankheit be- obachtet. Nach Unna geht Ekzem der Nägel vorher. Es existiert auch diese Onychomykose ohne Beteiligung des übrigen Körpers (Meissner). Man unterscheidet 3 verschiedene Formen: In der ersten sind 2 Schichten vorhanden, eine harte, elfenbeinartige und eine weiche hollundermarkartige (Folge: Querkrümmung), die zweite Form zeigt Die Hj'phenpilze oder Eamyceten. 639 Loslösung- und Zerstörimg des Nagels, die dritte Verdünnung des Nagels, auch Verkürzung. Kur großsporige Pilze sind bis jetzt bei der Aftektiou gefunden worden. Eigene Erftihrungen fehlen mir. Der Verlauf ist äußerst chronisch, 30 Jahre und länger wurde das Bestehen des Leidens beobachtet, indes kommen auch Spontanheilungen vor (DüBREUILH^). Diagnose. Ohne Anwesenheit von Hautaflfektionen charakteristischer Art ist eine Differentialdiagnose zwischen Onychomycosis favosa und trichophytiua nicht möglich. Die gelben Pilzkörper können bei der favösen Form aucli fehlen. Kultur versuche und Tierexperimente werden in zweifelhaften Fällen nicht zu umgehen sein. Litteratur. Genaue Litteratur bei Heller, Die Krankheiten der Nägel. Berlin 1900. 1 Arnozan & DuBREUiLH, De la trichophytie des mains et des ongles. Arch. cliniques de Bordeaux, 1892. — - Anderson Mc. Call, On the treatement of diseasis of the skin. London 1872. — 3 Dubreuilh, Zahlreiche Arbeiten aus den Jahren 1890 — 98. — * Kaposi, Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten, 1899. — 5 Meissner, Pilzbildung in den Nägeln. Arch. f. phys. Heilh., 1853. — 6 Pelizarri, Ueber Trichophytie. XIL Congress zu Pavia. Monatshefte, 1887, S. 1049. — 7 Purser, Two cases of onychomycosis. The Dublin Journ. of Med. Sc. 1865. — 8 ViRCHOW, Archiv. IX, p. 587.' Besondere Formen der Trichophytie. 1. Eccema marginatam. Die erste genauere Beschreibung dieser Erkrankung stammt von Devekgie^ und Bärensprüxg^ (1854 und 1855). Letzterer entdeckte die Pilze und nannte die Affektiou Herpes inguium. Hebra^ (1860 leugnete, wie heute noch Unna und Besnier, ihre Pilznatur zuerst und nannte sie deshalb Eccema marginatum, später gab er ihre parasitäre Natur zu. Den Beweis, dass Eccema margin. und Herpes tonsur. durch identische Pilze erzeugt werden, erbrachte Köbxer 1864 durch Impfungen am eigenen Körper. Die Krankheit, die sehr wenig kontagiös ist* , kommt häufiger bei Männern als l)ei Frauen vor, und besteht in einer scharfrandig abge- grenzten, wallartig abfallenden, kreisförmigen Affektion an denjenigen Teilen der inneren Oberschenkel, die den Genitalien gegenüberliegen. Ebenso werden die Hinterbacken um den Anus herum befallen. Diese Form heilt im Centrum nicht aus, wie die gewöhnlichen Ringe des Herpes tonsurans. Die Oberfläche ist rötlich, exkoriiert und mit Blasen oder Pusteln besetzt, welche sich nach dem Abkratzen mit Borken be- decken. Histologie. Nach Spiegler^ (1897) ist die Hornschicht eigentümlich verändert. Hier sind Knötchen, welche aus spindelförmigen Zellen und homogener Protoplasmamasse gebildet werden, anzutreffen. Die Protoplasmamasse (Syncitium) verdankt ihr Entstehen den Pilzen, die sich in den Knötchen befinden. Außerdem interspinales Oedem und zahlreiche spindelförmige *) Eheleute werden nicht einmal angesteckt, wenn der; eine Teil mit Ecc. margin. behaftet ist. 640 H. C. Plaut, Zellen in den erweiterten Spalträumen, in den Papillen und um die Ge- fäße der Cutis herum. Bestätigungen dieses eigentümlichen Befundes bleiben abzuwarten. Verlauf Die Ausbreitung geschieht gewöhnlich so, dass von vornher die Er- krankung nach der Umgebung des Anus schreitet und von hier ans über die hintere Schenkeltiäche nach dem Stamme übergreift. Besonders leicht und hartnäckig werden Hautstellen ergriffen, welche mit anderen in innigem Kontakt stehen, wie Scrotum und Oberschenkel, Brust und Mamma, Achselhöhle, Hängebauch und Schenkel. Subjektiv wird über heftiges Jucken geklagt. Die Krankheit ist schwer therapeutisch beeinfiussbar und dauert oft über Jahrzehnte. Ihr Wesen besteht, wie Wälsch^ zweifellos festgestellt hat, in dem gleich- zeitigen Auftreten eines Eccema Intertrigo und eines Herpes tonsurans. Den Pilz fand Wälsch in keiner Weise von Pilzen anderer trychophy- tischer Lokalisation verschieden, er zeigte aber entsprechend dem eigen- artigen Terrain dem er entstammte gewisse Eigentümlichkeiten. Er bil- dete nach einer Woche einen flachen Käsen mit zentraler Erhebung und graurosa Bestaubung, die übrigen Teile des Rasens zeigten grünlich gelbe Verfärbung u. s. w^ Diagnose. Die Verwechslung mit gewöhnlichem Genitalekzem ist häufig. Bei Ekzem ist der Uebergang in die gesunde Haut diffuser, bei Marginal- ekzem scharf und durch den steilabfallenden Rand charakterisiert. Die zentralen Rezidive fehlen bei Ekzem, ebenso die starke Hautverdickung. Bei Zuhilfenahme des Mikroskops ist die Entscheidung leicht, die Pilze sind massenhaft vorhanden. Gegen Verwechslung mit Erythrasma schützt gleichfalls das Mikroskop. Litteratur. 1 V. Bärensprung. Chariteannalen, VI. Jahrg., 1855, S. 150. — - Devergie, Traite Pratiqne des Maladies de la peau. Paris 1854. — 3 Bebra, Handbuch der speziellen Path. u. Ther. v. Virchow, Bd. 3, 1800. — * Spiegler, Histologische Studien über das Eccema marginatum. Arch. XXXVIII, 1897. — 5 Wälsch, Ueber die Mannigfaltigkeit u. s. w., a. oben, 1896. 2. Tinea imbricata. Pita. Tokelau. Samoa disease. Wir haben diese Affektion schon S. 570 erwähnt. Beschrieben wurde sie zuerst von Patrik Manson^. Charakteristisch sind Ringe be- sonders auf dem Rücken, der Brust, dem Bauch und den Schultern, »deren schwache Krümmung auf ein weit entferntes Centrum hindeuten und deren Schuppen dachziegelförmig übereinanderliegen«. Die unter diesen Schuppen gelegene Haut ist heller gefärbt, als die zwischen den Herden. Die Krankheit befällt den ganzen Körper mit Ausnahme des behaarten Kopfes, überhaupt werden Haare im Gegensatz zu Trichophytie nicht befallen. Sie kommt sehr häufig auf den Inseln des Malayischen Archipels zur Beobachtung. Es finden sich aber auch ähnliche Atfektionen bei Greisen (Sabouraud) in Europa. Nach Koch^ ist diese Erkrankung auf den Südseeinseln außerordentlich häufig, manchmal sind fast alle Bewohner eines Dorfes ergriffen. Die Pilze sind nach Sabouraud^ in den Schuppen sehr zahlreich und von Trichophytiepilzen nicht zu unterscheiden. Gewebsschnitte aus der UNNASchen Sammlung zeigten mir massenhaft Fäden mit Zerfall Dio Hyphenpilze oder Eumyceten. 641 in rechteckige Sporen, die Schnitte durch Agarkulturen desselben Ursprungs lassen Pilzelemente erkennen, die den Ektosporcn nach zu ur- teilen zu den großporigen Trichophytieen gehören, von den asoly- morph ist und die Uebertragung desselben auf Menschen und Tiere nur selten und erst nach längerer Tnkubationsdauer zu gelingen scheint. 1 n Die Pityriasis versicolor klinischer Hinsicht. Die S. 647 beschriebenen ausgebildeten Flecken treten im Beginn punktförmig auf und breiten sich nur sehr langsam aus. Die Farbe ist l»ei Weißen milchkaffeefarl)ig bis braun, bei Negern heller als die Um- gebung, bei der gelben Rasse fehlt eine besondere Färbung, nur die Schuppung tritt hervor. Die Effloreszenzen sind nicht erhaben, nur bei starkem Schwitzen erseheinen sie et- was prominierend (Lesser'"'), sie sind ausgebildet von sehr verschiedener Größe und l)ilden Figuren, die einem Tropfen Wasser gleichen, der aus mäßiger Höhe auf eine glatte Fläche gefallen ist. Prädilektionsstelle ist die Brust über dem Sternum, die Affektion kommt aber auch auf allen andern Teilen des Körpers vor. Die von Kleidung be- deckten Teile sind immer stärker als die unbedeckten befallen, wohl weil die letztern häufiger gewaschen werden. Damit kommen Avir auf ein Charak- teristicum der Flecken, ihre leichte Ent- fernbarkeit durch den Fingernagel. Es gelingt^ wenn mau beim Kratzen nur ein wenig aufdrückt, den ganzen Fleck als eine Lamelle abzulösen. Spontane Schuppung fehlt meist vollständig, ist aber ausnahmsweise bei einzelnen Indi- viduen sogar sehr ausgeprägt vorhanden. Besclnver den fehlen, die Flecken werden zuerst vom Patienten gesehen, sel- Fig. 52. Pityriasis-versicolor-Ele- mente auf Hantschxippen, mit Ziel- scher Lösnng gefärbt. Bei rß rippen- älinliche Bildungen, (ß kugelartige Protoplasmahäufnngen in Globulis und frei. von selbst. Im Sommer ^ehen teuer werden die Träger der Affektion durch den ganz leichten Juckreiz auf- merksam. llnl)eliandelt liaben die Flecken sehr langen Bestand und ver- schwinden meist erst im höheren Alter sie zurück (Schwitzen, Baden), im Winter breiten sie sich aus. Histologie und Morphologie. Die Anordnung der Pilze in den Hautschuppen ist charakteristiscli : Die kurzen dicken gekrümmten Hyphen (7 — 13 // lang und 3 — 4 (.l breit) umgel)en die mächtigen Sporenhaufen, welche aus groben, doppelt kou- turierten (4 — 7 (.i) runden Einzelsporen, selten aus Sporeuverbänden be- stehen (Fig. 52). Wenn man die Sporen färbt, so erhält man über die von Vuillemin c^ Matakieff näher studierten Verhältnisse Aufschluss. Man bemerkt 652 H. C. Plaut, mit ZiELScher Lösung stark gefärbte (llobiili (Fig. 52 f/,) im luiiern der Sporen, die walirsclieinlich innen an der Membran anliegen, nicht, wie VriLLEMiN & Matakieff meinen, auf der Meml)ran; das ü])rige Proto- plasma in der Spore, das nicht oder schwach gefärbt ist, repräsentiert sich dann in Scheinlinien, die von einem Pol zum anderen laufen. Häufig l)emerkt man, dass diese Globuli in viele einzelne kleine Körner zerfallen (Fig. 52 Burchardt, Med. Zeitung, 1859. — '' Behrend, Realencycl. von Eulenburg. — '^ Ducrey & Reale. Contrib. allo stud. deir Erj'thrasma Napoli, 1893, cit. nach Jarisch. — *^ Hebra, Archiv, 1809, S. 163. — " ije Michele, Erj^thrasma, Monatshefte, Bd. III. 1884. — 1" Riehl. Ueber Erythrasma. Wien. med. Wochenschr., 1884. — n Rosenbach, Mikroorganismen bei den Wundinfektionskrankheiten bei Menschen. Wiesbaden J884, S. 117. — 1- Sabouraud, Pratique dermat. Erythrasma. — i-' Slmon, Die Lokalisation der Hautkrankheiten. Berlin 1873. — i* Wolff, Realencvclop. von Lesser, 1900. Trichosporie (Piedra Columbia, Piedra nostras, Tinea nodosa). OsoRio^"^ beschrieb im Jahre 1846 zuerst diese eigentümliche Haar- affektion, welche er bei Frauen häufig, seltener in den Barthaaren der Männer beobachtet hatte. Sie ist durch kleine, braune, steinharte Knoten charakterisiert, welche in ungleichen Abständen an den befallenen Haaren sich vorfinden und besonders deutlich zur Wahrnehmung kommen, wenn man das Haar durch die Finger zieht. Zunächst glaubte man, und das war auch die Ansicht des Entdeckers, dass diese Haaranomalie sich auf ein ganz bestimmtes Gebiet des Staates Columl)ien, nämlich Cauca, beschränke. Die dortige Bevölkerung nennt diese Affektion mit dem spanischen Namen piedra, Stein, wegen der harten Be- schaffenheit der Knötchen. Osoeio sandte Haare zur mikroskopischen Untersuchung an Desenne^ in Paris und Malcolm Morris -^ in London. Desenne* fand Fadenpilze, Morris sporenähnliche Körper, Osorio hatte nur Zellen von hornartigem Charakter beschrieben. Genauere mikroskopische Untersuchungen und Beschreibungen der Haare unter- nahmen dann Juhel Renov^^ (1888) und Behrend^ (1890). Dem letzteren gelang die Züchtung eines Pilzes aus Columbischen Haaren, den er Trichosporon benannte, zu gleicher Zeit ist auch Juiiel Renoy die Züchtung des Pilzes geglückt. Behrend beschrieb im Jahre 1890 den ersten Fall von einheimischer Piedra in Berlin und gleiche Beobachtungen machten in den folgenden Jahren Unna^^ (1895), Magelhae.s^ 1901 in Rio de Janeiro imd Vuillemin^'^' in Paris (1902). An toten Haaren Die Hyphenpilze oder Eumyceten. 657 sind iUinliche oder identische Anomalieen schon früher beschrieben worden. Beigel^ (i8ß5)^ Knocii'' (186ß) und Lindemann" (1867) fanden ziemlich gleichzeitig an Ohignonhaaren Knoten mit ])arasitischeni Inhalt. Lindemann glaubte, sie beständen aus Gregarinen, indessen zeigte Beigel, dass es sich um einen Fadenpilz handele, den man wegen seines grünlichen Farbstoffes zunächst bei den Algen unterbrachte und Pleuro- coccus Beigeli benannte, während ilm dann Migula** (1899; zu den Schizorayceten stellte. Er gehört natürlich zu den Fadenpilzen. Bei Tieren wurde von Welcker*^ in den Haaren der Faultiere in der Beleg- schicht längs der hornigen Axe ebenfalls ein Pleurococcus ;P. brady- podis) in großer Menge und fast bei jedem Individuum gefunden und ein anderer Pleurococcus (cholopodis) grünlichen Inhalts ist in den Haaren des zweizehigen Faultieres allgemein. Leunis III (1886j, S. 189. Klinisches. Die Kolumbische Piedra ist von der einheimischen in einiger Be- ziehung verschieden. Zunächst haben wir schon oben gesehen, dass in Kolumbien meist Frauen ergriffen werden, während die einheimische Form nur im Schnurrbart beobachtet wurde. Sodann zeichnet sich der Knoten des kolumbischen Haares durch seine Härte aus, von der man sich eine Vorstellung machen kann, wenn man bedenkt, dass die Schere, die zum Haarsclmeiden gebraucht wird, knirscht, wenn sie die Knoten trift't und schartig werden soll. Die Knoten der europäischen Piedra dagegen sind nur wenig hart. Bei den kolumbischen Haaren wird ein Zusammenkleben derselben beobachtet*), während auch diese Erscheinung bei der europäischen Form fehlt. Endlich sind die Knoten bei der Kolumbischen Piedra klein, die Pilzelemente groß, bei der europäischen dagegen besteht das umgekehrte Verhältnis. Die Piedra nostras zeigt nun ihrerseits auch kleine Abweichungen bei den bisher beol)achteten Fällen. Besonders wichtig ist in dieser Beziehung der Fall Vuillemins, weil die mikroskopische Untersuchung der Schnurrbarthaare ergab, dass die Pilze sich nicht wie in den bisher beschriebenen Fällen darauf beschränkten auf der Oberfläche des Haar- schafts zu wuchern, sondern die Cuticula aufblätterten und in die Spalten eindrangen. Hier handelt es sich also um eine primär durch den Pilz verursachte Schädigung des Haares, während bei der von Behrend beschriebenen Affektion der Pilz Haare befallen hatte, welche das klinische Bild der Trichorhexis nodosa zeigten, also in vorhandene Läsionen sekundär seinen Einzug gehalten hatte. Die Unna-Tkachsler- schen^* Haare zeigten absolut keine krankhaften Veränderungen, ver- hielten sich also in dieser Beziehung analog den kolumbischen. Haare. Die Haare sind nur in dem freien Haarschaft befallen, der in der Epidermis steckende Teil ist völlig frei und gesund. Die Knoten sitzen in ziemlich regelmäßigen Abständen (manchmal sollen sie auch un- regelmäßig sein) in Entfernungen von ^2 — 1—1^2 cm voneinander, bilden auch wohl einen unregelmäßigen Mantel um das Haar (Fall *) Dies Zusammenkleben der Haare wird mit der Gewohnheit der Kolum- bierinnen erklärt, die Haare häutig mit Leinwasser zu waschen. Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 42 658 IL V. Plaut. Vuillemin). Bei der kolumbisclien Piedra handelt es sieb, wie Fig. 55 zeigt, um richtige Knoten. Diese runden oder spindelförmigen Pilzanhäu- fungen sind durchsichtig, so dass man das Haar durchscheinen sieht. Sie scheinen aus weiter nichts als aus runden, ovalen, i4 kleinen oder großen Pilzsporen (je nach der Varietät) zu bestehen, welche infolge des engen Beisammenliegens eine mosaikartige Form angenommen haben. Eingebettet und zusammengehalten werden sie durch eine schleimige Masse. Auf dem Querschnitt, wenn schief hergestellt, sieht man in UxNASchen Präparaten deutliche dicke My- celien palissadenförmig aufsteigend. Pilz Varietäten. Man kann bis jetzt vier Pilzvarietäten unterscheiden, welchen ebenso viele klinische Varietäten entsprechen. Vuillemin hat vorgeschlagen, wie mir scheint mit vollem Hecht, den Pilz als Trichosporon (nicht Trichosporum wegen der Analogie mit Mikrosporon) zu bezeichnen und die durch ihn hervorgerufene Affektion als Trichosporie. Die erste Varietät, Trichosporon giganteum von Unna benannt, erzeugt die Trichosporia columbia. Es handelt sich um gleichmäßige nach Juiiel Renoy 10 /<, nach Desenne ]2 — 15 II große Pilzsporen mit wenigen My- celien, welche in einem Schleim eingebettet die distiuk- ten Knotenbildungeu am Haar verursachen. Die Knoten sind klein, unauffällig aber sehr hart. Außer den Pilz- sporen fanden Juiiel Renoy & Behrend noch Bazillen im Schleim, die aber mehr eine zufällige Verunreinigung darstellen. Der Pilz wächst schnell; bei Bruttemperatur erhielt Behrend schon in 24 Stunden Plattenkolonicen von Fadenpilzsternen. Dieselben wachsen auf Agar als knopfförmige Buckel mit feuchtgläuzender Oberfläche und Bandstrahlen, später nahmen sie bestaubte Ober- fläche an, auf saurem Brotbrei entstehen gehiruförmige Kulturen, ebenso auf Kartoffeln, aber mit schwarzer Verfärbung derselben und auf Aepfeln wachsen sie als hoher Hügel mit glatter Oberfläche. Die Pilzfäden sind 1 — ü u lang und 1 — 4 » breit, oft gegliedert. Sporen endständig oder frei in Ketten oder Haufen (1,5 — 7 /<), die ovoiden 4—5 ii breit und 5 — (i « lang. Die auch beobachtete hefeartige Sprossung zeigt große Aehulichkeit mit der bei Oidium lactis. Ekto- Fig. 55. Haar von Sporen und Endosporen werden reichlich produziert, auf Piedra columbia älterem Nährboden auch 8 — 12, u große chlamydosporen- artige Gebilde mit vielen stark lichtbrechenden Kör- perchen. Die radiären Strahlen bestehen aus Hyphen und Sporen. In Flüssigkeiten bilden sich nur Fäden, welche nach der Oberfläche Ektosporen abscheiden. Die zweite Varietät, Trichosporon ovoides Behrend erzeugt eine Piedra nostras. Die Knoten sind sehr umfangreich, so dass das Haar an den betroffenen Stellen um das 3 — ^4 fache verdickt erschien. Die aus der Unna- sehen Sammlung Starke Lupen- vergrößerung. Die H} phenpilze oder Eumyceten. 659 Pilze umgeben das Haar teils als kontinuierliche Scheiden, die 4 — 5 mm Länge erreichen, teils als spindelförmige Auflagerungen. Farbe der Pilz- auflagerungen bräunlichgelb, wenn glatt, und grauweiß, wenn uneben. An einzelnen Stellen besonders dort, wo die Auflagerungen beträchtlich sind, zeigen sich Querrisse, in denen der völlig intakte Haarschaft sicht- bar ist. Die Haare zeigen auf den Abbildungen auch Längspaltuugen. Hauptunterschied von den kolumbischen Haaren liegt in der geringeren Härte der Sporenlager und der enormen Größe der Knoten. Kultur des Pilzes nach Behrend identisch mit der ersten Varietät, nach Uxna-Trachsler bestehen kleine Abweichungen. Die dritte Varietät Trichosporon ovale Unna erzeugt auch eine europäische Piedra. Die Auflagerungen waren weniger dick als im BEiiRENDSchen Fall, aber sonst diesem ähnlich, auch nicht auffallend hart. Es bestand keine Trichorhexis nodosa oder Längsspaltung der Haare. Die ovalen gleich- mäßigen Sporen, um die es sich hauptsächlich handelte, waren nicht durch Hyphen an der Cuticula befestigt, sondern, wie es schien, durch eine klebende Masse. Die Kulturen der Pilze zeigten einige Unterschiede von den BEiiREXDSchen, über welche Frau Traciisler (1896) ein- gehende Untersuchungen angestellt hat. Besonders wichtig ist der Unterschied in der Verflüssigung der Gelatine. Der BEHREXDSche Pilz verflüssigt schnell nach 7 Tagen, während der UNNASche keine oder nur Andeutungen einer solchen nach Wochen zeigt. Die vierte Varietät hat Vuillemin (1902) mit Trichosporon Beigeli bezeichnet und dadurch andeuten wollen, dass dieser Pilz mit dem Chignonpilz Beigels wohl identisch sein dürfte. Vuillemin hat seinen Fall außerordentlich genau untersucht und viele Thatsachen gefunden, Avelche über die botanische Natur dieser Pilze Aufschluss geben. Man sollte deshalb den Pilz Trichosporon Vuillemiu nennen. Sein Fall unterscheidet sich von den übrigen dadurch, dass die Cuticula des Haares von den Pilzen augegritfen Avurde. Die Haare selbst gewähren sonst den Anblick der von Beerend vt Unna beschriebenen, Bazillen fehlten, wohl, w^il der Träger der Piedrahaare 3 Wochen lang sein Gesicht mit 0,25" „n Sublimatlösung gewaschen hatte, zur Prophy- laxie gegen Pocken im Hause. Die histologische Untersuchung des Haares ergab, dass die Cuticula durch die Pilzmassen gelockert und eingerissen wird. Das Haar wird durch die Pilzmasse, welche eintrocknet und einreißt insofern mit be- teiligt als sich die Sprünge derselben ins Haar fortsetzen und dieses brüchig machen. Die Sporen haben eine Größe von 2 — 5 ,u und bilden Lücken, welche von einer hyalinen Masse ausgefüllt wird. Das genaue Studium dieser mosaikartig angeordneten Sporen ergiebt nach Vuillemin folgende inter- essante Verhältnisse. Die Sporen, w^elche mosaikartig angeordnet sind, sitzen auf Hyphen auf, welche nur durch die Menge der an- gesammelten Sporen verdeckt werden. Durch die blasse der Sporen werden die tiefer am Haarschaft gelegenen Keime gedrückt und ver- ändert, so zwar, dass sie einen Teil ihres Protoplasmas ausgießen. Diese Flüssigkeit giebt die Klebemasse her, welche die Sporen mit so großer Festigkeit ans Haar leimt und füllt zu gleicher Zeit die Zwischenräume zwischen den oberen Lagen der Sporen aus. Details über diese un- gemein interessante Arbeitsteilung der Pilzkolonie müssen in der Originnl- 42* 660 H- C. Plaut, Die Hyi)heni)i]ze oder Eumyceten. arbeit von Vuu.lemin nachgelesen werden. Es ist zweifellos, dass die gleichen Verhältnisse auch bei den anderen Varietäten bestehen. Die Kulturen des Pilzes gleichen in vieler Beziehung denen der anderen Varietäten. Hervorzuheben ist das Festbleiben der Gelatine 4 Monate hindurch und länger, die Vorliebe des Pilzes für oberflächliche Schichten, seine Aehnlichkeit in morphologischer Beziehung mit Oidium lactis bei Kultivierung in flüssigen Medien, Coremiumbildung, Bildung von echten Chlamydosporen in der Läsion und bei langer Kultur, von sehr verschiedener Größe (4 — 12 /<) und verschiedener Anordnung am Ende oder innerhalb von versporten Mycelketten. Diagnose. Einen ähnlichen Anblick wie die Piedrahaare gewähren die Haare bei Trichomycosis palmellina. Hier besteht auch ein feiner ungleich- mäßiger Ueberzug der Haare (besonders in der Achselhöhle) , der durch in Zoogloea eingebettete Mikrokokkenkolonieen gebildet wird. Die mikro- skopische Untersuchung lässt aber die Unterschiede in der Größe der Parasiten in auffallendster Weise erkennen. Verwechselungen mit Trichorhexis und den Pili moniliformes können bei Gebrauch des Mikroskops gleichfalls nicht vorkommen, da bei diesen Anomalieen die Haare in ihrer Struktur beträchtlich verändert sind im Gegensatz zu der Trichosporie. Litteratur. I Behrend. Ueber Trichomycosis nodosa. Berl. klin. Wochenschr., 26. V. 1890. — Ders.. Demonstrationen, Archiv. 1891. — - Beigel, Sitzungsber. der math. naturw. Klasse d. Wien. Akad., XA'II, 18(55, cit. nach Yuillemin. — '■'■ Besnier, Piedra. Traduktion, T. II, cit. nach Jarisch. - ^ Desenne, Sur la piedra nouvelle espc'ce d'affection parasitaire des cheveux C. R. de l^Acad. 1./7. 1878, cit. nach Vuillemin. — ■' Knoch, Journ. d. russ. Kriegsdepartem., XCY, 1866, cit. nach A'uillemin. — '■ Lindemann, Oesterr. Zeitschr. für prakt. Heilkunde, XIII, 1876, cit. nach Vuillemin. — ' Magalhaes, Le microphyte de la Piedra, 1901. Comptes rend. de TAcad., 14./10. 1901. — « Migula, System der Bakterien, 1900. — ■' Morris, Med. Times and Gaz. 1879, I. p. 409, cit. nach Behrend. — ^^ Osorio, cit. nach Behrend. — »t Pick, Vierteljahrsschrift für Dermatol., 1876, VII, S. 625. — i^ Renoy, JiTHEE. De la piedra. C. R. de la Societe de biolog. l./XII. 1888. — Ders., De la trichomycose nodnlaire. Annales de derm. 25/XIII, 1888. — i3 Renoy, Juhee & LiON, Recherches sur la trichomycose. ibid., 1890. — i* Trachsler, Ueber die feineren Unterschiede zweier Fälle von Piedra nostras. Monatshefte, 1896. — i"' Unna, Ueber Piedra nostras. D. M. Z., 1895. Zwei Fälle von Piedra nostras Naturforscher -Versammlung, Lübeck 1895, Lewins Festschrift, 1896. — if' Vuil- lemin, Trichosporum et Trichospories. Paris 1902. — i' Welker, cit. nach Leunis. Bd. Ilt, S. 189, 1886. XI. Die Sprosspilze. Von Professor Dr. Otto Busse in Greit'swald. Die Hefen, die seit Jahrtausenden sich als Freunde und AVohlthäter des Menschengeschlechtes bewiesen haben, die in Milliarden von Exem- plaren tagtäglich zum iS'utzen der Menschen in Brauereien, Brennereien. Keltereien und anderen Gewerben gezüchtet und verbraucht werden, bildeten unter den verschiedenen niedern Pilzklassen bis vor wenigen Jahren die einzige Gruppe, in der pathogene Arten nicht bekannt waren. Es sind noch nicht zehn Jahre her, dass die ersten Krankheitserreger unter den Hefen aufgefunden worden sind und dazu geführt haben, dass nun diese Pilze nicht nur wegen ihrer interessanten biologischen und physiologischen Eigenschaften den Mediziner interessieren, sondern ge- bieterisch eine genauere Beachtung und ein eingehendes Studium von Seiten des Arztes und des Aetiologen beanspruchen. Dieses Studium zu unterstützen, soll im folgenden Ul)ersichtlich zusammengestellt werden, was die Forschungen bezüglich der pathogenen Hefen bisher ergeben haben, vorher jedoch möchte ich einige orientierende Angaben über die Morphologie und Physiologie dieser interessanten Pilzart im allge- meinen machen. Die Stellung der Hefen in der Systematik der niederen Pilze ist bisher noch keineswegs sicher festgelegt, ja man zweifelt sogar, ob die Hefen überhaupt selbständige Pilze darstellen oder nicht vielmehr nur eine bestinnnte Wachstumsform höher organisierter Pilze, insouderlicit der Schimmelpilze, bilden. Diese Hypotliese, die schon von Brefi-:m) vor etwa 30 Jahren aufgestellt Avordeu ist, hat sich aber l)isher noch nicht beweisen lassen und wir können deshalb Haxsex nur l)eipÜichten, wenn er die Ansicht vertritt, dass bisher kein Grund vorliegt, die in praxi thatsächlicli eine l)esondere Pilzgruppe darstellenden Hefen auch vorderhand als eine besondere Klasse beizul)ehalten. Das am meisten Charakteristische der Hefen bcrulit in der eigenen Art ihrer Fortpflanzung, die zumeist und im allgemeinen durch Knos- pung oder Sprossung vor sich geht, weshalb denn diese Pilze auch den Kamen Sprosspilze oder Blastomyceten führen, im Gegensatz zu den Spaltpilzen, den Schizomyceteu und den Schimmelpilzen, den 662 0. Busse, Hyphomyceten. Einen Uebergang zu diesen letztern bilden bekanntlich die Oidien, die, wie zuerst Grawitz gezeigt bat, bald zu Fäden aus- wacbsen, bald dagegen, und unter gewissen IJedinguugen sogar aus- schließlich, durch Sprossung weiterwuchern. Dass hier zwischen den an- geführten Klassen keine absolut scharfe Grenze existiert, geht aus dem Umstände hervor, dass die Hefen gelegentlich einerseits zu kurzen Hyphen auswachsen, andererseits auch in seltenen Fällen durch Spal- tung neue Glieder alischnüren können. Neben der Sprossung kommt als häutige und für die Fortdauer der Arten ungemein wichtige Fortpflanzungsart nocli die Sporenbildung in Betracht. Die wichtigste Eigenschaft der Hefen, die aber keineswegs allen gleiclimäßig zukommt, ist die Fähigkeit alkoholische Gärung zu erregen. In den Gärungsgewerben unterscheidet man die praktisch ver- wendbaren, guten Kulturhefen von den vielfach den Betrieb störenden ;> wilden« Hefen. Die Gestalt der meisten Kulturhefezellen ist oval oder eliptisch, runde oder kugelförmige Pilze trifft man mehr unter den wilden Arten und solchen, die nur geringe Gärung hervorrufen und als Torula- arten bezeichnet werden. Doch kommen hierneben wurstförmige und fädige Formen vor. Die einzelne Hefezelle selbst hat ein starkes Lichtbrechungsvermögen, das unter Umständen so stark sein kann, dass die Zellen unter dem Mikroskop dem Glänze von Fetttröpfchen fast gleichkommen und, was uns hier besonders interessiert, in frisch untersuchten Geweben von solchen Fetttröpfchen nur schwer oder erst durch bestimmte Reaktionen zu unterscheiden sind. Die Größe der einzelnen Hefezellen variiert selbst bei Vertretern derselben Art und derselben Kultur in ganz außerordentlich weiten Grenzen; man findet in älteren Kolonieen Individuen, die, kaum größer als Kokken, 1 — 2 fi messen und andere, die, besonders an der Ober- fläche verflüssigter Nährl)öden als große Riesenhefezellen vorkommend, einen Durchmesser von 40 /i und darüber erreichen können. Trotz dieser weitgehenden Schwankungen der Gestalt und Größe sind die einzelnen Arten durch eine bestimmte mittlere Größe und Form ausgezeichnet. Auch das Aussehen der einzelnen Zellen wechselt sehr. Zu- nächst sieht man in den Kulturen einfach konturierte, glänzende, teil- weise sogar amöl)oid erscheinende Körper, die vollkommen homogen sind und irgendwelche Einzelheiten im Protoplasma nicht erkennen lassen; allmählich Inldet sich dann an der Peripherie eine doppelte Kontur aus, die die Membran der Zelle darstellt und an Deutlichkeit in demselljen Maße zunimmt, als sich an dem Protoplasma eine immer stärker wer- dende Körnung einstellt. Zu gleicher Zeit scheint sich das Protoplasma von der Membran zurückzuziehen, es l)ilden sich im ersteren hellere Räume, die Vakuolen, daneben oft ein oder mehrere hell leuchtende Kügelchen. Diese, die in den Torulaarten mit einer gewissen Regel- mäßigkeit l)eobachtet werden, bestellen aus Fett oder Oel, sie lassen sich mit Alkohol und Aether nur sehr schwer entfernen, nehmen bei Zu- satz von Osmiumsäure eine bräunlich-gelbe Farbe an, färben sich bei Zusatz von konzentrierter Schwefelsäure in vielen Fällen dunkel. Die Dicke der]\Iembran ist auch verschieden, in alten Hefekolonieen ge- wöhnlich stärker als in jungen, am stärksten ausgeprägt in den soge- nannten »Dauerzellen«, die man vorzugsweise in der deckenden Haut Die Si)rosspilze. 663 findet, die sich bei Aiiss^aat der Hefen in zuckerhaltigen Nährflüssigkeiten an deren Oberfläche bildet. Die Zellmembran enthält neben Cellulose auch noch andere Bestand- teile und färbt sieh bei Zusatz von Jod und konzentrierter Schwefel- säure nur in einem Teil der Fälle blau (Cellulosereaktion). Bei einzelnen Hefearten, z. B. den untergärigen Hefen, findet sieh an der Außenseite der Membran eine klebrige Substanz. Diese bewirkt, dass sich die einzelnen Zellen leicht zu kleinen Klumpen und Flocken zusammenballen, flockige Hefe. Bei den obergärigen und den meisten wilden Hefen, bei denen offenbar die klebrige Schicht fehlt, lagern sie sich nicht zu Flocken zu- sammen, sondern zerteilen sich in der Flüssigkeit wie Staub und führen so eine gleichmäßige milchige Trübung derselben herbei, staubige Hefe. Ganz verschieden von den auffallenden Oeltropfen sind in dem Zell- leibe die Kerne, sie treten zuweilen schon im frischen Präparate als scharf umschriebene Körperchen hervor, sicherer gelingt ihre Darstellung durch eine von Muller angegebene Färbung. 1. Das mit Hefekultur bestrichene und mit .Jodjodkaliumlösuug versetzte Deckglas wird lufttrocken gemacht, 2. Fixieren der Hefen durch Aufkochen in Glycerin, 3. Abspülen in Wasser, 4. Einlegen für 2 — 3 Stunden in eine 3proz. Lösung von schwefel- saurem Eisenoxydammoniak (Ferrum sulfuricum oxydatum ara- moniatum), 5. Abspülen in destilliertem Wasser, 6. Färben in gesättigter Lösung von Hämatoxylin in Brunnen- wasser mindestens 30 ^Minuten. 7. Abspülen in destilliertem Wasser. 8. Vorsichtiges Entfärben in der unter 4 angegebenen, zweck- mäßig noch verdünnten Lösung 15 Sek. — 1 Min. (Unter dem ]\rikroskop kontrollieren !) 9. Abspülen in destilliertem Wasser, 10. Einlegen in Lävulose, Glycerin oder Kanadabalsam. Es ist mir auch ohne Schwierigkeit gelungen, die Hefenkerne im tierischen und menschlichen Geweihe nach Fixierung in Alkohol zu färben, wenn ich die Schnitte nach dem HEiDEXHEiNschen Verfahren behandelte. Die Schnitte kommen aus dem Alkohol in 3proz. Lösung von schwefelsaurem Eisenoxydammoniak mehrere bis 24 Stunden, Abspülen in destilliertem Wasser, Einlegen in Hämatoxylinalaun oder Hämalaun, oder 0,5proz. Häma- toxylinlösung, ^ -j Stunde, Entfärben 3 Sekunden bis 1 Minute in der ersten Lösung, Abspülen in destilliertem Wasser, Alkohol, Oel, Kanadabalsam. Die Gestalt der Kerne ist unl)estinnnt (cf. Photogramni 192), die Kerne nehmen nur einen kleinen Teil der Hefezelle ein, sie sind manchmal rund, kugelförmig, in anderen Fällen mehr oval, dann wieder rosetteu- förniig und eigentUndich zackig, ihre Lage wechselt, meist liegen sie am Kande, seltener in der Mitte. Ob noch eine feinere Struktur des Kerns besteht, ist schwer zu sagen. Doch haben Jaxssex & Leblaxc Kernteilungsfiguren beschrieben und abgebildet. Gewöhnlich färben sich die Kerne diffus blauschwarz. Bei dieser Färbuni-- tritt auch die Zellmembran deutlich hervor. 664 0. Busse, Bei der für die Hefen charakteristischen Sprossung- rückt der Kern an die Wand und teilt sich hier. An dieser Stelle wird die Membran durchbrochen oder es bildet sich, wie J.indner sagt, eine bruchsack- ähnliche Ausstülpung, die als knopfähnlicher Auswuchs an der Zelle erscheint. Die so entstehende Tochterzelle wird schnell größer und nimmt allmählig Gestalt und Größe der ]\Iutterzelle an. Hierbei kann das ^'erhalten der Hefenmembran ein verschiedenes sein. Entweder schnürt sich die Tochterzelle vollkommen von der Mutterzelle ab, oder die Membran schließt sich an der Sprossungsstelle, und l)eide Zellen haften nur mit der Außenseite der Meml)rancu lose aneinander. Oder al)er es kommt nicht zu einem völligen Schluss der Hefenmembran, sondern es bleibt eine protoplasmatische Verbindung zwischen Mutter- und Tochterzelle bestehen. Beide bilden eine biskuitähnliche Figur, die von einer fortlaufenden IMembran umgeben wird. Diese letzte Art der unvollkommenen Abschuürung ist die seltenere, die erstere Art kommt viel häutiger vor. Oft sehen wir, dass bei einer einzigen Zelle an ver- schiedenen Stellen Knospungeu zu gleicher Zeit oder nacheinander auf- treten. Die neugebildeten jungen Zellen vermehren sich in gleicher Weise wie Mutterzellen, so entstehen einfache oder verzweigte Reihen und Ketten von Hefen, die verschieden fest untereinander zusammen- hängen und als Sprossverbände bezeichnet werden. In jeder der Hefe- zellen findet sich ein selbständiger Kern. Ganz ungewöhnliche Sprossverbände l)eobachtet man gelegentlicb in sehr schnell wachsenden Kulturen. Darin finden sich mitunter eigen- tümlich g-länzendc, anscheinend gar nicht fest gegeneinander abgegrenzte Zellen, deren weiches Protoplasma offenbar noch einer dickeren ^lembran entbehrt. Die Vermehrung durch Sprossung geht ziemlich rasch ^or sich und kann in allen Einzelheiten unter dem Mikroskope bei der Beoljachtung einer einzelnen Zelle in dem hängenden Tropfen verfolgt werden. LiNDNER z. B. beschreibt, wie aus einer 3 — 4 Wochen alten Mutterzelle im Verlauf der ersten 14 Stunden vier und im Verlauf weiterer 6 Stunden 17 Zellen geworden sind. Stülpt sich die Membran an einer Stelle aus und wächst die Zelle hier weiter ohne sich von dem neugebildeten Teile abzuschnüren, so entstehen schlauchähnliche oder mycelartige Fäden, die unter besonderen Wachstumsbedingungen gelegentlich einmal bei allen Hefen auftreten können, bei den wilden jedoch öfter augetroften werden als bei den Kulturhefen. Von der größten Bedeutung für das Fortleben der Blastomyceten, für die Erhaltung- der Arten ist die Sporenbildung. Auch hierbei spielt der Zellkern eine gewisse Rolle. Der Kern teilt sich und jedes Frag- ment wird zum Mittelpunkt einer innerhalb der eigentlichen Hefezelle neu entstehenden Zelle, die mit einer festen Membran, einem Zellkern und einem spärlichen, trockenen Protoplasma ausgestattet ist. Die Zahl der Sporen, die sich innerhalb einer Hefezelle bilden können, ist ver- schieden, doch für die einzelnen Arten konstaut. Gewöhnlich bildet eine Zelle nicht mehr als vier endogene Sporen, sogenannte Askosporen, aber es kommen auch Arten vor, die wie z. B. Schizosaccharomyces octosporus (Beijerixck) acht Sporen formieren können. Die Maximal- zahl der Sporen wird aber längst nicht in allen Zellen erreicht, es ver- bleibt dann ein Teil des Zellraumes erhalten und wird von dem un- verbrauchten Kern- und Protoplasmateil eingenommen. AVovon die Die Sprosspilze. 665 Sporenbildung im letzten Gnmdc abhäng-t, ist noch nicht sieher zu sagen, soviel steht aber fest, dass nur lebenskräftige Zellen imstande sind, Sporen zu bilden. Will man also Sporenbildung erzielen, so hat man vorher durch (öfteres Umzüchten die Kultur aufzufrischen und dann erst die Verfahren anzuwenden, die die Hefen zur Sporulation veran- lassen. Diese scheint besonders dann einzutreten, wenn kräftige Zellen plötzlich dem Hunger ausgesetzt werden. So sieht man z. B. vielfach Sporen entstehen, wenn man die üppig wuchernden Kolonieen plötzlich in steriles destilliertes Wasser überträgt (liängender Tropfen). Am be- kanntesten ist und am meisten bewährt hat sich aber die Gipsblock- methode. ]Man beschickt zu dem Zwecke Gipsblöcke, die man durch Auskochen steril gemacht hat und mit ihrer Unterfläche in sterilem Wasser stehen lässt, mit einer dicken Lage von Hefebrei, dem mög- lichst wenig Xährmaterial beigemischt ist, bringt ihn in den Brutofen und beobacditet Zeitpunkt und Temperatur, bei welcher die Sporen zu- erst auftreten. In den Gärungsgewerben bildet gerade die Si)orenbildung bzw. die Bedingungen, unter welchen und die Zeit, in welcher diesell)e eintritt, eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale der einzelnen Hefearten und Kassen. So bilden die meisten obergärigen Hefen ge- wöhnlich sehr schnell und üppig Si)oren, die untergärigen vielfach erst sehr spät und spärlich, die Torulaarteu zum großen Teile überhaupt nicht. Bemerkenswert ist die von Hansen und Lindnek beobachtete Thatsache, dass Hefearten, die anfangs sehr üppige Sporenbildung zeigten, bei jahrelanger künstlicher Fortzüchtuug diese Fähigkeit voll- ständig eingebüßt haben. Andere Blastomyceten bilden wohl in der Natur "und im Erdltoden Si)oren, haben aber auf den Nährböden noch nicht zur Si)orenbildung veranlasst werden können. Die Sporen stellen ohne Zweifel eine Dauerform dar, die gegen die äußeren Schädlichkeiten aller Art wie Hitze, Eintrocknen u. s. w. viel widerstandsfähiger ist als die gewöhnliche Hefezelle. In der That ist denn auch die Lebensdauer der Hefen eine ganz enorme. Hansen sowohl wie Linüneu halten von 12 Jahre alten Kul- turen junge Brut züchten können, und mir selbst ist es gelungen, von einer 7' 2 Jahre alten, total eingetrockneten Kartoftelkultur meiner patho- genen Hefe, die knocheidiart ist und nur bei Anwendung kräftiger Lancet- nadelu kleine Partikelcben abbröckeln lässt, üppig wachsende Kolonieen zu erzielen. Die Auskeimung der Sporen ist von Hansen in hängenden Tropfen direkt beobachtet worden und wird in der Weise geschildert, dass die Spore aufquillt, sich vergrößert und dann wie eine gewöhnliche Hefe- zelle zu sprossen beginnt. Die Form der Sporen ist meist kugelig, seltener liütehenförmig. Mi:tschnikofe hat bei einer Hefe, der imten noch zu besprechenden ]\ronosi)ora bicuspidata, das Auftreten je einer nadeiförmigen Spore in den länglichen Hefezellen beschrieben. Eine weitere Eigenschaft, die den Hefen in bes(mderem Maße zu- kommt, ist die Bildung einer Haut, der Kahm haut, an der Oberfläche flüssiger mit Hefen beschickter Nährsubstrate. Das Auftreten dieser Decke ist bei den verschiedenen Arten nach Zeit und Züchtungstemperatur verschieden. Verschieden ist auch das Aussehen und die Gestaltung der Oberhaut, sie kann als zusammenhängende, dünne, glatte oder sich kräuselnde Decke oder als unregelmäßig dicke Haut oder als sogenannter Hefering auftreten. Der letztere beginnt und bildet sich vorzugsweise dort, wo die 01)erfläche der Flüssigkeit die Glaswand berührt. Bei den 666 0. Busse, sog-enaiinten untergärigen Hefen bleibt die Hautbildung in den Betrieben wegen der in den Räumen berrscbenden niederen Temperatur und der kurzen Dauer der Hauptgärung aus, findet sieh aber im Laboratorium. In diesen Kabmhäuten tritft man nun oft ganz eigenartige Hefezellen. Ein Teil derselben zeigt einen kleinen Zellleib und eine unverhältnis- mäßig dicke Membran, die ein starkes Lichtbrechungsvermögen besitzt. Diese Hefen werden mit Recht als >Dauerzellen« bezeichnet, da sie in der That ähnlich wie die Sporen in hohem Grade lebens- und wider- standsfähig sind. Ne1)en diesen findet man sehr zahlreiche kleine Zellen mit sehr dünner Zellmembran und vielen Fetttropfen — manche Kahm- häute sind so fettreich, dass Wassertropfen, ohne zu netzen, davon ab- fließen — und wirklich riesenhafte monströse Formen, die ebenfalls von relativ dünner 3Iembran umgeben sind und einen hellen durchscheinenden Zellleib mit wenig Fetttropfen haben. Sie liegen A'ielfach in Gruppen zusammen und sind als »Riesenhefezellen« beschrieben worden. Ganz gewöhnlich trifft man in den Kahmhäuten zu Mycelfäden ausgewachsene Zellen, die, wie überhaupt die Kahmhautzollen, durch ihre energische Sauerstoft"ül)ertragung an die vergorene Würze für die Gärungsbetriebe von besonderer liedeutung sind. Noch einer morphologischen Besonderheit, die sich vorzugsweise bei wilden Hefen findet, muss ich hier Erwähnung thun, das ist das Auf- treten einer schleimartigen Hülle um die eigentliche Hefezelle. Diese ist davon wie von einer Kapsel umgeben und ich glaulje nicht fehlzugehen, wenn ich diese Hülle wirklich als Kapsel deute, durch Zusatz von Essig- säure (1 — ?)%) ist sie sehr schön zur Anschauung zu l)ringen. Ich habe diese Kapsel auch in Kolonieen auf festen Nährböden gesehen und dann fast ausschließlich Ijei Formen angetroffen, die wie die »Dauerzellen« von besonders dicker Zellmembran umkleidet waren. Gehen wir nun von der mikroskopischen Untersuchung der ein- zelnen Hefen zu der makroskopischen Betrachtung und Beschrei- bung der Kulturen der Hefen im allgemeinen über, so lässt sich sehr leicht eine ganze Reihe von Merkmalen herausfinden, die eine Hefekultur von anderen Kulturen unterscheiden. Hierhin möchte ich zunächst das ganz außerordentlich üppige Wachstum der meisten Hefen rechnen. Sie bilden dicke Kolonieen, die sich kuppelartig von den festen Nährsub- straten erheben, bezüglich in Ausstrichpräparaten einen Wulst bilden, der fast so dick wie breit sein kann. Zumeist sehen dabei die Kolonieen eigentümlich trocken aus und lassen den feuchten Glanz vermissen, der die Bakterienkultureu ganz gewöhnlich auszeichnet. Diese Kolonieen sind dabei meist in sich selbst ziemlich fest gefügt, sie bilden eine zähe Masse, von der man mit der Platinnadel schwerer als von den meisten Bakterien- kulturen kleine Partikel entnehmen kann. Alle diese eben genannten Eigenschaften ermöglichen es, bei Aus- saaten von Pilzgemischen die Hefekolonieen mit einiger Wahrscheinlich- keit aus den verschiedenen Pilzen schon makroskopisch herauszukenneu. Fast allen Hefenarten gemeinsam ist ferner die Vorliebe für saure, zucker- haltige Nährböden, auf denen sie ganz besonders üppig und schnell zu wachsen pflegen und sehr leicht die meisten Bakterien überwuchern. Auch glycerinhaltige Nährböden sagen den Hefen im allgemeinen sehr zu. Es sei aber ausdrücklich bemerkt, dass die Blastomyceten, wenig- stens viele von ihnen, auch auf neutralen und alkalisclien Nährböden fortkommen und auch hier vielfach das charakteristische üppige Wachs- tum entfalten. Die Sprosspilze. 667 Die ii])erwic2:eii(le Mehrzahl der Hefen bildet anfan2:s blendend weiße Kolonieen, es giebt aber auch solche, die von vornherein einen Farbstoff entwickeln nnd also farbige Kulturen bilden, so ist z. B. gerade eine der allerbekanntesten und weitest verbreiteten wilden Hefen eine rosa gefärbte Hefe. Diese Kosafärbung kommt keineswegs nur einer Species zu, sondern einer ganzen Zahl von Eosahefen. Es giebt ferner rote, himbeerfarbene und schwarze Hefen, die alle in der Luft besonders in kalten feuchten Räumen vorkommen, und den Bakteriologen als unliebsame Verunreinigungen bekannt sind. Von der ►Schwarzfärbung der Schwarzhefen, die in den Kolonieen sofort von vornherein auftritt, ist eine spätere Dunkelfärbung anfänglich weißer Hefen zu unterscheiden. Sehr oft sehen wir, dass besonders auf dunklen, z. B. Malzextrakt oder Pflaumendekokt enthaltenden Nährböden Kulturen weißer Hefen all- mählich die weiße Farbe verlieren und ein schmutzig graues oder dunkel- braunes Aussehen annehmen. Hierbei handelt es sich höchstwahrschein- lich nicht um die Produktion eines eigenen Farbstoffes, wie z. B. bei den Rosahefen, sondern um Aufnahme farbiger Substanzen aus dem Nährboden. Die Kulturhefen gehören sämtlich, die pathogenen Hefen fast sämt- lich zu den weißen Hefen. Die Kulturen der einzelnen Arten sind viel- fach erheblich voneinander verschieden und tragen, besonders in Gestalt der von Lindner angewandten »Riesenkolonieen« mit zur Unterschei- dung der einzelnen Arten bei. Bei Anführung der pathogenen Arten werde ich die den einzelnen Hefen zukommenden charakteristischen Kulturmerkmale bringen. Hier an dieser Stelle kann ich mich auf Aufzählung von Einzelheiten nicht weiter einlassen. Ebenso würde es mich viel zu weit abführen, wollte ich auf die vielerlei Besonderheiten eingehen, die bei der Gärung mitspielen. x\uch hier kommen ganz außerordentliche Verschiedenheiten vor. W^ährend eine große Zahl von Hefen nur imstande ist, Traubenzucker in Alkohol und Kohlensäure zu zerlegen, verstehen es andere Rohrzucker, wieder andere Stärke zu invertieren und zu vergären, kurz die verschiedensten Kohlehydrate zu verarbeiten. Die Temperatur, die Schnelligkeit, die Mächtigkeit mit der die Gärung auftritt, sowie die Stoffe, die dabei ver- arbeitet werden, bilden wieder wertvolle Hilfsmittel, zwischen den ver- schiedenen Arten zu unterscheiden. Die Gärungswirkung kommt wie Buchner zuerst nachgewiesen hat, durch Enzyme zustande, die von den Hefezellen produziert werden und bei den verschiedenen Arten ver- schieden sind und deshalb auch verschieden wirken. Verschieden ist auch das Verhalten der Hefen selbst bei der Gärung. Eine große Anzahl der Arten wird durch die Gärung »erschöpft« und stirbt ab, während andere garnicht angegriffen werden und lebenskräftig bleiben. Am auffälligsten erscheint die Thatsache, dass Hefen, die in Kulturen weitergezüchtet werden, durch uns nicht bekannte Einflüsse mit der Zeit die Gärungsfähigkeit verlieren können, so dass sie dann in den Be- trieben durch neu angezüchtete Stämme ersetzt werden müssen. Neben der eigentlichen Gärung werden nun aber noch andere Stoffe in den Nährflüssigkeiten angegriffen, bezüglich produziert. Auch hierbei kommt den einzelnen Hefenarten vielfach eine ganz spezifische Wirkung zu, und der Geschmack der Getränke, vor allem des Weines und Bieres, ist von der Verwendung bestimmter Hefen abhängig, Trübungen und Krankheiten des Bieres werden in den meisten Fällen durch die An- wesenheit verunreinigender wilder Hefen hervorgerufen. 668 0- Busse, Zum Schlüsse sei nun noch einmal bemerkt, dass die Verbreitung der Hefen in der Natur eine ganz außerordentlich große ist; wir kennen schon mehrere hundert Varietäten , deren Unterscheidung und . Identiti- zierung aber wegen der einfachen und unbestimmten morphologischen Verhältnisse ungemein schwierig ist. Zur Bestimmung sind, außer den morphologischen Eigenschaften, die Besonderheiten der Kultur, der Sporen- bildung, des Auftretens der Kahmhäute wie endlich auch die Eigentüm- lichkeiten der Gärungsverhältnisse zu verwenden. Bei den pathogeneu Hefen sind die hierauf bezüglichen Angaben so lückenhaft, dass nach den Beschreibungen eine Klassifizierung der einzelnen zur Zeit unmög- lich erscheint. Für die Unterscheidung der pathogenen Arten unter sich können wir aber neben den oben angegebenen Hilfsmitteln noch ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal heranziehen, das Tierexperiment. Durch dieses sind wir in der That in den Stand gesetzt, auch ohne die mühsamen Untersuchungen, die in den Gärungsbetrieben zur Bestimmung der Arten nötig sind, bestimmte Arten, trotz übereinstimmender morpho- logischer und kultureller Eigenschaften, streng voneinander zu unter- scheiden. Die pathogenen Sprosspilze. Die Frage, ob unter den vielen bekannten Sprosspilzarten auch solche vorkämen, die für Mensch und Tier pathogen seien, ist verschiedentlich Gegenstand der Bearbeitung gewesen und meist im negativen Sinne be- antwortet worden. Nur Metschnikoff-" hat im Jahre 1884 bei Daphnien eine Sprosspilzart gefunden, die bei diesen Tieren eine eigentümliche Erkrankung verursacht. Die länglichen Hefen entw^ickeln im Innern je eine nadeiförmige Spore, weshalb Metschnikoff sie als Monospora bicuspidata bezeichnet. Die sporentragenden Hefezellen werden von den Daphnien gefressen, die eigentliche Zelle wird aufgelöst, die spitzigen Sporen werden frei, bohren sich durch die Darmwand und gelangen in die Leibeshöhle, in der sie auszukeimen und zu sprossen beginnen, bis endlich etwa 16 Tage nach der Infektion die mächtig geschwollenen Tiere der Krankheit erliegen. Während des Absterbens der Wirte bilden die Hefen die Sporen. Die Untersuchungen darüber, ob und inwiefern Blastomyceten bei Mensch oder Tier schädigend wirken können, schienen zum Abschluss gebracht durch zwei im Jahre 1891 etwa gleichzeitig erscheinende Arbeiten, von IIaum^^ und Neumayer ^s. In diesen Arbeiten wird die Frage im negativen Sinne entschieden. Beide Autoren hatten unabhängig voneinander, jeder auf seine Weise, durch Experimente die Ueberzeugung gewonnen, dass irgendwelche die Gewebe schädigenden Eigenschaften den Hefen nicht zukämen. Kaum hat zehn Hefeuarten, Neumayer fünf Sprosspilze genauer untersucht. Bei kritischer Durchsicht der Untersuchungsergebnisse erscheint der von NeUxMAYER aufgestellte Schlusssatz: »Subkutan Tieren injiziert, verhalten sich alle Hefenarten vollkommen ähnlich, indem sie niemals aktiv schädigend wirken und die Hefezellen immer sehr bald der Ver- nichtung anheimfallen«, keineswegs berechtigt, denn Neumayer fand an der lujektionsstelle ein Oedem und eine diffuse eitrige Infiltration des subkutanen Bindegewebes, welche offenbar den Ausbreituugsgrenzen der injizierten Hefen entsprach.« Diese Veränderungen bezog Neumayer Die Sprosspilze. 669 auf die durch die Injektion verursaclite meelumisclie Eeizun^- des Ge- webes und, trotzdem er nach fünf Tagen aus dem Eiter noch Hefen züchten konnte, verneinte er ebenso wie Raum, dem dies noch nach drei Wochen gelang, die Frage, ob die Hefen im Tierkörper lebensfähig und pathogen wären. Nur in einem Falle erkennt Neujuayer eine schädigende Wirkung der Hefen an: »8. Wird mit einer Hefenart, welche ein nennenswertes Gärungsvermögen besitzt, eine vergärbare Substanz eingeführt, so ist immer eine Schädigung des Organismus Magendarm- katarrh) zu erwarten«. Doch fügt er ausdrücklich hinzu: »4. Das schädi- gende Moment sind weder die Hefezellen noch ihre Stoft'wechselprodukte, sondern abnorme Gärprodukte, deren Bildung durch die hohe Tempe- ratur des Körpers veranlasst wird, und die sämtlichen Hefearten, so- wohl den Kulturhefen als auch den wilden Hefearten zukommt. < Wie wenig Raum & Neumayer berechtigt waren, auf Grund ihrer an wenigen Arten gewonnenen Erfahrungen, den Hefen im allgemeinen jegliche schädigende Wirkung abzusprechen, hat sich sehr schnell heraus- gestellt. Schon im Jahre 1894 gelang es dem Verfasser, eine bisher noch nicht beobachtete Krankheit auf Hefen als Erreger zurückzuführen, bald darauf erschien auch eine Arbeit von Tokishige, der bei einer in Japan bei Pferden vorkommenden, endemischen Krankheit Blastomyceten als Ursache ermittelte, und andererseits gelang es Saxfelice bei einer auf Grund meiner Publikation erneut vorgenommenen Prüfung der ver- schiedensten Hefearteu, unter ihnen unzweifelhaft pathogene aufzufinden. Die bisher entdeckten pathogeneu Arten sollen hierunter nun in der Weise abgehandelt werden, dass zunächst diejenigen beschrieben werden, welche aus Erkrankungsherden von Menschen und Tieren gewonnen worden sind, und dann diejenigen, welche man lediglich auf experi- mentellem Wege als pathogen erkannt hat. Ich beginne mit der zuerst bekannt gewordenen von mir beschriebenen Hefe. Für Menschen pathogene Hefen. Saccharomyces Busse wurde im Juni 1894 aus einem Knochenherd an der linken Tibia einer 31jährigen Schuhmachersfrau gezüchtet. Dieser Herd war im Anschluss an ein Wochenbett bei einer kränklichen Frau, die in der Jugend au Skrofulöse, Bindehantkatarrhen und Drüsen- schwellungen gelitten hatte, als eine schmerzhafte rote Stelle an der vorderen Tibiakaute entstanden. Die Rötung nahm allmählich an Größe zu, wölbte die Haut vor, war anfangs derb, ließ nachher Fluktuation erkennen und nahm einen exquisit chronischen Verlauf. Im fünften Monat stellte sich vorüber- gehend eine schmerzhafte Schwellung des Knies mit Erguss in das Gelenk ein. Da die Schmerzen dauernd an Intensität zunahmen und die »Ge- schwulst« auf Kosten des Knochens wuchs, so ließ sich die Patientin 8 Monate nach Beginn des Leidens von Herrn Geheimrat Hflferich in der Greifs- walder chirurgischen Klinik operieren, wobei ihr das erkrankte Gewebe, im ganzen etAva einer Mannesfaust an Größe entsprechend, mit einem Teile der Tibia entfernt wurde. Das herausgeschnittene Material sah in hohem ]Maße ungewöhnlich ans, eine Entscheidung darüber, ob hier ein erweichter Tumor oder ein chronischer Entzündnugsherd vorläge, ließ sich auch bei und nach der C)peration nicht fällen. Der Wundverlanf war gestört. Die Nähte hielten nicht, es entleerte sich aus 670 0. Busse, der Tiefe eiterähnliche Flüssigkeit, die Haut Avurde weithin unterminiert. Die Patientin wurde auf ihren dringenden Wunsch ungeheilt nach Hause entlassen. Schon während des Aufenthalts in der Klinik waren andere Erkrankungsherde aufgetreten ; es fanden sich Ulzerationen im Gesicht, die als Aknepusteln be- gannen, anfangs kreisrund waren, dann aber zu unregelmäßig gestalteten Ge- schwüren konfluierten. An der rechten Ulna, an der linken VI. Rippe bildeten sich ebenfalls Eiterungen, die zu Einschmelzungen der Knochen führten. Temperatursteigerungen bis zu 38,5" C. traten nur ausnahmsweise ein. Der Urin war frei von Zucker und Eiweiß und Eiter, enthielt aber zuweilen blutige Beimengungen. Unter zunehmender Kachexie starb die Patientin 13 Monate nach dem Auftreten der ersten Schmerzen an der Tibia. Bei der Sektion fand ich große Erkrankungsherde in beiden Lungen, in den Nieren und der Milz. Aus allen den bezeichneten entzündeten Teilen ließen sich die Hefen züchten. Die Herde selbst boten sehr verschiedene mikroskopische Bilder dar. Der dickwandige Sack an der Tibia besteht außen aus dicken Lagen von Narbengewebe, dem innen sehr umfangreiche Schichten eines gefäßreichen Granulationsgewebes mit ungewöhnlich vielen Riesenzellen aufliegen. Die innersten Schichten erfahren eine eigentümliche Verflüssigung, die das bräun- liche, eiterähnliche Material im Innern des Sackes darstellt, das schon bei der ersten Operation angetroffen worden ist und mikroskopisch aus Eiterkörperchen, sehr vielen großen protoplasmareichen Zellen mit endothelialem Kern und massenhaften Riesenzelleu besteht. Der später aus den Abszessen an Ulna und Rippe gewonnene Eiter ent- hielt sehr viel weniger Riesenzellen. Die Herde in der Lunge setzen sich aus einem System kleinerer und größerer Erweichungshöhlen mit derben narbigen Wandungen, die Kohlen- pigment enthalten, zusammen, der Inhalt der Kammern ist käseähnlich, viel- fach trocken oder verkreidet. Der größte Herd befindet sich in der Spitze der rechten Lunge und ist hühnereigroß. Noch größer und kugelig rund, von fester, trockner, weißer Masse erfüllt sind die Herde in den Nieren, kleiner dagegen sind die Knoten in der Milz. Sie stellen wie die in der Niere eigent- lich nur riesenhafte Kolonieen von Hefen dar. Vom Nieren- bezgl. Milzgewebe selbst sind darin nur dünne bindegewebige Septeu erhalten, welche der ganzen Masse einen gewissen Zusammenhalt geben. In der Peripherie bemerkt man teilweise geringe Kernwucheruug. Ich habe Krankengeschichte und Sektionsbefimd hier in etwas aus- führlicherem Auszüge wiedergeben zu müssen geglaubt, weil immer wieder von neuem Versuche gemacht werden, meine Befunde umzudeuten und den Fall als solchen von generalisierter Sarkomatose auszugeben. Demgegenüber betone ich hier noch einmal ganz ausdrücklich, dass die Herde in den Lungen und den Nieren zwar durchaus ungewöhnlich sind, aber keineswegs irgend etwas mit Sarkombildung zu thun haben. Die Bildung des schiefrigen Narbengewebes in der Lunge, wie Avir es sonst bei Tuberkulose antreffen, kennzeichnet die Veränderungen als das Produkt chronischer Entzündungsprozesse. Noch mehr tritt der entzünd- liche Charakter in den Knocheuherden und den Hautulzeratiouen hervor. Dass die von mir isolierten Hefen die Ursache der ganzen Erkrankung sind, beweist 1. der Umstand, dass sie in allen erkrankten Teilen in ungeheurer Menge gefunden worden sind, 2. die Thatsache, dass diese Herde, soweit sie unter aseptischen Kautel en zur Untersuchung kamen, diese Hefen als einzige Lebewesen enthielten, insonderheit sich gänzlich frei von den gewöhnlichen Eutzüudungserregern wie Staphylokokken Die Sprosspilze. 671 und Streptokokken erwiesen. Ich muss auf diesen Punkt noch einmal besonders aufmerksam machen. Das erste Material, das in der Klinik gewonnen war, war nicht steril aufgefang-en und auch hinterher keines- wegs vor Berührung mit unsaubern Händen u. s. w. geschützt worden, so dass ich bei meinen mehrere Stunden nach der Exstirpation vorge- nounneuen A])inn)fungen auf Nährböden gar nicht erwarten konnte, Rein- kulturen zu l)ekommen. Aehnlich lag die Sache bei den Organen, die ich bei der 30 Stunden post mortem ausgeführten Sektion gewann. Wohl aber ergaben Abimpfungen aus Erkrankungsherden, die in meiner Gegenwart unter aseptischen Kautelen eröfluet wurden, Reinkulturen der Hefeart auf sämtlichen, sehr verschiedenartigen Nährböden. Hiernach dürfte an der Thatsache, dass die Hefen auch die Aetiologie der Erkrankung bilden, wirklich niclit mehr zu zweifeln sein. Ebenso dürfte nunmehr wohl endgültig feststehen, dass dieser ganze Krankheitsfall nicht als allgemeine Sarkomatose aufgefasst werden darf, sondern, dass wir darin eine bisher unbekannte Art der Entzündung und Degeneration der GeweljC vor uns haben. Eine gewisse Aehnlich- keit des Krankheitsbildes mit dem der Aktinomykose veranlasste mich, die von mir beschriebene, durch eine Saceharomycesart hervorgerufene Erkrankung als »Saccharomycosis hominis« zu benennen, welchen Namen auch CuRTis, Saxpelice und andere acceptiert haben. Auf die sehr verschiedenartigen Gewebsveränderungen bei der Saccharomykosis komme ich noch einmal gelegentlich der pathogenen Wirkung der Hefen auf die Tiere zu sprechen. Der Erreger der Saccharomycosis hominis, der Saccharomyces Busse, stellt eine meist kugelig gestaltete Hefe dar, deren einzelne Zellen in der Größe ganz außerordentlich variieren, im ganzen betrachtet und im Vergleich zu andern Hefearten verhältnismäßig klein erscheinen. In schnellwachsenden Kulturen haben die Kugeln einen mittelmäßigen Durch- messer von ungefähr 8 ^<. Die einzelnen Hefezellen haben ein starkes Lichtbrechuugsvermögen, so dass sie dem Glänze von Fetttröpfchen fast gleichkommen, nur mit dem Unterschiede, dass diesem Glanz sich ein leichter grünlicher Schimmer 1)eimischt. Die Hefen aus jungen etwa 1 — 2 Tage alten Kulturen sind dabei vollkommen homogen. Bei zu- nehmendem Alter macht sieh eine doppelte Veränderung bemerkltar: es tritt einmal an der Peripherie der Kugel eine doppelt konturierte, stark glänzende Zellmembran auf, und zum andern zeigt das Protoplasma eine zunächst feine, dann allmählich gröber werdende Körnung, deren ein- zelne kleine Kügelchen wohl kontiuieren und schließlich ein oder mehrere Kügelcheu bilden, die in der Hefe, wie etwa große Nukleolen in den Kernen großer Geschwulstzellen, durch hellen Glanz hervortreten. Diese glänzenden Kügelchen stellen höchstwahrscheinlich Oeltröpfchen dar, die sich zwar nicht bei allen, aber doch in vielen Hefezellen l)ildcn. Während das Protoplasma etwas von dem anfänglichen Glanz junger Hefezellen verliert und dadurch dann die Membran deutlicher hervor- treten lässt, scheint l)ei dieser auch eine gewisse Dickenzunahme mit der Zeit einzutreten. Die Dicke der Membran steht auch in einem ge- wissen Verhältnis zu der Größe der Hefezellen. In alten Kulturen be- merkt man aber oft gigantisch vergrößerte Formen mit sehr dünner Membran (Riesenhefezellen . Neben der kugeligen Form trifft man in den Kulturen, allerdings verhältnismäßig selten, auch ovoide Zellen, l)esonders in älteren Spross- verbänden. 672 0. Busse, In Kultureu, die bei hohen Wärmegraden bis zu 41° C. gezüchtet worden waren, habe ich ganz ausnahmsweise ein ganz geringes abor- tives Auswachsen der Kugeln zu kurzen Schläuchen angetroöen. cf. Photo- gramm 193. Die Kultureu der Hefen auf sämtlichen Nährböden sind anfangs blendend weiß, auf Kartoffeln tritt bald eine graugelbe bis gelblich bräunliche Farbe auf, ebenso verändern sie auf dunkeln Nährböden, wie Pflaumendekoktgelatine, Malzgelatine und Malzagar nach einigen Tagen die Farbe und nehmen ein graues, schließlich fast schwärzliches Aus- sehen au. Ich bezweifle, dass es sich l)ei der Farbeuveränderung um einen durch die Lebensthätigkeit der Hefezellen erzeugten Farbstoff liaudelt, schließe vielmehr aus dem Umstand, dass die Kulturen auf Bouillongelatine und Agar dauernd weiß bleiben, dass die Verfärbung auf Kartoffeln und den dunklen Nährl)öden auf eine Aufnahme eines in den Substraten enthaltenen Farbstofies zurückzuführen ist. Die Pilze sind nicht sehr wählerisch bezüglich der Ernährung, sie wachsen auf allen gewöhnlichen Nährböden, bevorzugen aber leicht saure, zuckerhaltige oder mit Cllycerin versetzte Nährböden und Kartoffeln, Verhältnismäßig am schlechtesten wachsen sie auf Blutserum und Agar. Einen ganz vorzüglichen Nährboden giebt auch eine Abkochung von Backpflaumen mit einem Zusatz von Gelatine oder Agar. Auch bezüglich der Temperaturen sind die Hefen ebenso anspruchs- los wie in betreff der Nahrung, sie gedeihen vortrefflich bei gewöhn- licher Zimmertemperatur, wachsen auch noch bei 10°, ja bei 6" C, ent- wickeln sich aber viel schneller bei höheren Wärmegraden, insonderheit bei 37° C. Bei Temperaturen über 40° C. nimmt das Wachstum merk- lich ab, und es treten allerlei abortive Zellformen auf. Die Kultur ist anfangs kuppeiförmig, wie eine Halbkugel, bei zu- nehmender Größe flacht sich die Kuppel mehr ab, indem die Ausdehnung in der Fläche am Boden, die in der Höhe erheblich überwiegt. In Ausstrichkulturen konfluieren die Kolonieen schnell zu einem einzigen dicken Wulst, in dem die Verschmelzungsliuien l)ald verschwinden und zwar um so schneller je feuchter die Nährböden sind. In der gleichmäßigen glatten Oberfläche des Wulstes sieht man nach einiger Zeit von neuem kleine Protuberanzen sich erheben, au Stellen, avo offenbar einzelne Zellgruppen infolge günstiger Ernährungsbedingungen besonders energisch von neuem zu wachsen beginnen. Bei schwacher Vergrößerung sehen die Kulturen fast schwarz aus, bei stärkerer Vergrößerung erkennt man die einzelnen Kugeln in regel- mäßiger Schichtung. Stichkultureu zeigen eine nageiförmige Gestalt. In zuckerhaltigen Nährböden rufen die Hefen sehr lebhafte Gärung hervor, als deren Produkt Alkohol und Kohlensäure geliefert wird. Die Gärung tritt besonders lebhaft im Brütofen bei 37° C ein. Kerne lassen sich mit dem von Möller angegebenen Verfahren (s. o.) leicht und ohne Mühe nachweisen, cf Photogramm 192. Sporenbildung habe ich trotz Aussaat von lebenskräftigen Kulturen auf Gipsblöftke und destilliertes Wasser nicht beobachten können. Das Aussehen der Hefen ändert sich nun beträchtlich, wenn dieselben in den Tierkörper eingebracht werden. Dort bildet sich nämlich sehr schnell eine Kapsel, die die einzehien Zellen wie ein weiter Mantel um- giebt. Die Kapsel ist anfangs absolut hell und homogen und fällt zu- nächst nur dadurch besonders auf, dass ein anscheinend breiter freier Die Sprosspilze. 673 ]vaum, die in der Mitte gelegene, mit Membran versehene Zelle umgiebt. In frei herum schwimmenden Hefen kann man die Kapseln gewöhnlich an der glänzenden äußeren Kontur erkennen. Frachtvoll lässt sich diese Kapsel im frischen Präparat durcli einen Zusatz von 1 — Sproz. Essigsäure zur Anschauung bringen, dann hebt sie sich scharf und bestimmt von der Umgebung ab und lässt einen leicht grünlichen Schimmer erkennen. Nach dem Zusatz von Essigsäure tritt auch oft deutlicher als vorher eine konzentrische Schichtung in den Kapseln, besonders den breiteren auf, cf Photogramm. Diese Kapseln lassen die Hefen im tierischen Glewebe für jeden, der solche noch nicht gesehen hat, ganz außerordent- lich fremdartig erscheinen und veranlassen verkehrte Deutungen. Sieht man unbefangen ein derartiges Präparat, so wird man zunächst das ganze Gebilde für eine große Zelle ansehen, deren Kern von der eigent- lichen Hefezelle, deren Leib von der Kapsel gebildet wird. Da nun die großen Hefen auch von sehr großen Kapseln, die kleinen dagegen nur von minimalen Kapseln umgeben, oder überhaupt nackt sind, so trägt gerade die Kapsel dazu bei, die Vielgestaltigkeit der parasitären Hefen, die ganz enormen Größenunterschiede der einzelneu im Gewebe vorkommenden Formen noch erheblich zu vermehren. Die Auffindung parasitärer Hefen im Gewebe gelingt am besten ein für allemal im frischen Präparate. Die Parasiten zeichnen sich schon durch den leuchtenden Glanz vor den Gewebszellen aus und treten unter diesen noch deutlicher nach Zusatz von Natronlauge hervor. Dann hellen sich die Gewebselemente bis auf kleine Reste auf, während die Hefen, widerstandsfähig gegen Natronlauge, ihr früheres Aussehen behalten. Gegenüber dieser schnellen und einfachen Methode erweisen sich alle ])isher angelienen Färlnmgsverfahren als nur mangelhaft. Mit den ge- wöhnlichen Kernfärbemitteln, wie Karmin, Hämatoxylin färben sich die Hefen überhaupt nicht. Mit den Anilinfarbstoffen, die zur Kernfärbung verwandt werden, färben sie sich wie die Gewel)skerne selbst oder nur so wenig diftereut, dass es nur dem Kenner möglich wird, in Fuchsin oder Saftraninpräparaten die Mehrzahl der Hefen von den Gewebskernen zu unterscheiden. Bei eiufjichen Färl)ungen mit Methylenldau- oder Gentianaviolettlösungen wird die Unterscheidung noch schwieriger, während in einftich mit Karmin oder Hämatoxylin gefärbtem Schnitte überhaupt nichts Auffälliges zu bemerken ist, außer dass die vakuolenartigen Lücken in den Zellen und zwischen diesen die Aufmerksamkeit des Beschauers auf sich ziehen könnten. Um nun die Gewebsveränderungen und die Hefen zugleich zu studieren, habe ich die Gewebskerne mit Hämatoxylin oder noch besser mit Hämatein vorgefärbt und dann Nachfärbung mit sehr dünner Fuchsinlösung nachfolgen lassen, am besten nach folgender Vorschrift : Hämateinlösung 15 Minuten, Abspülen in Brunnenwasser 5 Minuten, Dünne Karbolfuchsinlösung (ZiEHLsche Lösung, einmal zu 2ÜTeilen destill. Wasser) \'2 — -4 Stunden, Entfärben in Alkohol, wenige Sekunden bis einige Minuten, Absol. Alkohol, Xylol, Kauadabalsam. Hierbei treten, wenn mau die Entfärbung richtig getroffen hat — und das gelingt bei einiger Uebung sehr leicht und sicher — , die Hefen Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. I. 43 674 0. Busse, als leuchtend rot gefärbte Körper neigen den blau gefärbten Gewebs- kernen deutlich hervor. Allerdings l)emerkt mau l)ei genauerem Studium, dass längst nicht alle Hefen, sondern nur ein Bruchteil derselben gefärbt sind. Aber immerhin liefert die Methode schöne Bilder und ist zum Nach- weis von Hefen im Gewebe wohl zu verwenden. Nicht dagegen eignet sich dies Verfahren, die Form und feinere Strukturverhältuisse zu studieren, denn die Hefen schrumpfen in dem Alkohol und Xylol wirk- lich fast bis zur Unkenntlichkeit, so dass man vielfach gar nicht im- stande ist, die eigentliche Hefezelle von der Kapsel zu unterscheiden. Schöne Sfcrukturl)ilder der Hefen erhält man, wenn man die Schnitte in Glycerinleim, Laevulose oder Sirupus simplex einlegt; allerdings em- pfiehlt es sicli dann nicht mit Fuchsin zu färl)eu, weil der Farl)Stotf in diesen Lösungen leicht schwindet. Man lässt die Hefen entweder un- gefärbt oder färbt schwach mit Eosin oder Bismarckbraun. Also folgendermaßen: Hämateinlösung 15 Minuten, Auswaschen in Wasser 5 Minuten, Bismarckbraunlösung 5 Minuten, Entfärben in Alkohol, Destill. Wasser, Einlegen in Sirup, spl. So sind die Präparate hergestellt, von denen die Photogramme 194 und 195 genommen sind; diese beweisen mehr als lange Auseinander- setzungen, dass hierbei in der That die Feinheiten in der Struktur der Hefen wie ihrer Kapseln hervortreten. Die Mannigftiltigkeit der Formen der Kapseln möchte ich hier lieber durch eine Zeichnung als durch viele Worte wiedergeben. Man sieht, dass die Kapsel bald einfach bald konzentrisch geschichtet sein kann, und dass diese Schichtung selbst noch wieder in sehr verschiedener AVeise ans-eordnet ist. Fiff. 1. Die Beschreibung der Formen würde durchaus lückenhaft sein, Avenn ich nicht noch einer bestimmten Forniengruppe Erwähnung thun wollte, die sowohl in frischen, als auch in gefärbten Präparaten, und zwar in Kanadabalsampräparaten ebenso wie in weniger geschrumpften, mit großer Eegelmäßigkeit und in nicht unbedeutender Zahl angetroffen wird. Es sind das eigentümliche Sicheltiguren, die in sehr verschiedener Größe und mannigfaltigen Formen in Saccharomykoseherden angetroffen werden. Diese Sichelformen liegen wie die eigentlichen Hefen nackt oder von einer Kapsel umgeben im Gewebe, sie entstehen auf ver- Die Sprosspilze. 675 widerstandsfähiffeu scliiedeue Weise, einmal dadurcli, dass die Hefekugel von ihrem Volu- men einbüßt und schrumpft und sieh dann einbuchtet, ähnlich wie ein Gummiball, der nur teilweise mit Luft gefüllt ist, zum andern bilden sich beim Zerfall von Hefezelleu Fragmente der Membran, die Teile eines Kugelmantels vorstellen und, ähnlich wie die Stücke einer zerbrochenen Nussschale, nun aller- lei Figuren bilden, deren Mannigfaltig- keit noch dadurch vergrößert wird, dass sie verschiedenartig erscheinen je nach- dem, ob mau sie von der Fläche oder von der Kante sieht. Ich halte es für ganz außerordentlich wichtig, auf diese Sichelformeu besonders aufmerksam zu machen, weil gerade diesen Formen bei der Bestimmung zw^eifelhafter Parasiten, insbesondere der Zelleinschlüsse bei den Karzinomen so besondere Wichtig- keit beigelegt worden ist. Ich halte es aus diesem Grunde für angebracht, auch von diesen durch die Hefen gebil- deten Sichelformen einige hier abzu- bilden (cf. Fig. 3). Die Gewebsveränderungen, die Sac- charomyces Busse beim Menschen macht, sind sehr verschiedenartig, das Gewebe reagiert in sehr wechselnder Weise darauf. In einzelnen Knochenherdeu trat eine schnelle eitrige Schmelzung ein, der Eiter unterschied sich makroskopisch zum Teil gar nicht von gewöhnlichem Streptokokken- oder Staphylokokkeneiter, mikroskopisch war immerhin die Beimengung der Riesenzellen autfällig. In dem ersten Knochen- herde an der Tibia trat, otfen bar weil die Frau im Beginn der Krankheit noch mehr widerstandsfähig war , ein mehr chronischer Verlauf der Entzündung hervor, indem dicke Lagen eines schwam- migen, an Riesenzellen rei- chen Granulationsgewebes und dicke Lagen von derl)em Narl)engewebe gebildet wur- den. Aehnlich chronische Veränderungen zeigen die größeren Herde in der Lunge. Andrerseits finden sich in den großen Saccharomykoseherden in den Nieren und der ]Milz fast gar keine Reaktionen von selten des Gewebes. Die entzündlichen Ver- änderungen sind minimal, die Herde erscheinen als Riesenkolonieen von Hefen in dem Gewebe, das sich diesen Eindringlingen gegenül)er fast passiv verhält. 43* Fig. @ # Kerne« bergen. Im Centrum sind diese Parasiten am reichlichsten und in den größten Exemplaren vertreten, Die Sprosspilze. 685 so dass die Kj)itlielieH l)is auf einen schmalen Öauni von ihren f^chma- rotzern aufi;'e brau cht sind; vereinzelt findet man auch Riesenzellen. In den Lymphdrüsen finden sich große epitheloide Zellen mit zahlreichen Einschlüssen. Sjjäter haben dieselben Autoren dieselben Tilastomyceten noch l)ei einem andern, selbstverständlich nicht damit geimpften Meerschweinchen getroffen, liei dem die Infektion vom Darm aus erfolgi zu sein schien. Der Blinddarm des Tieres war mächtig verdickt, die Schleimhaut vielfach geschwUrig zerstört; der Peritonealüberzug enthielt zahlreiche Knötclien, die Mcsenterialdrüsen waren vergrößert. Die Knötchen und Verdickungen bestanden fast ausschließlich aus Anhäufungen von lilastomyceten. Diese ließen sich aus Lunge und Drüsen durch Kultur isolieren und bilden auf Gelatine und Agar kleine weiße Kolonieen, die besonders üp])ig auf Kartoffeln wachsen und mit der Zeit ein schmutzig braunes Aussehen annehmen. Sie bestehen aus kugelrunden Blastomyceten, die sich aus- schließlich durch Öprossung vermehren. Die Eigenschaft der Hefen, im Tierkörper Pigment zu bilden, veranlasste die Autoren zu der meiner ^[einung nach höchst unzweckmäßigen Benennung Saccharoinyces niger, die man wohl besser nicht acceptiert, sondern für wirklich schwarze Hefen reserviert. Die Hefen sind pathogen für Meerschweinchen, Hunde, Kaninchen und Hühner. Es bilden sich bei allen, wenn die Infektion überhaupt gelingt, kleine miliare und submiliare Knötchen in Lunge, Leber, Pankreas, Niere, Herz und Milz, die aus epitheloTden Zellen und zahlreichen Ein- schlüssen l)estehen; bei ^leerschweinchen tritt an der Impfstelle vielfach ein großes Geschwür auf. Sanfelice, einem Forscher, der sich um die Entwicklung und Förde- rung unserer Kenntnisse von den pathogeneu Hefen unstreitig mit die allergrößten Verdienste erworben hat, gelang es, aus zwei verschiedenen Krankheitslierden bei Tieren Hefen zu isolieren. Die erste entstannnt aus den krebsig entarteten Lym})hdrüsen eines angeblich an primärem Leberkrebs erkrankten Ochsen. Da die Hefen im Gewebe häufig ver- kalkt sind, so benennt Sanfelice ^-^ diese Art als Saccharomyces litlio- genes. Der Saccli. lithog. liefert auf Agar und Gelatine weiße Kolonieen, Stichkulturen sind nageiförmig. Zucker wird in Alkohol und Kohlensäure zerlegt. Die ein- zelnen Formen sind gewöhnlich kugelrund und vielfach in S})rossverbänden aneinandergefügt. Imi)füngen l)ei Meerschweinchen führen zur Entwicklung von kleinen Knoten in den Lungen, dem Peritoneum und der Milz und zur Vergröße- rung der regionären Lymphdrüsen. Die Knötchen bestehen aus entzündlich gewucherten Zellen und Parasiten, die von hyaliner Kapsel umgeben uud gelegentlich verkalkt sind. Sie sehen dann gleichmäßig Fig. 7. glänzend schwarz aus, nur die Membran schimmert hell durch (cf. Fig. 7). Der Kalk löst sich ohne Gasentwicklung in Salzsäure und Schwefelsäure. Je langsamer sich die infektiösen Knötchen entwickeln, desto geringer ist die Zahl der Parasiten und desto deutlicher tritt die Reaktion des Gewebes hervor. •® 0iQ Anmerkuni;-: Fig. 7 und 8 sind den Arbeiten von Sanfelice entnommen. 686 0. Busse, Der Saccb. litliog. ist pathogen für Meerscliweinclien, weiße Ratteu, Kaninchen, Schafe und Rinder. Eine zweite Hefenart hat Sanfelice^" aus größeren, teilweise ver- kästen und verkalkten Knoten einer Schweineluuge isoliert und in seiner V. Abhandlung »Ueber pathogene Wirkung der Sprosspilze« be- schrieben unter dem Kamen Saccharomyces granulomatogenes. Tuberkelbazillen waren in den Herden nicht vorhanden. Der Sacchar. granul. bildet weiße Kolonieen auf den gewöhnlichen Nährböden, vergärt Zucker in Kohlensäure und Alkohol, und bildet in flüssigen zuckerhal- tigen Nährböden eine gleichmäßige Trübung und an der Oberfläche ein zartes Häutchen. Die Hefen sind nur für Schweine pathogen und bringen bei diesen die oben beschriebenen Knoten hervor, die aus Riesen- zellen und epitheloi'den Zellen bestehen und zum Teil verkäsen. Die Parasiten sind nicht sehr zahlreich, sind kleiner als die sonst bekannten Blastomyceten, bilden eine Kapsel und können auch verkalken. Sanfelice konnte noch einen anderen lilastomyceten, den er für pathogen hält, bei Tauben züchten. Bei den sogenannten Pocken der Tauben sind schon von Pfeiffer und vox Rivolta Zelleinschlüsse be- schrieben worden ; die Züchtung derselben ist zwar Sanfelice nicht ge- lungen, wohl aber hat er aus den Hautschuppen erkrankter Tiere zwei Hefearten kultiviert, deren eine, in die Lider von Tauben eingebracht, hier wieder die richtigen Taubenpocken hervorrufen soll. In diesen sind die Zelleinschlüsse wieder zu konstatieren, aber Hefen lassen sich nicht daraus züchten. Ueberträgt man Pockensekret auf gesunde Tauben, so bilden sich die Pocken innerhalb von 6 Tagen, bei Verimpfung von Blastomyceten erst in 15 — 30 Tagen. Die Thatsache, dass die Hefen nicht aus den Erkrankungsherden, auch nicht aus den künstlich erzeugten, selbst zu gewinnen sind, ist so auffällig, dass ich vorderhand die Richtigkeit der SANFELiCESchen Be- obachtung nicht ohne weiteres anerkennen kann. Da ja die Tauben auch spontan, ohne künstliche Uebertraguug des Sekretes erkranken, so erscheint angesichts der sonderbaren Züchtungsergebnisse ein Beobach- tungsfehler und zufälliges Zusammentreffen von Impfung und Erkrankung nicht ausgeschlossen. Wollen wir wirklich in der Lösung der Frage von den Zelleinschlüssen weiter vorwärts schreiten, so müssen wir als Grundsatz festhalten, dass nur das als Parasit ausgegeben werden darf, was gezüchtet werden kann, bezüglich gezüchtet worden ist. Aus Ge- stalt und Färbungsvermögen kann weder erkannt werden, ob im Gewebe liegende Körper überhaupt Parasiten sind, noch gar welcher Klasse kleiner Lebewesen sie angehören. Mithin ist die Pathogenität der von Sanfelice aus den Schuppen der Tauben gezüchteten Hefen zur Zeit noch nicht erwiesen. Hiermit würden wir über die Krankheiten, bezüglich deren Erreger berichtet haben, die bisher auf Hefen als Ursache zurückgeführt sind. Als das wichtigste Ergebnis der zuletzt berichteten, an Tieren angestellten Untersuchungen ist ohne Zweifel die Thatsache anzusehen, dass zwei in fast entgegengesetzten Ländern der Erdkugel epidemisch vorkommende Pferdekraukheiten in ihrer Ursache erkannt worden sind. Die daraus gezüchteten Blastomyceten sind wohl mit Sicherheit als zwei verschiedene Arten aufzufassen, denn die Angaben über das Wachstum der Hefe auf den verschiedenen Nährböden weichen gar zu sehr auseinander, als dass man die Unterschiede als vielleicht nur durch eine verschiedene Zu- sammensetzung der Nährböden bedingt ansehen könnte. Durch diese Die Sprosspilze. 687 Untersuchungen ist dann aber auch festgestellt, dass der japanische Wurm nicht identisch ist mit der Lymphaugoitis epizootica, wie Toki- SHiGE*'^ dies annimmt, sondern dass es sich hier um zwei zwar sehr ähnliche, aber doch immerhin verschiedene Infektionen und Infektions- erreger handelt. Durch Impfung als pathogen erkannte Sprosspilze. Die bisher beschriebenen Hefen hat man übereinstimmend durch folgenden Untersuchungsgang als pathogen ermittelt. Durch Aussaat von krankhaften Gewebswucherungen oder Gewebsflüssigkeiten sind Hefen gezüchtet worden, die entweder sofort durch den Ausfall der Kulturresultate (Reinkulturen) oder durch diese in Verbindung mit dem charakteristischen Gewebsbefund (Toki.shige) als die Ursache der Krank- heit erkannt sind, oder aber sich durch Tierversuche als pathogen und als Erreger der jeweiligen Erkrankung ausgewiesen haben. Wer diesen Weg verfolgt, ist allerdings mehr oder minder vom Zufall abhängig, nämlich von dem Umstände, ob das Geschick ihm Fälle von Saccharo- mykosen zur Untersuchung in die Hand spielt oder nicht. Der andere Yersuchsweg wäre der, dass man die frühereu Versuche wieder aufnimmt und die zahllosen vorhandenen Hefearten (Kultur- wie wilde Arten) direkt zu Tierversuchen verwendet. Hierbei wird es ledig- lich vom Fleiß und der Ausdauer des Experimentierenden abhängen, ob, l)ezüglich wie viel neue pathogene Arten er ermittelt. Dass dieser Weg beweiskräftiger ist wie der erste, der noch ein beweisendes Glied mehr als der zweite enthält, wird wohl niemand Saxfelice zugestehen. Sax- FELiCE war der erste, der diesen Weg mit Erfolg betrat, ihm folgten Rahinowitsch und Gasagrandi. Im Juli des Jahres 1894 erschien meine erste Mitteilung im Centralbl. f. Bakt., Bd. 16 unter dem Titel »Ueber parasitäre Zelleinschlüsse und ihre Züchtung«, im November desselben Jahres begann Saxfelice Blas- tomyceten, die er von Fruchtsäften gewonnen hatte, auf Tiere zu ver- impfen und schon im Januar 1895 erschien die erste vorläufige Mit- teilung Saxfelices^^ liijer pathogene Wirkung des von ihm später als »Saccharomyces neoformans benannten Pilzes. Diese Hefen bilden auf Gelatine und Agar weiße Kolonieen, die an der Oberfläche kuppelartig, in dem Nährboden selbst kugelig gestaltet sind und hier leicht gelblich aussehen. Sie verflüssigen Gelatine nicht. Stichkulturen sind nageiförmig. Das Wachstum geht auf angesäuerten, zuckerhaltigen Nährböden und auf Kartoffeln schneller und üppiger vor sich, als in gewöhnlichen und alkalisehen Substraten. Zucker wird in Alkohol und Kohlensäure vergärt. Kulturen gedeihen im Brütofen und Zimmertemperatur. In einer ganzen Reihe von Arbeiten hat Saxfelice die Wirkungen dieses hauptsächlich von ihm studierten Saccharomyces neoformans mitgeteilt. Der Pilz ist pathogen für Meerschweinchen, Mäuse, Ratten, Kaninchen, Hunde und Hühner. Bei den Meerschweinchen, Mäusen und Ratten bilden sich kleine weiße Knötchen in den inneren Orgauen, die aus Parasiten und entzündlich vermehrten Gewebszellen l)estehen, jedoch so, dass das Mischungsverhältnis dieser beiden je nach der Dauer der Infektion und der Tierspecies sehr erheblich wechselt. Bei Hühnern treten an der Impfstelle (Kamm) dauernde Verdickungen auf, die die 688 0. Busse, Parasiten enthalten. Die Infektionsclauer sehwankt bei den verschiedenen Tierarten, aber auch bei verschiedenen Tieren derselben Art ganz außer- ordentlich stark. Mäuse sterben ungefähr nach 7 Tagen, Meerschwein- chen nach 20 — 30 Tagen, Ratten nach 1 — 2 Monaten, Kaninchen und Hühner bleiben durch viele Monate am Leben, l)is sie schließlich al)- getötet werden. Aus all den als krank bezeichneten Teilen ließen sich, auch noch nach 7 Monaten, die Hefen wieder leicht durch Kultur rein züchten. Die Hefen selbst haben in der Kultur das Aussehen gewöhnlicher Blastomyceten, sie haben eine vorwiegend kugelige Gestalt, eine mit zunehmendem Alter der Kolonieen immer deutlicher werdende doppelt konturierte Membran und die hellglänzenden Körperchen im Innern des Zellleibeg. Die Fortpflanzung geschieht, wie von Saxfelice im hängen- den Tropfen genau studiert ist, durch Sprossung, eine Fadenbildung findet nicht statt. In den Tierkörper eingebracht, umgeben sich nun die Hefen mit einer hyalinen Kapsel, ähnlich wie ich f'iK'- frs\ ^''^^ ^^^ meinen Hefen und dem 8ac- [Wj \^J (2) Q charomycestumefaciensCurtis eingehend beschrieben habe. An diesen Kapseln hat Sanfelice noch allerlei Besonder- heiten beschrieben und abgebildet. Da- rin wird die verschiedene Breite und die Anordnung in konzentrisch gelager- ten Ringen und deren Verhalten Farb- stoffen gegenüber festgestellt. Zuweilen Fig. 8. wurde auch eine Verkalkung der Para- siten ähnlich wie beim Saccharomyces lithogenes und Saccharomyces granulomatogenes beobachtet. Ich füge einige der von Sanfelice abgebildeten Formen, die aus den Kämmen von Hühnern stammen, in Fig. 8 an. Zur Färbung der Blastomyceten in Schnitten hat Saxfelice folgendes Verfahren angewandt : Färben in konzentrierter Anilinwassergentianaviolettlösung, Entfärben in Alkohol, Kontrastfärbung in 1 proz. Safi'raninlösung, Entfärben in Alkohol, Xylol, Kanadabalsam. Bei dieser Färbung erscheinen die Kerne rot, die Hefen blau. Doch variieren dieselben sehr im Aussehen. Die Kapseln sind gewöhnlich un- gefärbt ; von den Hefezelleu selbst färbt sich zuweilen die ganze Zelle, zuweilen nur die Membran, dann wieder nur einzelne Körnchen in der Zelle. Doch bleibt auch eine ganze große Zahl von Hefen, ähnlich wie bei den anderen Färbungen, ungefärbt und man findet deshalb in frischen Präparaten oder nach Behandlung der ungefärbten Schnitte mit 1 % Natronlauge bedeutend mehr Parasiten als in den schön gefärbten Schnitten. Die Hefen liegen zum größeren Teil extracellulär, doch trifft man sie auch vielfach innerhalb der Zellen. Die Gewebszellen selbst sind, wie das bei chronischen Entzündungen ja nicht anders zu erwarten ist, zum großen Teile hoch entwickelt und ähneln sehr den ja allgemein bekannten »epitheloiden« Zellen der Tuberkel. Daneben trifft man aber selbstverständlich auch frischere Die Sprosspilze. 689 Entzündungserscheinuugen, sogenannte kleinzellige Infiltration und ver- schiedenste Grade von Narbeubildung an. Mit Recht sieht nun Sanfelice in seinen verschiedenen Arbeiten den Wert seiner Entdeckung nicht in dem Umstände, dass er die zweite pathogene Hefe und nachher noch weitere krankmachende Arten ge- funden hat, sondern in fast allen Arbeiten wird immer wieder auf den Umstand hingewiesen, dass die weitgehende und prinzipielle Bedeutung seiner Beobachtungen in der Feststellung der auch schon von mir be- schriebenen, eigentümlichen Gestaltsveränderuugen der Hefen liege. Ein großer Teil der als Koccidien beschriebenen Gebilde hat die Gestalt der parasitären Hefen ; dass man sie als solche bisher nicht erkannt hat, liegt im wesentlichen wohl an der sie so fremdartig erscheinen lassenden, breiten und vielfach sogar geschichteten Kapsel. Die Entdeckungen von Claudio Fer.mi & Arucii sowie von Curtis, ferner von Gilchrist & Stoke sind direkt als die Folge der Erkenntnis von den Formenver- änderungeu der Hefen im menschlichen und tierischen Gewebe anzu- sehen. Diese in den genannten Arbeiten als Hefen erkannten Gebilde sind früher zum Teil von denselben Autoren für Protozoen gehalten worden, und ich denke noch manche der Formen, die auch heute noch für Koccidien oder Sporozoen gelten, werden in hoffentlich nicht allzu- ferner Zeit das Schicksal des Cryptococcus farciminosus Rivoltae teilen. Ebenso wie ich in meinen verschiedenen Arbeiten, so weist auch Sanfelice mit großer Energie auf die Aehnlichkeit hin, die viele der als Zelleinschlüsse in den Geschwülsten beschriebenen Formen mit den parasitären Hefen darbieten. Der Nachweis, dass diese und die Krebs- parasiten identisch sind, nimmt einen großen Teil seiner Arbeiten ein. Es werden direkt die von Sanfelice abgebildeten Formen des Saccharo- myces neoformans mit bestimmten von Sudakewitsch, Russell, Foa, Ruffer & Walker, Flimmer, Albarran, Nils S.jöbring und Sawt- SCHENKO beschriebenen und abgezeichneten Krebsparasiten verglichen und identifiziert. Es wird ferner festgestellt, dass die für diese vermeintlichen Para- siten angegebenen Färbungsmethoden auch die Hefen tingieren, und um- gekehrt, dass das von Sanfelice angegebene Verfahren zur Färbung der Hefen auch die fraglichen Gebilde in den malignen Tumoren färbt, und somit hält Sanfelice die Beweiskette für geschlossen und die Gesch^vulst- frage für gelöst. Er vermeint unbestreitbar dargethan zu haben, dass die malignen Tumoren durch Hefen erzeugt werden, und in dem Be- streben, den engen Zusammenhang zwischen Hefen und malignen Ge- schwülsten immer noch sicherer darzuthun, ist er andererseits allzu leicht geneigt, in den Knoten, die von dem Saccharomyces neoformans bei Tieren hervorgerufen werden, wirkliche maligne Geschwülste zu sehen. Es lieg-t mir absolut fern, zumal an dieser Stelle gegen Sanfelice zu polemisieren. Denn ich weiß, dass zur Förderung der Sache solche Polemiken wenig beitragen, und bin der Meinung, dass die auf solche Kontroversen verwandte Zeit und Geistesthätigkeit besser angewandt werden kann. So sehr ich vorher die Bedeutung der SANFELiCEschen Beobachtungen anerkannt habe, so wenig kann ich jedoch hier seine Ausführungen unwidersprochen lassen, denn hier liegt der schwache Punkt seiner Arbeiten, hier verlässt er den Boden objektiver Darstellung und Deutung und macht fernerhin den Wunsch, maligne Geschwülste experimentell hervorgerufen zu haben, zum Vater seiner Gedanken und Deduktionen. Bevor ich auf diese Ausführungen und die ihnen zu Handbucli der pathogenen Mikroorganismen. I. 44 690 0. Busse, Grunde liegenden Hundeexperimente näher eingehe, möchte ich kurz noch von den pathogenen Hefen von L. Eabinowitsch und denen von Casagrandi handeln, denn die noch ausstehenden Saxfelice- schen Arbeiten leiten schon zu dem nächsten Kapitel der Hefen in Ge- schwülsten hinüber. Lydia Kabinowitsch^^ \y^j- ungefähr 50 Hefearten auf ihre Patho- genität untersucht und darunter 7 solche gefunden, welche auf Tiere eine pathogene Wirkung auszuüben imstande waren. Diese 7 Arten sind: 1. Monilia Candida tritt in der Natur als weiße Schicht auf frischem Kuhmiste und süßen, saftigen Früchten auf und wächst auf den ge- wöhnlichen, wie wUrzehaltigen Nährböden, liefert auf Würzeagar zu- weilen Mycelien mit septierten Hypheu. Sie ist nach Jörgensen im- stande, Traubenzucker und auch Rohrzucker direkt zu vergären, d. h. ohne vorher Invertin zu bilden. Monilia Candida ist pathogen für Mäuse und Kaninchen. Einimpfung einer Platinöse Kultur in die Ohrveue oder unter die Haut führt bei beiden Tieren den Tod herbei, der in der Zeit von 18 Stunden bis 17 Tage nach der Infektion eintritt. Einmal wurde an der Impfstelle, einmal im Munde ein Abszess gefunden, sonst fanden sich keine sicht- baren Veränderungen, trotzdem sich aus allen Organen die Hefen wieder züchten ließen. Für Meerschweinchen ist die Hefe nicht pathogen. 2. Eine wilde weiße Hefe aus gärenden Feigen gewonnen, die ihrer systematischen Stellung nach etwa in der Mitte zwischen der Kahm- hefe und Pastorianus steht, zeigt spärliches Wachstum auf Agar; besser wächst sie auf saurer Gelatine, die nicht verflüssigt wird, und auf Kar- toffeln. In der Bouillon entwickelt sie sich sehr langsam, besser da- gegen in Traubenzuckerl)ouillon, die nicht vergärt wird. Form oval bis rund. Sie ist pathogen nur für Mäuse, die 3 — 19 Tage nach der Impfung sterben. Veränderungen in den Organen sind nicht zu konstatieren, wohl aber sind in allen Organen, sowie im Blute Hefen durch die Kultur nachweisbar. 3. Eine weiße Hefe, die aus einer Brennereihefe isoliert wurde, bildet auf saurer Gelatine kleine runde Kolonieen, die der Unterlage fest anliegen und die Gelatine nicht verflüssigen. In Stichkulturen ist im oberen Teile das Wachstum üppiger als in der Tiefe, imd zeigt oben viele horizontale Ausläufer. Auf saurem Agar bildet sie kleine, trocken erscheinende Kolonieen, die leicht konfluieren und als ein gleich- mäßiger, dünner, farbloser Rasen die Agaroberfläche überziehen. Auf Kartoff'eln und in Bouillon wächst sie langsam und ruft in dieser eine gleichmäßige Trübung hervor, in Würze gedeiht sie vorzüglich und bildet hier einen dicken Bodensatz. Die Hefe ist pathogen für Mäuse, die 1 — 9 Tage nach der Impfung sterben; von makroskopischen Veränderungen ist nur einmal Eiterung an der Impfstelle konstatiert und in dem Eiter die Hefe nachgewiesen worden. In allen Organen und im Herzblut runde, ovale und knospende Hefen. Bemerkenswert ist, dass sich die Kulturen erst spät, oft erst 30 bis 40 Stunden nach der Aussaat zu entwickeln beginnen. 4. Eine aus Sauerteig gewonnene Hefe gedeiht langsam auf saurem Agar, üppig auf Würzeagar, auf dem sie einen dicken, gelblichen Rasen bildet. In Traubenzuckerbouillon tritt starke Gärung auf Auf dem Agar bemerkt man Mycelbildung. Die Sprosspilze. 091 Die Hefe ist patliogen für Kaninchen und Mäuse, die in dem Zeit- raum von 2 — 14 Tagen nach der Impfung sterben. Tu den Organen reichliche Hefezellen, dagegen keine im Herzblut. Einmal wurde ein mit Hefezellcn überfüUter Äbszess an der Im])fstelle und einmal zahl- reiche, weiße Knötchen in den Kieren bei Mäusen gefunden. 5. Eine auf Weintrauben vorkommende, wilde Hefenart zeigt im ganzen ähnliche AYachstumsbedingungen wie die Hefe von 8, nur bildet sie keinen Käsen auf Würzeagar, sondern getrennt bleibende große Kolonieeu. Im Tierkörper traf Eabixowit.sch lange Sprossverbäude, da- gegen keine Mjxelien. Die Hefe ist pathogen für Kaninehen und Mäuse. Diese sterben 1 — 9 Tage nach der Impfung, das Kaninchen 14 Tage darnach. Im Herzblut und den Organen reichliche Hefezellen, aber keine anatomische Veränderung. An der Impfstelle dagegen fanden sich zuweilen Abszesse, in denen aber nur wenige Hefen nachzuweisen sind. 6. Eine Hefe aus einer Malzmaische isoliert, die stark mit einem antiseptischen Mittel unbekannter Zusammensetzung versetzt war, bietet bezüglich des Wachstums auf den verschiedenen Nährböden nichts, wo- durch diese Art von den oben angeführten sich unterscheide. Durch wiederholte Tierpassage gelang es. diese Hefeart pathogener zu machen, indem es nun genügte, ein Stückchen Niere von der A"erstorl)enen unter die Haut einer lebenden Maus zu bringen, um am 5. bis 8. Tage den Tod dieser herl)eizufüliren. Versuche an Meerschweinchen und Kanin- chen ergaben bis jetzt negative Resultate. 7. Eine Hefeart, die von Herrn Professor Delbrück aus Amerika mitgebracht wurde, stammt aus Alebier und wurde von Dr. Lindxer als Sacch. Delbrücki bezeichnet. »Wegen ihrer kugeligen Form und des regelmäßigen Auftretens je eines größeren Fetttröpfchens in jeder Zelle wird diese Art von Lindxer für eine Torulaart gehalten; sie unterschei- det sich aber von diesen dadurch, dass sie ein bis zwei Sporen pro Zelle bildet, gehört daher zur Gattung Saccharomyces. Diese Hefe vergärt nach Ltndner Maltose, Dextrose und Rohrzucker. Bei Mäusen führt diese Art, subkutan injiziert, den Tod am 4. bis 6. Tage herbei; Kanin- chen, subkutan geimpft, starben am 9. bis 10. Tage; Meerschweinchen erwiesen sich unempfindlich, indem durch Einspritzung ziemlich großer Dosen in die Bauchhöhle weder Temperaturschwankuugen noch Gewichts- abnahme konstatiert werden konnten.« Die von Rabixowitscii erzeugten Infektionen weichen ganz und gar von den eigentlichen Saccharomy kosen ab, es scheint sich bei allen um eine Art von Sepsis zu handeln, die durch Hefen hervorgerufen ist. Rabinowitsch betont auch ausdrücklich, dass ihre Beobachtungen sich von den Saccharomykosen unterscheiden, und dass sie insonderheit auch eine Gestaltsveränderung oder Kapselbildung der Hefen nicht i)estätigen könne. Diese letztere Bemerkung erscheint einigermaßen auöallig an- gesichts des Satzes: »Oft sieht man um die gefärbte Hefezelle einen ovalen ungefärbten Hof« (Seite 24). Ich bin nicht zweifelhaft, dass bei geeigneter Behandlung also z. B. im frischen Präparat bei Zusatz von Essigsäure dieser helle Hof als Kapsel hervorgetreten wäre. Ich führe nun noch die mir leider nur in Autoreferaten vorliegenden Beobachtungen von Casagraxdi !-'•''' über pathogene Wirkung verschiedener Hefearten an. Casagrandi hat aus diabetischem Urine eine rote Hefe, 44* 692 0. Busse, Saccharomyces ruber, isoliert, die er mit einem von Demme aus Käse und aus Milcli gewonnenen Blastomycyten identifiziert. »Der Saccharomyces ruber ruft nach Einimpfung- in dem Unterliautbindegewebe, in dem Peri- toneum und in den Organen die Biklung von Knötchen mit eiterartigem Inhalte hervor, die ganz gleich sind mit jenen, welche von anderen Blastomyceten und auch oidischen Formen hervorgebracht werden.« Außerdem erzeugt er, zusammen mit Milch verschluckt diarrhöische Erscheinungen; ebenso wirkt Milch, welche mit Sacchar. ruber besät, aber vor dem Trinken nach Tyndall sterilisiert war, während ebenso behandelte Bouillon unschädlich ist. Nach Casagrandi wird also die Diarrhöe nicht durch den Blastomyceten an sich, sondern durch Stoffe bewirkt, die er in der Milch erzeugt. Auch der von Remak im Jahre 1855 im Kaninchenmagen aufgefun- dene Saccharomyces guttulatus führt bei Ratten, Meerschweinchen und Kaninchen und in den Kollern von Hühnern zur Bildung von kleinen Knötchen mit eiterähulichem Inhalte und bewirkt bei den ersten drei Tierarten den Tod, der bei Kaninchen 15—30 Tage, bei Meerschwein- chen 10 — -20 Tage, bei Ratten 10^ — 16 Tage nach der Impfung unter die Haut oder in die Bauchhöhle eintritt. Eine andere weiße Hefe, die bei Meerschweinchen Eiterung erregt, ist von Nescadimento^^ 1899 be- schrieben worden. Woher die Hefe stammt, ist nicht angegeben. Wir kommen nunmehr zu dem schwierigsten aber interessantesten Kapitel, dem Vorkommen von Hefen in malignen Geschwülsten. Die Blastomyceten in malignen Geschwülsten. Jedem von uns, die wir über pathogene Hefen gearbeitet haben und noch arbeiten, ist die prinzipielle Bedeutung der Befunde von Anfang an klar gewesen. Formen, wie sie die Hefen im Gewebe zeigen, sind bis zum Jahre 1894, als ich mich an die Züchtung der mir vorliegenden Zelleinschlüsse machte, vorzugsweise in bösartigen Geschwülsten be- schrieben und als eventuelle Erreger, die in die Klasse der Protozoen gehören, gedeutet worden. In meiner ersten Mitteilung »Ueber parasitäre Zelleinschlüsse und ihre Züchtung« ist zum erstenmal wirklich sicher fest- gestellt, dass die mir vorliegenden »Zelleinschlüsse« 1. vermehrungsfähige Parasiten und 2. dass diese Parasiten Hefen sind. Diese Beobachtung wurde alsbald durch die Arbeiten von Sanb^elice bestätigt und durch Permi & Aruch wurde ein weiterer Gew^ebsparasit, der solange für ein Protozoon gegolten hatte, als Hefepilz erkannt. Es leuchtet ein, dass das Bestreben aller I^)eteiligten dahin ging, auf der betretenen Bahn weiter fortzuschreiten und zu ermitteln, ob, bezüglich welche Beziehungen zwischen den Zelleinschlüssen in den malignen Geschwülsten und den Hefen bestünden. Das Interesse, das die Arbeiten über die pathogenen Sprosspilze alsbald in weiten Kreisen erweckt haben, ist im wesentlichen auf die Lösung dieser Frage gerichtet gewesen: Was haben die Zell- einschlüsse in den Karzinomen mit den Hefen zu thun? Jeder der sich an die Lösung dieser Frage macht, muß sich vorher darüber klar werden, dass die »Zelleinschlüsse« ganz und gar keine Ein- heit darstellen, sondern dass unter dem Begriff »Zelleinschlüsse« die verschiedenartigsten Dinge subsummiert werden. Infolgedessen wird es auch niemand unternehmen, die Natur dieser Gebilde generell fest- stellen zu wollen, oder wenn er es unternimmt, wird er alsbald erfahren, Die Sprosspilze. 693 (iass eine solche Verallg-eincinerung zu fehlerhaften Deutungen führt und dazu ])eiträg-t, die wirklieh gefundenen Resultate als zweifelhaft erscheinen zu lassen und in Misskredit zu hring-en. Die Wahrheit des Satzes: »Divide et inipera« zeigt sich auch hier. Man begnüge sich damit, ein- zelne ganz bestimmte Formen in ihrem Wesen erkannt zu haben. Wenn man den oben ausgesprochenen Satz, dass die Zelleinschlüssc keine Einheit darstellen, als richtig anerkennt, dann wird auch einleuch- ten, wie wenig stichhaltig der von verschiedenen Seiten (Ricker und a.) erhobene Einwurf ist, dass die Hefen im Gewebe anders aussähen als die »ZelleiuschlUsse< in den Geschwülsten. Im übrigen soll man äußerst vorsichtig sein, wenn man von den Hefen behauptet, sie sähen anders aus als die und jene Gebilde. Die Polymorphie der Hefen ist eine wirk- lich ganz enorme. Zu den weitgehenden Gestalts- und Größenunter- schieden der Hefen in den Kulturen kommen die vielen Mannigfaltig- keiten in der Kapselbildung und die Unzahl der Formen, die die ab- sterbenden und degenerierten Hefen in Geweben darbieten. Nimmt man liierzu noch Gestaltsveränderungen, die die Blastomyceten bei der Här- tung und vor allem l)ei der starken Schrumpfung erfahren, die mit dem Einlegen in Kanadabalsam verbunden ist, so wird man verstehen, dass es wirklich keine Uel)ertreibung ist, wenn gesagt wird: Die Hefen können alle Formen von Zelleinschlüssen, die von den ver- schiedensten Autoren beschrieben sind, im Gewebe darbieten. Sanfelice ist es ja auch ohne Schwierigkeit gelungen, in seineu Prä- paraten Analoga für die von den verschiedensten Autoreu abgebildeten »Krebsparasiten« zu finden und vorzuzeigen, und alle die von ihm vor- gebrachten verschiedenen Formen sind einzig und allein durch den Saccliaromvces neoformans gebildet worden. Wer von uns kann sagen, ob die Polymorphie mit den bis lieute als pathogen erkannten Hefearten erschöpft ist? Wer will behaupten, dass nicht andere Blastomyceten noch ganz andere Bilder geben können? Legt nun also schon die Aehulichkeit der Hefen mit den sogenann- ten Krebsparasiten den Gedanken nahe, ihnen eine gewisse Rolle in der Aetiologie der malignen Geschwülste zuzuerkennen, so gewinnt diese Annahme noch sehr erheblich an Wahrscheinlichkeit durch den Umstand, dass die Hefen, in Tierkörper gebracht, vielfach wirklich geschwulst- artige Knoten an der Impfstelle sowohl als auch in den inneren Organen hervorrufen. Jeder, der solche Saccharomykosen, wie sie in Figur 4, 5 und 6 gezeichnet sind, zum ersten Male sieht, Avird thatsächlich auf das höchste über diese Art der künstlichen »Tumoren« erstaunt sein. Aber diese »Tumoren« sind keine Geschwülste im pathologisch anatomischen Sinne, sondern Wucherungen von Blastomyceten, in sehr wechselndem Verhältnis vermischt mit entzündlicher Proliferation des Gewebes. Nur Sanfelice und seine Anhänger halten die durch den Saccha- romyces neoformans im Gewebe erzeugten Verdickungen für wirkliche Geschwülste auch im pathologisch anatomischen Sinne. Auf diesen Punkt noch näher einzugehen, habe ich mir auf S. 689 noch vorbehalten und will dies jetzt hier nachholen. Sanfelice hat mit anerkennenswerter Ausdauer au Hunden experi- mentiert, denen er den Saccharomyces neoformans in der verschiedensten Weise beibrachte. Schon bei den ersten, an 40 Hunden vorgenommenen Impfungen glaubte Sanfelice wirkliche Tumoren erzeugt zu haben. Allein die beschriebenen Knoten wurden weder als wirkliche Geschwülste — Sanfelice ist sich nicht klar, ob er sie zu den Karzinomen oder 694 0. Busse, Sarkomen rechneu soll — anerkannt, noch wurde anerkaunt, dass sie überhaupt in ätiologischem Zusammenhange mit den Blastomyceten ständen. In der Folgezeit hat nun Sanfelice die Organismen mehr- mals durch den Hundekörper hindurchgeschickt und zur Impfung ver- Avandt, in der Annahme, dass sie sich so allmählich dem Hundekörper adaptierten. Im])ft er solche Blastomyceten in die Jugularvene, so findet er in den verschiedensten Organen gelblichweiße Knötchen, die aus ge- wucherten Bindegewebszelleu bestehen, die Hefen in der gewöhnlichen Form enthalten, und durch Züchtung wiedergewinnen lassen. Die Hunde starben nach längstens IV2 Monaten. Sanfelice deutet diese kleinen Knötchen, die ja allem Anscheine nach als Reaktion des Gewel)es auf die eingeschwemmten Pilze aufzufassen sind, als die Anfänge wirklicher Geschwulstbildung, während sie doch in Wirklichkeit nichts weiter dar- stellen als kleine Entzündungsherde, durch die sich die Organe der Ein- dringlinge erwehren. Dass sie dies mit bestem Erfolge thun, dafür spricht meines Ermessens der Umstand, dass viele verkalkte Hefen darin gefunden werden, die doch als abgetötet oder abgestorben angesehen werden müssen. Auch BuscHKE, Maffucci & Sirleo, Bonome und andere deuten diese Knötchen genau so wie ich, und die abweichende Deutung Sanfelices zeigt uns, dass dieser Autor befangen ist und sich l)ei der Beurteilung seiner Versuche nur von dem Wunsche leiten lässt, wirkliche Geschwülste mit dem Saccharomyces neoformans hervorgebracht zu haben. Bei solcher Lage der Dinge kann es nun nicht verwundern, dass man auch den weiteren Beobachtungen und Deutungen Sanfelices eine ge- wisse Vorsicht entgegenbringt. Wenn nun weiter bei Hunden, die die Impfung viele Monate über- leben, später Bdastomyceten weder aufzufinden noch zu kultivieren sind, so schließe ich angesichts der abgestorbenen und verkalkten Hefen in den oben beschriebenen Knoten, dass keine Hefen mehr im Körper vor- handen sind. Sanfelice hingegen findet bei solchen Hunden und Katzen Körperchen, die ganz anders aussehen als die lebenden Formen von Sacchar. neoform. und sich auch auf keine Weise züchten lassen, und er schließt nun, dass diese den RussELschen Fuchsinkörperchen ent- sprechenden Gebilde eine andere Erscheinungsform des Blastomyceten darstellen. Diese Wachstumform sollen sie bilden, sobald sie sich dem Tierkörper adaptiert haben, und diese Anpassung an den Tierkörper soll nun andererseits ihre ganzen Lebensbedingungen so geändert haben, dass sie eben auf künstlichen Nährböden außerhalb des Körpers nicht mehr zu züchten sind. Es bedarf wohl keiner langen Auseinandersetzung, um darzuthun, dass die Hypothese weder durch die Versuche Sanfelices gestützt noch durch irgend Avelche Analogieen in der Naturgeschichte wahrscheinlich gemacht wird. Trotzdem wird aber diese Hypothese von Sanfelice zur Beweisführung in den wichtigsten Fragen ohne weiteres fernerhin benutzt. Sanfelice beschreibt im Jahre 1898 an zwei Hunden Veränderungen, die, nach Text und Abbildungen zu schließen, thatsächlich Tumoren, und zwar Adenokarzinome zu sein scheinen. Beide sind im Anschluss an Impfungen mit Saccharomyces entstanden, der eine in der Brustdrüse, der andere in dem Hoden. Die Geschwülste enthalten aber keine der gewöhnlichen Hefenformen, noch lassen sich Blastomyceten daraus züchten. Vielmehr findet Sanfelice die vorher erwähnten RussELSchen Körperchen darin und behauptet, sie wären die veränderten Hefen und die Erreger der Gescliwülste. Die Thatsache, dass hier zwei Geschwülste Die Sprosspilze. 695 bei Hunden entstanden sind in Org-anen, in denen Sanfelice experimen- tiert hat, ist ja allerdin^^s auflallig-, dennoch tra^-e ich stärkste bedenken, sie ohne weiteres mit den ein^^eimpften Hefen in lieziehung- zu hring:cn. Denn einmal kommen ja bei Hunden solche Geschwülste spontan vor, und Sanfelice hat ungefähr mit 60 Hunden experimentiert, zweitens haben diese Hunde Jahre lang in der Gefangenschaft gelebt, Avahr- scheinlich nicht unter den besten hygienischen Bedingungen, und drit- tens berichtet Sanfelice, dass er, um die Drüsen zur Wuchenmg an- zuregen, allerlei Reizungen, Quetschungen, Läsionen u. s. w. daran vorgenommen hat. Auch Baumgarten & Nichols stehen auf dem Standpunkt, dass der Zusammenhang zwischen den Geschwülsten und dem Saccharomyces neoformans noch nicht erbracht ist, imd hier nur durch ein zufälliges Zusammentreffen vorgetäuscht sein könnte. Somit wäre also auch jetzt noch nicht der Beweis erbracht, dass Geschwülste künstlich durch Ein- impfung von Blastomyceten erzeugt werden können. Neuerdings scheint auch Sanfelice 52 de^ Standpunkt aufgegeben zu haben, dass die Eussell- schen Körperchen die Wachstumsform der Hefen bedeuten, die diese in malignen Geschwülsten annehmen, und dass diese als die eigentlichen Erreger derselben anzusehen sind. Denn um dem Einwand zu begegnen, dass die »Zelleinschlüsse« Gewebsdegenerationen sind, stellt er fest, dass ein Teil der Zelleinschlüsse allerdings hierdurch zu erklären sei, dass ein anderer Teil dagegen von Hefen gebildet werde. Auf Grund seiner Er- fahrungen bildet er nun Typen von beiden Arten ab. Unter den ab- gebildeten Parasiten vermissen wir aber ganz die RussELLschen Körper- chen, finden vielmehr nur Formen, die auch sonst den Bildern entsprechen, die die Hefen im Gewebe liefern. So hat sich denn herausgestellt, dass auf dem von Sanfelice be- gangenen Wege der Beweis für den parasitären Ursprung des Karzinoms vorderhand nicht zu führen ist. Sehen wir nun zu, Avas auf dem andern Wege durch diejenigen ermittelt ist, die die vorhandenen Karzinome auf die Anwesenheit von Blastomyceten geprüft, bezüglich die Rolle, die diese spielen, festzustellen versucht haben. Da giebt es zunächst eine ganze Anzahl von Arbeiten, die in Ueber- schätzung der von Sanfelice und anderen gemachten Angaben vermittels der für Hefen angegebenen Färbungen eine Anzahl \on Tumoren be- handeln, darin Gebilde finden, die sich wie Hefen färben und nun den Beweis für erbracht halten, dass Blastomyceten in den GeschAvülsten vorkommen und die Erreger derselben sind. Der wissenschaftliche Wert dieser von Roncali^s, Aievoli', Binaghi^ und Bethe^ gelieferten Unter- suchungen ist nicht sehr hoch anzuschlagen, eine Avirkliche Beweiskraft wohnt ihnen nicht inne. Ebensowenig kommt aber den Beobachtungen von Pelagatti^" eine besondere Bedeutung zu. Pelagatti härtete a erschiedene Hefekulturen wie Gewebsstücke, bettete sie in Celloidin ein, schnitt und färbte sie auf verschiedene Weise und stellte dann fest, dass gewisse Färbungs- difterenzen zwischen diesen kultivierten Hefen und den in den Ge- schwülsten vorkommenden Körpern beständen. Aus diesen Färl)ungs- verschiedenheiten schließt Pelagatti nun, dass die in den Geschwülsten vorkommenden Körper keine Blastomyceten, sondern Gewebsdegenerationen sind. Er behandelt dabei die Zelleinschlüsse wieder als Einheit und übersieht ferner, dass bei den Blastomyceten ebenso wie bei den Kokken und Bazillen die verschiedenen Arten verschiedene Färbbarkeit besitzen 696 0. Busse, können, und dass ferner die Hefen im Tierkörper ihre Eigenschaften nach mancher Richtmig hin ändern. Wir sehen hieraus immer wieder aufs neue, dass durch solche Färljungsverfalireu die Geschwulstfrag-e ganz sicher nicht zu lösen ist, sondern dass wirklicli nichts weiter übrig bleibt, als die Natur und das Wesen der vermeintlichen Parasiten durch die Kultur festzustellen. Nur diese kann uns über die Fragen Aufschluss geben. Welche Zelleinschlüsse sind ])arasitär? Sind diese Parasiten Hefen? Und welche Eolle kommt ihnen Ijczüglich der Aetiologie der Geschwülste zu? Dass Hefen in einem großen Teile von bösartigen Geschwülsten vor- kommen, darüber kann heute ein Zweifel nicht mehr bestehen. Ich selbst, Maffucci & Sirleo, Bonome, Koxcali u. a. haben durch Unter- suchung des frischen Präparates und durch die Kultur unabhängig von einander festgestellt, dass in einem großen Prozentsatz von Karzinomen und Sarkomen Hefen vorkommen und sich ohne große Mühe daraus züchten lassen. Die Blastomyceteu sind mit einiger Sicherheit und in großer Zahl nachzuweisen, wenn die Geschwülste exulzeriert sind, sie sind sehr viel schwerer oder meistens garnicht zu kultivieren aus Tumoren, die nicht exulzeriert sind. Die exulcerierten Geschwülste enthalten die Blastomyceten nicht nur in der Umgebung der Geschwürstiäche oder in dem Haupttumor, sondern auch in den verschiedensten und weit ent- legenen Metastasen. Tierexperimente, die man mit so gewonnenen Hefen angestellt hat, sind in überwiegend großer Mehrzahl negativ ausgefallen, trotzdem die meisten Untersucher, ähnlich wie ich selbst, die verschiedensten In- fektionsmodi und Versuchstiere gewählt hal)en, wie Einspritzen unter die Haut, in die Bauchhöhle, in die verschiedensten Organe, zumal Hoden und Brustdrüse, unter allerlei Läsionen derselben, durch Wochen hindurch fortgesetztes Einreiben in oberflächlich geschundene Haut, Verfüttern der Kulturen auf Tiere u. s. w. Nur eine kleine weiße Hefe, die ich aus einem schnellwachsenden traubigen Sarkom der Scheide eines kleinen Mädchens gewonnen habe, fand ich in einer von vier geimpften Mäusen, die nach 6 Monaten starb, wieder und zwar in der Lunge; hier l)estand eine dift'nsc Verdickung des interstitiellen Gewebes, mit großen Zellen, die angefüllt Avareu mit grünlich schillernden Hefezellen. Diese ließen sich auch züchten, aber ergaben, wiederum auf Mäuse verimpft, vollkommen negative Versuchs- resultate. RoxCALi52 züchtete aus einem exulzerierten Adenokarzinom des Kolon mit Metastasen im Netz auf sauren Zuckerlösungen eine weiße Hefe, die zuweilen zu ganz kurzen Hyphen auswuchs. Nach Einbringung größerer (4 ccm) Mengen von Reinkulturen fand er bei Meerschweinchen 15 bis 30 Tage nach der Imi)fung kleine weiße Knötchen auf dem Peritoneum, in Milz, Pankreas und Lungen. Die Knötchen setzen sich aus An- häufungen von Parasiten und wenigen Gewebszellen zusammen, erweisen sich also als echte Saccharomykoseherdc. In dem Kolonkarzinom des Menschen waren die Blastomyceten vielfach verkalkt, ähnlich wie die Saccharomyces lithogenes Sanfelices; wegen ihres glashellen Aussehens giebt BoNCALi ihnen den etwas langen Namen »Saccharomyces vitro simile degenerans«. Auch Maffucci & Sirleo haben unter den aus zahlreichen Tumoren gezüchteten Hefen nur eine Art gefunden, die sich für Tiere pathogen erwiesen hat. Es handelt sich um eine weiße Hefe, die aus der Die Sprosspilze. 697 Metastase eines Brustkrebses im Ovarium stammt und die ])ei der Injektion in die Halsader von Meerschweinchen Pneumonie und Aljszesse in Haut und Niereu hervorgerufen hat. Auch Plim.mkr hat aus den vielen unter- suchten Geschwülsten nur eine Hefe von ähnlicher Wirkungsart gezüchtet. Aus den referierten Untersuchungen lässt sich nur folgern, dass Hefen in vielen Geschwülsten vorkommen und besonders dann darin vorkommen, wenn diese exulzeriert sind, es lässt sich aber keinesfalls daraus der Beweis dafür herleiten, dass die Hefen die Erreger der bijsartigen Ge- schwülste sind. Dies erkennt auch Boxome infolge ähnlicher ünter- suchungsresultate an, immerhin ist er aber doch geneigt, ihnen eine gewisse EoUe bei der Aus])reitung des Karzinoms zuzuerkennen und zwar auf Grund folgender Beobachtung. Werden Blastomyceten, die aus menschlichem Karzinom gewonnen sind, in großer Menge in andere Krebse eingeführt, so führen sie eine schnelle Erweichung der Geschwulst durch Degeneration ihrer Elemente herbei und da man nun gerade bei allgemeiner ^Miliarkarzinose in den kleinen metastatischen Knötchen Blastomyceten mit einer gewissen Regel- mäßigkeit antrifft, so sehließt Bono:me, dass die Hefen zu einer schnellen Ausbreitung und Verschleppung der Krebse beitragen, indem sie Degene- ration der Geschwulstzellen bewirken, das feste Gefüge des Tumors zer- stören und das Krebsvirus in die so eröffneten Lympli- und Blutgefäße ül^erführeu. Im Gegensatz nun zu diesen letztgenannten Uutersuchern, die den Hefen zunächst nur eine untergeordnete Rolle bei der Entstehung der Karzinome zuerkennen, ist nun im Jahre 1900 als ein neuer eifriger Verfechter der Lehre, dass die Geschwülste, in specie die Krebse infek- tiöser Natur seien und durch Blastomyceten hervorgerufen werden, der bekannte Dresdener Gynäkologe Leopold auf dem Kam})fplan erschienen. Durch Untersuchung von frischen, wie gehärteten und gefärljten Karzi- nomen, durch Kultur und Tierexperimente kommt Leopold zu der Ueber- zeugung, dass die Tumoren thatsächlich durch Blastomyceten erzeugt werden. Die gewöhnlichen frischen Untersuchungen hat Leopold modi- fiziert, indem er vermittels eines eigens dazu konstruierten heizbaren Mikroskops Tröpfchenkulturen (Aussaat der Karzinome] durch Wochen hindurch unter dem Mikroskop bei einer Temperatur von 37 — 38° C. ])eoba('litet und verfolgt hat. Danach hat er in den genugsam Ijekannten und beschriebenen hellen, teilweise doppelt konturierten Kügelclieu (Zell- einschlüssen), teils Sporulationen, teils Öprossungen beobachten können. Die Kultur hat bei 4 Fällen von 20 verimpften Karzinomen Blasto- niycetenkulturen in Reinkultur geliefert. Von den so gefundenen 4 Hefeu- kulturen hat sich eine als pathogen für Ratten erwiesen. Von 5 mit Aufschwemmungen in den Hoden geimpften Ratten fand sich bei einer, als sie nach 62/2 Monaten starl), das ganze Peritoneum über und über mit »weißen, rötlichen bis blauen, hirsekorn- bis bohnengroßen Knötchen« übersät. »Auch das Zwerchfell ist durch solche Gebilde bis zur Stärke von 1 cm verdickt«. »Die Tumoren selbst aber bieten die Struktur von Riesenzelleusar- komen dar. Denn zwischen sich kreuzenden Bündeln von lockerem und welligem Bindegewebe liegen Bindegewebszellen in allen möglichen Größen und Richtungen durcheinander. Das Protoplasma dieser l)is zu 15 — 10 f.t großen Zellen ist stark gequollen, aber von gleichmäßiger Beschaffen- heit, die Kerne bedeutend vergrößert, in manchen Zellen bis zu sechs und zehn dicht aneinander gedrängt, namentlich am Rande des Protoplas- 698 0. Busse, mas. Auffallend ist der Gefäßreiehtum dieser Tumoren. Im Querschnitt der Gefäße sind ebenfalls Blastomyceten der verseliiedensten Größe an- zutreffen« (S. 37 und 38). Wie schon aus der Beschreibung- hervorgeht, hält Leopold die Knöt- chen für wirkliche Riesenzellensarkome, id est für wahre Geschwülste im wissenschaftlichen Binne. Er hat seiner Ansicht zufolge aus einer bösartigen Geschwulst die darin zahlreich erkennbaren »^Einschlüsse« als Hefen gezüchtet, mit diesen Hefen bei Ratten wiederum Ijösartige Ge- schwülste hervorgerufen, aus diesen die Hefen durch Kultur wiederum isoliert und glaubt nun damit den Beweis geliefert, dass die Hefen die Ursache der Karzinome sind. Ich bedauere, dass ich sowohl die Deu- tungen als auch die l*>chlussfolgerungen von Leopold nicht mitmachen kann und leider konstatieren muss, dass auch durch diese ungeheuer mühevolle Arbeit die Geschwulstfrage noch nicht gelöst ist. Allerdings ist ja entschieden von großer Wichtigkeit, dass Leopold wenigstens 2mal Hefen aus, wenn ich recht verstehe, nicht exulzerierten Karzinomen ge- züchtet hat. Von einer derselben stammt die mit Erfolg zur Tierinfektion verwandte Hefe; sie ist von einem Fall von doppelseitigem Ovarialkarzi- nom gewonnen. Nun halben wir Pathologen aber gar zu oft die Erfah- rung gemacht, dass die Kliniker gerade die krebsig erkrankten Ovarien als primär erkrankt exstirpieren, und dass sich nachher später bei der Sektion herausstellt, dass die Frau an einem Magenkrebs leidet, der bis dahin unbemerkt geblieben ist. Erfahrungen, die wir nach dieser Richtung an unserm ja gar nicht so großen Greifs walder Material gemacht haben, sind in den Dissertationen von Robisciion, Rheix, Rathert niedergelegt worden. Man wolle es mir also nicht als Schmälerungssucht auslegen, w^enn ich angesichts der Wichtigkeit des Falls mit der ^Möglichkeit einer solchen Komplikation rechne. Ist aber die Erkrankung in den hier vor- liegenden Ovarien sekundär im Anschluss an ein Magenkarzinom ent- standen, so hätten wir die Hefen in der Metastase eines ulzerierten Karzinoms, wie solche hier von den verschiedensten Autoren z. B. Maf- Fucci & Sirleo gefunden worden sind. Dies ist das erste Bedenken, das ich gegen den Fundort der pathogenen Hefe habe, noch schwerer ist der Einwand, den ich gegen die Deutung Leopolds bezüglich der Knötchen auf dem Peritoneum der Ratte erheben muss. Dass die Knöt- chen durch die Hefen hervorgerufen sind, diese Hefe also pathogen ist, und somit Leopold aus einem Karzinom eine für Ratten pathogene Hefe gezüchtet hat, muss zugestanden werden, aber dass diese Saccharo- mykoseherde wirklich echte Geschwülste sind, ist vorderhand zu be- streiten. Sie reihen sich vielmehr vollkonnnen den Saccharomykoseherden au, die bei langdauernder chronischer Infektion auch mit andern Hefen entstellen, und wie solche z. B, von Saxfelice, mir und Petersen & ExNER genauer beschrieben sind. Es handelt sich um Granulations- geschwülste mit sehr vielen Rieseuzellen, die die Hefen beherbergen. Noch weniger eindeutig und beweiskräftig sind die Befunde Leopolds nach Ueberptlanzung von Krebsstückchen auf Tiere. Ich kann es mir und Leopold ersparen, diese Versuche noch näher zu zerijflücken und würde also zu dem Resultate konnnen, dass die bisher vorliegenden Untersuchungen noch keineswegs den Nachweis zu führen vermögen, dass die Karzinome durch Blastomyceten verursacht werden. Auf der andern Seite muss aber auch anerkannt werden, dass die bisherigen Beobachtungen keineswegs dagegen sprechen, im Gegenteil, ich finde, sie ermuntern die Versuche nach jeder Richtung hin fortzusetzen. Die Sprosspilze. 699 Litteratur. 1 AiEVOLi, EpaBERTO, Osservazioni preliminari sulla presenza di blastomiceti nei neoplasmi. Policlinico. Vol. II. C. Fase. 9. 1895. — - Ders.. Nuova contribuzione allo studio dei blastomiceti nei neoplasmi. Kiforma med.. No. 27f). 1S95. — 3 Ders., Ricerche sui blastomiceti nei neoplasmi. Centr. f. Bakt., Bd. 20, S. 745. 1890. — * Bethe, W., Ueber pathogene Hefen. Inaug.-Diss., Greifswald 1900. — "' Cao. G., Oidien & Oidiomykose. Zeitschr. f. Hyg.. 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Bakt., Bd. 21, 1897. — ■'- Ders., Klinische Beobachtungen und histologische und mikrobiotische Untersuchungen über einen Fall von primärem Adenocarcinom (Papilloma infectans) des Colon transversum und descendens mit sekundärem Uebergang auf das große Netz und das Mesenterium. Centralbl. f. Bakt.. Bd. 24, 1898. — '<- Sanfelice, Francesco, Zelleinschlüsse, Zellentartungen und endo- celluläre Parasiten bei bösartigen Geschwülsten. Centralbl. f. Bakt., Bd. 31, Nr. 6, S. 254, 1902. — '>3 Ders., Ueber eine für Tiere pathogene Sprosspilzart und über die morphologische Uebereinstimmung, welche sie bei ihrem Vorkommen in den Geweben mit den vermeintlichen Krebscoccidien zeigt. Centralbl. f. Bakt. und Parasitenk., Bd. 17, S. 113, 1895. — 54 Ders., Ueber die pathogene Wirkung der Sprosspilze. Zugleich ein Beitrag zur Aetiologie der bösartigen Geschwülste. Ebd., Bd. 17, S. 625, 1895. — ^.i Ders., Ueber einen neuen pathogenen Blasto- myceten, welcher innerhalb der Gewebe unter Bildung kalkartig aussehender Massen degeneriert. Ebd., Bd. 18, S. 521, 1895. — 56 Ders., Die pathogene Wir- kung der Blastomyceten. I. und IL Abhandlung. Zeitschr. f. Hyg.. Bd. 21, IIL Bd. 22, IV, Bd. 26, V, Bd. 29. — ■'' Ders., SuU azione patogena dei blastomiceti. Ann. d'ig. sperim. di Roma. Vol. VI, 1890. Centralbl. f. Bakt., Bd. 21, S. 1-58, 1897. — 58 Ders., Ueber die experimentelle Erzeugung der Russerschen Fuchsinkörper- chen. Centralbl. f. Bakt., Bd. 23, S. 276, 311, 1898. — so Ders., Ein weiterer Bei- trag zur Aetiologie der bösartigen Geschwülste. Centralbl. f. Bakt, Bd. 24, S. 155, 1898. — p'i Secchi, Das Vorkommen von Blastomyceten bei Keloidakne. Monatsh. f. prakt. Dermat., Bd. 23, 1890. — f'- Sternberg, Ueber pathogene Hefen. Verhdl. der Dtsch. Pathol. Gesellsch., 1901. — ^^ Stöwer, Ueber die Wirkung pathogener Hefen am Kaninchenauge. Gräfe's Arch., Bd. 48, 1899. — f'4 Toklshige, Ueber patho- gene Blastomyceten. Centralbl. f. Bakt., Bd. 19, 1896. — f'^ Wlaeff & M.Weinberg, Examen histolique des tumeurs provoques chez les animaux par des levures viru- lentes. Bull, de la soc. anat de Paris, 1899. Während der Drucklegung erschien: Buschke, A., Die Blastomykose. Bibliotheca medica, Abteilung D II, Heft 10, 1902, Stuttgart, E. Nägele. Sternberg, Carl, Experimentelle Untersuchungen über pathogene Hefen. Zieglers Beiträge, Bd. 32, 1902. CoHN, E. , Untersuchungen über eine neue tierpathogene Hefeart (Hefe Klein). Centralbl. f. Bakt.. Bd. 31, 1902. XII. Malariaparasiten. Von Dr. Reinhold Rüge, Marineoterstabsarzt und Privatclozent in Kiel. Mit 1 farbigen Tafel und 79 Abbildungen im Text. Dem Zwecke des liuehes entsprechend sollen Geschichte der Malaria- forschnng-, Entwicklungs- und Uebertragnngsweise der Malariaparasiten, Epidemiologie, sowie die Pathogenese der Malariafieber ausführlich, die klinischen und hygienischen Beziehungen der Malariaparasiten aber nur kurz abgehandelt werden. Daher können die letzteren Kapitel auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen, sondern nur als eine all- gemeine Uebersicht der wichtigsten Thatsachen gelten. I. Geographisches und Geschichtliches. Die Rücksicht auf den Raum gestattet nicht, eine ausführliche ins einzelne gehende Darstellung der geographischen Verbreitung der Malaria- parasiten zu geben. In gedrängter Kürze aber eine Uebersicht der Ver- breitung der Malariaparasiten geben zu wollen, würde gleichbedeutend mit der Wiedergabe einer Reihe von mehr oder weniger bekannten geo- graphischen Namen sein. Etwas Verständliches und Brauchbares kann aber eine derartige Uebersicht niemals werden, ganz abgesehen davon, dass sie nie auch nur annähernd vollständig sein kann. Ich habe mich daher daraiif beschränkt, nur wenige Angaben allge- meinster Art zu machen und verweise diejenigen, die sich besonders für die geographische Verbreitung der Malariafieber interessieren, auf die- jenigen Spezialwerke, die einzelne Länder oder KUstenstrecken in dieser Hinsicht im besonderen behandeln, und auf die historisch-geographische Pathologie von Hirsch. A. Geographisches. Die Malariaparasiten finden sich in einer Zone, die von 40° S bis 60° N reicht. Allerdings sind sie in diesem ungeheueren Räume nicht gleichmäßig verteilt. Während sie an den Grenzen dieses Gebietes nur hin und wieder in seltenen Einzelfällen beobachtet werden, kommen sie in manchen Gegenden zwischen den Wendekreisen, z. B. Kamerun, Niger- delta, Ost- und Zentral-Afrika, Sierra Leone oder Neu-Guinea, so häufig vor, dass sie den nosologischen Charakter dieser Länder bestimmen. 702 R. Enge, Weiterliin muss liervorgehobeu werden, dass die Malariaparasiten hauptsächlich an niedrigen, sumpügen Küsten oder in Gegenden ge- deihen, die einen wasserreichen Untergrund haben. Worin das seinen Grund hat, werden wir später sehen. Allerdings kommen sie auch in wUstenartigen Ländern , z. B. in Egypten und im Karst vor und zwar im ersteren Land auf scheinbar trockenem Sande, im Karst auf scheinbar wasserlosem Felsbodeu. Näheres hierüber wird im Kapitel »Epidemiologie« mitgeteilt w^erden. In den Gebirgen reichen sie nur bis zu einer ganz bestimmten Höhen- lage, die je nach der Lage der Gebirge zum Aequator verschieden ist. Verhältnismäßig frei oder ganz frei von Malariaparasiten können — selbst in den Tropen — Inseln sein, die in größerer Entfernung vom Festland liegen. Es lässt sich aber darüber, wie weit eine Insel vom Festland entfernt sein muss, um malariafrei zu sein, keine allgemein gültige Angabe machen. Es sind dabei lokale Einflüsse maßgebend. So gilt z. B. Neu-Caledonien als malariafrei, dasselbe wird von den Samoa-Inseln behauptet. Blutuntersuchungeu aber, die allein ausschlag- gebend sein würden, sind meines Wissens in diesen Gegenden noch nicht gemacht worden. Jedenfalls sind die Philippinen, die ebenfalls von einigen Autoren als malariafrei bezeichnet werden, malariadurch- seucht. B. Geschichtliches. Von den Anschauungen und Ideen, die vor der Entdeckung der Malariaparasiten über das Zustandekommen der durch die Malariapara- siten hervorgerufenen Malariafieber herrschten, will ich nicht sprechen. Denn das würde zu weit führen. Ich will vielmehr gleich mit der Entdeckung der Malariaparasiten beginnen, hieran in chronologischer Folge die Entwicklung von der Lehre der Malariaparasiten anschließen und erst am Schluss kurz die Arbeiten derjenigen Autoren besprechen, die das Vorhandensein der Malariaparasiten leugneten oder noch leugnen. Am 6. November 1880 sah A. Laveran^" ^^ damals noch fran- zösischer Militärarzt, in Constantine zum erstenmal die Malariaparasiten im Blute eines Fieberkranken und zwar fand er in diesem Falle nicht nur die ungeschlechtlichen (amöboiden) Formen, die er corps spheriques pigmentes nannte, sondern auch die geschlecht- lichen (Halbmonde und namentlich Geißelformen). Die letzteren Formen überzeugten ihn, dass er es mit einem lebenden Organismus zu thun hatte. Wegen der geißeltragenden Form nannte er den Malariaparasiten anfangs Oscillaria malariae, gab aber diesen Namen bald als nicht passend wieder auf. Er berichtete über seine Entdeckung zunächst in der Acad. de med. unter dem 23. November und 28. Dezember 1880 1, sowie unter dem 25. Oktober 1881. Dieser ersten Mitteilung folgten in den Jahren 1881 und 1882 noch 5 weitere. Ich führe diese littera- rischen Daten deshalb so genau an, weil später, wie wir gleich sehen werden, Laveran die Priorität der Entdeckung streitig gemacht wurde. Die LAVERAN'sche Entdeckung wurde 1882 von Kichard^ als erstem bestätigt. Erst ein Jahr später begannen die Italiener sich der Malaria- parasitenforschung anzunehmen, obgleich Laveran bereits 1882 in Rom gewesen war und dort Makciiiafava und Celli seine Entdeckung demon- striert hatte. 1884 erschien das vorzügliche Buch Laverans, Traite des Malariaparasiten. 703 fievres paliistres"-, imd daraufhin schrieb ihm Marciiiafava, dass das einzige, was sie (Marciiiafava und Celli) für Parasiten halten könnten, durch Methylenblau gefärbte Körnchen wären, ähnlich Mikrokokken, die sich manchmal zahlreich in den roten Blutkörperchen fänden (also wahr- scheinlich die EHRLiciische basophile Körnung). Die pigmentierten Ge- bilde aber, die Laveran (1898 p. 42) als Parasiten besehrieben hätte, wären nichts weiter als degenerierte und pigmentierte rote Blutkörperchen. Marchiab^ava & Celli verteidigten auch noch 1884 auf dem Kougress in Kopenhagen den Bacillus malariae, nahmen aber trotzdem noch im Jahre 1888 die Priorität der Entdeckung der Malariaparasiten für sich in Anspruch. Ich will daher diesen Prioritätsstreit gleich hier einschieben und erst dann in der Chronologie der wichtigeren Arbeiten fortfahren. Der Artikel, in dem Marciiiafava & Celli die Priorität der Ent- deckung Laverax streitig macheu, ist überschrieben: Notes sur les etudes modernes de l'etiologie de la tievre malarienne par M. M. Marciiiafava et Celli* (1888 p. 306). Hier wird ausgeführt, dass Laveran den Autoren mit einem HARTXACKschen Mikroskop Okular 3, Obj. 7 nichts weiter als pigmentierte runde oder anders geformte Körperchen zeigen konnte, die keine weißen Blutkörperchen gewesen wären. Das wäre nichts Neues gewesen. Das hätten schon Frerichs, Kelsch und andere gesehen. Trotz der Versicherung Laverans wären das keine Parasiten gewesen. Sie idie Autoren) hätten schon 1883 die Malaria])arasiten be- schrieben und Laverans Traite des fievres palustres wäre erst 1884 erschienen (dass 1880 — 1883 bereits 8 Abhandlungen Laverans über die Malariaparasiten erschienen waren, wird nicht gesagt). Auf dem Kongress in Kopenhagen hätten sie zwar noch den Bacillus malariae verteidigt, aber nie behauptet, dass er im Blute zu finden wäre! In dieser Weise geht es fort. Auf diesen Prioritätsstreit noch weiter ein- zugehen, hat heute keinen Zweck mehr. Denn das Urteil darüber ist längst gesprochen. Laveran gilt zur Zeit mit vollem Recht als der Entdecker der Malariaparasiten. In den Arbeiten von Marchiafava ä Celli aus den Jahren 1883^ und 1885^ wurde dargelegt, dass der Malariaparasit, den sie 1885 mit dem Namen »Plasmodium malariae«*) (1885 S. 787) bezeichnet hatten, sich wahrscheinlich durch Teilung vermehrte, dass er nichts mit den Geißeln, die Laveran für die vollentwickelten Malariaparasiten erklärt hatte, zu thun hätte und dass es mehr als wahrscheinlich wäre, dass Laveran die von den Autoren in Gestalt kleiner blauer pigmentierter Flecke angeblich zuerst beschriebene, eigentliche Form des IMalaria- parasiten gar nicht gesehen, sondern Vakuolen in den Blutkörperchen dafür gehalten hätte**). Ein gewisser Unterschied zwischen pigmen- tierten und nicht pigmentierten Formen der Malariaparasiten wird zwar schon gemacht, auch die Teiluugsformen als solche werden schon richtig vermutet, aber erst Golgi^" legte im Herbst 1885 den Entwick- lungsgang der Quartanparasiten klar und vervollständigte *) Der Name ist nicht gut. »Denn ein Plasmodium oder Syncytium nennt man eine Protoplasmamasse mit eingebetteten Kernen, die nicht in bestimmte Zellterritorien um die einzelnen Kerne abgegrenzt ist. Diese Plasmodien oder Syncytien sind Zellaggiomerate. Sie führen rückwärts durch die Stufe der viel- körnigen oder Riesenzellen zu den ge^yöhnlichen einkürnigen Elementarorganismen < (Walde YER. **) Laveran untersuchte damals nur frisches, ungefärbtes Blut, Marchiafava & Celli aber sowohl frisches, ungefärbtes, als auch mit Methylenblau gefärbte Trockenpräparate. 704 R. Rüge, seine grundlegenden Arbeiten durch Entdeckung des Ent- wicklungsganges der Tertianparasiten und ihres Verhält- nisses zum Fieberverlauf (1886j. In den nächsten Jahren stand vorwiegend die durch die Arbeiten Golc4IS in Fluss gekommene Frage, ob man es mit einer oder mehreren Malariaparasitenarten zu thun hätte, im Vordergrund des Interesses. Die Folge dieser Arbeiten war, dass Maechiafava & Celli '^ 1890 den Parasiten des Sommer-Herbstfiebers (Tropenfieljerparasiten), von den großen Parasitenarten abtrennten. Italienische Forscher, und unter diesen zuerst Maechiafava Dies., ebd., 1884. S. 745. — ' Dies., ebd., 1885; S. 339 u. 787, 795. — « Dies., Arch. ital. de biolog., 1888, tome IX, p. 30G. — " Berl. Klin. Woch.. 1890, S. 1010. — 1" GoLGi, Mitteilung an die R. Academia di Medicina di Torino in der Sitzung vom 20. XI. 1885. Arch. per le Scienze med., vol. X, Torino 1880. deutsch in Fortsch. Med., 1880, S. 575. — " Gerhardt, Z. f. klin. 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XII. — 2r. King, Mosquitoes and malaria. Populär Science Monthly, Sept. 1883. — 2T Manxaberg, Die Malariaparasiten, 1893, S. 33. — 2.s Manson, On the nature and significance of the crescentic and flagellate bodies in malarial blood. Brit. Med. Journ., 1894, vol. IL On the life-history of the malaria germ out side the human body. Brit. Med. Journ., 1890, 14. III, vol. I. — 211 Mac Callum, On the flagellate form of the malarial parasite. Lancet, 1897, 13. XL — 3" Ronald Ross, On some peculiar pigraented cells found in two mosquitoes fed on malarial blood. Brit. Med. Journ.. 1897, 18. XII; ibid. 1898, 26. IL — ^i Grassi, La malaria propagata esclusivemente per mezzo di peculiari insetti (zauzaroni e zanzare palustri), Rend. d. R. Accad. dei Lincei, 1898, 2. X. Die Malaria, Studien eines Zoologen, 1901. — 32 Charles, Lettres from Rome on the new discoveries in Malaria, 1900. — 33 Calandruccio, Ancora le scoperte del Prof. S. B. Grassi, sulla Malaria, 1901, p. 1. — 34 Gr. Bastianelli, A. Bignami, B. Grassi, Coltivatione della semilune malariche dell'uomo nelFAnopheles claviger Fabr. Nota preliminare. all Real. Accad. dei Lincei, 1898, 15./XI; R. Accad. dei Lincei, 1898. 22. XII. Ulteriore ricerche sul ciclo dei parassiti malarici umani nel corpo de zanzarone. Ibid., 1898. — 3"' R. Koch. Erster Bericht über die Thätigkeit d. Malaria-Exped. Deutsche med. Woch.. 1899, Nr. 37, S. 602. — 3n Leishmaxn, The Applicat. of Romanowskys Stain in Malaria. Brit. Med. Journ., 1901, p. 635. — 37 Wright, Journ. of Medic. Research, vol. VII. No. 1 (I^few Series, vol. IL No. 1) January. 1902. — 3« Celli & DEL PiNO. Centralbl. f Bakter. I. Abt. Bd. XXVI, S. 481, 1899, Beitrag zur Kennt, d. Malariaepidem. vom neust, ätiolog. Standpunkt aus. — 3i) Arch. f. exper. Pathol. 1879, Bd. IL S. 311. — 4u Arch. f. experim. Pathol., Bd. XIII, S. 265. — ii Virch. Arch.. Bd. 88, S. 104. — 42 Deutsche Med. Woch., 1882. S. 647. — « Ziegler- Nauaverck, Beiträge z. pathol. Auat., 1889, S. 421. — « Berl. Klin. Woch. 1887. Virch. Arch.. Bd. 109. S. 264, Arch. ital. de biolog., 1891, p. 203. — 45 Arch. ital. de biolog., 1891. p. 200. — 40 C.\ttaneo & Monti, Alterat. degener. d. corpusc. roug. du sang et leurs alterat. malar. Arch. ital. de biolog.. 1889, p. 408. — 4' Legrain, Introduct. ä l'etude des fievres des pays chauds, 1899. 712 E- Rnge, II. Die menschlichen Malaria-Parasiten. Allgemeines. Die menscliliclien Malariaparassiten sind eiuzellig-e tie- rische Lebewesen, die aus Protoplasma, Kernsiibstanz und einer rings um den Kern gelegenen Masse, der achromatischen Zone, bestehen. Sie haben einen doppelten Entwicklungsgang. Der ungeschlechtliche (Schi- zogonie) vollzieht sich im Menschen, der geschlechtlicTie (Sporogonie) in der Stechmücke Anopheles. Die Zoologen betrachten daher den Menschen als den Zwischenwirt und den Anopheles als den eigentlichen Wirt der mensch- lichen Malariaparasiten. \Yährend des ungeschlechtlichen Entwicklungs- ganges schmarotzen die menschlichen Malariaparasiten auf und in den roten Blutkörperchen, verwandeln das Hämoglobin derselben durch ihre Ver- dauungsthätigkeit in Melanin und zerstören dabei die roten Blutkörperchen. Die ungeschlechtliche Entwicklung geht derart vor sich, dass ein kleines ring- oder scheibenförmiges ProtoplasmastUckchen, das mehr oder weniger deutliche amöboide Beweglichkeit zeigt, sich an ein rotes Blutkörperchen anheftet und schließlich in dasselbe eindringt. Es wächst ziemlich rasch, verliert früher oder später seine amöboide Beweglichkeit, bildet mehr oder weniger Pigment in seinem Innern und teilt sich schließlich durch Kernzerschnürung in eine beschränkte Anzahl von jungen Parasiten (Merozoiten), die den eben beschriebenen Kreislauf von neuem beginnen. Aber schon während dieses Kreislaufes werden im menschlichen Blute Formen gebildet, die dazu bestimmt sind, den ge- schlechtlichen Entwicklungsgang der Malariaparasiteu in der Stech- mücke Anopheles zu vermitteln. Es sind das große den erwachsenen ungeschlechtlichen Formen ähnelnde Parasiten (Gameten*), die aber nur beim kleinen Tropenfieberparasiten eine besondere Gestalt (Halbmonde) haben. Sie zerfallen in zwei Arten. Die eine Art erscheint hyalin, die andere ist fein granuliert. Die hyalinen Parasiten sind die männlichen (Mikrogametocyten), die fein granulierten die weiblichen Elemente (Makro- gameten). Diese Formen kommen im menschlichen Blute nicht zur wei- teren Entwicklung, wohl aber im Magen des Anopheles. Dort ent- senden die männlichen Individuen ihre Spermatozoon (Mikrogameten) in Gestalt von kleinen Geißeln, die die weiblichen Elemente befruchten. Diese letzteren entwickeln sich dann in der Mückeumagenwaud zu Cysten (Zygoten), die unter Bildung von Tochterkugeln (Sporoblasten) in zahllose Sichelkeime (Sporozoiten) zerfallen. Zu bemerken ist, dass im Magen des Anopheles nur die Gameten zur Weiterentwicklung kommen, während die un- geschlechtlichen Formen (Schizonten, Merozoiten) zu Grunde gehen. Da zahlreiche Forscher und zwar sowohl Aerzte**) als auch Zoologen über die Malariaparasiten gearbeitet haben, so sind für die einzelnen *) Den Entwicklungsgang der Gameten bei allen Malariaparasitenarten im menschlichen Blut festzustellen, ist bis jetzt noch nicht gelungen. Einen Versuch dazu beim Tropenfieberparasiten haben Ste'phens & Christophers gemacht. (Vgl. S. 722.) **) Außer' den im vorigen Kapitel bereits aufgezählten nenne ich nur von den- jenigen Autoren, die während der ersten 10 Jahre nach der durch Kichard er- folgten Bestätigung der LAVERANschen Entdeckung ihre Studien über die Malaria- parasiten verüftentlichten, folgende: Abbott i, Baccelli^, Ball^ Bein*, Brandts, Canalis«, Chenzinsky'7, Councilman», Dock!i, Dolega 10, Ehrlich", Grawitzis, Guttmann13, V. Jakschw James 15, Kohlstock if>, Kruse i", Martinas, Metschni- KOFFlO, NoORDEN & HerTEL^O, OslER21. PaLTAUf22, F. PlEHn23, QuINCKE24, EoSEN- BACH25, R0SIN2fi, EuGe27, SaCHAR0FP28, StERNBERG20, TitOFF^O. Malariaparasiten. 718 Entwickluug-sstadien der ^lalariaparaf^itcn die verschiedensten Benenmni- g-eu gebraucht worden, und ich gebe daher zur Erleichterung des Ver- ständnisses eine kurze Uebersicht dieser Benennungen, -svie sie von Grassi und Luhe zusammengestellt worden ist. Tafel der Synonyma für die einzelnen Entwickhingsstadien der Malaria- Parasiten (nach Grassi und Luhe zusammengestellt). Schaudiiin und Luhe R0S3 Ray Lankester Harvey Gibson Koch Haeckel- Grassi Aeltere Autoren Schizogonie — — — Endogene Entwicklung Monogonie, Conitomie, Sporulation Endogener Entwicklungs- gang Schizont Sporulating- F-^rm, Sporcyt (Jugendform : Amoebula s. Myxopod) Oudeterospore Erwachsener Parasit Monont, amü- boide Form Parasit (amö- boide Form), Plasmodium, Amöbe Merozoit Spore Nomospore — Eben entstan- dener junger Parasit Sporozoit (mo- nogonisch) Spore, Amoe- bula Makrogamet Mikrogameto- cyt Makrogamet female Game- tocyt) Male Gameto- cyt (Flagel- lated body) Gynospore Ovum "Weiblicher Parasit Männlicher Parasit Makrospore, Ooid, Makro- gamet Antheridium, Mikrogame- togen Sterile, dege- nerative, gei- ßelbildende Formen, Sphäre, freie Sphäre, Halb- mond,Geißel- kürper, großer pigmentieiter freier Körper Mikrogamet Mikrogamet (Flagellum; Androspore Sperm Spermatozoe Mikrospore, Sperm ol'd, Mikrogamet Geißel Ookinetl '^^'?' l pula, Ooeyste/^^P;'- i Zygote !■ Gametospore > Oosperm , Wurm eben, 1 Cyste, cocci- 1 dienartige ' Kugel j Amphiont l(wenn beweg- lich: Würm- chen) Sporoblast Zygotomere, mere — — Sekundäre Kugel (Tochterkugel) — — Sporozoit Germinal rod, Zygotoblast, blast Gametoblast s. Gametoklast s. filiform young Zooid Sichelkeim Sporozoit (amphigonisch) Sporogonie Exogene Entwicklung Amphigonie (geschleclitl. Generation) durch conito- mische Sporo- gonie (Coni- tomie) Die Malariaparasiten selbst zerfallen in 2 Gattungen mit 3 Arten und zwar: 714 R- Rüge, 1. Die g-roßeu Parasiten mit a) dem Parasit der Febris tertiana s. benigua (Haemamoeba s. Plas- modium*) vivax) b) dem Parasit der Febris quartana (Haemamoeba s. Plasmodium malariae s. Laverani). 2. Der kleine oder ringförmige Tropenfieberparasit (Para- sit der Tertiana maligna s. gravis, der Bidua s. Semi-tertiana, des Sommer - Herbst- Fiebers [Aestivo - Autumnal - Fiebers] , balbmond- bildender Parasit, Haemomenas, Laverania, Haemamoeba s. Plas- modium praecox). Der Tropenfieberparasit ist einheitlich. Die verschiedenen Unterarten wie Quotidianparasit, unpigmentierter und pigmentierter Tropenfieber- parasit, die man abzugrenzen versucht hat, sind vor der Hand noch nicht genügend charakterisiert, als dass sie als besondere Arten anerkannt werden könnten. Die Stellung der Malariaparasiten im Svstem wird später abgehandelt werden. (Vgl. S. 734.) A. Entwicklung der Malariaparasiten im menschlichen Blut. [Schizogonie , Monogonie, vegetative Periode, multiplikative Fortpflanzung, un- geschlechtliche Entwicklung, endogener Entwicklungsgang.) Ehe ich zur Besprechung der Entwicklung der einzelnen Malaria- parasitenarten übergehe, muss ich noch einige allgemeine Bemerkungen voranscbicken. Denn ich schildere die Malariaparasiten zunächst so, wie man sie in gefärbten Trockenpräparaten findet und beginne nicht, wie das sonst üblich ist, mit der Schilderung dieser Gebilde im frischen Präparat. Ich thue das deshalb, weil mau nur in gefärbten Präparaten sowohl die Unterschiede zwischen den einzelnen Malariaparasitenarten als auch die den einzelnen Entwick- lungsstufen eigentümlichen Formen mit Sicherheit darstellen kann. Fernerhin fange ich mit der Beschreibung von Para- siten an, die einfach mit Methylenblau gefärbt sind. Denn schon an derart einfach gefärbten Präparaten kann [man alles an den Parasiten erkennen, was man braucht, um ihre Art oder Entwicklungsstufe festzustellen. Erst in zweiter Linie bespreche ich darum diejenige Färbemethode, die den feineren Bau der Parasiten und die typische Entwicklung ihrer Kernsul)stanz, des Chromatins, zur An- schauung bringt. Zuletzt endlich wird die Untersuchung der Parasiten im frischen Blute abgehandelt, deren Zweck lediglich darin besteht, biologische Vorgänge klarzulegen. 1. Untersuchung im gefärbten Trockenpräparat. I. Die grofseii Parasitenarten, a) Der Tertianparasit (Parasit der Tertiana benigna, Haemamoeba s. Plasmodium vivax). Die Eutwicklung der Tertianparasiten dauert 48 Stunden. — Unter- sucht man das Pdut eines an Tertianficber Leidenden auf der Höhe des Fieberanfalls oder im Fieberabfall imd benutzt man zu dieser Unter- suchung mit Methylenblau gefärbte Trockenpräparate, so findet man in Ueber den Namen Plasmodium siehe S. 703 und 736. Malariaparasiten. 715 und auf*] eleu roten Blutkörperchen ganz kleine, blaue, eiförmige Kör- percheu, deren einer Pol deutlich breiter ist als der andere, bei denen die Eingform jedoch schon deutlich zu erkennen ist, von etwa Vs Blut- körpercheudurchmesser; danel)en kleine blaue Einge von V4 bis 1/2 Blut- körpercheudurchmesser, die eine haarfeine und eine verdickte Hälfte haben (vgl. Fig. 1, Nr. 1). Letztere erscheint fast immer in Form einer schmalen Mondsichel. Ihr gegenüber liegt in der feinen Hälfte des Einges ein kleines blaues, rundes oder ovales Korn. Die ganze Figur hat Aehnlichkeit mit einem Siegelringe. Diese Siegelringe werden kleine Tertiaii- ringe genannt (vgl. Atlas, Tafel UI, Fig. 47). Sie enthalten für ge- wöhnlich noch kein Pigment. Untersucht man 24 Stunden später, so findet man, dass nicht nur mit den Parasiten, sondern auch mit den Blutscheiben eine deutliche Veränderung vor sich gegangen ist. Die von Parasiten befallenen roten Blutkörperchen sind blass geworden und können bis auf das ly^focke, ja! das Doppelte ihrer ursprüng- lichen Größe aufgebläht sein**). Dabei haben sie in den Trocken- l)räparaten oft ihre Scheibenform vollkommen verloren und erscheinen als unregelmäßig begrenzte Flächen oder als verzerrte Ovale (vgl. Fig. 3 auf S. 716), die in nichts mehr an Blutkörperchen erinnern. Die Parasiten selbst sind ganz erheblich gewachsen. Zum Teil haben sie noch Eingform (vgl. Fig. 1, Nr. 3 — 5) behalten, gleichen allerdings nicht mehr den Siegelringen. Denn die mondsichelförmige Verdickung hat bedeutend an Breite zu2:enommen und auch die andere Hälfte des o r %J i'h^^ -fl ^^6 ^.-?'"^ ->-'* .'■'■>-■ 5C Malariaparasiten. 725 nicht mir dadurch unterscheidet, dass es sich nicht teilt, sondern auch durch seine Auflockerung in Körnchen oder Fäden, so erscheint die eben aufgestellte Annahme berechtigt. Nach Kuges Ansicht sind diejenigen Ringformen, bei denen das C'hroniatinkorn innerhalb und. nicht im Tlasmaring selbst liegt, als die Jugendformen der Gameten zu betrachten. Mit Sicherheit an der Art ihrer Chromatiubildung zu erkennen sind erst die erwachsenen oder nahezu erwachsenen geschlechtlichen Formen. Denn das Chromatin dieser großen Parasiten zeigt keine Andeutung^ von Teilung, die bei gleich großen Öchizonten stets schon weit vor- geschritten ist. Man kann aber an der Art der Bildung und an der Menge des Chromatins auch erkennen, ob es sich um männliche oder weibliche Individuen handelt. Beim Weibchen (Makrogamet) ver- hält sich das Chromatin zum Plasma etwa wie 1:8 bis 1 : 12, beim Männchen (Mikrogametocyt) von 1:1 bis 1:5. Dabei ist zu bemerken, dass das Chromatin des Makrogameten aus kleinen Körnchen besteht und sein Plasma stark blau gefärbt ist, während das Chromatin des Mikrogametocyten aus gelockten Fäden besteht und sein Plasma blassgraublau, unter Umständen fast gar nicht oder grau- grün*) bis graurot gefärbt ist (vergl. Atlas, Taf. III, Fig. 89 u. 90, sowie farbg. Taf., Fig. 7). Diese eigenartige Färbung des Plasmas ist für den männlichen Gameten charakteristischer als die Menge seines Chromatins. Diese ist ziemlichen Schwankungen unterworfen. Die Phismafärbung ist aber immer die gleiche. Die Doppelfärbung des Quartanaparasiten nach Romaxowsky lässt fast dieselben Verhältnisse in Bezug auf Größe und Wachstum des Chromatins erkennen, wie beim Tertianparasiten. Nur muss bemerkt werden, dass sich entsprechend der ruhigeren Entwicklung des Parasiten auch das verhältnismäßig größere Chromatinkorn regelmäßiger als beim Tertianparasiten teilt. Die Teilung (Kernzerschnürung) vollzieht sich näm- lich für gewöhnlich in Potenzen von 2, bis 8 Chromatinteile fertig sind, die dann die Kernsubstanz für die gewöhnlich in der 8-Zahl erschei- nenden jungen Quartanparasiten abgeben. (Vergl. Atlas, Taf. III, Fig. 74 bis 78 und farbg. Tafel, Fig. 11 u. 12). Während die Teilung des Chro- matins beim Tertianparasiten frühestens 12 Stunden vor dem Anfall be-. ginnt, fängt sie beim Quartanparasiten schon 24 Stunden vor dem Anfall an (Ziemann). Bei der Ringform des Tropenparasiten färben sicli ebenso wie bei den entsprechenden Tertianformen die knopfförmigen Verdickungen (Körner) rot, der übrige Ring blau. Das Korn im Ring entspricht also auch hier dem Chromatin. Das weitere Wachstum des Chromatins er- folgt dann in einer derjenigen des Tertianparasiten entsprechenden Weise. (Vergl. ftirbg. Tafel, Fig. 13 u. 14.) Die Gameten des Tropenparasiten (Halbmonde, Spindeln und Sphären) lassen sich mit Hilfe der Doppelfärbung nach Ro:manow.'^ky ebenfalls in männliche und weibliche Individuen trennen. Die schwach- blau gefärbten Gameten mit viel Chromatin sind wiederum die männ- lichen Individuen, die stark blau gefärbten mit wenig Chromatin die weiblichen Individuen. Das Chroniatin liegt in Form feiner Stäbchen resp. Körnchen zwischen den Pigmentstäbchen der Halbmonde, Spindeln imd Sphären. Doch ist bei ihnen der Unterschied in der Plasmafärbung *) Selbst bei der Eomanowsky-Färbung. 726 E- Rage, bei weiteiH uicht so auffallend als bei den Gameten der großen Para- sitenarten. Ich möclite gleich hier eine Erscheinung besprechen, die man mit Hilfe der Romanowskyfärbnng darstellen kann, die zwar nicht den Malariaparasiten angehört aber doch durch sie veranlasst wird. Es ist das die Tüpfelung der von Tertianparasiten befallenen roten Blutkörperchen. Färbt man nämlich mit verdünnten ßomauowsky- lüsungen warm, so werden die roten Blutkörperchen, die von Tertian- parasiten, die älter als 12 Stunden sind, befallen sind, regelmäßig von hoch- bis schvvarzrotea Tüpfeln erfüllt. (Yergl. Atlas, Taf. III, Fig. 58 und farbg. Tafel, Fig. 2.) Weder der Tertian- noch der Tropenüeber- parasit rufen eine solche Veränderung au den von ihnen befallenen roten Blutkörperchen hervor und die genannte Erscheinung kann daher bis zu einem gewissen Grade ditferential-diagnostisch verwertet werden.*) Der erste, der eine Tüpfelung der roten Blutscheiben fand, war SciiüFFXEK. Da er aber, ehe er mit Hämotoxylin färbte, das Hämo- globin aus den roten Blutkörperchen auszog, so erschienen in den Blut- körperchen bläuliche Flecke auf weißlichem Grunde. Die Romauowsky- färbung stellt diesen Vorgang, wie Buge zeigte, besser und deutlicher dar. Maurek, der unabhängig von Rüge arbeitete, bestätigte dies V4 Jahr später und in jüngster Zeit Leishmann, Berestneff, Chaytok- White, Reuter, Stephansky und Wright. 2. Untersuchung im lebenden Blut. I. Die grofsen Parasiteiiarten. aj Tertianparasit (Parasit der benignen Tertiana, Haemamoeba s. Plasmodium vivax). Auf der Fieberhöhe und im Fieberabfall tindet man in den roten Blutkörperchen kleine, blass-graugelbe, rundliche oder ovale Gebilde, die verwaschene Ränder haben und sich fjist gar nicht von der sie um- gebenden Blutkörperchensubstanz unterscheiden. ISur an ihren amö- boiden Bewegungen kann man sie als lebendige Gebilde erkennen. Sie haben etwa eine Größe von Vs Blutkörperchendurchmesser. »Dieses Jugendstadium des Quartan- wie auch des Tertianparasiten ist schwer zu beobachten, da die Substanz des Parasiten sich fast gar nicht von der des roten Blutkörperchens abhebt« (Ziemann). Erst 18 Stunden später, wenn die ersten feineu Pigmentstippchen auftreten, kann mau die Parasiten mit Sicherheit erkennen. Aber selbst dann können sie noch leicht von einem ungeübten Beobachter übersehen werden. Sind 24 Stunden nach dem Anfall verflossen, ist das lebhaft bewegliche Pigment reichlicher geworden, sind die befallenen roten Blutkörperchen deutlich aufgequollen und verblasst, so sind diese amöboidbeweg- lichen, ziemlich reichlich pigmentierten, aber sonst immer noch sehr zarten Parasiten mit nichts anderem mehr zu verwechseln. Sie ver- ändern dauernd ihre Gestalt — strecken Fortsätze (Pseudopodien) aus und ziehen sie wieder ein — und so kommt es, dass man bei den Untersuchungen im frischen Präparate niemals die den einzelnen Ent- wicklungsstufen charakteristischen Formen erkennen kann, die uns in den gefärl)ten Trockenpräparaten so deutlich entgegentraten. Wenn der Parasit 24 Stunden alt, also halberwachsen ist, kann man manchmal in seinem Inneren einen hellglänzenden Fleck beobachten, der als die *; Vergleiclie die Ausnahme auf Seite 722. Malariaparasiten. 727 KerDSubstauz (Chromatin] angesprochen wird. lunerlialb der nächsten 12 Stunden tritt ein deutlich wahrnehmbares Wachstum, eine Zunahme des Pigments und eine Abnahme der amöboiden IJeweglichkeit ein. Erst kurz vor dem Anfall, wenn aiso der Parasit 46 — 48 Stunden alt ist, das bis dahin lebhaft bewegliche Pigment, mit Ausnahme einiger weniger Körnchen zur Kühe gekommen ist und sich entweder in Streifen angeordnet oder in einen oder zwei Klumpen zusammengezogen hat, kann man beobachten, wie nach und nach immer mehr kleine ovale, hellglänzende Flecke (die jungen Parasiten) im Inneren des Parasiten auftreten, bis dieser ganz davon erfüllt ist (Teilungsform ;. Xun platzt endlich der letzte Rest der BlutkörperchenhUlle und die jungen Para- siten, die sehr leicht mit Blutplättchen verwechselt werden können, treten aus, um den Kreislauf von neuem zu beginnen, während das zurück- bleibende Pigment von den weißen Blutkörperchen aufgenommen wird. Nun finden sich aber neben den Teilungsformen noch große freie Formen, die gewöhnlich etwas größer als ein rotes Blutkörperchen sind, bei denen das Pigment regellos über den ganzen Körper zerstreut ist m\d sich noch in lebhafter Bewegung befindet: »es schwärmt«. Das sind die oben bereits beschriebenen Gameten. Auch im frischen Blute kann das geübte Auge unter ihnen zwei Arten unterscheiden. Die eine hat hyalines Plasma, reichliches gelbbraunes Pigment in plumpen Stäbchen und ist fast niemals größer als ein normales rotes Blutkörper- chen. Das Plasma der anderen Art ist fein gekörnt, ihr Pigment schwarzbraun und besteht aus feinen Stäbchen und Körnchen. Diese Form ist immer etwas größer als ein normales rotes Blutkörperchen. Die erstere Art stellt die männlichen, die letztere Art die weiblichen Indi- viduen dar. Denn es dauert nicht lange — 10 bis 20 Minuten nach An- fertigung des Präparates — und die Gameten mit hyalinem Plasma werden von zuckenden Bewegungen befallen, ein paarmal hin und her geworfen und dann schnellen aus ihrem Inneren 4 — 8 lauge, dünne Fäden hervor, die Geißeln (vergl. Atlas, Tafel III, Fig. 94 genannt werden, etwa 2 — 3 mal so lang als ein Blutkörperchendurchmesser sind, heftig hin und her schlagen, die nächstliegenden roten Blutkörperchen zur Seite peitschen, sich von ihrer Sphäre loslösen, mit schlangenartigen Bewegungen durch das Gesichtsfeld schießen und schließlich in das Innere der zweiten Art von Gameten eindringen, wo sie verschwinden. Wir haben also einen vollständigen Befruchtungsvorgang vor uns, der sich unter dem Mikroskop indes nicht weiter als eben geschildert verfolgen lässt. Nun sollte man erwarten, dass sich sehr viel mehr weibliche als männliche Gameten finden würden, da letztere ja regelmäßig 4 — 8 Geißeln bilden und die Befruchtung dadurch in überreichem Maße gesichert er- scheint. Indes die Verhältnisse liegen meist anders. Es sind meines Wissens erst wenig Beobachtungen über das Verhältnis zwischen männ- lichen und weiblichen Gameten veröffentlicht worden. Stephens & Christopkeks geben für den Tropenparasiten das Verhältnis der männ- lichen: weiblichen Gameten = 53:33 an. Rüge fand es bei der Tertiana sehr Avechselnd. Je nach dem Fieberstadium, in welchem imtersucht wurde, schwankte das Verhältnis der ^lakrogameten: Mikrogametocvten von 1 : 1 bis 40 : 1. b^ Der Quartanjfarasit (Haemamoeba s. Plasmodium malariae). Die Entwicklung des Quartanparasiteu vollzieht sich in ganz ent- sprechender Weise, wie die eben geschilderte des Tertianparasiten. Nur 728 R- R"ge. dauert hier die g-auze Entwicklung 72 Stunden. Der Parasitenkörper hebt sich etwas deutlicher von der Blutkürperchensubstanz ab, als der- jenige des Tertianparasiten, jst stärker pigmentiert, hat aber nur sehr geringe amöboide Beweglichkeit und teilt sich, wie bereits oben gesagt, nur in 8, höchstens 14 junge Parasiten. Das befallene rote Blut- körperchen verblasst weder noch quillt es auf. Bis zuletzt be- hält es seine ursprüngliche Größe und Farbe, soweit sich letztere in noch vorhandenen Blntkörperchenresten erkennen lässt. Der Befruch- tungsvorgang zwischen den freien Gameten (Sphären) ist derselbe wie beim Tertianparasiten. II. Der Parcasit des Tropeiiflebers Haemamoeba s. Plasmodium praecox, Parasit der Bidua, der Semi-tertian, der Tertiana gravis s. maligna, des Sommer-Herbst-Fiebers [Aestivo-Autumnal-Fiebers], Haemo- nenas, Laverania, halbmondbildender Parasit). Die Untersuchung auf Tropentieberparasiten im frischen Präparat ist ziemlich schwierig. Denn erstens sind die kleinen Parasiten bei Neu- erkrankungen meistens sehr spärlich, zweitens heben sie sich nur sehr wenig von der Blutkörpercheusubstanz ab, haben kein Pigment und ent- gehen daher einem ungeübten Auge regelmäßig. Dem geübten Beobachter erscheinen sie beim Beginn der Fieberhöhe als kleine, etwa 1 4 — Ys ßlut- körperchendurchmesser haltende hyaline Eingelchen oder Flecke, ohne jedes bestimmte Merkmal. Denn es fehlt ihnen, wie bereits gesagt, das Pig- ment. Die lebhafte amöboide Beweglichkeit allein lässt ahnen, dass der hellglänzende Fleck ein Parasit sein kann. Die Parasiten liegen meist in der Nähe der Peripherie der roten Blutkörperchen. Gegen Ende der Fieberhöhe haben diese Gebilde, die leicht mit ringförmigen Einrissen oder Vakuolen verwechselt werden können, etwa Va Blutkörpercheudurchmesser erreicht. Im Fieberanfall und im Beginn der fieberfreien Zeit werden sie etwas leichter erkennbar, weil sie da manchmal ein kleines Pigment- körnchen führen. Die weitere Entwicklung bis zum Teilungsvorgang spielt sich in entsprechender Weise wie beim Tertianparasiten ab. Es werden 8 — 25 junge Parasiten gebildet. 3Iutterkörper und junge Para- siten sind aber nur etwa Vo — Va ^^ &i*oß '^Is beim Tertianparasiten. Die erwachsenen Gameten (Halbmonde, Spindeln und Sphären) unter- scheiden sich indes in ihrer Form wesentlich von denjenigen der großen Parasitenarten. Die Entstehung eines Halbmondes beschreibt Ziemann folgendermaßen: »Mit einem plötzlichem Ruck schnellte sich der runde, mit beweglichem Pigment versehene Körper in die Breite. Es bildete sich die nierenförmige Figur des Halbmondes, an der konkaven Seite überspannt von der schon oft Ijeschriebenen, feinen, bogenförmigen Linie, die man als Rand des entfärbten roten Blutkörperchens auffasst. Auch bei der Untersuchung im frischen Blute lassen sich bei den Ga- meten Männchen nnd Weibchen unterscheiden. Diejenigen Halbmonde, die hyalin sind, sind die männlichen, die fein granulierten die weiblichen Individuen. Dieser Unterschied besteht auch unter den aus den Halb- monden entstandenen Spindeln und den aus den Spindeln hervorge- gangenen Sphären. Der Befruchtungsvorgaug verläuft analog demjenigen des Tertian- und Quartanparasiten. Doch bemerke ich hier aus- drücklich, dass ein Befruchtungsvorgang zwischen den reifen Gameten nur in dem Blute, das sich außerhalb des mensch- lichen Körpers befindet, vorkommt und nicht etwa im kreisenden Blute. Malariaparasiten. 729 Kurze Zusammenfassung der Unterschiede zwischen den einzelnen Parasitenarten, 1. Biologisch. Die Entwicklung: des Tertianparasiteu dauert 48 Stunden, diejenig-e des Quartanparasiten 72 Stunden. Die Entwick- lungsdauer des Tropenfieberparasiten schwankt zwischen 24 und 48 Stunden. Während bei den beiden grossen Parasitenarten sich die freien geschlechtlichen Individuen (Gameten) ohne Einschieben einer besonderen Form entwickeln, tritt beim Tropenfieberparasiten die Zwischenform des Halbmondes auf Der Tertianparasit entfärbt das von ihm befallene rote Blutkörperchen und bringt es zum Auf((uellen. Die vom Quartan- und Tropeufieberparasiten befallenen roten Blutscheiben behalten bis zuletzt Farbe und Größe. Ja! die vom Tropenfieberparasiten befallenen roten Blutkörperchen haben eher Neigung sich dunkler (messingartigj zu färben und zn schrumpfen. Außerdem findet die Teilung des Tropenfieber- parasiten in inneren Organen (^lilz, Knochenmark und Gehirn] statt. 2. Morphologisch. Die morphologischen Unterschiede treten in gefärbten Trockenpräparaten viel deutlicher hervor als im lebenden Blute. Das gilt namentlich für die im lebenden Blute schwer zu erkennenden Ringformen. Aber selbst in gefärbten Trockenpräparaten sind nicht alle Ringformen voneinander zu unterscheiden. So ist es z. B. voll- kommen unmöglich, die kleinen Tertian- und Quartanringe voneinander und von den großen Tropenringen zu unterscheiden, während die kleinen und mittleren Tropenriuge sich durch die haarfeine Zeichnung ihres Ringes sofort von allen anderen Ringformen unterscheiden. Aber schon 18 »Stunden alte Tertian- nnd Quartanparasiten nnter- scheiden sich ihrer Gestalt nach recht gut. Während der Tertianparasit sehr häufig bis kurz vor der Reifung die Ringform, wenn auch in etwas veränderter Gestalt beibehält oder in den abenteuerlichsten amöboiden Formen erscheint, geht der Quartanparas^t mit Vorliebe in Bandform über, die er ebenfalls bis kurz vor der Reifung beibehält. Er kann allerdings auch in Gestalt kleiner blauer Scheiben, die das rote Blutkörperchen mehr oder weniger ausfüllen, erscheinen, und dann ähnelt er zuweilen den heranwachsenden Formen des Tropenfieberparasiteu, die man in den Haargefäßen von Gehirn, Milz und Knochenmark findet. Die Teilungs (Sporulationsl -formen der beiden großen Parasiten- arten unterscheiden sich deutlich durch ihre Größe und die Anzahl der gebildeten jungen Parasiten. Der Tertianparasit teilt sich in 15—25, der Quartanparasit meist nur in 8 junge Parasiten. Die Teilungsfigur des Tropeufieberparasiten, die Avas Zahl der neugebildeten Parasiten anbetrifi't, unter Umständen mit dem Tertianparasiteu manchmal mit dem Quartan- l)arasiten übereinstimmt, ist so viel kleiner als die Teilungsfigur der beiden großen Parasitenarten, dass sie sofort au dem Größenunterschied erkannt werden kann. Dasselbe gilt für die freien Gameten Sphären) des Tropeufieberparasiten gegenüber den Sphären der beiden großen Para- sitenarten, während die freien Gameten (Sphären) des Tertian- und Quartanparasiten durcJiaus nicht immer voneinander zu unterscheiden sind, weil die Größenunterschiede hier so gering sein können, dass sie zur sicheren Unterscheidung nicht mehr genügen und andere Unter- scheidungsmerkmale nicht vorhanden sind. Die Vorstufe der Tropenfiebersphären endlich, die Halbmonde und Spindeln, kommen nur beim Tropenfieberparasiten vor und sind so eigen- 780 K. Rnge, artig- gestaltet, class sie mit keiner auderen Parasitenform verwechselt werden können. In der folgenden Tabelle sind die biologischen und morphologischen Unterschiede zwischen den 3 Parasitenarten kurz zusammengestellt. Asexuale Formen (Schizogonie Sexuale Formen Parasiten- Ent- wick- Zustand der befallenen Blut- Jugend- körperchen lorm Form der halb- Form der Teilungs- form und Anzahl der neu- gebildeten Halb- art lungs- dauer erwachsenen Parasiten erwachsenen Parasiten monde u. Spindeln Sphären Parasiten Tertian- 48 Nach 18—20 1. Siegel- Großer un- Zerrissene oder 11/2 Blut- fehlen. Von 11/2 parasit. Stun- Stunden be- ring von 1/3 regelmäßiger unregelmäßig körper- Blutkör- den. reits aufge- Blutkör- feinpigmen- gestaltete chengrüße, perchen- quollen und perchen- tierter Ring, Scheibe bis zu 15—25 größe [Q) verblasst. Bei durch- bis zu ^/^Blut- 11/2 Blutkör- junge oder von Romanowsky- messer. körperchen- perchengröße, Parasiten, Blutkör- Färbung 2. Leb- hafte amöboide Beweglich- keit. größe oder Pigmentklum- Maulbeer- perchen- getüpfelt. ebensogroße pen in der form. größe ((5). amöboide Form. Mitte. Amöboide Beweglichkeit Pigment zerstreut. Pigment hat aufgehört. lebhaft beweglich. Quartan- 72 stets 1. dsgl. Schmäleres Ziemlich Blutkör- dsgl. Bis zu Parasit. Stun- normal. 2. Amö- boide Be- weglich- keit gering. oder breiteres regelmäßig ge- perchen- Blutkör- den. Band, stark pigmentiert. staltete rund- liche Scheibe von Blutkör- perchengröße größe, 8 junge Parasiten, Margari- perchen- griiße. Pigment zerstreut. mit Pigment- teuform. Pigment klumpen in lebhaft der Mitte. beweglich. Amöboide tf Beweglichkeit hat aufgehört. Tropen- 24-48 normal 1. haar- Siegelring von dsgl. aber Unter vor- Höchstens fieber- Stun- (manchmal ge- feiner Ring i/3Blntkörper-; höchstens von Blutkör- handen. ■i/i Blut- parasit. den. schrumpft und von Vfi— V4 chendurch- 3/4 Blutkörper- perchen- körper- dunkler von Blutkör- messer, nicht chengröße. größe 8 bis chengröße. Farbe als ge- perchen- von den klei- Amöboide 25junge Pigment wöhnlich). durch- nen Ringen des Beweglichkeit Parasiten. zerstreut. Nach Stephens messer. Tertian- und hat aufgehört. Pigment und Christo- 2. Sehr Quartanpara- lebhaft phers im Blute ■von Neger- kindern getüp- felt, wenn von lebhafte amöboide Beweglich- keit. siten zu unter- scheiden. Hin und wieder einzelne Pig- beweglich. Gameten infiz. mentkörnchen. Aus dem Gesag'ten geht also hervor, dass ich drei ver- schiedene Parasitenarten annehme. Diese drei Parasitenarten sind, wie wir gesehen haben, gut charakterisiert und namentlich sind die großen Arten (Tertian- und Quartanparasitöii) deutlich von dem Parasiten des Tropenfiebers geschieden. Indes eine Reihe von Autoren und Laveran an ihrer Spitze er- klären die Malariaparasiten für einheitlich aber polymorph. Die Gründe, die Laveran dazu bestimmen, werden wir in dem Kapitel »Pathogenese« näher zu erörtern haben (vergl. Ö. 798). Malai'iaparasiten. 731 B. Entwicklung der menschlichen Malariaparasiten in der Stech- mücke Anopheles. (Geschlechtlicher Entwicklungsgang. Sporogouie. propagative Fortpflanzung. Amphigonie.) Während es bei der Untersuchung- des ungeschlechtlichen Entvvick- hmgsgangs der Malariaparasiten notwendig war, gefärbte Trockenpräpa- rate zu verwenden, um die charakteristischen Formen der einzelnen Parasitenarten zur Darstellung bringen zu können und andererseits jede der drei menschlichen Parasitenarteu besonders geschildert werden musste, weil in der Entwicklung der einzelnen Arten deutliche Unter- schiede vorhanden sind, bietet es keinen Vorteil den geschlechtlichen Entwicklungsgang der Parasiten, der sich in der Stechmücke Anopheles abspielt, in getarbten Präparaten zu untersuchen. Das ungefärbte frische lebende Präparat lässt die einzelnen Entwicklungsstufen gut erkennen und der ganze geschlechtliche Entwicklungsgang der drei Parasiteuarten in der Mücke verläuft mit ganz belanglosen Unterschieden so vollständig gleich, dass es vollständig genügt, ihn im allgemeinen zu schildern. Die erste Stufe der geschlechtlichen Entwicklung der Malariaparasiten hatten wir bereits bei der Untersuchung des frischen Malariablutes kennen gelernt: Die Bildung Aon Geißeln (Spermatozoon i durch die männlichen Gameten und das Eindringen dieser Geißeln in den weiblichen Gameten. Dieser Vorgang (anisogame Befruchtung^* *), der sich in gleicher Weise im Magen der weiblichen Stechmücke (Anopheles) vollzieht, ist ein regulärer Befruchtungsakt. Der etwas kleinere männliche Gamet mit hyalinem Plasma (Mikrogametoc^'t) bildet in seinem Inneren die aus Chromatin bestehenden Geißeln, die weiter nichts als Spermatozoen (Mikrogameten) sind, und in den größeren, feingekörnteu weiblichen Gameten (Makro- gamet) eindringen, um ihn zu befruchten. Der befruchtete weibliche Gamet wird Ookinet (vergi. Atlas, Taf. IV, Fig. 113 , Zygot oder Amphi(mt genannt. Die nun folgende Stufe der Entwicklung, das Auswachsen des Ookineten in Würmchenform (vergl. Atlas, Taf. IV, Figg. 114, 115, 119, 120, 122), geschieht in derselben Weise wie beim Proteosoma (echter Vogelblut -Malariaparasit) d. h. aus dem befruchteten weiblichen Gameten wächst ein, einem keimenden Pflanzensamen ähnlicher Fortsatz hervor (R. Koch), der sich allmählich verlängert und leicht krümmt, bis das Würmchen (vergi. Atlas, Taf. IV, Figg. 122, 115) fertig ist. Dieses Würmchen, das sichelförmig gekrümmt ist, sich in die Länge strecken kann und das träge Vorwärtsbewegungen hat, bohrt sich innerhalb der ersten 48 Stunden, nachdem die Mücke Blut gesogen hat, in die ]\lagen- wand des Anopheles ein, rollt sich auf, schiebt den elastischen Teil der Magenwand in Gestalt einer feinen Kapsel vor sich her und wölbt auf diese Art die Magenwand kugelig nach außen vor. Die einschließende Kapsel ist viel zarter als diejenige, die das Proteosoma bildet und platzt daher leichter. Sind 48 Stunden nach dem Blutsaugen vergangen, so haben sich alle Würmchen (Ookineten) in die Magenwand der Mücke eingebohrt und man tindet sie nicht mehr im Mageninhalt. Der ein- gekapselte Parasit wird als Ooeyste (Zygot, Cyste) bezeichnet und stellt *) Diese Art der Befruchtung, die durch die Vereinigiing verschieden gearteter Gameten, d. h. eines ausgesprochen männlichen Individuums mit einem aus- gesprochen weiblichen Individuum erfolgt, wird von den Zoologen »anisogam« ge- nannt, im Gegensatz zu einer Befruchtung durch gleich geartete Gameten, die als »isogam« bezeichnet wird. 732 R. Enge, in seinem jüngsten .Stadium ein hyalines ovales oder rmides Gebilde von etwa ßlutkörperchengroße dar, das imregelmäßig zerstreute und manchmal lebhaft bewegliche Pigmentkörnchen enthält. (Vergl. Atlas, Taf. IV, Fig. 123.) Auf dieser Eutwieklungstufe finden wir den Parasiten, sobald 2 — 3 Tage nach dem Blutsaugen vergangen sind nnd die Mücke sich in einer Temperatur von 24—30° C. befunden hat. Die Oocyste wächst bei dieser hohen Temperatur sehr schnell. oS^ach 5 Tagen ist sie be- reits 6mal so groß (16 — 18 u) als am 2. Tage imd beginnt in ihrem Inneren neue kleine Kugeln (Tochtercysten, Blastophoren, Sporoblasten) zu bilden. ^ecV^lliche p^ ^ Eintwicklungsgang Inder Stechmücke Anopheles W off "„* cJ"^ °> °^ A'A Sporogonie. 0 ^ Schif zogonie.J ooCeP Fig. 6. Der doppelte Entwicklungsgang des Tertianparasiten im menschlichen Blute und im Anopheles. Unter Zugrundelegung des von Eysell gegebenen Schemas gezeichnet von Verf. 1 — 3 Entwicklungsgang der ungeschlechtlichen Formen, l'^— 3=1- Entwicklungsgang der geschlechtlichen Formen. (In 1-^ fehlt das Chromatiukorn innerhalb des Plasmaringes.) I — III Entwicklung des Parasiten im Miickenmagen. I Kopulation. II und III Heranwachsen des Ookineten. IV — VI Entwicklung der Oocysten an der Magenwand der Mücke. IV Kleinste Form der Oocysten, V fertige Sporoblasten (Tochtercysten). VI Cyste mit Sichelkeimen. VII einzelner Sichelkeim aus einer Speicheldrüse. Da noch nicht bekannt ist, in welcher Weise ein durch den Anopheles eingeimpfter Sichelkeim sich in einen Schizonten umwandelt, so ist die Stelle, an der dieser Uebergang einzusetzen wäre, durch ein Fragezeichen angedeudet. Nach (xRAssi besitzen die Oocysten zahlreiche Kerne, die sich um die eben genannte Zeit durch Amitose außerordentlich vermehren. Um diese Kerne herum legt sich immer eine gewisse Menge von Protoplasma, imd die Sporoblasten (Tochtercysten) sind fertig. In diesen Tochterkugeln ent- wickelt sich sehr bald eine feine Strichelung, die immer deutlicher wird. Schließlich erscheint die ganze, sehr stark gewachsene Cyste (36 — 40 ,«) fein gestrichelt. Diese feine Strichelung ist der Ausdruck der dicht aneinander gelagerten Sichelkeime, (Sporozoiten, Zygotoblasts, Germiual rods, Blasts), die zu Tausenden die Cyste erfüllen, und auf gleiche Weise im Sporoblasten entstanden sind, wie vorher die Sporoblasten in der Malariaparasiten. 733 Ooeyste (verg-1. Atlas, Taf. IV, Fig. 136j. Die reifen Cysten, noch am Mückenmagen sitzend, platzen (vergl. Atlas, Taf. IV, Fig. 124\ die Sichelkeime (vergl. Atlas, Taf. IV, Fig. 125) treten in die freie Bauch- höhle, werden vom Lymphstrom aufgenommen und gelaugeu schließlich in die Speicheldrüsen, wo sie sich in Unmengen an- häufen. Im Durchschnitt kann man rechnen, dass 8 his 10 Tage nach dem Saugen von Malariablut die ersten Sichelkeime in den Speichel- drüsen des weiblichen Ano- pheles abgelagert sind, (na- türlich immer vorausgesetzt, dass sich die Temperatur zwischen 24 und SO'' C. be- wegte) und dass dann der Stich einer solchen Mücke Malariatiel)er nach sich zieht. Die Sichelkeime selbst sind feine, zarte, hyaline Gebilde, die etwa 1^/, mal so lang als ein Blutkörperchendurchmesser sind. In Kühe erscheinen sie als schmallanzettliche Körper (etwa 8 mal so lang als breit). Sie haben eine schwache Eigeubewegung, krümmen sich, so dass sie sichelförmig werden, strecken sich wieder, legen sieh in Eingform zusammen unci zeiii'en in ihrem Inneren Fig. 7. Sicbelkeiine des Tropeufieberparasiten iu den Speicheldrüsen eines Anopheles costalis. (Nach Stephens & Christoi'hers.) _^i einen hellen Fleck (vgl. Atlas, Taf. IV, Fig. 125). Die nach Eoma- oxwsKY gefärbten Sichel- keime haben in der Mitte ein verhältnismäßig großes, rotes Chromatiu- korn, während der Rest Fig. 8. Pseudosichelkeime (Pseudonavicellen). (Nach Stephens & Christophers.) *) Fig. 9. Sichelkeime in ihren verschiedenen Formen. (Nach Grassi.' des Sichelkeims blau erscheint und zwar au seinen Enden stärker als gegen das Chromatinkorn hin. (Vergl. Atlas, Taf. IV, Fig. 126j. *,i Vgl. S. 814 734 K. Enge, Wie sich die durcli den Stich eiues Auopheles-AVeibcheus in das menschliche Bhit eingeiui])ften Sichelkeime verändeni und welche Um- wandlung- sie durchmachen, bis sie in der Form der uns bekannten Malariaparasiten erscheinen, ist bis jetzt noch nicht erforscht worden. Indes die eben g-escliilderte reg-elmäßig-e Entwicklung- der mensch- liehen Malariaparasiten in der Stechmücke Anopheles geht nur dann vor sich, wenn die vorher aug-eg-ebene hohe Temperatur vorhanden ist. Der Parasit des Tropentiebers verlangt zu einer regelmäßigen Entwick- lung die höchsten Temi)eraturen. Schwankt die Wärme zwischen 15,5 und 17,5" C, so hört seine Entwicklung überhaupt auf Gkassi). Der Tertianparasit kann sich noch weiter entwickeln, wenn die Temperatur vorübergehend auf 12, ja auf 9° C. sinkt, sobald anfangs hohe Tempe- raturen "herrschten und die Entwicklung erst einmal im Gang war, wie die Versuche van der Scheers und (Irassis gezeigt haben. , Juli A lU lu. st ?A 252^^2829 3dß7 / Z 3 ^ s 6 7 8 9 70 77 72 73 74 7S 76 7? 7S 19 c ! 3a s i ' 1 ._ 1 ^ l\\ ' asi / )i 1 ! ! ^ / l 1^ 26 1 1 h 25 i U ; ' \ 3* ^uZ 1 23 / ^ \l s. w \ h m ^ ' \ k A A l\ 1 7Sf\ VJ \. r J r ^ / \\ 1 \ 1 78 \ 'l ' V • t y 1 ] IT \ \ Vi ! ! \ / \ t \ l 76 '\l i ' i 1 V \ \i \ 1 15 'V'^-^ \i y 7^ ^ ■ ! T"'^-^ > v ^ •^ 73 1 1 i 1 i A f \ 7Z 1 , 1 1 \ 1 j y v >-•' ,^ ■■•< J \ 71 1 i ' ' 1 j 1 V 70 : ' 1 1 i 1 1 Miixiiualtemperatureii. Minimaltemperatnren. Fig-. 10. Temperaturverhältnisse bei der Entwicklung von Tertianparasiten im Anopheles. Nach van der Scheer.) Ob die gebildeten Sichelkeime, die bei solchen ungünstigen Tem- peraturverhältnissen erst nach 21 Tagen in den Speicheldrüsen erschienen (van der Scheer) noch infektionsfähig waren, ist nicht festgestellt worden. Grassi giebt als untere Temperaturgrenze für die Entwicklung des Tertianparasiten 20 — 22" C, für diejenigen des Quartanparasiten 16.5" C. an. Stellung der Malariaparasiten im System. Das System der Protozoen, zu denen die Malariaparasiten gehören, habe ich nach Doflein zusammengestellt (gekürzt). Nur in der letzten Spalte ist einiges hinzugefügt. Malariaparasiten. 735 ' 1. Protozoon mit Pseudopo- dien Oller ria- RelleiialsFoit- bewegungsor- gaiien, einem oder mehreren bläschenför- migen Kernen, iso- oderaniso- gamerBet'ruch- tuiig \i. einem meist dicylili- schenEntvvick- lungskreis , in dem ge- schlechtliche mit nnge- schlechtlichen Generationen alternieren = I. Unterstamm Plasmo- (Iroma. 2. Protozoen m. zahlreichen Cilien als Be- wegungsorga- nen, mit einem oder mehreren diclit gebauten Hauptkernen und einem bis vielen bläs- chenförmigen Nebenkernen (oder selten zahlreichen der letzteren Art allein) ver- sehen. Be- fruchtung durch aniso- game Ver- schmelzung oder durch Austausch von Kernsubstan- zen ohne Ver- schmelzung der Zellleiber. Vermehrung nur durch ein- fache Teilung oder Knos- pung. Die Be- fruchtung be- dingt keine besondereFort- pflanzungs- form ::= II. Unter- stamm : Ciliophora. 1. Bewegung durch Pseudo- podien = I. Klasse: Rhizopoda. 2. Bewegung durch Geißeln = H. Klasse: M a s t i g 0 - t p h 0 r a . 3. Bewegung verschieden- artig, meist durch Parasi- tismus redu- ziert. Vermeh- rung durch zahlreiche be- schalte Fort- ptlanzungskör- per =^ III. Klasse: Sporozoa. fl. Cilien wäh- rend des gan- zen Lebens vorhanden ; Nahrungsauf- nahme durch Osmose oder Cytostom i) = IV. Klasse: 0 i 1 i a t a. 2. Cilien nur an denJugend- stadlen vor- handen. Nah- rungsauf- nahme durch röhrchenartige Organellen -1 = V. Klasse: S uc toria. i; Cytostom = Zellmund. -) Organellen =^ Apparaten, die bei niau- chenProtozoen die Zelle für verschiedene Funktionen bildet, so ge- nannt Im Ge- gensatz zu wirklichen Or- ganen. DieKlasseder Sporozoen um- fasst diejeni- gen Protozoen, welche einmal in Ihrem Le- beuskreis sich durch zahl- reiche Spröss- linge vermeh- ren, welche meist In einer festen Schale eingehüUtsind und so eine Spore dar- stellen. Diese Art der Fort- pflanzung dient zur Ver- breitung der Art. Sämt- liche Sporo- zoen sind } Parasiten. In Fällen , wo besondere An- passungen exi- stieren, z. B. bei Wirts Wech- sel, kann die Sporenhülle auch fehlen. Die Sporen- hülle kann die Sprösslinge in Ein- oder .Mehrzahl ent- halten. Gene- rationswechsel Ist bei den Sporozoenwelt verbreitet, ebenso schei- nen alle Sporo- zoen ihren Lebenscyklus als Zellpara- siten zu be- ginnen. Er- nährung aus- schließlich durch osmo- tische Auf- nahme flüssi- ger Nahrung. 1. Zerfall in Keim- linge nur am Ende einer vege- tativen Periode 1. Vege- tatioussta- dium dau- ernd intra- cellulär; Befruch- tung aniso- gam, Ge- sch]e(-hts- generation dauernd oder vor- über- gehend in- tracellulär 2. Zerfall in Keim- linge wäh- rend der ganzen ve- getativen Periode 2. Vege- tationssta- dium nur anfangs in- tracellulär, erwach- sene Tiere extracellu- lär; Be- fruchtung isogam, be- fruchtete Formen stets dau- ernd extra- celluiär 1. Sporo- zoiten in Sporen eingehüllt mit Aus- nahme von Elmeria Copula un- beweglich, bleibend intracellu- cellulär \ 2. Sporo- zoiten stets frei. Co- pula als (Jokinetbe. weglich. In neue Zel- len ein- wandernd , Gattung: Proteoso- ma Labbe'. iCytospo- ron Daul- lewsky. (iattuug: llalteri- diumDani- lewsky. (iattung: Plasmo- dium. ■ Zahlreiche andere Blutpara- siten, wie z. B. die- jenigen der Frösche oder das Piroplas- ma bige- minum oder die bei Affen, Pferden, Hunden und Fle- dermäusen gefunde- nen Blut- parasiten lassen sich noch nicht in das System einreihen, weil sie erst teilweise erforscht sind. 1. Plas- modium praecox. Tropen- fleber- parasit.) 2. Plas- modium vivax. (Tertian- parasit.) 3. Plas- modium malarlae. (Quartan- parasit.) 736 R- Rüge, Ich biu, wie gesagt, in der vorstehenden ZusammensteUung im großen und ganzen den Angaben von Doflein gefolgt, der ebenso wie andere Zoologen, die sich mit Malariaparasiten befasst haben (Schaudikn, Luhe & Grassi] den Namen »Plasmodium« für die Malariaparasiteu auf Grund des Prioritäts- gesetzes wieder angenommen hat. Ich halte das nicht für richtig. Denn als Marchiafava & Celli 1885 den Namen Plasmodium auf die Malariaparasiteu übertrugen, war er bereits vergeben und zwar an ganz andere Gebilde, als es die Malariaparasiten sind. Denn unter einem Plasmodium oder Syncytium versteht mau eine Protoplasmamasse mit eingebetteten Kernen, die nicht iu bestimmte Zellterritorien um die einzelnen Kerne abgegrenzt ist. »Diese Plasmodien oder Syncytien sind eben ,Zellagglomerate' ; sie führen rückwärts durch die Stufe der vielkeruigen oder ,Piiesenzellen' zu den gewöhnlichen oder einkernigen Elementarorganismen« (Waldeyer). Aus diesen Gründen kann ich die Anwendung des Ausdruckes Plasmodium für einen Malariaparasiten nicht gutheißen und muss Ziemann beistimmen, der diesen Namen ebenfalls verwirft. Wollen wir die Malariaparasiteu in das vorstehende System einreihen, so müssen wir uns noch einmal knrz ihre Haupteigenscliaften und Ent- Avicklung-s weise, verg-egenwärtigen. Die Malariaparasiten sind einzellige tierische Lebewesen, die einen Kern, amöboide Beweglichkeit (Ausstrecken von Pseudopodien) besitzen, einen ungeschlechtlichen Entwicklungsgang als Zellschmarotzer in den roten Blutkörperchen des Menschen und einen geschlechtlichen Ent- wicklungsgang in der Stechmücke (Anopheles) durchmachen. Während ihres ungeschlechtlichen Entwicklungsganges im Menschen nehmen sie durch Osmose als Nahrung das Hämoglobin der roten Blutkörperchen auf und bilden aus diesem Pigment. Wenn sich nun die Malariapara- siten am Schlüsse der ungeschlechtlichen Entwicklung in eine beschränkte Anzahl von jungen Parasiten geteilt haben, so bleibt das von ihnen ge- bildete Pigment als Kestkörper zurück. Aber schon während der Schizogonie entstehen im menschlichen Blute Formen, die dazu bestimmt sind, den geschlechtlichen Entwick- lungsgang in der Mücke (Anopheles) zu ermöglichen. Es sind dass die Gameten, die deutlich in männliche und weibliche Individuen geschieden sind und im ]Mückenmagen die anisogame Befruchtung vollziehen. Die aus der Befruchtung hervorgegangene Copiila (Ookiuet, Zygot, Amphiont, Würmchenj ist beweglich und dringt in die Epithelzellen des Mücken- magens ein, verwandelt sich dort in eine Cyste (Oocyste, Zygot, Amphiont), iu der sich zahlreiche Tochtercysten (Sporoblasten) bilden, die ohne sich durch Bildung einer festen Schale iu Sporen (im zoologischen Sinne) zu verwandeln, unmittelbar in zahlreiche freie Sichelkeime (Sporozoiten) zerfallen. Als einzellige Lebewesen gehören also die Malariaparasiten zu dem Stamme der Protozoen. Da sie ferner Pseudopodien, einen Kern, anisogame Befruchtung, einen geschlechtlichen und einen ungeschlechtlichen Entwicklungsgang haben, so zählen sie zum Unterstamm Piasmodroma und da ihre Be- wegung durch Parasatismus beschränkt und ihre Fortpflanzungskörper mit denen der Sporozoen fast übereinstimmen, nur dass sie nicht beschalt sind — w^eil ja die Uebertragung von Wirt zu Wirt erfolgt und die Fort- 13flanzungskörper (Sporen im zoologischen Sinne) nicht in die Außenwelt gelangen — so rechnet man sie zu der Klasse der Sporozoen. Da fernerhin ihre Teilung während der ungeschlechtlichen Entwick- lung immer nur am Ende der Entwicklung: stattfindet, sind sie von Malariaparasiten. 737 Schau DiNN zur Unterklasse der Telosporidia gestellt worden und weil ihr ung-esclilechtlicher Entwicklung-ssang- dauernd intracelluUlr, ihre Befruchtung anisogam und ihr geschlechtlicher Entwicklungsgang meist intracellulär ist, so rechnet sie Dofleix zur Ordnung der Coccidi- uiorpha und wegen des Fehlens der Schalen an den Fortpfianzungs- körpern zu der Unterordnung der Haemosporidia. Litteratur. Von den während der ersten 10 Jahre nach der Bestätigung der LAVEUAXschen Entdeckung über die Malariaparasiten erschienenen Arbeiten nenne ich folgende : 1 Abbott & Councilman ", A contrib. to the patholog. of mal. fev., Am. journ. of med. scienc, 1885. — - Baccelli, Studien üb. Malaria. — ^ Ball, On some diffic. in the diagn. of typh. fev. Med. Rec, 1888, vol. 34. p. 225. — 4 Bein, Aetiol. lind exper. Beiträge z. Malaria. Charite-Annal. XVI. Jahrg. — ^ Brandt, Beitrag z. Malfrag. Deutsche med. Woch., 1890, S. 864. — f' Canalis, Sur,le cycle evolut. des Corps en croiss. ect. Arch. ital. de biolog., 1889. — Ders., Etud. sur Tinfect. mal. Arch. ital. de biolog., 1890. — ' Chenzin.sky, Zur Lehre üb. d. Malaria, (entralbl. f. Bakter., I.Abt., 3. Bd., S. 457. — « Councilman, Neuere Unters, üb. Laver;ins Organ, d. Mal. Fortschr. Med., 1888. — " Dock, Fürth, stud. in mal. dis. The Med. News, 1891. — w Dolega, Zur Aetiol. d. Mal. 9. Kongr. l inn. Med., 1890. — Ders., Blutbef b. Mal. Fortschr. Med., 1890. — n Ehrlich & (IuttmannI», Berl. klin. Woch., 1891, S. 953. — 12 Grawitz, Berl. klin. Woch., 1892, S. 141. — 1'^ Guttmann, siehe ". — '* v. Jaksch. Ueb. Malplasmod. Prag. med. Woch., 1890. — i"" James, Medical Record, 1888, p. 269, The microorg. of. mal. — if^ Kohlstock, Ein Fall von trop. bil. Malerkr. u.s.w. Berl. klin. Woch., 1892, Nr. 19. — " Kruse, Der gegenw. Stand unser. Kennt, v. d. par. Protoz. Hyg. Rundsch., 1892, Nr. 9. — it^ Martin, Ueb. d. Krankheitser. d. Mal., Münch. med. Woch., 1890, Nr. 3. — 19 Metschnikoff, Zur Lehre v. d. Malerkr. Ref. in Centralbl. f. Bakt., I, S. 624. — 20 V. Noorden & Hertel, Zur diagn. Verwert. d. Malplasmod. Berl. klin. Woch., 1891. S. 300. — 21 Osler, An addr. on the hematoz. of mal. Brit. med. Journ., 1887, p. 556. — ~ Paltauf, Zur Aetiolog. d. Febr. interm. Wien. klin. Woch., 1890, Nr. 2 u. 3. — ^3 f. Plehn, Aetiolog. u. klin. Malstud., 1890. — ^i Quincke, Ueb. Blutunters, b. Malkr. Mitt. f d. Verein Schlesw.-IIolst. Aerzte, 1890, 12, 4. — -■'' Rosenbach, Das Verhalt, d. in d. Malplasmod. enth. Körnch. Deutsche med. Woch., 1890, S. 325. — ^r. Rosin, Ueb. d. Plasmod. mal. Deutsche med. Woch., 1890, S. 326.-2"? RuCtE, Ueb. d. Plasmod. b. Malerkr. Deutsche Militärärztl. Zeitschr., 1892. — 28 Sacharoff, Ueb. d. Aehnlichkeit d. Malpar. u. s. w. Ref in Centralbl. f. Bakter., Bd. V, S. 420. — Ders., Malar. an d. Transkauk. Eisbhn. u. s. w. Ref. in Centralbl. f Bakter.. IX. Bd., S. 16, 1891. — Ders., Unters, üb. d. Par. d. Malfieb. Ref. in Centralbl. f. Bakter., Bd. V, S. 452. — 20 Sternberg, Med. Record., 188G. — :«• Titoff, Die diagn. Bedeutg. d. Malpar. Ref in Centralbl. f Bakter., Bd. IX, S. 284, 1891. Besonders hervorzuheben sind: Laveran, Acad. de med. 23. XI. u. 28. XII. 1880 (Entdeckung der menschl. Malariaparasiten). — Golgi, Mitteilung an die R. Acad. di Medicin. di Torino 20. XI. 1885. (Entdeckung des Entwicklungsganges des Quartanparasiten im menschl. Blut.) Deutsch in Fortschr. d. Medicin. 1880, S. 575. — Marchiafava «& Celli, Berl. klin. Woch., 1890, S. 1012. ^Abtrennung des Tropen- fieberparasiten als einer besonderen Art.) — R. Ross, Brit. med. Journ., 1897, 18. XII. »On some peculiar pigmented cells found in two mosquitoes fed on malarial blood. Entdeckung der Fortentwicklung des menschl. Malariaparasiten im Anophelcs.) Von größeren Werken nenne ich nur: Ziemann, Ueber Malaria- und andere Blutparasiten, 1898 (gute Abbildungen. — Laveran, Traite du Paludi. transversa media / » » discoidalis, sive posterior transversa M Gabelzelle, obere M' » untere N Wurzelzelle, obere N' » untere. An den auffallend langen und dünnen Beinen unterscheidet man: deu Bchenkel (femur), der durch den sogenannten Scheukelriug mit der Hüfte (coxa) verbunden b a c d c e r M ist; die Schiene 'tibia) und den Fuß (tarsus), der stets 5 Glieder hat. Das erste derselben (dem Thorax am näch- sten gelegene) ist fast ebenso lang als die übrigen vier zusammen und wird meta- tarsus genannt. Das letzte Glied des Fußes hat am Ende zwei Klauen. Die Beine sind bei mauchen Anopheles- arten Sitz einer Streifung oder Bänderung, z. B. beim Anopheles Jamesii. Das Anophelesmäimcheii (vergl. Fig. 17, ^ imd Atlas, Taf. IV Fig. 131 inid 133) unterscheidet sich von dem Weibchen sofort durch die Fiederung der Antennen und durch die keulenförmig verdickten End- glieder der Pal- pen. Die An- tennen sind ge- fiedert, d. h. sie tragen an der Basis eines jeden Die Männchen sind kleiner h jVjV (K y Fig. 13. Schuppenloser Flügel eines Anopheles maculip. £ Meig.) lömal vergrößert. (ZETTNOwsche Aufnahme nach einem Präparat des Verf.) Fig. 14. Derselbe Anophelesflügel mit eingezeichneten Flecken. Mit bloßem Auge erkennt man höchstens 5 Flecke. Gliedes einen Kranz von langen Haaren. und zarter als die Weibclien. Die Gattung Culex unterscheidet sich von der Gattung Anopheles durch die Bildung der Taster. Das Culexweibchen hat ganz kurze Taster. Seine Taster haben den achten Teil der Küssellänge (vergl. Fig. 16, d u. 17, B). Das Culexmännchen hat aber Taster, die länger als der KUssel und nacb oben wie die Hauer eines Ebers umgebogen sind (vergl. Fig. 17, C). Die keulenförmige Verdickung an den Endgliedern, wie sie das Anopheles- männchen aufweist, fehlt beim Culexmännchen. Die Antennen des Malariaparasiten. 741 Culexmäuuclieus sind ebenso wie diejenigen des Anophelcsmänncheus g-efiedert. Nur wenige Arten der Gattung Culex haben gefleckte Flügel (bei uns der Culex annulatus),wäli- reiid fast alle Arten der Gattung Ano- pheles gefleckte Flü- gel haben (Anopheles bifurcatus hat keine Flügelflecken). Außerdem sind die Angehörigen der Gat- tuna- Culex vor- Fig. 15. Bein eines Culex Fig. 16. Culex pipiens 2 (van der Wulp) 8 mal ver- annulatus 2, 8 mal ver- größert. 'ZettnowscIic Aufnahme nach einem Präparat des Verf. a Kopf, b Brust, c Leib, d Palpe (von den beiden Palpen ist nur eine sichtbar), e die beiden Antennen, f, g Stechapparat, h Schwinger. / Hals. (Der eine Flügel ist bei der Präparation etwas eingerollt worden.; größert. a Schenkel (femur), b Schiene (tibia), ci Metatarsus. c- — c-5 (Jer viergliedrige Tarsus. wiegend braun bis gelb, diejenigen der Gattung Anopheles grau bis schwarz gefärbt. Kurz zusammengefasst haben wir folgende Unterschiede zwischen den beiden MUckengattungen : 1. Palpen bei beiden Geschlechtern gleich lang, so lang,\ . , , als der Stechrüssel |Auopüeies. 2. Palpen beim Weibchen sehr kurz, viel kürzer als der Rüssel\ p, , Palpen beim Männchen länger als der Rüssel / Wenn man den prinzipiellen Unterschied zwischen den beiden Mückengattungen — verschiedene Länge der Taster — berücksichtigt, so wird man sich immer vor Verwechslungen bewahren. Eine solche ist nämlich ziemlich leicht zwischen dem Culex anuulatus und Anopheles maculipennis*) [Meigen] möglich. Beide Gattungen kommen bei uns in Deutschland ziemlich gleich häufig vor ^ — jedenfalls viel seltener als der Culex pipiens — -^ beide haben je 5 Flecken au denselben Stellen auf den Flügeln und beide sind fast gleich groß. Aber die verschiedene Länge der Palpen lässt beide Gattungen sofort unterscheiden. Außerdem ist in diesem besonderen Falle noch ein zweites sehr deutliches Unterschei- dungsmerkmal vorhanden. Der Culex anuulatus hat gelb und schwarz geringelte Beine, der Anopheles maculipennis nicht. Aber noch ein Umstand erleichtert die sofortige Unterscheidung zwischen einem Culex und einem Anopheles, vorausgesetzt dass man es mit lebenden Exemplaren zu thun hat. Der Culex sitzt stets so an der Wand, dass sein Leib der Wandfläche ungefähr parallel läuft. *) Synonym : Anopheles claviger. 742 E. Ruge, während der Leil) des Anoplieles mit der betreffeudeu AYaiid emen Winkel yon 45°— 80° bildet.*) Durch diese Haltung ist ein Auopheles sofort aus Hunderten von Culex herauszufinden. Die verschiedenen Anopheles- arten verhalten sich in dieser Beziehung verschieden: wie die bei- gegehenen Abbildungen zeigen. Ein fernerer Unterschied zwischen Anopheles und Culex liegt in der Art und Weise, in der Brust und Leib gegen einander stehen**). (Vergl. Fig. ISA u. B). Leib und Brust bilden beim Culex zusammen einen stumpfen Winkel, während beim Anopheles Leib, Brust, Kopf und Stechrüssel fast in einer geraden Linie stehen. Dadurch bekommt die ganze Haltung des Tieres etwas Feindliches, Aggressives. Ebenso wie sich Männchen und Weibchen der Stechmücken äußer- lich unterscheiden, ebenso unterscheiden sie sich in Bezug auf eine Fig. 17. ^^>^N-.: Ä. Anopheles maculipennis (5 • ß. Anopheles maculipenniSjS. C. Culex pipiens (5. D. Culex pipiens £. Die Figuren B—D sind nach lebenden Mücken gezeichnet; Figur Ä ist erst zwei Stunden nach dem Tode des Tieres angefertigt. Fühlerborsten haben daher schon Kadaverstellung angenommen. E = Rüssel, T = linker Taster, F = linker Fühler (die beiden Antennenglieder der Männchen sind dem Beschauer zugekehrt und erscheinen daher stark verkürzt), Th = Thorax. Nach Eysell. wichtige Lebensgewohnheit. Es saugen nämlich nur die Weib- chen Blut, die Männchen leben von vegetabilischer Nah- rung. Die Weibchen können zwar auch, wie mau das leicht an gefangenen Exemplaren beobachten kann, monatelang von vegeta- bilischer Nahrung (Früchten oder Zuckerwasser) leben, wenn sie aber ihre Eier zur Eeife bringen sollen , so brauchen sie Blut. Das Ge- schäft des Blutsaugens besorgen die beiden verschiedenen Mücken- Gattungen in verschiedener Weise. Während z. B. der Culex wenig wählerisch ist und nicht nur an Menschen und Säugetieren, sondern *; Von dieser Regel sind bis jetzt erst 2 Ausnahmen bekannt worden: und zwar soll der Culex mimeticus wie ein Anopheles und der Anopheles Sinensis wie ein Culex sitzen. Giles, Some notes and queries on mosquitoes. The Indian Med. Gaz.. 1900, p. 463. **) Von Watekhouse zuerst bemerkt. Malariaparasiten. 743 auch au Vögeln saugt und reg-elmäßig auch am Tage sticht, hält sich der Anopheles maculipennis, dessen Lebensgewohnheiten bis jetzt am eingehendsten studiert worden sind, am Tage meistens in seinen Schlupf- winkeln auf und verlässt sie erst bei Sonnenuntergang, um Blut zu saugen. Auch saugt er fast nie an Vögeln, sondern nur an Menschen und Säuge- tieren. Von anderen Anophelesarten z. B. vom A. funestus, der bis jetzt als die vorherrschende Art in Ost-, West- und Centralafrika gefunden wurde, wird berichtet, dass er auch am Tage Blut saugt. Dasselbe Fig. 18. B. G. A. Culex sitzend. (Nach Waterhouse.) B. Anopheles sitzend. Nach Water- HOUSE.) In diesen beiden Figuren soll die verschiedenartige Stellung von Leib und Briist gegeneinander gezeigt werden. a Anopheles maculipen.U^ ^j,^,„, ,^^„, g^„^„^.j beobachtete Ziemaxn ^^ bei den Kameruner Anopheles. Für gewöhnlich halten sich die Anophelesarten während des Tages unter Gras und Laub oder in dunklen Zimmerecken versteckt. Im Freien sind sie nur da zu linden, wo sie vor Wind geschützt sind. An windigen Tagen kann man weite Strecken, die dem Winde ausgesetzt sind, selbst Aveun sie mit hohem Gras oder Schilf bestanden sind, vergeblich nach Stechmücken absuchen, während man sie dicht daneben auf einer feuchten oder sumpfigen Stelle, die vor dem Winde geschützt ist, in Mengen findet.*) '') In dieser Beziehung verhalten sich Culex und Anopheles ganz gleich. 744 K- Rüge. Dies Verhalten erklärt die Beobachtung, die in Gegenden mit regelmäßig- wehenden Winden gemacht worden ist, dass dicht neben gesunden Orten solche mit nie enden wollender Malaria liegen. Ebenso wie den Wind, so scheuen die Auopheles auch den Regen. Ein schwerer Kegen, der sie überrascht, schlägt sie gewöhnlich zu Boden und tötet sie. Trifi"t sie aber ein feiner Regen, so flüchten sie in die Häuser. Ich hatte Gelegenheit das vor 2 Jahren in meiner Wohnung zu beobachten. Au warmen Sommerabenden fing ich gewöhn- lich 1 — 3 Anopheles in meinem Zimmer. An zwei Abenden aber, an denen bald nach Sonnenuntergang kurz anhaltende feine Regen fielen, kamen 6 und 8 Anopheles in dasselbe Zimmer. Diejenigen Anopheles nun, die in Wohnzimmer eingedrungen sind, setzen sich gern in dunkle Winkel. Mit Vorliebe sitzen sie zwischen Zimmerwand und Gardine und wenn man die Gardine schüttelt, so kommen sie zu Tage und tanzen an den Fensterscheiben auf und nieder, w^o man sie leicht fangen kann. In unsauber gehaltenen Bauernhäusern findet man sie auf Spinnweben oder auf vom Herdfeuer geschwärzten Stellen. Da sie auf diesen Plätzen nur von Geübten und Wissenden entdeckt werden können, so kommt es häufig vor, dass sie von An- fängern, die nach ihnen suchen, übersehen werden und dass es dann heisst: in der und der Gegend, in der Malariafieber herrschen, giebt es keine Anopheles. Ebenso wie der Anopheles dunkle und schmutzige Winkel als Verstecke liebt, ebenso meidet er weiße gestrichene Flächen und so kommt es, dass man in den Tropen den Anopheles nur in einzelnen Exemplaren in den Europäerhäusern ■-^, in Mengen aber in den schmutzigen Hütten der Eingebornen findet. Nach den Beobachtungen der englischen Malariaexpedition scheint es, dass der Geruch der Eingeborenen den Anopheles anzieht. Stephens & Christopheks"-' fanden nämlich in einem Zelt, in dem Europäer geschlafen hatten, nur ein oder zwei Anopheles. Als aber Eingeborene in demselben Zelte geschlafen hatten, wurden am 1. Morgen 19., am 2. Morgen schon 62 Ano])heles darin gefunden. Da- rauf ließ man die Eingeborenen nicht mehr in dem Zelte schlafen und die Zahl der Anopheles nahm schnell ab. Ob der Anopheles bestimmte Standquartiere hat und wie weit er sich von ihnen entfernt, ist noch nicht mit Sicherheit festgestellt, ist aber sehr wahrscheinlich. Man kann nur so viel sagen, dass der Anopheles sich mit Vorliebe in der Nähe menschlicher Wohnungen aufhält und sich nicht weit von ihnen entfernt, falls er die zur Eiablage nötigen Wassertümpel in der Nähe findet. Ambrosi & Riva neigen durch ihre Beobachtungen, die sie in der Nähe von Reisfeldern machten, zu der Meinung, dass der Anopheles bis 5 km. weit fliegt'''), Ziemann ^^ giebt an, dass er in Kamerun nur einmal Ano- pheleslarven in einem 1400 m von menschlichen Wohnungen abgelegenen Tümpel fand und die Mitglieder der englischen Malariaexpedition be- rechnen die AVeite des Auophelesfluges auf einen bis zwei Kilometer. Glen liston 12 hingegen berichtet, dass er Anopheleslarven in Ost-Indien noch in Tümpeln fand, von denen die nächsten menschlichen Wohnungen 3 engl. Meilen ablagen. Umgekehrt nehmen die Mitglieder der engl. Nigeria-Expedition 1'* an, dass die Flugweite der Anopheles in Nigeria nicht über 2 — 300 m hinaus geht. *) Grassi bemerkt dazu sehr richtig, dass diese Angabe nur unter der An- nahme verwertet werden kann, dass innerhalb dieser 5 km sich keine Anopheles- brutstätten fanden. Malariaparasiten. 745 Man hat auch Versuche angestellt, um die Flughöhe des Auopheles festzustellen. Grassi kommt zu dem Ergebnis, dass der Anoph. maculip. höchstens 15 m hoch üiegt. Ich habe seiner Zeit in meiner A\'ohnung in Haleusee bei Berlin, die im 3. Stock lag und sich etwa 20 m hoch über dem Erdboden befand, regelmäßig, wie bereits erwähnt, an jedem Sommerabend einzelne Anopheles gefangen, die zum Fenster herein- geflogen kamen. Ich kann also Geassis Angabe bestätigen. Ich be- obachtete jedoch stets, dass die Anopheles noch über das etwa 30 m hohe Haus wegflogen und ich glaube daher, dass der Anopheles unter Umständen recht hoch fliegen kann. Verschleppt werden können die Anopheles direkt auf ziemliche Ent- fernungen und in ziemlichen Meogen. So beobachtete Gkassi, als er mit dem Postwagen aus der Capaccioebeue nach dem Dorfe Capaccio fuhr, dass während der ganzen, 2 Stunden dauernden Fahrt auf dem Dache des Wagens gegen 200 Anopheles saßen, von denen trotz der Er- schütterungen während der Fahrt nur einzelne fortflogen. Sie gelangten alle mit nach Capaccio und dürften nach Grassis Ansicht in alle die verschiedenen Ortschaften eingewandert sein, in welchen der Wagen während der Dämmerung hielt. Ebenso können die Anopheles durch Heu- und Strohkarren verschleppt werden. Ja! es wurden Anopheles im Schnellzug Rom-Florenz gefangen. Etappenweise kann der Anopheles natürlich noch viel weiter vor- dringen und große Höhen erreichen. So fand Daniels^ Anopheles- larven an der Ugandabahn (Britisch-Ost-Afrika) noch in einer Höhe von 1800 m. Wo immer aller Anopheles gefunden wurden, überall flogen sie vor- wiegend während der Dämmerung und drangen zu dieser Zeit in die menschlichen Wohnungen ein, um später an den Bewohnern Blut zu saugen und gewöhnlich so lange, bis sie ihre Mahlzeit verdaut hatten, dort zu bleiben. *) Befinden sich nun in uinnittelbarer Nähe dieser Wohnungen kleine Tümpel oder Pfützen, so hat der Anopheles nicht weit zu fliegen, um seine Eier abzulegen und wird sich unter diesen Umständen in einem ganz bestimmten Kreis von Gebäuden halten.**) Denn es ist bewiesen, dass die Mückenweibchen — sowohl vom Culex als auch vom Anopheles — nach der Eiablage nicht zu Grunde gehen. Mau kann bei gefangenen Exemi)laren beobachten, dass sie wiederholt Eier legen. Allerdings kommt es auch vor, dass Weibchen nach der ersten Eiablage sterben. Das scheint namentlich der Fall zu sein mit denjenigen AYeibclien, die nach ihrer Ueberwinterung Eier ablegen. Denn während die Männchen im Winter alle zu Grunde gehen, überwintern die be- *] Längere Zeit halten sie sich in ein- und demselbem Raimie nicht auf. denn mau hat bis Jetzt immer fast nur Zygoten und keine Sichelkeime in denjenigen Anopheles gefunden, die in Eäunien gefangen wurden, in denen sich Malariakranke befanden. Anders verhält sich das natürlich mit Anopheles, die sich zum Ueber- wintern eingerichtet haben. So berichten Stephens & Christopiiers'^, dass viele Anopheles, die während der Trockenzeit in den Negerhütten von Freetown gefangen wurden, Sichelkeime in ihren Speicheldrüsen hatten, so dass die Annahme gerechtfertigt schiene, dass die Sichelkeime überwintern könnten. Indes es ist immerhin möglich, dass die bei den überwinternden Anopheles gefundenen Sichel- keime Pseudonavicellen (vergl. S. 733 waren. **) Nach GrRASsr findet sich der Anopheles claviger viel häufiger in den Woh- nungen als der A. bifurcatus, der sich vorwiegend im AValde, und der A. pseudo- pictus, der sich hauptsächlich in Schilf und Gesträuch in der Nähe von Suuipf- wasser aufhält. 746 R- Rüge, fruchteten Weibchen hei uns zu Lande in Wohnzimmern, in Kellern oder in Ställen, in den Tropen aber nach den Beobachtung-en von Stephens GiLEs, A handbook of gnats or mosquitoes, 1900. — >' Gkassi, Die Malaria, 1901. — ' Neveu-Lemaire, Les Hematozoaires du Paludisme, 1901. — ^ Sambon, Notes on the Life-History of Anoph. mac. (Meig.j Brit. Med. Journ. 1901, vol. I, p. 195. — 'J Stephens & Christophers, Rep. to the Mal. Com. Royal Society. Series I, p. 56. — lo Strachan, Notes from Lagos, West-Africa. The Journ. of Trop. Med., 1899, p. 113. — n Galh-Valerio & Narbel, Les lar v. d'Anoph. et de Culex en hiver. Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 29, S. 898, 1901. — 12 Glen Liston, Distrib. of Anoph. in Ellichp. Cant. Ind. Med. Gaz., 1901, p. 129. — 13 Report of the Malaria-Exped. to Nigeria by Annett, Dutton, Everett, 1901. — 11 Ziemann, Deutsche med. Wochenschr., 1900, Nr. 25. — ^■> Ders., ebd., 1900, Nr. 47/48. IV. Die Epidemiologie und die Malaria-Moskito-Lehre. Bei der Besprechung der Epidemiologie will ich zunächst die epide- miologischen Hauptthatsachen, die bereits früher als richtig erkannt worden waren, zusammenstellen und dann die Schlüsse, die aus ihnen auf das Wesen, die Ursache und Uebertragungsweise der Malariafieber gezogen wurden, entwickeln. Wenn hierbei auf frühere Zeiten zurück- gegriffen wird, so konnte diese Darstellung trotzdem nicht, wie man vielleicht erwarten könnte, unter dem Kapitel Historisches abgehandelt werden, weil der Kampf über die Berechtigung dieser Anschauungen, die natui'iremäße theoretische Grundlagen haben, noch nicht zu Ende ist 750 E- Euge, imd daher der Geschielite noch nicht ang-ehört. Es wird sich dabei herausstellen, dass nicht alle Erscheinungen der Malariaepidemiolog-ie durch die früheren Hypothesen in befriedigender Weise erklärt werden konnten. Die Hauptaufgabe dieses Kapitels wird also sein, nach- zuweisen, dass alle Thatsacheu der Malariaepidemiologie durch die Lehre von der Uebertraguug der Malariakeime durch die Stechmücke Anopheles in befriedigender Weise erklärt werden können. Gerade über diese Frage ist in letzter Zeit recht viel und von recht viel Autoren geschrieben worden, denen die nötigen Kenntnisse sowohl von den Lebensgewohnheiten der Mücken als auch von den Tliatsachen der Malariaepidemiologie abgingen und die daher vorwiegend theoretisch gegen die neue Lehre vorgingen. Es sind in dieser Beziehung die sonderbarsten Schriftstücke zu Tage ''gefördert worden. Es hat keinen Zweck auf diese Arbeiten einzugehen. Ebenso- wenig würde es andererseits Zweck haben, Citate aus dem Altertum anzuführen, die beweisen sollen, dass schon die Römer eine Idee davon hatten, dass Stechmücken die Malaria übertragen könnten. Die Alten wussten in dieser Beziehung noch gar nichts. Der erste, der deutlich aussprach, dass Stechmücken an der Uebertrngung der Malaria beteiligt sein könnten, war King (Vergl. S. 706). Aber sehen wir uns zunächst die seit langer Zeit bekannten Haupt- thatsachen der Malariaepidemiologie einmal näher an. 1. Malariafieber kommen nur in der heißen und g:emäßigten Zone vor. In der kalten Zone fehlen sie. Schon Hirsch •> hatte in seiner historisch-geograi)hischen Pathologie darauf hingewiesen, dass die Malaria- fieber vom Aequator nach den Polarkreisen hin an Intensität und Ex- tensität abnehmen und hatte die nördliche Grenze ihrer Ausdehnung zwischen die Isotheren von 15° und 16° C. verlegt. Aber auch in den Gegenden, in denen Malariafieber vorkommen, treten sie nicht gleich- mäßig während des ganzen Jahres auf, sondern es wechseln fieberfreie und fieberreiche Perioden miteinander ab. Diese Perioden entsprechen je nach der geographischen Breite verschiedenen Jahreszeiten. So haben wir in unseren Breiten den Hauptanstieg der Malariafieber in den Mo- naten August und September (vergl. Wenzels Kurven), während er in Italien schon Ende Juni beginnt, lieber dieses plötzliche massenhafte Auftreten von Malariafiebern in ganz bestimmten Monaten hatte bei uns in Deutschland der frühere Marine-Generalarzt Du. AVenzel während des Hafenbaues von Wilhelmshaven eindemiologische Studien angestellt. Die von ihm 1871 veröffentlichte Schrift »Die Marschfieber« übertrifft an Genauigkeit und Gründlichkeit alle in neuerer Zeit über Malariaepidemiologie erschienenen Arbeiten. Wenzel 17 hatte Gelegenheit, in l^-j Jahren 5000 Malariafälle selber zu beobachten und verarbeitete das ganze in den Jahren 1858 bis 1869 über das Verhalten der Malariafieber im Jadegebiet gesammelte Material, das allein an Neuerkrankuiigen rund 19500 Fälle umfasste. Auf Grund seiner umfassenden Studien stellte er zunächst fest, dass eine mittlere Sommer- wlirme von 16° C. zur Entwicklung der Malariakeime nötig wäre.'^) *) Wenzel bereclmete, wie das damals üblich war, die mittlere Sommer- temperatni% gab aber zugleich ötägige Temperaturmittel an, so dass man die ab- soluten Wärmewerte, die man zur Beurteilung der epidemiologischen Thatsachen braucht, gut erkennen kann. UfM dtc doftitsdiBiiilicheo MpflaijIeiDperaiuf.woransich iJle Ahweicüungef Curve (tr Gesimmierkrankungefi 18 51) 1 U f) 9 1 tt (i 0 Dibl i«h-i ittt;;i Gang der IMalariacrkrankunfrcii i Zur Erklärung der vorstehenden Kurve lasse ich Wenzels eigene Worte folgen. .Neben diesem die Höl.;> der Epidemieen bedingenden Faktor (nach Wenzels Ansicht die Beschaffenheit des Bozens) ist e"' »nac^^ von Wichtigkeit. Die Temperatur erzeugt oder vermindert Epidemieen und ist vor allem ur aie /.tu Eintritts und die Form des an- und absteigenden Astes der epidemischen kurven maßgeben L Die epidemiereichen Jahre entsprechen denjenigen Sommern, wo die Temperatur ent^yel er m aiien in einzelnen Monaten das Wärmemittel mehr oder weniger bedeut^end überschritten oder ™^^7,"_, Vjjrnie- erreicht hat (1858, 1859, 1861, 1862, 1863 und 1868). Wo dagegen die Temperatur konstant "' ter e^ ah l^o m ttel geblieben ist (1860 und 186.^), erfolgt keine Epidemie. Diese Gegensätze ^'"d. »"^f nfäcliti^ In"'' ^''a die Nachbarjahre von 1860 und 1864 beweisen, der Einnuss des Substrats-) "»^^^ imnier macht, .omo Es wird sofort in die Augen springen, dass die Gri^ße der Temperaturabweichunge i ''" J;.°7'X>, isl der Fieberkurven nach einem bestimmten Maßstabe in den verschiedenen Jahren nRW.ent.pricm^^^^^^^^^^_^ bereits oben für die positiven Temperaturabweichungen be, Vergcichung der Jf ^.^ ^f.^« ""ff^^i'^XuÄicli- und zugleich der Grund angegeben worden (bis zu dem Jahre 1862 ^^urde hauptsach ich auf de^ » land, später mehr binnenwarts auf weniger wasserreichem Boden gearbei et^, ^^'^^l^^^l^ '" .f^^^n Cnten , ui. des 'Hafenbaus dieselb-n T.inperaturdifferenzen nicht mehr dieselbe Wirkung ^erv^orb, „gen ^"^^ ,^^ früher. Jetzt kann hinzugefügt werden, dass etwas Aehnliches sich auch f"'' .l^'? "«»f*';,!^^^^^ der Jahre 1860 und 1864 herausstellt: Beide Jah.r haben eine außers ähnliche ü^efeTempeiafumirv^^^^^^ wohl übertrifft die Höhe der Fieberkurve des .lalnvs is.i( die von 1864 um ^'»f^V n eviÄ' docl %anz sichrr nach ein bestimmtes und überall giltiges Malv.lal.svrrhaltnis sich nicht ergieb , ^°„^f *,*'"l''Xrluir sie .■,- ein Abhängigkeilsverhältnis, denn niemals blieb die Epidemie aus, ^^'onach der Hohe deilempea ^^^^^^^ wartet werden konnte, und nie zeigte sie sich, wo nach dem Warmestand sie %°h ni'^ht hau^^^^ ^^ ^^ Man kann aber noch weiter gehen: es existieren sogar ganz bestimmte Tempeiaturverna i^^^^ ,^^^ denen man im voraus bestimmen kann, in welchem Monat e^ne Epidemie ihren Beginn "»"■ "^^y ^^^l ai.t sie ihre Kulmination erreichen wird. Der Höhepunkt der Fieberkurven fallt *mal auf den ^"y^^jg-^jenige n den September und einmal auf den Oktober und zwar fallt er fast ausschließlich aui at j Monat, welcher dem Höhepunkte der Jahrestemperatu r folgt. Ist derselbe im Juli, wie i»oj, *) Wenzel schrieb entsprechend den damaligen Anschauungen der Bf chaffenheit des Bodens (Subs^^ direkt einen ausschlaggebenden Einfluss zu und erklärte das Abnehmen ^^r Malar.amorhKlita^ uam^ letzten 6 Jahre des Hafenbaus dadurch, dass die Erdarbeiten wahrend, dieser Zetniclün^^^^ deichsland, das außerordentlich morastig war, sondern auf etwas weniger <^euchte m Bod^^ lg,^teH ausgeführt' wurden. In Wirklichkeit wurde das auffallende Zurückgehen der M^lar f ^J»^^? ^^^'"'"^ 6 jihre des Hafenbaus hauptsächlich durch die energische Anwendung des Chinins bedingt. Handb. d. path. Mikroorganismen. I. Zu S. 750/1. n Wilhelmshaven. Nach Wenzel. und 1861, so folgt die Akme im August; ist er im August, wie 1858, 1862, 1863, 1867 und 1868, so folgt sie im September. Ausnahmen von dieser Regel bilden nur 1864, 1865 und 1866. Die Kurve von 1864 ist so niedrig, dass man gegen deren Beweiskraft Einspruch erheben kann. — 1865 liefert sogar, statt die Regel zu bekämpfen, eine Bestätigung derselben. Die Fieberkurve dieses Jahres erlitt nämlich nach einem starken Anlauf vom Juli zum August, welcher die Folge des Höhentemperaturstandes im Juli war, eine Knickung im September, als die Temperatur des August unter den Normalwert fiel ; sie erhob sich jedoch im Oktober zu einer zweiten Kulmination, als die Temperatur des September um fast 3» R. den Durchschnittsstand überschritt ; so dass also die erste Kulmination der absoluten Temperaturakme im Juli und die zweite der relativen im September entspricht. — 1866 endlich bildet nicht eigentlich eine Ausnahme, da der Höhepunkt der Jahrestemperatur auf den Juni fallt, welcher .... wohl den Beeinn einer Erhebuna; einzuleiten, niemals aber eine Kulmination für den Juli zu be- wirken vermag. (Wenzel erklärte diese eigcuiüinliche epidemiologische Erscheinung dadurch, dass er annahm. dass eine gewisse Vorwärmung des Bodens durch ein bestimmtes TemperaturmaK für die Ausbrutung der Malariakeime erforderlich schiene. In Wirkliihkeit dürfte die eben angelührle paradoxe epidemiologische Er- scheinung dadurch zu erklären sein, dass im Juni erst verhältnismäßig wenig Mücken bei uns vorhanden sind.) Wenn wir demnach die Temperatur des Juni fallen lassen und die nächst höhere Temperatur-Kulmination als giltig annehmen, welche im Juli eintritt, so erfolgt die Akme der Fieberkurven 1866 im August ganz regelmäßig. Noch entschiedener stellt sich das Gesetz, dass die Temperaturhöhe des Vormonats maßgebend für die Fieberhöhe des folgenden ist, bei Untersuchung des Beginns der Sommererhebung — des Verlaufs derselben vom .Juni zum Juli — heraus. Mit nie fehlender Regelmäßigkeit zeigt sich eine Erhebung der Fieberkurve vom Juni zum Juli in denjenigen Jahren 11858, 1859, 1861, 1866 und 1868), wo die Temperatur des Juni ihren Mittel- wert (12, 22''R.) überschreitet; eine Absenkung dagegen in denjenigen Jahren (1860, 1862, 1863, 1864, 186o, 1867 und 1869) wo die Temperatur des Juni unter jenen Mittelwert fällt oder ihn gerade nur erreicht. 1867 erfolgte sogar vom .Juli zum Ausust noch eine weitere Absenkung, da auch die Temperatur des Juli unter jenem Mittel geblieben war und die Steigung begann erst vom August zum September, nachdem der August das Mittel über- schritten hatte. Es deutet*) somit alles mit Sicherheit darauf hin, dass die Aktion des genetischen Moments in demjenigen Monat, welcher den Krankheitserscheinungen vorher ?eht, gesucht werden muss und das soeben aus den beiden Beobachtungsreihen gewonnene ResuTtat ist um so zuverlässiger, als der ansteigende Ast und die Spitze der Sommer- fieberkurven ganz ausschließlich aus Neuerkrankuugen (vergl. Fig. 27) bestehen, und somit ungetrübt und rein das Bild der Malariagenese gewähren«. *) Vom Verf. hervorgehoben. Malariaparasiten. 751 Er fand aber nicht nur dies, sondern er erkannte ancli schon, dass der Anstieg- der sommerlichen Malariaknrve immer in einem Abstand von 20—25 Tag-en einem entsprechenden Anstieg der Temperaturkurve nach- folgte und dass bei auffallend hoher nur 20, bei niedriger Außentemperatur aber 25 Tage vergingen, bis der Anstieg der Malariakurve begann. Da er mm ganz richtig 12 — 14 Tage auf die Inkubationszeit rechnete, so nahm er an, dass die Entwicklung der Malariakeime 6 — 11 Tage in Anspruch nähme. Damit traf er, -wie wir gesehen haben, beinahe genau die Wahrheit. Diese ausgezeichnete Arbeit, die also nachwies, dass die Zunahme der Malariatieber nicht nur von der AVärme überhaupt, sondern in ganz bestimmter Weise von der Wärme abhängig ist, ist leider viel zu wenig bekannt geworden. 2. Die Malariafieber treten mit Vorliebe an niedrigen, sumpfigen Küsten und Elussufern auf Indes, man hat sie auch auf scheinbar völlig dürrem, wasserlosem Boden z. B. im Karstgebiet beobachtet. Aber so- bald man erst näher untersuchte, fand man auch in diesen Gegenden kleine versteckt liegende Wasseransammlungen. Wie notwendig ein gewisser Grad von Feuchtigkeit für die Ent- wicklung der Malariafieber ist, lehrt uns der Umstand, dass selbst da, wo wir zwar stets die genügende Wärme zur Entwicklung der Malaria- parasiten a1jer ausgesprochene liegen- und Trockenzeiten haben, nämlich in den Tropen, die höchste Malariamorbidität der höchsten Regenhöhe in Abstand von etwa einem Monat nachfolgt. 3. Die Ansteckung erfolgt viel öfter während der Kacht als am Tage. Man glaubte früher auch gefunden zuhaben, dass die nächtliche Ansteckung im Freien sehr viel leichter als in Häusern erfolgte und in tiefer ge- legenen Ebenen sehr viel eher als auf angrenzenden Höhenzügen. So wandern die italienischen Feldarbeiter, die in der malariadurchseuchten Ebene von Paestum zu arbeiten haben, mit Sonnenuntergang nach den nächsten Höhenzügen, um einer Ansteckung zu entgehen (Guassi). 4. Die Malariafieber sind von jeher weit mehr eine Krankheit des offenen Landes als der Städte gewesen. Diese Erfahrung ist in allen Weltgegenden bestätigt worden. Sowohl die Pioniere der Civilisation in Nordamerika als auch in Indien haben diese Erfahrung gemacht und wo noch bis vor kurzem in den Tropen eine neue Kolonie gegründet wurde, hat sich diese Erfahrung wiederum bestätigt i^. 5. Bodenumwühlungen in größerem Maßstabe haben stets Malaria- erkrankuugen in großer Anzahl zur Folge gehabt. Ich l)rauche nur an das klassische Beispiel von Wilhelmshaven zu erinnern. Aehnliche Erfah- rungen machte Werner in Südrussland bei Bahnbauten und Rossi' sowie die Mitglieder der englischen ]\[alariaexpedition berichten darüber in gleicher Weise aus der Umgel)uug von Freetown. Ebenso wusste man, dass Leute, die durch ihren Beruf gezwungen sind, häufig kleine Erd- arbeiten zu verrichten, wie z. B. Gärtner, leichter an Malariafieberu erkrankten als andere Leute. 6. Auf der anderer Seite sah man aber, dass Besatzungen von Schiffen, die genügend weit von einer Malariaküste verankert waren, gesund blieben, selbst wenn au Land die ]\lalariafieber in der ärgsten Weise hausten. Ich erinnere nur au das Beispiel von der französischen Expe- dition gegen Madagaskar (1895). Die französischen Truppen an Land erlitten ganz außerordentliche A^erluste durch Malariafieber. Von manchen 752 R. Euffe. ,i;^ll:i!'!f° c] ISe8 e^^v d..^.M Äpr....S 6.u,fi.x eS;^..,af.. ®...^£ »iüd 'iMsÜSH *'-' 4" '-^ " ■* -'-'41 ™ •' -" -"!-"f 1-'" -' -' -"■"■4" -''-'-"' T'-" -' -' ■" -" '■ -" -' ■'•-" -"■*■"[* -2.A +- -li- J-L _]_ J- _L 1 tä. . - . .- 1 , _! ititiiiu 11 ' - - - - - ' . IL -^ -^''-r T It -T t" 9, 5 IP iL lA , _ ._ ,. ~" it 13 ^- _u- 9.2 1z :+z -^ — 1' X^T X -^_ it ^fiOAi _.. 1 I 9, 5 6j! _L^ _|__ '10 M& -4- .^ -. -^ 1 8 5 «rf , T^ ^^ 1 8. 0 sie . _ 4. _ 1 1 7, j Q.,. . __. - . Li_ 1 7, (1 1^4 *, -F -' -£_ ' 6 ■'' «'3 -. ' ' ^X L. A 1 Fn 8H [1 i J ' ^^ 15,5 Cl^ir -^ 1- -- -r^ JT 1 1 5 n Rio 1 ; '. 1 \J \ , 1 1 i 4 5 JLlI 4 . ;. . i_ , _ ' i ;; _j L 1 + 0 Til - Z ^ ^ -i ^- _1- 1 ^ ■■' Sl ff ,'X - ^^4 HO ti. TT^.. r /t:^^--r:„^^ r- 1 3 .■! Ill > 1 AS-V ' ^ ^.1 >iO l'+^^t^Ky "^otl-l- V-l J.15 iSZ'Jf^ ^ - ' ^^3^ ^ 1 t 0 jE ^^ ^ 1 7 ^ ^ V 1 05 T^li: _. _ ^ iZf^a, - T 1 0 0 7.' 0 1 ■« '^ ' \ , 9 5 6 9 -, 1— - - -, ^\ 9 0 6.! 8 ^ • 1 5 fill _ _i^^ «, 0 6.1 6 . ^ 1,5 A3 _ - ^-S r 0 ^j i - ^- "T l \i 6. s n, n 1 1 11 - i C,0 6, 2 1 .1 ^Aa ix f^ ]■ 1 V ; ' 5, 0 5,1 n . 1 , i "* N ■> 4,5 5a _ -^ ^ -1- ^' ^ 4 0 ik o- 1^ u- ' ~— -■ ^ 15 Itt _ , _U S U i- ^ J 0 ^ 1 l A 1 i '^ ' i ' t5 ai 1 : r it' ^ ^ ' A 2 0 3H 11 ^ \i \ , 15 4i - ^ ö . ^^' „ ? ^2 t^^^ iF la 41 U T ;^ ^'^ - _ 0 5 5 1 . _ ■ A - -1 1' ±00 3]ö_ *^L4 l u »üT ig EI ^ IT i1_. i t: 10 liä^ -- J ^\j IL ij X "fj^i^.- i^iL rX IL .10 ik^ 4: / ii ^ LI -25 at^ ^ t j IL t ^äO ijl _. -li J 1 .15 lE^ j -IL itlÜ ^. 4. () 4I? / . .S5 51t. , _ 5 0 4t0 \\ h.i m , . . -to Ä -6 5 3, .7 ^ . - \ -7 0 S,^ I^ ■ . -T.T T;5 , I^ : . _ ft 0 3, 4 -8.5 3,3, . : r ■ - e 0 3, a 1 .11 ,; y .■; 3, 1 i -iCü 5> r4- 9,9 ! . - llTT ; ' ■■ -h ä' i . \ ^^ tf- \ ■ \ . ^5 . / _ ._ / 5.4 ! 1 1 ; 1 17 i i A 1 ■ 2/2 1 ' \(\ \ ■ :2'i i , ! / 1 ^ \ i." ' , 1 i / ; \ 1 ■ i" i / ^ X"' ' ' . ,.•!!': ■ " 1^"^ - ' ' i 1 - - !■•■ ; ' , / - 41 - l - tr— i'XÄ~rr^ -^ '^^ t 1 ' ' 1 i T / \ - - i" 1 ; ' /r/ ■ . /■■ . . 1, ' j |/\^ / V ; -. 1 ip^ •L yv Ü i\/' ' ' ' s: / U 'V| : ' .-.--. . . Uo V ' ' ' aiii "r ~^ . T + ä;,"lir -n -H -- - ■ ■- a:._tt; zn.^ ■ ■ '^ X 0' 1 1 t i ; -t" Sii^X i:__ __- _ ±__IL_ X'iL ■ Gang der 5 tag. Temperaturraitt. im Jahre ls6S. • Gang der durcli- schnittlichen ötägigen Tem- peraturmittel. Gang derMalaria- erkranknngen im Jahre ISGS. Fig. 26. Abhängigkeit des Ganges der epidemiolo den ötägigen Temperaturmitteln. gischen Malariafieberkurve von Nach Wenzel. Malariaparasiten. 753 Compagnieen erkrankten bis zu 50 X. Auf den 1500 m von Land ver- ankerten Kriegsschiffen wurden nur einzelne Leute befallen. 7, In den nordwestdeutschen ]\Lirschen ist früher wiederholt die Be- obachtung gemacht worden, dass sich die Malariafieber an ganz be- stimmte Häuser und Höfe hielten und dass deren Bewohner fort und fort an Malariafieber litten. Das sind im großen und ganzen die Thatsachen, die aus der ^lalariaepidemiologie als allgemein bekannt hervorzuheben sind. Es er- scheint daher ganz natürlich, dass auf Grund solcher Beobachtungen sich ganz bestimmte Anschauungen über das Wesen der Malariafieber entwickelten. Den Sitz der Malariakeime, die man sich seit der ]\Iitte des 19. Jahrhunderts in Gestalt von Mikroorganismen, oder unter der Form eines Ferments in den Körper eindringend, vorstellte, verlegte man in den Erdboden. Für diese Annahmen sprach zunächst die nicht zu leugnende Thatsache, dass nach Erdumwühlungen stets Malariafieber in geradezu epidemischer Weise aufgetreten waren. Auch das Verschont- werden der Seeleute, solange diese an Bord ihrer Schiffe blieben und die Schiffe genügend weit von einer Malariaküste verankert waren, stimmte recht gut mit dieser Ansicht. Nun kam aber die zweite schwieriger zu beantwortende Frage: wie kommen diese Keime aus dem Erdboden heraus und in den menschlichen Organismus hinein. Hier teilten sich bereits die Meinungen. Die einen, und diese befanden sich in der Mehrzahl, nahmen au, die Uebertragung geschehe durch die Luft, die anderen behaupteten, die Malariakeime würden durch Wassergenuss übertragen. Wenzel hatte zwar schon 1871 darauf hingewiesen, dass die Marsch- bewohner des Jadegebietes dauernd das Wasser aus den die Marsch durchziehenden Gräben tränken, dass die Gebildeten in Wilhelmshaven sich dieses Wassers enthielten und doch beide an Malariafiebern er- krankten. Auch wäre trotz Anlage eines artesischen Brunnens, der täg- lich 10000 Quart gutes Trinkwasser für die Hafenarbeiter lieferte, unter diesen noch eine heftige Malariaepidemie (1868) ausgebrochen und um- gekehrt wäre eine solche 1865 in der Marsch nicht entstanden, obwohl die Leute infolge der großen Dürre auf fjiulendes Grabenwasser ange- wiesen gewesen wären. Die Wassertheorie könnte also nicht richtig sein. Denn es wäre bei der Häufigkeit des Genusses faulenden Wassers nicht anzunehmen, dass der ursächliche Zusammenhang, wenn die Malariainfektion auf diesem Wege häufig oder vorwaltend vermittelt würde, der Beobachtung entgangen sein könnte. Voraussichtlich würde er wenigstens an vereinzelten Beispielen konstatiert worden sein. »Gleich- wohl ist für den ganzen 12jährigen Zeitraum, über welchen die Bericht- erstattung sich verbreitet, kein einziger Fall erwähnt worden, bei welchem mit Wahrscheinlichkeit die Infektion als mit dem Trinkwasser erfolgt anzusehen wäre (Wenzel).« Indes er drang mit seiner An- sicht nicht durch und Celli wiederholte den Wasserversorgungsversuch 14 Jahre später im kleinen aber vollständiger, um nachzuweisen, dass die Malariakeime nicht durch Wasser übertragen werden könnten. Er ließ nämlich Leute in malariafreien Gegenden täglich 6 — 8 Liter Sumpf- wasser trinken, das aus berüchtigten Malariagegenden stammte. Alle diese Leute blieben gesimd. Darauf versorgte er andererseits Leute in Malariagegenden mit gutem Trinkwasser aus gesunden Gegenden. Diese Leute erkrankten doch an ]\Ialaria. Daraus schloss er, dass das AVasser mit der Uebertragung der Malaria nichts zu thun hätte. Sambon, Rees Handbuch der pathogenen Mikroorganisjnen. I. 48 754 R. Rüge, & Low, die sich zum Studium der Malaria bei Ostia aufhielten fl900) und sich entsprechend unseren jetzigen Anschauungen gegen Malaria schützten, tranken während ihres Aufenthaltes in dieser Malariagegend ungekochtes Sumpfwasser. Sie erkrankten danach wohl an Durchfällen, nicht aher an Malaria. Trotz dieser beweisenden Experimente hat noch im Jahre 1900, also in einer Zeit, in welcher die Eichtigkeit der Mala- ria-Moskito-Theorie bereits bewiesen war, ein englischer Arzt, Kogeksi^'\ der seine Untersuchungen in der Nähe von Kalkutta machte und fest- stellte, dass die Eingeborenen, die in ihren Ausiedhmgen eine gute I> - ru ~ - 1808 1 » 6 9 ] 18 6 8 18 6» 1 M,'r. '.'■"!'X':, ■c^ Ca ^u^. (Ö..,- 3aH u. •Xa., a,.a %.. .\... .■*-f. Ll.. j \ / j. 0 .1 0. f ' Pr^ ■^ _ 1 t. ! J ■f. 0 , r\ ' I t> J f. ff \\ ! / ! / / ), J J J. e / / ' ~»! R 1 ■' 1. a J f (? / ' , / a.J .1 1, 0 \ \ ' ■ \ \ \ t «Mf .i fi. " i 1 > iJ ! 0, f \>. 1 S / y. - 4? > ■l ff N \ \ \ ^ -^ \ , i \ ^ '/ tfjc f r. ff \ { \ \ ' / ^ i f j. i> V V i 1 / l* r. r? i? ^. (j i ( •, ^ s. i f ■1. o 1 / \ /, C f 1. a hJ ^ < / 1 i I ( -V f. } ? 'o, 0 Ü ' 1 1 A \ j. a ! i ' 1 i. J 7 9. M l 1 ] , 1 1 1 / 4. l i j y ' \ V 1 J » /■ <*. O ) \ / \ \l ( •' ^ y -l- !. J / j. ff 1 ^ / j V\ _y / "■ ^ / i. /> R s 1 \/ ! "^ N \ \ • 1. y > J \ \ \ ( / s \\l / ^i * J f A o \ \ / ' \ s '' f i O. a / ^. l> \ /' j > S ; 1 _ f>. .> 0. 0 ' 1 ; _ /. /) ■f. 0 '' \ <' \ ; 1 _ /, f 7. t> \ s \ » 1 / '~^ , T _ ?, ^ A n \ ^ 1 1 ' / \ ~ !. .> J. ff -> \ '•y \ 1 1 _ J. i> ^, ff ' - - k A s i ] 1 _ J. 5 s. 0 ,' ^ , k/ ' \ — K .f ^ / V, : ■i (1 sr. 0 \ ' ,^ -- ^ [ ' '-• 1' ■ - ^ '■- ■^ m 4. i 1. ff ^ ■' ^ ^ •^j ^ / •- - J, £ a ff U . _ 1— i Ll_ X 1 '- ^ _J __ ■P' ^ £ :^ "1 —1 ^ l_l _] _L/ / 7/ Fig. 27 a. Vergleichende Kurven der Neuerkrankungen und Rezidive der Malaria- krankheiten. 7 bei den Festungsbauarbeitern; 77 bei dem Militär. Nach Wenzel. (Die Temperaturen sind in Reaumur-Graden angegeben.) — A Kurve des nor- malen Teinperaturmittels in den einzelnen Monaten. B Kurve der durchschnitt- lichen Monatstemperatur, woran sich die Abweichungen vom Normalen ergeben. N Kurve der Neuerkrankungen. R Kurve der Rezidiven. Wasserversorgung hatten, viel weniger an Milzschwellungen litten, als diejenigen, die einer solchen entbehrten, daraufhin behauptet, dass die Malaria doch durch schlechtes Wasser übertragen würde. Er sah näm- lich jeden Menschen, der eine geschwollene Milz hatte, für malariakrank au. Blutuntersuchungen, die diese seine Behauptung bestätigen könnten, hat er nicht gemacht. Die Theorie der Uebertragung der Malariakeime durch AVasser hatte also manches Unwahrscheinliche an sich und war nicht gerade eben glänzend gestützt. Sie war nur aufgestellt worden, weil die Haupt- theorie, nach der die Uebertragung der Malariakeime durch die Luft Malariaparasiten. 755 ~~ 1 ■■■- ■ i 1 ■ I 1 ■ r i 1 ' i i ; 1 - 1 ■ ' -J^' ^ W i ^ • ■' u-^ ^ i ! i 1 / 1 K : ,1 1 ; ' ' • ' 1 -' -^' \ V -- r-f \ -'■"' € 1 1 \ ►- -r^X^^^"^-"'^*' ' 1 i ' ö- ,.i. . .^■y-^ .-t' ."^ -^' '' 1 '-r-'Z^ '■*■> » 1 1 , r- i^B=i',i--^-*' "'" 1 ; i 1 1 ■ ■ ' ' , , ^■S. ! : ! ^ , ■',' "l^""""''" ^---)--^r— M — ■-*-!- ^-J ' -r- -^--T+ --^^H^cf » 1 fl .1 ', - I ^ — ^f X s \ \ ■■ ' i ' ~""~«'-i- ' 1 ' ' ■ ' ' ! : i ■ 1 '1 g ■ i -r - ■- ■ ^-4::^; ' ' i i 1 ■ 1 >v. . \ : !.' *^' 1 1 ■f\- ' II ' ; \i p, !' 1 ' ■ ■ ' i ! i 1 i '^ T-KK-L : : ^ ', '"] ■ i ! y ! Pf o X ' ■ , 1 1 Y r\ ' k '1 1' - ' ' X i'. 1 ^ \ i i i J-- ^A^ ' /' ■• K ! t 1 y ■ : ]•• - ! 1 1 1 ! p— 'T'.^. — ^ "i ■ ! 1 € ' ! 1 I ^-"'jn--' ! j ; 1 i\ / i 3,1^1 i> '^J.-r-'' \ ' ' i " \ '' ! "• ' L-^-' \ i . 1 IE /■ r- ! ! j . ^-y^ ' ■ ' ■ 1 1--- 'A 1 i ' i ^, '~ 1 / ■' 1 \ • \ ■ ^'~^ - ''i ( \ 1 • ■ \ ' * ' i i 1 1 N ■' ^ ' T^ °4- i 11 \ \ ^ ^ \ ■? 1 1 ' T "^ ■^rs L ' ' ,'' '^- \ 1 ^-^J^^^l 1 ' ^ ' 1 • ^^t- ^ ' ^i { / ^ 1 1 <■ .i 1 1 ! ! "-^-H.- ; 1 \ e ■ ■ 1 ■ 1^ ■^- >-^ 1 -i ' ■ ! 1 M X '«"^ ! ; Yr'- , 1 H ' ■ " yi\ 1 1 .-^ 1 ' ! i ' ^ ^v •■ \ \ 9 Ift X i ' 1 s -^ , ^"■., , M 1 ' M 1 i j 11 ^^-^^ V '^ ,.'•■' M ■ ' 1. l ' 1 ' ' ' \ — ' — ^ ^—^-^-^^ ' 1 ' 1 ' ' si 1 1\ 1— -^" — ^-f'^'" "1 ' . 1 J'' - 1 ! i i *\-ir--'-;- ' ' , j i 1 1 1 |/; ^' 1 ■ 1 1 : 1 1=^ X .! ~ ~ ] 1 ' 1 , 1 ! M ! ~ 1 "^ ~r~ -rn — r ; A'^ ' ! , 1? , '/ [1 j 1 ' >-' .^ ; 1 ' j ^ L— u ■ ■^^^ / 1 1 ■ ^ .«*- \ \ \- ^ 1 ! ' '^ 1 -a ~" - '' S"-^ 1" 1 -J^ ' 1 _j 1 \ - '\ 1 1 ■ 1 V 1 f ■ 1 1 V \ ' ^^l 4 1 ; i 1 i^, / 1 i4 SIK^ 1 / 1 .' ■ 1 iH-iT' k ,' ,^ ■~:^ \ < 1 1 1 ' ^ ^^~ri-l J 1 \ ' J~ '^y- U-r^ ' ^~ , ' ' ; ' '' \ i ■ °=. _i_ ' 1 •^ '^ "«» ^ ■% ^■\w\\ ■^ ^^ ^ 'S; ^ ^Ki^^ ^'^ \ ^fe =i ■% ^ % "^ ^'^ ^{^ki^l^i'S '^ ^ w ■=5 >c ^ •^ -V-. ^^N -^ ^'- -,<:«. ^-'s.j.-'O'S V' *" ^ ^1.,-'v^' Ji. N- <5> n V ■^ ~s--. -^ ». :^ 5. ^>. ■>,\'>. 5i. >, ^ -V ^ N xIn *. X \'X X 1 1 1 ' •^ ^ '^ 'S, •^ •4 ^ ^(-^^ ■-^ '-. ^-. '.i'-. ^ -^.^ •^'^i-s.^;-'. ^,-1 ^'-i"^ -, =* •-,,^ -^ r^i-«!^ •»r«, vS. ^ s -: «."'s.- v^^;^ '>:|a::s't;> :}i.,:p-si».->-NNi^-^ ^' •<;-<>* 4-^ >j-> ■] «*<->• ;^ = ii ^ ^ ^ >l^ d^ 11 1 1 1 M 1 ' ! II 1 , I -rt T^ 1 1 a ,„ a 03 ^ ^^ ^ ■ •^ ^ — ^ •~, CS 0) a a c t, ^ ^ Ö .^ ^ a> >■/) > o 03 <; a 0) 5 TT 'w IV krank M ^ 03 <1 "öl 2- ^^ c: . — . ^ 03 > o 0) Ih' bx: es « a^ CS > a r^ o « 03 S! ri bß O) r" « CS a ^^ o ~ rU ■^ ^ CS U :;; c O) «3 c CS <•> '■/ ^K z a '> "^ a 03 CS -^ c -^ ^ a m OJ o a S k^ ü _ "^ 5 ^ Z £ CS TT o — c.> ^ H > ^ ^- ^ 03 > k^ bD ^ 0) = " a XI "^ ü 'O • a d *"• o o s; CS u ^ "^ bjj ^" — ^ > « a .^ OJ ^ a a ^ o a .5P ® f^ s^ 48* 756 K- Rüge. erfoliitc. auch nicht alle Thatsacheu der Malariaepiclemiologie befriedigend erklären konnte. Denn hei dieser Ansicht war es viel schwieriger zu erklären, auf welchem Wege die Malariakeime den Erdhoden verließen, in die Luft und dann in den Körper gelangten. Da man aher heohachtet hatte, dass sich über feuchten und sumpfigen Gegenden, in denen die Malaria herrschte, allabendlich Nebel bildeten, die gleichsam dem Erdboden zu entsteigen schienen, so glaubte man, dass diese scheinbaren Bodenaus- dünstungen, die man als Miasma bezeichnete, die Malariakeime mit in die Höhe nähmen und in die Luft brächten. Hiermit schien zugleich die Beobachtung erklärt zu werden, dass die Ansteckung mit Malaria viel öfter während der Nacht als während des Tages stattfindet. Man hatte aber vergessen, Versuche über Bewegungen der Bodenluft anzustellen. Der einzige, der meines Wissens in dieser Beziehung Untersuchungen gemacht hat, ist Schellong^^ gewesen, und der fand das Gegenteil von dem, Avas stillschweigend angenommen worden war. Er fand nämlich, dass gegen Abend und in der Nacht eine gegen den Boden gerichtete Luftströmung bestand. Diese Beobachtung hat indes keine Beachtung gefunden. Auch konnte man die bequeme Luft-Boden-Theorie durch keine bessere ersetzen. Erklärte sich doch das Freibleiben der Seeleute durch die obigen Annahmen ganz einfach, ebenso wie die Thatsache, dass Bodenumwühlungen von Malariafiebern gefolgt waren. Denn das Um- brechen des Bodens musste ja die Keime direkt an die atmosphärische Luft bringen. Wenzel führt als stützendes Moment für die Uebertragung der Malaria durch die Luft Beispiele von Säuglingen aus den ersten Lebenswochen und Monaten an, die, obwohl sie von ihren gesunden Müttern durch die Brust genährt wurden, doch an Malariafiebern, ja sogar an Kachexie erkrankten. Er schließt daraus, dass demnach wohl die Luft, niemals aber das Wasser der Träger der Malariakeime sein könnte. Indes die Thatsache der Hausepidemieen passte nicht in den Eahmen der Luft-Boden-Theorie. Auch manche Einzelbeobachtung ließ sich mit Hilfe der Luft-Boden-Theorie nicht so recht erklären und so kam es denn, dass eine dritte Theorie, die Malaria-Moskito-Theorie, allmählich Anhänger fand. Aber erst infolge der epochemachenden Entdeckung von Ross konnte sie aus einer Hypothese zu einer Lehre gemacht werden. Durch diese Lehre erscheint die Malariaepidemiologie heute in allen ihren Hauptzügen geklärt und es hält nicht schwer, die oben auge- führten epidemiologischen Thatsacheu durch die neue Lehre von der Uebertragung der Malariaparasiten durch Mücken in befriedigender Weise zu erklären. Das soll nun im folgenden geschehen. 1. Die Malariafieber werden nur in der heißen und in der gemäßig- ten Zone beobachtet: je wärmer das Land, desto ausgebreiteter und schwerer die Malariafieber. Die menschlichen Malariaparasiten können sich in der Stechmücke Anopheles nur bei bestimmten Wärmegraden entwickeln. Fällt die Tem- peratur unter ein gewisses Maß (vergl. S. 734), so hört diese Entwick- lung auf Bei einer Wärme, die zwischen 25 und 30° C. schwankt, finden wir schon 8—10 Tage nach dem Saugen von Malariablut Sichelkeime in den Speicheldrüsen des Anopheles, fällt die Temperatur und schwankt sie vorübergehend zwischen 12 und 20° C, so wird die Entwicklung unregel- mäßig und stark verzögert. Die Sichelkeime treten erst nach 21 Tagen in Malariaparasiten. 757 deu Speiclieldrüseu auf. Sinkt die umgebende Tem])eratiir aber andauernd noch weiter, iio hört die Entwiekhing der Mahu-iai)arasiten im Anopheles überhaupt auf und damit die Malarialieber, während vorUberg-ehend recht niedrige Temperaturen (bis 9°) vertragen werden, vorausgesetzt, dass die Entwickhing der IMabiriaparasiten in der Mücke bereits eingeleitet war und die niedrigen Temperaturen nicht lange anhalten, sondern von höheren abgelöst werden. Diese Thatsachen erklären also, weshalb die Malariafieber in kalten Ländern fehlen und in heißen Erdstrichen so weit verbreitet sind. Zu gleicher Zeit wird durch diese Thatsachen er- Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Mittel aus den Beobachtungen von : Kame.-un ' Barombi Yaunde Buea fSB8-$t. I889-5O "ßalibura Fig. 28. Temperaturschwankungen im Laufe des Jahres im Kamerungebiet. Nach F. Plehn. klärt, weshalb die Malariafieber in der gemäßigten Zone und in den Subtropen vorwiegend im Hochsommer auftreten, in manchen Jahren fast fehlen (bei kühlen Sommern) und dann wieder mit großer Heftigkeit (in heißen Sommern) einsetzen können (vergl. Wexzei.s Kurve). Aus einem anderen Grunde aber erscheint die Morbidität der j\[alariatieber in den Tropen von den Regenzeiten abhängig. Hier kommt die Luft- wärme nicht allein 'in Betracht, wenn sie auch während der sogenannten heißen Zeit höher als in der sogenannten kühlen Zeit ist. Denn die nötige Wärme zur Entwicklung der Malariaparasiten im Anopheles ist auch in der sogenannten kühlen Jahreszeit vorhanden. Wir können das aus 758 K. Rüge, der nebenstelieuden Kurve ersehen. lu Kamerun z. B. schwanken die mittleren Temperaturen des heißesten und kältesten Monats höchstens um 3° C. d. h. zwischen 24 und 27° C. Danach mUssten also in Kamerun die Malariafieber gleichmäßig über das ganze Jahr verteilt sein. Das ist aber, wie die zweite Kurve zeigt, durchaus nicht der Fall. Es ist vielmehr auch in Kamerun eine Fieberzeit vorhanden. Ebenso verhält es sich in dem wegen seiner Fieber berüchtigten Lagos. Der Grund für diese Erscheinung wird unter Nr. 2 erläutert werden. Wärme und Feuchtigkeit bestimmen nun in irgend einer Gegend wohl die Höhe der Malariaepidemieen nicht aber deren Charakter. Diesen bestimmt ein anderer Umstand. Es kommt nämlich darauf an, Apri Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Jan. Febr März Apri! Mai Juni Juli Aug. /ZOO noo WDO 800 600 JOO too 19 u 1 IS % 15 IH 13 li 11 11 ii Hl W 37 'tl 29 A / h \ \ ; /\ j ,' / ^ \ '\ X \ ( ', 1 x\ ^ \ / \ \ y \ / / ' / .-^ y \ ' /\ V / / / /■' /\ \ '' :"■/ ^\ 23 St 19 n /; , / /■ \ \ . / . 1 , / ', \ \ ,' ' \ \ 1 •^ / V \ / ,' ]/■ '.wo II, '"•''■. '/ ■ ; r^ \ / <. / /\ ioo too 0 1 3 •' V 1 ^ V, / V / , ■\ ■^ \/ ~ — / \ •^. y l\ '■-. ;• ^-^ 1 s 3 ■^ Malariamorbidität. Regenmenge. Zahl der Regentage. Fig. 29. Beziehungen zwischen Regenmenge und Malariamorbidität in Kamerun. Nach F. Plehn. welche Art von Malariaparasiten vorwiegend in einer bestimmten Gegend gefunden wird. Diese letztere Thatsache erklärt uns, warum z. B. die ganze afrikanische Westküste von Senegambien Ins Mossamedes ein so bösartiger Fieberherd ist. Nach den Untersuchungen von F. Plehxiö^ Ziemann 18, 19^ Christophers & Stephens i-*-!" herrscht dort das Tropeniieber derart vor, dass unter 100 Malariaiiebern 95 Tro- pentiel)er und mehr gefunden werden, während an der Zanzibarküste nach den Untersuchungen von K. Koch das Verhältnis des Tropen- fiebers zum intermittierenden sich etwa wie 7:1 stellt. Die Zanzibar küste ist zwar auch eine Fieberküste -/.ax l^oy/iv aber doch bei weitem nicht so schlimm als die westafrikanische. 2. Die xMalariafieber treten mit Vorliebe in feuchten Niederungen auf. Früher sagte man, die Malariakeime brauchten Feuchtigkeit zu ihrer Ent- Malariaparasiten. 759 Wicklung. Jetzt wissen wir, dass die MUckenlarven Wasser zu ihrer Ent- wicklung brauchen. Also nur da, wo es Wasser giebt, können sich Mücken und durch diese ]\Ialarialieber entwickeln. Das tritt namentlich deutlich in den Tropen hervor. Denn an den tropischen Küstenstrichen sind die Sommer- und Wintertemperaturen, wie oben gesagt, nur wenig vonein- ander verschieden. Die Jahreszeiten sind aber in bestimmten Tropen- gegenden durch Feuchtigkeit und Trockenheit unterschieden. Während der regenreichen Zeit bilden sich genügend Wassertümpel, die dem Ano- pheles als Brutplätze dienen. Dass die Malariafieber aber in den Tropen 7898 7S&9 Fig. 30. Beziehungen zwischen Malariamorbidität, Grundwasserstand und Kegen- höhe in Lagos. Nach Strachax. erst nach 4—8 Wochen und noch später nach der größten Regenhöhe auftreten, hat seinen Grund darin, dass die Anopheles etwa 4 Wochen zu ihrer Entwicklung brauchen und dass dann im Durchschnitt noch weitere 3 Wochen vergehen müssen, bis etwa aufgenommene ^lalaria- keime im Anopheles entwickelt und beim infizierten ^Menschen die In- kubationszeit abgelaufen ist. So kommt es, dass die Hauptmalaria- morbidität auf die sogenannte Uebergangszeit zwischen IJegen- und Trockenzeit fallt und gerade diese Zeit von jeher so sehr in tropischen ^lalarialändern gefürchtet war. 760 R- Euge. Um zu beweisen, dass es thatsächlicli der Maug-el an geeigneten Briit- plätzen ist, der den Anoplieles bindert, wäbrend der trockenen Jabres- zeit in den Tropen seine Eier abzulegen, machten Stephens & Christo- phers ^^ wäbrend der Trockenzeit in Freetown folgenden Versucb. Sie legten eine Keibe von kleinen AVassertümpcln künstlicb an. Die eine Hälfte blieb offen, die andere wurde dureb Drabtgaze bedeckt. In den offenen Tümpeln fanden sieb bereits nacb wenigen Tagen Anopbeles- larven. Aus diesem Versucb gebt also bervor, dass aucb in der Trocken- zeit befrucbtete Anopbelesweibcben vorbanden waren, die ibre Eier nur wegen Wassermangels nicbt ablegen konnten. Sebr anscbaulicli scbildert W. Glen Liston* das allmäblicbe Zu- uebmen und die Verteilung der Anopbeles in den Baracken des Ellicli- pur Cantonment nacb dem Aufboren der starken Regen, sowie das allmäblicbe Seltnerwerden und scbließlicbe fast vollständige Verscbwin- deu der Anopbeles nacb dem Austrocknen der wäbrend der Regenzeit gebildeten kleinen Wasseransammlungen. 3. Die Ansteckung mit Malaria erfolgt viel Icicbter in der Isacbt als am Tage. Früher hieß es, die nächtlicherweile aus dem Erdboden auf- steigenden Miasmen vermitteln die Ansteckung. Jetzt wissen wir, dass die Uebertragung durch den Anoi)heles erfolgt, der vorwiegend ein Nachttier ist d. h. ein Tier, das mit Vorliebe erst von Sonnen- untergang ab fliegt und Blut saugt. Die einzelnen Anophelesarten ver- halten sich in dieser Beziehung allerdings verschieden. Einige von den tropischen Arten, z. B. der Anopbeles funestus fliegen und stechen aucb bei Tage (Daniels). Indes hier muss ausdrücklich bemerkt werden, dass die vorwiegende Ansteckung des Nachts nicbt etwa nur im Freien, sondern in vielen Fällen auch unter Dach und Fach ge- schieht. In den Tropen ist es dabei durchaus nicht gleichgiltig, ob mau seine Nachtruhe in einem Europäerbause oder in einer Kegerhütte hält. lieber diesen Punkt wird noch eingehender unter Nr. 7 ge- handelt werden. 4. Die Malariafieber sind viel mehr eine Krankheit des offenen Landes als der Städte. Früher suchte man diese epidemiologische Thatsache dadurch zu erklären, dass man sagte, in den Städten bat der Erdboden eine schützende Decke erhalten, die den Keimen nicht mehr den Durch- bruch gestattet. Jetzt können wir .sagen: in den Städten fehlen dem Anopbeles die nötigen Brutplätze, die er im offenen Lande in genügen- der Anzahl findet. 5. Die Malariaficber treten in epidemischer Weise auf, wenn der Boden in größerem Maßstabe umgebrochen wird. Früher sagte man: durch das Umwühlen des Bodens wird denMalaria- keimeu eher Gelegenheit gegeben in die Luft und damit in die Lungen überzugehen. Jetzt wissen wir, dass die bei Erdarbeiten entstehenden kleinen Pfützen massenhaft Brutplätze für den Anopbeles abgeben und dass die bei solchen Erdarbeiten zahlreichen, dicht zusammengedrängt lebenden Leute sich gegenseitig anstecken. 6. Schiflsbesatzungen haben, je nachdem sie näher oder weiter ab von einer Malariaküste liegen, mehr oder weniger unter Malariafiel)eru zu leiden und erkranken außerdem im allgemeinen sebr viel seltener als die Landbewohner, vorausgesetzt dass sie an Bord bleiben. Die Erklärung dieser Thatsache war auch mit Hilfe der früheren Anschauungen leicht. Man nahm eben die mysteriösen Miasmen und Malariaparasiten. 761 sonstigen Bodonausdünstungcn zu Hilfe, denen wohl die an Land Woh- nenden direkt ausgesetzt waren, nieht aber die Schiffsbesatzungen an Bord. Je weiter ab ein Schiff lag, desto weniger intensiv war natürlich das Miasma, das es erreichte. Jetzt wissen wir, dass Schiffsbesatzungen, solange als sie an Bord bleiben, deshalb so sehr viel seltener an Malaria erkranken als die Leute an Land, weil der Anopheles nicht weit fliegt und Schiffe, die über die Flugweite des Anopheles hinaus vor einer Malariaküste ver- ankert sind, werden daher nialariafrei bleiben. Wie weit ein Schiff' im gegebenen Falle von einer ^Malariaküste verankert werden muss, damit seine Besatzung tieberfrei bleibt, lässt sich im allgemeinen nicht bestim- men. Es kommen da lokale Verhältnisse in Betracht. So berichtet z. B. Gaskell 20, dass auf der Rhede von Montevideo ein 3 Seemeilen von der Küste entfernt verankertes Schiff' von Mücken umschwärmt war. Er konnte allerdings nicht feststellen, ob es Culex oder Anopheles waren. Jones 20 fand an Bord eines Schiffes, das 1^2 Seemeilen vom Land im Yangtsekiang lag, Anopheles, die zweifellos durch den Wind in ihrem Flug unterstutzt worden waren. Ein ander Mal aber schwärmten die Anopheles um das Schiff, ohne dass es von Land her geweht hätte oder mit diesem irgend welche Verbindung unterhalten worden wäre. Malariaheber traten aber an Bord nicht auf. Die au Bord gelangten Anopheles waren also nicht infiziert gewesen. Die Mitglieder der Nigeria-Expedition^ beobachteten, dass Anopheles, die in den west- afrikanischen Öelflüssen an Bord gelangt waren, sich 10 Tage lang im Schiffe hielten. Die Autoren sind der Ansicht, dass sich durch diese Beobachtung die in manchen Fällen so auffallend lange Inkubations- zeit bei Malariafiebern erklären lasse und auch weitere Uebertragungeu, wenn zugleich mit den Anopheles infizierte Negerkinder an Bord kommen. 7. Es wurde häufig in den norddeutschen Marschen beobachtet, dass die Malariafieber an ganz bestimmten Häusern und Häusergruppen haf- teten. Die beiden alten Theorieen konnten diese Thatsachen nicht er- klären, denn die Bewohner derart verseuchter Häuser oder Häusergruppen atmeten dieselbe Luft und tranken dasselbe Wasser wie ihre Nachbarn, die frei von Malariafiebern l)liebeu. Solche Thatsachen*) waren den Theoretikern unangenehm und wurden daher unterdrückt. Erst in neuester Zeit sind solche Beobachtungen wieder veröffentlicht und anerkannt worden, weil wir sie jetzt durch die Malaria-Moskito-Lehre befriedigend erklären können. Da der Anopheles von dem Platze, wo er Blut gesogen hat, nur so weit fliegt, bis er eine zur Eierablage passende Wasseransammlung findet. so wird er sich auf die Dauer in oder in der Nähe von ganz l)estimmten Häusern oder Häusergruppen aufhalten, sobald sich in der unmittelbaren Nähe die nötigen Pfützen oder Wassergräben finden. Ist er aber einmal infiziert, so kann er leicht in kürzester Zeit die ]\[alariaparasiten auf verschiedene ]\Ienschen übertragen. Die Malaria -Moskito -Lehre erkljirt also die einzelnen Thatsachen der Malariaepidemiologie befriedigend. Es sind aber gegen die Malaria-Moskito-Lehre verschiedene Einwände erhoben worden, die scheinbar auf sicheren Beobachtungen beruhen und die •=) Dose* berichtet z. B. über Hausepidemieen in der Marsch. 762 R- Riige, beweisen sollen, dass eine Uebertragung- der Malariaparasiten durch Mücken nicht möglich ist. Diese scheinbar sicheren Beobachtungen haben sich aber alle mehr oder weniger als falsch oder unvollkommen erwiesen. 1. Es wurde behauptet, es gäbe Fiebergegenden der schlimmsten Art z. B. Kamerun, wo niemals Stechmücken in entsprechender Menge g:efunden worden wären. Als man erst die Lebeusgewohnheiten und da- mit die Verstecke der Stechmücken näher kennen lernte, gelang es auch in Kamerun nicht nur die nötigen Anopheles, sondern auch mit Malaria- parasiten inüzierte Anopheles zu tinden (Ziemann i^iöj_ j^i in anderen Fiebergegenden z. B. Lagos stellte Strachan^^ f^gt^ ("[^ss fast ausschließ- lich der Anopheles vorkam und nur wenige Culexarten daneben. Das gleiche berichtet Daniels ^ aus Britisch-Zentral- Afrika. 2. Es ist der Einwand erhoben worden, dass die Malaria noch nie von einem Ort zum andern nachweisl)ar eingeschleppt worden wäre und das müsste doch öfter der Fall sein, falls die Malariaparasiten durch den Anopheles überti'agen würden. In der That liegen gerade in dieser Beziehung nur wenig glaubwürdige Angaben vor. Denn die von ein- zelnen älteren Autoren beschriebenen Fälle von Verschleppung der Mala- riafieber nach weit entfernten Orten durch die Vermitteluug von Erde oder Pflanzen, die aus Malariagegenden stammten, lassen auch andere Deutungen zu, oder sind von vornherein abzulehnen, wenn man nicht an- nehmen will, dass zugleich mit diesen Gegenständen infizierte Anopheles verschleppt wurden. Das einzige mir bekannte Beispiel, das zeigt, dass die Malariafieber auch im großen Stil eingeschleppt werden können, ist dasjenige der Inseln Mauritius und Reunion. Diese Inseln waren bis zum Jahre 1865 resp. 1869 frei von Malariafiebern. Die Krankheit wurde angeblich durch das indische Emigrautenschiff »Spunky«, das Malariakranke an Bord hatte, eingeschleppt. In neuester Zeit hat Abbott*) berichtet, dass überall da in Massachusetts, wo Italiener während der letzten 10 Jahre eingewandert wären, Malariafieber herrschen und Krumpholz ^ ist der Meinung, dass die kleinen, zum Teil schon wieder verschwundenen Malariaherde in ungarischen und österreichischen Gar- nisonen, in denen vor 1866 italienische Regimenter gestanden haben, eben diesen Regimentern zuzuschreiben wären. Dass Einschleppung von Malariafiebern nicht öfters im großen Stil beobachtet wird, hat seinen Grund darin, dass derjenige oder die- jenigen, die die Malaria einschleppen sollen, genügend entwicklungs- fähige Gameten im Blute haben müssen. Aber auch wenn entwicklungs- fähige Gameten im Blute eines Malariakranken vorhanden sind, findet die Uebertragung auf den Anopheles, selbst imter günstigen Verhält- nissen, nicht immer sofort statt. Das zeigen so recht die Versuche, die Daniels^ in Britisch-Zentral-Afrika anstellte. Er ließ zunächst 4 Anoph. funest. **) an einem Kranken, der Halbmonde in geringer Zahl in seinem Blute hatte, saugen. Es wurde nur ein Anopheles infiziert. Später wiederholte er den Versuch an einem Kranken, der mehr Halbmonde aufwies, d. h. etwa 5—6 in jedem Präparat. Aber auch jetzt zeigten sich von den Anopheles, *) Citiert nach Krumpholz". **) Dabei entwickeln sich die menschlichen Malariaparasiten sehr viel leichter im Anoph. funestus als in dem, gleichfalls in Afrika vorkommenden, Anoph. costalis. Malariaparasiten. 763 die Imal gesogen lintteii, nur 26 » 2 » . . ■> 46 » 3 » » » ^> 62 » 4 » :> » » 66,6 '\ infiziert. Die Temperatur, in welcher diese Versuche angestellt wurden, schwankte zwischen 21 — 29° C. Wenn man nun ferner in Betracht zieht, dass heutzutage f^ist alle malariakranken Europäer mit Chinin behandelt werden und dass das Chinin die Malariaparasiten aus dem peri- pherischen Blute vertreil)t, so könnte in den Tropen eine Verschlc})pung der Malaria nur durch eine Einwanderung zahlreicher an Malaria erkrankter und nicht l)ehandelter Eingeborener statt- finden. xsun kommt aber auch noch hin- zu, dass sich bis jetzt niemand die Mühe genommen hat, der f^in- schleppung der Malaria im kleinen nachzugehen. Daher kommt es, dass wir über diese Verhältnisse bis jetzt so gut wie gar nichts wissen und dass nur das eine in die Augen fallende Beispiel der Inseln Mauritius und Reuuion bekannt geworden ist. Wenn erst die Aufmerksamkeit auf die Ein- scbleppung der Malaria im kleinen gerichtet sein wird, werden wir mehr in dieser Hinsicht erfahren und es wird voraussichtlich gezeigt werden, dass die Einsclileppung der Malaria- fieber viel häufiger vorkommt, als man bis jetzt angenommen hat. Weiterhin ist in Betracht zu ziehen, dass nach den letzten Untersuchungen von Stephens & Christophers ^ß'' nicht alle Anophelesarten gleichmäßig für die Entwicklung der Malaria- parasiten geeignet sind. Sie stellten fest, dass z. B. der Anopheles Eossii, der sich in der nächsten Umgebung von Kalkutta und in Xiederbengalen fast ausschließlich findet, die Malariai)arasiteu fast gar nicht weiterentwickelt. Dementsprechend fanden sie auch in diesen Gegenden nur 0 — ^12^ malariaiufizierte Individuen (Kinder;, obgleich dieser Anopheles in der obengenannten Gegend geradezu massenhaft vorkam. Am Fuße des Himalaja aber, in den Duars, fanden sie den Anopheles Christophersi zwar nur spärlich, aber dieser erwies sich als ein sehr guter Fortentwickler der Malariaparasiteu. Die Anzahl der malariaintizierten Individuen (ebenfalls Kinder) stieg hier auf 40^ und 72^. Wird also ein iufektionsfähiger Malariafall in eine Gegend eingeschleppt, in der sich eine Anophelesart findet, die die Malariaparasiten gut weiterentwickelt, so wird eine Verbreitung der Malariaparasiten sehr viel eher stattfinden, als in einer Gegend, in der eine Anophelesart lebt, die die Malariaparasiten weniger gut fortentwickelt. Fig. 31. Verteilung des Anopheles Eossii und des A. Christophersi in Bengalen und der Prozentsatz malaria- infizierter Kinder daselbst. Nach Stephens & Christophers. 764 R- Rüge, 3. Ebenso sehr wie das Fehlen von Beobachtungen über direkte Ein- schleppung von Malariatiebern gegen die Mücken als Zwischenwirte spräche, ebenso sehr spräche auch der Umstand, dass Leute, die früher nie malariakrank gewesen wären, sich aber längere Zeit in unbewohnten Wildnissen aufgehalten hätten, und dort an Malariatieber erkrankt wären, gegen eine solche Uebertragungsweise. Denn in solchen Gegenden könnte es ja doch nur nichtintizierte Anopheles geben. Früher er- krankte Personen könnten ja natürlich in unbewohnten Wildnissen Kückfälle bekonnnen: aber es wären auch Neuerkrankungen in solchen Gegenden beobachtet worden. Demgegenüber ist zunächst zu bemerken, dass bis jetzt kein einziges Mal wissenschaftlich einwandfrei festgestellt worden ist, dass ein Mensch, der nicht malariainfiziert war, in einer unbewohnten Wildnis mit Malaria infiziert wurde. Es geht diesem Einwand nicht besser als den anderen. Oberflächliche Beobachtungen haben zu bestimmten Behauptungen ge- führt, die scheinbar so oft bestätigt worden sind, dass sich bis jetzt niemand die Mühe genonnnen hat, sie nachzuprüfen; zumal sie nach den früher herrschenden Anschauungen als selbstverständlich erschienen. Wie wenig aber an der eben angeführten Behauptung ist, zeigen die Beobachtungen, die die Mitglieder der englischen Malaria -Expedition Christophers & Stephens ^^ in einem unbewohnten von Sümpfen und kleinen Flüssen durchzogenen Buschland im Hinterland von Free- town machten. Sie trafen dort mit europäischen Ingenieuren zusammen, die damit beschäftigt waren, über einen der kleinen Flüsse eine Eisen- bahnl)rücke zu bauen. Die Ingenieure litten alle an ]\Ialariafiebern und führten ihre Erkrankungen auf die Arbeiten an den sumpfigen Flußufern zurück. Denn ihr Wohnhaus befand sich auf einer Boden- erhebung im trockenen Buschland. Christophers & Stephens unter- suchten zunächst die sumpfigen Flußufer auf das Vorhandensein von Anopheles. Trotz aller Mühe gelang es ihnen nicht am Flussufer mehr als einzelne Anopheles-Exemplare zu fangen und diese beherbergten keine Malariaparasiten. Sie fanden aber mehr Anopheles in dem vom Flusse etwa 1 km entfernten und trocken gelegenen Wohnhaus der Europäer. Allerdings war auch hier die Anzahl der gefangenen Anopheles nicht groß. Wohl aber fanden sich die Tiere nicht nur massenhaft in den nahegelegenen Hütten der eingeborenen Diener und Ar- beiter, sondern die dort gefundenen xlnopheles -waren auch noch zu 5 — 20^ mit Malariaparasiteu infiziert. Umgekehrt giebt Daniels^ an, dass er in einem Hause, in dem ein malaria- kranker Europäer wohnte, der zahlreiche Halbmonde in seinem Blute hatte, 101 Anopheles untersuchte, ohne dass er einen einzigen infiziert gefunden hätte. Dieses Beispiel zeigt also schlagend, dass die Europäer nicht, wie sie entsprechend der landläufigen Ansicht glaubten, an den sumpfigen Flussufern im unbewohnten Buschland, sondern in ihrem trocken gelegenen Hause infiziert worden waren und zwar durch Anopheles, die aus den in unmittelbarer Nähe gelegenen Hütten der Eingeborenen stammten. Nun hat aber R. Koch gefunden, dass in den l3erüchtigten Malaria- gegenden Neu-Guineas die Kinder der Eingeborenen bis zu VJ) % mit Malariaparasiten infiziert sind und Stephens, Chkistophers und Daniels haben dies Infiziertsein der eingeborenen Kinder für die Malariagegenden Afrikas bestätigt. Der Schluss ist also nicht schwer zu ziehen, dass die in den Hütten der Eingeborenen infiziert gefundenen Anopheles sich ganz Malariaparasiten. 765 überwiegend an den malariakranken Kindern der Eingeborenen infizieren und dass also in den Tropen die Hauptinfektiousquelien für den Europäer die Eingeborenen und deren Kinder sind. Von wie einschneidender Bedeutung diese Thatsache für die Hygiene der Malaria ist, wird in Kapitel VI ausgeführt werden. Von je 100 ArliPi torn e.i'kranklen mdn.'it 1 ich. Jan. Fei). Slarz April iii Jiiei Juli Aut Sqitii. Odoli. M, ]e,cl). ;^ 3, 0 1 1 A 3 2 0 1 \ j A. — 'S 1, 0 i ! i /! ^ V ?> 0 0 1 1 \ 1 9, 0 > '2 8, 0 i 1 \ 2 7, 0 \ 1 6. 0 i i 1 > 2 0. 0 1 5 4, 0 1 1 9 :v 0 1 2 2, 0 \ 2 1, 0 1 \ Z 0, 0 \ — 9, 0 1 1 \ 8 0 1 \ 7. 0 i 6, 0 1 \ 5, 0 \ 4, 0 f \ 3, 0 \ 2, 0 I / ■\ ' 1, 0 1 / \ \ 0, 0 \_ y \ 9, 0 ^ ; / \ 8 0 A / \ ^ , / \ T 0 j N^ -T 1 n — 1 \ 6, 0 ! 1 \ b 0 1 _^/i — k \ 4 0 .^ i "'■^•^ — — \ 3, 0 \i p- -X^ ! \ _j 2, 0 _ Fig. 32. Durchschnittlicher Zugang an Marschfiebern in den einzelnen Monaten in Wilhelmshaven. A während der ersten, B während der zweiten 6 Jahre des Hafenbaus. iNach Wenzel.) 4. Eine Beobachtung aber schien geeignet zu sein, die Ansicht, dass die Uebertragung der ]Malariaparasiteu lediglich durch den Anopheles vermittelt wird, zu erschüttern. In den nördlichen Kulturländern ist nämlich während der letzten 30 Jahre ein auffallendes Zurückgehen der Malariatieber festgestellt worden. Dabei sind die lokalen Verhältnisse — nehmen wir als Beispiel Avieder die nordwestdeutschen Marschen — der betreffenden Länder dieselben geblieben. Das Land ist noch ebenso wie vor 30 Jahren von Wassergräben durchzogen und weist überall 766 K. Rüge, zahlreiche sumpfige Strecken auf. Hauptsächlich aber ist der Anopheles maculipemiis noch ebenso verbreitet ^vie früher und doch sind die Malaria- fieber fast ausg*e rottet. Ich sage »ausgerottet«. Deun von selber sind sie nicht verschwunden. Der Kampf gegen sie ist allerdings nicht von vornherein mit der Absicht des Ausrottens gefuhrt worden. Derjenige Vorgang aber, dem wir das allmähliche Zurückgehen der Malariafieber in den genannten Gegenden verdanken, ist bis jetzt noch gar nicht zur Sprache gekommen. Es ist die allgemeinere und richtigere Anwendung des Chinins, der wir die Vernichtung der Malariafieher verdanken. Seitdem das Chinin wesentlich billiger geworden Avar und daher ent- sprechend weitere Verbreitung fand und mehr Aerzte sich in der Marsch niederließen, wurden die einzelnen Fieberfälle auch besser und namentlich energischer behandelt. Die Folge davon war, dass die Malariaparasiten im Menschen vernichtet wurden. Die weitere Folge war, dass der genau so wie früher vorhandene Anopheles sich überhaupt nicht mehr oder doch nur noch in ganz seltenen Fällen anstecken und die Krank- heit verbreiten konnte. Aber auch gegen dieses einleuchtende Argument sind Einwendungen gemacht worden. So sieht z. B. Celli 21 in dem Umstand, dass in dem Alpenthal Sondrio, wo die Bauern : sich das Chinin büchsenweise kaufen und, ohne den Arzt zu konsultieren, nehmen«, andauernd Malariafieber vorkommen, einen Beweis dafür, dass die Malariafieber nicht mit Chinin ausgerottet werden können. Solange man allerdings den Bauern die Chinintherapie selbst überlässt, wird mit Chinin nicht viel ausgerichtet w^erden, selbst wenn man den Leuten gutes Chinin verkauft und nicht etwa Chinin, das zu SO % mit Stärke verfälscht ist, Avie es nach Norths'^ Angaben in der Umgebung von Rom geschah. 5. Noch ist ein Einwurf zu erwähnen, der gegen die Malaria-Moskito- Lehre gemacht worden ist und der scheinbar zu Recht besteht. Es kommen nämlich auch im Winter und Frühjahr IMalariaerkrankuugen vor zu einer Zeit, in der von Mücken nichts Avahrzunehmen ist. Ver- schiedene Autoren haben daher an der Hand von epidemiologischen Malariakurven Front gegen die Malaria-Moskito-Lehre gemacht. Diese Malariakurven leiden aber alle an dem Fehler, dass in ihnen Neu- erkrankungen und Rücktälle nicht voneinander getrennt sind. Sie sind also nicht beweiskräftig. Das hatte schon Wenzel in seiner aus- gezeichneten Arbeit ausgesprochen und daher Kurven gegeben, in denen er die Neuerkrankungen von den Gesamterkrankungen schied. Aber obgleich er alle Malariaerkrankungen, die innerhalb des ersten halben Jahres nach einer Neuerkrankung auftraten, als Rückfälle ansah und Brunner 1^ sogar alle innerhalb eines Jahres nach der Neuerkrankung auftretenden Malariafieber zu den Rückfällen rechnete, so blieben doch, wie die obenstehenden Kurven (S. 755) zeigen, immer noch eine Reihe von Neuerkrankungen im AVinter und Frühjahr übrig, deren Zustande- kommen sich Wenzel nicht in befriedigender Weise erklären konnte, während die Italiener die leichten Frühjahrsfieber, bis R. Koch seine Malariastudien in Italien begann, einfach ohne weitere Erklärung als Neuerkrankungen angesehen hatten. Wie sind nun die vereinzelten im Winter und Frühjahr vorkommenden Neuerkrankungen zu erklären? Die eine Erklärung könnte heißen: Die Sichelkeime überwintern in den Speicheldrüsen einzelner Anophelesweibchen und diese bewirken Malariaparasiten. 767 die lufektiou im VortVüliliug', wenn sie nach der Ueberwinterung- zum ersten Male wieder fliegen, um Blut zu saugen. Der Anopheles fliegt bei uns in Mitteldeutschland zwar bereits an warmen Februartageu und sticht dann auch gelegentlich. Es bleibt aber noch zu beweisen, dass die Sichelkeime in den Speicheldrüsen des Anophelesweibchens überwintern können. Eine andere Erklärung hat K. Koch gegeben. Er sagt, wir schaffen uns im Winter ein künstliches Klima. In den Marschgegenden wird von den Bauern stark geheizt und der Anopheles, der sich mit Vorliebe in den hochgelegenen Zimmerecken oder an der Zimmerdecke zur Ueberwinterung niederlässt, findet dort eine genügend hohe Temperatur, um die Malariaparasiten, mit denen er sich an irgend einem Haus- bewohner infiziert hat, weiterzuentwickeln. Sticht er dann gelegentlich einmal, so infiziert er aber auch zur Winterszeit. Diese Idee hat kürzlich auch CzYGAN"^ ausgesprochen. Immunität. Auch die Frage der größeren und geringeren Immunität geg:en die Malariaficber lässt sich jetzt leicht und ungezwungen erklären. Es war von jeher bekannt, dass die Küstenneger eine sehr geringe Empfäng- lichkeit gegen Malariafieber besitzen. Sie erkranken wohl an Malaria- fiebern, aber erstens selten und zweitens leicht. Umgekehrt glaubte man bei den Europäern gefunden zu haben, dass ein einmaliges Ueber- stehen von Malariafieber zu Aveiteren Erkrankungen disponiere und dass daher eine Immunisierung unmöglich wäre. R. Koch hat uns über das Zustandekommen der Immunität der Ein- geborenen aufgeklärt und die Mitglieder der englischen Malaria-Expedition haben seine Entdeckung bestätigt. Koch^^^ fand nämlich, dass die er- wachsenen Eingeborenen der Malarialänder frei von Malaria waren, dass aber die Kinder dafür in ganz erschreckender Weise — bis zu 100^ — an Malariafiebern litten. Ueberstanden sie die Anfangsfieber, so wurden sie mit der Zeit durch fortwährende Neuerkrankungen oder Rückfälle immunisiert, die Zahl der malariaiufizierten Kinder nahm mit dem zunehmenden Alter ab, gegen das 10. Jahr hin fand sich im all- gemeinen als letztes Anzeichen ehemaliger Malariaerkrankungen nur noch eine vergrößerte Milz und auch diese verschwand etwa in der Pubertätszeit, so dass der erwachsene Eingeborene schließlich als ge- sunder, malariaimmuner ^lann erscheint. Die umstehende Kurve, die Daniels^ für Ik-itisch-Zentral-Afrika aufgestellt hat, bestätigt in vollem Maße die KocHSche Entdeckung. Will man sich also im gegebenem Falle darüber orientiren, ob und in welchem Grade in einer bestinnnten Gegend Malariafieber herrschen, so darf man nicht nur die Erwachsenen, sondern man muss hauptsächlich die kleinen und kleinsten Kinder untersuchen. Da, wo die kleinen Kinder an Malariafiebern leiden, da ist die ^Malaria einheimisch und dort muss man jederzeit auf den Ausbruch einer Epidemie gefasst sein, wenn sich für die Entwicklung der jVIalariaparasiten besonders günstige Um- stände einstellen. Dieser Entdeckung Kochs gegenüber wurde sofort von einer Reihe von Aerzten z. B. Glogxer darauf hingewiesen, dass die Eingeborenen von Java, von Ostindien und die Italiener, die von Jugend auf in Ländern lebten, in denen viel Malariafieber vorkämen, durchaus nicht gegen Ma- 768 R. Enge, ding'S noch nicht genügend viel 20 lariafieher immun wären. Die Gegner der Kociischen Eutdeckuag hatten nur vergessen, dass gerade in den genannten Ländern Chinin — aller- in der Behandhing der Mahiria- tieber ausgegeben wird und dass ein Individuum, dessen Immunisierungsprozess durch ein Heilmittel unterbrochen wird, des bis dahin gewonnenen Immunitätsgrades wieder ver- lustig geht. Kochs Erklärung von der Immunität der Einge- borenen gegen Malariafieber besteht also zu Recht. Zugleich stellte Kocii fest, dass die Immunität g'egen eine Art der Malaria z. B. g'egen Tertiana, nicht gegen Quartana oder Tropica und umgekehrt schützt. Er fand z. B. in der Südsee kleine Inseln, auf denen nur Quartantieber vorkamen. Wurden Eingeborene dieser In- seln nach Neu-Guiuea gebracht, ' wo Tropcntieber herrscht, so erkrankten sie ebenso wie die Europäer am Tropenfieber, weil sie nur gegen Quarta nfieber immunisiert waren. Durch die Malaria-Moskito-Lehre werden die Beziehungen der Malaria- fieber zu Alter, Geschlecht, Beschäftigung und Rasse ohne weiteres ver- ständlich, während früher alles in dem verschwommenen Begriff der Akklimatisation aufging. Auch der Beg-riff der Disposition kann in der bisherigen Weise nicht mehr angewandt werden. Denn ein Mensch ist zur Malaria ebenso prädisponiert wie der andere, wenn er mit in- fizierten Anopheles in Berührung kommt, vorausgesetzt, dass er nicht eine natürliche oder erworbene Immunität gegen Malaria besitzt. I I I — I — I ^ 1 ' ' 0 12 3 4 5 10 15 20 2ö Alter in Jahren. Fig. 33. Prozentsatz der Eingeborenen ver- schiedenen Alters mit vergrößerter Milz in Britisch-Zentral-Afrika. (Nach Daniels.) Inkubationsdauer der Malaria. Nachdem wir gesehen haben in welcher Weise die Malariafieber ver- breitet werden, würde es sich noch darum handeln, anzugeben, welcher Zeitraum im Durchschnitt zwischen der Ansteckung und dem Ausbruch der Krankheit verstreicht; mit anderen Worten wie lange die Inkubations- zeit dauert. Im Durchschnitt beträgt, wie empirisch festgestellt ist, die Inkubationszeit bei den Malariafiebern 10—12 Tage. In Fällen schwerer und schwerster Infektion k(3nnen vielleicht nur 5 — 6 Tage zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit vergehen. Die Behauptungen aber, die von einer Inkubationszeit von wenigen Stunden oder 1 — 2 Tagen sprechen, beruhen auf irrtümlichen Beobachtungen. Denn ganz abge- sehen davon, dass sie aus früherer Zeit stammen und nicht durch Blut- untersuchuugen gestützt sind, kann man schon aus der Dauer der Ent- wicklung der einzelnen Parasiten schließen, dass die letzterwähnten Angaben falsch sein müssen. Denn der einzige Parasit, der seine Ent- Malariaparasiten. 769 wickluug unter Umstäuden in 24 Stuudeu vollendet, ist der Tro])enfiel)er- parasit. Da ferner zur i\.uslösung eines Fieberantalls die Teilung der Parasiten nötig ist, so kann der erste Fieberanfall nach frühestens 24 Stunden erfolgen, aber niemals nach wenigen Stunden. Außerdem haben alle die Im})fangen mit Malarial)lut, die zu dem Zwecke unternommen wurden, um die Uebertragbarkeit der Malariatieber durch Bluteinspritzungen überhaui)t (Gerhardt ^-t) oder die Verschieden- artigkeit der Malariaparasiten nachzuweisen (zahlreiche, vorwiegend italie- nische Autoren*], nie eine Inkubationszeit von weniger als 5 Tagen ergeben. Eine einzige Ausnahme machen in dieser Beziehung die Ver- suche von Eltixg^-^, der angiebt, nach Einspritzung von 3 resp. 5 ccm Malariablut beim Im])fling Malariaparasiten bereits nach 32 Stunden gefunden zu haben. Wir müssen also dabei bleiben, dass auch für das Tropenfieber die durchschnittliche Inkubationsdauer 10—14 Tage beträgt und in Ausnahmefällen auf 5—6 Tage sinkt. Litteratur. 1 Annett. Duttox, Elliot, Rep. of the Malaria-Exp. to Nigeria. 1901. — — CzYGAN, Ueb. ein. ostpreuß. Malariaherd. Dtsch. med. Woch.. li)01 , S. 610. — 3 Daniels, Reports to the Mal. Com. Royal Soc III. 1900 u. V. Series 1901, p. 40. — 4 Dose, Zur Kennt, d. Gesundh. -Verhält, d. Marschland. I. Wechselfieber, 1878. — 5 Galli Valerio & Narbel. Les larves d"Anoph. et de Culex en hiver. Centr. f Bakt, I.Abt., Bd. 29. S.898. 1901. — e Hirsch. Handb. d. histor. geogr. Pathol., 2. Aufl. — ^ Krumpholz. Der Kampf geg. d. Mal., 1902. — ^ Liston, Distrib. of Anoph. in Ellichpur. Cantonra. Ind. Med. Gaz., 1901, p. 129. — '• North, Roman Fever, p.160. — 10 F.Plehn, Die Kameiunküste, 189S. — wa Rogers, Indian Med. 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Exp. Dtsch. med. Woch.. 1900, Nr. 5, 17. 18. — 24 Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 7, 18S4. — 2.^ ebd., Bd. 36, H. 5 u. 6. — 2r. Rif. med,. 1889, Nr. 226, cit. nach Mannaberg. — 2t Arch. ital. de biolog.. 1890, p, 301. — 2s Stud. üb. Malaria, 1895. — 20 Soc. Lanc. Sed., 12. 18tH), cit. nach Manna- berg. — ''o Charite-Ann.. 16. Jahrg. — •'! Fortschr. d. Med.. 1885, S. 795. — »^ Die Malariakrankh., 1899. — -^^ Arch. p. 1. scienz. med., 19. 1895. cit. nach Mannaberg. V. Die pathologischen und klinischen Beziehungen des Malariaparasiten. Entsprechend dem Zwecke des Buches soll das folgende Kapitel nur eine allgemeine Uebersicht der wichtigeren Thatsachen der patholo- gischen und klinischen Beziehungen der Malariaparasiten sein. A. Pathologische Anatomie. Hier ist zwischen dem Leiclien]>efuud bei akuter und elirouischer Malaria zu scheiden. Leicheubefimde der erstereu Art kann man nur bei schwer *) Es sind da zu nennen: Angelini 2"'. Antolisei2', Baccelli2s^ Bastianelli2!', Bein 30, Bignami2'', Celli-^i, Gualdi2", ]\lANNABERCi'*2, DI Mattei^s. Handbuch der pathogenen Mikroorganismen, I, 49 770 R. Rüge, und rasch verlaufendem Tropenfieber (dem sogenannten perniziösen Fieber) erheben. Denn an akutem Wechselfieber, das seineu Ursprung den großen Parasitenarten (Tertiana und Q,uartana) verdankt, stirbt niemand. Der Leichenbefund ist bei akuter Malaria außer einer mehr oder weniger ausgesprochenen Anämie makroskopisch sehr gering und beschränkt sich, vorausgesetzt, dass mau es nicht mit einer ikterischen Schwarzwasserfieber- leiche zu thun hat, auf eine charakteristische graubraune Färbung der Leber, eine chokoladenbraune der leicht zerfließlichen Milz, und ein dunkles Schiefer- grau der grauen Hirnsubstanz. Bei der mikroskopischen Untersuchung findet man aber in den Haar- gefäßen der Milz, des Knochenmarks, des Gehirns — weniger der Leber — schwarzes Pigment, das namentlich in den 3 zuerst genannten Organen so häufig sein kann, dass Ausstriche von diesen Organen makroskopisch schmutzig- grau aussehen. Neben dem schwarzen Pigment finden sich zahlreiche er- wachsene Parasiten, Sphären und Halbmonde, sowie pigmentführende weiße Blutkörperchen (vergl. Atlas, Tafel HI, Fig. 45, 46 u. 93). In der Milz sind die Makrophagen vollgestopft mit Parasiten und Pigment. In den Zellen der Leber und Niereu findet man ockergelbes Pigment (Hämosiderin). Anders gestaltet sich der Befund bei chronischer Malaria. Hier fällt zu- nächst die mehr oder weniger stark vergrößerte Milz auf. Diese kann unter Umständen ein Gewicht von 2 kg erreichen. Die Volumenzunahme ist haupt- sächlich durch Verdickung des fibrösen Stützapparates bediugt. Die Leber ist gewöhnlich gleichfalls vergrößert, aber in sehr viel geringerem Grade als die Milz und zeigt chronisch eutzüudliche Veränderungen. Ob Lebercirrhose unter dem Einfluss des Malariagiftes entstehen kann, ist noch nicht sicher gestellt. BiGXAMi bestreitet es auf das entschiedenste. Aber auch hier findet man in oben genannten Organen schwarzes Pigment in Menge, während die Parasiten und ihre Gameten wenig zahlreich sind oder auch ganz fehlen können. Für die pathologische Anatomie des Schwarz Wasserfiebers hält Thin das Vorhandensein von Malariaparasiten in den Haargefäßen des Gehirns für charakteristisch. In anderen Organen werden nämlich ^lalariaparasiten bei Schwarzwasserfieberleichen durchaus nicht oft gefunden. Auch Pigmeutab- lagerungen in Milz und Leber können fehlen. Die Nieren sind meist etwas vergrößert, die Rindensubstanz hellbraun, die Pyramiden manchmal graubraun gestreift, die Harnkanälchen sind zum großen Teil durch geronnenes Hämo- globin verstopft, oder mit granulierten Cylindern erfüllt, ihre Epithelien ge- quollen und getrübt oder schon abgestoßen und im Zerfall begriffen. Es können Blutungen auf der Pleura und auch in der Schleimhaut von Magen und Darm gefunden werden. Die sämtlichen Organe der Leiche sind mehr oder weniger ikterisch. B. Symptomatologie, Im Kapitel Pathogenese wird das Zustandekommen der verschiedenen Fieberarten: Tertiana, Quartana, Tropenfieber und Quotidiana, ausführlich auseinandergesetzt werden. Ich beschränke mich daher in diesem Kapitel lediglich darauf, die Hauptsymptome dieser Fieberarten zu besehreiben. Wie wir morphologisch 2 Gruppen von Malariaparasiten unterschieden haben, so haben wir auch klinisch 2 große Gruppen von Fiebern zu unterscheiden und zwar die durch die großen Parasitenarten hervor- gerufenen Wechselfieber im eigentlichen Sinne des Wortes (Tertiana [benigna] und Quartana), die einen gemeinsamen Symptomeukomplex haben, denen das Tropenfieber mit seinen besonderen Symptomen gegen- Malariaparasiten. 771 übersteht. Symptome und Verlauf siucl in den beiden Fieber- gTuppcn nur charakteristiseh bei Neuerkrankungen ent- wickelt und nur bei Neuerkrankungen sind die klinischen Unterschiede zwischen den beiden Fiebergru])pen deutlich und in die Augen fallend, während diese klinischen Unter- schiede bei Kückfällen und namentlich bei chronischer Ma- laria vollkommen verschwinden können und nur noch der Blut- befund Aufschluss über die Art des Fiebers giebt. Bei den durch die die großen Tarasitenarten hervorgerufenen intermittierenden Fiebern erhalten sich die klinischen Symptome länger unverändert als beim Tropenfieber. Bei diesem kann die charakteristische Kurve schon beim ersten Rückfall felilen. Ich schildere zunächst die Symptome, wie sie sich bei den Neuerkrankuugen linden. I. Die akuten Malariafieber. 1. Die durch die großen Parasiteuarten hervorgerufenen Fieber (Tertiana [Tertiana beningna], Quartana). Es wird jemand plötzlich im besten Wohlsein — oder es gehen Er- scheinungen wie Mattigkeit und Kopfschmerzen mit unbestimmten Fieber- bewegungen voraus • — von einem intensiven Schüttelfrost mit oder ohne Erbrechen befallen. Dabei steigt die Temperatur raketenartig bis 40 und 41° C. Es folgt ein Stadium der Hitze, währenddessen heftige Kopfschmerzen und leichte Delirien auftreten können. Dann bricht ein starker Schweiß aus und die Körperwärme sinkt ebenso schnell wieder zur Norm ab, als sie anstieg. Dann fühlt sich der Kranke zwar matt aber w^ohl und der Anfall, der im ganzen 6 l)is höchstens 16 Stunden dauern kann, ist vorüber und hinterlässt beim Kranken nur eine eigentümliche blass- gelbe Gesichtsfarbe. Im Blute finden sich Malariaparasiten der großen Arten. Treten solche Anfälle öfter auf, so stellt sich bald Milzschwelluug ein, die Kranken werden sehr schnell blutarm und hin und wieder finden sich Spuren von Eiweiß im Urin. Die AVechselfieberanf alle liaben die Eigentümlichkeit, dass sie fast immer zur bestimmten Stunde einsetzen, so dass man ihr Eintreten mit Sicher- heit vorhersagen kann. Die kleinen Unregelmäßigkeiten, die vorkommen können, bestehen darin, dass sich der Ficberanfall entweder 1 — 2 Stunden früher oder später als der letzte vorhergehende einstellt. Man nennt diese Erscheinung: Anteponieren bezw. Postponieren des Fiebers. Nun kann aber der Gesanitverlauf auch bei diesen einziehen Fiebern verschieden sein. Es kann nämlich der Anfall entweder jeden Tag oder einen Tag um den andern oder jeden dritten Tag auftreten. Tritt der Anfall einen um den anderen Tag auf und findet man Tertianparasiten im Blut, so haben wir es mit einem Tertianfieber (Tertiana beuigna) zu thun. Wenn der eben geschilderte Symptomenkom]ilex aber mit einem Fieber verbunden ist, dessen Anfälle nur jeden dritten Tag einsetzen, wobei im Blut Quartanparasiten gefunden werden, so haben wir ein Quartanfieber. Nun kommt es aber bekanntlich sehr oft vor, dass Leute an aus- gesprochenen Wechselfiebern leiden und täglich zur bestimmten Stunde ihren Anfall haben. Solche Fieber nannte man bis vor kurzem Quotidianfieber 49* 772 E. Ruffe. und hielt sie für eine besondere Art von Fiebern. Das ist aber, wie GoLGi gezeigt hat, nicht der Fall. (Vgl. S. 793.) 2. Das durch den Tropenfieberparasiten hervorgerufene Tropenfieber (Febris tropica, Aestivo-Autunmalfieber [Sommer-Herbst- Fieber], Bidua, Tertiana maligna s. gravis, Semitertian . Das Tropenfieber (Neuerkrankung) verläuft — ebenso wie die durch die großen Parasitenarten hervorgerufenen inter- mittierenden Fieber — in einzelnen Anfällen. Nur sind die einzelnen Anfälle von sehr viel längerer Dauer und größerer Schwere, auch ist die fieber- freie Zeit zwischen den einzelnen An- fällen hier viel kürzer als bei den inter- mittierenden Fie- bern. Es kann vor- kommen, dass die einzelnen Anfälle so nahe ineinander rücken, dass sie nur schwer voneinander zu trennen sind und dass eine Art Con- tinua zustande kommt. Indes diese scheinbare Continua hält selten länger als 3 oder 4 Tage an und es kommt nicht vor, dass ein Tropeniielber als *• halArrHa-cAsrner TertianoderQuartattparaait 'WOChenlange COU- X.crH-achsener " " tiuua, Remitteus odcr Irregularis verliefe. Tertiaufiebei- *). Vorausgesetzt ist na- türlich dabei, dass es sieh um ein reines, unkompliziertes Tropenfieber handelt, dessen Verlauf nicht durch Chinin beeinflusst ist. Aber auch die anderen Krankheitserscheinungen beim Tropenfieber haben eine gewisse Aehnlichkeit mit denen der intermittierenden Wechsel- fieber. Auch hier kann dem Fieberanfall ein Vorläuferstadium voran- gehen, das in Abgeschlagenheit, Rückenschmerzen und Schlaflosigkeit besteht, oder es kann fehlen. Beim Ausbruch der Krankheit steigt die Temperatur zwar auch steil an und kann 40 und 41° C. erreichen, indes der Anstieg ist im allgemeinen nicht ganz so steil wie bei den inter- mittierenden Wechselfiebern. Der Temperaturabfall vollzieht sich ge- w^öhulich im Laufe von 12 Stunden. Eine typische Reihenfolge von Frost, Hitze und Schweiß, wie wir sie bei den durch die großen Parasiten hervor- gerufenen intermittierenden Fiebern fanden, fehlt. Namentlich oft wird ' - 1 1,2 H- MH M 2 .. ^ . 2 1 .1 2 ' T 12 4- i J l!2' 1 112 t "1 ~i? 1 1 \ 1 *1 i - , vo 1 \ 1 \ \ ~ i 1 1 1 - 39 i ! i ! kN v - ^ ■^ ?* a* 1 IT r / 1 / 1 2Z / 1 j \ / >.<, \, \i / 1 \ S / (f / ^ ' ) s ■ ] \ / ^ , A^u\ ^^Sl^ =^-1 ^t?^ _ ^ _| (3 - klriner Terfian ftinff '.•/' ■■ Thrilungsform der Tertuzn Fig. 34. *) Fig. 34—39 und die Fig. 41 sind aus Rüge, Einführ, in d. Stud. der Malaria- krankh. entnommen. Malariaparasiten. 773 der initiale Schüttelfrost vermisst, der dnreli ein unani;-cneliiiies Früstlcn ersetzt wird. Das Hitzestadium ist ausgeprägt luid beherrscht das Krankheitsbild. Auf der Fieberhülle sind heftige Kopfschmer- zen, Erbrechen, Be- wusstlosigkeit, De- lirien und bei den Kindern Krämpfe nichts Ungewöhn- liches. Dabei zeigt die Fieberbewegung auf der Höhe eine mehr oder weniger deutliche Einsen- kung, die Marciiia- FAVA & Bigna:mi als pseudokritische Ein- senkung bezeichnet liaben, der dann vor dem kritischen Ab- fall noch eine prä- kritische Elevation folgt. Schweißaus- bruch im Fieberal)- fall ist fast innner vorhanden. Fig. 35. Quartanfieber. Im Blute lindet man den kleinen Tropeufieberparasiten. Sein Verhältnis zur Fieberkurve wird im Kapitel Pathogenese näher beschriel)eu werden. 1 n P t ^2^ hfl 2h . i; ij2 f I l 2' *■ ? 1 2 ' , $ 1 2 '■ ^ 112 "n 12 t 9 12 4- 8 li? w 1 _^ ] 1 i i i 1 , i i ■ ' "■" 1 1 s 4« _] 1^5^ i '•^''^'-^l 1 ia ^^^ t; ,.. S- ^ 1 1 1"^ > 39 1 l i? ^ - - \ ^iiJ-E "C: C •Ol *'"S i^)^ ! "^i § ^■?- 1 ^tis*. ^ «'<; .M \ 1 ^-^'-.^^§11 1 1 \ R^ '>- -5=>^|| / \ \ 1 t 5: ; J. s 1 1 1 1 \ l^l"s^ ^"^ ^ ' i \ CtJvl ST \ ; Y^s^^ ■? ~i \ / 1 \ 1 \ / \ \ i 1 1 j \ t i N / \ l i 1 1 \ 1 V ' \ / V ^ \ ' 1 ' ' 36 ^' S ,/ s,. / ^ ,-A \ ■ ' : 1 1 ' i : 1 1 1 1 i 1 ; - ,-t-, ( 1 () ! J II li L L- ■ 1 _ , i II 1 1 -1 _^ L_ 4 h iT.\ % xzH- ^ tz '♦- $ 1, 2 1- 3 12 '(- 9 12 't a 112 ^ S K t 8 112 ^ $ 1 2 k m;2 4- $ 12 4- $ 12 1- 8 12 1- 8 12 t i l|: VI 1 : ....■■. 1 ii 1 ! i 1 ' : il 1 ! 1 II \ \ 1 l 1 1^ 1 1 1 1 ] j 1 VC 1 ! I 1 ' ' kl , 1 11 A 1 1 L 1 1[ 1 1 M j^ i^ !' / 1 1 ! 1 j T 1^ 1 IT 3S I / 1 , ' l i 1 ! j / li il ■4U Ui / \\ >i i i Y ; 1 1 \ i 1 1 I \ t \ f i I 1 \ \ 1 1 \ _4 V • v^ v ■^ 1 1 \ \ \ K ' \ /; V ^ i 1 1 \ 1 \ / > 7^ i . \\. -r ! V S' i 37 \ i s h s L \J\\ '.\ ! i ■ ^, / ' \ / V 71 , 1 j 1 1 i "1 ^j 1 l\/ \ f 1 1 1 1 ! ' 1 1 I \1 _i ^ 2 1 A ~ r^' äH- 1 1 1 1 i i . 1 U/" ,L -l j \z -Mdu 1 i 1 _ , ^^^ _ _ _ i 1 1 ^^r ' 1 1 _ ; 1 Die bei den ParttsUenzeichen stehenden Zahlen qebe/i die Anzahl der gefundenen Parasiten an. Fig. 36. Doppeltes Tertianfieber unter dem Bilde eines Quotidianfiebers verlautend. 774 E. Rüge. * M2 t M2 «^ f ip 1 1 ) i 24 I]2 V $ l!2 4- ^ 12 4- ^ C V 9 U * 8 1,2 l ! '/ ' 1 ^.' ! i ] i _i 1 1 i M A' \ /\i 1 \ i \ / \ 1 A \ /■ \ 1 \ ' - ' \ '\ \ / ' \ j 1 39 rAi-\ 1 / \ 1 1 \l lJ 1 w ; ' 1 / \ \ 1 ^ ,' _ 1 \ ( 1 1' ,38 1 \ \ ^ 1 1 , \ \ 1 1 1 ,' \ \ 1 \ \ 1 \ / \ ' h- 1 /; \ 1 37 1 ' ' ' m\ / ' '\ 1 1 i ' I i^ i \y i \ -- \ 1 / 1 ¥ 1 \ ! \ \/ 1 — r ! 1 ! \i 1 1 1 s / i 1 \ ^ k 36 1 V r ' ' 1 1 ! \ / s { ^ ! ^■^\ 'Si- J f kjt (' krr ? f «1 - _ 1^ i s f| s pa ^ y^ (. r l V/' M ä s 1^ > J U L _ , 1 I 1 Hr O •kleiner Trojoenring Q)-rM>MUrer TropenrUt^ O -grosse-r Trope-nrin^ Fig. 37. Reines Tropenfieber (Neuerkrankung) in einzelnen Anfällen verlautend. Fieberfreie Zwischenräume und pseudokritische Einsea- kung deutlich. Fieberkurve nach Chinin sofort verändert. H ' ~1 121 % \ 2 i h 1 WT l2' -Ti 2 ' "X" 1^ 2 j L Kv ^ '^ ^ 36 -^ — "■'■ f- i5^ 1 ^1 % f) ~^ — 1 k^! 1 »1 ^ 5 ' 1 ^i 1 ^ 1- *$ — s ■^ _s — „ — U: — — ; s^ ^ ^ _i4_ 4- ^ ^ ~^- "T" -■ f - I — — rr — T_ in fix iL ^r 1 1 :i J- /^i/a u\ ""■■"""! T ""t" __. ^ 7An/ t 2i i •£t r\ /: / z /r /' 1 Ä'^ r— — jv^ -,»— / -i^^X / L_. V E ^, ie - _ I " / \ - 7 -^X - t: f \ - -r4-^c- r 1 / ^Xt ^r / / 4t V / / \ 3 J X - ■^ / \ 4- ^ - ' / \ ! A / n 1 : / \ ^ \ I - y \ 3f c ' ' -^ i 1 / X t i -i i -jt o; leberl. \Si. L / 1 w / \ \ / 1 \l 1 N ^\ / 'j a \ 7 3' 3« ^ = i 1 12 ^•^ 2SI Q^ W Iir^ Jsifi I 1 J 1 ._ LI Fig. 39. Reines unkompliziertes Tropenfieber (Neuerkrankung). Kurve ersclieint als Continua. Die einzelnen Anfülle lassen sich aber noch deutlich erkennen. Pseudokritische Einsenkung nur im ersten, nicht mehr im zweiten Anfall vorhanden. Fieberkurve nach Chinin sofort verändert. Die Milz ist wenig- oder gar nicht g-eschwollen und >\ird erst nach wiederholten Anfällen verg-rößert gefunden. Auffallend ist aber die Schnelligkeit mit der sich nach einem Tropentieljeranfall Blutarmut einstellt. ■ V I 1 A7 m zu S12* 8i '.^ 8KA 8i 17 '.^ 872*8 vn m V 1 A/ ^1 'I- 8 tz« 8 r '. i^ 8 U^ 8 ; « ««*-*a ^ SV \ 39 \- ^ \ ^ — 2" 38 1 37 \ 1 f^ r\ ^ * •'•' 11 f \ J "x / V /V / 36 ■ i ■ • 1 _ V /^^ —y 1 Fig. 40. SchwarzwasserfieberanfalL Nach E. Koch.i 776 R. Ruffe, Ueberlässt mau ein Tropenfieber sicli selbst, so verläuft es in ent- sprechender Weise wie die intermittierenden Wechselfieber, d. h. die einzelnen Fieberanfälle werden allmählich schwächer und kürzer, hören schließlich ganz auf, es folgt eine längere oder kürzere fieberfreie Zeit und dann treten Rückfälle auf. Das Tropenfieber ist weniger zu Rück- fällen geneigt als die intermittierenden Fieber. Eine besondere Stellung nimmt das Schwarzwasserfieber ein. Zwar sind sich alle Autoren darüber einig, dass es durch einen rapiden Zerfall einer großen Menge von roten Blutkörperchen entsteht, die Meinungen aber über die Ursache des Blutkörperchen Zerfalls sind l)is jetzt noch geteilt. Ich verweise in dieser Beziehung auf das Kapitel Pathogenese. Die Krankkeit wird nur in bestimmten tropischen und subtropischen Malariagegenden (Ost-, West- und Zentral- Afrika, Cayenne, Neu-Guinea, Griechenland und Sizilien) beobachtet, während sie in anderen, wie Indien und Algier, fehlt oder sehr selten ist. Befallen werden fast immer nur Leute, die etwa ein halbes Jahr in den genannten Gegenden gelebt und wiederholt an Malariafiebern gelitten haben. Malariaparasiten werden nur in einem Bruchteil der Fälle im Blute ge- funden und dann sind sie auch gewöhnlich noch spärlich. Dies häufige Fehlen von Malariaparasiten ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass fast immer die Chiningabe, die das Schwarzwasserfieber auslöste, auch etwa vorhandene Parasiten aus dem peripherischen Blute vertrieb. II. Die ehronisehen Malariafieber. Bei den chronischen Malariafiebern sind, wie bereits oben augedeutet, die Symptome und der Verlauf nicht mehr so charakteristisch wie bei den akuten Fiebern, insonder- heit den Neuerkrankun- gen. Auch verwischen sich die Unterschiede zwischen intermittieren- den Hebern und dem Tropenfieber, so dass man ein chronisches Tropenfieber klinisch oft nicht mehr von einem chronischen intermittie- renden Fieber unter- scheiden kann. Am frü- hesten verliert das Tro- penfieber in seinen Rück- tallen die ursprüngliche Gesetzmäßigkeit. Be- deutend länger bleibt die typische Kurve bei der Tertiana, am läng- sten aber bei der Quar- tana erhalten. Aber auch bei diesen Fieberarten Fig. 41. Chronisches Terlianfieber. ^vi«^ t^'^s klinische I^ild allmählich unbestimmt und ebenso verhält es sich mit dem Blutl)efund, weil die Entwicklung der Parasiten nicht mehr regelmäßig von statten c-eht. 4- $ 1,2 '- n 12'. $ 12 1- ^ 12^ $ 1|2 '• » 12 '• * 12 1- $ l'2 t $ 1 2 1 1 i_ 1 1 *■' —1— 1 , 1 L_ « V \ C ^ -1^ V . _,\__ t: . ^ A " t t 39 ^±'1 t ^^ J t Tt t^^ ^ J¥ - V "T ,L__^v> iJJ _4^ i|s ± A 4 41^ 4^-1 l^ ^- ± ^ ~ iAn i^ -^ 4-- selt V " L jt >^' X ^ "ti ^ T -t-^ "' -t^ H ^ -t - \^t h _ t 1 Jl 1 4 J -M- §z 't^ 4 t ]t ^ nt- li 1 vA. ' "■■ "^^ \J" - ^ iT t vvTt 1 _ L^^ Mahirirtparasiten. 777 Die Kranken sellier follcn durcli erdfahles Aussehen lüroße Blutar- mut], Sehwäclie, Appetitlosii;keit und maniielnde Widerstandstaliii;keit auf. Milz und Leber sind vergTößert, namentlich das ersterc Organ. C. Diagnose und Differentialdiagnose. I, Die mikroskopische Diagnose. Aus dem in den früheren Kapiteln Gesagten geht hervor, (lass die Diagnose ,, Malariafieber" mit Sicherheit nur durch das Mikroskop gestellt werden kann. Indessen, um dies zu kijnnen, müssen vom Untersuchcr ganz bestimmte Vorbedingungen erfüllt sein. 1. Er muss die Histologie des normalen und pathologischen lUutes kennen, damit keine Verwechslungen zwischen Blutplättchen, punktierten Blutkörperchen (basophile Körnung Ehrliciis, karvochromatophile Körner A. rLEHNs) oder metachromatisch- bezw. polychromatisch -gefärbten*), (polychromatophile Degeneration Gabritsche;wskis oder anämische De- generation Eiirlichs), oder irgend welchen Zerfallsi)rodukten, und Malaria- parasiten vorkommen. 2. Darf nicht vergessen werden, dass in bestimmten Fieberstadien (Anstieg und Beginn der Fieberhöhe) beim Tropentieber die Parasiten im peripherischen Blute vermisst werden, und dass sie außerdem noch dann und zwar bei allen Malariati eberarteu vermisst werden, sobald innerhalb der letzten 24 — 48 Stunden Chinin gegeben worden ist, dass sie aber andererseits beim Tropenfieber am zahlreichsten kurz nach dem Fieljer- abfall in Gestalt der großen Trojjenringe angetroffen werden und dass dieser Zeitpunkt zur Untersuchung daher beim Tropenfieber am günstigsten ist, während die Parasiten bei den intermittierenden Fiebern in allen Fieberstadien gefunden werden. 3. Müssen die zu Diagnosezweckeu gemachten Untersuchungen auf Malariaparasiten in gefärbten Trockenpräparaten angestellt werden, weil man bei dieser Art der Untersuchung sehr viel weniger Irrtümern ausgesetzt ist, als bei der Untersuchung frischer (nativer) Blut- präparate. 4. Zu diesem Zwecke müssen aber die Präparate gut ausgestrichen und gut gefärbt werden. Denn in schlecht ausgestrichenen Präparaten ist es oft unmöglich, die verzerrten und zerrissenen Parasiten als solche zu erkennen. 5. Die einfachste Färbemethode ist für die Diagnose die Iteste und das ist die Methylenblaufärbung. Am besten eignet sich zur Färbung von frischen Trockenpräparaten die verdünnte Max- soxsche Lösung (vgl. Kapitel Technik S. 820). Die Romanowsky- Färbung ist für die Diagnose nicht notwendig. Ad. 1 und 3. Verwechslungen zwischen Blutplättchen und eben ent- standenen jungen Parasiten (Sporen) können nur im frischen (nativen) *) Eote Blutkörperchen, die sicli in einer von dem angewandten Farbenton abweichenden Nuance fiirben . nennt mau metachromatisch gefiirbt. während die entsprechend dem angewandten Farbenton gefärbten orthochromatisch heißen. Be- nutzt man aber ein Gemisch von 2 oder mehreren Farbstoffen zur Färbung, wie z. B. Eosin und Methj'lenblau bei der RoMAxowsKV-Methode, so heißen diejenigen roten Blutkörperchen, die sich abweichend von den ortliochromatisch in diesem Falle rosa gefärbten Blutkörperchen hochrot oder violett tärben, »polychroma- tisch« gefärbt. 778 R. ßuge, Präparat vorkoimneii, nielit aber so leicht iu gefarl)ten Trockenpräparateu. Denn das Blutplättchen ist immer gleichmäßig graublau gefärbt und er- scheint verwaschen in seinen Rändern, während der junge, eben ent- standene Malariaparasit scharf begrenzt und in seiner Randzone oder wenigstens an seinen Polen viel energischer als in der Mitte gefärbt ist. Etwas anderes ist es, wenn metachromatisch gefärbte Blut- körperchen ins Gesichtsfeld kommen. Diese Blutkörperchen erscheinen bei MANSONScher Methylenblaufärljuug grau])lau, während die nor- malen Blutkörperchen grün gefärbt sind. Wenn nun metachromatisch gefärbte von normal gefärbten Blutköri)erchen so überlagert sind, dass von ihnen nur ein sichelförmiger Ausschnitt zu sehen ist, so sind sie schon mit Halbmonden verwechselt w^orden. Dasselbe ist auch bei der RoMANOW,sivY-Färl)ung vorgekonunen , bei der sich einzelne Blutkörper- chen hochrot oder violett färben, während sich die Hauptmasse der Blutkörperchen rosa färbt. Wenn solche Uebereinanderlagerungen ver- schieden gefärbter roter Blutkörperchen ins Gesichtsfeld kommen, muss man sich daran erinnern, dass die parasitären Geljilde, mit denen eine Verwechselung stattfinden kann, stets pigmenthaltig sind, die roten Blut- körperchen nie. Dasselbe gilt für die punktierten roten lilutkörperchen, die von Un- geübten mit freien Sphären (Gameten) verwechselt werden können. Die Sphäre ist mattblau l)is graugrün gefärbt, das Blutkörperchen graublau (metachromatisch) oder grün. Bei der Sphäre bestehen die dunklen Punkte und Striche aus schwarz- oder gelbl^raunem Pigment, bei den punktierten Blutkörperchen aus dunkelblauen Farljstofteinlagerungen. Weiterhin ist eine Verwechselung zwischen reifen Malariaparasiten, die sich zur Teilung anschicken, also ihr Pigment in einen Klumpen zu- sammengezogen haben, und pigmeutführenden weißen Blutkörperchen möglich. Letztere sind aber einerseits durch ihre Größe, andererseits durch ihre Kerne zu erkennen. Findet man sonst ein Gebilde, dass mit einem Malariaparasiten verwechselt werden könnte, z. B. ein Blutplätt- chen der großen Sorte, das sich auf ein rotes Blutkörperchen gelagert hat, so muss man bei den fraglichen (Tcbilden stets danach sehen, ob in ihnen Pigment vorhanden ist oder nicht. Fehlt das Pigment bei einem fraglichen Gebilde der genannten Größe, so handelt es sich sicherlich nicht um einen Malariaparasiten. Nun giebt es zwar auch pigmeutlose Formen der Malariaparasiten, nämlich die Ringe. Diese sind aljer so charakte- ristisch, sell)st wenn sie bis zu einem gewissen Grade verzerrt sind, dass sie nicht so leicht verkannt werden können. Tn gut ausgestrichenen Präparaten wird man sie stets erkennen und nur darauf zu achten haben, dass man sie nicht mit ringförmigen Vakuolen verwechselt. Diesen fehlt aber regelmäßig die knopftormige Anschwellung, die für den Parasitenring so charakteristisch ist. Ein in die Vakuolenumrandung eventuell ein- gelagertes Schnnitzk(n"n ist aber durch seine Farbe (schwarz) und seinen ganzen Habitus innner von dem schwarzblau oder graublau gefärbten Parasiten zu unterscheiden. In schlecht ausgestrichenen Präparaten aller- dings wird es manchmal unmöglich sein, eine Diagnose zu stellen, namentlich wenn die Parasiten spärlich sind. Darum ist es eben dringend notwendig, gut ausgestrichene Präparate zur Pintersuchung zu haben. Aber man muss die Diagnose »Malariatieber« nicht nur überhaupt stellen können, sondern es ist auch notwendig, die Art des Malariatiebers zu erkennen. Das ist in den meisten Fällen nicht schwer, weil, wie wir gesehen haljcn, die verschiedenen Malariaparasitenarten ganz be- Malariaparaaiten. 779 stimmte charakteristische Formen haheu. Kur dann ist man nicht im- stande, durch das Mikroskop allein eine bestinmitc; Diai;nose stellen zu können, wenn man zunächst nur Formen antriftt, die den kleinen Tertian- ringen gleichen. Denn die kleinen Tertianring-e sind weder von den Quartanriug-en noch von den großen Tropenriugen zu unterscheiden. In einem solchen Falle muss man also weiter suchen und zusehen, ob man nicht Gameten tindet. Wird im Präparat selbst nur ein einziger ent- deckt, so weiß man sofort, ob man es mit den großen Parasiten oder dem kleinen Tropentieberparasiten zu thun hat. Ist es aber unmöglich, außer den Pingen. deren Art zweifelhaft ist, einen (lameten oder eine deutlich erkennl)are Form der großen Parasiten zu tinden, so muss man die Fieberkm-ve zu Hilfe nehmen. Ihre Gestalt nnd ihr Verlanf werden in der weitaus größten Anzahl der Fälle zur richtigen Diagnose verhelfen und man wird nur bei alten chronischen Fällen auf Schwierigkeiten stoßen. Unter solchen Verhältnissen muss man die Untersuchung auf Parasiten eben wiederholen. Werden aber unverkennbare Tertian- resp. Quartani)arasiten zusannnen mit Halbmonden gefunden, so handelt es sich um eine Mischinfektion. II. Klinische Diagnose. Derjenige Arzt, der über ein Mikroskop nicht verfügt und seine Diagnose »Malariatieber« klinisch stellen muss, wird bei den durch die beiden großen Parasitenarten hervorgerufenen intermittierenden Fiebern keine Schwierigkeitentinden, ifflBasBassiBaBsiHiHKmis: raB:&isE!iR{ani8S!a8s:aff"ii" sobald es sich um akute Fälle handelt. Etwas anders stand es bis jetzt mit dem Tropen- tieber. Von dem wurde all- gemein angenommen und in allen Lehrljüchern und Monographieen geschrieben, dass es als wochenlange Intermittens, Remittens, Con- tinua, Quotidiana oder Irre- gularis verlaufen könnte. Das Verdienst, durch genaue Pe- obachtuugen festgestellt zu haben, dass dem akuten, durch kein Chinin beein- flussten Tropentieber eine ganz bestimmte Kurve eigen- tümlich ist, gebührt R.Kocii^. Zwar hatten schon Makciiia- FAVA & BiGNAMi-^ 1891 dicsc Kurve gefunden. Sie hatten sie aber durchaus nicht als die dem Tropentieber ^Sommer-Herbstüeber) eigentüm- liche, sondern als eine hingestellt, die nur für eine bestimmte Gruppe der perniziösen Fiel)er, die sie Tertiana maligna nannten, charakteristisch wäre. Andererseits hatten sie nicht erkannt, dass diese Fieberkurve nur bei Neu-Erkrankungen regelmäßig erscheint und bei Rückfällen selten oder gar nicht zur Beobachtung kommt. Maxnaberg ^ schrieb darüber 1899: »Völlig charakteristisch und ausschließlich diesen Fiebern zu- ■■■■■■■■iiinMMBvnHnBnvivMiaiiHui JBIIBflBIIIIBBBliBBtlBIBBBIIBBBBKBIiMIBBBBl »[■■■■■■■■■■■■■■■■■{■■■■■■«■■■■■■■■■■■■H ■BliaiBBIliiBBBflBBBtBIBBBIIBflflBBBIHHflBBB IBIIIliBIIIIBBBBiiflBBlIlBBBIIBBfllEBlIBBIBBBB IBIliiBHHBBBflBBBBBHIBBBIBiflifllllBWlSBBB ■iBIIlBlllliBBfliBBBBIIIBBBIBIBBBBIIBBIIBBBi ■BBnilBlllliBBiHflBflBHBHBBHnimiima ■iil'liBlllflBBBBBBBBilBBf/BBBBBBBilBBIIIBBB ■iBIliMIIBBBBiBBBBBlIBB'iflBifliBBilBBIlBBB nfllüB'JillBBBBIBBBBBHBKBBflBBIBillBBBfBBB ■■■■■^■■■■■■■■■■■■■■■«»■■■■■■■■■■flflBlünB ZIIIIIi: IUI IZIlIJZiBOiBBBIBBBIBiB BBBBiiBIIIBBBBIBiBBBlifBBBBBBIBUHBHBH iiBliiBIIIBBBBiBIBBBiyBBBBBBiBBBIBBBIBH BBfliilBIIIBBiBIBIBBBIIBBBBBBBBBBliflBliii Fig. 42. Kurve der Tertiana maligna. Nach Mauchiafava & Biünami. 780 R. Euge, Fig. 43. Kurve einer Tertiana maligna. (Nach Mannaberg.) kommend ist jedoch diese Kurve (d. h. die Tropenüeberkurve] nicht, denn einerseits giebt es eine Anzahl von malignen Tertianfiebern, die eine völlig andere Fieberbewegung haben, andererseits kommt es auch gelegentlich bei der gewöhnlichen Tertiana vor, dass sich der Anfall auf 36 Stunden erstreckt und dass die Kurven auch j ene pseudo- kritische Einsenkung zeigt.« *) Von den nebenstehen- den Kurven trägt nur die Fiebertafel 42 den Charakter der Tropen- ti eberkurve, die Fieber- tafel 43 aber nicht. Es liegen nun zwei Möglich- keiten vor — voraus- gesetzt, dassin dem Falle, dem die zweite Kurve entstammt, Tropentieber- parasiten gefunden wurden. Entweder hat es sich um ein Tropentieber- rezidiv gehandelt und die Kurve ist deshalb atypisch, oder es handelt sich um eine Neuerkrankung, bei der nicht genügend Mes- sungenvorgenommen worden sind, so dass die Kurve ihre wahre Form verloren hat. Das letztere scheint mir das Wahrscheinliche zu sein. Denn auf der ersten Kurve hnden sich die Uhrzeiten an- gegeben und die Kurve ist den vierstündigen ]\Iessungen entsprechend reich geglie- dert. Die zweite Kurve ist ohne Stundenangaben und die Kurve selbst erscheint im Lapidarstil ohne feinere Gliederung. Wahrscheinlich ist die zweite Spitze, die während der Nacht sich ent- wickelte, nicht gemessen und in der Kurve daher einfach abireschnitten worden. 8 IS 4 n t 18 i, ■ 4 12 'i f 1 I pi y.Jii — < t 1 H 1 _j_ M / , - J \ i \ 1 39 / / \ 1 ' y \ 38 \ / / 1 - l / 37 \ / l / \ ^ \ \ / y \ - 1 / / \ / _ _ _] 1 u /_ [ _ ' n Wie notwendig aber ge- Fig. 44. Diese Kurve entsteht aus der Tropeu- fieberkurve 37, wenn über Nacht nicht gemessen und die Kurve unrichtig konstruiert wird. naue auch während der Nacht ausgeführte Messungen sind, wenn man die Tropenfieberkurve unverfälscht erhalten will, hat Euge^ gezeigt. Wenn z. B, zu selten *) Die letztere Erscheinung könnte bei akuten intermittierenden Fiebern nur eintreten, wenn sich die Anfälle bei einer Tertiana duplex so rasch hintereinander folgen, dass der zweite bereits einsetzt, ehe der erste ganz abgelaufen ist. Eine Anfallszeit von 18 Stunden ist aber für ein Tertiantieber auffallend lang. M:ilariai)arasiteii. 781 gemessen wird und die Naclittemperaturen gar nicht eingetragen \yerden, so wird einmal die zweite, das andre Mal die erste Spitze der typischen Tropentiel)erkurve abgeschnitten und es kommt eine der Manxaberg- schen ähnliche Tertianakurve heraus. Wenn man also die Diagnose »Tropenfieber« ohne Mikroskop stellen muss, so kann man das nur, wenn man genaue Temperaturmessuugen, auch über Nacht vornimmt. Doch lassen selbst diese genauen Temperatur- messungen das Fieber nur dann mit Sicherheit erkennen , wenn eben die Kurve wirklich vorhanden ist, d. h. wenn es sich um eine un- komplizierte, von Chinin noch nicht beeintlusste Neuerkraukung handelt. In der 3Iehrzahl der Rückfälle fehlt die typische Kurve bereits, selbst wenn es sich noch nicht einmal um chronisch gewordene Malariatieber handelt. Die Chiniuwirkung kann beim Tropenheber nur dann zur Sicherung der Diagnose mit herangezogen werden, wenn das Chinin zur richtigen Zeit in genügender Menge, mit Berücksichtigung der Verdauungsverhält- nisse und in der richtigen Form gegeben wird, weil sonst die erwartete Wirkung eben ausbleibt, während sie bei den heimischen intermittieren- den Fiebern auch dann noch eintritt, wenn das Chinin unter Vernach- lässigung der genannten Bedingungen gegeben wird. D. Prognose. Die Prognose, vom rein bakteriologischen Standpunkte aus betrachtet, ist lediglich nach der Art der vorgefundenen Parasiten zu stellen. Das durch die großen Parasitenarteu hervorgerufene intermittierende Fieber ist das ungefährliche. Es ist nie vorgekommen, dass jemand an einer Ersterkrankung eines solchen Fiebers gestorben w^ire. Aller- dings kann auch diese Fieberart, wenn Eückfälle und Xeuinfektion immer und immer wieder abwechseln, wenn keine oder eine ungenügende Behandlung stattfindet, tödlich werden oder zur Kachexie führen. Das eigentlich gefährliche Fieber ist das durch den kleinen Tropen- fiel)erparasiten hervorgerufene. Da kann gleich der erste Anfall das Lel)en bedrohen. Rückialle sind l)eim Tropenfieber nicht so häufig als l)ei dem durch die großen Parasitenarten hervorgerufeneu intermittierenden Fieber, aber ein Kranker, der nicht nur Rückfällen, sondern auch dauernden Xeuinfektion en ausgesetzt ist, verfällt bei dieser Fieberart noch schneller der Kachexie als bei den intermittierenden Fiel)ern. Wir sehen also, dass auch für die Prognose die Untersuchung auf Parasiten ausschlaggebend ist. Ich möchte nun noch ein Wort über die Prognosestellung im wei- teren Sinne des Wortes hinzufügen, wie sie durch die bakteriologische Untersuchung möglich gew^orden ist. Wie wir gesehen haben, treten in bestimmten Fieberabschnitten be- stimmte Parasitenformeu auf. Theoretisch genommen müsste es also sehr einfach sein, mit Hilfe dieser Erscheinung durch das Mikrosko}) den kommenden Fieberanfall vorauszusagen. Thatsächlich ist dies aber nur mit Beschränkimgen möglich. Zunächst versagt dieser Versuch gänzlich beim Tropenfieber, weil da die Entwicklung der Parasiten unregelmäßig ist. Aber auch bei den intermittierenden Fiebern, die zur selben Stunde einsetzen, ist eine Vor- aussage des Fieberanfalles auf die Stunde genau — selbst wenn wir von den ante- und postponierenden Fieber absehen — durch die Blut- 782 R- Rüge, nntersuchimg allein nicht möglich. Denn es ist unmöglich, einem Tertian- bezw. Quartanparasiten anzusehen, oh er 35 oder 41 Stunden alt ist. Das müsste aber der Fall sein, um den erhobenen Blutbefund zu einer genauen Vorhersage verwerten zu können. Man kann daher nach dem Blutbefunde nur sagen, der nächste Anfall wird morgen oder übermorgen eintreten, man kann aber nicht die Stunde des Anfalls bestimmen und thut daher gut, seine Aussage über das Auftreten des Anfalles allgemein zu halten. Aber selbst die Stellung einer allgemein gehaltenen Prognose ist nur in akuten Fällen möglich. Bei chronischer Malaria liegen die Verhältnisse noch ungünstiger. Da ist, wie wir sahen, die Entwicklung auch bei den großen Parasiten imregelmäßig geworden und es kann somit vor- kommen, dass mau bei einer Untersuchung erwachsene Parasiten im Blute findet und den Anfall daher für kurz bevorstehend erklärt. Der Anfall tritt aber nicht ein und die Parasiten verschwinden aus dem Blute — auch ohne dass Chinin genommen wurde — weil sie nicht zur Teilung kamen. E. Therapie. Da Avir im Chinin ein »Specificum« besitzen, d. h. ein Mittel, das die Malariaparasiten direkt angreift, so kann ich diese seine Wirkungs- weise nicht übergehen. Soll das Chinin seine spezifische Wirkung voll entfalten, so muss es so gegeben werden, dass es sich kurz vor und zur Zeit der Teilung der Parasiten im Blut befindet. Denn da der Fieljeraufall durch die Teilung der Parasiten hervorgerufe]i wird, so muss diese Teilung- eben verhindert werden und das thut das Chinin. Es tötet nicht etwa die jungen Parasiten (K. Koch^\1 Da aber etwa 4 Stunden nach dem Einnehmen von Chinin der höchste Grad der Cliininwirkung eintritt, die Teilung der Parasiten aber schon 1 — 2 Stunden vor dem Aufall beginnt, so muss Chinin — und zwar nicht weniger als 1,0 g — 5—6 Stunden vor dem zu erwartenden Anfall gegeben werden. Diese alte empirische Eegel galt von jeher für die intermittierenden Fieber, deren Anfälle ja zur bestimmten Stunde einsetzen. Etwas anders lagen die Verhältnisse beim Tropenfieber. Hier hatte die Erfahrung gelehrt, dass das Chinin nur von Nutzen ist, wenn es in der fieberfreien Zeit gegeben wurde. R. KocH^ hat uns dafür die wissenschaftliche Erklärung ge- geben. Er fiind, dass beim Tropenfieber im Fiebcrabfall und im Be- ginn der fieberfreien Zeit die großen Tropenringe erscheinen. Diese zeigen an, dass der Parasit sich zur Teilung anschicken will. Da aber die Entwicklung des Tropenparasiten unregelmäßig ist und die Stunde des Anfalls nicht mit Sicherheit bestimmt w^erden kann, so muss beim Tropen- fieber Chinin 1,0 g beim Auftreten der großen Ringe gegeben und eine gleiche Dosis 4 Stunden später wiederholt werden, damit Chinin auch noch sicher zur Zeit der beginnenden Parasitenteilung im Blute vor- handen ist und die Vollendung der Teilung somit verhindert wird. Es sind aber beim Chiuingeben noch eine Reihe von Vorsichtsmaß- regeln zu beachten, wenn man seiner Wirkung auf alle Fälle sicher sein will. Da muss zunächst darauf geachtet werden, dass das Chinin nicht kurz vor oder kurz nach einer Mahlzeit gegeben wird. Denn da sich das Chinin nur in sauren Flüssigkeiten löst, jedenfalls nicht in den stark alkalischen Dünndarmsäften, so geht es zum größten Teil ungelöst wieder ab, wenn es mit dem Speisebrei umgehend aus dem sauren Magen in Malariaparasiten. 783 den alkalisclion Dann Ijcfürdcrfc wird. Das Cliiiiin wird also am besten bei nücliterneni oder fast leerem Magen g-euonnnen. Ks müssen jeden- falls zur Zeit des Cliininnelimens wenigstens 5 Stunden nach einer Mahl- zeit verflossen sein und nach einer Chiningabc müssen wenigstens 2 Stunden 2 bis zur nächsten ^lahlzeit vergehen. Dann darf das Chinin weder in Pillen noch in Cigaretten])a])ier genonmien werden. Denn der Magensaft vermag derartige rmhüllungen des ('liinins nicht zu lösen. Auch Chiiuntabletten gehen häutig unverändert Avieder im Stuhle ab. Lässt sieh das Chinin aus bestimmten Gründen nicht per os geben, so kann es unter die Haut gespritzt w^erden. Es wirkt da ebensogut, als per os, obgleich es in die schwach alkalischen Clewebssäfte gebracht wird. Ja, es wird auch aufgesogen, wenn es als Klysma verabreicht wird, wie der Fall von Tomaselli '^ zeigt, in dem nach einem Kljstier, das Chinin 1,0 enthielt, Schwarzwasseriieber eintrat. Ueber die Resorption der Chiniusalze hat in jüngster Zeit Kleine ^ grundlegende Untersuchungen veröffentlicht, auf die ich infolge des be- schränkten Raumes leider nicht näher eingehen kann. Keben dem Chinin kommt als Heilmittel bei den Malariafiebern nur noch das von Ehrlich^ und Guttmanx zuerst angewendete Methylen- blau med. pur. Höchst in Betracht. Das Methylenblau, das in Dosen von 0,2 fünfmal täglich gereicht wird, hat einen entschiedenen Ein- fluss auf die Marchiafava & BiGNAML Dtsch. med. Wochenschr., 1891. — '' Ollwio. Zeitsclir. f. Hyg. u. Infekt., 1899, Bd. 31, S. 317. — ■ Rüge. Einf. in d. Stndium d. Malariakrankh., 1901. — »^ Tomaselli, La Intossicaz. chin. e Tinf. mal., 1897. VI. Die hygienischen Beziehungen der Malariaparasiten. Prophylaxe und Ausrottung der Malariafieber. Die Malariaprophylaxe hat die Menschen schon seit Jahrhunderten be- schäftigt. Namentlich waren es die seefahrenden Nationen, die gegen diese Krankheit zu Felde zu ziehen hatten. Als erste fingen die alten Portugiesen damit an, als sie im 15. Jahrhundert ihre Entdeckungsfahrten an der west- afrikanischen Küste machten. Sie hatten dort in geradezu erschreckender Weise vom Fieber zu leiden. Das Chinin war ihnen damals noch unbekannt und sie suchten sich dem Stande ihrer medizinischen Kenntnisse entsprechend zu helfen. Die Generalidee, von der sie ausgingen, war, wie Avir jetzt wissen, 784 E- Rüge, ganz richtig. Sie suchten nämlich die Ursache der Fieberfestigkeit der west- afrikanischen Eingeborenen in einer von der ihrigen verschiedenen Blutbe- schaffenheit. Um aber selbst eine Blutl)eschaffenheit zu erlangen, wie sie den Eingeborenen eigen war, verfielen sie auf eine falsche Spezialidee. Sie nahmen an, dass die Eingeborenen eine andere Blutbeschaffenheit hätten, weil sie andere Nahrungsmittel und anderes Wasser genossen. Um also die gleiche Blutbeschaffenheit wie die Eingeborenen zu erlangen, lebten die Portugiesen nach Art der Eingeborenen, d. h. sie benutzten ausschließlich das Wasser und die Nahrungsmittel des Landes. Außerdem ließen sie sich durch zahlreiche Aderlässe nach und nach eine Menge Blut abzapfen, in der Hoffnung, dass nun das aus der Landesnahrung neu gebildete Blut dem Negerblut gleichartig werden würde. Derjenige, der die Malariaprophylaxe zum ersten Mal wirklich sachgemäß betrieb, war der Graf Bonneval, der 1717 im Türkenkrieg nicht nur selber prophylaktisch Chinin nahm, sondern auch seine Diener nehmen ließ. Nach Kra:mers Bericht blieben Boxxeval und seine Diener gesund. Leider wird nichts über die Menge des genommenen Chinins gesagt. Dank den Forscliimgen von E. Koch" nntersclieiden wir heute zAviselien der ]\Lalariaprophylaxe und der Ausrottung- der Malariafiel)er. Die Malaria- prophylaxe zerfällt in die persönliche und die allgemeine. a) Persönliche Prophylaxe. Die persönliche Prophylaxe tritt in ihr Recht, sobald es gilt, die einzelne Person vor der Ansteckung mit Malaria zu schützen. Bei der gedrängten Kürze, die bei Behandlung dieses Kapitels walten muss, kann ich leider nicht alle die Wandlungen berücksichtigen, die diese Frage im Laufe der Zeit erfahren hat. Ich will nur soviel sagen, dass die einzig rationelle Malariaprophylaxe die Chiniuprophylaxe ist und zwar in der Form, in der Avir sie durch R. Koch'' erhalten haben, die unabhängig von ihm bereits Mariuestal)sarzt Schröder ^^ in Kamerun geübt hatte. Denn diese Art der Prophylaxe ist unter allen Umständen anwendbar und sicher in ihrem Erfolg, Avährend andere Mittel nur vorUljergehend oder nur unter l)esonderen Verhältnissen anwendijar sind. R. Kochs Verfahren besteht darin, dass jeden 10. und 11. Tag je 1,0 Chinin genommen Avird und Avenn dann doch noch Fieber auftritt, bereits jeden 9. und 10. Tag. Auch ist man mit diesem Verfahren imstande — NB., Avenn die im vorigen Kapitel angegebenen Vorsichtsmaßregeln l)eim Chininnehmen eingehalten Averden — chronisclie Malariafie1)er, die einer unregelmäßigen Chininbehandluug AAdderstanden haben, zu heilen. Für die persönliche Prophylaxe kommen noch in Betracht: 1. Einreibungen mit ätherischen Oelen Avie z. B. Nelken- und Chrysanthemumöl. Die Stechmücken Averden so lange abgehalten, als das Oel riecht, d. h. höchstens ^ 2 Stunde lang. EtAvas bessere Erfolge hat Rüge mit Einreil)ungeu von KuMiAiERFELDschem AVaschAA^asser gehabt, das SchAvefel suspendiert enthält, der sich beim Eintrocknen in feinster Schicht auf der Haut niederschlägt. Er Avendete dies Verfahren an, weil d'Abaddee^ berichtet hat, dass die Arbeiter, die in Schwefelgruben zu thun haben, frei von Malariatiebern l)leiben oder doch Avenigstens sehr viel seltener als andere Leute derselben Gegend von Malariafiebern befallen werden. Der ScliAvefelgeruch muss also den Mücken unangenehm sein. 2. Das Moskitonetz üljer dem Bett und die Drahtnetze vor Fenstern und Thüren sind gute Schutzmittel und namentlich ein Moskitonetz ist in einer mückenreichen Gegend unentbehrlich, Aveil man ohne ein solches Mälariaparasiten. 785 uiclit ^iclilafeii kann. Indes man muss sich stets l)cwusst sein, dass solche Mittel nie absolut sicher vor Malaria schützen können, namentlich nicht in Gegenden, in denen der Anopheles wie z. B. im tropischen Afrika auch am Taiie sticlit. An anderen Orten wie z. B. in Italien, wo der A. maculipennis i.Meii;-en\ der dort hauptsächlich als ]\l;ilariaüberträg-er in Frage kommt, nur von Sonnenuntergang bis Sonnenautgang tliegt und sticht, kann man sicli durch die genannten Vorrichtungen schützen, wenn man sich ^vährend der Flugzeit des Anopheles hinter die Dralit- gitter begiebt. Außerhalb derselben ist man aber nach wie vor der An- steckung ausgesetzt und Schleier und Handschuhe in heißen tropischen Nächten zu tragen, ist ganz unmöglich auf die Dauer. Giebt doch Daniels =* an, dass es in den Tropen bei der augenblicklich üblichen Bauart der Häuser nicht möglich wäre, sie mit Drahtnetzen zu schützen, weil sie dann zu heiß würden. Für militärische Zwecke sind solche Vorrichtungen gänzlich unbrauchbar, denn sie hindern die Leute am Gebrauch ihrer Waffen. b) Allgemeine Prophylaxe. Die allgemeine Prophylaxe hat den Schutz gegen Ansteckung mit Malaria durch Vernichtung der Stech- mücken zu erreichen versucht. Es ist vorgescldagen worden, die Tümpel, in denen der Anopheles seine Brutplätze hat, mit Petroleum zu begießen und dadurch die Larven abziitöten. Das hat sich aber aus verschiedenen Gründen als unausführbar erwiesen. Denn erstens kann man in einem tropischen Sumpf land nie alle Anophelestümpel auftinden, zweitens bilden sich nach jedem Kegen neue, drittens braucht man, sollen die Larven wirklich abgetütet werden, für einen Quadratmeter Wasserfläche wenigstens einen halben Liter Petroleum (Kerschbau.aier) und viertens müssen diese Petroleumbegießungen Avenigstens alle 8 Tage wiederholt werden, sonst entwickeln sich doch wieder neue Larven. ^i Ebenso steht es mit dem Trockenlegen von sumpfigem Boden. Auch diese Idee ist theoretisch ganz richtig, aber wegen des Kostenpunkts nur für kleine Bezirke z. B. größere Städte durchführbar. R. Ross" macht augenblicklich Versuche, tropische Städte von den Mücken zu befreien. Selbstverständlich wird man, wenn irgendwo ein anopheleslarven- haltiger Tümpel leicht trockengelegt werden kann, ihn trocken legen, aber man muss dabei immer im Auge behalten, dass man durch solche 31aßnahmen nur dann etwas schaffen kann, wenn das einmal eingeleitete Verfahren regelmäßig auf das peinlichste fortgesetzt wird, dass aber ein gewonnener Erfolg sofort wieder in Frage gestellt wird, sobald die be- treffenden Maßnahmen ausgesetzt werden. Umgekehrt muss aber dafür gesorgt werden — und das konnnt namentlich für eben erst geschaffene Kolonieen in den Tropen in Betracht — , dass keine neuen Brutplätze für den Anopheles vom Menschen selbst geschaffen werden. Das geschieht oft und in der verschiedensten Art und Weise. Namentlich schlecht angelegte Entwässerungsgräben, die entlang von neu gebauten Straßen führen, werden zu Brutplätzeu für den Anopheles. Ja, sogar schlecht angelegte AVege selbst, in deren Einsenkungen sich Wasser nach Eegeufall ansammelt, können zu einer Kette von Brutplätzen für den Anopheles werden 2. Wohnen nun an diesen Straßen Eingeborene mit ihren Familien und liegen die Wohnungen der Europäer innerhalb oder dicht nel)en den Eingeborenenniederlassungen, so ist für die Europäer die Infektion mit Malaria sicher. Solche Verhältnisse bestehen aber in fast allen westafrikanischen Küstenplätzen. Sehr anschaulich schildern das neben Stephens 12^ Christopiiers^-* und Boss auch Annett, Dutton & Elliott2. Handbucli der pathogenen Mikroorganismen. I. 5Q 786 R. Ruse. Kiiu ist in neuster Zeit, naelicleni E. Koch^ die allgemeine Malaria- infektion der Eing-e1)orencnkiDder festgestellt hatte und Stephens, Chris- tophers 12, i:m4 und Daniels^ diese Tliatsaelie für West-, Ostafrika und Indien bestätigt und liiuzugefunden liahen, dass sieh die iutizierten Auo- 'Cr? irr; o^ • g P' CD P is CD ® CD CD O =r ►-. CD B g. crq P CD ^ B d! &i CD Ci- CD CD P tr CD C: 0 CD C3 K— • CD P^Cti CD ^7^ >-l H 0 B C3 CD UJ o- ^ 0 1— >• CD 0 CD 0 Ö !z! & CD r/! M CD !-< r/i ^ j3 B £^ Cf^ OJ pheles innner in den Hütten der Eingeborenen finden, von diesen letzteren Forsehern der Vorsehlag gemacht worden, in den tropischen Ansiedlungen die Europäerbehausungen von denen der Eingeborenen zu trennen, weil Malariaparasiten. 787 ja nach diesen Befanden kein Zweifel mehr darüber sein kann, dass die Eingeborenen und namentlich die Kinder derselben die Quelle für die Weiterverbreitung der Malariafieber sind. Der Vorschlag' konnte deshalb gemacht werden, weil die genannten Forscher auf Grund ihrer Untersuchungen zu dem Eesultat kamen, dass der Auopheles für gewöhnlich nicht weiter als Y-i höchstens 1 km weit Hiegt. ZiEMAXX hat allerdings berichtet, dass er in Kamerun Anopheleslarven noch in einem Tümpel fand, der 1400 m weit aou den nächsten mensch- lichen Wohnungen entfernt lag. Danach müssten also die Europäerhäuser wenigstens 1 Y2 km von den Hütten der Eingeborenen entfernt angelegt werden. Theoretisch ist auch dieser Vorschlag durchaus richtig. Wer aber tropische Verhältnisse und die ebenso faulen als für den Europäer leider eljenso uuentl)ehrlichen farbigen Diener kennt, der wird den Vor- schlag der englischen Forscher praktisch nicht für gut durchführbar halten. Diesen Vorschlägen gegenüber steht das von K. Koch eingeschlagene Verfahren: die Ausrottung der Malariaparasiten. Er ging von dem Grundsatze aus, dass die Malaria ebenso wie die Pest oder Cholera bekämpft werden müsste, d. h. dass man namentlich die leichten Fälle, die nicht zur Kenntnis des Arztes gelangen und daher am meisten zur Verbreitung beitragen, aufsuchen und unschädlich machen müsste. Dies letztere ist nun bei der JMalaria gerade besonders wichtig und bildet sozusagen den Angelpunkt in deren Hygiene. Denn gerade die kleineu kaum beachteten Fieber, die Eückfälle, sind es, die, wie K. Koch'^ zeigte, das Bindeglied zwischen den sommerlichen Malariaepidemieen bilden. Wird dieses Bindeglied zerstört, das heißt werden die Malariaparasiten im menschlichen Blute durch eine chronische Chininbehandlung ver- nichtet, so kann sich der Anopheles nicht mehr anstecken und die Parasiten nicht weiterverbreiten. Um das Bindeglied aber zerstören zu können, ist es notwendig, alle vorhandenen Kranken durch Blut- untersuchungen aufzufinden. Koch"' hat das unter Assistenz von Ollww in Stephansort (Neu-Guiuea) gethan und erreicht, dass er in kurzer Zeit diese Station malariafrei machte. Kun liegen die Verhältnisse in anderen Tropenländern, wo man es mit einer fluktuierenden, faulen, indolenten und widerhaarigen Bevölkerung zu thun hat, nicht so günstig wie in Stephansort. Man darf daher nicht etwa erwarten, dass die Erfolge des Kociischeu Verfahrens dort, wo es eingeleitet worden ist, sich so schnell zeigen werden, wie in Stephansort. Ich möchte aber in dieser Beziehung auf das früher erwähnte Beispiel des Hafenbaus von Wilhelms- haven verweisen. Die Hafenarbeiter wurden regehnäßig mit Chinin be- handelt, allerdings nicht chronisch. Es war für die Tausende von Kranken nur ein Arzt vorhanden und doch haben wir l)ereits in den letzten 6 Jahren des Hafenbaus eine ganz erhebliche Abnahme der Malaria- morbidität gegenüber den ersten 6 Jahren des Hafenbaus. Der da- malige Berichterstatter, Wenzel 1^, sah das Abnehmen der Malaria- fieber als eine Folge der Verlegung des Arbeitsfeldes an. Während der ersten 6 Jahre war hauptsächlich am Außendeich, später weiter binnen- lands, wo der Boden nicht ganz so feucht war, gearbeitet worden. Gegen das Verfahren von Kocii hat F. Plehn-'' eingewendet, dass durch die Chiuinisieruug der Eingeborenen diesen die Immunität ge- nommen und dadurch die Sache noch schlimmer gemacht würde, als sie bisher wäre, w^eil dann auch die erwachsenen Eingeborenen die Träger der Malariaparasiten werden würden, während es bis jetzt nur die Kinder wären. Er hat daher vorgeschlagen, die Leute künst- 50* 788 R- Rtige, lieh zu immunisieren, indem man sie durcli infizierte Anoplieles stechen und durch kleine Chiningaben das nachher auftretende Fieber nicht gefährlich werden ließe. Demgegenüber ist wiederum einzuwenden, dass man jemandem, dem man durch chronische Chininbehaudlung die Immunität nimmt, auch die Malariaparasiten nimmt und so den ge- wünschten Erfolg erreicht. Will man aber jemanden in einer Gegend, wo, wie z. B. in Neu -Guinea, alle Malariaarten vorkommen, gegen Malariaüeber immunisieren, so mnss man ihn gegen alle drei Arten des Malariafiebers immunisieren und das dürfte die Widerstandsfähigkeit eines Individuums überschreiten. Dazu kommt, dass ein derartiges Immunisierungsverfahren die Gefahr des Schwarzwasserfiebers in sich birgt. (Vergl. Seite 808.) Litteratur. 1 d'Abaddee. Journ. Soc. Chem. Ind., Bd. 1, p. 515, cit. nach Weyl. — - Annett, DüTTON, Elliott, Eeport of the Mal.-Exped. to Nigeria. Liverpool Öcliool of Trop.- Med., Memoir 3. — •* Daniels, Distrib. of Breeding- Grounds of Anoph. Royal Soc. Kep. to the Malaria-Com., 5. Series. p. 32, 1901. — 4 Ders.. Blackwater Fever inBr. C.-A. Ibid.. 5. Series. p. 54, 1901. — & Koch. R.. Aerztl. Beobacht. in d. Tropen. Dtsch. Kol.-Ges.. Abt. Berlin-Charl.. 1897/98, Heft 7. — •' Ders., 1.. 2. ii. 3. Bericht über die Thätigkeit der Mal.-Exped. Dtsch. med. Woch., 1899, Nr. 5, 17, 18. — ' Mannabeeg, Die Malariakrankheiten, 1899. — « Marchiafava & Bignami, Dentsche med. Woch., 1891. — '»'^ F. Plehn. Arch. f. Schiffs, n. Trop. Hyg., 1901, Bd. Y., Heft 2. — '■* Ross, R., First Progr. Rep. of the Camp, against Mosquit. in Sierra Leone. Liverpool School of Trop.-Med. Mem. 5, Part 1. — i^i Schkoeder, Sanitätsbericht über die Kais. Deutsche Marine, 1897/98, S. 144. — ica Rüge, Einf. in d. Stiid. d. Malerkr., 1901. — " Stephens & Christophers, Distrib. of Anoph. in Sierra Leone. Royal Soc. Rep. to the Malaria-Com., 1. Series, 1900. — i- Dies., The Native as the Prime Agent in the Mal. -Inf. of Europeans. Ibid., 2. Series, 1900. — 13 Dies., The Mal.-Inf. of Nativ. Childr. Ibid., 3. Series, 1900. — « Dies., Relat. betw. Enlarg. Spleen and Par.-Inf. Ibid., 6. Series, 1902. — '•"> Wenzel, Die Marschfieber, 1871. VII. Pathogenese. Die allen Malariafiebern eigentümlichen Erscheinungen bestehen in der sogenannten Melanämie, der Blutarmut und den Fieberanfällen. Die Erklärung der Melanämie, die 1854 eingehend von Frekichs be- schrieben wurde und mit der sich auch Virchow beschäftigt hat, machte früher große Schwierigkeiten. Man glaubte, dass die schwarzen Pig- mentköruchen direkt durch den Zerfall der roten 1 Blutkörperchen ent- ständen. Die Entdeckung der Malarai)arasiten durch Laverax hat die Entstehungsweise der Melanämie mit einem Male klargelegt und wir können jetzt ihre Entstehung direkt unter dem Mikroskop verfolgen. Wie wir gesehen haben, erscheinen die Jugendformen der Malariapara- siten in den roten lUutkörjierchen als kleine farl)lose Flecken. Mit ihrem Heranwachsen treten zunächt vereinzelte feine Pigmentstippchen (Melanin) in ihnen auf, die an Zahl und Größe Inngsam zunehmen, bis wir in den erwachsenen Parasiten einen kleinen Pigmentklumpen finden. Hand in Hand mit der Zunahme des Pigmentes geht ein langsames Aufgezehrt- werdeu der befallenen roten Blutkörperchen. Das lässt sich am besten bei der Entwicklung der Tertianparasitcn l)eobachten, weil hier mit dem Heranwachsen des Parasiten ein Verblassen und Aufquellen des be- fallenen roten Blutkörperchens Hand in Hand geht, das die Zerstörungs- thätigkeit resp. Verdauungsthätigkeit des Parasiten besonders gut er- kennen lässt, während das bei den andern beiden ]Malariaparasitenarten nicht so deutlich der Fall ist. Allen drei Parasitenarten ist also eine Malari;ii)arasiten. 789 nlliuiililiche l)il(Iuiii>' von Pig-meiit i;emeiii. Das l*ii;-iiieiit entwickelt sicli im i'anisiten, ist ein Ötoti'wechseiproclukt desselben und aus dem vom oqO O O'^'^ o «3©0 O O Ort a.' o o Fig. 46. Parasitenbefund bei einem einfachen Tertian- fieber kurz nach Ablauf des Anfalls (schematischL a-(f-^ kleine Tertianringe in ihrer Entwicklung verschieden weit vorgeschritten); b Ma- krogamet (freie Si)häre); c großer mononukleärer Leu- kocyt. (Vom Verf. gez.) Fig. 47. Parasitenbefund bei einem einfachen Ter- tianfieber 24 Stunden nach dem Fieberanfall sche- matisch), a-rr* große Tertianringe , «•* deutlich in der Entwicklung zu- rückgeblieben; b Makro- gamet (freie Sphäre;. (Vom Verf. gez.) Fig. 48. Parasitenbefund bei einem einfachen Tertian- fieber im Beginn des Anfalls (schematisch). a fast er- wachsener Tertianparasit; b Teilungsform: c Makro- gamet (freie Sphäre;. Vom Verf. gez. Parasiten aufg-ezelirten Hämoglobin des roten Rlutkörpereliens entstanden. Bei der Teilung der Parasiten wird das Pigment frei, von den weißen Blut- körperclieu aufgenommen und im Knochen- mark, sowie in Milz und Leber abgelagert. Ebenso leicht wie wir jetzt das Zustande- kommen der Melanämie erklären können, ebenso leicht erklärt sich das rasche Ent- stehen der auffallenden Blutarmut l)ei den Malariakranken. Es werden el)en zahlreiche rote Blutkörperchen bei jeder Parasitenteilung zerstört und es werden immer sehr viel mehr auf einmal zerstört als auf einmal wieder ersetzt werden können. Nicht ganz so einfach wie Melanämie und Blutarmut sind die Fieberanfälle zu erklären. Derjenige, der uns über die Pathogenese der Malariafielicr die erste Aufklärung gab, war GoLGi^ (1885—86). Er erkannte, dass der Fieberverlauf bei den intermittierenden Fiebern in ganz bestimmter AVeise von dem Entwicklungsgang der Malariaparasiten ab- hängig- ist. Er zeigte ferner, dass wohl die Tertian- und Quartanfieber durch besondere Parasiten liervorgerufen werden, nicht aber die Quotidiaulieber. In welchem Verhältnis die verschiedenen Entwicklungsstufen des Tropentieberparasiten zum FieberN erlauf stehen, hat erst 11. Kochs (1898^ gezeigt. Untersucht man das Blut bei einem einfachen Tertian fieb er (Tertiana simplex. Tertiana benigna simplex) *) Fig. 49-51 und Fig. 55, 57, öS aus Kuge, Einf. in d. Stud. d. Malerkr.. 1901, entnommen. \J klet/if Tfrtiarirtrii/e '•'■' rheilunqilurmen. Fig. 49. Verhältnis der Tertiau- parasiten zum Fiebcrverlauf schematisch .^) 790 R. Rüge, kurz nach Ablauf des Anfalls, so findet man kleine Tertianringe im l)lute (vergl. Atlas, Tafel III, Fig-. 47'. 24 Stunden nach dem Anfall balb- erwaebsene Tarasiten als große Tertiauriuge oder als sogenannte amöboide (abenteuerlieb gestaltete) Formen (vergl. Atlas, Taf. III, Fig. 48), die in bereits mebr oder weniger stark vergrößerten und etwas blassen roten Pdutkörpercben liegen. Nacb weiteren 24 Stunden, also im Beginn des neuen Anfalls, und aucb schon 1 — 2 Stunden vor dem Aufall, treten die Teilungsformen (vergl. Atlas, Tafel III, Fig. 50—54, 59—61 , Tafel IV, Fig. 103 — 108j auf und mit ihnen oder unmittelbar nach ihrem ersten Erscheinen das Fieber, während der Infizierte so lange als die Parasiten heranwachsen, fieberfrei ist. Das Verhältnis der verschiedenen Parasiten- formeu zur Fieberkurve giebt die nebenstehende schematische Fiebertafel. Es erscheinen also nach diesem Schema bei einem einfochen Tertian- fieber zu ganz bestimmten Zeiten immer ganz bestimmte Entwicklungs- stufen der Parasiten. Man sagt dann: es Ijefindet sich eine Parasiten- generatiou im Blute. Indes man darf nicht glauben, dass im gegebenen Falle die Para- sitenformen, die zu einer bestimmten Zeit zur Beobachtung kommen, immer gleich w^eit in ihrer Entwicklung vorgeschritten sind. Da die Tei- lung der Parasiten nicht zu gleicher Zeit erfolgt, sondern sich über einen Zeitraum von 4 — 8 Stunden hinziehen kann, so wird man unmittel- bar nach dem Anfalle nicht nur kleinste Tertianringe, sondern auch hin und wieder eine verspätete Teilungsform finden. Am buntesten kann das Bild werden, wenn der Fieberanfall unmittelbar bevorsteht. Da findet man neben vollendeten Teilungsformen noch solche, die sich eben zur Teilung anschicken, andererseits aber auch bereits ganz vereinzelte kleinste Tertianringe, die von Parasiten stammen, die sich schon sehr früh geteilt haben. Besonders zu achten ist auf die Gameten, die ja, wenn erst ein Fieberantall dagewesen ist, in einzelnen Exemplaren in allen Fieberstadien auftreten und die bei oberflächlicher Betrachtung leicht für erwachsene asexuale, aktive Parasiten gehalten werden können. Wird dieser Irrtum aljer begangen, dann ist leicht der Schluss gezogen, die Lehre (^olgis ist falsch. Der Beobachter glaubt dann bei einem einfachen Tertian- oder Quartanfieber Parasiteuformen verschiedener Altersstufen — also verschiedene Generationen — nebeneinander zu finden. Um diesen Irrtum unmöglich zu machen, habe icli nicht nur die Gameten auf das eingehendste beschrieben, sondern auch eine Reihe Abltildungen dieser Formen gegeben. Wenn man also bei einem ein- tiichen Tertian- oder Quartanfieber neben zahlreichen hall>erwachseuen verschiedene ganz erwachsene Parasitenformen findet, so unterziehe man diese letzteren stets einer genauen Untersuchung. Sic werden sich regel- mäßig als Gameten entpuppen. Natürlich müssen sie dann l)ei Beurteilung der Frage : befinden sich ein oder zwei asexuale Parasitengenerationen im Blute, ausgeschieden werden. Denn sie gehören zur sexualen Entwicklungs- reihe und haben mit dem Auslösen des Fieberanfalls nichts zu thun. Entsprecliend gestalten sich die Verhältnisse bei einem einfachen Quartanfieber (Quartana simplex). Auch hier finden wir unmittelbar nach dem Aldauf des Anfalls kleine Ringe in den Blutkörperchen (vergl. Atlas, Tafel III, Fig. 63] . 24 Stun- den nach dem Anfall treten die schmalen Quartanbänder auf (vergl. Atlas, Taf III, Fig. 65), die nach weiteren 24 Stunden doppelt und drei- fach so breit geworden als anfangs sind und das lUutkörperehen fast ausfüllen. Schließlich nach 72 Stunden erseheinen die Teilungsformen Malariaparasiten. 791 und mit ilmeu setzt aiicli liier der Ficbcraiifall ein. AViilirend der Eiit- wiekluii^- der Parasiten l)leil)t der Kranke fieberfrei. Wir beobachten also l)eini einfachen Quartanfieber in entsprechender r 1. ft ^|. u f^ « t:: 4- * 1,2 '- * li: Y * i^-t $ ! ^1 1 1 ■ - T 7 M 7 f L [ 1 39 j h^ 5 fe. V ^ S» ^ i{ r ? \ 1 U 38 H t * S^ ? & 1 i ' s ■^ §1 f ^ ? SS ] ,V ^ ä " ^ 1 l I l 1 ^ i/ 37 * "I ^' l / ä n ^ J Ä \ 1 \ f" M ^ V ^s v^ ■^ ^ 1 J4=J?- a V ^ 1 J IC jU _ l" m'" m H Fig. 50. Verhältnis der verschiedenen Ent- wicklungsstadien des Qnartanparasiten zum Fieberverlauf (schematisch . AVeise dieselben Erscheinungen wie l)eim einlachen Tertianfieber : zu be- stimmten Zeiten haben wir Parasiten von bestimmter Größe im Blute d. h. es befindet sich eine Generation von ]*>ei einem Tropen fiel» er (Febris L :^ i 1 2 ^ 1 1 zi 1 K-j- $ t ^ « 12^ i Ip ^1 1 ■' i i ! II 1 ! 1 II A ^ - \ / ' \ 1 » / vy 1 i / \ 1 \ / f ' \ / - 1 i 1 1 39 1 ( _j 1 1 t- 1 1 - 38 1 1 1 1 f 1 ] 1 1 1 / 1 1 ! 1 37 1 1 ^- j 1 1 y »-, ] 1 f!- - ( k' ■ ■■" _ 1 _ _ \j -+-t^ o8oO Fig. 52. Parasitenbefund bei einem einfachen Tro- penfieber [N] *) im Fie- beranstieg und imBeginn der Fieberhöhe {schema- tisch'. Ein kleiner Tro- penring. (Gezeichnetvom Verfasser.) Oo©o OoOq o Fig. 53. Parasitenbe- fund bei einem ein- fachen Tropenfieber (iV) auf der Fieber- höhe (schematisch\ Spärliche mittel- große Tropenringe. Gez. vom Verf ) O = kleiner Thopenrirz// O = rnittJerY'r- „ Q = grmsser- „ Fig. 51. Verhältnis der verschiedenen Entwicklungsstadien des Tropen- fieberparasiten zum Fieberverlauf (schematisch'. Parasiten im 1^)1 ute. tropica, Tertiana maligna, Semi- o@®oO O oo o o o O Fig. 54. Parasitenbefund bei einem einfachen Tropenfieber (iV im Fie- berabfall und im Beginn der Apyrexie (schema- tisch. Verhältnismäßig zahlreiche große Tropen- ringe. (Gez. vom Verf) tertian, Bidua, Aestivo-Autumnalfieber, Sommer-Herbst-Fieber) g-estalten sich die Verhältnisse etwas anders. Zunächst müssen wir streng zwischen Neuerkrankungen und Kückfällen scheiden. Denn nur die ersteren sind in pathogenetischer Beziehung zu verwerten. Beim Tropenfieber dauert *) JV= Neuerkrankung. 792 R- Rüge, der einzelne Fieberanfall 24 — 48 Stunden nnd liier finden wir im Fieber- anstieg- g"ar keine oder vielleicht einen oder zwei kleine Tropen ringe*); auf der Fieberliölie spärliche mittelgroße Tropen ringe und erst im Fieberabfall treten die großen Tropenringe verhältnismäßig zahlreich auf Auf Fiel)ertafel 51 stellt der punktierte Teil der Kurve diejenige Zeit dar, während welcher für gewöhnlich im peripherischen Blut gar keine Parasiten gefunden werden. Die Zeit, in welcher die Parasiten spärlich auftreten, ist durch eine schwachausgezogene Linie, diejenige Zeit, in w'elcher die Parasiten relativ häutig gefunden werden, durch eine stark ausgezogene Linie markiert. Auf der schematischen Fiel)ertafel sind keine Teilungsformen eingetragen und das Ijedarf einer Erklärung. Teilungsiiguren konnnen nämlich beim Tropentielier so gut wie nie im peripherischen Blute zu Gesicht. Nur in einzelnen Fällen, in denen eine ungeheure starke Infektion l)esteht, werden sie in spärlicher Anzahl im peripherischen Pdute l)eobachtet. Die im peripherischen Blut fehlenden Teilungsformen sind schon frühzeitig von Makchiafava & Celli in den Haargefäßen innerer Organe wie Milz, Gehirn und Knochenmark gefunden worden. Warum aber gerade diese Organe von den zur Teilung- schreitenden Parasiten aufge- sucht werden, ist nicht zu sagen. AYir wissen nur soviel, dass gegen Ende der fieberfreien Zeit die großen Tropenringe aus dem peripherischen Blute verschwinden, dass die Teilung der Parasiten innerhalb der genannten Organe vor sich geht und dass damit der lang-dauernde Aufall einsetzt. Indes das Verhältnis des Wachstums des Tropenparasiten zur Fieber- kurve und seine Entwicklung ist nicht so regelmäßig- wie es eben die kurze schematische Schilderung gegeben hat. Es kommen Abweichungen vor. Die Entwicklung des Tropenparasiten schwankt zwischen 24 und 48 Stunden. Warum das so ist, kann nicht angegelten werden. Denn alle Versuche für die verschiedenen Tropenfielter mit ihren verschieden lange dauernden Anfällen verschiedene Parasitenarten abzuspalten, sind bis jetzt als fehlgeschlagen anzusehen. Die Länge des Tropenfieberanfalls spricht dafür, dass die Teilung beim Tropenfieberparasiten sich über eine längere Zeit hinzieht als dies bei den beiden großen Parasitenarten der Fall ist. Indes darf man nicht etwa annehmen, dass die Teilung in fortlaufender Kette sich über das ganze Fieberstadium erstreckte. Wenn das nänüich der Fall wäre, so müssten stets alle drei Arten von Tropeuringen nebeneinander beobachtet werden. Das ist aber nicht so. Wir finden zwar im Einzelfalle die drei Ringarten in der schematisch gegebenen Reihenfolge niemals abso- lut rein vor, aber die Abweichungen, die in dieser Beziehung beobachtet werden, entsprechen denjenigen, die bei den beiden großen Parasiten- arten beschrieben und erklärt wurden. Der wichtigste biologische Vorgang während der Entwicklung einer Parasitengeneration ist die Teilung. Denn, wie wir gesehen haben, tritt mit der Teilung der Fieberanfall auf und wir sind in diesem Falle berechtigt zu sagen: »post hoc ergo propter hoc.« Dass es in der That die Teilung der Parasiten ist, die den Fieberanfall hervorruft, kann man am besten dadurch zeigen, dass man ein Medikament verabreicht, dass zwar die Teilung- der Malariaparasiten verhindert, aber die Parasiten sonst nicht schädigt und nicht sofort aus dem peripherischen Blut ver- *) Ich sage ausdrücklich kleiner resp. großer »Tropenring«. damit nicht etwa durch die einfache Bezeichnung »kleiner resp. großer Ring« eine Verwechslung mit dem kleinen 'J'ertianring bezw. Quartanring entsteht. Malariaparasiten. 793 treibt. Zu diesem Zweck eignet sich das Methylenblau am besten und zwar lässt sich seine Wirkung wiederum am besten beim Quartauparasiteu verfolgen. Giebt man nämlich bei einem einfachen Quartantieber in der richtigen Weise Methylenblau, so hijreu die Fieberanfälle sofort auf. Trotzdem linden sich bei fortgesetztem Methylenblaugebrauch noch vier Tage und länger nach dem Aufhören des Fiebers im Blute Quartan- parasiten jeglicher Entwicklungsstufe vor, mit Ausnahme von Tei- lungsformen. Dieser Vorgang beweist also, dass allein die Teilung der Parasiten das Fieber hervorruft, dass die bloße Anwesenheit der Parasiten nicht dazu genügt, uud dass ein Arzneimittel, dass die Teilung der Parasiten verhindert, auch das Fieber beseitigt. Soweit lieHen sich die allgemeinen, bis jetzt besprochenen pathoge- netischen Beziehungen der Parasiten leicht klarlegen. Die bisher ge- gebenen Erläuterungen genügen aber nicht für diejenigen Fälle, in denen das Malariaiieber täglich Anfälle hervorruft. Denn einen Parasiten des Quotidianliebers haben wir bis jetzt noch nicht kennen gelernt und doch fasste man früher das Quotidiantieber als eine selbständige Fieberart auf. Aber auch für die Entstehuugsweise dieser Fieber hat Golgi die richtige Erklärung gegeben. Er wies nach, dass das Quotidiantieber nicht ein durch eine besondere Parasitenart hervorgerufenes Fieber, sondern entweder ein doppeltes Tertian- (Tertiana duplex sive duplicata oder ein dreitaches Quartantieber (Quartana triplicata) ist. Diesen Nach- weis konnte er nur dadurch erbringen, dass er erkannt hatte, dass es einen ganz l)estimmt charakterisierten Tertian- und Quartanparasiteu gab und dass der Fieberanfall bei diesen Fieberarten immer mit der Teilung der Parasiten zusammenfiel. Da er nun bei den Untersuchungen der Quotidiantieber immer nur Tertian- oder Quartanparasiteu und täglich zur Stunde des Anfalls Teilungsformeu fand, so erkannte er ganz richtig, dass liei einem durch Tertianparasiten hervorgerufenen Quotidiantieber immer zAvei Parasiteugenerationen, die in Abständen von 24 Stunden, bei einem durch Quartanparasiteu hervorgerufenen Quotidiantieber aber drei Generationen von Quartanparasiteu, die ebenfalls in 24 stündigen Abständen zur Teilung kamen, im Blute vorhanden waren. Diese Entdeckung Golgis 1)edeutete einen großen Fortschritt in der Pathogenese der Malariafieber und macht seinem Scharfsinn alle Ehre, denn auf den ersten Blick ist der mikroskopische Befund Ijei einem doppelten Tertianfieber (Tertiana duplicata sive duplex] uud namentlich bei einem dreifachen Quartanfieber (Quartana triplicata' verwirrend, weil man alle Formen: Ringe, hall)erwachsene, erwachsene Parasiten und Teilungsformeu nebeneinander finden kann, so dass jede Gesetzmäßig- keit zu fehlen scheint. Wenn man aber den Befund graphisch darstellt und die einzelnen Parasitengenerationen in entsprechender Weise in die Fiebertafel einträgt, so findet man bald, dass Golgis Erklärung durchaus richtig ist uud gut mit dem mikroskopischen Befund übereinstimmt. Man muss dabei natür- lich immer im Auge behalten, dass die auf den entsprechenden Fieber- tafeln gegebene Darstellung scliematisch ist und dass im gegebenen Falle durcli die nicht absolut gleiche Entwickluugsdauer sowohl der einzelnen Parasiten als auch der einzelneu Generationen kleine Unregelmäßigkeiten entstehen kijnnen. Das muss namentlich bei Beurteilung der umstehenden Fiebertafel be- rücksichtigt werden. Denn nach diesem Schema hätten wir bei einem doppelten Tertianfieber wohl halberwachsene Parasiten uud Teiluugs- 794 R. Rüge, formen nebenemandcr zu erwarten oder Ringe und erwachsene Parasiten, nicht aber im ersten Falle auch nocli Einge oder im letzteren Falle außer- dem noch halherwachsene Parasiten: und doch kommt das vor. Das hat, wie l)ereits gesagt, seinen Grund darin, dass die Entwicklung aller Parasiten nicht zu gleicher Zeit vollendet ist, sondern dass einzelne Individuen früher, andere später als die Allgemeinheit zur Eeife gelangen. Das lässt sich am besten an den Teilungsformen nachweisen. Man tindet nämlich vereinzelte Teilungsformen schon zwei bis vier Stimden vor dem Fieberanfall und andererseits auch noch vier Stunden nach Beginn des Fieberanfalls d. h. das Alter der einzelnen Parasiten derselben Gene- ration kann l)is zu 8 Stunden schwanken. Da das bei der zweiten Generation auch der Fall sein kann und ein Altersunterschied von 12 — 16 Stunden auf das Wachstum eines Tertianparasiten einen deutlich 1 ' \ ^^ \ '¥4^ ; t P' ■ l t 2i ^ C 'i- ^ Ij? Vi 1 1 1 1 i 1 1 1 1 ( 1 j 39 1 1 1 1 1 1 [ 1 r 38 ,' 1 1 1 1 j 1 1 ■ 1 37 1 1 1 ^* N ', -- " "' ^. ' / 1 , / 1 N ~-~-i^ 3fl 1 1 1 N ^, .4-'' ~-- j^ i 1 ^ r-. J\ r^ N^ 1 1 ! i 1 1 1 1 1 IT 1 1 1^ 1 1 •t'f) ( >^ ^ ! ' ! [/_ ■:-:<■] J l 1. l| 1 ! ■■•Xi) i > 1 O o Q iQi .<^e o S^oP o 1. ■■ Fieber, durch l.Paras.-C4eii.liervorger. 11 . ,-. :> 2. » Fig. Ö5. Parasitenbefund bei einem doppelten Tertianfieber ischematisch). Fig. 56. Parasitenbefund bei einem doppelten Tertian- fieber (schematisch;, a klei- ner Tertianring; h, M halb- erwachsene Tertianpara- siten : cfast erwachsenerTer- tianparasit; d Makrogamet (freie Sphäre): d^ Mikroga- metocyt (noch im roten Blut- körperchen liegend) e Poly- nukleärer Leukocj-t. (Gez. vom Verf.; feststellbaren Einfluss hat, so werden die vom Untersucher bei einem doppelten Tertianfieljer gefundenen Parasitenformen mannigfaltiger sein, als sie das Schema giebt. Unter Umständen tindet man eben alle For- men nebeneinander. Am buntesten gestaltet sich der mikroskopische Blutbefund, wenn die beiden vorhandenen Parasitengenerationeu nicht in 24stündigeu. sondern, wie es auch vorkommt, in 30- oder 32stündigeu Abständen voneinander zur Pieifuug kommen d. h. wenn der eine Fieber- anfall am Morgen des einen und der zweite Fieberanfall am Nachmittag des zweiten Tages auftritt. Dann findet man zu jeder Zeit alle Parasiten- formen nebeneinander. In entsprechender Weise gestalten sich die Verhältnisse bei einem doppelten oder dreifachen Quartanfieber. Eine Quartana duplicata d. h. ein Quartanfieber, bei dem sich nur zwei Generationen von Quartanparasiten im Blute finden, wird verhältnis- mäßig selten beobachtet. Die beiden Parasitengenerationen kommen auch Malariaparasiten. 795 hier für g-ewöhnlicli in 24stimdif2,-en Abständen hintereinander zur Reife (Teihmg-j, so dass immer zwei Tage hintereinander ein Anfall erfolgt und nur immer der dritte Tag fieberfrei ist. Eine solche Quartana duplicata kann später in eine Quartana triplicata übergehen. Es ist also anzu- nehmen, dass in solchen Fällen von Anfang an drei Parasitengenerationen im Blute waren, dass aber die dritte so schwach an Individuen war, dass sie erst nach längerer Zeit einen Anfall hervorrufen konnte. Konstruiert man sich eine Quartana duplicata und triplicata, wie das auf Fiebertafel 57 geschehen ist, schematisch und trägt die Entwick- lungsstufen der einzelnen Generationen ein, so kann man sich leicht ein übersichtliches Bild von dem Zustandekommen solcher Fieber und dem dabei auftretenden Blutbefund machen. Während nun erwartet w^erden müsste, dass auch bei Tropenfieber- Neuerkrankungen ebenso wie bei den intermittierenden Fiebern häufig — ij-«l,'2f$l2'»-$l|2't-9l 2 1^ ^ \^>f $ \^ \ ^ \ 2 1-^ 1|2 -t S lj2 ^ f IJ2 i~ i 1j2 f i ni 'tfl i ' \ i 1 ! ! 1 ' 1 i ; 1 1 i i i i i i 1"^; 1 1 ' :t 1 i 1 1 .1 1 1 ; ,11 1 .19 ' 1 1 \ 1 ,1i 1 J i II. 1 1 -- '!'■ 1 1 -■ ' ; 1 1 38 1 1 1 1 ! ! 1 1 1 — - ' 1 J u 1 1 1 ^ 1 1 i '. - — 1 1 i ! j 1 .'S: ; i; 1 i l ! 1 1 -r --[ \i 1 1 1 i ' il / f^\ . / \ 1 1 1 v^ '^^j^ -^^ L> V H "V N ^s f^ ! r i ' j ^ ■ ■^ A 36 V — . -:^ f- '^ '^^^i'-^ \ \ . /^ s^i vi y^ 1 ^•. 1 ,'^'' ^^ M _ J _ 1^ j ~-i-^-'' 1 Tri ""v^ 1 i 1 "'11 : 1 i 1 1 1 1 !'•- _.' m. 1 1 -10 !C y ^ ■ J^ 1 ^Mm-^ ■ > W^ j^ ^ n. 1 1^^- ll";^-*-^ ) ! *ü:]:. ihm} im-'-? (3 Ringt" (Jugcnd/ormeMl I. ■■ FUber, diircli i.Parasiiengen.hervorger. ■ Hatherwachsene PcvcuUe/i. f'^ - '/il ff, ■. » » 2. » » |P i'rH'nchsenc Parasiten. (■i'-.-il flf,^^^-. » » _j. » » '■'■' Theilu.rier. Da ist fast jede Kurve von der nächsten nach Form und Ausdehnung verschieden. Layeuan führt für die Unität der Malariaparasiteu in seinem letzten großen Werk folgende Gründe an: 1. Die Halbmonde linden sich nicht nur hei allen Fieberarten, sondern auch mit amöboiden Parasitenformen ^Jugendformen) zusammen und dann namentlich stets bei den Kachektischen. Um diese Erscheinungen zu er- klären, müssen also die Pluralisten Mischinfektionen sehr häutig annehmen. 2. Man hat durch die Ueberimpfuug von Malariablut nicht immer beim Geimpften denselben Fiebertypus erzeugen können, an dem der Stammimpfling litt. Wenn es bestimmte Mahiriaparasitenarten gäbe, so hätten die Fiebertypen immer die gleichen beim Geimpften und beim Stammimpfling sein müssen. 3. Man findet alle Parasitenformeu in allen Ländern: Halbmonde z. B. auch in Deutschland, also muss der Malariaparasit einheitlich sein. 4. Man trittt aller Orten alle Fieberarten nebeneinander an. Man kann nicht sagen, an dieser Stelle kommt nur Tertiana an jener nur Quartana . vor. Also muss der Malariaparasit einheitlich sein. 5. Die pathologische Anatomie beweist die Einheitlichkeit der Mala- riafieber. Bei allen Malariafiebern findet man dieselben Erscheinungen: Milzschvrellung und Melanämie. 6. Bei allen Fieberarten ist dieselbe Behandlung anwendbar. 7. Der Fiebertypus kann sich ändern, selbst wenn eine Neuinfektion ausgeschlossen ist. 8. Selten fängt in heißen Ländern ein Fieber als Tertiana oder Quartana an, gewöhnlich als Quotidiana oder Continua und erst später verwandelt es sich in ein Tertiana oder Quartana. 9. um das zu erklären, müssen die Pluralisten annehmen, dass zu gleicher Zeit sich verschiedene Parasitenarten im Kranken befinden, die abwechselnd zur Herrschaft gelangen. Ich weiß nicht, ob Laverax zur Zeit noch an der Einheitlichkeit des Malariaparasiten festhält. Er hat sich meines AYissens nach der Entdeckung des Entwicklungsganges der Malariaparasiten in der Mücke und nachdem die Halbmonde als Gameten erkannt worden sind, nicht über diese Frage geäußert. Diese Entdeckungen aber imd diejenigen von K. Kof'H haben die Lehre von der Einheithchkeit des Malariapara- siten unhaltbar gemacht. Ich will daher Laverans Gründe, die die Einheitlichkeit des Malariaparasiten beweisen sollen, widerlegen. Zunächst hat sich Lateran gar nicht auf die deutlichen morpholo- gischen Unterschiede der drei Malariaparasitenarten eingelassen. Im Uebrigen ist zu bemerken: Ad 1. Das gleichzeitige Vorkommen von Halbmonden und Tertiana- bezw. Quartanaparasiten kann nur durch ]\Iischinfektion erklärt werden. Das hat aber nichts Befremdliches an sich. Mischinfektionen parasitärer Art kennen wir schon lange. Ich erinnere nur an die Mischinfektion von Tuberkelbazillen mit Streptokokken oder Tetragenus. Das gleich- zeitige Vorkommen von amöljoiden Formen (corps amiboides) und Halb- monden braucht aber durchaus nicht auf Mischinfektion zu beruhen, wenn die amöboiden Formen Jugendformen des Tropenparasiten sind und es sich um einen Tropenfieberrücktall handelt. Ad 2. Es ist wahr, man hat nicht immer durch Ueberimpfung von Malariablut beim Geimpften den Fiebertypus erzeugen können, au dem der Stammimpfling litt. Indes die Stammimpfliuge waren nicht immer ]\Ialariaparasiten. 799 einwandfrei. Man hat bei eleu ersten Versuclicn nicht immer darauf geachtet, ob die Im})fling'e nicht etwa schon früher einmal au einem Fiebertypns gelitten hatten, der von demjenigen, der zur Zeit der Ab- impfung bestand, verschieden war und oh nicht von der ersten Erkran- kung noch etwas zurückgeblieben war. Auch konnte jMischinfektion vorgelegen haben. Zu bemerken ist, dass hei keiner der von Lavekax auf S. 131 u. f. seines Werkes angeführten Impfungen angegeben ist, ol) die hetretfenden Kranken, denen das Blut entnommen wurde, l)ereits früher einmal an einer anderen Fieberform gelitten hatten, als diejenige .war, die zur Zeit der Blutüberimpfung bestand. Ein Fall macht eine Ausnahme. Da ist bemerkt, dass von einer Quartana »de premiere Invasion« (i- p. 183) abgeimpft wurde. Es wurde l)eim Geimpften nach 12 Tagen eine Quartana mit gleichem Parasitenbefund wie beim Stamm- imptling erzeugt. Zu dieser Thatsache bemerkt Lanekan ». . . mais on peut se demander si, en examinant le malade lors d'une rechute, on n'aurait pas trouve, comme chez le sujet qui fait l'objet de Tobservation premiere, des corps en croissants <:. Gewiss wäre das möglich gewesen, wenn inzwischen eine Neuinfektion mit Tropentieber stattgefunden hätte. In jüngster Zeit ließ sich Mansox eine Anzahl von Anopheles aus Italien schicken, die au Krauken gesogen hatten, die an Tertianfieber litten. Sein Sohn, der früher nie an Malaria gelitten und nie in Malaria- gegenden sich aufgehalten hatte, ließ sich von diesen Anopheles stechen. Er erkrankte an einer Tertiana. Ad 3. Halbmonde sind allerdings auch in Deutschland bei Malaria- kranken gefunden worden, aber nur bei Leuten, die sich ihre Malaria- fieber in den Tropen oder Subtropen und nicht in Deutschland ge- holt hatten. Bei den in Deutschland selbst erworbenen Fiebern, die ausschließlich Tertiau- oder Quartanfieljer sind, sind niemals die dem Tropenparasiten eigentündichen Halbmonde gefunden worden. Ad 4. Es giebt allerdings Plätze, an denen nur eine bestimmte Fieberart vorkommt. Ich erinnere an die von P. Kocii'^ in der Südsee aufgefundenen Quartanainseln. Ad 5. Die pathologische Anatomie genügt eben nicht, um die drei Parasitenarten voneinander zu scheiden. Ebensowenig wie sie durch ihre Befunde feststellen kann, ol) eine ausgedehnte Eiterung und ihre Folgen durch Staphylo- oder Streptokokken entstanden ist. Ad 6, Es ist durchaus nicht bei allen Fieberarten dieselbe Behand- lungsweise anwendbar. ■ Wie wir im Kapitel Therapie gesehen habeu, muss ein Tropenfieber ganz anders als ein intermittierendes (Tertian- oder Quartan-) Fieber l)e- handelt werden. Ad 7. Der Fiebertypus kann sich bei ein und demselben Individuum ändern, auch wenn eine Keuinfektion ausgeschlossen ist. Das kann geschehen, wenn eine Mischinfektion vorliegt. Ad 8. Diese Befunde erklären sich zum Teil durch Mischinfektion, zum Teil durch die GoLGische Lehre. Endgiltig ist die Annahme von der Einheitlichkeit des Malariaparasiten durch die Entdeckung von K. Koch widerlegt worden, dass das Ueberstehen einer Malariafieberart z. B. einer Quartana nicht gegen die anderen (Tropica und Tertiana) und umgekehrt immun macht. Wäre der Malariaparasit einheitlich aber polymorph, wie Laveran will, so mUsste das Ueberstehen einer Malariafieberart auch gegen die anderen immunisieren. 800 R. Rüge, Es lassen sich also die Einwände Laverans alle sehr gut widerlegen, ohne dass man zu Künsteleien zu greifen brauchte. Ja, unter dem Fest- halten an 3 Parasitenarten entwicklen sieli die Erklärungen von selber, während der Unitarier vieles nur gezwungen oder gar nicht erklären kann. Die verschiedene Schwere der Malariaerkrankungen hat nach GoLGis Ansicht ihren Grund in der größeren oder geringeren An- zahl der im Blute vorhandenen Parasiten. Das klingt ja ganz ein- leuchtend, stimmt aber nicht in dieser allgemeinen Fassung. Denn, v^ie wir bereits gesehen haben, ist das Tropenfieber immer das ge- fährliche und schwere, das intermittierende hingegen stets das leichte und ungefährliche Fieber. j\lan darf also zunächst immer nur einzelne Fälle derselben Fieberart miteinander vergleichen. Denn wir können z. B. bei einer Neuerkraukung an Tropenfieber unter Umständen nur ein oder zwei Parasiten im ganzen Präparat finden (vergl. Fieber- tafel 38) und doch hohes Fieber bei schwerem Allgemeinleiden haben, während wir bei einem intermittierenden Fieber zahlreiche Parasiten im Blute bei verhältnismäßig geringem Allgemeinleiden beobachten können. Wir müssen also annehmen, dass das vom Tropenfieberparasiten ge- bildete Gift viel gefährlicher wirkt als dasjenige der beiden großen Parasitenarten und das es nicht die Menge der Malariaparasiten, sondern an erster Stelle die Art ist, die die größere oder geringere Schwere der Erkrankung bedingt. Etwas anders stellen sich die Verhältnisse, wenn man Fieber der- selben Art miteinander vergleicht. Aber auch hier stimmt die Annahme GoLGis nur manchmal. Oft sehen wir auch hier bei spärlichem Parasiten- befund hohes Fieber mit ausgesprochenem Allgemeinleiden; beim Vor- handensein von zahlreichen Parasiten hingegen wenig ausgesprochenes Allgemeinleiden und milden Fieberverlauf. Diejenigen Fälle aber, in denen der Parasitenbefund mit den klinischen Erscheinungen überein- stimmt, sind gewöhnlich solche, bei denen durch ein massenhaftes Auf- treten der Parasiten in kurzer Zeit der Tod des Befallenen herbeigeführt wird. Solche Fälle kommen aber nur beim Tropenfieber vor. Es sind dann 70—80^ der roten Blutkörperchen infiziert nnd die einzelnen Blutkörperchen selbst 3— öfach. Bei den durch die großen Parasiten- arten hervorgerufenen intermittierenden Fiebern wird etwas derartiges nicht beobachtet. Ein entsprechendes Verhältnis zwischen Parasitenanzahl und Schwere der Erkrankung findet man bei den intermittierenden Fiebern nur dann, wenn man solche Fälle, in denen nur eine Parasitengeneration im Blute vorhanden ist, mit solchen vergleicht, in denen mehrere Parasiten- generationen im Blute vorhanden sind. Wenn man also z. B. eine Quartana simplex mit einer Quartana triplex vergleicht, dann sieht man wohl, dass der \on der Quartana triplex Beffillene sehr viel mehr unter seiner Malaria infolge der täglich auftretenden Anfälle leidet als der- jenige, der nur jeden vierten Tag einen Anfall hat. Aber selbst hier, wenn sich z. B. die Quartana triplex aus den verschieden starken An- fällen zusammensetzt, entspricht durchaus nicht immer die höhere Anzahl der vorhandenen Parasiten dem schwereren Anfall. Es kann sich so ver- halten, es ist aber durchaus nicht die Ptcgel. Wir müssen also auch hier noch andere Ursachen zur ErklJirung dieser Erscheinungen heran- ziehen und wir werden sie wohl in einer größeren oder geringeren Empfänglichkeit des Individuums für das Malariaparasitengift suchen müssen. Nach Euges Ansicht kann die größere oder fferinffere Schwere Malariaparasiten. 801 eines Fieberanfalls (vorausgesetzt natürlich, dass es sich um Vergleiche zwischen Fiebern derselben Art handelt) durcli die Art der Reifung der Parasiten erklärt werden. Der genannte Autor machte nämlich die Be- obachtung, dass alle diejenigen Tertiantieber, bei denen die Tarasiten im Laufe von 2 oder 4 Stunden alle zur Reife kamen, mit schwereren Allgemeinerscheinungen verliefen als jene, bei denen die Parasiten im Laufe von 6 — 8 Stunden reiften. Die erstere Art der Fälle zeichnet sich klinisch durch auftallend steil aufsteigende Kurven und kurze Fieberdauer aus, während im zweiten Falle die Kurven weit weniger steil ansteigen, die Anfälle aber länger dauern. Es ist also nicht die Länge des Anfalls — wie man vielleicht a priori annehmen könnte — ein Zeichen für die Schwere des Anfalls. Inwieweit Anhäufung von Parasiten in den Haargefäßen bestimmter Organe bestimmte Krankheitserscheinungen hervorrufen kann, ist noch nicht in allen Fällen festgestellt. Es kann nur soviel mit Sicherheit gesagt werden, dass die Anhäufnng der Parasiten in den Haargefäßen des Gehirns das Koma und überhaupt Gehirnerseheinungen hervorruft. Denn man hat bis jetzt fast immer bei den an Koma Gestorbenen die Gehirngefäße mit Parasiten augefüllt ge- funden. (Vgl. Atlas, Tafel HI, Fig. 46.) Dass aber die schweren Gehirn- erseheinungen beim Tropentieber so leicht wieder zurückgehen können, liegt daran, dass es sich nicht um Verstopfung der Gehirngefäße durch Thromben, sondern eben nur durch Parasitenhaufen handelt, einer lebendigen Masse, die sich ohne Schwierigkeit bald wieder lösen kann. Ob aber die angeblich zugleich mit den Fieberanfällen auftretenden dysente- rischen und choleraälinliclien Erscheinungen auf Anhäufung der Parasiten in den Haargefäßen des Darmes zurückgeführt werden können;, ist bis jetzt eben- sowenig entschieden, Avie die Frage der Entstehung der sogenannten Malaria- pneumonie. Denn in diesen Beziehungen liegen meines Wissens noch keine mikroskopischen Befunde vor. Ebensowenig wie wir mit Sicherheit in jedem einzelnen Falle er- klären können, warum das eine Mal eine Malariaerkrankung derselben Fieberart leicht, das andere Mal schwer verläuft, ebensowenig können wir das Zustandekommen der Rückfälle erklären. Wir wissen zwar, dass es ganz bestimmte Gelegenheitsursachen wie Erkältung, intensive Sonnenbestrahlung, Durchnässung, Diätfehler u. s. w. sind, die einen Rückfall auslösen können, wir wissen auch, dass die Quartana am meisten und zugleich zu den hartnäckigsten Rückfällen neigt, dass diese Neigung zu Rückfällen bei der Tertiana weniger und beim Tropenfieber am wenigsten ausgesprochen ist, und wir wissen auch, dass Rückfälle um so häutiger sind, je ungenügender die Behandlung war. Wir können aber nicht angeben, weshall) die Malariaparasiten die Fähigkeit besitzen, diese Rückfälle hervorzurufen und in welcher Form sie sich im Körper während des Zeitraumes zwischen den einzelneu Rückfällen betinden. Konnnt es ja doch auch vor, dass Rückfälle ohne nachweisbare Ursache auf- treten. In dieser Beziehung bietet die Malaria dieselben Erscheinungen dar wie die Syphilis, der sie in manchen anderen Beziehungen außer- dem noch ganz auffallend ähnlich ist. Dass wir es bei den Malariatiebern mit echten Rückfällen und nicht mit Neuinfektionen zu thun haben, beweisen die Fälle, in denen die Rückfälle nach dem Verlassen von Malarialändern auf See oder in malariafreien Ländern auftreten, wo Neuansteckungen ausgeschlossen sind. Schwieriger ist die Frage: ob Rückfall oder Neuinfektion — in Handbuch der pathogenen ilikroorganisinen. I. 51 802 R- Rage, einem Malarialaucle zu beantworten. Auch können wir mit Siclierlieit noch nicht angel)en, bis zu welchem Zeitpunkt die Malariaparasiteu Eückfälle hervorrufen können. Wenzel ^'^ nahm seiner Zeit an, dass jedes Fieber, das innerhalb eines halben Jahres nach einer Neuerkrankung- auftrat, ein IMlckfall wäre. Brunner^^ setzte diese Zeit auf 1 Jahr hinauf. Mit Sicherheit kann man die Zeit, während welcher Rückfälle noch auftreten können, natürlich auch nur bei Leuten feststellen, die früher in Malarialäudern malariainfiziert waren und dann jahrelang in malaria- freien Ländern gelebt haben. Indes so leicht zu übersehende Verhält- nisse triff't man in Malarialändern nicht an und man hat daher nach sicheren Anhaltspunkten gesucht, um auch da noch, wo die betreffenden Individuen immer wieder Neuinfektiouen ausgesetzt sind, einen Rückfall von einer Neuerkrankung unterscheiden zu können. Das ist bis jetzt aber noch nicht vollständig gelungen, denn die Blutuntersuchung, die mau zu diesem Zwecke herangezogen hat, hat den gewünschten Aufschluss noch nicht gegeben, wenn sie uns auch in manchen Beziehungen weiter geholfen hat. Denn, wenn wir z. B. bei einem Manne, der früher einmal an einem Tropenfieber gelitten hat, später bei einem zweiten Fieber- anfall Tertianparasiten finden, so wissen wir ganz genau, dass kein Rückffill, sondern eine Neuerkrankung vorliegt. Schwieriger aber ist diese Frage — ol) Rückfiill oder Neuerkrankung — zu entscheiden, wenn man bei der zweiten Erkrankung dieselbe Parasitenart wie bei der ersten Erkrankung findet. Handelt es sich um Tertiana, so ist auch mit Hilfe der Blutuntersuchung die Frage: ob Rückfall oder Neuerkrankung nicht zu entscheiden. Bei der Quartana ist es angeblich möglich — ich habe darüber keine genügenden Erfahrungen — denn da sollen die Gameten erst bei den Rückfällen auftreten, während sie bei der Tertiana bereits nach dem ersten Fieberanfall erscheinen. Beim Tropenfieber steht es in der That so, dass die Gameten (Halbmonde) erst am Ende durch Chinin nicht abgekürzter, langdauernder Erstlingsfiel)er oder bei Rückfällen er- scheinen. Findet man also bei einem Fieberanfall, der im Anschluss an ein früheres Tropenfieber auftritt, von vornherein Halbmonde im Blute, so weiß man, es handelt sich um einen Rückfall. Aber nicht nur durch das Auftreten der Gameten werden die Rück- fälle einzelner Fieberarten charakterisiert: der ganze Parasitenbefund gestaltet sich manchmal bei den Rückfällen anders als bei den Neu- erkrankungen. Das ist namentlich beim Tropenfieljer der Fall. Und das erklärt das Unregelmäßige in Form und Auftreten ^ Oq O f^ei' Fieberrückfälle bei dieser Fieberart. Die Ent- O (^ O Wicklung der Parasiten wird nämlich ganz unregel- O(o) ® mäßig. Während wir bei Neuerkrankungen ein CO @*^0 bestimmtes Verhältnis zwischen Fieberkurve und OQ O Parasitenwachstum hatten, also in bestimmten Fieber- ^ Stadien bestimmte Parasitenformeu fanden, verhält sich F'o- fsq p -f ^^^^ ^^^^ ^^^^ einer kleinen Anzahl von Rückfällen so. fund bei chronischem ^^^^ findet bei den Tropenfieberrückfällen meistens in Tropenfieber. Sehe- allen Fieberstadien alle Arten von Tropenringen- matisch. (Gez. V. Ver.) nebeneinander oder auch nur große Tropenringe mit und ohne Gameten (Halbmonde). Dazu kommt, dass man die Parasiten ])ei den sogenannten kleinen Fiebern nur so lange im Blute antrifft, als der Fieberanfall dauert, d. h. während einer oder einiger Stunden. Unmittelbar nach dem Anfall können sie bereits, auch ohne dass Chinin gegeben worden wäre, aus dem Blute verschwunden sein. Bei den Malariaparasiten. 803 Rückfällen der intermittierenden Fieber ])leil)t die Reg'elmäßi<;-keit der Entwicklung- der Parasiten eine lange Zeit gewahrt, namentlich bei der Quartana. Indes auch hier kann es vorkommen, dass man z. B. bei einem Tertiantiebcrrückfiill erwachsene Formen tindet und den nächsten Anfall für kurz bevorstehend hält, (diue dass er dann eintritt. Die Pa- rasiten kommen eben nicht mehr zur Teilung: auch ohne dass Chinin gegeben worden wäre. Diese Zustände leiten, wenn keine energische und richtige Chinin- behandlung eingeleitet Avird, allmählich zur Malariakachexie über, die nichts weiter als den höchsten (Trad der chronischen Malariainfcktion mit ihren Folgen darstellt. Leiter diesen Folgen sind unheilbare Schäden der Funktionen gewisser Organe, so des Knochenmarkes, der Milz und der Leber zu begreifen. Die Blutl)ildung tindet nicht mehr in normaler Weise statt. Andere Crgane werden dadurch in Mitleidenschaft gezogen und in ihren Funktionen geschädigt, kurz der ganze K(3r})er ist siech. Dabei werden Malariaparasiten durchaus nicht in allen Fällen von Malaria- kachexie gefunden. Im (legenteil, sie fehlen sehr häutig und wenn sie über- haupt gefunden werden, dann sind sie nur in spärlicher Anzahl vorhanden. Es liegt auf der Hand, dass Kranke der Art allen anderen Infekti(nnni leicht zugänglich sind. Ich fasse daher alle die besonderen Leiden, die wie furunkul(3se Hautgeschwüre, Gangrän, Hornhauterkrankungen und Venenentzündungen alle als direkte Folgen der Malariainfektion autge- fasst worden sind, als Krankheiten sui generis auf, die Sekundärinfek- tionen vorstellen. Schwer unterzubringen ist die sogenannte lai'Tierte Malaria. Denn sie kommt sowohl bei akuter als auch bei chronischer Malaria vor. Dabei ist es schwer zu detinieren, was eigentlich unter diesem Ausdruck zu begreifen ist. Es handelt sich um periodisch wiederkehrende Stö- rungen vorwiegend im Cebiete des Nervensystems, die entweder tieber- los oder unter geringen Temperatursteigerungen verlaufen und auf Chinin prompt zurückgehen. Diese Erscheinungen sind nicht nur klinisch, son- dern auch l)akteriologisch schwer zu deuten. Denn, wie wir gleich sehen werden, findet man bei der sogenannten larvierten Malaria nur in seltenen Fällen Malariaparasiten. Am bekanntesten in dieser Beziehung sind die Xeuralgieen und unter diesen wieder die Trigeminusneuralgieen. Am meisten befallen wird der K. supraorbitalis. Al)er auch andere Erscheinungen werden beobachtet und zur larvierten Malaria gerechnet: periodisch einsetzende Kopfschmer- zen, periodisch wiederkehrendes (Tcfühl von Xiedergedrücktsein oder von Hinfälligkeit. In solchen Fällen suchte Ziemaxn vergeblich nach Malaria- parasiten und doch wurden die Ikschwerden durch Chinin gehoben. Nur Z AKHAKI ANE, dcr im Kaukasus 18^ larvierte Fieber unter 320 Malaria- fällen (Soldaten) beobachtete, fand Parasiten. Citiert nach Manxabeijc;.; Umgekehrt findet man manchmal bei Leuten, die häufig an Malaria- fiebern gelitten haben, dauernd Parasiten im Blute, ohne dass die Be- treffenden erhebliche Krankheitserscheinungen zeigten. Das ist bis jetzt am häufigsten bei der Infektion mit dem Tropenfieberparasiten beobachtet worden. Ein solches Verhalten kann nur durch einen gewissen Grad von Immunisierung erklärt werden und an solche Thatsachen schließt sich die Frage an: Kann überhaupt volle Immunität gegen Malaria erworben werden ? Früher wurde diese Frage von allen Seiten unbedingt verneint. Es hieß: eine Infektion mit Malariafieber prädisponiert zu weiteren Er- 51* 804 R. Rüge, krankungen. Je öfter jemand an Malariafiebern gelitten hat, desto em- pfänglicher wird er für eine neue Infektion. Die Erfahrung schien diesen Satz zu bekräftigen und das Fehlschlagen der Immunisierungs- versuche Cellis den Satz zu bestätigen. Celli nahm an, dass Immu- nität gegen Malaria nur durch Kachexie zustande käme. Wie bereits im Kapitel Epidemiologie erwähnt, hat E. Koch nicht nur gezeigt, dass es eine Immunität gegen Malaria giebt, sondern er hat uns auch gezeigt, wie sie zustande kommt. Er verfolgte nämlich ein durch Chinin nicht beeinflusstes Tropenfieber durch alle seine Stadien und fand, dass im Laufe eines solchen Fiebers die einzelnen Anfälle an Dauer und Schwere allmählich abnahmen, dass zugleich mit dem Milderwerden der einzelnen Anfälle sich die Gameten (Halbmonde) einstellten und dass diese Gebilde also die beginnende Immunisierung anzeigen. Auf diese Weise begann die Immunisierung des Europäers. Das Zustandekommen der Immunisierung bei ]Saturvölkern wies er durch seine epochemachenden Untersuchungen in Xeu-Guinea^ nach. Die Einwände, die gegen seine Lehre erhoben wurden, sind bereits im Kapitel Epidemiologie besprochen und widerlegt worden. (Vergl. S. 767 und S. 768.) Das sogenannte spontane Ausheilen von Malariafiebern d. h. das allmähliche Aufhören und schließliche gänzliche Verschwinden von Fieber- anfällen ohne Chinintherapie ist demnach ebenfalls als ein mehr oder weniger vollständiger Immunisierungsvorgang aufzufassen und nicht als ledig-lich durch Phagotcytose bedingt. Bei einem solchen Immunisierungs- prozess werden nach Ruges Beobachtungen bei Tertiaufiebern bis zu 50^ Gameten gebildet und eine Menge Parasiten — Schizonten und Gameten — gehen kurz nach ihrer Entstehung wieder zu Grunde. Solche dem Untergang verfallene Parasiten kommen beim Tertian- parasiten nicht über die Entwicklungsstufe des kleinen Tertianringes hinaus. Da beginnt ihr Plasma bereits zu schrumpfen und un- durchsichtig zu werden. Man erkennt das daran, dass bei solchen schrumpfenden Eingen die Innenfläche weiß erscheint, während sie sonst wie die Blutkörperchensubstanz gefärbt ist, weil diese durchschimmert. Wichtiger ist, dass das Chromatin dieser schrumpfenden Einge nicht mehr in der Form des scharf begrenzten, kompakten, runden oder ovalen Kornes, sondern als verwaschener Fleck erscheint oder schon fast ganz verloren gegangen ist. Eine besondere Besprechung erfordert die Pathogenese des Schwarz- wasserfiebers (Febris biliosa haemoglobinurica , fievre bilieuse hema- turique, black water fever). Das Schwarzwasserfieber besteht in einem ausgedehnten Zerfall der roten Blutkörperchen. Die Menge der zerfallenen roten Blut- körperchen ist so groß, dass die Leber das ganze freigewordene Hämoglobin nicht mehr in Gallenfarbstofi" verarbeiten kann, dass es vielmehr zum großen Teil noch durch die Nieren ausgeschieden werden muss. Durch die massenhaften Hämoglobinschollen, die sich in der Zirkulation befinden, werden aber die Harnkanälchen vorüber- gehend oder dauernd verstopft und es tritt Anurie ein. So weit sind sich die Autoren über das Wesen des Schwarzwasserfiebers einig. Ueber die Ursache des massenhaften Zerfalls der roten Blutkörperchen sind aber verschiedene Meinungen vorhanden. 1. Schwarz Wasserfieber ist die schwerste Form der Malariaerkran- kungen. (Diese Ansicht ist jetzt fast allgemein aufgegeben.) Malariaparasiten. 805 2. Schwarzwasserfieber ist eiue Malariaerscheinung (F. Plehn'-''). Der genannte Autor spricht sich folgendermaßen aus: »Ueber die wichtigste Komplikation der afrikanischen Malaria, das Schwarzwasser- tieber, will ich an dieser Stelle nur wenige Worte sagen. Meine Auf- fassung, dass es eine Malariaerscheinung ist, welche in der Melir- zahl der Fälle — aber keineswegs immer — durch Chinin ausgelöst wird, ist neuerdings wieder durch die Untersuchungen der englischen Malariakommission bestätigt worden, welche in allen vor Ausbruch der Hämoglobinurie untersuchten Fällen Malariaparasiten fand*), die mit demselben verschwanden. Chinin war keineswegs in allen Fällen vorher genommen worden**). Es handelt sich oöenbar um die gelegentliche Bildung eines Blutgiftes durch die Malariaparasiten, welches die Blut- körper ganz außerordentlich geneigt zum Zerfall macht; dieser selbst erfolgt dann meist auf den Einfluss einer weiteren Schädlichkeit hin — in praxi weitaus am häutigsten auf den des Chinins. Ich denke mir • das Verhältnis des Schwarzwasserhebers zur Malaria ähnlich, wie das der diphtheritischen Lähmung oder der sekundären Nephritis zur primären Infektion. Was der Grund dafür ist, dass das Schwarzwasserheber in einzelnen Malariagegenden vorkommt und in anderen nicht, dass es ferner in Afrika wenigstens an Boden gewinnt, darüber können wir freilich einstweilen nur Hypothesen aufstellen. Vielleicht steht das in Beziehung zur Verl)reitung bestimmter Arten der Malariamücken«. (Vergleiche die x4.nsicht von R. Koch auf S. 808.) 3. Schwarzwasseriieber ist eine Krankheit sui generis (Yersin, Sambon^^). 4. Jedes Schwarz Wasserfieber, das nach einer Chiningabe folgt, ist eine Chininvergiftung (Veretas [1858?], Tomaselli [18741, R. Koch [1898] 10, Stephens & Christophers [ 1900] ij. Ad 2. Die Gründe, die dazu führten, das Schwarzwasserfieber als eine Malariaerscheinung anzusehen, waren folgende. Erstens wird Schwarzwasserfieber nur in Gegenden beobaclitet, in denen schwere Malariafieber heimisch sind. Zweitens werden nur Leute davon be- fallen, die vordem öfter an Malariafiebern gelitten oder gerade einen Malariaanfall haben. Drittens wurden in einer Reihe von Fällen Malariaparasiten bei Schwarz wasserfieberkranken gefunden. Viertens hat ein Schwarzwasserfieberanfall viel Aehnlichkeit mit einem schweren Malariaanfall. Gegen diese Annahme, dass das Schwarzwasserfieber lediglich eine Malariaerscheinung ist, muss folgendes eingewendet werden. Aus den ganz richtigen Beobachtungen (^r. 2) geht nichts weiter hervor, als dass durch Aufenthalt in gewissen Malariagegenden und durch wiederholtes Ueberstehen von Malariafiebern eine Disposition zu Schwarzwasserfiebererkrankungen geschaöen wird. Malariaparasiten sind allerdings bei Schwarzwasserfieberkranken gefunden worden und zwar alle 3 Malariaparasitenarten (i^- i^), aber mit geringen Ausnahmen (1, S. 19) stets in so geringen Mengen, dass die schweren Krankheits- *) Das sind 5 Fälle {K S. 18/19). **) Christophers & Stephens ('. S. 28) geben an. dass sie bei den von ihnen beobachteten Fällen von Sohwarzwasserfieber nie imstande waren, mit Sicherheit zn sagen, dass kein Chinin vorher genommen war. Der englische Text {'■, S. 21) lautet: »Among our own cases we have not met with one in which quinine could be excluded beyond all doubt. bat. on the contrary. the blackwater followed more or less closely after the quinine.« Daniels berichtet, dass er das nur in einem Falle konnte. Er schreibt: I only know of one case in which no drug had been taken -. S. öO . 806 R- Riige, ei'scheinungeu iu gar keinem Verhältnis zu der Anzahl der vorhandenen Parasiten standen. Diese wenigen Parasiten konnten also nicht gut so schwere Schädigungen auslösen, wie sie das Schwarzwasserfieher mit sich bringt. Umgekehrt können ]\Ialariaparasiten massenhaft im Blute sein, ja es können 30^ bis 80^ der roten Blutkörperchen infiziert sein, ohne dass Schwarzwasserfieber zum Ausbruch kommt. Ad 3. Yersin glaubte den Schwarzwasserfieberbacillus im Urin ge- funden zu haben. Diese Entdeckung hat sich aber nicht bestätigt. Sambon hingegen glaubt, dass das Schwarzwasserfieber deshalb eine Krankheit sui generis ist, weil es auf ganz bestimmte Malariagegenden beschränkt ist: Ost- und Westafrika, Cayenne, Madagaskar, Sardinien, Sizilien und Griechenland, in Indien, Algier und Italien aber fast ganz fehlt. Außerdem nähmen die Schwarzwasserfiebererkrankungen durch- aus nicht in derselben Weise wie die Malariafieber in bestimmten Jahres- zeiten an Häufigkeit zu bezw. ab, sondern erschienen vollkommen un- abhängig von dem Gange der Malariafieber. Zum Schluss endlich hätte das Schwarzwasserfieber eine große Aehnlichkeit mit dem Texas- fieber der Rinder. Dass gerade das Gegenteil der Fall ist, werden wir später noch sehen. Gegen die Ansicht, dass es sich bei dem Schwarzwasserfieber um eine Krankheit sui generis handelt, spricht der Umstand, dass fast nur Leute daran erkranken, die früher an Malaria gelitten haben. Die Malaria muss also die Disposition dazu mit schatten. Es wäre aber denkbar, dass in den so disponierten Körper ein Mikro- organismus eindränge, der das Schwarzwasserfieber hervorriefe. Diese Annahme ist aber gar nicht nötig. Denn, wie wir gleich sehen werden, kennen wir bereits das Gift, das in der weitaus überwiegenden Mehr- zahl der Fälle in dem durch Malariafieber dafür empfänglich gemachten Körper den Schwarzwasserfieberanfall auslöst. Der Umstand, dass es ein Gift ist, das den Anfall hervorruft, und dass dieses Gift jederzeit dem Körper einverleibt werden kann, erklärt auch die Thatsache, dass die Schwarzwasserfieber unabhängig von der ]Malariamorl»idität auftreten. Ad 4. Diejenigen, die in dem Schwarzwasserfieber, das nach einer Chiningabe auftritt, eine Chininvergiftung sehen, stützen sich auf die oft beobachtete Thatsache, dass in zahlreichen Fällen von Malariafiebern, in denen Chinin gegeben wurde, diu'chschnittlich 4 Stunden später — also auf der Höhe der Chininwirkung — der Schwarzwasserfieberanfall eintrat, dass das Schwarzwässerfieber vorüberging, sobald das Chinin ausgesetzt wurde und dass sofort ein neuer Anfall sich einstellte, sobald wieder Chinin gegeben wurde. Allerdings kommen auch vereinzelte Fälle vor, in denen wenige Tage später eine zweite Chinindosis an- standslos vertragen wird, obgleich die erste einen Schwarzwasserfieber- anfall hervorrief. Wir müssen uns diese Erscheinung so erklären, dass in solchen Fällen alle gegen Chinin widerstandsunfähigen roten Blut- körperchen durch die erste Chioingabe zerstört wurden und daher die zweite Chiningabe keine mehr zu zerstören fand, also auch keinen Schwarzwasserfieberanfall auslösen konnte. (E. Kocii.) Nun stehen aber diejenigen, die in dem Schwarzw^asser- fieberanfall, der auf eine Chiningabe folgt, eine reine Chininvergiftung sehen, keineswegs auf dem Standpunkt, dass jedes Schwarzwasserfieber eine Chininvergiftung ist und dass der Schwarzwasserfieberanfall mit der Malaria nichts zu thun hätte. Ich hebe das besonders hervor, weil aus der Malariaparasiten. 807 Ar])eit 11. Kochs ^^ über Schwarzwasserfieber gefolgert worden ist, dass dieser Autor jeden Zusamnienliang zwischen Malaria und Schwarz- wasserfieber in Abrede stellt. Koch fasst vielmehr den Schwarzwasserfieberanfall »als einen ganz selbständigen Krankheitsprozess. w^elcher mit der Malaria nicht in einem uuniittelbaren Zusammenhang steht, < auf »Ganz allmählich wurde ich durch die sich mir aufdrängenden Thatsachen ge- zwungen, meine ursprüngliche ^leinung, dass das Scluvarzwasserfieber eine besondere ^lodifikation der ^lalaria sei, aufzugeben und dahin geführt, es für einen Intoxikationszustand zu halten.« Weiterhin heißt es, nachdem davon die Eede gewesen ist, dass das Schwarzwasserfieber nur in ganz l)estimmten tropischen und subtroi)ischen Gegenden vorkommt: »das Klima an und für sich- bietet also keine genügenden Anhaltspunkte für das Zustandekommen der Disposition. Aber auch vorübergegangene Anfälle von Tropenfieber allein können die Disposition nicht schaffen; denn in vielen Gegenden, wo das Tropenfieber herrscht, fehlt das Schwarzwasserfieber, und wir haben außerdem gesehen, dass es auch l)ei Menschen vorkommt, welche an der gewöhnlichen Tertiana leiden oder gelitten haben. Wenn es somit weder das Klima allein, noch eine der beiden Malariaarteu allein sein können, welche die Disposition zum Schwarz Wasserfieber erzeugen, dann werden wir schließlich zu der Annahme gedrängt, dass der Kombination dier-^er beiden Faktoren, wenigstens in erster Linie, diese Wirkung zuzuschreiben ist.« R. Koch scheidet also streng zwischen den Faktoren, die die Dis- position zum Schwarzwasserfiel)er schaffen — Malariafieber und Klima bestimmter tropischer und subtropischer Gegenden — und dem Schwarz- wasserfieberanfall selbst, der eben in den meisten Fällen durch eine Chiningabe hervorgerufen wird. So fand F. Plehn in 56 % seiner Schwarzwasserfieberfälle, A. Plehn in 87^, Doering in 97^, dass Chinin den Anfall auslöste, und Stephens & Christophers (i, S. 28) geben an, dass sie überhaupt in keinem Fall von Schwarzwasserfieber, den sie beobachteten, mit Sicherheit die Chininwirkung als Ursache ausschließen konnten, weil die Europäer in Afrika die kleinen Chinin- dosen, die sie prophylaktisch zu nehmen gewohnt waren, gar nicht rechneten, sondern nur größere, dass aber andererseits der Schwarzwasser- fieberanfall stets früher oder später dem Chinin folgt. Auch Daniels (2, S.50) berichtet, dass er nur einen Fall von Schwarz Wasserfieber sah, der ohne vorherige Chiningabe zum Ausbruch kam. In der weitaus größten Anzahl der Fälle ist also das Schwarzwasserfieber eine Chininvergiftung. Dass auch andere Medikamente, wie Antipyrin und Phenacetin oder Pflanzengifte oder Durchnässungen und starke Abkühlungen nach großen körperlichen Anstrengungen Hämoglobinurie alias Schwarz- wasserfieber hervorrufen können, war Koch wohl bekannt und er hat dies auch in seiner Arljeit erwähnt. Aber auch die Thatsache, dass er in mehr als der Hälfte der von ihm beobachteten Schwarzwasserfieber keine Malariaparasiten, und da, wo er sie fand, diese mit einer Ausnahme nur spärlich antraf, spricht dafür, dass der Schwarzwasserfieberanfall nicht durch die Malariapara- siten an sich hervorgerufen wird; namentlich wenn man noch in Betracht zieht, dass in Fällen, in denen W% bis 80^ der roten Plutkörperchen mit Malariaparasiten infiziert sind, kein Schwarzwasserfieber ausbricht. Beim Texasfieber liegen die Verhältnisse aber gerade umgekehrt, da ist die Hämoglobinurie um so stärker, je mehr Parasiten im Blute sind. 808 R- Enge, Auf demsel))en Standpunkt wie Kocii stehen Stephens und Chri- stophers, die ihre Erfahrungen in folgenden Sätzen zusammenfassen: 1) Das Schwarzwasserfieber hängt ursächlich mit der Malaria zu- sammen, kann aber nicht als Malariafieberanfall betrachtet werden. 2) Das Chinin ist in der größten Mehrzahl der Fälle die unmittel- bare Ursache desselben. 3) Es giebt auch nicht eine einzige Thatsache, die dafür spräche, dass ein besonderer Mikroorganismus die Ursache des Schwarzwasser- fiebers ist. Schwarzwasserfieber gleicht der paroxysmalen Hämoglobi- nurie und vielleicht der Hämoglobinurie der Pferde sehr viel mehr als dem Texasfieber. Einen Schritt vorwärts in der Erkenntnis, in welcher Weise die Disposition zum Schwarzwasserfieber erworben wird, scheint uns die Arbeit von Kleine" gebracht zu haben. Dieser Autor schreibt: » . . . Koch . . . glaubt, . . . dass durch eine gehörige Chininprophy- laxe die Malaria und mit ihr — in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle — das Schwarzwasserfieber ausgerottet werden kann. Eine un- vollständige Chininprophylaxe, die nicht ausreichend vor ^Malaria schützt, prädisponiert hingegen zum Schwarzwasserfieber, denn nun wirken Plas- modien und Chinin vereint schädigend auf den (Organismus. Gerade die jetzt vielfach für genügend gehaltene Dosis von 0,5 g per os scheint in einer ganzen Anzahl von Fällen an der Erzeugung der Disposition zum Schwarzwasserfieber beteiligt zu sein.« In jüngster Zeit berich- teten Rugei^ und Schlayeri* ^xher zwei entsprechende Fälle, in denen selbst nach regelmäßigem Geln-auch von 0,5 g-Dosen — alle 5 Tage genommen — Schwarzwasserfieber auftrat. Fisch ^ giebt an, dass Leute, die regelmäßig alle 12 Tage 1,0 g Chinin nahmen, vom Schwarzwasser befreit blieben, dass aber Leute, die »entweder gar kein Chinin oder nur halbgrammweise, wohl auch noch in unregelmäßigen, mehr oder weniger langen Zeiträumen nehmen«, an Schwarzwasserfieber erkrankten. Sollte die Ansicht R. Kochs über das Zustandekommen der Dis- position zum Schwarzwasserfieber durch weitere Beobachtungen bestätigt werden, so wäre uns allerdings durch die Kocii-ScHROEDERSche Pro- phylaxe eine Wafte zur Ausrottung des Schwarzwasserfiebers in die Hand gegeben. Litteratur. 1 Christophers & Stephens, Rep. to the Mal. Com. 1901, Y. Series, pag. 21. Blackwater Fever. — - Daniels, ibid., pag. 50, Notes on Blackwater Fever in Brit. Cent-Afrika. — -^ Fisch, Arch. f. Schiffs- u. Trop.-Hyg.. 1902, S. 10. — 4 Golui, Mitteil, an die R. Acad. di Med. di Torino in d. Sitzung am 20. XL 1885 (197). — -"■ Ders., Fortsein-. Med., 1886, pag. 575. — '■ Ders., Arch. per le scienz. med., vol. X. 1886. — ' Kleine. Ueber Schwarzwasserfieber. Zeitschr. f. Hvg. u. Inf.. 1901. Bd. 38, S. 486. — 8 Koch, R.. Aerztl. Beobacht. in d. Trop. Vortrag 'in d. Dtsch. Kol.-Ges.. Verhdlg. der Abt. Berlin-Charlottenburg, 1897 98, Heft 7. — '■» Ders., Dritter Be- richt über die Thätigkeit d. Malariaexped. Dtsch. Med. Woch., 1900, Nr. 17/18. — w Ders., Zusammen!'. Darstellung d. Ergebn. d. Malariaexped. Dtsch. med. Woch.. 1900, Nr. 49/50. — " Ders., Ueber Schwarzwasserfieber. Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., 1899, Bd. 33. S. 295. — i^ Laveran, Traite du Paludisme, 1898. — i3 Manson. Exp. Froof. of Mosqu. Mal. Theory. Brit. Med. Journ., Sept. 29. 1900, pag. 950. — 11 Otto, Dtsch. med. Wochenschr., 1902, Nr. 4. — i' Plehn. F., ebd., 1901, S. 838. — Iß Rüge, ebd., 1902, Nr. 28. — ^" Sambon, Spec. Mal. Numb. of the Practitioner, March 1901, p. 330. — 18 ScHLAYER, Dtsch. med. Woch., 1902, Nr. 28. — w Wenzel. Die Marschfieber, 1871, p. 229. — 20 Ziemann. Ueber die Beziehungen der Moskitos zu den Malariafiebern in Kamerun. Dtsch. med. Wochenschr., 1900. S. 754. Malariaparasiten. 809 VIII. Die echten Malariaparasiten Hämosporidien) der Vögel. Vögel können verschiedene Blutparasiten beherbergen. Echte Malaria- jDarasiten sind bis jetzt aber nur 2 bei ihnen gefunden worden, nämlich das Proteosoma (Haemamoeba relicta, Cytosporon danilewskyi) und das Halteridium (Haemoproteus). Die Verbreitung dieser beiden echten ^Malariaparasiten entspricht ungefähr derjenigen der menschlichen Malariaparasiten. Vollständig bekannt ist der Entwicklungsgang nur beim Proteosoma (Cytosporon). Vom Halteridium kennen wir nur einzelne Bruchstücke der Entwicklung. I. Proteosoma Labbe (Cytosporon danilewskyi, Haemamoeba relicta), Das Proteosoma ist ül)er die Tropen und Subtropen weit verbreitet, aber auch in Deutschland und Frankreich gefunden worden. Je wärmer das Land, desto weiter verbreitet und desto stärker tritt die Infektion bei den Vögeln auf. Befallen sind meistens Sperlingsvögel, aber auch bei Turmfalken, Bussarden, Krähen und Tauben ist das Proteosoma gefunden worden. Dabei ist es selten, dass die natürlich inlizierten Tiere Krank- heitserscheinungen zeigen. In Deutschland ist die Proteosoma-Infektion der Sperlinge von Ruge*^ und von v. Wasielewski» eingehend studiert worden, nachdem Frosch* als erster das Vorkommen des Proteosomas in Deutschland (Weissensee b. Berlin) festgestellt hatte. Die nachstehende Tabelle giebt einen Ueberblick über das zeitliche Vorkommen der Proteosoma-Infektion bei Sperlingen in Deutschland. Das zeitliche Vorkommen des Proteosoma bei Sperlingen in Deutschland (nach Rüge c^ v. Wasielewski). Prozentzahl der Zahl der Monat infiziert gefun- i untersuchten denen Sperlinge ] Tiere Stärke der Infektion. Oktober 20 Prozent 53 Gewöhnlich 1 — 5 Parasiten in einem Präparat, Imal 8, 2 mal 10—15 Parasiten November 16 > 43 1 — 5 Parasiten im Präparat Dezember 0 » 7 — » gefunden Januar 0 » 21 • — » » Februar 8 » 12 1 — 5 Parasiten in einem Präparat März 12 16 iS'ach V. Wasielewski April 27 » 15 1 — 5 Parasiten in einem Präparat Mai 16 19 1-5 . » , Juni o » 24 1—5 » :> » Juli August { 13.5 j 40 / Nach V. Wasielewski September 30 » 20 1 — 5 Parasiten in einem Präparat, Imal 22 Parasiten in einem Präparat A. Entwicklungsgang des Proteosoma im Vogel Schizogonie) . Am besten lässt sich der Parasit an künstlich inlizierten Kanarien- vögeln studieren. Untersucht mau das Blut eines stark infizierten Vogels, am besten also das eines künstlich infizierten Kanarienvogels, so findet man stets alle Entwicklungsstufen des Parasiten nebeneinander. Da sich schon 810 R. Enge, selbst die kleinsten Formen deutlich als lielle, scharf umgrenzte Flecke von der Substanz der roten Blutkörperchen abheben und schon früh- zeitig ein feines Pigmentkoru enthalten, an dem sie sofort zu erkennen sind, so kann man hier — im Gegensatz zu dem für die Untersuchung auf menschlichen Malariaparasiten empfohlenen Verfahren (vergl. S. 777) — die Untersuchung stets im frischen (nativen) Präparat vornehmen. Die jüngste mit Sicherheit erkennbare Entwicklungsstufe des Pro- teosoma erscheint als kleiner, runder, heller, scharf umgrenzter Fleck, mit einem winzigen Pigmentkörnchen versehen. Der Parasit sitzt meist an einem Pole des Blutkörperchens. Er kann sich aber auch neben dem Kern ansiedeln. Fehlt aber das Pigmentkörnchen, so ist der Parasit nicht mit Sicherheit zu erkennen, Aveil ihm die amöboide Beweglichkeit fehlt. Der Parasit wächst und bildet sehr bald mehr Pigment. Während seines Wachsens dreht er den Kern des Blut- körperchens sehr oft quer oder schiebt ihn auf die Seite. (Was das gleich nach- her zu besprechende Halteridium nicht thut.) Dabei kommt es auf die Größe, die das Proteosoma erreicht hat, gar nicht an. Oft findet man verhältnismäßig kleine Proteosoma-Individuen, die den Kern schon gedreht haben, während grö- ßere ihn noch in seiner natürlichen Lage gelassen haben. Auch kommt es vor, dass das Proteosoma, ähnlich wie das Halteridium, den ganzen Kern umwächst, ohne ihn zu drehen. Ein solches Wachstum ist aber selten. Während nun im frischen Präparat die halberwachsenen Parasiten als scharf begrenzte, meist kreisrunde Fig. 60. Das zeitliche Vorkommen Gebilde erscheinen, die die Blutkörperchen des Proteosoma bei Sperlingen zwar nicht in ihrer Größe oder Farbe, in Deutschland. wohl aber in ihrer Form verändern — (Nach Rüge und v. Wasielewski.) birnenförmig gestalten oder an irgend einer Stelle ausbuchten — haben die Teilungsformen verwaschene Bänder und die von ihnen befallenen Blut- körperchen sind meistens rund gew^orden. Zur Teilung schicken sich die Parasiten schon sehr häufig an, wenn sie noch nicht die Hälfte des Blutkörperchens ausfüllen. Schon dann ist ihr Pigment in einem Klumpen vereint und die Umrandung des Parasiten wird verschwommen. Parasiten, die sich so frühzeitig teilen, zerfallen in 6 — 8 junge Parasiten, die entweder in Gänseblümchen- oder in Fächerform angeordnet sind. Teilungsformen dieser Art drehen den Kern stets quer. Es kann aber der Parasit das Blutkörperchen auch fast oder fast ganz ausfüllen und sich dann erst teilen. Dann werden meist 12 — 15 junge Parasiten ge- bildet und der Kern sehr oft ganz ausgestoßen. Die Blutkörperchen selbst haben dann stets ihre wetzsteinförmige Gestalt verloren und sind in die Breite gezogen, birnenförmig oder rund geworden. Dann platzt der Rest der Blutkörperchenhülle und die jungen Parasiten treten ins Blut, um ihren Entwicklungsgang wieder von vorne zu beginnen. \ '•si >v ^ s t 1 1 "1 ,72 .W 2S A 2fi 1 /\ 2A- A / ^^ \\ [ 20 ' 1 [ M \ 76 / \ V /* / \ / 1 72 / \ r J \ 70 / l 1 ' ^ / 1 i 6 \/ ^ V \ 2 / \ üZ \L AJ Malari:ii)arasiten. gU Neben diesen soeben beschriebenen Parasitenformen, die die asexuale Entwickluugsreihe vorstellen, finden wir nun aber auch noch die Gameten. Der erwachsene männliche Gamet erscheint meist als runder, auffallend blasser aber stark pigmentierter Körper. Da er meistens einen Durcli- messer von Blutkörperchenkernlänge hat, so ist das befallene Blut- körperchen immer stark in die Breite gezogen. Der Parasitenkörper ist so blass und durchsichtig, dass er bei oberflächlicher Betrachtung zunächst nur an seinem starken Pigmentgehalt zu erkennen ist. Das Pigment ist gelbbraun, beweglich und über den ganzen Parasitenleib unregelmäßig zerstreut. Der Kern des Blutkörperchens ist für gewöhn- lich ausgestoßen, seltener zur Seite gedrängt. Der weibliche Gamet erscheint oft als langgestrecktes Oval, dessen Längsdurchmesser denjenigen des Blutkörperchenkernes um das IY2 fache an Länge übertreffen kann. Er enthält ebenfalls Pigment, aber bei weitem nicht so viel und namentlich nicht in so groben Körnern als I ^.. Ch /v^ '^^ Fig.61. Entwicklung desProteosoma. Romanowsky-Präparat. C/^ = Chromatin. 1. Jngendtbrmen. Doppelinfektion. 2 u. 3. Halberwachsene Formen. Kern des be- fallenen Blutkörperchens beiseite geschoben. Blutkörperchen in ihrer Form ver- ändert. 4—7. Verschiedene Teilungsformen. Blutkörperchenkern teils beiseite ge- schoben, teils gedreht, teils ausgestoßen. 8. Mikrogametocyt. Die runden schwarzen Körner sind Pigment, die feinen Striche Chromatinfäden. 9 u. 10. Makrogameten. Blutkörperchenkeru ausgestoßen. 11. Doppelinfektion mit einem Mikrogametocyten und einem in der Teilung begriffenen Schizouten. Blutkörperchenkern zur Seite gedrängt. Nach Zeichnungen des Verf ; der männliche Gamet. Auch hat das Pigment des weiblichen Gameten die Neigung, sich an verschiedenen Stellen etwas zusammenzuziehen. Das Plasma ist fein granuliert und erscheint daher etwas dunkler als dasjenige des männlichen Gameten. Aber ebenso oft wie der weibliche Gamet als Oval erscheint, ebenso oft erscheint er als Scheibe, die in der Mitte des Blutkörperchens liegt. Auch bei dieser Form ist der Blut- körperchenkern gewöhnlich ausgestoßen. Halbmond formen werden bei den Gameten des Proteosoma nicht beobachtet. Die Blutkörperchen sind oft 2 und 3 fach infiziert. Dann sitzt ge- wöhnlich der eine Teil der Parasiten in dem einen, der andere Teil in dem anderen Pol des Blutkörperchens. Zwischen l)eiden liegt der quer gedrehte Kern. Die Substanz des Blutkörperchens zeigt nur wenig Veränderungen. Nur manchmal erscheint sie etwas l)lasser, als unter normalen Verhältnissen. Die Dauer der Entwicklung des Proteosoma lässt sich nicht feststellen, da num stets alle Entwicklungsstufen zu- gleich im Blute vorfindet. Die Inkubationszeit beträgt 4 — 6 Tage. (Nach V. Wasielewski bis 14 Tage.) 812 E. Euge, Die Stärke der Infektion kann sehr verschieden sein. Während KüciE bei natürlich infizierten Sperlingen hier in Deutschland für ge- wöhnlich nur 1 — 5 Parasiten im ganzen Präparat fand und nur einmal 22, kann die Infektion bei Kanarienvögeln, die durch Einspritzung von proteosomahaltigem Blute infiziert sind, bis auf 60^ und 90^ der Blutkörperchen steigen und zwar können sowohl rote als auch weiße Blutkörperchen infiziert sein. Natürlich infizierte Sperlinge zeigen nie Krankheitserscheinungen, und von künstlich infizierten Sperlingen starb bei RuGES Untersuchungen mir ein einziger an seiner Proteosoma-Iu- fektion. Die Kanarienvögel hingegen erliegen der Infektion häufig. Während die Infektion bei künstlich infizierten Kanarienvögeln akut verläuft und nach den Untersuchungen von E. Koch Immunität hiuter- lässt, verläuft sie bei Sperlingen sowie Finken und bei durch Mücken in- fizierten Kanarienvögeln chronisch (Zeitdauer 4 Wochen und länger nach V. Wasielewskis Angaben). Ueber das Verhalten der Parasiten im Tierkörper ist noch zu bemerken, dass sie nicht die Eigentümlichkeit haben, sich in bestimmten Organen, wie in Milz, Knochenmark oder Gehirn anzuhäufen. Sie sind durch den ganzen Körper ziemlich gleich- mäßig verteilt und finden sich nur zahlreicher im Herzblut. Das Pigment ist allerdings weitaus am stärksten in der Milz angehäuft, die bis auf das 3 und 4 fache ihres ursprünglichen \'olumens vergrößert sein und chokoladenl)raun werden kann, während sie bei gesunden Vögeln ein zartes Rotbraun zeigt. Der feinere Bau des Proteosoma lässt sich leicht mit Hilfe der EoMANOwsKY- Färbung klarlegen. Ebenso wie bei den menschlichen Malariaparasiten färbt sich die Kernsubstanz (Chromatin) rot und das Plasma hellblau. Schon die jüngste, kleinste Form, die im frischen Präparat nicht mit Sicherheit zu erkennen ist, so])ald das charakte- risierende Pigmentkörnchen fehlt, hat ihr deutlich hervortretendes, leuchtend rotes ( -hromatinkorn, dem eine Wenigkeit hellblau gefärbtes Plasma anhängt. Mit dem weitereu Wachstum des Parasiten hält das Wachstum des Chromatins nicht gleichen Schritt. Erst kurz vor der Teilung fängt das Chromatin an, lebhaft zu wachsen, dabei teilt es sich in 2, dann 4 und 8 oder 16 Teile, und an jedes neugebildete Chromatinkorn legt sich ein gleich großer hellblau gefärbter Plasmateil an. Die so zustande kommende Teilungsform hat die größte Aehn- lichkeit mit der Teilungsfigur des Tropeufieberparasiten. Im übrigen aber zeigt das Proteosoma in seiner Entwicklung nicht so scharf von- einander getrennte Stufen wie die menschlichen Malariaparasiten. Sein Wachstum ist ein einfaches Zunehmen an Größe. Es fehlen sowohl die für die menschlichen Malariaparasiten so charakteristischen Ring- wie Bandformen. Deutlich zu erkennen sind die erwachseneu Gameten. Die männlichen Individuen (Mikrogametocyten, Fig. 61, Nr. 8), fallen durch ihr schwach graurot oder graugrünes Plasma, ihren starken Chromatiugehalt (Plasma: Chromatin =1:1) und ihr reichliches grobkörniges , gelbbraunes Pigment auf (Vergl. Atlas, Tafel IV, Fig. 111 und Tafel V, Fig. 139.) Die Weibchen (Makrogameten) haben intensiv blau gefärbtes Plasma, wenig aber leuchtend rotes Chromatin und weniger Pigment. Das Pigment ist feinkörniger als beim Mikrogametocvten und erscheint schwarz. (Vergl. Atlas,'^Tafel IV, Fig. 112, Tafel V, Fig 138 und Fig. 61, Nr. 9 und 10.) Ob das Pigment beim Männchen regelmäßig gelbbraun und beim Weibchen immer schwarzbraun ist. lässt sich im frischen Malariaparasiten. 813 Präparat nicht immer mit Siclierbeit entscheiden. Im gefärbten verhält es sich aber fast durchgehend so, dass der männliche Gamet gelb- braunes, der weibliche schwarzbraunes Pigment zeigt. Doch will es mir scheinen, als ob die dunklere Farbe des Pigmentes beim Weibchen dadurch hervorgerufen wird, dass es auf dem tief dunkelblau gefärbten Plasma liegt und daher das Licht nicht so durchscheinen kann, wie beim Männchen, dessen Plasma fast farblos ist. B. Die Entwicklung des Proteosoma in der Mücke (Sporogonie). Die geschlechtliche Weiterentwicklung des Proteosoma geht in der gemeinen Stechmücke Culex pipieus (vax der Wulp) vor sich (vergl. Atlas, Tafel lY, Fig. 113-115 und 119—125, 135, 136j. Tötet man einen Culex pipiens unmittelbar nachdem er protcosomahaltiges Blut gesogen hat, so findet man, dass die Gameten aus den roten Blutkijr- perchen ausgetreten und vollkommen rund geworden sind. Die männ- lichen Gameten Mikrogametocyten) bilden Mikrogameten (Geißeini , so wie es bei den menschlichen Malariaparasiten beschrieben worden ist, die Geißeln (Mikrogameten i dringen in die weiblichen Gameten (Makro- gameten^ ein und die Kopulation ist vollendet. Diesen Vorgang kann man schon im frischen Yogelblut direkt unter dem Mikroskop im hän- genden Tropfen beobachten. Aveun man nach Kossels^ Vorsehlag in einen hängenden Tropfen, der 0,6proz. Kochsalzlösung zu Vogelblutserum im Verhältnis von 1 : 9 enthält, so viel Vogelblut hineinbringt, als an der Spitze eines Platindrahtes hängen bleibt. Die weitere Entwicklung der befruchteten Weibchen d. h. die Bil- dung der Würmclien (Ookineten Ijisst sich aber nur im 3IUckenmagen beobachten. Untersucht man also den Mageninhalt von Mücken Culex pip.) 12 Stunden, nachdem proteosomahaltiges Blut gesogen Avorden ist, so findet man die AVürmchen (Ookineten), die den Halbmonden des mensch- lichen Tropentieberparasiten sehr ähnlich sein können und wie diese Pigment enthalten. (Vergl. Atlas Tafel IV, Fig. 114, 115.) Nach weiteren 36 Stunden, also nachdem im ganzen 48 Stunden nach dem Blutsaugen vergangen sind, sind die Würmclien (Ookineten) aus dem Magen ver- schwunden, dafür findet man aber jetzt an der Außenseite des Mücken- magens (Mitteldarm glashelle, runde Kugeln (Cysten, Zygoten), die halb bis doppelt so groß als ein menschliches rotes Blutkörperchen sind und einzelne lebhaft bewegliche Pigmentkörnchen enthalten. (Vergl. Atlas, Tafel V, Fig. 123, 124 und 135 und 136.) Diese Kugeln wachsen sehr schnell und haben nach 5 Tagen etwa den sechsfachen Durchmesser wie am ersten Tage ihres Daseins. Nun fangen sie an, in ihrem Inneren Tochterkugelu ^Sporoblasten, Blastophoren) zu bilden. Diese können bereits z. T. eine feine Strichelung zeigen. Sicher tritt diese Strichelung aber in den nächsten Tagen allgemein auf. Diese Strichelung deutet au, dass der Inhalt der einzelnen Tochterkugeln anfängt, sich in Sichel- keime (Sporozoiten) umzuwandeln. Die Tochterkugeln verschwinden scheinbar und die ganze Cyste, die nunmehr auf das 8 — 10 fache ihrer ursprünglichen Größe angewachsen ist, zeigt eine feine scheinbar un- regelmäßig angeordnete Strichelung.* i Die Cyste platzt nun, die Sichel- *) Die Bildung der Blastophoren Sporoblasten ist von Guassi auf das ein- gehendste studiert und beschrieben worden. Ich begnüge micli damit, diese Eut- wicklung in großen Zügen wiederzugeben. 814 K. ßuge. keime (vevg'l. Atlas. Tafel IV, Fig-. 125, 126) treten einzeln oder noch an ihren Enden strahleufürmig- zusammenhängend in die Leibeshöhle der Mücke, werden vom Lvmphstrom aufgenommen und in Massen in den beiden Speicheldrüsen und zwar vorwiegend in deren mittleren Lappen abgelagert. 10 Tage*) nach dem Blutsaugen findet man dann die Speicheldrüsen der betreffenden Mücke vollgestopft mit Sichelkeimen (Sporozoiten, Zygotoblasts, blasts, germinal rods;. Die dicht gedrängt in den Speicheldrüsen liegenden Sichelkeime bilden ein feines Gitterwerk und sind dann oft schwer zu erkennen. Liegen sie einzeln, so treten sie deutlich hervor. Kur muss man sich hüten, sie mit sogenannten Pseudonavicellen (Guassi) zu verwechseln. Diese Gebilde sehen ihnen außerordentlich ähnlich und unterscheiden sich von ihnen nur durch ihre Starre und Wetzsteinform. Sie sind unbeweglich. Wahrscheinlich stellen sie eine krystallinische Aus- scheidung vor. Die einzelnen Sichelkeime hingegen sind lanzettlich und zeigen sogar, während sie noch in den Speicheldrüsenzellen einge- schlossen sind — vorausgesetzt, dass sie einzeln liegen — eine lang- same Bewegung : sie beugen und strecken sich. Jeder einzelne Sichel- keim ist ein hyalines Gebilde, das etwa IY2 so lang als ein rotes Blutkörperchen (menschliches) und 8 — 10 mal so lang als breit ist. In seiner Mitte findet sich ein heller Fleck (Kern). Bringt man eine Spei- cheldrüse, die Sichelkeime vom Proteosoma enthält, in Kochsalzlösung oder noch besser in Vogelblutserum, dem eine Spur Vogelblut beige- mischt ist, und l)eobachtet das Präparat bei 41° C, so treten die Sichelkeime sehr bald aus. Sie sehwirren lebhaft zwischen den roten Blutkörperchen umher und bohren lebhaft an ihnen herum, als ob sie eindringen wollten, thun es aber nicht. Oft nehmen sie die Form eines grichischen q oder eines großen griechischen £i an, auch legen sie sich in Ringform zusammen, so dass sie einem großen Tertianring gleichen, schnellen aber stets bald wieder auseinander. Die lebhafte Beweglich- keit der Sichelkeime wird nach 2 — 3 Stunden schwächer und hört dann gänzlich auf. Die gut beweglichen Sichelkeime zeigen sich gegen vor- übergehende Schädigungen ziemlich widerstandsfähig. In Mücken sind sie 24—36 Stunden nach dem Tode der Tiere noch beweglich. Auch überstehen sie es z. B. ganz gut, wenn sie bei 37° C. eingetrocknet und erst nach 5 Minuten wieder aufgeschwemmt werden. Auch ein Zusatz von 1/2 X Formalin hat keinen wesentlichen Einfluss auf ihre Beweglichkeit. Die Entwicklung des Proteosoma vollzieht sich aber nur dann in der eben beschriebenen Art und Weise, wenn die infizierten Culices sich in einer Temperatur befinden, die zwischen 24 und 30° C schwankt. Bei den Untersuchungen des Magens der mit Proteosoma infizierten Mücken findet man nun häufig, dass nel)en den mit normalen Sichel- keimen angefüllten Cysten (Zygoten, Blastophoren, Sporoblasten) auch solche vorkommen, die mit eigentümlichen, braunen, S-förmig gekrümm- ten Gebilden angefüllt sind, die die ganze Cvste schwarzbraun erscheinen lassen (vergl. Atlas, Tafel IV, Fig. 127 und 135). Manche dieser Ge- bilde sind nicht S-förmig, sondern einfach sichelförmig gekrümmt oder aber stäbchenförmig. Schon Ross ' der diese schwarzen Cysten fand, Manchmal finden sich schon am 7. Tage Sichelkeime in den Speicheldrüsen. Maluriaparasiten. 815 sprach die Meiuung- aus, dass es sich um luvolutionsfomieu der Sichelkeime haudehi dürfte. Er nannte die schwarzbraunen Keime »black spores : (verg-l. Atlas, Tafel IV, Fig. 129;. Ich möchte vor- schlagen, sie nach ihrem Entdecker als Kosssche Keime zu bezeichnen. Dadurch, dass es mir gelang-, Cysten mit gelbbraunen Sichelkeimen ^vergl. Atlas, Tafel IV, Fig. 127) zu finden und Uebergangsformen (vergl. Atlas, Tafel IV, Fig. 128) zwischen diesen und den Rossschen Keimen, konnte ich nachweisen, dass die Rossschen Keime thatsächlicli aus den Sichel- keimen hervorgehen. "* Sehr wahrscheinlich handelt es sich um lu- volutionsformeu. Denn die Rossschen Keime halten sich im hängenden Tropfen bei Zimmertemperatur ^4 Jahre laug unverändert und Fütteruugs- versuche an MUckenlarven sind bis jetzt resultatlos geblieljen. Dass aber die Rossschen Keime eine zweite Art der Malariaübertragung vermitteln, wie dies von einzelneu Autoren angenommen worden ist, ist nicht anzunehmen. Denn die in vitro bei Körperwärme gehaltenen Ross- schen Keime zerfielen in kurzer Zeit, nachdem sie sich zu runden Ge- bilden aufgebläht hatten, während die bei Zimmertemperatur gehaltenen unverändert blieben. Diese Beobachtungen sprechen dafür, dass diese Keime innerhalb warmblütiger Organismen zerfallen. Man findet die Rossschen Keime sehr viel häufiger bei Mücken, die sich an proteosomakranken Sperlingen als bei solchen, die sich an protcosomakrauken Kanarienvögeln infiziert haben. Wesentlich anders geht die Entwicklung des Proteosema in der Mücke bei niedrigeren Temperaturen vor sich. Schon, wenn die Tem- peratur zwischen 15'^ und 23° C. schwankt, wird die Entwicklung der Cysten (Sporoblasten) wesentlich verlangsamt und hört bei Temperaturen, die zwischen 16 und 20" C. schwanken, ganz auf. Bei den erstge- nannten Temperaturen finden sich 18, 28 und 35 Tage nach dem Blut- saugen noch sichelkeimhaltige Cysten am Magen neben leeren Cysten- hüllen und zahlreichen degenerierten Cysten. Es sind zwar auch die Speicheldrüsen vollgestopft von Sichelkeimen; aber die Sichelkeime sind nur noch z. T. beweglich und zwar sind sie: 18 Tage nach der Infektion gut beweglich. 28 » » » » mäßig beweglich. 45 » » » » z. T. unbeweglich, z. T. gut beweglich. Danach scheint es, dass sich nur ein Teil der Sichelkeime länger als IV2 ^lonat lebend in den Speicheldrüsen halten kann. Ol) die Sichelkeime aber in den Speicheldrüsen überwintern können, lässt sich aus diesen Befunden nicht feststellen. In dieser Beziehung giebt das zeitliche Verhalten der Troteosomainfektion einen Anhalt. Vom Februar bis zum April steigt bei uns in Mitteldeutschland die Anzahl der infi- zierten Sperlinge rapide an. In dieser Zeit verlassen aber die Stech- mücken hier zu Lande ihre Winterquartiere in steigender Menge, so dass Ende März in ]\Iitteldeutschland keine Stechmücken mehr in ihren Winterquartieren zu finden sind. Diese Mücken müssen stechen, weil sie Blut brauchen, um ihre bereits im Vorjahr befruchteten Eier zur Entwicklung zu bringen. Die AVintermücken müssen es also sein, die die Sperlinge infizieren. Denn Rückfälle können die vom Februar bis April beobachteten Proteosomaerkraukungen nicht sein, weil eine 816 R. Rüge. einmalige Erkrankung Immunität hinterlässt. Es müssen also Neu- erkrankungeu sein. Außerdem finden in der Zeit vom Februar bis April die Mücken noch nicht die nötige Temperatur, um die Parasiten, die sie eventuell von Sperlingen beim Blutsaugen in sich aufgenommen haben könnten, zu entwickeln. Wir müssen also annehmen, dass ein Teil der Sichelkeime des Proteosoma überwintert. Dafür spricht auch der weitere Verlauf der epidemiologischen Kurve. Die Zahl der infi- ziert gefundenen Sperlinge nimmt nämlich im Mai und Juni wieder er- heblich ab und das stimmt auch mit der Thatsache überein, dass Ende April die Wintermücken alle abgestorben sind und die neuen Mückengenera- tionen vor Juli und August nicht die nötige AVärme zur Entwicklung des Proteosoma finden. Daher steigt die Kurve erst im Juli wieder an, um im August und September ihr Maxiraum zu erreichen. Die Zahl der im September infiziert gefundenen Sperlinge giebt meiner Meinung nach aber nicht die Zahl der in diesem Monat erfolgten Infektionen an, son- dern setzt sich zusammen aus den Infektionen, die vom Ende Juli ab bis zum September hin erfolgt sind, weil erstens die Infektion bei Sperlingen chronisch verläuft (4 Wochen und länger) und zweitens die Inkubationszeit zwischen 4 und 14 Tagen schwankt. Nun hat in jüngster Zeit vox Wa siele wski ^ aus seinen Unter- suchungen über das Proteosoma den Schluss gezogen, dass nach Pro- teosomainfektion keine Immunität zurückbliebe. Wasielewski konnte zunächst bei seinen mit Proteosoma geimpften Versuchstieren — es han- delte sich um Kanarienvögel — feststellen, dass sie 2 — 3 Monate — ja bis 3/^ Jahr — nach überstandener akuter Krankheit immer noch vereinzelte Parasiten im Blute hatten, sowie dass das Blut auch von solchen Vögeln, die die Proteosomakrankheit überstanden hatten und bei denen mikroskopisch Parasiten nicht mehr nachzuweisen waren, gesunde Kanarienvögel doch noch infizieren konnte. Als vier Kanarienvögel, die eine Proteosomainfektion tiberstanden und keine Parasiten mehr im Blute hatten, wieder mit Proteosoma geimpft wurden, zeigten drei am 5. Tage nach der Impfung vereinzelte Parasiten: einer als stärkste Infektion 20 — 30 in jedem Präparat. Das kann nun nicht, wie v. Wasielewski es thut, als starke In- fektion bezeichnet werden. Und meiner Meinung nach zeigt das Er- gebnis der zweiten Impfung, dass die Tiere doch einen gewissen Grad von Immunität erworben hatten. Um diese Frage zu klären, müssen also noch weitere Untersuchungen angestellt werden. Ich glaube, dass die verschiedenen Ergebnisse durch die verschie- dene Versuchsanordnung zu erklären sind. v. Wasielewski impfte nie mehr als 0,05 ccm Blut über, während Rüge bei schwacher Infektion stets das ganze Blut des kranken Vogels auf einen, bei starker Infek- tion stets das ganze Blut des erkrankten Vogels auf 4 — 6 Vögel über- impfte, also etwa die zehnfachen Dosen gab, wie v. Wasielew^ski. IL Halteridium (Haemoproteus, Haemamoeba danilewskyi, Laverania danilewskyi, Polymitus avium). Die Verbreitungsweise und die Verbreitungsart des Halteridiums ent- spricht derjenigen des Proteosoma. Befallen sind vornehmlich soge- nannte Nesthocker (Raubvögel, Klettervögel, Singvögel und hauptsäch- lich Tauben). R. Koch fand, dass die Tauben in den Tropen und Malariaparasiten. 817 Subtropen fast regelmäßig mit Halteridium infiziert sind, in Italien nur in Malariagegenden wie z. B. in der Campagna^ während Tauben aus der Stadt Kom von Halteridieu frei waren. In Deutschland wurde bis jetzt das Halteridium noch nie bei Tauben gefunden, dafür aber hin und wieder bei Sperlingen, Finken und kleinen Kaubvögeln. Auch sind Mischinfektionen von Proteosoma und Halteridium beschrieben worden. A. Schizogonie. Ebenso wie beim Proteosoma empfiehlt es sich auch beim Halteridium die Untersuchungen im frischen (nativenj Präparat zu machen, weil sich die genannten Parasiten sehr gut von der Substanz der roten Blut- körperchen abheben. Die Methylenblaufärbung, die bei der Unter- suchung auf menschliche Malariaparasiten so ausgezeichnete Resultate giebt, hebt die Vogelblutparasiten nicht so deutlich hervor. Für gewöhnlich findet man im Blute der genannten Tiere fast nur die großen hanteiförmigen Parasiten oder solche, die etwa so lang als der Blutkörperchenkern sind. Selten trifft man einmal ein kleineres P^xemplar an. Ein solches stellt dann ein rundes, hellglänzendes, ziemlich scharf umschriebenes Gebilde mit einzelnen Pigmentkörnchen vor und ist nur dadurch vom Proteosoma zu unterscheiden, dass es niemals den Kern des befallenen Blutkörperchens dreht oder zur Seite drängt. Bei weiterem Wachstum nimmt es die eben erwähnte hauteiförmige Gestalt an (vgl. Atlas, Tafel IV, Fig. 116—117), entwickelt reichlich Pigment und zwar in ^. ^y ;>^ viel gröberen Körnern als das Proteosoma. ^ \,m ^I Weiter als bis zur Hantelform, ist die Ent- ®,i \"^ ; §;-'^ Wicklung im Vogelblut nicht beobachtet wor- '^, ■ ^ den. Namentlich sind noch nieTei- i ■>, ^ lungsformen gefunden worden, auch „. „, „ ,, .,. ^ , . lY . 1 Ar-1 1, • • T^ 1 Fiff.62. HaltendienausTaubeu- nicht m der Milz, ebensowenig im Knochen- ^lut. 1. Ju-endform. 2. Männ- mark. Die Teilungstormen, die Labbe ab- lieber Gamet. 3. Weiblicher gebildet hat, sind, außer von ihm, von keinem Gamet. (Nach Zeichn. d. Verf.) anderen Forscher wiedergesehen worden. Dafür sind aber die hanteiförmigen Halteridien in zwei Arten ge- schieden: in eine hyaline und in eine fein granulierte. Die hyaline Form ist das Männchen, die fein granulierte das Weibchen. Erwach- sene Formen anderer Art kommen nicht vor. Es hat sonach den Anschein, als ob in den Vögeln ausschließlich die geschlecht- lichen Formen, die Gameten, zur Entwicklung kämen. Da- für spricht auch die Thatsacbe, dass eine Ueberimpfung des Halterridium durch Blutübertragungen von Tier zu Tier noch nicht gelungen ist, die beim Proteosama unter Umständen selbst dann noch gelingt, wenn Parasiten im peripherischen Blut des Stamm- impflings nicht mehr nachzuweisen sind, und die Proteosomainfektion also scheinbar erloschen ist (v. Wasielewski '■>]. B. Sporogonie des Halteridiums. Von diesem Entwicklungsgang ist ebenfalls nur ein Bruchstück be- kannt. Dieses Bruchstück zu beobachten gelingt aber leicht. Die hantei- förmigen Parasiten werden, Avenn sie in eine Flüssigkeit gebracht werden, die so zusammengesetzt ist, wie es beim Proteosama beschrieben wurde, bald rund und treten aus den roten Blutkörperchen aus. Die hyalinen Handliucli der pathogenen Mikroorganismen. I. 52 818 R- Kuge. Parasiten erweisen sich als Mäunclien, denn sie bilden sehr bald 4 bis 8 Geißeln (Mikrogameten, vergl. Atlas, Tafel IV, Fig. 121), die in die nicht geißelbildenden granulierten Parasiten (Makrogameten) eindringen und sie befruchten. Etwa V4 Stunde nach dem Befruchtungsakt schiebt sich langsam aus dem befruchteten, runden Parasiten ein kleiner Zapfen vor, der langsam wächst (vergl. Atlas, Tafel IV, Fig. 119, 120), so dass der Parasit einem keimenden Pfianzensamen gleicht (R. Koch 4). Dieser Zapfen wird immer länger und der Parasit er- scheint schließlich als würmchenartiges (vergl. Atlas, Taf IV, Fig. 122) Gebilde (Ookiuet), das träge Eigenbewegungen zeigt, anfangs pigment- los ist, aber sehr bald durch Aufnahme von Hämoglobin neue Pigment- körnchen bildet. Soweit ist der Entwicklungsgang (Sporogouie) des Halteridium bis jetzt bekannt geworden. Es ist nach dem, was wir über das Proteosoma und die menschlichen Malariaparasiten wissen, an- zunehmen, dass sich die weitere Entwicklung in einem Wirtstier und wahrscheinlich in einer Stechmücke vollzieht, indes diese Stechmücke ist noch nicht bekannt geworden. Färbt man das Halteridium nach Romaxow^sky, so findet man, dass sich der eine Teil der großen hanteiförmigen Parasiten nur blass- blau färbt, dafür aber mehr rot gefärbtes Chromatin, das in lockigen Fäden zusammengeballt liegt, als blaugefärbtes Plasma enthält, während der andere Teil der Parasiten sich dunkelblau färbt und nur wenig in kleinen Körnchen angeordnetes Chromatin hat. Die erste Form sind die männlichen, die letztere Form die weiblichen Individuen. Denn man kann sich ebenso wie bei den menschlichen Malariaparasiteu und dem Proteosoma davon überzeugen, dass die chromatinreicheu Parasiten die aus Chromatin bestehenden Geißeln aussenden, während die jungen Parasiten, deren Plasma dunkelblau gefärbt ist und die wenig Chromatin enthalten, niemals Geißeln bilden. Fertigt mau sich nämlich eine Reihe von Präparaten im hängenden Tropfen an, und untersucht sie in ent- sprechenden Zwischenräumen, d. h. 15—30 Minuten nach Anfertigung des Präparates, nachdem man sie nach Romanoavsky gefärbt hat, dann findet man, dass die Parasiten aus den Blutkörperchen ausgetreten und rund geworden sind, dass aber nur die chromatinreicheu Formen mit dem kaum gefärbten Plasma Geißeln gebildet haben. Litteratiir. 1 Danilewski, La parasitologie comparce du sang, 1889. — Ders.. Annales de rinstitut Pasteur, Bd. 5. — 2 Grassi, Sur quelques protistes ect. Arch. ital. de Biol., 1883, Vol. 2. pag. 402. Vol. 3, pag. 23. — ■' Ders., Die Malaria, Studien eines Zoologen. 19Ui. — * Koch, Ueber die Entwicklung der Malaria- parasiten. Zeitschr. f. Hyg. u. Inf.. 1899. Bd. 32. — 5 Kruse, Vircli. Arch., Bd. 121, u. Hyg. Rundsch., 1892. — 0 Labbe, Sporozoa. 1899. pag. 78. — - Ross, Ind. Med. Gaz., 1898. — « Rüge. Unters, über d. dtsch. Proteosoma. Centralbl. f. Bakt, 1901, I. Abt., Bd. 29. S. 187. — f v. Wasielewski, Ueber die Verbreitung und künst- liche Uebertragung der Vogelmalaria. Arch. f. Hyg.. 1901. S. 68. Malariaparasiten. 819 X. Technik.*) A. Blutuntersuchung. a) Anfertigung" vou Bliitpräparateu. I. Truekeupräparate. Nach- dem man durch festes Umfassen eines Fingers und ^Streichen gegen den Yenenstrom eine deutliche Blutstauung im Xagelglied dieses Fingers erzeugt hat, sticht man in die Rückenseite des Nagelgliedes — und nicht etwa in die Fingerkuppe, denn das ist zu schmerzhaft — ziemlich energisch mit einer ausgeglühten Nadel. Dann streicht man mit der hohen Kante eines gut gereinigten Deckgläschens derart an dem ausgetretenen Bluttropfen entlang, dass die untere Kante vom Blut benetzt wird und sich zugleich an der hinteren (unteren) Fläche des Deckgläschens ein 1 mm breiter Blutstreifeu bildet. Das Deckgläscheu wird sodann mit der unteren blutbeschickten Kante in einem Winkel von 45° auf einen gut gereinigten und in der Flamme abgesengten -^i ^ -b Fig. 63. Ausstreichen des Blutes nach Stephens & Christophers aus Rees. Fig. 64. (I Deckgläschen von der hohen Kante gesehen; h Objektträger; c (wage- recht schraffiert) Blutstreifen auf der hin- teren unteren) Fläche des Deckgläschens; e' die bereits ausgebreitete Blutschicht senk- recht schraffiert); d die Stelle, an der die punktierte Linie den Objektträger h trifft, zeigtdenFleck an. auf dem das blutbeschickte Deckgläschen zuerst aufgesetzt wurde. Objektträger aufgesetzt, so dass diejenige Fläche, welche den 1 mm breiten Blutstreifen trägt, nach rechts siebt. Der Blutstreif des Deck- gläschens kommt auf diese Weise in Verbindung mit dem Objektträger, das Deckgläschen wird nach links (in der Pfeilrichtung, vergl. Fig. 64) auf dem Objektträger entlang geschoben (also über die Hand) und das Blut so ohne jeden Druck ausgebreitet. (Verfahren von Jaxsco & ROSENBERGER.) Wurde der Blutstreifen am Deckgläschen zu breit und dick, so darf man das Blut nicht sofort in der eben angegebenen Weise auf dem Objektträger ausstreichen, soudern muss zunächst das Deckgläschen 1 oder 2 mal mit der blutbeschickten hohen Kante senkrecht auf den Objekt- träger aufsetzen , damit das überflüssige Blut abläuft. Panse ^ benutzt einen zweiten geschliffenen Objektträger zum Ausstreichen des Blutes. In jüngster Zeit ist ein noch einfacheres Verfahren von Christopheus &STEPHExsi2ano-eo-eben worden. Diese Autoren nehmenden vorquellenden Blutstropfen direkt am einen Ende des Objektträgers auf, etwa 1 cm vom Band entfernt. Dann wird der I)lutstropfeu mit der geraden Nadel, mit der in den Finger eingestochen wurde, berührt, das Blut läuft au *) In dieses Kapitel sind einige Abschnitte und Figuren aus RuCtE: »Einführung in das Studium der Malariakrankheiten. 1901« aufgenommen worden. 52* 820 R- ßuge. der Nadel entlang- iind diese wird dann entlang dem Objektträger ge- führt und so die Blutkörperchen in einer einzigen Lage ausgebreitet. Damit das Präparat aber gelingt, ist es nötig, dass die Nadel, die zum Ausstreichen benutzt wird, ganz glatt ist, sonst läuft das Blut nicht an an ihr lang. Nadeln, die wiederholt ausgeglüht sind, eignen sich nicht für dies Verfahren, weil ihre Oberfläche rauh wird und das Blut nicht mehr leitet. Fixiert werden Blutpräparate, nachdem sie lufttrocken geworden sind, durch 1 oder 2 Tropfen einer Mischung Aether und Alkohol (96^) zu gleichen Teilen. Sobald der Tropfen halb verdunstet ist, ist das Prä- parat auch schon fixiert. Ein längeres Liegenlassen in dieser Flüssig- keit ist nicht nötig. b) Färbung der Blutpräparate. L Diagnosefärbung. Zu Diagnose- zwecken ist die einfachste Färbung die beste. Das ist die Färbung mit der MANSONschen Methylenblaulösung. Wasser 100 ccra (kochend) Borax 5,0 Methylenblau med. pur. Höchtst 2,0. Die Lösung muss aber vor dem Gebrauch sehr stark verdünnt werden. Man gießt davon soviel in ein Reagenzglas, dass der Boden desselben etwa 1/2 cm hoch bedeckt wird und füllt so lange Wasser nach, bis die blaue Flüssigkeitssäule das Licht eben gerade durchscheinen lässt. Mit dieser Lösung färbt man dann. Es ist am bequemsten den mit Malariablut bestrichenen Objektträger in ein mit dieser Lösung gefülltes Becherglas zu tauchen. Dann kann man stets die Stärke der Färbung kontrollieren. Daneben stellt man sich ein Glas mit gewöhnlichem Wasser, in dem man das Präparat ab- spült. Im Durchschnitt ist ein frisches Trockenpräparat in der ver- dünnten MANSONSchen Lösung in 10—15 Sek. genügend gefärbt. Es sieht dann makroskopisch mattgrün aus. Ist es blaugrau gewT)rden, so ist es bereits überfärbt. In dem richtig gefärbtem Präparat sehen die orthochromatisch ge- färbten roten Blutkörperchen grün, die metachromatisch gefärbten grau- blau, die Kerne der weißen Blutkörperehen indigoblau bis violett, die Blutplättchen mattgraublau (mit verwaschenen Rändern), die kleinen ring- förmigen ]Malariaparasiten schwarzblau und die großen Formen graublau bis dunkelblau aus. Das Plasma der weiblichen Gameten ist graublau bis dunkelblau, dasjenige der männlichen Gameten graugrün gefärbt. Das Pigment ist stets deutlich zu erkennen. Die karyochromatophilen Körnchen A. Plehns (basophile Körnung Ehrlichs) erscheinen intensiv blau. Färbt man hingegen mit der unverdünnten MANSONSchen Lösung, so erscheint alles blau in blau. Es muss dann in mit Essig angesäuertem Wasser (1 Tropfen Essigssäure auf 1 Glas voll Wasser) differenziert werden, um brauchbare Präparate zu erhalten. Die eben angegebene Methode giebt aber nur gute Resultate bei frischen Trockenpräparaten und solchen, die nicht älter als vier Wochen sind. Alte Präparate müssen mit einer Iproz. Methylenblaulösung (+0,2^ Soda] gefärbt werden. Man muss bei der Färbung alter Präparate sehr vorsichtig sein. Denn selbst die Iproz. Lösung — nur einige Sekunden einwirkend — überfärbt sie manchmal schon, während sie andererseits bis zu 20 Sekunden einwirken muss, bis eine brauchbare Färbung er- zielt ist. Denn alte Blutpräparate und namentlich solche, die aus den Malariaparasiten. 821 Tropen stammen, veriiudern ihre Färbbarkeit in einer unberechenbaren Art und Weise. Außerdem färbt sieh bei diesen alten Präparaten manchmal stellen- weise die Plasmaschicht mit, so dass die roten Blutkörperchen als leuchtend gelbe Scheiben auf blauem Grunde erscheinen. In diesen hellgelben Scheiben liegen dann, deutlich abgehoben, die blauschwarzen respektive graublauen Parasiten. Derartige Präparate sind nicht elegant, aber leicht zu untersuchen, denn die Parasiten treten ganz außerordentlich deutlich hervor. IL Die RoMAXOWSKY-Färbung. x\n der Verbesserung der ur- sprünglichen, recht unzuverlässigen KoMANOWSKYschen Färl)ung haben gearbeitet: Ziemann i^, Nocht^, Lateran, Rüge i", Maurer &, Keuter«, Leishmaxn-^, Wrighti-' und Giemsai. Die Färbung des Chroma- tins ist jetzt in jedem Falle sichergestellt, sobald die nach- folgend angegebenen Vorschriften eingehalten werden. Mit Hilfe dieser Methode, für die ein in bestimmter Weise eingestelltes Gemisch von wässerigem alkalischen Methylenblau und wässeriger Eosin- lösung nijtig ist, wird sowol das Plasma als auch die Kernsubstanz der Malariaparasiten, das Chromatin, gefärbt. In einem gut gelungenen Präparat erscheinen dann die Malariaparasiten kobaltblau mit leuchtend rotem Chromatinkorn, die orthochromatisch gefärl)ten roten Blutkörperchen rosa, die polychromatisch gefärbten rotviolett oder purpurrot, die Kerne der Lymphocyten und großen mononukleären weißen Blutkörperchen dunkeiviolett, diejenigen der polynukleären Leukocyten lila, das Plasma der Lymphocyten und der großen mononukleären Leukocyten himmelblau mit vereinzelten roten Stippchen, dasjenige der polynukleären graurot und die Blutplättchen dunkelviolett l)is schwarzrot, ihr Rand wie ausgefasert. Dieser ausgefaserte Rand ist charakteristisch und wenn man auf ihn achtet, so kann man die Blutplättchen mit nichts anderem verwechseln. Eosino- phile Granulationen kommen nur undeutlich zur Darstellung. Dasjenige, was das Chromatin färbt, ist das »Rot aus Methylenblau«, wie es Nocht genannt hat. Das Rot aus Methylenblau« wird aus alkalischen Methylenldaulösungen durch Wärme abgespalten und muss in der Mischung, mit der man die RoMAXOwsKYsche Färbung erzielen will, vorhanden sein. Will man sich überzeugen, ob eine alkalische Methylenl)laulösung Rot aus Methylenblau« enthält, so l)raucht man sie nur mit Chloroform auszuschütteln. Das Chloroform färbt sich dann bordeauxrot. Merkwürdigerweise giebt weder das »Rot aus Methylen- blau« allein, noch in Verljindung mit Methylenblau oder mit Eosin allein die spezifische Chromatinfärbung, sondern nur im Verein mit einem Gemenge dieser beiden Farbstoffe. Für eine Färbung nach Eomanowsky hat man sieh folgende Lösungen herzustellen: 1. Eine Iproz. Methylenblaulüsung (Methylenbl. med. pur. Höchst , die 0,3 X bis 0,5^ Soda enthält. 2. eine wässerige Iproz. Eosinlösung. Die Methylenblaulösungen müssen nun entv>'eder 2 Tage im Paraffinschrank bei 50 — 60" C. oder 8 Tage im Brutschrank bei 37° C. stehen bleiben, damit genügend »Rot aus Methylenblau« gebildet wird. Nach dieser Behandlung sehen sie leuchtend violett aus. Lässt man sie erheblich länger in dieser Wärme stehen, so werden sie rot und sind nicht mehr zu gebrauchen. Wer weder über einen Brut- noch einen Paraffinschrank verfügt, kann sich damit 822 R. Enge. helfen, dass er die alkalisclien Methylenltlaulösungen an mehreren Tagen hintereinander wiederholt bis fast zum Kochen erhitzt. Man darf die Lösungen aber nicht zum Koclien kommen lassen, denn Kochen zerstört das »Rot aus Methylenblau«. Anwenden darf man die so vorbereiteten Methylenblau- lösungen erst, wenn sie wieder erkaltet sind. Maurer^, der in den Tropen arbeitete, stellt die Methylenblaulösung 2 Tage in die Sonne und lässt sie dann 8 Tage bei Zimmertemperatur stehen. Zu ihrer Konservierung setzt er ^4 % Formalin zu. In unserem Klima halten sich die alkalischen Methylenblaulösungen monatelang. Bei Herstellung der Mischung der Methylenblau- mit der Eosinlösung ver- fahren die einzelnen Autoren verschieden. Nocht'"' verdünnt 2 — 3 Tropfen der Eosinlösung mit 1 — 2 ccm Wasser und setzt so lange tropfenweise von der nach den obigen Angaben hergestellten alkalischen wässerigen Iproz. Methylenblaulösung zu, bis von der Farbe der ursprünglichen Eosinlösung nichts mehr zu erkennen ist. Auf dieser Mischung lässt er das Präparat 5 — 10 Minuten schwimmen. In dieser kurzen Zeit bilden sich keine ]S[iederschläg"e , das Präparat bleibt rein und die Chromatinfärbung ist ausgezeichnet. Difl'erenziert Avird nicht. Um sowohl frische als auch alte Trockenpräparate färben zu können und die oft recht störenden xsiederschläge bei der PtOMAXOWSKY-Färbung zu ver- meiden, verfährt RrGEiö-n folgendermaßen. Zunächst wird der Titerstand der Iproz. alkalischen Methylenblaulösung festgestellt, d. h. geprüft, wie viel man von der Iproz. wässerigen Eosinlösung zu 1 ccm der Iproz. alkalischen Methylenblaulösung zusetzen muss, um einen ganz feinen Niederschlag in der Farbmischung zu erzeugen. Zu diesem Zwecke bringt man in ein EnLENMEYERSches Kölbchen 10 ccm destilliertes Wasser, dahinein 1 ccm der Iproz. alkalischen Methylenblau- lösung — in der so verdünnten Lösung kann man das Auftreten des Nieder- schlags besser erkennen als in der unverdünnten Methylenblaulösung — und setzt nun mit einer graduierten 1 ccm-Pipette tropfenweise unter fort- währendem ümschütteln von der Iproz. wässerigen Eosinlösung zu, bis ein ganz feiner Niederschlag eintritt. Das geschieht nach einem Zusatz von 0,3 bis 0,6 ccm der Eosinlösung. Um schon den allerfeinsten Niederschlag erkennen zu können, bringt man einen Tropfen von dem Farbengemisch auf einen Objekt- träger. Ist auch nur ein ganz feiner Niederschlag vorhanden, so erkennt man ihn sofort, wenn man den Piand des Tropfens mit Hilfe einer Lupe betrachtet (Panse"). Stellt man sich von vornherein gleich eine ziemlich große Menge von den Stammlösungen her, so braucht man die Methylenblaulösung natürlich nur alle paar Monate einmal zu titrieren. Das letztere ist aber nötig, weil alten Methylenblaulösungen zur Erzeugung des Niederschlages mehr Eosin zugesetzt werden muss, als frischen (Panse 'j. Um aber gute Chromatinfärbungen zu erzielen, braucht man gar nicht soviel Eosin zuzusetzen, als nötig ist, um den Niederschlag zu erzeugen, sondern nur den dritten Teil soviel. Nur diesen dritten Teil zuzusetzen, ist namentlich dann notwendig, wenn man mit Lösungen färbt, die 1/4 — Vn> X Methylenblau enthalten. Setzt man mehr Eosin zu, so erhält man trotz aller Vorsicht leicht Niederschläge auf dem Präparat. Färbt man mit schwachen Lösungen, d. h. solchen, die ^20 — Vso ^ Methylenblau enthalten, so muss man halb so viel Eosinlösung und bei Lösungen, die Y50 — [iioo y^ Methylenblau- lösung enthalten, fast die ganze Menge Eosin zusetzen, die zur Erzeugung des Niederschlags nötig ist. Frische Trockenpräparate färbt man, indem man sie entweder in kalte Lösungen mit I4 — ^ H, ^ Methylenblau legt und sie 1/4 — ^4 Stunde darin Malariaparasiten. §23 liegen lässt (je nach der Höhe der Zimmertemperatur) oder indem man sie in den dünnen Lösungen ('/sq — ^ loo^ Methylenblau) erwärmt und nur 6 — 7 Minuten färbt*). Rüge zieht das letztere Verfahren vor. In alten Trocken- präparaten kann man das Chromatin nur in starken Lösungen (I/4 — VioX Methylenblau), die erwärmt werden, zur Darstellung bringen. Im einzelnen ist folgendermaßen zu verfahren. Man legt das Präparat mit der Blutschicht nach unten in die Farblösung und erwärmt so lange bis eine ganz geringe Dampfentwicklung beginnt (mit einem Bunsenbrenner 8 — 10 Secunden), die man gerade noch bemerken kann. In dieser Zeit bildet sich auf der Oberfläche der Farblösung ein dünnes metallisches Häutchen. Dies ist das Zeichen dafür, dass die Färbung gelungen ist. Fehlt dieses Häutchen, so ist auch die Chromatinfärbung nicht zustande gekommen. Ehe man das Präparat aus der Farbtlotte herausnimmt, entfernt man mittelst Flies- papier das metallische Häutchen. Das Präparat sieht makroskopisch graurot bis graugrün aus. Sehr gut dargestellt ist in solchen warm gefärbten Prä- paraten das Chromatin in den Gameten, das auch erhalten bleibt, Aveil nicht diflerenziert zu werden braucht. In so behandelten Präparaten sind die von Tertianparasiten befallenen Blutkörperchen getüpfelt. Alte Präparate müssen auch in warmen Lösungen überfärbt (10 bis 20 Minuten lang), dann mit Essigsäure differenziert werden (1 Tropfen Essigsäure auf ein Glas voll Wasser), l)is sie in ihren dünnsten Stellen rosa werden. Die noch vorhandenen Niederschläge müssen durch Alkohol ausgewaschen werden**). Kalt gefärbte Präparate sehen, wenn sie aus der Farblösung genommen werden, schmutzig grauviolett aus. Sie werden mit Essigsäure differenziert wie eben angegeben, können auch mit essigsaurem Alkohol (1 Tropfen Essig- säure auf 50 ccm Alkohol) ausgewaschen (1 — 3 Sekunden) werden. Alte Prä- parate lassen sich in kalten Lösungen nur schlecht färben. Jede Farbmischung kann nur einmal benutzt werden. Will man sich überzeugen, ob die Färbung gelungen ist, so unter- sucht man das Präparat zunächst mit schwacher Vergrößerung (Leitz, Obj. Nr. 3). Erscheinen dann die Kerne der weißen Blutkörperchen violett, so ist auch das Chromatin gefärbt und das Präparat kann zur weiteren Untersuchung in Oel eingeschlossen werden. Aus den Angaben von Maurer & Panse geht hervor, dass die Romaxowsky- Färbung in den Tropen wegen der höheren Lufttemperatur leichter gelingt als bei uns. Panse, der in Ostafrika (Tanga) stets kalte Lösungen anwandte und mit Yjoproz. Methylenblau färbte, hebt die kurze Färbedauer für frische Präparate (7 — 10 3Iin.) hervor. Er differenzierte mit angesäuertem Alkohol (1 Tropfen Essigsäure auf 50 ccm Alkohol). Er benutzte sonst das oben ein- gehend beschriebene Verfahren von Rüge und hat es so einfach gestaltet, dass er alle seine Malariapräparate von zwei 12jährigen Negerjungen färben lässt. In neuster Zeit ist nun versucht worden, den Niederschlag, der sich bei der Mischung der Methylenblau- mit der Eosinlösung bildet, mit einem Filter *) Das Chromatin des Proteosoma und Halteridium färbt sich schwerer als dasjenige der menschlichen Malariaparasiten. Auch frische Trockeupräparate, die Proteosoma resp. Ilalteridien enthalten, dürfen nicht in Lösungen gefärbt werden, die weniger als '/sX Methylenblau enthalten. Die Färbedauer bei Erwärmung ist 10—15 Minuten. **) In alten Präparaten gelingt trotz aller Mühe die Romanowsky-Färbung manchmal nicht. Das sind solche Präparate, die in der Farbflotte rein dunkelblau bleiben. In ihnen ist wohl das Chr(tmatin gefärbt, verschwindet aber schon durch Difl'erenzierung mit Essigsäure, weil in solchen Fällen sehr energisch differenziert werden muss. um die roten Blutküri)erchen zu entiärben und die blaugefärbten Parasiten in den ebenfalls blaugefärbten Blutkörperchen zur Darstellung zu bringen. 824 R- Rüge. aufzunehmen, in Alkohol zu lösen und mit dieser alkoholischen Lösung unter Zusatz von Wasser zu färben (Reuter'^). Dies Verfahren hat sich aber bis jetzt noch nicht recht bewährt (Pakse^). In jüngster Zeit endlich hat Leishmaxn^ an Stelle von Alkohol den Methylalkohol zur Lösung des Niederschlages benutzt und statt des bisher üblichen Methylenbl. med. pur. Höchst dasjenige von Dr. Grübler gebraucht. Leishmann giebt au, dass die konz. Lösung des Niederschlages (0,2 %] in Methylalkohol mit etwas Wasser versetzt und auf das Präparat getropft, in 5 Minuten die Chromatin- färbung giebt. Wright^ hat das bestätigt. Beide Autoren geben an, dass dieses Verfahren nur für frische Trockenpräparate geeignet ist. Rüge, der dies Verfahren unter Anwendung von Höchster Methylenblau versuchte, konnte keine befriedigenden Resultate damit erzielen. Nach GiEMSxis^ kurzer Mittheilung ist das färbende Prinzip der Roma- xowsKY-Färbung Azur (Methylenazurchlorhj-drat Höchst) und Eosin. »Die Färbung von Malariablut mit meinem Azur und Eosin (beide Salze in wässeriger Lösung nach Art der von NüCHT empfohlenen Methode zusammen- gemischt) liefert schon nach wenigen Minuten ein an Klarheit und Schärfe unübertroffenes Bild mit allen Differenzierungen, Avie sie die RoM.-NocHTSche Methode aufweist. Sie hat vor der RoM.-NoCHTSchen Farblösung den Vor- teil einer stets gleichmäßigen Zusammensetzung. Ich vermischte in bequemer und für die Färbung vorteilhafter Weise in graduiertem Reagenzglas 10 ccm einer Eosinlösung (Höchst 0,05 o/qq) ^'^^ 1 •^^m einer vorrätigen Azurlösung (0,8 %o). Abspülen der Präparate in Wasser!« c) Herstellung- von frisclien (nativen) Bhitpräparaten. Man hält ein gut gereinigtes Deckgläscheu gegen den aus dem Finger hervorquellenden Blutstropfen, der in diesem Falle mögliehst klein sein muss, und nimmt etwas Blut auf diese Weise ab. Dann lässt man das Deckgläschen auf einen gut gereinigten, in der Flamme fettfrei gemachten Objektträger fallen, legt ein Stückchen Fliespapier darüber und streicht sanft ein paar Mal über das Präparat, so dass das überflüssige Blut unter den Bändern des Deekgläschens hervortritt und gleich aufgesogen Avird. Dann sind die Blutkörperchen unter dem Deckglas in einer Schicht ausgebreitet und die Parasiten erscheinen als blaßgraue größere oder kleinere Flecke mit verwaschenen Bändern. Enthalten sie bereits Pigment, so sind sie sofort zu erkennen. Fehlt das Pigment aber und sind die Parasiten sehr klein, so sind Verwechslungen mit aufliegenden Blutplättchen, Einrissen in das Blutkörperchenstroma und kleinen pulsierenden Vakuolen möglich. B. Fangen, Zueilten und Untersuchen der Stechmücken. 1. Fangen und Züchten der Stechmücken. Die Stechmücken fängt man am besten, wenn sie an Mauern oder Fensterscheiben sitzen. Mau stülpt ihnen ein Eeagenzglas über. Mit dem Netz sie zu fangen, ist nicht rätlich , weil man sie dabei immer etwas verletzt. Die besten Fundstätten in unseren Breiten sind Keller und Ställe und die beste Jahreszeit zum Fang ist der Herbst. Denn da trifft man die Mücken zu Hunderten in den genannten Lokalitäten an, in denen sie sich zur Ueberwinterung anschicken. Man muss natürlich neben dem Reagenzglas, das lediglich zum Fang dient, ein zweites größeres Glasgefäß mit sich führen, in das man die gefangenen Mücken zum Transport bringt. Dies Gefäß Avird am besten oben mit Gaze ver- schlossen. Der Gazeverschluss muss aber eine Oeffnung haben, die so groß ist, dass man das Reagenzglas bequem durchstecken kann. Die Malariaparasiten. 825 Gaze Gemr Oeffnimg selbst wird mit einem Wattepfropfen verschlossen. In das Gefäß bringt man etwas feuchtes Reisig. Besser und bequemer ist das von Nocht angegebene Fangröhrchen, das die nebenstehende Figur zeigt. Das Röhrchen ist nach dem Prinzip der Fliegenfallen konstruiert und hat den Vorteil, zugleich als Fang- instrument und Aufbewahrungsraum zu dienen. Es wird mit seinem unteren Ende einfach über die sitzende Mücke gestülpt. Das Röhrchen ist aus ziemlich dickem Glas hergestellt und oben und unten mit Pfropfen verschließbar. Der obere Pfropfen ist einfach oder doppelt durchl)ohrt, damit Luft eindringen kann. Er wird mit einer Lage Gaze umwickelt, damit die Mücken nicht durch die Bohrlöcher entweichen können. An Stelle der Umwicklung des Pfropfens mit Gaze kann man auch etwas feuchtes Reisig durch die Bohrlöcher stecken. Dann dringt immer noch genügend Luft ein und die Mücken können doch nicht durch die schmnlen, übrig bleibenden Spalten entweichen. Außerdem können sich die gefangenen Mücken auf das Reisig setzen, Wattefiocken, an denen sich die Mücken festhalten sollen, in die Röhrchen zu bringen, empfiehlt sich nicht, w^eil die Mücken mit den Beinen darin haften bleiben. Ebensowenig darf man Wasser — und wenn es nur einige Tropfen sind — in das Röhrchen bringen, weil die Mücken dann leicht mit ihren Flügeln an den feuchten Glas- wänden kleben bleiben und sterben. Der untere Pfropfen ist ein Korkstöpsel, der beim Fang ab- genommen, beim Transport wieder aufgesetzt wird und so das Röhrchen schließt. Solange man das Röhrchen so hält, dass der eingebogene Boden sich unten befindet, fliegt nie eine der gefangenen Mücken heraus, weil sie nicht über den Rand dieses eingebogeneu Bodens hinausgehen. Zu weiteren Versuchszwecken braucht man einen gazebezogenen, viereckigen Käfig, der so groß sein muss, dass ein kleiner Vogelbauer bequem Platz darin hat (vorausgesetzt, dass man mit dem Proteo- soma experimentieren will und das wird in Deutsch- land w^eitaus am meisten der Fall sein). In diesem Gazekäfig muss eine Schale mit Wasser, das täglich zu wechseln ist, sich befinden, damit diejenigen Stechmücken, die Blut gesogen haben, jederzeit ihre Eier ablegen können. Will man den Auopheles saugen lassen, so ist es am besten, den entblößten Vorderarm des IMalariakranken in den Gazekäfig halten zu lassen. In der Dämmerung saugt der Anopheles dann ziemlich leicht. Etwas schwerer ist der Culex zum Saugen zu bringen, vorausgesetzt, dass es sich um Exemplare handelt, die sich schon zur Ueberwiuterung eingerichtet haben. Diese Tiere müssen erst 8—14 Tage bei ziemlich hohen Temperaturen (24 — 30'^ C.) gehalten werden, damit sie ihr Winter- fett aufzehren, sonst saugen sie nicht. Mau darf die Tiere aber nicht unmittelbar in diese hohen Wärmegrade bringen, sonst sterben sie ab. Haben nun Culex resp. Anopheles gesogen, so bringt man sie in besondere, gazeüberzogene Gläser, in denen sich ein Schälchen Fig. 6.5. NociiTs Fang- röhrchen für Mücken im Durchschnitt. Gez. vom A'erf. 826 E. Enge, mit Wasser und etwas Reisig befindet. Diese Gläser werden mit dem Datum des Blntsaugens u. s. w. versehen, damit man die einzelnen Ent- wicklung'sstadien der Malariaparasiten verfolgen kann. Während man nun die Culex monatelang mit Zuckerwasser, dem etwas Sherrj- zu- gesetzt ist, und mit Apfelschuitteu ernähren kann, brauchen die Ano- pheles zu ihrer weiteren Erhaltung aller 2 — 3 Tage eine Mahlzeit von ]^>lut. Van der Scheer hat sie an Kaninchen saugen lassen und damit 30 Tage lebend in der Gefangenschaft gehalten. Experimentiert man mit Froteosoma, so darf mau die Culices nicht an Vögeln mit starker rroteosoma-Infektion saugen lassen, sonst sterben die Mücken an ilirer Malariainfektion. Man thut gut, Vögel zu wählen, die etwa 2^ — 3 Parasiten in einem Präparat erkennen lassen. Das Züchten der Mücken aus dem Ei hat beim Culex keine Schwierig- keiten, wohl aber beim Anopheles. Man thut am besten, von dem Wasser desjenigen Tümpels, in dem man Anopheleslarven gefunden hat, dem künstlichen Bruttümpel täglich etwas zuzusetzen oder das Wasser täg- lich zu wechseln, sonst gelingt die Züchtung nur unter den größten Schwierigkeiten. Will man sich Mücken zu Demoustrationszweckeu aufheben, so legt man sie in Kanadabalsam in einen hohlgeschlififeneu Objektträger ein. Mücken, die auf weite Strecken verschickt werden sollen, müssen in Spiritus liegen. Die betreffenden Flaschen müssen bis an den Pfropfen gefüllt sein, der nach Art der Weinflaschen umsiegelt werden muss, damit der Alkohol möglichst wenig verdunsten kann und so ein Durch- schütteln der Flüssigkeit unmöglich wird. 2. Das Präparieren der Stechmücken. Ich werde nur die Prä- paration derjenigen Teile besprechen, die bei der Untersuchung auf ^lalariaparasiten in Frage kommen. f Die beigegebene Abbildung zeigt die |, Baucheingeweide einer gesunden weib- lichen Mücke. Der lang ausgezogene Schlauch auf der rechten Seite ist die Speiseröhre («), au die sich der spindelförmige Magen {b) anschließt. Der gewundene Darm [d) setzt sich unmittelbar an ihn an. Dicht unter- halb des Magens münden fünf schlangen- artige Gebilde {c) in den Darm. Es sind das die sogenannten Malpighi- schen Schläuche, die die Stelle der Nieren vertreten und nach dem italie- nischen Anatomen Malpighi genannt sind, der sie bereits vor 200 Jahren entdeckt hat. Nicht weit von der Ausmündungsstelle des Darmes liegen die beiden Eierstöcke (e). Die eben besprochenen Eingeweide lassen sich leicht aus der ]\[ücke herausziehen, während man die Speichel- drüsen nur unter dem Mikroskop herauspräparieren kann. Wenn man Magen und Darm einer jMücke untersuchen will, so braucht man nur 2 gewöhnliche Präpariernadeln dazu. Damit legt man das Tier auf die Seite und in einen großen Tropfen physiologischer Kochsalzlösung auf einen Objektträger, schiebt Flügel und Beine bei- ■f i Fig. 66. Eingeweide einer gesunden Mücke, löinal vergrößert. Zettnow- sche Aufnahme nach einem Präparat des Verfassers. Malariaparasiten. 827 Seite oder kuippst sie ab und sticht dann mit der einen Präpariernadel den Thorax an, während man mit der anderen den letzten Leibesring vorsichtig- abquetscht und ebenso vorsichtig vom vorletzten abzieht.*) Man thut gut, zu diesem Zwecke die den letzten Leibesring fassende Nadel etwas abzustumpfen oder umzubiegen, damit man nicht in die Leibeshöhle sticht. Beim Abziehen des letzten Leibesringes bemerkt man sofort, dass au ihm zwei kleine weiße, eben noch sichtbare Flöckchen hängen bleiben — die l)eiden Eierstöcke**) — und dass nur noch ein feiner weißer Faden, der Darm, an dem man bei frisch getöteten Mücken noch sehr gut die peristaltischen Bewegungen be- obachten kann, den Zusammenhang mit dem übrigen Leib herstellt. Durch weiteres sorgfältiges Anziehen und Wiedernachlassen des letzten Leibesriuges zieht man bald ein Gewirr von feinen weißen Fäden, die ^LiLPiGHischen Schläuche, heraus und hat mm darauf zu achten, dass beim weiteren Abziehen des letzten Leibesringes nicht etwa der Darm abreißt. Fühlt man, dass die Spannung zu groß wird und fürchtet man ein Abreißen des Darmes, so muss man mit der ersteren Nadel den Thorax vom Leibe abquetschen und dadurch zugleich die Speise- röhre durchtrennen, damit der Darm nicht abreißt. Geschieht das trotz- dem, so ist das Präparat fast immer verloren und es gelingt nur selten, den Magen in toto noch frei zu präparieren. Hat man aber den Thorax abgetrennt, so fasst man sodann mit der zweiten Nadel den ersten Leibesring und zieht mit der anderen Nadel die Eingeweide am letzten Leibesring heraus, wenn sich das nicht gleich beim Abquetschen des Thorax bewerkstelligen ließ. Ist das Präparat gelungen, so sieht man bei schwacher Vergrößerung den Magen — Leitz Obj. 3 — bedeckt von den MALPiGHischen Schläuchen liegen und überzogen von einem Netz von feinen Tracheen. Das Herausziehen der Eingeweide muss auf einer dunklen Unterlage gemacht werden, damit die bei auf- fallendem Lichte weiß erscheinenden Eingeweide deutlich hervortreten. Will man die ersten Anfänge der Cystenbildung am Magen von Glücken, die malariaparasitenhaltiges Blut gesogen haben, zur Ansicht bringen, so muss man den blut gefüllten Magen präparieren. Denn selbst bei hohen Temperaturen ist nach 48 Stunden — und da sind die ersten Anfänge der Cystenbildung an der äußeren Mückenmagenwand schon vorhanden — das gesogene Blut noch nicht verdaut. Das ist regelmäßig beim genus Culex der Fall. Da findet man manchmal am vierten Tag Reste des gesogenen Blutes im Magen, während ein Auo- pheles das gesogene Blut etwa nach 48 — 60 Stunden verdaut hat. An dem als ovaler schwarzroter Körper erscheinenden blutgefüllten Magen kann man aljer die kleinen Cysten nicht erkennen. Man muss also das Blut aus dem ]\[agen entfernen. Das macht man so, dass man zunächst das Präparat in sehr viel Kochsalzlösung aufschwemmt, dann ein Deckgläschen mit einer Kante in der Nähe des Präparates auf den Objektträger aufsetzt und vorsichtig auf den blutgefiillteu Magen *) EysellI'^ schneidet den Leib bei dem Pfeil A ab, zielit den 6. u. 7. Leibes- ring (Fig. 72, a — c, b — d) dann voneinander ab, hält den 1. Leibesring bei e (Fig. 72) fest und zieht die Eingeweide am 7. Leibesringe heraiis. **) Nur bei Mücken, bei denen die Entwicklang der Eier noch nicht im Gange ist, sind die Eierstücke so klein. Sind die Eier befruchtet und hat die Entwick- lung bereits begonnen, so können die Eierstöcke fast die ganze Bauchhöhle erfüllen. 828 R. Euge, fallen lässt. Dabei platzt der Mag-en und es tritt etwas Blut aus. (Platzt der Magen nicht gleich von selbst, so muss man ihn mit einer Nadel anstechen.) Nun setzt man soviel Kochsalzlösung zu, dass das Deckgläschen auf dem Präparat schwimmt und leicht — ohne das Präparat zu zerren — abgeschoben werden kann. Dann lässt man, sobald wieder reichlich Kochsalzlösung zugesetzt ist, das Deckgläschen in der angegebenen Weise wieder auf das Präparat fallen und wiederholt diese Manipulation so oft, bis der Magen blutleer geworden ist. Dann kann man die kleinen Cysten mit \ 12 Immersion erkennen. Hat man aber zu wenig Kochsalzlösung genommen, so wird der Magen beim Abschieben des Deckgläschens entweder zu einer Wurst zusammengerollt oder zerrissen. Die Untersuchung wird dann erheblich schwieriger, weil das Wiederausbreiten des zusammengerollten Magens viel Mühe macht und außer- dem bei diesen Manipulationen die kleinen Cysten vom Magen abgestreift werden köimen. Die einzelnen Stücke des zerrissenen Magens werden außerdem manchmal auf die verkehrte Seite gedreht und die an der Außenwand des Magens erscheinenden Cysten kommen dann nicht zur Be- obachtung. Kleine Schwierigkeiten entstehen auch, wenn man die Eingeweide von Mücken, die in der Entwicklung befind- liche Eier tragen, untersuchen will.*) Bei diesen können nämlich die Eierstöcke bis auf das 8- und lOfache ihres ursprünglichen Volumens vergrößert sein. Hat man bei solchen Exemplaren den letzten Leibesring abgequetscht und den Darm herausgezogen, so klemmt sich in den vor- letzten Leibesring eine dicke, gelbweiße Masse fest. Das sind die vergrößerten Eierstöcke. Einfach herausziehen in der oben angegebenen Weise lassen sie sich nicht. Mau muss vielmehr den abgequetschten letzten Leibesring los- lassen und mit der Präpariernadel vorsichtig drückend vom Thorax her den Leib entlaug streichen. Auf diese Art drückt man die vergrößerten Eierstöcke heraus und das weitere Herausziehen der Eingeweide geht dann leicht von statten. Hinzufügen will ich noch, dass das Herausziehen der Eingeweide bei einer Mücke, die länger als 24 Stunden tot ist, fast regelmäßig misslingt. Man kann mit Aussicht auf Erfolg nur frisch getötete Mücken — ein Tropfen UAether genügt zum Töten — präparieren. Will man sich frische Präparate von Mückeneingeweiden aufheben, so braucht man das in Kochsalzlösung liegende Fig. G7. Knie- Präparat nur dick mit Glycerin zu umranden. Das Gly- ^"^"^^M^^^^-' ^^i'i^ mischt sieh dann allmählich der Kochsalzlösung bei. nVipn T,«f.ii Diese mit Asphaltlack zu umrandenden Präparate halten sich einige Jahre. Nur muss bemerkt werden, dass die kleinen, pigmenthaltigen Cysten, die noch keine Sichel- keime enthalten, nicht hyalin bleiben, sondern ein gekörntes Aussehen bekommen. chen nach Frosch. Na^ türl. Größe. *) Die Stechmücken legen ihre Eier gewöhnlich 2—4 Tage nach dem Blut- sangen ab. Malairaparasiten. 329 Sehr viel schwieriger ah das Herausziehen der Eing-ewcide Jst das Präparieren der beiden im Prothorax gelegenen Speicheldrüsen. Nachdem man die Bauchcingeweide präpariert hat, trennt man mit einem kleinen, bauchigen Skalpell oder besser mit dem FiioscHschen Messercheu zunächst die ganze Rückenhälfte des Thorax einschließlich der Flügel durch einen Schnitt, der dem oberen Halsrand })arallel geht, ab (in Figur 68 durch die punktierte Linie angedeutet]. Dann sticht man mit der einen Präpariernadel den Thoraxrest an, mit der andern fasst man den Kopf und luxiert ihn so lange dorsalwärts, bis sich der Hals von dem Thoraxrest trennt. Zu dieser Präparation muss die Mücke auf die Seite gelegt werden. Kopf und Hals müssen dabei in Zusammenhang bleiben. Betrachtet man dieses Kopf-Halsstück bei schwacher Vergrößerung, so sieht man die Enden einzelner fein gekörnter Schläuche, der Speicheldrüsen, am unteren Pande des Halses hervorragen. Ist das Präparat besonders gut gelungen, so können schon jetzt einzelne Schläuche der Speichel- drüsen fast vollständig entwickelt sein. Nun schneidet man den Kopf quer durch, so dass nur das dem Hals an- liegende Segment übrig bleibt und prä- pariert von jetzt ab die Speichel- drüsen unter dem Mikroskop heraus. Dazu setzt mau die eine Nadel in die Mitte des Halses, da wo dieser in den Kopf übergeht und versucht mit der anderen die Speicheldrüsen aus dem sie umgebenden Gewebe herauszuziehen. Hat man bis da- hin die Arbeiten in ziemlich reichlicher ^ Fig. 68. Präparation der ,r 1 • 1 • 1 ir 1 11.. l^peicheldrusen. Die punktierte Menge physiologisclier Kochsalzlosung vor- Linie giebt die Schnittfiihrung genommen, um die Speicheldrüsenschläuche, zur Abtrennung der Eücken- die sich leicht überall in dem umgebenden Hälfte des Thorax an, der Pfeil Gewebe verstecken, aufzuschwemmen und fie Richtung, in der der Kopl T T , . , ^1 ' , luxiert werden muss. Das dadurch sichtbar zu machen, so muss man schraffierte Stück muss von dem nunmehr das völlige Freipräparieren in Thoraxrest abgetrennt werden, möglichst wenig Flüssigkeit vornehmen. (Nach einer Zeichnung des Verf.) Das Präparat darf eben nur noch gut feucht sein. Denn sonst kleben die kleinen Objekte, um die es sich nun han- delt, an der Präpariernadel fest und gehen verloren, oder sie weichen der zufassenden Nadel beständig aus. Ist das Präparat sehr gut gelungen — und das ist selten — so erhält man die beiden Speicheldrüsen (mit ihren 6 Schläuchen), an ihrem gemeinschaftlichen Ausführungsgaug hängend, zusammen. Für gewöhnlich aber wird dieser Ausführungsgaug zerrissen und man be- kommt die Speicheldrüsen nur einzeln heraus. Eine unversehrte Speicheldrüse besteht aus 2 großen langen Seiten- schläuchen, die deutlich Drüsenläppchen erkennen lassen und einem kürzeren Mittellappen, dessen Gewebe granuliert erscheint und den Macloskie als Giftlappen*] bezeichnet hat. Jeder der 3 Schläuche oder Lappen hat einen besonderen Ausführungsgang. Diese 3 vereinigen sich zu einem gemeinschaftlichen Ausführungs- gang und dieser wiederum vereinigt sich mit dem entsprechenden *) Dabei ist noch in keiner AVeise festgestellt worden, dass das Gift thatsäch- lich in diesen Lappen gebildet wird. 830 E. Ruare, gemeiiischaftlichen Ausfüliriiugsgang- der anderen Drüse. Der so gebildete Hauptausfiihrungsg-ang- mündet in den obersten Teil der Speiseröhre. Die Präparatiou der Öpeiclieldrüseu muss. so- lange es sich um Arbeiten mit bloßem Auge han- delt, auf einer weißen Unterlage gemacht werden, damit die gefärbten dunklen Hals- und Kopfteile der Mücke deutlich hervortreten. Bei dem Präpa- rieren unter dem Mikroskop kommt man aber nicht immer mit 2 einfachen Präpariernadeln aus. Es ist gut, wenn man ein paar Kadeln zur Hilfe hat, die an der Spitze in einem Winkel von 135" in ein ^2 ^^ langes Häkchen um- gebogen sind. Dann kann man ganz feine Stückchen besser fassen und braucht nicht, wie beim Zufassen mit Nadeln zu befürchten, die versteckt liegenden Teile der Speichel- drüsen zu zerquetschen. Die Häkchen stumpfen aber bald ab und müssen öfters geschlitfen werden; denn wenn sie nicht haarscharf sind, erfüllen sie ihren Zweck nicht, und quetschen ebenso wie Nadeln. Senkrecht abbiegen darf man das Häkchen nicht, weil mau seine Spitze dann nicht unter dem Mikroskop einstellen kann. Fig. 70. Die punktierten Linien geben die Schnittfiihrung an. (Nach einer Zeichnung des Yerf.) y-' Fig. 71. Speicheldrüse eines Anopheles maculip. £, 25mal vergrößert. Halb schematisch. a Mittellappen; b, U Seiten- lappen; c — c- Ausführungs- gänge der einzelnen Lappen ; d gemeinschaftlicher Aus- führungsgang. (Nach Rüge.; Ein besonderes Präpariermikroskop hat man aber nicht nötig. Mau gewöhnt sich sehr rasch an das Arbeiten im umgekehrten Bild und wenn man die unterste Linse des Objektivs (Leitz No. 3) abschraubt, hat man eine so schwache Vergrößerung, dass man bequem mit den Prä- pariernadeln arbeiten kann. Recht angenehm zum Auf- legen der Hände sind dabei Stützplatten, die sich leicht am Tisch eines jeden Mikroskopes anbringen lassen. Denn der Platz auf dem kleinen Tisch ist ziemlich beschränkt, auch wenn man den Objektträger längs und nicht wie ge- wöhnlich quer legt. Da es nun aber trotz aller Vorsicht vorkommen kann, dass man bei der Präparation der Speicheldrüsen nur eine herausbekommt, oder dass der Mittellappen, in dem die Sichelkeime — wenigstens des Proteosoma — vorwiegend angehäuft sind, auch noch gerade zerstört wird, so muss man ein anderes Verfahren zur Präparation vermutlich infizierter Speicheldrüsen anwenden Fig. 69. Häk- chen zum Her- ausziehen der Speicheldrüse nach Rüge. Nat. Große. Malariaparasiten. 831 können, wenn es darauf ankommt, nachzuweisen, ob die Drüsen über- haupt infiziert sind oder nicht. Auch noch ein anderer Umstand verhmg-t ein sicheres Verfahren. Ich habe nämlich wiederholt die Beobachtung gemacht, dass Sichelkeime nur in dem ]Mittellappen der einen .Speichel- drüse angehäuft waren, während der andere frei davon war und in den beiden Seitenlappen jederzeit el)enfalls keine Sichelkeime nachzuweisen waren. Aus diesem CIrunde muss mau also ein Verfahren haben, das stets gestattet, beide Mittellappen auf Sichelkeime zu untersuchen. Ich gehe in einem solche Falle folgendermaßen vor: Thorax und Hals werden derart durch einen Schnitt voneinander getrennt, dass der Prothorax am Halse hängen bleibt. Ebenso wird der Hals so vom Kopfe getrennt, dass noch ein schmales Segment des Kopfes am Halse hängen bleibt. Auf diese Art sind beide Speicheldrüsen in dem Hals- Prothoraxteil eingeschlossen. Dieses Stück wird nun mit zwei Präparier- nadeln in physiologischer Kochsalzlösung zerzupft, ein Deckglas auf- gelegt, dieses ein paarmal ziemlich kräftig auf das Präparat gedrückt und das Ganze einige Augenblicke erwärmt. Dann treten die Sichel- keime aus den zerquetschten Drüsenteileu aus und können leicht auf- gefunden werden. Das Verfahren hat außerdem den Vorzug der Schnelligkeit und kann auch noch mit Erfolg angewendet werden, wenn die zu untersuchende Mücke schon 24 — 36 Stunden tot und etwas eingetrocknet oder auge- fault ist. Denn so lange bleiben zwar die Sichelkeime lebendig, die Speicheldrüsen aber lassen sich nicht mehr aus dem bereits veränder- ten Geweben herauspräparieren. Ein ebenfalls empfohlenes Verfahren: die Sichelkeime durch Druck auf den Kopf zu entleeren, ist unzu- verlässig, weil mau auf diese Art nur diejenigen Sichelkeime erhält, die gerade in dem Hauptausführungsgang der Speicheldrüse und im Stachel liegen. Will man sich frische Präparate von infizierten Speicheldrüsen auf- heben, so verfährt man wie auf Seite 826 angegeben. Die Sichelkeime verlieren aber auf Glycerinzusatz ihre scharfen Linien, schrumpfen und zerfallen in kurzer Zeit (vergl. Atlas, Tafel IV, Fig. 125). Eysell ^'■^ präpariert die Speicheldrüsen folgendermaßen heraus. Nach- dem er den Hals durch Zusammendrücken des Thorax mit einer Nadel genügend hat hervortreten lassen, wird durch einen a Schnitt, der entsprechend dem Pfeil B zu führen ist, der vorderste Teil der Brust einschließlich Hals und Kopf vom Rumpfe getrennt. Jetzt zieht man von dem Punkte g und /' aus das Bruststück bis zu seinem Ansätze am Kopfe auseinander, fixiert diesen dann durch eine im Punkte h eingestochene Nadel und streicht mit der zweiten Nadel die am Boden der Mundhöhle Hypopharynx) hängenden Giftdrüsen ab.« Um gute Schnitte von in Alkoliol konservierten Stechmücken zu er- halten, eröffnet Ey.sell, ehe er die Tiere in Celloidin einbettet, alle drei Körperhöhlen, damit die Celloidinmasse. für welche die Chitinhülle der Fiff. 72. (Nach Eysell. 832 E. Rüge. Mücken nndiirclidriiiglicli ist, eindriageu kann. Dabei verfährt er wie folgt. Die der Beine nnd Flügel beraubte Mücke wird zwischen ein Stück feinsten Korkes nnd ein Stück Sonnenblumen- mark geklemmt. Da der Kork weniger nachgiebig als das Sonnenblumeumark ist, so wird der Mücken- leib mehr in das Sonnenblnmenmark hiueinge- quetscht nnd es entstehen Lagerverhältnisse wie auf Figur 73. Die durchschneidende alkoholbefeuchtete Messerklinge schneidet je blos eine Kalotte vom Fig. 73. (Nach Eysell.) a Messerklinge, h Mückenleib im Durchschnitt, c Sonnenblumen- mark, fi Kork. Fig. 74. (Nach Eysell. Kopf, Thorax und Abdomen weg. Die Mücke sieht dann aus wie in Figur 74. Die Halseingeweide sind natürlich ganz unberührt und auch der Magendarmkanal wird in den meisten Fällen nicht getroffen sein. Nun gelingt es unschwer, die Tiere mit Celloidinlösung zu durchtränken. Litteratur. 1* Eysell. Wie weist man Haemospor. im Culieidlb. nach? Arch. f. Schilfs- u. Trop.-Hyg.. 1902, S. 160. — i Giemsa. Färbemethoden für Malariaparas. Centralbl. f. Bakt.. I. Abt.. Bd. 31, 1902. S. 429. — -^ Koch, Ueber die Entwicklung der Malaria- parasiten. Zeitsclir. f. Hyg. u. Inf.. 1899. Bd. 32. — ^ Leishmann, The Applicat. of Romanowskys Stain in Malaria. Brit. Med. Journ.. 1901. pag. 635. — ^ Maurer, Die Tüpfel, d.^ Wirtszelle d. Tertianpar. Centralbl. f. Bakt.. I. Abt., Bd. 28. 1900, S. 115. — 6 NocHT. Zur Färb. d. Malariaparasiten. Ebd.. Bd. 25. 1899, S. 769. — " Panse, Chromatinfärbung. Ebd.. Bd. 30, 1901, S. 804. — » Rees. Malaria its Parasitology ect., The Practitioner. Spec. Mal. Numb.. March 1901. — '•' Reuter, Centralbl. l Bakt., I. Abt., Bd. 30. S. 249. — i" Rüge, Ein Beitrag zur Chroma- tinfärbung. Zeitschr. f. Hyg. u. Inf.. 1900, Bd. 33, S. 178. — n Ders.. Einführung in das Studium der Malariakrankheiten, 1901. — i- Stephens & Christophers, Rep. to the Mal. Com. 1900, III. Series, pag. 6. — i3 Wright. The Journ. of Medie. Research. Vol. VII, Nr. 1, 1902. — w Ziemann, Ueber Malaria und andere Blut- parasiten, 1898. XI. Anhang. Blutparasiten, die vermutlich zu den Hämosporidien gehören. Im vorhergehenden sind die menschlichen Malariaparasiten und die Parasiten der Vogelmalaria abgehandelt worden. Auf Seite 734 sind die wichtigsten Momente der Entwicklung und Fortpflanzung, wodurch sie als Hämosporidien gekennzeichnet werden, in gedrängter Kürze ge- geben worden. Es würde sich also jetzt darum handeln, zu untersuchen, welche von den sonst noch bekannten Blutschmarotzern ihnen nahestehen oder zu ihnen zu rechnen wären. Dies festzustellen ist aber zum Teil noch unmöglich, weil von den in Rede stehenden Blutparasiten noch zu wenig bekannt ist. Nur bei Malariaparasiten. 833 einzelnen von, ihnen kann man ihre Zug-ehörig'keit zu den llämospori- dien annehmen. Mit einiger Sicherheit kann indessen soviel gesagt werden, dass nach dem Stande unserer jetzigen Kenntnisse die seiner Zeit mit vieler Mühe von Celli & Sanpelice, ^ DAX1LEW^SK^,'- Grassi & Feletti^, Kkuse^, LabbeS*) und Wasielewski^2 aufgestellte Syste- matik von Hämogregariuen, Acystosporidieu u. s. av. zwar nicht mehr haltbar ist, dass aber zur Zeit ein neues System noch nicht aufgestellt werden kann. Ich behalte daher den von MinuazziniI" eingeführten und von Kruse, Lühe'^, Sciiaudixn^' und Doflein-^ übernommenen Gruppennamen »Hämo- sporidia« für die nunmehr zu besprechenden Parasiten bei. Um weiter- hin wenigstens eine Art von Einteilung für diese fraglichen Hämospo- ridien zu haben, will ich mich an die Thatsache halten, dass die echten Hämosporidien, zu denen ich die Malariaparasiten des j\Ienschen, das Proteosoma und das Halteridium rechne, Pigment bilden. Ein Teil der fraglichen Hämosporidien bildet gleichfalls Pigment, der weitaus größte Teil aber nicht. Ich werde also die noch zu besprechenden Hämospo- ridien in solche mit Pigmentbilduug und in solche ohne Pigmentbildung einteilen. Eine weitere Einteilung ist aber bei der Lückenhaftigkeit und Vieldeutigkeit des vorliegenden ]\Iaterials unmöglich und zwecklos. Es lüsst sich daher nicht vermeiden, dass die nachfolgende Besprechung zu einer Keihe von lose aneinander gereihten Einzeldarstellungen wird, der der innere Zusammenhang zum Teil vollständig fehlt. A. Zu den pigmeutbildendeu Hämosporidien würden der von Pi. Kocii bei ostafrikauisolieu Afieu entdeckte und von Küssel^ beschriebene Parasit und der von Kolle^ bei Rindern in Südafrika gefundene Parasit zu stellen sein. Von diesen beiden Parasiten sind nur Bruchstücke der Scbizogonie bekannt. 1. Der bei Affen gefundene Parasit. Dieser Parasit wurde von R. KiJCH bei Affen der ostafrikanischen Küste entdeckt und Zupitza stellte fest, dass er auch uoch in der Umgebung des Viktoria Nyanza vorkommt. Infiziert waren hauptsächlich Meerkatzen, seltener Hundsaffen. Nach Kosskls*' Beschreibung hat dieser Affenparasit große Aehnlichkeit mit dem menschlichen Tertianparasiten. Es wurden auf den roten Blutkörperchen Entwickluugstufeu gefunden, die den großen und kleinen Tertianriugen sehr ähnlich sehen, doch waren diese Formen seltener. Viel häufiger waren jene Gebilde, die wir bei den Malariaparasiten als Gameten kennen gelernt haben: runde freie Parasiten von Blutkörpercheugrüße (vergl. farbige Tafel Fig. 26 u. 27), deren Pigment über den ganzen Körper zerstreut ist und deren Plasma sich liei dem einen Teil sehr kräftig, bei dem anderen Teil hingegen nur sehr blass färbte. Auch hier zeichneten sich die Parasiten mit blassgefärbten Plasma durch einen be- deutenden Gehalt von Chromatin aus (vergl. farbige Tafel Fig. 27), während die Parasiten mit starkgefilrbtem Plasma nur ein einzelnes großes Chromatin- korn aufwiesen, das ebenso wie bei den Malariaparasiten in eiuein kleinen Segmentausausschnitt an der Peripherie des Parasiten gelegen war. Die infizierten roten Blutkr)rperchen blieben un\'erändert. Dagegen gelang es nie, weder im Blut uoch auch in inneren Orgauen Teilungsformen (Sporulations- formen] aufzufinden. *) Labbk rechnet die Malariaparasiten noch zu den Gymnosporidien und wendet den Namen Hämosporidien nur für die Blutschmarotzer der Kaltblütler an. Kruse fasste bereits alle Blutschmarotzer unter dem Gruppennamen Hämosporidien zusammen. Handbuth der pathogeneii Mikroorganismen. I. 53 834 R- Rnge, Im frischen Präparat konnte zwar die Bildung von Mikrogaraeten (Geißeln), aber kein Befruchtungsvorgang beobachtet werden. Krankheitserscheinungen wurden bei den infizierten Aflen nie beobachtet. Doch ließ sich in der ]Milz reichlich l'igment nachweisen. Aus der obensteheuden Schilderung geht hervor, dass zwischen diesem Affenparasiten und dem Tertianparasiten eine so weit- gehende Uebereinstimmung besteht, dass wir mit ziemlicher Sicherheit sagen können, dass wir in diesem Affenparasiten einen Parasiten vor uns haben, der etwa dem Halteridium entspricht. 2. Der bei Rindern gefundene Parasit. W. Kolle^ beobachtete in Südafrika eine Blutkrankheit des Rindviehs, die nicht Rinderpest oder Texas- fieber war, der aber die Tiere auch erlagen. Sie starben zu 50 % an einem remittierenden Fieber, ohne an Hämoglobinurie gelitten zu haben. Im Blute dieser Tiere fand sich nun ein Parasit, der die roten Blutkörperchen mehr oder weniger ausfüllte und amöboide Beweglichkeit zeigte. Nur selten war einmal ein Blutkörperchen doppelt infiziert. Besonders bemerkenswert ist, dass die von den Parasiten befallenen Blutkörperchen aufquollen, wie dies auch bei Blutkörperchen der Fall ist, die von den Tertianparasiten befallen sind. Außer den endoglobulär gelegenen Parasiten fanden sich auch freie Formen. Alle größereu Parasiten waren von Vakuolen durchsetzt. Die endo- globulären Parasiten fär])ten sich intensiv mit Methylenblau, Avährend die freien Formen das Methylenblau sehr viel schwächer annahmen (vergl. farbige Tafel Fig. 30), so dass mau geneigt sein kann, diese freien Formen als Gameten anzusprechen. Es wurden auch pigmentführende rote Blutzellen (wohl Parasiten) gefunden. Die Stellung dieses Parasiten ist schwer zu bestimmen, weil die von Dr. TuiiXER in Kimberley seiner Zeit angefertigten Zeichnungen zu Avenig detailliert sind, als dass man Schlüsse auf die Art des Parasiten ziehen könnte. B. Häniosporidieu ohne Pigmeiitbilduiig. Am eingehendsten sind bis jetzt die Blutschmarotzer des Frosches beschrieben worden. Als in- fiziert erwiesen sich Rana esculenta und Hyla viridis. Die Parasiten wurden in allen europäischen Kulturländern gefunden. Man unterscheidet bis jetzt 2 Arten: nämlich die Drepanidieu, die wurmförmige Gestalt haben und das Dactylosoma splendens Labbe (Laverania ranarum GiiAssi & Feletti), das in seiner Entwicklung mehr an das Proteosoma erinnert. Die Drepanidien (Gaules Würmchen, Drepanidium ranarum Lankester, Drepanidium princeps Labbe, Danilewskya Gkassei, Lankesterella ranarum Laxk) werden als wurm- artige 10—16 a große Gebilde beschrieben, die teils in den roten Blut- körperchen, teils frei im Serum, teils — dies aber seltener — in den weißen Blutkörperchen des Frosches angetroffen werden. Sie sind hyaline Gebilde, mit einer oder zwei Vakuolen und einem mehr oder weniger deutlichen Kern. Sie besitzen eine lebhafte BcAveglichkeit, drängen die roten Blutkörperchen auseinander, durchbohren sie oder stoßen sie zur Seite. Sie sollen aus kleinen 3 — 4 jti großen amöboiden Keimen entstehen, die sich bei ihrem Wachstum in die Länge ziehen, nach erfolgter Reife die roten Blutkörperchen verlassen, eine Zeit lang frei im Serum leben, eine Art von Konjugation ausführen (Labbe), dann sich wieder in ein rotes Blutkörperchen einbohren und dort encystieren. Dabei drängen sie den Blutkörperchenkern beiseite und das be- fallene Blutkörperchen wird zerstört. Die Cyste wächst, füllt das Blutkörperchen vollständig aus, bläht es auf und zerfällt schließlich entweder in 5 — 15 Makro- sporozoiten*), die etwa 5 — ^6 [i groß sind oder in etwa 50 Mikrosporozoiten *) Ueber eine etwaige unterschiedliche Bedeutung zwischen den Makro- und Mikrosporozoiten ist noch gar nichts bekannt. Malariaparasiten. 835 von einer Größe, die zwischen 8 und 5 // schwankt (Lai'.üeJ. Diese Keime sollen dann von neuem in die roten Blutkörperchen eindringen und den eben /■ 'J Fig. 75. ü — (; rote Blutkörperchen des Frosches, infiziert mit Drepanidium princeps; (1 freie erwachsene Parasiten in Bewegung; r — h Keimbildung bei Drepanidium princeps; e Beginn der Cystenbildung durch Abrundung in einem roten Blutkörper- chen: /"große Cyste in der Niere, enthält chromatoide und plastische Granula; (j Cyste mit 5 großen Keimen (Makrosporozoiten,, und einem Restkörper r ; h Cyste mit Mikrosporozoiten und 2 Restkörpern (/-). Nach Labbe aus v. Wasielewski. beschriebenen Kreislauf wiederholen. Die Parasiten ließen sich durch Blut- überimpfung von Tier zu Tier übertragen. Laiu'.e unterschied ein Drepanidium princeps und monilis. Vom Dre- panidium avium als einem unbe- stimmbaren Individuum will ich nicht weiter reden. Fernerhin beschrieb er noch bei Fröschen, Eidechsen und der Cistudo euro- paea große Drepanidieiiformen — 25 — 2S /.t — , die er als Gattung unter dem Namen Danilewskya zusammenfasste. Kruse & Zje- MANN erkennen diese Scheidung zwischen Drepanidium und Dani- lewskya nicht au, souderu er- klären beide für verschiedene große Individuen derselben Art. Während die »Würmchen« (Drepanidien) also sowohl innerhalb wie außer- halb der roten Blutkörperchen vorkommen, entwickelt sich das Dactylosoma spleudens Labbe nur innerhalb der roten Blutkörperchen. Es erscheint in seiner Jugend ebenfalls als kleines, längliches, hyalines Gebilde von etwa 3 // 53* Fig. 76. Danilewskya lacazei. a junge In- fektion; h und c erwachsene Parasiten. Nach Labbe aus v. Wasielewski. 4- .^^■■■ i&S. ".^A ^^' ( 4i 10 11 12 wfc 1:5 14 15 16 17 • # 18 19 20 21 22 « 2;^ 24 25 26 27 9 28 29 30 '» ^'^ 31 32 33 34 t # # • w 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 ^ 49 45 46 47 48 Tafelerklärung. Alle Figuren — mit Ausnahme der Nr. 16, 28—30 — sinrl nach h'oii/m/otrdi/- Präparaten angefertigt. 1—8. Entwicklungsgang des Tertianparasiten. 1—6 Scliizonten, 2 Tüpfelung nach h'/ige. 7 Mikrogametocyt , 8 Makrogamet. (4 und 5 nach Zienicnni, die übrigen Figuren nach Rüge). 9 — 12. Entwicklungsgang der ungeschlechtlichen Form des Quartanparasiten. (Nach Zir//ta»)>. 13 u. 14. Tropenfieberparasit fScliizonten . (Nach Zicmann^ 15. » Halbmond (Gamet). (Nach Zic»iauii. 16. Zwei Tertianparasiten mit Schaffners Tüpfelung. 17. Orthochromatisch gefärbtes rotes Blutkörperchen. 18. Polychromatisch » > » 19. Kleiner Lymphocyt. 20. Großer ' » 21. Großer nK>nonukle;irer Leukocyt. 22. Eosinophile Zelle. 23. Blutplättchen. 24—27. Blutparasiten bei Alten. (Nach Kassel. 26 Makrogamet. 27 Mikrogametocyt. 28 — 30. Blutparasiten gefunden bei südafrikanischem Rindvieh. (Nach Kollr.; 31 — 34. Entwicklungsgang der ungeschlechtlichen Form des Proteosonia (Schizonten). (Nach Zientann.) 35—40. Entwicklungsgang der geschlechtlichen Form des Halteridium (Gameten;. 39 Mikrogametocyt, 40 Makrogamet. (Nach 2^e»ia>iii.) 41 — 44. Entwicklung des Froschblutparasiten (Daktylosoma). (Nach Ziemann ) 45—49. Blutparasit bei Athene noctua von Zinna im gefunden. 48 und 49 freie Formen. (Nach Ii'ngr. 838 R. Rüge. Länge, rundet sich während seines Wachstums aber allmähli h ab, nimmt schließlich Rosettenform an und zerfällt in 8—12 ovale oder runde junge Para- siten. Das befallene rote Blutkörperchen wird nicht verändert. Es wird weder der Kern verdrängt, noch das Hämoglobin des Blutkörperchens aufgesogen. Bei der Färbung nach RomanoW'SKY zeigt das Daktylosoma einen deutlichen Chromatinkern, der sich im Laufe des Wachstums in ähnlicher W^eise teilt, wie wir es beim Proteosoma gesehen haben (vergl. farbige Tafel Fig. 41 — 44). Das sind in großen Zügen die bekannten Thatsachen. Wie haben wir sie nach dem jetzigen Stand unserer Kenntnisse zu deuten? Es liegen da zwei Mö'gliclikeiten vor. Entweder haben wir es mit zwei verschiedenen Parasiten zu thun und dann würde das Drepanidium die e f 9 Fig. 77. Dactylosoma splendens aus dem Blut des Frosches, a amöboide Keime in einem roten Blutkörperchen; h Parasiten mit netzförmiger Protoplasmastruktur: c erwachsene Parasiten, der untere zeigt die Handschuhfiugerform; ^/unregelmäßig geformter Parasit mit lappigen Fortsätzen und glänzenden Körnchen im Plasma; r abgerundeter Parasit; f Gymnospore, bestehend aus 8 Keimen, welche an einem Restkörper haften; // fächerförmig auf dem Restkörper aufsitzende Keime. Nach L.4BBE aus v. Wasielewski. Sporogonie eines Hämosporidiuni darstellen und das Daktylosoma die Schizogonie eines anderen. Es wäre allerdings auch möglich, dass Dak- tylosoma und Drepanidiuni ein Parasit wären, der sowold seine Schizo- gonie als auch seine Sporogonie in ein und demselben Wirt vollzieht. Ein derartiger Vorgang ist bis jetzt zwar noch niclit beobachtet worden, kann «aber deshalb nicht von vornherein von der Hand gewiesen werden. So viel ist jedenfalls sicher, dass die Entwicklung des Daktylosoma eine Schizogonie vorstellt. Dann müssen aber auch Gameten gebildet werden. Der einzige, der Formen im Froschblut beschrieben hat, die als Gameten gedeutet werden können, ist Ziemann^'. Er fand bei seinen Untersuchungen über die Froschparasiteu längsovale Gebilde frei im Serum, deren Chromatin staubförmig zerfallen und über den ganzen Körper zerstreut war. Diese Beschreibung lässt an männliche Gameten Malariaparasiten. 839 denken. Es wäre also möi^-licli, das« die von La um lation thatsäeldieh stattfindet und dass dann aus ihr die dann als Ookineten an- zusehen wären, entständen und diese sich dann in der von Lahbe angegebenen Art und Weise weiterent- wickelten. Diese Frage kann nur durch weitere Untersuch- unji-en entschieden werden. lö besch die y>m riebene utwürni Ko})u- clicn«, 2. Cytamoeba bacteri- fera Labb6. Dieser zweifel- liafte Schmarotzer ist von Lai5I?i': als ein amübenartiges, innerhalb der roten Blutkörper- chen des Frosches liegendes Gebilde beschrieben worden, das Bakterien in seinem Inneren enthalten soll. Es ist auch von Krusp: beobachtet worden, der die angeblichen Bakterien in Fig. 78. Cytamoeba bacteritera aus dem lilute des Frosches, a 3 Keime in einem Blutkörper- chen; h in 2 heranwachsenden Parasiten sind Bakterien (// enthalten; c größere Amöboidfoimen mit Bakterien. Nach Laijüe aus v.Wasieleav.ski. Fig. 71). Infektion der roten Blutkörperchen einer Eidechse durch Karyolysus lacertarum. a—c in den hypertrophischen Wirtszellen ist der Kern gespalten ; die Kern theile A' und xVi atroph'ieren zum Teil; rf Kern des Blutkörperchens verlängert und an die Wand gedrückt; bei I) granulöse Degeneration des Stromas; c — /Keim- bildung bei Karyolysus; c mitotische Teilung des Kernes; /"zahlreiche oberfläch- liche Tochterkerne;"// Beginn der Keimbildung um die Kerne: 1/ ("yste mit Makro- sporozo'iten und 2 Restkörper an den Polen; / Cyste mit Mikrosporozoiten und 2 Restkörpern. Nach Labue aus v. Wasielewski. lebhafter Bewegung sah. Ziem.vnx i^ glaubt, dass es sich nicht um eine Amöbe handelt, sondern um eine Blutkörperchenvakuole, in der sich Bakterien an- 840 R' Kuge, Malariaparasiten. gesiedelt haben. Ueber die Stellung dieser äusserst fraglichen Form ist zur Zeit ebensowenig auszusagen wie über 3. Karyolysus, der von Daxilewsky, Pfeip^fer, Celli & Saxfelioe sowie Labbe bei Eidechsen und Schildkröten beschrieben worden ist. Nach den Berichten dieser Autoren entwickelt sich der Parasit innerhalb der" roten Blutkörperchen dieser Tiere. Er erscheint zuerst in Gestalt eines lang- gestreckten Keimes von 3 — S /< Länge und wächst allmählich zu einem Würmchen ähnlich dem großen Drepanidium aus. Während seines Wachstums zerstört oder drängt er den Kern des befallenen Blutkörperchens beiseite. Das Hämoglobin des infizierten Blutkörperchens wird aufgezehrt. Der er- wachsene 10 — 14 1^1 große würmchenähuliche Parasit soll sich schließlich encystieren. In den Cysten, die sich innerhalb des roten Blutkörperchens entwickeln, entstehen dann entweder 4 — 20 Makro- oder gegen 50 Mikro- sporozoiten. Die Cysten platzen, die Sporozoiten treten aus und infizieren die Blutkörperchen von neuem. Von diesen Parasiten gilt in entsprechender Weise dasselbe was über Drepanidien und Daktylosoma gesagt worden ist. C. Ein Blutschmarotzer, dessen Stellung noch vollkommen unklar ist, ist der von Ziemaxx i-' beschriebene Parasit, der in den weißen Blut- körperchen von Athene noctua schmarotzt. Die von ZieäL'iXX beobachteten Infektionen Avaren recht intensiv und doch zeigten die befallenen Tiere keine Krankheitserscheinungen. Der Parasit selbst wurde sowohl innerhalb der weißen Blutkörperchen als auch frei beobachtet. Die beigegebenen Figuren veranschaulichen am besten seine Entwicklung (vergl. farbige Tafel Fig. 45 — 49). Während seines Wachstums drängte er den Kern an die Zellwand. Der Parasit selbst zeigte in Präparaten, die nach Romanowsky gefärbt waren, deutlich Chromatin. Das Chromatin der freien Formen zeichnete sich durch seine feine staubförmige Beschaffenheit aus. Ziemann konnte ferner zwar die Bildung von Geißeln (Mikrogameten) aber nie Teilungsformen beobachten und er schloss aus diesem Umstand und der Thatsache, dass die befallenen Vögel keine Krankheitserscheinungen zeigten, dass sich der Parasit überhaupt nicht innerhalb der Athene noctua vermehrte. Ueber Pignientbildung wird nichts mitgeteilt. Litteriitur. 1 Celli & Sanfelice, Fortschr. d. Med., 1S91. — - Danilew.sky, Parasitolg. comp, du sang, ISSO. — •* Doflein, Die Protozoen, 1901. — * Grassi & Feletti, Atti Accad. Gi )en. sc. natur. Catania, 1802/93, cit. nach Kruse. — ■> Kolle. Zeit- schr. f. Hyi;-. u. Inf. 189S, ]5d. 27, S. 45. — f' Kossel, ebd.. 1899. Bd. 32. S. 25. — ' Kruse & Flügge, Die Mikroorganismen, 2. Bd., J81M), S. (552. — >< Lalbe, Das Tier- reich u. s.w. 5. Lieferung, Sporozoa. 1899. — '•' Lüiib, Ergebn. d. nener. Sporoz. forsch., 1900. Centralbl. f Bakt., 1. Abt., 1900. Bd. 27. — i" Mix(;azzini, Bollet. Soc. Natur. Napoli 1890, cit. nach Kruse. — i' Sc'ilvudinn, Der Generationswechsel d. Coccid. u. Plämosp. Zoolog. Centralbl., Bd. (i, "Nr. 22, 1899. — '- v. Wasif,eew.ski, Sporozoenkunde, ISlHi. — !■' Ziemann, Ueb. Malaria- u. and. Blutparasit.. 1898. XIII.*) Die Hämoglobinurie der Rinder (Weiderot, Jiotnetze, Schwarzwasser, Maiseuclie, Bliitliarnen, Wald- Ivrankheit, Texas fever, Tick fever, Blackwater, Redwater, Mal de brou, Malaria des bovides, Tristeza, Malaria bovina, Piscia sangue). Von Professor Dr. H. Kossei, Kegierungsrat am Kaiserlichen Gesundheitsamt in Berlin. Mit 1 Farbentafel nach Aquarellen von Dr. C. Schilling und Mikrophotogrammen. Historisches. Die Krankheit lenkte zum ersten IMale um die ]\ritte des vorigen Jalirhunderts in Amerika die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sich, als sie, durch aus Texas kommendes Vieh in Indiana und Illinois ein- gesclileppt, große Verheerungen unter den Viehbeständen dieser Staaten anrichtete und als aus dem Westen eingeführtes Schlachtvieh in New- York unter bis dahin unbekannten Erscheinungen einging. Eine Kommission 3'\ welche vom Staate New-York beauftragt wurde, die Seuche zu erforschen, beschrieb als die haui)tsä('hli('listcn Symptome das Auftreten von Fieber, Steigerung der rulsfrequenz, große .Alattigkeit, Muskelzuckuugen, verminderte iAIilclia])Sonderung, Appetitmangel, anfangs Verstopfung, dann Durchfall mit Drang zur Urinabsonderung, Ausschei- dung eines roten oder dunkell)raunen Harnes und ikterische Färbung der Schleimhäute. Auch die anatomischen Veränderungen, welche sich bei den verendeten Tieren linden, wurden in zutreffender Weise geschildert und die Abnahme in der Zahl der roten Blutkör]ier('hen Itctont. Etwa nO^ der betallenen Tiere sollten angeblich der Krankheit zum Opfer fallen, doch wurde betont, dass die Sterblichkeit geringer l)ei Texas-Vieh als *) Anmerkung der Herausgeber. Es war bei Aufstellung eines eiuheit- liclien Planes zur Verteilung des Stoffes von den Herausgebern vorgesehen, die zur Klasse der Protozoen gehörigen Parasiten der menschlichen Malaria (iucl. Ilämo- sporidien) und der Hämoglobinurie der Rinder in das Kapitel: »Protozoen* an der richtigen Stelle einzufügen. Es ist allerdings notwendig geworden, um eine allzu große Verzögerung in der Herausgabe des Werkes zu vermeiden, die Kapitel über Malaria und Hämoglobinurie XII. und XIII.) aus dem natürlichen Zusammenhange mit den Protozoen herauszunehmen und, wie geschehen, vorauszuschicken, weil leider Herr Stabsarzt Dr. vox W-Vi^iELEWSKi bis jetzt verhindert war, seinen Bei- trag zur Drucklegung fertigzustellen. 842 H. Kossei. bei dem Vieh aus den Nordstaateu zu sein i)fleg-te. Die Ansteckung- sollte von dem kranken Vieh und dessen Ausscheidungen ausgehen und sogar dann eintreten können, wenn gesundes Vieli über eine Weide getrieben wurde, auf der kranke Tiere geweidet liatten. Die Erforscliung der Ursaclie der Krankheit A\urde in den l)eiden folgenden Dezennien fortgesetzt, zunächst mit wenig Glück. Zwar fanden Stiles, Hallieu, Sal^mon, Detmers, Billings, Paquin in dem ]>lute kranker Tiere verschiedene jMikroorganismen, die von ihnen mit der Krankheit in Verbindung gebracht wurden. Doch stellte sich später heraus, dass keine der gefundenen Bakterienarten als Erreger der Seuche zu betrachten war. Unterdessen war die Krankheit auch in anderen Ländern und Erdteilen beobachtet worden, so in den siebziger Jahren in der Kapkolonie, wo sie mit dem Namen redwater bezeichnet wurde und unter ganz ähnlichen Erscheinungen und Bedingungen auftrat, wie auf dem amerikanischen Kontinent. Hier wie dort war ihr Vorkommen an bestimmte Gegenden gebunden. Auch in Europa war die Krankheit niclit unbekannt. Schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts war sie im Kaukasus, sowie in Frank- reich von einer Reihe von Tierärzten beobachtet worden. In Deutsch- land kam sie gleichfalls vor^o. 53 ^Yid wurde meist auf den Genuss gewisser Pflanzen zurückgeführt, ebenso in Dänemark. Die Schil- derungen, welche sich in den Arbeiten der Tierärzte der genannten Länder und in tierärztlichen Lehrbüchern finden, stimmen bezüglich der krankhaften Erscheinungen in wesentlichen Tunkten mit den Angaben der Amerikaner überein. 1888 unterzog Baijes^^-' die von ihm als seuchenhafte Hämoglolnnurie der Kinder bezeichnete Krankheit in Rumänien einer genaueren Unter- suchung. Babes beschrieb die anatomischen Veränderungen und teilte mit, dass er in den roten Blutkörperchen verschiedener Organe gefallener Tiere eigenartige mit Methylenblau färbl)are Körperchen gesehen habe, welche die Form von Diplokokken hatten und sich auf künstlichen Nährböden nur schwer züchten ließen. Nach Babes sollten sie mit dem Wasser infizierter Brunnen in den Rinderorgauismus eindringen. Später (1890) teilte er mit, dass Kulturen der Mikroorganismen imstande seien, ])eim Kaninchen die Krankheit zu erzeugen. Die Mikroorganismen unter- schieden sich von den Bakterien, noch mehr jedoch von den zu den Protozoen gehörenden Blutparasiten, so dass Babes ihnen eine Stellung zwischen Bakterien und Protozoen anwies. Erst den amerikanischen Forschern Tu. Smith & Kilborne ^^ gelang es den Schleier zu heben, der die Ursache der Krankheit verhüllte. Um dieselbe Zeit wie Babes und wie einige der oben genannten amerikanischen Forscher beschäftigte sich Th. Smith^^ \i^ Washington mit der Untersuchung des Texasfiebers. Er konnte zunächst feststellen, dass alle bisherigen Angaben über das Vorkonnnen von Mikroorganismen, die sich auf künstlichen Nährböden züchten lassen sollten, nur neben- sächliche Bedeutung hatten, da er das Blut kranker Tiere völlig bak- terienfrei fand. Dagegen erkannte er als erster die Natur der in den lilutkörperchen vorkommenden Gebilde, die der rumänische Forscher wohl zweifellos auch gesehen aber nicht richtig gedeutet hatte. Zu- sammen mit dem Tierarzte Kilborne klärte Smith die Aetiologie und die Uebertragungsweise des Texasfiebers auf; ihre gemeinschaftlichen Untersuchungen gaben ein so erschöpfendes Bild der amerikanischen Die Hämoglobinurie der Rinder. 843 Kranklieit und ilirev Errog-or, dass von späteren Forsclicrn nur wenig Neues ihren Entdeckungen liinzugefügt worden ist. 8mith c^ Kili5(jrxe^6 l)esehreil)en als den Erreger des Texasfiel)ers pignientlose, ;iniü1)oid l)ewegliehe l'arasiten, welche in die roten Blut- körperchen eindringen. !^ie erscheinen unter verschiedenen Formen; entweder sind sie unregelmäßig rundlich und liegen ein/xln oder es sind zwei Körperchen von Inrnförmiger Gestalt, die durch eine feine Linie verbunden erscheinen. Wegen des l)irnförmigen Aussehens und des ])aar- weisen Zusannnenliegens nannten Smith & Kilborne den Parasiten Pyrosoma l)igeminum*) und wiesen ihm eine Stellung neben den bis dahin bekannten zu den Protozoen gehörenden Gattungen von Blut- parasiten (Hämosporidien) an. Sie zeigten ferner noch, dass bei der Er- zeugung der Krankheit eine Zecke (Boophilus bovis) beteiligt ist, welche den Blutparasiten gewissermaßen als Zwischenwirt dient. Zecken, welche mit dem Blut kranker Tiere die Parasiten aufgenommen haben, vererben dieselben auf ihre Nachkommen, die dadurch ihrerseits die Fähigkeit erlangen, gesunde Rinder durch ihren Biss zu intizieren. 1893 besprach Starcovici^^ auf Grund der Forschungen von Babes und Smith & Kilborne die Frage, ob die in Texas und in den Donau- niederungen beobachteten Krankheiten als identisch anzusehen seien. Er verneinte dies auf Grund einiger unbedeutender Abweichungen in Bezug auf die Verbreitungsart, die pathologische Anatomie und das Ver- halten der Parasiten und stellte neben dem Pyrosoma bigeminum (Simith) eine von diesem getrennte Parasitenart als Bal)esia bovis (Babes) auf 1894 beschrieben A. Krogius & 0. von Hellens22 eine in Finnland unter dem Bindvieh seuchenhaft auftretende Hämoglobiiuirie, bei welcher sie gleichfalls in den roten Blutkörperchen Parasiten fanden, welche sie als Erreger der Krankheit betrachteten und für identisch mit den von Babes und von Smith beschriebenen hielten. Auch in Finnland verlief die Krankheit im wesentlichen unter denselben Erscheinungen wie in Texas. In dem gleichen Jahre konnten Weisser & Maassen^*^ die Texas- fieberparasiten nachweisen bei einem Rinde, das einem in Hamburg aus Nordamerika eingetroffenen Viehtransport angehörte und an Hämoglo- binurie erkrankt Mar. Nunmehr häuften sich die Angaben von Ubereinstinnnenden Befunden bei der Hämogl(»l)inurie der Rinder. 1895 fanden Loi & Sanfelice^^ in den roten Blutkörperchen vcm an Hämatinurie leidendem Rindvieh in Sardinien runde oder etwas längliche zu zweien in Form einer 8 oder birnförmig angeordnete färl)bare aber nicht züchtbare Körperchen, die sie als protozoenartig l)ezeichnen und mit den amerikanischen, rumänischen und finnländischen Parasiten identifizieren. 1896 wurde in Queensland die dort unter dem Namen tick fever bekannte Krankheit durch Hunt & Collixs'"^ studiert und festgestellt, dass als Erreger derselben mit den Pyrosomen Smiths identische Blut- parasiten zu betrachten sind, sowie dass eine mit dem amerikanischen l^oophilus l)ovis identische Zecke die Uebertragung von Tier zu Tier ver- mittelt. 1897 beschrieben Celli & Santori-^ ein Rindermalaria unter dem Vieh in der römischen Kampagna und bildeten die von ihnen in den roten Blutkörperchen gefundenen Mikroorganismen ab. Auch sie *) Weil die Namen Pyrosoma und Apiosoma bereits vergeben sind, wird der Parasit in der zoologischen Litteratur als Piroplasma bezeichnet. 844 11. Kossei lialten die in den verschiedenen Leandern Aorkommenden Krankheiten für identisch. In demselben Jalire teilte E. Koch^'' mit, dass er geleg-entlicli seiner liinderpeststudien in der Kapkolonie die Parasiten des Texas- fiel)ers bei dortigen Rindern i;efunden habe. 1898 folgten seine Unter- suchungen über das Texastieber in Ostafrika, bei dem er die gleichen Parasiten feststellte. Er bestätigte durch Versuche an Rindern die Angaben von Smith & Kilborne, dass die von infizierten Zecken al)stammenden Larven imstande sind, bei den von ihnen l)efollenen Tieren Texasheber zu erzeugen. In dem gleichen Jahre stellte Ziemann •''i das Vorkommen der Parasiten bei dem Ulutpissen der liinder in der Lombardei fest. Ferner erkannte 1898 eine zum Studium der Tristeza des Rindviehs in Uruguay ernannte Kommission diese Krankheit durch den Nachweis der Parasiten als Texasfieber. 1899 erwähnt Tidswell^s das Vorkommen der Pyrosomen bei dem tik fever, der identischen Krankheit des australischen Weideviehs. Ebenfalls 1899 beschrieben Nicolle & Adil-Bey^'^ die Pyrosomen bei der als Malaria des bovides bezeichneten Hämoglobinurie der Rinder in der Türkei. 1899 studierten Kossel & Weber 20 die Hämoglobinurie der Rinder in Finnland, wobei sie die Angaben von Krogius & Hellens be- stätigen konnten und die L^ebertragung durch Zecken und zwar durch den Ixodes reduvius bei der finnischen Hämoglobinurie als Ueljcrtragungs- art erkannten. In dem gleichen Jahre inachte jACKSCHAnU" die kurze Mitteilung, dass er bei dem in einigen Gegenden Norddeutschlands vorkommenden lUutharnen der Rinder birnförmige Parasiten im Blute gefunden habe. 19()() erschien eine ausführliche Al)handlung von Lignieres ül)er die als Tristeza bezeichnete Krankheit des Rindviehs in Südamerika, speziell in Argentinien, welche ebenfalls nichts anderes ist als die durch Pyrosomen hervorgerufene Hämoglobinurie und gleichfiills durch Zecken übertragen wird. Ferner teilte Lignieres 2* am 27. Dezember 1900 in der Societe cen- trale de medecine vetcrinaire zu Paris l^eobachtungen über das mal de brou des Rindviehs in Frankreich mit, nach denen auch hier ähnliclie lUutparasiten gefunden wurden. Die im Norden Frankreiclis vorkom- mende Rinderzecke ist der Ixodes reduvius. Die von diesem ülior- tragenen Parasiten zeigen nach Lignieres gewisse morphologische Unterschiede von dem durch die Zecken in Argentinien ül)ermittelten Piro])lasma. 1901 folgten weitere Arbeiten von Kragerüd^i ül)er das Vorkonnnen der Hämoglobinurie (rödsyge) in Norwegen, als deren Ursache er eben- falls das Pyrosoma anspricht, von Claude & Soulie"^ über ihr Auftreten in Algier, ferner von Lignieres -'^ über l^nterschiede zwischen dem I^ira- siten des Mal de brou und demjenigen der Tristeza, welche hauptsäch- lich darin sich zeigen, dass die gegen die Parasiten des franzijsischen Mal de brou gefestigten Rinder der Infektion mit den Parasiten der ar- gentinischen Tristeza erliegen. 1901 bestätigte ferner KRöNiNG^'die Angaben von Jackschatii über das Vorkommen von texasfieberähnlichen Blutparasiten bei der endemischen Hämoglobinurie der Rinder in Deutschland und Ziemann-^^ sowie Never- MANN'*'^ beschrieben die gleichen Mikroorganismen bei der Hämoglobinurie in Oldenburg bezw. der Provinz Hannover. Letzterer machte vor Die Hämoglobinurie der Rinder. 845 allen Dingen auch genauere Angaben über die Methodik der l)lutunter- suchung zu diagnostischen Zwecken. In Deutschland wird die Krankheit mit dem Namen \\'eider(»t, Kot- netze, Schwarzwasser, Maiseuche, Hlutharuen, Waldkranklieit der lünder bezeichnet. (Vgl. die Litteraturangabcn l)ei Frieduerger & Fröiiner^-^) Morphologie der Parasiten. Bei der Untersuchung des frischen Blutes texasfieberkranker Rinder bemerkt man nach S.mith & Kilborne^'^ bei etwa lOOüfacher Ver- größerung auf den roten lUutscheiben blasse zu zweien liegende Körperchen von birnfürmiger Glestalt. Das eine Ende ist rund und der Leib verjüngt sich allmählich bis zu dem gegenüberliegenden spitzen Ende. Ihre GröBe wechselt in verschiedenen Fällen, meist sind jedoch die in einem Blut- körper liegenden Gebilde von gleicher (iröße etwa 2 — 4 /< lang und 1,5 — 2 ,tt breit. Die zugespitzten Enden sind einander zugewandt und berühren sich, wührend die dicken Enden in verschiedenen Stellungen gegenüber liegen können. Ihre Axeu können einander parallel laufen oder eine gerade Linie bilden. Sie haben ein gleichmäßiges blasses meist nicht granuliertes Aussehen und heljen sich scharf von dem sie einschließenden Blutkörperchen al). Die kleineren Formen sind gewöhn- lich völlig homogen; die größeren enthalten in dem abgerundeten Ende häufig ein rundliches, 0,1—0,2 ,u großes Körperchen, das sich durch dunklere Farbe auszeichnet und l)isweilen stark glänzt. Im Innern der größten Formen zeigt sich im Centrum des dicken Endes ein giößeres, rundliches oder ovales Körperchen von 0,5 - 1 jn. Je nach der Einstel- lung erscheint der Parasit dunkel mit rundem, liellen Fleck oder hell mit dunklem Fleck. Es lassen sich zuweilen amöboide Bewegungen der Körperchen nachweisen. Eine Verbindung zwischen den zugespitzten Enden war in ungefärbtem Zustande nicht zu erkennen. Die Bewegungen der Parasiten auf dem gewärmten Objekttisch bestanden nicht in dem Vorschieben oder Einziehen von Pseudopodien sondern in einer be- ständigen Veränderung der Umrisse, wie bei den Leukocyten des Säuge- tierblutes. Die Formveränderungen können so schnell erfolgen, dass es kaum möglich ist, ihnen mit dem Auge zu folgen; sie treten im Sommer auch bei Zimmertemperatur ein und können stundenlang anhalten. Be- sonders die einzeln liegenden, wahrscheinlich jüngeren Formen zeigen Be- weglichkeit, während die Doppelparasiten scheinbar unverändert bleiben. Wenn man die Blutpräparate nacli der Fixierung mit alkalischem Methylenblau beliandelt, so zeigt sich, dass die Parasiten die blaue Farbe angenonnnen haben und zwar gewöhnlich am Rande stärker als in der Mitte, welche unter Umständen völlig ungefärbt bleiben kann. In letzterem Fall hat der mittlere Teil einen eigenartigen Glanz. Andere basische Anilinlarbstofte, wie Methyl- und Gentianaviolett, auch Hämatoxylin sind gleichfalls zur Färbung geeignet, weniger Fuchsin. Nicht alle Parasiten sind birnförmig und gepaart, sondern vielfach liegen sie einzeln und sind rundlich oder von unregelmäßiger Form. Die Doppelformcn nehmen reichlich ein Viertel der Blutkörperchen ein und schädigen dieselben augenscheinlich, so dass ihr Rand vielfach gekerbt und runzlig oder wie mit Stacheln l)esetzt erscheint. Auch kann die Farbe solcher Blutkörperchen dunkler werden. Die Zahl der infizierten Blutkörperchen beträgt nach S. it K. meist nur etwa 1^ der Erythrocyten; nimmt ihre Menge erheblich zu bis zu 846 H. Kossei. 5 oder 10 X> so pflegt iu der Kegel der Tod des Tieres nielit lange auf sicli warten zu lassen. Nacli dem Absinken des Fiebers verschwinden die Parasiten sclmell aus dem zirkulierenden Blut imd nunmehr treten eml)ryonale Formen von Blutscheiben auf, welche zum Ersatz der zerstörten bestimmt sind. Ausnahmsweise findet man noch ein vereinzeltes infiziertes Blutkörperchen einige Tage oder gar eine AYoche nachher. Auch bei den tödlich ver- laufenden Fällen kann ihre Zahl gegen das Ende erheblich sinken. (jroße Mengen der Barasiten finden sich in den inneren Organen. Einige Stunden nacli dem Tode des Tieres haben die Parasiten hier fast sämtlich eine runde Form angenommen, vermutlich durch die schädigenden Einflüsse des Absterbens der Gewebe des Wirtstieres. Sie erscheinen dann als gleichmäßig gefärbte Scheiben auf den Blut- körperchen. Die Anzahl der infizierten Erythrocyten in den inneren Organen ist verschieden, je nachdem das Tier im Fieberstadium erlag oder erst später. Sie sind sehr reichlich in den Nieren (oft 50— 80 ^ aller Blut- scheibeu), dann folgt die Leber und die Milz. Sie sind zahlreich im Herzmuskel, in den Plexus chorioidei der Seitenventrikel und in den Gefäßen der Pia mater und der Gehirnsubstanz, spärlich in der Skelett- muskulatur. Auch in den Kapillaren der Darmschleimhaut finden sie sich. Im Herzmuskel und in den Nieren kommen die Doppelparasiten auch frei vor, besonders wenn ein starker Zerfall von Erythrocyten ein- getreten ist. Außer den Parasiten des akuten Texasfiebers beschreiben Smith & KiLBORNE Gebilde, welche den milden Herbstformen der Krankheit eigen- tümlich sein sollen. In solchen Fällen fanden sie 5—50^ der roten Blutkörperchen infiziert mit Körperchen, die gewöhnlich im ungefärbten Zustande nicht sichtbar Avareu und erst nach Behandlung mit Farbstofien als einzelne runde 0,2 — 0,5 // messende »coccus like bodies« hervortreten. Sie färben sich nach S. & K. nur mit basischen Anilinfarben und Häma- toxylin, nicht dagegen mit Eosin und widerstehen der Entfärbung mit Essigsäure ziemlich gut. Sie sollen sich vorzugsweise bei Tieren finden, welche vor der eigentlichen Texasfiebeijahreszeit oder in den kältereu Monaten (Oktober "und November) der Infektion mit Texasfieber aus- gesetzt waren. Die Körperchen werden von Smith & Kilbokxe als Parasiten und nicht als Veränderungen in der Substanz der Erythrocyten angesprochen, weil sie mit oder vor der Zerstörung der letzteren im Blut auftreten, Aveil sie ferner meist in anscheinend unveränderten Blutkörperchen liegen und zwar einzeln und weil ihre Größe in demselben Biuti)r:ii)arat stets die gleiche ist. Smith & Kilborne halten es daher für sehr wahrscheinlich, dass diese coccus like bodies Parasiten sind, jedoch nicht für zweifellos er- wiesen, dass sie in den Entvvicklungskreislauf des Texasfieberparasiten gehören und nicht etwa von diesem unabhängige Schmarotzer sind. (Vgl. unten S. 861.) Die Vermehrung der Parasiten geschieht nach den genannten Forschern vermutlich in der Weise, dass kleinste bewegliche Schwärmsporen in das rote Blutkörperchen eindringen, sich als blasse Körpercheu an der Peripherie desselben lagern und zur Teilung schreiten. Die beiden Teile bleiben jedoch im Zusammenhang (coccus like bodies), wachsen später allmählich zu gleichgroßen spindelförmigen, dann mehr auseinander- Die Hämoglobinurie der Rinder. 847 ii'ezogeueu und birnförmiiien Gel)il(len lieran. AVie aus diesen die kleinsten Formen liervoi-i;elien bleibt uni;e\viss, da Formen, die als Vermelirungs- formen gedeutet werden könnten, nicht beobachtet wurden. Celli & Santori (1. c.) unterscheiden bewegliche Formen mit Orts- beweg'ung- und solche mit amijboider Bewegung. Erstere sind rund oder oblong oder stabtormig verlängert oder auch birnfürmig und liegen ent- weder einzeln oder zu mehreren in den roten Blutkörperchen, in denen sie Ortsveränderungen vornelimeu. Die amöboid beweglichen Parasiten sind größer als die eben genannten, sie verändern ihre Gestalt mehr oder weniger schnell; die cliarakteristischen Doppelformen zeigen wenig- öder gar keine Gestaltsveränderung. Wie die Vermehrung vor sich geht, vermochten auch Celli & San- tori nicht zu ergründen. Hunt ''5 glaubte 1897 die Vermehrungsformen der Parasiten bei der australischen Kinderhämdglobinurie gefunden zu haben. Er spricht als solche an eigenartige Gebilde, welche er in Ausstrichpräparaten von Kapillarblut aus dem Herzmuskel fand; sie sind etwa dreimal so lang als breit, halbmondförmig gekrünnnt, an den Enden abgerundet mit einer schlecht färbbaren Zone in ihrem Inneren. Ihre Breite entspricht un- gefälir dem Durchmesser eines roten Blutkörperchens. Nach den Ab- bildungen, welche Hunt giebt, zu urteilen, liandelt es sicli jedoch bei diesen Gebilden um ein Entwieklungsstadiuni eines von den l'yrosomen verschiedenen Parasiten, nämlich um Siclielkörper von Sarkosporidien, die bereits Smith & Kilhorne als zufälligen Befund bei der Unter- suchung von x4.usstrichpräparaten aus dem Herznmskel älterer Tiere erwälnicn. LiGNiKRES^" 2!j ^vill durch Beobachtung sehr parasitenreichen Blutes die Entwicklung des Parasiten verfolgt haben. Er sah, w^enn er von defibriniertem Blute von Zeit zu Zeit Präparate anfertigte, die birn- förmigen Parasiten übergehen in runde Gebilde, dann aber in diesen sich eine runde zentrale, stärker färbbare Zone bilden. Diese stärker färbbare Partie rückt dann allmählich an den Rand der Gebilde und tritt schließlich aus denselben heraus, bleibt aber noch einige Zeit mit dem Rest durch eine kleine Geißel verbunden. Nach Lkjnieres' Ansicht handelt es sich hier um nichts anderes als die Dauer- form des Parasiten. Er denkt sich den Entwicklungsgang folgender- maßen. Der birnförmige Parasit zerstört das rote Blutkörperchen, in dem er lebt, wird frei, vermag jedoch nicht in ein neues Blutkörperchen einzudringen. Er rundet sich ab, lässt 1 — 3 Sporen austreten, die mit einer Geißel bewaönet sind, in ein neues Blutkörperchen eindringen und schnell zu einem birnförmigen Körper heranwachsen. Handelt es sich um eine Spore, so entsteht ein einzelner Parasit, sind zwei durch ihre Geißel verbundene Sporen in den Erythrocyten eingedrungen, die Doppelform. Lignieres will ferner die zweite Art von Sporen, die er im Gegen- satz zu den vorher erwähnten aktiven Sporen passive nennt, sich haben entwickeln sehen, wenn er sehr parasitenreiclies Blut in liämoglobin- haltiges steriles Serum im})fte. Sie sollen in diesem künstlichen Nährmedium schnell zu runden Parasiten heranwachsen. Er teilt mit, dass es ihm gelang, diese Formen bis zur fünften Generation von Kultur zu Kultur zu übertragen. Sie wuchsen jedoch ausschließlich auf hämoglobinhaltigem Serum, nicht aber auf den gebräuchlichen Nährmedien. 848 H. Kossei, Die Abbilduiiiien, welche Lignikres als Belege für diese Beliauptungeu giebt, lassen jedoch eine andere Deutung zu. Es handelt sich, wie auch DoFLEiN 11 vermutet, wahrscheinlich um eine allmähliche Umwand- lung des Protoplasmas der Parasiten infolge der ungünstigen Einflüsse, denen sie außerhalb des Tierkörpers ausgesetzt sind. Auch die That- sache, dass es Ligxiekes gelang, die Parasiten mit Hilfe einer solchen »Kultur« in lebendem Zustande von Argentinien nach Frankreich zu transportieren, kann als ein Beweis für die LiGXiEREs'schen Hypothesen nicht angesehen werden. Laveran & Mesnil ^s haben nämlich an den Trypanosomen der Hatten gezeigt, dass niedere tierische Parasiten sehr lange außerhalb des Wirtkörpers am Leben erhalten werden können, wenn man sie bei niederer Temperatur aufbewahrt und teilen bei dieser Gelegenheit mit, dass auch Ligxieres das Blut der an Tristeza erkrankten Tiere auf dem Transport von Argentinien nach Frankreich im Kühlrauni des Schiffes untergebracht hatte. Bei Versuchen, welche Verfasser in Gemeinschaft mit Schütz, Weijer und Mlessxer anstellte und über welche an anderer Stelle aus- führlich berichtet werden soll, gelaug es, die Parasiten der nordeuro- päischen Riuderhämoglobinurie im steril aufgefangenen und im Eis- schrank aufbewahrten delibrinierten Blut kranker Tiere 60 Tage lang lebensfähig und austeckungstüchtig zu erhalten. Es Avird sich daher bei der LiGNiEREs'schen »Kultur« vermutlich um eine Konservierungs- und nicht um eine Züchtungsmethode handeln. Jedenfalls kann die Frage nach dem Entwicklungsgang der Parasiten durch die LiGNiERESSchen Untersuchungen nicht als gelöst betrachtet werden. Eine weitere Beobachtung über die Morphologie der Parasiten machte I\. Koch (1. c.) in Ostafrika. Er fand bei den schweren tödlich verlaufenden Fällen von Hämoglobinurie des Rindes in den roten Blutkörperchen stäbchenartige Gebilde in außerordentlicher Menge , sodass 80 bis 90 ^ aller Blutkörperchen davon besetzt waren und oft bis zu 4 solcher Para- siten enthielten. Durch starke Krümmung der Stäbchen kommen Ring- formen zustande, die den Erregern der tropischen Malaria ähnlich sehen. Die Stäbchen sind häufig in der Mitte dicker als an den Rändern und zeigen dann deutlich eine doppelte Kontur und die Form eines Weiden- blattes. Zwischen ihnen und den ausges])roc]ienen Birnformen finden sich- alle Uebergänge, und Koch spricht daher die Ueberzeugung aus, dass dieselben die eigentlichen Jugendformen des Pyrosoma bilden. (Tafel V, Fig. 143.) In den ganz akuten Fällen Avaren nach Koch nur diese Jugendformen vorhanden. Da Smith & Kh.borne solche Formen nicht beschreiben, lässt Koch es unentschieden, ob die Jahreszeit, das Klima, die Viehrasse oder vielleicht die Untersuchungsmethode als Grund für seine von den amerikanischen abweichenden Beobachtungen anzu- sehen sind. Mit neuen Färbungsmethoden ging Ziemann •''i an das Studium der italienischen Parasiten. Bei Benutzung der von Ziemann u. a. weiter aus- gebildeten RoMANOWSKYSchen Färbungsmethode zeigten sich die von Smith & Kilborne erwähnten und abgebildeten Ungieichmäßigkeiten in der Färbung in deutlicher Weise. Es ergab sich, dass der Parasiten- körper stellenweise die Chromatinfärbung annimmt, während der übrige Leib sich blau färbt. Man sieht an solchenPräparaten nach Ziemann meist an der Peripherie, seltener im Inneren des Protoplasmaleibes ein rot gefärbtes Chromatinkorn liegen. Bei den Birnenformen lag dasselbe bald in dem breiteren Pol bald in den Spitzen. Es war meist rundlich, Die Hämoglobinurie der Rinder. 849 bei den gTüßeroii niclit selten stäbelienfurmig-, zuweilen auch mit An- deutung von Einschnürungen. Ziemanx hält es für wahrscheinlich, dass die Teilung ganz äiinlich wie bei den Malariaparasiten vor sich geht. KossKL cK: Wi:i!i-:u2ü besclireiben die Parasiten der tinnländisehen Hämo- globinurie tulgenderniaßen : »Der Naclnveis der Parasiten im Blut erkrankter Tiere gelingt leicht, wenn man mit Alcohol absolutus fixierte und mit alkalischer Methylenblau- lösung gefärbte Präparate unter dem Mikroskop durchmustert. In den frischen Fällen findet man eine große Zahl von roten Blutköri»erchen besetzt mit einem oder seltener mehreren rundlichen blaugefärbten Ge- l)ildcn, die kleinsten etwa von Vß Größe der Blutkörperchen mit unregel- mäßigem Rand (Farbentafel*), Fig. 1 — 3, 9—15). Die Randzone nimmt den blauen Farbstoff stärker auf als die Mitte, so dass die Parasiten oft die Gestalt eines Ringes zu haben scheinen. Neben diesen Formen finden sich in allen frischen Fällen sehr charakteristische Gebilde, welche meist zu zweien auf einem Blutkörperchen liegen (Farbentafel, Fig. 6 — 8, 17 — 22). Sie haben oft die Gestalt eines Weidenljlattes, sind an den Enden zugespitzt und el)eufalls in der Mitte schwächer gefärbt oder sie sind birnenförmig. In beiden Fällen stoßen je 2 mit dem spitzen Ende zusammen und bilden entweder einen Winkel oder liegen in einer geraden Linie über das Blutkörperchen ausgebreitet, durch eine zarte Protoplasma- l)rücke miteinander verbunden. Häufig schmiegen sie sich an den Rand des Blutkörperchens (Fig. 19), über den sie deutlich hervorragen (Fig. 16;, so dass man annehmen muss, dass sie nicht in, sondern auf dem Blut- kör])erchen sitzen. Außer diesen Formen kommen solche mit Fortsätzen vor, die ihnen eine ganz unregelmäßige Gestalt verleihen (Fig. 5). In allen Fällen, in denen zur Zeit der Untersuchung noch Hämoglobinurie bestand, fanden sich die Parasiten in großer Zahl. Ist die Hämoglobinurie bereits verschwunden , so pflegen Parasiten gar nicht oder nur ganz vereinzelt vorlianden zu sein, dagegen treten sehr häufig Veränderungen an den roten Blutkörperchen auf, die unten besprochen werden sollen. Einmal feinden sich 7 Tage nach Verschwinden der Hämoglobinurie noch ganz vereinzelte typische Pyrosomaformen « . »Wendet man zur Färbung der Blutpräparate die Roman owSKYSche Methode an, so erhält man einen besseren Einblick in die Struktur der Parasiten. Die kleinsten Formen stellen sich dann als feinste Ringe dar von etwa Yq des Durchmessers des roten Blutkörperchens (Fig. 9) ; der Rand des Ringchens hat in mehr oder minder großer Ausdehnung die rote Farbe angenommen, während der Rest blau erscheint. Andere kleinste Parasiten sind von unregelmäßiger Gestalt (Fig. 10) und zeigen bereits eine Andeutung von einer Anordnung des Chromatius in 2 Teilen (Fig. 11), die mit zunehmender Größe des Parasiten deutlicher wird (Fig. 12). Auch ein Zerfall des Chromatins in mehr als 2, z. B. 4 Teile kommt vor (Fig. 15). Bei den großen birnförmigen Doppelparasiten sitzt die mit Rot färl)bare Substanz meist an den Polen (Fig. 19 — 22), seltener rückt sie nach der Mitte zu (Fig. 17, 18)«. KossEL & Wejjer (1. c.) konnten eine Beziehung bestimmter Ent- wicklungsstadien zu dem Verlauf der Krankheit, wie sie z. B. bei der Malaria durch Golois klassische Untersuchungen bewiesen ist, nicht feststellen. Auch ihre Bemühungen, in den inneren Organen der *) Nach > Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt, Bd. 17«. Handbuch, der patliogenen Mikroorganismen. I. 54 850 H. Kossei, g-efallcnen Tiere Teilim2:sfonneii (Seliizoutcn), ülmlich den sogeiianuteu Sporulatioiisfornieii der Malariaparasiten , aufzufinden, blieben fruchtlos. Das Pyrosoma bigeminum unterscheidet sieh also hierin von den Malariaparasiten ebenso wie das Halteridiuni der Vöii;el, von dem gleich- falls das Stadium der Schizogonie noch nicht sicher nachgewiesen ist. Wir sind daher vorläufig bezüglich der Vermehrung der Pyrosomen auf Vernmtungen angewiesen. Einer Teilungsform ähnlich sieht die Doppelform des Parasiten. Laveran tt NicoLLE^'' nehmen an, dass sie durch direkte Teilung eines runden Parasiten entsteht, nachdem eine Teilung des Chromatins voran- gegangen ist. Wenn diese Art der Vermehrung durch Zweiteilung die einzige ist, so wäre die Entstehung so großer Mengen von Parasiten, wie sie zuweilen vorkonnnen, ohne die Annahme eines sehr schnellen Teilungsverlaufes schwer denkbar. Auch ist die Größe dev kleinsten Parasiten erheblich geringer als die Hälfte der Doppelformen. Diese Thatsache lässt ver- muten, dass noch andere Gebilde als Vermehrungsformen aufzufassen sind, so z. B. Formen wie sie Fig. 2 und 5 zeigt, und solche Parasiten in denen mehr wie 2 Chromatinkörper nachweisbar sind (Fig. 15). Doplein (1. c.) hat gleichfalls einen Zerfall der kernartigen Gebilde im Innern der Parasiten in drei, vier und mehr Teile beobachtet und nimmt an, dass derartige Formen dem Stadium der Schizogonie entsprechen. Er be- trachtet die großen birnfiirmigen Parasiten als Geschlechtsformen (Ga- metocyten). Bei den Malariaparasiten des Menschen und beim Proteosoma der Vögel haben wir bekanntlich zwei Fortpfianzungsarten zu unterscheiden; die eine ungeschlechtliche (Schizogonie) erfolgt im Körper des Warm- blüters, die andere geschlechtliche (Sporogonie) nach stattgehabtem Wirts- w^echsel im Körper der Mücke. Bei der ungeschlechtlichen Fortpflanzung kommt es neben der Ent- stehung von Teilungskörpern (Schizonten) zur Bildung von Formen, welche sich im Körper des Warmblüters nicht weiter entwickeln, jedoch nach eingetretenem Wirtswechsel zum Ausgangspunkt der geschlechtlichen Entwicklung werden (Makrogameten bezw. Mikrogametocyten). Die aus dem Mikrogametocyten im Magen der Mücke hervorgehenden Mikrogameten befruchten die Makrogameten, worauf diese zu Ooki- neten umgebildet in die Magenwand eindringen und zu Sporoblasteu heranwachsen. Die Sporoblasteu bilden zahlreiche Sporozoiten; diese gelangen in die Speicheldrüsen der Mücken, Avcrden mit deren Sekret entleert, wenn die Mücke sticht und können so wiederum in den Blut- kreislauf des betreffenden Warmblüters gelangen, um sich von neuem zu Schizonten zu entwickeln. Nach den Untersuchungen von Smith & Kilborne (1. c.) übernimmt beim Texasfieber die Zecke die Rolle der Mücke bei der Malaria, aller- dings mit einem sehr wesentlichen Unterschied. Bei der Mücke scheinen die Sporozoiten nicht durch die Eier auf die Nachkommenschaft über- zugehen; wenigstens sind alle bislicrigen Versuche, durch die Nach- kommenschaft infizierter Mücken Vögel mit Proteosoma zu infizieren, misslungen. Dagegen wissen wir, dass die Zeckenlarven, w^elche her- vorgehen aus Eiern infizierter Zecken, die Parasiten des Texasfiebers auf gesunde Rinder übertragen. Mit dieser Feststellung ist jedoch unsere Kenntnis über das Verhalten des Pyrosoma bigeminum in der Zecke erschöpft. Wir wissen zur Zeit Die Hämoglobinurie der Rinder. 851 iKiili iiiclit mit Siclicrheit, ob den Pyrosomeii cbenfcalls eine gesclileclit- liclie F<>rt])f1;niziiii,i:' eiueiitümlich ist. Meine ?>cniüliung-en, bei den Parii- siten der liiniliindischen Seuche die Bilduni;- von Mikroguineten zu be- <»ba<'hten, bb'cben verg'e1)li('h. Es ist jedoch anzunclimen, d;iss auch bei den ryrosonicn BciVuchtun.i;svorg-äni;e eintreten; weh-her Art dieselben sind, wissen ^\ir bis jetzt nicht. Ebensowenig- kennen wir die weitere Entwickhmg- in der Zecke und die Endstadien derselben, welche in die Eier und von hier aus in die Larven übergehen. Doch ist nach Analogie mit der Malaria anzunehmen, dass die Ansteckungskeime ihren Sitz in den Speicheldrüsen der Larven haben und mit dem Sekret der- selben beim Anbeißen entleert werden. Die Frage, ob die in den verschiedenen Erdteilen vorkommenden Pyrosomen einheitlich oder voneinander verschieden sind, lässt sich heute mit Sicherheit noch nicht entscheiden. Bei der Malaria des Menschen lassen sich 3 verschiedene Parasitenarten (die der Tertiana, Quartana uiul des Tropenfiebers bzw. Aestivoautumnaltiebers) trennen, für welche sämtlich, soweit bisher bekannt, Angehörige einer Gattung von Mücken, nämlich Anophelesarten, als zweite Wirte dienten. Beim Pyrosoma kommen, Avic wir sehen werden, Vertreter mindestens zweier verschiedener Gattungen von Zecken, nämlich der Rhipicephalen (Rhipi- cephalus annulatus*) s. Boophilus bovis) und der Ixoden Txodes reduvius), als Wirte in Betracht. Ob die von beiden übertragenen Parasiten identisch sind oder ob es mehrere Varietäten giebt, ist noch nicht erwiesen. Morphologisch scheint eine Aveitgehende Uebereinstimmimg zwischen den in den verschiedenen Ländern beobachteten Pyrosomen zu bestehen. Inwiefern die von KoBEiiT Koch (1. c.) bei der ostafrikanischen Seuche gefundenen Ver- hältnisse nnd die von Ligxieres-^2 bezüglich der morphologischen Differenzen zwischen den Parasiten der Tristeza und des mal de brou sowie der wechselseitigen Lnmunisicrung festgestellten Thatsachen An- lass geben, eine Trciniung in mehrere Arten vorzunehmen, müssen weitere vergleichende Untersuchungen zeigen. Interessant in dieser Hinsicht ist die Angabe von Sajo '", dass Texasvieh erkrankt, wenn es von Zecken aus Louisiana oder Mississippi befallen wird. Uebertragung. Es ist bisher noch nicht gelungen, die Pyrosomen auf andere Tiere als Kinder (abgesehen von den Zecken) zu übertragen. Smith & Kil- P.ORNE (1. c.) erkannten Schafe, Kaninchen, Meerschweinchen und Tauben als unempfänglich, Ligxieres^^ außer diesen noch das Pferd, den Esel, das Schwein, den Hund, die Katze, die Maus, die Hatte und das Huhn. Dagegen gelingt es leicht, die Krankheit zu überimpfen, weini man Blut oder Orgausaft eines kranken Tieres gesunden Rindern durch intra- venöse oder subkutane Injektion (Smith & Kiluorni^I oder auch durch intraperitoneale, intraplcurale, pulmonale, intramuskuläre, intracerebrale Einspritzung, endlich durch Skarifikationen und durch Einreiben in Sticlnvunden (Lignieres) beibringt. Je nach der Art der Impfung stellt sich früher oder später, meist etwa nach 3 — 7 Tagen, eine starke Tem- pcratursteigerung ein, und die Pyrosomen erscheinen im zirkulierenden Blute ; in den nächsten Tagen beginnt die Zahl der roten Blutkörperchen *) Im folgenden ist für die Zecken die Nomenklatur F. Neum.axns benutzt. Ö4* 852 H. Kossei, zu sinken und der Urin nimmt in den schweren Fällen eine dunkelrote bis scliwarze Farbe an. Ist die Zerstörung- der Erytbrocyten eine hoch- gradige, so tritt der Tod ein; andernfalls kann das Tier nach einigen Tagen genesen. Nicht in allen Fällen gelingt es, diese schwere Form mit Hämoglol)iuurie zu erzeugen, oft bilden das Fieber und die An- wesenlieit der Parasiten die einzigen Merkmale der gelungenen Infektion. Am sichersten wirken nach Ansicht der genannten Forscher die intra- venöse, intramuskuläre und subkutane Injektion von defibriniertem Blut, etwa in der Menge von 5 — 10 cm. Es gelingt alle Abstufungen in der Schwere der Erkrankung bei der künstlichen Uebertragung zu beobachten. Unter natürlichen Verhältnissen findet die Uebertragung statt durch Vermittelung von Zecken. In Amerika spielt nach den Untersuchungen von Smith & Kilborne (1. c.) die Rinderzecke [Boophilus bovis (Curtice) synonym nach F. Neumann -'^ mit Rhipicephalus annulatus (Say)] die Rolle des Ueberträgers. Die aus den Eiern hervorgegangenen sechsbeinigen Larven dieser Zecke bohren ihre Mundwerkzeuge in die Haut des Rindes ein und nähreu sich von dessen Blut. Aus den Speicheldrüsen entleeren sie vermuthch beim Anbeißen ein Sekret, durch welches die Blutfülle der Hautkapillaren bei den befallenen Tieren gesteigert wird. Nach etwa 8 Tagen häuten sie sich und werden zu 8 beinigen Nymphen. Diese liäuten sich nach weiteren 8 Tagen abermals und verwandeln sich dadurch in geschlechtsreife Individuen. Nach stattgehabter Befruchtung und nach- dem die Zecke durch Aufnahme von Blut bis zu Ilaselnusskerngröße angeschwollen ist, fällt sie ab und legt im (irase der Weiden Eier, aus denen nach etwa 3—4 Wochen eine neue Generation von Larven her- vorgeht. Die Zeit vom Larvenstadium bis zm* Eierreife l^eträgt et^va 21 — 23 Tage. Während der ganzen Dauer dieser Entwicklung brauclit die Zecke das Wirtstier nicht zu wechseln. Ist die Zecke einmal in vollgesogenem Zustande abgefallen, so geht sie nicht mehr auf ein an- deres Tier über. Nach dem Ablegen der Eier stirbt sie. Die aus den Eiern auskriechenden jungen Larven leben im (Irase, bis sie Gelegenheit finden, sich einem Tier anzuheften. Sie heften sich mit Vorliel)e an Stellen fest, wo die Haut zart ist, bei Rindern in den Hautfalten der Weichen- und Schultergend, sowie am Euter und an der Wamme. Zu- weilen finden sich die Rinder mit Zecken aller Entwicklungsstadien dicht besetzt. Wie ungeheuer ihre Zahl auf den Weiden sein muss, lässt sich aus der in Amerika festgestellten Thatsache ermessen, dass eine einzige reife Zecke 2000—4000 Eier ablegen kann. Smith & Kilborne (1. c.) ließen Zecken, welche sich auf kranken Rindern vollgesogen und daher mit dem Blute Pyrosomen aufgenommen hatten, in Glasgefäße Eier legen. Brachten sie die nach einigen Wochen aus den Eiern ausgeschlüpften Larven auf Rinder, so erkrankten diese etwa 2 Wochen später unter den Erscheinungen des Texastiebers. Um den natürlichen Verhältnissen noch mehr Rechnung zu tragen, stellten sie auch Versuche an, indem sie empfängliche Tiere auf Weiden schickten, auf die sie vorher mit infiziertem Blut vollgesogene Zecken gebracht hatten oder auf denen sie infiziertes, mit Zecken behaftetes Vieh hatten weiden lassen. Die empfänglichen Tiere erkrankten mit Sicherheit nach einiger Zeit am Texasfieber. Bei dieser letzteren Ver- suchsanordnung traten die ersten Erkrankungen nicht bereits nach vier- zehn Tagen auf, sondern erst nach sechs Wochen, weil die Zecken zum Die Hämoglobinurie der Rinder. 853 Eierlegen und die Larven zur Entwiekhmg aus den Eiern mehrere Wochen gebrauchten. Wurden dagegen kranke Tiere von allen anliaftendcn Zecken befreit und dann auf die zeckenfreien Weiden geschickt, so konnten gesunde Tiere ungefährdet die Weide mit ihnen teilen. Das kranke Vieh ohne Zecken vermochte also die Weiden nicht zu infizieren. Die Versuche von Smith & Kilborne (1. c.) sind zum Teil von R. Koch (1. c.) in Ostafrika und Ligxieres^ö in Argentinien gleichftills mit Zecken der Gattung Rliipicephalus wiederholt und bestätigt worden. Es ist demnach zum Zustandekommen der Erkrankung an Hämo- globinurie unter natürlichen Bedingungen erforderlich ein Zusammen- wirken zweier Faktoren, nämlich des Parasiten und einer Zecke, welche ihm als Wirt dienen kann. Die geographische Verbreitung der Krank- heit ist also gebunden an die der Zecke. Doch herrscht die Krankheit nicht überall da, wo die geeigneten Ixodiden vorkommen. Es giebt Gegenden, wo die Zecken nicht imstande sind, Hämoglobinurie zu er- zeugen, vermutlich weil sie keine Gelegenheit gehabt haben, den Para- siten aufzunehmen. Nach den bisher vorliegenden Beobachtungen kommt Rhipicephalus annulatus (Say) (synonym mit Ixodes bovis Riley; Boophilus bovis Cuktice) in den verschiedensten Ländern vor und zwar überall als Schmarotzer bei Rindern. Außer in den südlichen Staaten von Nordamerika ist er gefunden in Afrika (Algier, Marokko, Aegypten, Deutsch-Ostafrika, Südafrika), Mittelamerika, Westiudien, Südamerika (Argentinien, Monte- video, Paraguay), Asien (Transkaukasien, Singapore, Sumatra), Australien, Südeuropa (Italien, Sardinien, Südfrankreich) (F. Neümann, 1. c.). Die Rhipicephalen sind in den nördlichen europäischen Ländern nicht heimisch. Hier muss demnach eine andere Zecke als Ueberträger be- trachtet werden. Nach Kossel & Weber (1. c.) spielt diese Rolle in Finnland der Ixodes reduvius, ein Angehöriger einer ganz anderen Gat- tung der Ixodiden nämlich der Gattung Ixodes. Wohl mit diesem iden- tisch sind die Zecken, welche Jackschath's auf den an Hämo- globinurie erkrankten Rindern in Norddeutschland, sowie Kragerüd^i bei solchen in Norwegen antraf. Der Beweis, dass in der That der Ixodes reduvius die Uebertragung der Rinderhämoglobinurie in Nordeuropa vermittelt, konnte bei den obenerwähnten Versuchen des Verfassers in Gemeinschaft mit Schütz, Weber und Miessner im Sommer 1901 zum ersten Male geführt werden. Larven des Ixodes reduvius, die aus den Eiern der auf kranken Rindern gefundenen Zecken im Laboratorium gezüchtet waren, wurden gesunden im Stalle gehaltenen Rindern angesetzt. Diese erkrankten nach etwa 8—14 Tagen in typischer Weise an Hämoglobinurie. Ixodes reduvius, Linne (synonym mit Ixodes ricinus, Latkeille; Ricinus caninus, Ray; Acarus ricinus, Lixxe; Cynorrhaestes reduvius, Hermann), ist nach Neumaxn (1. c.) in ganz Europa verbreitet, auch in den Vereinigten Staaten (Baltimore, Carolina, Florida, Kalifornien, Texas, Kansas) kommt diese Zecke vor. Morgan 33 hält sie für höchst verdächtig, au dcr\'erbreitung des Texasfiebers in Amerika beteiligt zu sein. Die Nymphen und Larven des Ixodes reduvius werden auch auf Eidechsen, Vögeln, Hasen, Rehen, wilden Kaninchen, Wieseln, Maul- würfen, Fledermäusen und anderen Tieren gefunden. Ihre Entwicklung unterscheidet sich nach Kossei> & Weber (1. c.) dadurch von derjenigen der Rhipicephalen, dass sie nicht alle Stadien auf demselben Tier durch- 854 H. Kossei, machen. Vielmehr verlässt schon die Larve nach einigen Tagen da.^ Wirtstier. Die genannten Untersiicher konnten eine Entwickhing von der Larve bis zur gesclilechtsreifen Zecke auf demselben Rinde nicht heohachten. Die Verhältnisse liegen hier also verwickelter als bei den Ehipicephalen und es muss weitereu Untersuchungen vorbehalten bleiben, festzustellen, ob beim Ixodes reduvius außer der Vererbung des An- steckungskeimes auf die IS^achkommen ein Uebergang des Pyrosoma in die Speicheldrüsen in ähnlicher Weise statt hat, wie derjenige des ]\[alariaparasiten in die Drüsen der Mücke. Ist letzteres der Fall, so könnten nicht nur die Larven, sondern auch andere Entwicklungsstadien der Zecken die Rolle des Ueberträgers übernehmen, z. B. Nymphen oder gesclilechtsrcife Zecken, wenn sie sich aus Larven bzw. Nymphen entwickelt haben, die auf infizierten Tieren gesessen hatten. Epidemiologie. Ueberall, wo die Hämoglobinurie des Rindes beobachtet ist, hat sie in Bezug auf ihre Ausbreitung ein ganz eigenartiges Verhalten gezeigt. Am meisten der Erkrankung ausgesetzt ist das Weidevieh. Nur ganz ausnahmsweise befällt sie Tiere, welche im Stall gehalten werden. Aber auch unter den Weiden desselben Bezirks, ja derselben Ortschaft sind solche, welche von dem Vieh ohne Gefahr betreten werden können, während andere geradezu Brutstätten der Seuche bilden. Früher hat man diese Eigentümlichkeit durch die Annahme zu erklären gesucht, dass bestimmte Gräser oder andre Pflanzen, welche von den Tieren auf der Weide gefressen werden, durch ihren Gehalt an toxischen Substanzen das Blutharnen erzeugten. Vor allen Dingen hat sich sumpfige Bodenbeschaffenheit günstig für die Entwicklung der Krankheit gezeigt. Wenn im Frühjahr das Vieh auf solche Weiden geschickt wird, so pflegt nach wenigen Wochen die Seuche auszubrechen. Besonders die lieißen Monate scheinen die gün- stigste Zeit für den Ausbruch zu sein, während in den kühleren Monaten die Erkrankungszifler geringer und der Verlauf günstiger ist. Außer der Temperatur scheinen noch andere Momente den Eintritt der Er- krankung zu begünstigen, so namentlich jähe Witterungswechsel (Finn- land). Die auf verseuchten Weiden aufgewachsenen Tiere sind der In- fektion gegenüber in höherem Grade widerstandsfähig, als Rinder aus unverseuchten Gebieten. Jedoch beruht die Widerstandsfähigkeit der Tiere nicht auf einer natür- lichen oder ererbten Immunität, sondern vermutlich darauf, dass die Tiere bei dem Aufenthalt in den verseuchten Gebieten den Keim schon in der Jugend aufnehmen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Kälber die Krank- heit weit leichter überstehen als ältere Tiere. Sie erwerben dadurch einen gewissen Grad von Immunität, der durch die alljährlich beim Weidegang hinzutretenden frischen Infektionen noch gesteigert wird. Die Immunität gegen die Parasiten der Hämoglobinurie kommt daher in der gleichen Weise zustande, wie nach R. Koch die Immimität gegen die Malaria bei den Eingeborenen mancher Malarialänder. Die Immunität reicht für gewöhnlich aus, um eine starke Vermehrung der Parasiten zu verliindern. Diese bleiben aber in lel)endem, vermehrungs- fähigem Zustande im Körper des Rindes, l)csonders wohl in dessen inneren Organen, zunächst als harmlose Schmarotzer. Wenn jedoch andre Krankheiten [z. B. Rinderpest, (Niuolle & Ai>iL-BEY-^^')J hinzutreten, oder Die Hämoglobinurie der Rinder. 855 wenn Schädlichkeiten auf den Organismus einwirken, [Witterungsverliält- nisse (Kossel & Weber, 1. c), Strapazen gelegcntlicli hinger Transporte (Saj6, 1. c.)], so kann die Widerstandsftihigkeit hei soh;]ien Tieren wieder verloren gehen. In diesen Fällen gewinnen die Schmarotzer die Oher- liaud und vermeliren sich schnell. Ist einmal der AnstoH zu ihrer Ver- mehrung gegehcn, so kann das bis dahin völlig verschonte Tier ebenso schwer erkranken, wie ein Tier, das aus einer seuchenfreien Gegend stammt. Die Widerstandsfähigkeit scheint bei durchseuchten Tieren mit dem Alter von selbst abzunehmen, wodurch sich die vielfach beobachtete höhere Erkrankungsziffer bei den älteren Kühen erklärt. Ein weiteres eigenartiges epidemiologisches Verhalten ist die That- sache, dass anscheinend völlig gesunde Tiere aus verseuchten (legenden die Krankheit unter bis dahin von ihr verschonte Bestände einschleppen können. Diese Beobachtung ist so alt wie die Kenntnis der Krankheit; ihre Erklärung hat in früherer Zeit viel Schwierigkeiten verursacht. Am be- kanntesten sind die amerikanischen Erfahrungen, dass gesundes Vieh, welches aus den Südstaaten in die Nordstaaten gebracht wird, hier zum Ausbruch der Seuche Veranlassung geben kann. Entsprechende Be- obachtungen über die Verschleppung durch gesundes Vieh liegen aus Finnland vor. Die oben erwähnten Immunitätsverhältnisse des Viehs aus verseuch- ten Gegenden lassen eine Erklärung dieser auffallenden Thatsache ohne weiteres zu. Smith & Kilh(jkxe (1. c.) konnten nachweisen, dass Tiere, die aus den Südstaaten in die Nordstaaten eingeführt waren, noch 74 Tage nach Verlassen der verseuchten Gegenden den Ansteckungsstotf in ihrem l>lute in lebendem Zustande mit sich trugen, ohne die geringsten Krank- heitserscheinungen zu zeigen. Mikroskopisch lassen sich die Pyrosomen wegen ihrer Spärlichkeit bei solchen Tieren selten nachweisen; ver- impft man aber deren Blut auf gesunde Rinder, so erkranken diese, wenn auch meist in leichter Form. Seither sind Beobachtungen mitge- teilt, nach welchen sogar mehrere Jahre nach Verlassen der verseuchten Gegenden (nach Schkoeder/*' 6 Jahre) oder nach Ueberstehen der Krank- heit lebende Parasiten im Blute nachAveisbar sind. Diese Feststellung giebt die Erklärung, weshalb anscheinend gesunde Tiere die Krankheit in seuchenfreie Gegenden verschleppen können. Entweder können sie nämlich außer den Blutparasiten Zecken aus ihrer Heimat (a] mitbringen, welche sich an ihrem Blut infiziert haben und erst nach der Ankunft auf der gesunden Weide [b) abfallen. Im Falle die Bodenverhältnisse der letzteren und die klimatischen Bedingungen für die Zecken günstig sind, kommt es dann zu einer Entwicklung von Larven aus den Eiern der eingeschleppten infizierten Zecken und die Weide (A) ist damit zu einem Seuchenherd geworden. Es ist aber auch denkbar, dass die Tiere, ohne Zecken von («) mitzubringen, die bis da- hin gesunde Weide [b) verseuchen können, wenn nämlich auf dieser eine für die Entwicklung der Pyrosomen passende Zeckenart Aorkonnnt. Die Zecken der Weide (b), welche bis zu der Ankunft des Tieres aus (V/) keine (Jelegenheit gehabt hatten, den Ansteckungsstoff aufzunehmen, infizieren sich an dem Blut des importierten Tieres, und vererben den x\nsteckungsstoff auf ihre Nachkommen. Da zuiii Zustandekommen der Erkrankung die beiden Faktoren, Pyrosoma und Zecke, notwendig sind, so erklärt sich auch, weshalb die Seuche einzelne Gegenden und Weiden bevorzugt, während sie in 856 H. Kossei, Nachbargebieten völlig* unbekannt ist. Nicht alle Bodenverhältnisse sagen nämlich der Zecke zu. Besonders scheint ein gewisser Grad von Feuch- tigkeit für das Lel)en wenigstens des Ixodes reduvius Vorbedingung zu sein. Im Walde oder auf sumpfigen mit Gestrüpp (Erlen) bestandenen Niederungen finden sie die günstigsten Verliältnisse und daher sind Waldweiden und derartige Niederungen als Krankheitsherde gefürchtet. Das gelegentliche Vorkommen der auf Pyrosomcninfektiou beruhen- den Hämoglobinurie bei Stallwirtschaft wird vermutlich auf gelegentliche Eiuschleppung von infizierten Zecken in die Ställe mit dem Futter oder mit der Streu (Waldstreu) zurückzuführen sein. In welclier ])eziehung zur Aetiologie und Epidemiologie der Hämo- globinurie der Kinder die bei anderen Tieren, vor allen Dingen Pferden, Schafen und Hunden sowie bei Hirschen gefundenen ähnlichen Parasiten der roten Blutkörperchen stehen, ist noch nicht festgestellt. Symptomatologie. Das erste Zeichen der erfolgten Infektion mit Pyrosomen besteht in dem Auftreten einer Temperaturerhöhung, die den ül)rigeu Erscheinungen um mehrere Tage vorangehen kann, meist aber von Fressunlust und Mattigkeit begleitet ist. Auf der Höhe der Krankheit beträgt die Körperwärme 40—42°. Die Steigerung hält mit täglichen Schwankungen mehrere Tage an, um im Falle eines günstigen Ausganges langsam zur Norm abzusinken. Ein plötzliclier Abfall unter die Norm, von Kräfteverfall begleitet, kommt l)ei hochgradiger Zerstöruag der roten Blutkörperchen und als Vorbote eines gefahrdrohenden anämischen Zustandes vor. Mit der Steigerung der Körperwärme geht eine starke Beschleunigung der Herzthätigkeit sowie der Atmung einher. Erstere l}leil)t in den un- günstigen Fällen auch nach dem Absinken des Fiebers bestehen und nimmt sogar noch zu, während die Atmungszahl mit der Temperatur unter die Norm sinkt. Das auffallendste Symptom ist die Hämoglobinurie. Der Harn nimmt auf der Höhe der Krankheit eine dunkelrote, am besten mit Portwein zu vergleichende Farbe an, oder er wird schwarz wie Porter. Dal)ei besteht starker Harndrang. Der Harn ist von erhöhtem spezifischen Ge- wicht und eiweißhaltig; aus diesem Grunde schäumt er stark. Auch in Fällen, in denen es nicht zur Ausscheidung von Hämoglobin kommt, enthält der Harn oft Eiweiß. Bote Blutkörperclien finden sich im Sediment nicht vor. Die Ausscheidung des Blutfarl)stoftes hält gewöhnlich mehrere Tage an, in den ungünstig verlaufenden Fällen meist bis zum Tode; bei günstigem Ausgang kehrt die normale Farbe allmählich wieder. Die Hämoglobinurie ist kein steter Begleiter der Infektion mit Pyro- somen, sondern nur die Folge einer hochgradigen Zerstörung von Blut- körperchen. Ist diese gering, so genügt die Thätigkeit der Leber, um das Oxyhämoglobin in Bilirubin umzuwandeln und auszuscheiden. In solchen Fällen bilden das Fieber und Seilwinden der Fresslust, vielleicht auch die Abnahme der Milchabsonderung die einzigen Krankheitser- scheinungen. Uebersteigt dagegen der Untergang der roten Blutscheiben eine gewisse Grenze, so kann die Leber den sämtlichen Blutfarbstofi" nicht mehr verarbeiten. Die Entfernung desselben aus dem Körper ge- schieht dann in Form von Methämoglobin durch die Nieren. Daneben tritt häufig starke ikterische Färbung der Schleimhäute ein. Die Hämoglobinurie der Rinder. 857 Mit zunolmienfler Krankheit verarmt das Blut an Erythrocyten. Die Zahl derselben kann in 1 bis 2 Taii'en von der normalen Höhe von etwa 6 Millionen im Knltikmillimeter in den ung-üustii;'sten Fällen auf Aveniii,'e hmiderttaiisend sinken. Dementspreehend wird das Blut dünn, Avässrig. Es scheidet bei der Gerinnung- ein hämoglobinhaltiges Serum aus. Außer den g-enannten Erscheinungen pflegen sich auch Störun^gen der Verdauungsthätigkeit, besonders Durchfall, einzustellen, der in den ungünstig" verlaufenden Fällen einer hartnäckigen Verstopfung Platz macht. Die Milch.sekretion nimmt g-leichfalls ab; zuweilen ist die Milch rötlich g-efärbt. Bei den schwersten Fällen und bei zunehmender Anämie wird häufig Muskelzittern beobachtet- Pathologische Anatomie. Bei den Obduktionen an Hämoglobinurie gefallener Tiere finden sich zuweilen Oedeme und ikterische Färbung- des Unterhautbindegewebes, besonders bei hochgradig- entwickelter Anämie. Am Herzen sind Ek- chymoseu unter dem Epi- und Endokard vorhanden, in seltenem Fällen auch Trübungen oder beginnende Fettentartung der Muskelfasern. Die Lungen pflegen von Veränderungen frei zu sein. Die Milz ist hoch- gradig vergrößert, auf dem Durchschnitt von dunkelroter Farbe, die Pulpa zerfließlich. Die Vergrößerung beruht im wesentlichen auf Blutreich- tum. Sehr charakteristische Veränderungen bietet zuweilen die Lei) er; sie ist vergrößert, auf der Schnittfläche von eigenartig gesprenkelter, bunter Zeichnung, das Centrum der Acini von gelblicher, die Peripherie von roter Farbe; oft ist das ganze Organ ikterisch gefärbt. Die Gallen- blase enthält nach Smith & Kilboune (1. c.) sowie nach Koch (1. c.) häufig eine sehr dickflüssige Galle, deren Aussehen mit gekautem Gras verglichen ist. Die Nieren zeigen außer hämorrhagisch-ödematöser Durchtränkung des perirenalen Bindegewebes eine Verbreiterung und sclnvarzrote Färbung der Eindeusul)stanz; auf Druck lassen sie reichlich dünne rötliche Flüssigkeit austreten. In der Wand des Nierenbeckens werden häufig Hämorrhagieen gefunden. Die Harnblase enthält in frischen Fällen schwarzroten Harn. Die Schleimhaut des Lal)magens ist hyperämisch zuweilen von Ekchymosen besetzt, die Mueosa der Därme hyperämisch. Die mikroskopische Untersuchung der Organe ergiebt, wie oben erwähnt, die Anwesenheit zahlreicher Parasiten, meist von runder Form, in den Kapillaren. Eigenartig ist das mikroskopische Bild von Leber- schnitten. In ungefärbten Quetsch- oder Ausstrichpräparateu des Lel)er- gewebes finden sich zuweilen Ausgüsse von Gallenkapillarcn in Gestalt von blas.sgelben Y förmigen oder mehrfach verzweigten Gebilden. fTaf. V, Fig. 144.) Aufschnitten erweist sich in diesen Fällen der Baum zwischen den Leberzellen besonders in der Mitte der Läppchen von eingedickter Galle erfüllt. Diese zuerst von Smith & Kilhouxe (1. e.) beschriebenen Veränderungen wurden von K. Kocii (1. c.) in Ostafrika und in einem Fall auch von Kossel & Weber (1. c.) in Finnland beobachtet. Sie ist den akut tödlich verlaufenden Fällen eigesitünilich. Im übrigen finden sich erhebliche Veränderungen nur noch in den Nieren. In den frischen Fällen sind die Kapillaren strotzend mit Blut gefüllt; die gewundenen Harnkanälchen enthalten rötliche Pigmentkörncheu und sind durch Exsudatmassen verstopft. 858 H. Kossei. Diagnose. Die Diagnose der Krankheit ist in den ausgesproclienen Fällen wegen des auffallenden Symptoms der Hämog-lobinurie nicht schwer. Ist in einer Herde ein unzweifelhafter Fall festgestellt, so sind Tiere, welche Fressuulust, Mattigkeit, schwankenden (lang zeigen als verdächtig der gleichen Erkrankung zu betracliten. Eine sichere Stellung der Diagnose wird durch die Untersuchung des Blutes bei etwa 800 — lOOOfacher Vergrößerung ermöglicht. Zu diesem Zwecke wird die Haut eines Ohres sorgfältig mit Alkohol eventl. aucli noch mit Aetlier gereinigt und am besten mit einer Impf- lanzette oder einer Feder, deren eine Zinke abgebrochen ist, ein kleiner Ast einer Hautvene angestochen. Der hervorquellende (nicht zu große!) Blutstropfen wird auf der Mitte des Bandes eines höchsens 0,08 mm dicken Deckgläschens aufgefangen. Dieser Rand wird dann schräg auf die Fläche eines anderen Deckgläschens aufgesetzt, so dass der Bluts- tropfen sich nach l)eiden Seiten verbreitet und wird schnell in der gleichen geneigten Stellung über die Fläche desselben liinwcggezogeu. Vor allen Dingen muss dafür gesorgt werden, dass die Deckgläser völlig fettfrei sind. Auch einen mit Alkohol und Aether gereinigten Objektträger kann man mit Vorteil der Länge nach mit dem mit Blut beschickten Deckgläs- chenrand überstreichen. Zum Halten des Deckgläschens bedient man sicli am l)estcn der von Ehrlich für diesen Zweck angegebenen leicht federnden Pinzette. Das Auffangen und Ausstreichen des Blutes, sowie das Trocknen der Präparate an der Luft muss sehr schnell vor sich gehen, da die Blutkörperchen des Rindes, besonders bei schweren anä- mischen Zuständen, sehr empfindlich sind und leicht schrumpfen. Vor der Färbung wird das Trockenpräparat fixiert, am besten durcli Einlegen in Alcohol absolutus 25 Minuten lang. Die Fixierung in der Flamme ergiebt sehr ungleichmäßige Resultate. Brauchbar ist auch die Erhitzung auf der EHRrjCHSchen Kupferplatte. Zur Färbung bedient man sich am besten des LÖFFLEiischeu Methy- lenblaus oder "einer verdünnten wässerigen Boraxmethylenblaulösung (2^ Methylenblau, b% Borax). Die roten Blutkörperchen müssen nach der Färbung einen grünlichen Farbton zeigen, die Parasiten dunkelblau gefärbt sein. Längeres Abspülen mit Wasser nach dem Abgießen der Farblösung ist zu vermeiden. Die Anwendung von Differenzierungs- mitteln ist bei richtiger Herstellung des Präparats meist überflüssig. Ist sie wegen zu starker Färbung des Grundes erforderlich, so erfolgt sie zweckmäßig durch Abspülen des Präparates in einer zweiprozentigen wässrigen Lösung von Methylal. Die charakteristisclie Do'ppelform der Parasiten wird auch in frischen Fällen beim Texasfiel)er und bei der nordeuropäischen Hämoglobinurie niemals vermisst. Daneben finden sich zalilreiche einzeln liegende Para- siten verschiedener Größe von rundlicher oder seltener länglich ge- streckter Form. (Tafel. I, Fig. 141—143.) Die Zahl der mit Parasiten besetzten Blutkörperchen ist im Beginn der Krankheit spärlich , auf der Höhe derselben liäufig sein- groß, l)ei eintretender Genesung sclmell sinkend. Ein genaueres Bild von der Struktur des Parasiten ergiebt die Fär- bung nach Rümanowsky; sie ist jedoch für die Zwecke der Diagnose überflüssig und erfordert besondere Fertigkeit gerade beim Pyrosoma. Die Hämoglobinurie der Rinder. 859 Für das Aufsiiclien sehr vereinzelter Parasiten ist sie vortrefflich g-eeiguet, da der Gehalt der Pyrosomen an Chroniatin ohne weiteres ihre Unter- scheidung' von Blutjdättchen oder Verunreinigungen gestaltet. Die mikroskopische Untersuchung des Blutes in den Fällen von starker HäiHOglol)inurie ergieht neben der Anwesenheit von Pyrosomen das Vor- handensein von Milvrocyten, Megalocyten, von Normo- (Farbentaf., Fig. 23) und Megalohlasten und von Erythrocyten, deren Protoplasma zahlreiche mit Methylenblau färbbare Körnchen enthält (Fig. 28) und die daher wie getüpfelt aussehen. Besonders, wenn das Tier in die Rekonvaleszenz eintritt, pflegt der Reiclitum des Blutes au solchen abnormen Formen groß zu sein. Dann findet man auch Veränderungen des Kerns in den kernhaltigeu roten Blutkörperchen, Auffaserung (Fig. 25) soAvie völlige Zersprengung desselben in mehrere Teile (Fig. 24, 26), ferner Kernaus- tritt und freie Kerne. Die übrig bleibenden rundlichen Kernreste in den Erythrocyten können leicht mit rundlichen Parasiten verwechselt werden. Sie unterscheiden sich von ihnen dadurch, dass sie sich mit Methylenblau intensiv schwarzblau färben und dass sie bei der PoMANowsKYSchen Methode die Farbe des Kerns (rotviolett) (Fig. 27) annehmen. Im Gegen- satz zu ihnen färben sich die oben erwähnten Körnchen, mit denen einzelne Blutscheiben dicht besetzt sind, bei der Behandlung nach Roma- NOWSKY blau (Fig. 28) ; die Parasiten dagegen sind durch ihren Gehalt an Chromatiu kenntlich. Das massenhafte Auftreten der von Smith & Kilbokxe beschriebenen Gebilde (coccus like bodies) in den roten Blutkörperchen bei chronischem Verlaufe der Krankheit ist bisher von anderen Forschern nicht beobachtet worden. Zum Nachweis des Blutfarbstoffes im Harn bedient man sich in zweifelhaften Fällen am besten der spektroskopischen Untersuchung des mit Wasser verdünnten Harns und der HELLEKSchen Probe. Prognose. Die Prognose der Hämoglobinurie ist wechselnd. Bei manchen Aus- l)rüchen fallen 40 — 60^^ der erkrankten Tiere; in anderen Pjpidemieen übersteigen die Verluste nicht 20^. Kälber überstehen die Kranklieit gewöhnlich leicht, während starke Stiere und ältere Kühe ihr zum Opfer fallen. Im allgemeinen pflegt die Mortalität in der heißen Jahreszeit am liöchsten zu sein. Starke, anhaltende Hämoglobinurie ist stets ein bedenkliches Zeichen, doch sielit man trotzdem oft noch Tiere unerwartet genesen, während andre, anscheinend minder schwer ergriffene, plötzlich unter rapidem Kräfteverfall zu Grunde gehen. Hocligradige Anämie bleibt zuweilen auch nach Verschwinden des Blutfar})stoffes aus dem Harn bestehen und ist als sehr ernstes Zeichen aufzufassen. Derartige Tiere erliegen der Seuche oft noch nach 8 Tagen oder darüber, während gewöhnlich der der Tod etwa 3 — 5 Tage nach dem Auftreten der ersten Symptome erfolgt. Therapie. Die Behandlung beschränkt sich gewöhnlicli auf Darreichung von Abführmitteln (Glaubersalz), in den Fällen von hartnäckiger Obstipation oder von Analepticis bei drohendem Hcrzkollaps. Zu erwähnen ist, dass 860 H. Kossei, VON Hellen» 14 günstige Resultate mit Chiniubehaiidlung erzielt haben will in einmaligen oder wiederholten Dosen von 20—25 g per os. Kragerüd (1. c.) empfielüt den Tieren nach Ahhürsten des Felles mit kaltem Salzwasser intravenös 100—150 g 1 proz. wässriger Formalinlösnng oder Lösung von Argentum colloidale zu injizieren, ihm dann per os einen Esslött'el einer Mischung von Acid. carl)olic. und Lysol ä 10 und Spiritus frumenti 100 in einem halben Liter Wasser jede Stunde, bis der Harn klar ist, zu verabfolgen. Bei starker Diarrhöe giebt Kragerüd Eisen, bei starker Anämie intravenöse Injektion von 1 — 2 Liter physiologischer Kochsalzlösung. Für reichliche Zufülirung frischer Luft muss gesorgt werden. Die Tiere dürfen jedoch, wenn irgend angängig, nicht auf der Weide l)leiben, sondern müssen in einem möglichst luftigen und kühlen Stall unter- gebracht werden. Prophylaxe. Wie aus dem ol)engesagteu hervorgeht, lässt sicli die Krankheit mit ziemlicher Sicherheit vermeiden, wenn man die Tiere im Stalle hält, statt sie auf die AYeide zu schicken. Da diese Maßregel jedoch nicht allgemein durclifülirbar ist, so müssen andere Maßnahmen an iln-e Stelle treten. Morgan 8 empfiehlt die gefährlichen Weiden mindestens einen Sommer liindurch nicht von Vieh beweiden zu lassen, damit den Zecken die Möglichkeit zum Blutsaugen und damit zur Weiterentwicklung genonmien wird. Er konnte beol)achten, dass eine Weide in Baton Rouge von Zecken (Rhipicephalus) befreit war, nachdem 2 Jahre hindurch keine Rinder, sondern nur Pferde und Maulesel auf ihr geweidet hatten. Es ist auch nicht zu bezweifeln, dass besonders unter europäischen Verhältnissen durcli regelmäßiges tägliches Absuchen und Vernichtung der vollgesogenen gesclilechtsreifen Zecken allmählich die Zahl der Zecken auf nicht zu ausgedehnten Weiden vermindert werden kann. Die Durch- führung dieser Maßregel erfordert jedoch große Sorgfalt und Ausdauer. In Australien und Jamaica (Williams ^^j ]^at man beobachtet, dass gewisse Vögel die vollgesogenen Zecken mit Vorliebe verspeisen und dass sie den Herden folgen, um den Rindern die Zecken abzusuchen. Ligxieres ^9 empfiehlt die x4npflanzung von Luzerne, um die Zecken von den Weiden zu vertreiben. Das Trockenlegen, oft schon das Einzäunen sumpfiger Stellen soll an manchen Orten in Finnland zu einem völligen Verschwinden der Seuche gefUln't haben. Am meisten ist natürlich Vorsorge zu treffen, dass nicht Tiere aus verseuchten Gelneten die Krankheit in gesunde Gegenden verschleppen. Zu diesem Zwecke hat man in Amerika versucht, die Tiere vor der Ausfuhr aus dem endemischen Herd der Seuche von Zecken zu befreien und damit die Möglichkeit der Uebertragung auf gesunde Tiere zu be- seitigen. Wegen der großen Verheerungen, welche die Einschleppung des Texasfiebers unter den Rinderlierden der Nordstaaten verursacht hat, ist die Ausfulir von Vieh aus den Südstaaten an die Bedingung geknüpft, dass die Tiere vor der Ausfuhr von Zecken befreit werden. Hierfür soll sieh ein Verfahren bewährt haben, darin bestehend, dass man die Tiere zwingt, ein mit einer geeigneten öligen Flüssigkeit gefülltes Basin zu durch- schwimmen. Man hat zu diesem Zwecke sogenannte dipping-stations eingerichtet. Die Flüssigkeit besteht entweder ganz aus Oel (Paraffinöl, Die Hämoglobimirie der Rinder. gßl Extra (lynaiiKi Oilj oder aus Wasser, auf dessen Oberfläclie eine Scliiclit Baumwollsamen- oder Mineralöl soliwimmt, oder es sind ihr außer Oel noch andere Substanzen beii;emeniit wie z. ?>. Seliwefelblume, Arsenik, Tabaksextrakt. Die Hauptwirksamkeit kommt vermutlich dem Oel zu, welches die Tracheen der Zecken verstopft und ihnen somit die Luft- zufuhr abschneidet. Nach manchen Beobachtern muss das Bad wieder- lujlt werden, da die Larven widerstandsfähi<;'er sind als die spätem Ent- Avicklungsstadien. Gewöhnlich folgt das zweite Bad nach Ablauf etwa einer Woche; während dieser Zeit hal)en sich die Larven des Ilhipicephalus zu Nvmpheu weiterentwickelt. Die besten Ergebnisse auch bei Larven soll in Amerika das mit Schwefelblumen gemischte Extra dynamo oil ge- liefert haben, welches in der oben erwähnten amerikanischen Verordnung über die Ausfuhr von Vieh aus den Südstaaten*) vorgeschrieben ist und dessen einmalige Anwendung genügen soll, um Zecken aller Stadien ab- zutöten (Sa.jö, 1. c). Allerdings ist das Oelbad auch auf die Binder nicht ganz ohne Ein- fluss. Man hat beobachtet, dass Tiere aus den Südstaaten, wenn sie nach dem Oelbad den Einwirkungen großer Hitze oder stärkerer Ab- kühlung ausgesetzt sind, schwer erkranken und zwar an Texasfieber (Sajö). Von den dem Oelbad unterworfenen Tieren erliegt daher häufig ein gewisser Prozentsatz der Krankheit. Diese Thatsache ist um so interessanter, als es sich um Tiere handelt, die aus den von Texasfieber stets heimgesuchten Gegenden kommen, dort aber sich der Krankheit gegenüber anscheinend völlig refraktär ver- halten hatten. Eine Erklärung für diese Erscheinung geben uns die bei der Besprechung der Epidemiologie mitgeteilten Thatsachen über die Immunitäts Verhältnisse bei der Hämoglobinurie. Es handelt sich in solchen Fällen um Tiere, die einen gewissen Grad von Innnunität durch überstandene leichte Infektionen erworben hatten, in deren Körper je- doch der Parasit in vermehrungsfähigem Zustande weiter lebte. Wie oben erwähnt, genügt in solchen Fällen eine hinzutretende Schädigung des Organismus, um den labilen Immunitätszustand zu stören und den Parasiten das Uebergewicht zu verleihen. Vernmtlich wird die Beein- flussung der Hautperspiration nnd der Wärmeabgabc durch das Bad und die auf der Oberfläche der Haut zurückbleibende Oelschicht hierbei eine Rolle spielen. Ferner ist der Versuch gemacht worden, die durch die Krankheit verursachten Verluste durch Schutzimpfungen zu vermindern. Bereits Smith & Kilborne (1. c.) stellten durch Versuche fest, dass Tiere, welche die Infektion mit Pyrosomen überstanden haben, in vielen Fällen im folgenden Jahr der Ansteckung ausgesetzt werden können, ohne zu erkranken. Allerdings verlieh eine einmalige Erkrankung au Texasfieber den Tieren ans den Nordstaaten d. h. den von der Seuche nicht befallenen Gegenden, keinen absoluten Schutz ; denn eine gewisse Anzahl derselben wurde, wenn sie später der natürlichen Infektion aus- gesetzt wurden, trotzdem befallen und ein Teil von ihnen erlag sogar. Dagegen ging aus den Versuchen in Uebereinstimmung mit den früheren Beobachtungen hervor, dass Tiere, welche in den Südstaaten, also dem verseuchten Gebiet, aufgewachsen waren, der natürlichen Infektion ohne Gefahr ausgesetzt werden konnten. Es ergab sich demnach, dass die Durchseuchung in früher Jugend einen wirksameren Schutz verleiht als *) VeröflfentlichungeD des Kaiserlichen Gesundheitsamtes, 1898, S. 12. 862 H. Kossei. das Ueljcrstelien in späterem Lebensalter. Smith <& Kilborxe l)e- zweifelten dalier, dass dureh kliustliehe Uebertrag-nug- der Krankheit aiioli ansgewaeliseneu Tieren seuclienfreier Herkunft eine für praktische Zwecke ausreichende Widerstandsfähigkeit gegen die spätere natürliche Infektion verliehen werden könne. Sie enipfalden, um Imjjfverluste zu vermeiden, eine Infektion mit Pyrosomen zu Schutzimpfungsz^^ ecken jedenfalls nur in der kälteren Jahreszeit vorzunehmen entweder dadurch, dass man die Tiere der natürlichen Infektion auf Weiden aussetzt, oder indem man sie mit parasitenhaltigem Blut impft. Schröder^'' führte im Herbste 1895 bei nordamerikanischem Vieh Schutzimpfungen aus mit Hilfe der intravenösen Injektion von lOccni Blut, das von drei verschiedenen aus den SUdstaaten im Frühjahr desselben Jahres bezw. vor sechs Jahren eingeführten Tieren stammte. In allen 11 Fällen hatte die Schutzimpfung eine Infektion mit Pyrosomen und mehr oder weniger heftige Erkrankungen zur Folge. Im nächsten Früh- jahr wurden 9 der Tiere nach den Südstaaten auf die Weide geschickt, zugleich mit 5 Kontrolltieren. Die letzteren erkrankten sämtlich an Texastieber und 4 von ihnen starben, während die schutzgeimpften Tiere teils völlig gesund blieben, teils leichte Anfälle überstanden. Diejenigen Tiere, welche nach der Schutzimpfung schwerer erkrankt gewesen waren, schienen der natürlichen Infektion gegenüber widerstandsfähiger zu sein als solche, Avelche nur eine leichte Impfreaktion gezeigt hatten. Von Hellens^' konnte bei seinen im Jahre 1896 ausgeführten Ueber- tragungsversuchen bei der Rinderhämoglobinurie in Finnland feststellen, dass eine durch Injektion von infektiösem Blut hervorgerufene Erkran- kung die Tiere gegen eine zweite Einspritzung virulenten Blutes un- empfindlich macht. Er wies auf die Möglichkeit der Verwertung dieser Thatsache für die Zwecke der Schutzimpfung hin. Ebenso gelang- es K. Koch in Ostafrika Rinder durch Injektion von Blut leicht erkrankter Tiere gegen eine spätere schwere Infektion zu festigen. Die ausgedehntesten Erfahrungen über Schutzimpfungen gegen die llinderhämoglobinuric mit Hilfe der Einspritzung von defibriniertem parasitenhaltigen Blut liegen aus Australien vor. Nach Pound^v.üs und TiDSWELL '^ haben sich dieselben im •allgemeinen bewährt, Avenu auch Verluste nicht völlig vermieden sind. In Australien nimmt man die Schutzimpfung meist in der Weise vor, dass man den Tieren 5 cm defibriniertes Blut von Rindern (oder nach PouND besser Kälbern), welche eine Erkrankung überstanden haben, subkutan injiziert. Solches Blut wird als recovered blood bezeichnet im Gegensatz zu A'irulent blood d. i. Blut entzogen auf der Höhe der Krankheit. Ersteres ruft im allgemeinen einen milderen Anfall hervor. Nach der Einspritzung- uiuss eine Erkrankung eintreten, wenn anders eine Widerstandsfähigkeit gegen natürliche Ansteckung erworben werden soll. Den Grad dieser Erkrankung kann man jedoch nur unvollkommen beeinflussen und daher pflegt ein gewisser Ini})fverlust unvermeidlich zu sein, der meist etwa 3 — 4^ betragen soll, unter ungünstigen Ver- hältnissen aber erheblich höher (bis zu 25^) ausfjillen kann. Ein ab- soluter Schutz wird durch die Impfung nicht verliehen, denn ein ge- wisser Prozentsatz der Tiere erkrankt, wenn sie der natürlichen Infektion ausgesetzt werden, unter Umständen sogar mit tödlichem Ausgang. Die Summen der Impf Verluste und der späteren Todesfälle ist jedoch nach den australischen Erfahrungen geringer als die Zahl der bei nicht ge- impften Tieren unter gleichen Bedingungen zu erwartenden tödlichen Die Hämoglobinurio der Rinder. 8ß'-} Erkr;nikniii>;eii. Das l>lut, welclies zu den Seliut/im])funi;'en Verwendung iindct, niufc Claude & Soulie, Coutributi. — -i Kröning, Zeitschr. f. 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Daher wurden im allgemeinen Teil alle diejenigen Dinge zu erklären gesucht, welche bei der Untersuchung Schwierigkeiten bereiten können, ferner wurde stets auf die offenen Fragen hingewiesen und die allgemeinen Bezie- hungen der parasitischen Protozoen erörtert, um zu Untersuchungen be- sonders an den pathogenen Formen anzuregen. Aehnlich wurde im speziellen Teil vorgegangen, doch konnte hier naturgemäß mehr auf Ein- zelheiten eingegangen werden. Dass im speziellen Teil nur auf die Krankheitserreger des Mensehen und der Nutztiere Rücksicht genommen wurde, entspricht dem Zweck dieses Handbuchs und war auch bei der kurzen Zeit, welche den Ver- fassern für die Abfassung zu Gebote stand, nicht anders möglich. I. Alkemeiiier Teil.*' ■^ö Es ist unmöglich den Stamm der einzelligen Organismen reinlich in zwei große Gruppen, die einzelligen Tiere und einzelligen Pflanzen, zu scheiden. Protophyten und Protozoen sind durch zahlreiche Ueber- gänge miteinander verbunden und auch die Grenzen gegenüber den Reichen der vielzelligen Pflanzen und Tiere, den Metaphyteu und Metazoen sind nicht ganz scharf gezogen. Bei den parasitischen Protozoen haben sich weniger Zweifel über ihre Zugehörigkeit zum Tierreich erhoben, als bei manchen ihrer freilebenden Verwandten. Die eiücnarti^-e Ernährungsweise der echten *) Der allgemeineTeil ist von Doflein bearbeitet worden. Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. 1. 55 866 F- Doflein & S. v. Prowazek, Parasiten, die lebhafte BeAveg-lichkeit, welche wenigstens in gewissen Perioden des Lebens alle Arten auszeichnet, sowie die Verwandtschaft mit freien Formen von ausgesprochen tierischer Ernährungsweise ließen solche Zweifel nicht zur Kraft kommen. Kur bei den Sporozoen ist eine Entscheidung schwerer zu fällen, da ihre Abstammung vorläufig noch ganz dunkel ist. Jedenfalls haben wir aber ein größeres Kecht, wenn wir sie als Tiere bezeichnen, als wenn wir in ihnen Pflanzen er- blicken wollten. Die Frage ist im übrigen bedeutungslos, wenn wir uns nur vor Augen halten, dass die Einzelligen eine große Abteilung der Organismen bilden, in welcher tierische und pflanzliche Organisation noch nicht zur strengen Abgrenzung gekommen sind, in der manche Formen sich noch gleich- zeitig in der Weise der Pflanzen und der Tiere ernähren z. B. gewisse Flagellaten. Parasitische Protozoen sind also einzellige Organismen von tierischer Verwandtschaft, welche an oder in anderen Orga- nismen parasitieren. Pathogene Protozoen sind solche parasitische Protozoen, welche durch ihren Parasitismus den Organismus ihres Wirtes derartig schädigen, dass er erkrankt und eventuell stirbt. In den nachfolgenden allgemeinen Beobachtungen sollen zunächt Angaben über den Bau, die Funktionen und die Lebensweise parasi- tischer und pathogener Protozoen gemacht werden. Es mussten die harmlosen Parasiten und vielfach auch freilebende Formen zur Dar- stellung mit herangezogen Averden, da die pathogenen Formen noch nicht hinreichend erforscht sind. A. Morphologie. I. Protoplasma und Zellkern. Der Bau der Protozoen ist seiner äußeren Erscheinungsweise nach ein sehr verschiedenartiger. Stets gelingt es aber an einem Protozoon die Elemente nachzuweisen, welche zu den Bestandteilen einer Zelle gehören. Wir unterscheiden somit am Körper eines Protozoon: 1. das Protoplasma*), 2, einen oder mehrere Zellkerne, oder die auf gewissen Stadien sie vertretenden Chromidien. Protoplasma nennen wir die Grundsubstanz aller tierischen und pflanzlichen Zellen. Es ist ein kompliziertes Gemisch von zahlreichen organischen Substanzen, von Salzen und Wasser. Als wichtigste jBe- standteile und Träger des Lebens betrachtet man die Eiweißverbindungen (Proteine), welche es enthält. Außer seiner chemischen Zusammensetzung ist für das Protoplasma der lebenden Zelle eine sichtbare Struktur charakteristisch, welche bei vielen Protozoen sehr deutlich zu erkennen ist. Diese Struktur ist nicht zu verwechseln mit gewissen hypothetischen unsichtbaren Strukturen, welche von den verschiedensten Theorieen des Lebens im Protoplasma angenommen werden. *) Diese Bezeichnung hat heutzutage das früher oft im gleichen Sinne an- gewandte Wort »Sarkode« fast vollständig verdrängt. Die pathogenen Protozoen. 867 Die sichtbare Mikrostruktur des Protoplasmas lässt diese Masse in zwei Substanzen voii verschiedenartig-en physikalischen und chemischen Eig-euschaften getrennt erscheinen. Es sind dies 1. das Spongioplasma, oder die Gerüstsubstanz, welche von kolloidaler zäher Beschaffenheit ist und 2. das Hyaloplasma, oder die Zwischenflüssigkeit, welche bei weitem beweglicher und flüssiger ist, als die erstere. Das Protoplasma stellt eine Mischung dieser beiden Substanzen, nach Art einer Emulsion, dar. Als solche ist sie den von Plateau aufge- stellten Gesetzen unterworfen. Dies wird bei der Untersuchung von Zellen dadurch erkennbar, dass die Leil)e8substanz im wesentlichen eine schaumige (alveoläre) Mikrostruktur besitzt. Wie in Fig. 1 er- kennbar ist, stoßen gesetzmäßig je 3 Waben mit ihren Wänden aneinander, wobei noch vielfach kleine Zwickelwabeu an den Knoten- punkten auftreten können. Wo das Proto- plasma an die Außenfläche der Zelle heran- tritt oder, wo es im Innern derselben feste Körper oder Flüssigkeitstropfen umschließt, ordnen sich die Alveolen zu einem, dem Rande parallelen Alveolarsaum an. Bei vielen Protozoen ist diese Struktur leicht zu beobachten und sie wird dem Unter- sucher derselben an lebenden und au gut kon- servierten Objekten oft entgegentreten. Außerdem findet man auch in den Außen- schichten besonders der Pseudopodien mancher Formen Teile aus homogenem Protoplasma, welches ganz aus Spongioplasma zu bestehen scheint, und dessen feinere Struktur bisher der Analyse trotzt. An der Oberfläche des Körpers der Pro- tozoen befindet sich eine Schicht von dich- terem, zäherem Protoplasma, das Ektoplas- Fig. 1. Schaumstruktur bei ma, welches sich von dem wasserreicheren, ^^^tl Suktorie nur auf der flüssigeren und daher beweglicheren Ento^ '"'"'''iJTvrsS' plasma meist deutlich abhebt. Das Ektoplasma scheidet in manchen Fällen Hüllschichten, Panzerbildungen u. dgl. ab. Auch die Haftorgane, von denen später die Rede sein wird, sind Ausscheidungen des Ektoplasmas. Die Vakuolen, Avelche sowohl das Ekto- als auch das Entoplasma enthält, und welche besonders in letzterem oft große Dimensionen erreichen, sind nicht mit den Alveolen der feineren Plasmastruktur zu verwechseln, von denen bisher die Rede war. Die Dimensionen der Alveolen erreichen nur 1 bis wenige Tausendstel Millimeter. _ Die Vakuolen sind größere vom Protoplasma umschlossene Flüssig- keitstropfeu, welche im Stoffwechsel der Protozoen eine große Rolle spielen. Außer den oben genannten Elementarbestandteilen des Protoplasmas kommen in den Protozoenzellen nicht selten fädige, fibrilläre Differen- zierungen vor. Es sind dies Bildungen, welche speziellen Funktionen 868 F. Doflein & S. v. Prowazek, dieneo, wie z. B. die Myocytfibrillen einer örtlichen Steigerung der Kon- traktiousfäliigkeit. (Fig. 2. Halbschematisclie Figur einer Euplotes mit zu den Cirrenbasen verlaufenden Fibrillen). Sie stellen Bestandteile des lebenden Protoplasmas dar und es ist oft schwer oder unmöglich sie von den Elementarbestaudteilen desselben zu trennen. Im Gegensatz zu ihnen betrachtet mau gewisse Granulationen — feinste Körner oder Tröpfchen — welche in den aus Spongioplasma ge- bildeten Waben wänden vorkommen, als nicht zur eigentlichen lebenden Substanz gehörig, sondern als Vorbereitungsstadien und Endprodukte des Stoffwechsels: also als Stoffteilchen, welche noch verdaut oder schon wieder ausgeschieden werden sollen. Aehnliche, jedoch meist größere Ge- bilde finden sich oft in dem Hyaloplasma der Alveolen. Dieselben fallen dem Beobachter nicht selten dadurch auf, dass sie sich in lebhaft wimmelnder, tanzender Bewegung befin- den. Man bezeichnet diese Bewegungen als »Molekularbewegungen« und führt ihre Entstehung auf den Einüuss der vitalen Wärme und der molekularen Bewegimg der Flüssigkeit zurück. Beim Absterben der Organismen werden diese Granula durch die auftretenden Oxydationspro- zesse, die freiwerdende Wärme und die Auflösung der Elementarstruktur in ge- steigerte Bewegung versetzt. Jede Protozoenzelle enthält, wie schon oben hervorgehoben wurde, einen oder mehrere Zellkerne. Auf den Bau der Zellkerne sei an dieser Stelle etwas näher eingegangen, da derselbe in diagnostischer Beziehung von Bedeutung sein kann. Auch ist die Kenntnis vom Bau und den Veränderungen der Zellkerne zu einem so bedeutsamen Be- standteil der modernen Cytologie gewor- den, dass ohne gründliche Kenntnis des- selben Untersuchungen an pathogenen Pro- tozoen immer unvollständig bleiben werden. Um jederzeit den Vergleich neuer Entdeckungen mit dem schon Be- kannten zu ermöglichen, ist es notwendig, eiife einheitliche Termino- logie konsequent durchzuführen. Die Kernverhältnisse der Protozoen sind sehr kompliziert, fast jede Gruppe hat ihren eigenen Kerntypus und jede neuentdeckte Protozoen- form kann in diesem Punkte neue Ueberraschungen bringen. Wir schicken unserer Betrachtung der verschiedenen Kernformen eine Schilderung der wichtigsten Kernbestandteile voraus, indem wir dabei die Kenntnis der allgemeinen Cytologie voraussetzen. Der Kern ist ein Formbestandteil der Zelle, welcher sich vom Proto- plasma vor allen Dingen dadurch deutlich abhebt, dass er Substanzen ent- hält, welche sich von den gewöhnlich im Zellprotoplasma vorkommenden Fig. 2. Fibrilläre Differenzierungen bei dem Ciliaten Euplotes harpa, 1 — 15 Ansatzpunkte der Girren (nach Prowazek). Die pathogenen Protozoen. 869 unterscheiden. Bei den Protozoen stellt er nicht selten ein l)Ulschen- förmiges Ge1)ilde dar, doch kommen die verschiedenartigsten Formen vor. Gegen das Zellplasma ist der Kern im ruhenden Zustande meist durch eine dichtere Hüllschicht abgegrenzt, welche in manchen Fällen den Charakter einer »Kernmemhrau« annimmt. Das Innere des Kern- körpers ist von einem Netzwerk einer Substanz erfüllt, welche sich in vielen Beziehungen ähnlich wie Protoplasma verhält, nur scheint sie eine viel dichtere Struktur zu besitzen als das gewöhnliche Zelli)lasma. Auch vermischt sie sich leicht mit dem umgebenden Zellplasma, wenn z. B. bei Kernteilungen die Kerumembran sich auflöst. Sie })flegt den Innen- raum des Kerns kontinuierlich zu erfüllen ; für manche Formen hat man auch für sie eine alveoläre Struktur nachweisen können. Wegen ihrer geringen Färbbarkeit mit den üblichen Kernfärbungs- mitteln hat mau ihr den Namen der »achromatischen Substanz« gegeben (Achromatin). Ganz im Gegensatz zu ihr färbt sich das »Chromat in« mit diesen Farbstoffen sehr stark. Es ist auf dem achromatischen Gerüstwerk meist in Form von Strängen und Körnern verteilt. Neben diesen wichtigsten Sul)stanzen des Kerns, welche stets vor- handen sind, kommen in manchen Zellkernen oder in besonderen Zu- ständen von solchen weitere Substanzen vor, welche zum Teil in ihrer Bedeutung nicht genauer erforscht sind. Auch der Kern hat seinen eigenen Stoffwechsel, welcher im engsten Zusammenhang mit den Lebens- erscheimmgen der Gesamtzelle steht; Bestandteile dieses Stoffwechsels genau zu erkennen, ist mit großen Schwierigkeiten verbunden, und die Erkenntnis dieser Verhältnisse ist erst in ihren Anfängen begriffen. Aus diesem Grunde und weil bei den Protozoen so verschiedenartige Kerntypen vorkommen, während bei den Metazoen der Kerntypus ein sehr einheitlicher ist, darf man die Bestandteile irgend eines Protozoen- kerues nicht ohne genauere Untersuchung für identisch erklären mit den Bestandteilen der Kerne anderer Protozoen oder von Metazoen. Es sind daher in der nachfolgenden Darstellung möglichst indifferente Be- zeichnungen für die verschiedenen Stnikturen gewählt worden. 1. Kerne der Myxomyceten. Der Kern der Plasmodiophorazelle ist bläschenförmig; die Mitte des Bläschens wird von einem kugeligen Gebilde eingenommen, dem Fig. 3. Kerne von Plasmodiophora; a ruhend, b und c Teilung 1. Typus, d—(j 2. Typus nach Prowazek). Innen kör per. Zwischen ihm und der äußeren Kern wand ist ein Gerüstwerk von achromatischer Substanz ausgespannt, welche sehr spär- lich, und schwer nachweisbar ist. Der luuenkörper ist stark f;irbbar. Er enthält also offenbar das Chromatin des Kernes. Außerdem enthält 870 F. Doflein & S. v. Prowazek, er aber eine andere Substanz, welche bei der Kernteilung eine bedeu- tende Kolle spielt. Der Kern teilt sich nämlich in verschiedenen Abschnitten des Lebenskreises der Art nach zwei verschiedenen Weisen: 1. Der Innenkörper verwandelt sich zu einem hanteiförmigen Ge- bilde, welches als eine iutranukleäre Zentralspindel nebst Centrosomen, also als undifferenzierte Bildung (Ceutronucleus) aufzufassen ist; indem sich dieselbe in zwei Teile durchschnürt, wird der Kern geteilt. 2. Der Innenkörper macht eine kompliziertere Umwandlung durch; es kommt zu einer typischen intranukleäreu Spindelbildung, an deren beiden Enden Ceutrosomen sichtbar sind, welche aus der Substanz des Binnenkörpers stammen. 2. Kerne der Amöben. Die Amöbenkerne sind sehr verschiedenartig gebaut und noch nicht sehr genau erforscht. Man kann unter den genauer bekannten Formen hauptsächlich 3 Typen unterscheiden. ■'ö*;- Fig. 4. Kernteilung bei Amoeba binucleata (nach SCHAUDINN aus LANG). Fig. 5. Parainoeba eilhardi Schaud. ; 1 Nebeu- körper, 2 Kern, 3 Nahrungsballen (nach Schau- DiNN aus Lakg). 1. Der Kern ist bläschenförmig, mit achromatischem Gerüst und einem zentralen luuenkör per. Letzterer enthält außer seiner schwach färbbaren Grundsubstanz ziemlich viel Chromat in. Bei der Teilung wird die; Substanz des Innenkörpers im ganzen Kernraum in feinsten Körnern verteilt, worauf einlache Durchschnürung des Kerns in zwei Hälften erfolgt. (Direkte Teilung; Amitose.) 2. Der Kern zeigt ein feines achromatisches Gerüstwerk; das Centrum des Kerns nimmt ein Innenkörper ein, welcher sich mit allen Färbmitteln nur schwach färbt. Die Zone, welche den Innen- körper umgiebt, ist gänzlich achromatisch, während der periphere Teil des Kerns die achromatische Grundsubstanz ganz mit Körnern und Strängen von Chromatin bedeckt zeigt. Bei der Teilung wirkt der Innenkörper als Zentralspindel nebst Centrosomen (Ceutronucleus); der Umriss des sich teilenden Kernes ist hanteiförmig. (Amoeba cystalligera Schaudinn 1894.) Die pathogenen Protozoen. 871 3. Der Kern ist illiulich gcb;iut wie bei 1, doch verläuft die Tei- lung in Form einer deutlichen Karyokinese. (Amoeba binucleata Schaudinn 1895.) (Fig. 4.) Bei Paramoeba eilhardi findet sich sogar ein Nebenkörper, welcher in seinem Verhalten bei der Teilung durchaus einem Centrosoma ver- gleichbar ist. (Schaudinn 1896.) (Fio-. 5. 3. Kerne der Mastigophoren. Entsprechend der Mannigfaltigkeit der Mastigophorenformen, kommen bei ihnen die mannigfaltigsten Kerntypen vor, neben sehr primitiven auch r c> Fig. 6A. Mittlerer Teil des Körpers von Ceratium hirundinella mit ruhen- dem Kern. Fig. 6B. Desgleichen mit in der Teilung begriifenem Kern. (Nach Lau- TERBORX.) Ö\ 'W komplizierte. In den nachfolgenden Zeilen sind nur die allerwichtigsten Formen zusammengestellt. Es sind dies: 1. sehr dicht strukturierte Kerne, bei denen das Chromatin in feinsten Körnchen auf einem achromatischen Gerüstwerk, dessen Alveolen sehr klein und zahlreich sind, verteilt ist; nukleolenartige Bildungen kommen vor. (Ceratium hirundinella nach Lauterborn 1896; Fig. 6 Au. B.) 2. bläschenförmige Kerne mit einem peripheren Chromatin- belag; die Teilung erfolgt durch einfache biskuitförmige Zerschnü- rung (niedere Mastigoflagel- laten); von diesen Formen führen zahlreiche Zwischenformen (M o n a s , Bodo) zu Kerntypen, welche einen schwach färbbaren Innenkör matin in Form von Körnchen, ja Fig. 7A. En- Fig. 7B. Euglena vi- glena viridis ridis mit Kernteilung, mit ruhendem (Nach Kelten.) Kern. per, peripher angeordnetes Chro- bisweilen auch von Chromosomen 872 F. Doflein & S. v. Prowazek, (Euglena, Fig. 7 An. B) besitzen. Der luneukörper ist, wie bei dem 2. Kerutypiis der Amöben als sog. Centrouucleus zu bezeichnen. Bei der Teilung funktioniert er wie Zentralspindel nebst Centrosomen, wobei die Spindelbildimg ohne Auflösung der Kernmembran vor sich geht. Faserige Differenzierung der Centronucleusspindel kommt nur in vereinzelten Fällen vor (Euglena, Trachelomonas, Anisonema, Entosiphon, Fig. 8A— D). (Keüten 1896, Proavazek 1903.) Fig. 8A— D. Euhender Kern und 3 Stadien der Teilung bei Entosiphon (nach Prowazek). 3. bläschenförmige Kerne mit zentralem stark färbbarem Innenkörper, dessen Chromatin bei der Teilung in feinste Körnchen verteilt wird. Die Teilung erfolgt durch typische Spindelbildung; auch scheinen in einigen Fällen echte Centrosomen vorzukommen (endonukleäres Centrosom bei Polytoma). Beispiele: Polytoma, Chilo- monas, Chlamydomonas, Volvox. 4. Kerne der Koccidien. Bei den Koccidien, deren einzelne Lebenszustände und Stadien etwas genauer studiert worden sind, hat man erkannt, dass das Aussehen der Kerne je nach dem Stadium der Entwick- lung wechselt. Daher muss wegen der Einzelheiten auf die Angaben im speziellen Teil verwiesen werden. Der Kern der ruhenden Zelle ist im allgemeinen bläschentörmig, auf dem peripheren achromatischen Netzwerk findet sich Chromatin in feinen Körnchen, die Hauptmasse des Chromatins findet sich jedoch in einem zentral gelegenen Innen- körper, welcher sich sehr stark färbt und in manchen Fällen sehr wohl dazu dient, eine Verwechselung mit dem Kern einer infizierten Metazoenzelle zu verhüten. In seinem Verhalten in manchen Stadien erinnert dieser Innen - körper trotz seines Chromatinreichtums an den Centronucleus von Amöben und Flagellaten (Fig. 9A u. B). Da er sich aber durch sein Chromatiu und sein Verhalten bei der »Reduktion« von einem solchen unterscheidet, haben ihn die sorgfältigsten Untersucher von Koccidien, Fig. 9A u. B. Ruhender Kern und Teilungsspindel von Cocci- dium schubergi 1. Typus (nach SCHAUDINN). Die pathogenen Protozoen. 873 wie ScHAUDiNN und Siedlecki, als Karyosom mit einem besonderen Namen belegt. Doch kommt bei den Koccidien auch eine zweite Teilungs- form der Kerne vor, wie im speziellen Teil erörtert werden wird. 5. Kerne der Hämosporidien. Die Kleinheit der einzelnen Stadien von Hämosporidien und die schwierige Untersuehungstechnik bringen es mit sich, dass die Kern- verhältnisse nur bei wenig Stadien so exakt geschildert worden sind, dass sie sich direkt mit den Befunden bei anderen Protozoen vergleichen lassen. Soweit aber bisher Untersuchungen mit genügender Technik durch- geführt w^orden sind, Avurde eine weitgehende Uebereiustimmung mit den Kernen der Koccidien gefunden. 6. Kerne der Gregarinen. Die relativ recht großen Kerne der Gregarinen sind in ruhendem Zustande ebenfalls bläschenförmig. Ihre verschiedeneu Zustände sind viel weniger genau untersucht als die der Koccidienkerne. Sie haben ein peripheres Chromatin und einen zentralen stark färbbaren Innenkörper. Dieser Innenkörper spielt bei der Teilung eine eigenartige bisher noch nicht ganz verstandene Rolle. Der ganze Kern erfährt nämlich bei der Teilung eine Erneuerung, indem er sich auflöst und aus gewissen Teilen den sogenannten »Kleinkern« hervorgehen lässt. Dieser Kleiukern teilt sich dann unter dem Bilde einer typischen Mitose mit Centro- soma und Polstrahlung, wobei die Zentralspindel wohl zum Teil auf den achromatischen Bestandteil des Kleiukerninnenkörpers zurückzu- führen ist. (Fig. 10.) Infolge dieser merkwürdigen Vorgänge ist es unsicher, ob wir den Binnenkörper der Gregarinenkerne mit dem Karyosom der Kocci- dien homologisieren dürfen. Jedenfalls stellen die Gregarinenkerne einen weiter entwickelten Typus dar. Fig. 10. Lankesteria ascidiae. Re- duktion des Kernes, Kleinkernspindel fnach Siedlecki aus Doflein). 7. Kerne der Neosporidien. Die feineren Kernverhältnisse der Myxo-, Mikro- und Sarkospo- ridien sind noch wenig studiert. Bei den Myxosporidien beschreibt neben der Kernmembran und dem achromatischen Gerüst Dofleix einen Inneukörper als »chromatischen Nucleolus«, »der von allen anderen Nukle- olen vorläufig zu unterscheiden ist«. Thelohan giebt typische Karyoki- uese bei den Myxosporidien au, die nach Doflein jedoch etwas primitiver sein soll. Bei den Sarkosporidien ist der Kern oval, chromatinreich 874 F. Doüein & S. v. Prowazek, und es scheint uacli Bertram auch hier eine sehr primitive Karyokiuese vorzuliegen. 8. Kerne der Ciliophoren. Bei den Ciliophoren sind in der Regel zv^ei Kerne vorhanden, welche im Bau und den Funktionen voneinander erheblich abv\'eichen. Eine Ausnahme in dieser Be- ziehung machen nur ge- V7isse Formen, z. B. Opa- lina, welche zahlreiche bläschenförmige Kerne be- sitzt. Sonst ist stets ein größerer Macronucleus (Hauptkern) und ein klei- nerer Micronucleus (Ne- beukern, vorhanden: es können auch mehrere Mi- cronuclei vorkommen. Die Macronuclei kön- nen in ihrem äußeren Um- riss sehr verschiedenartig gestaltet sein. Es kommen kuglige, ellipsoide, wurst- und rosenkranzförmige Bil- dungen vor und damit ist die Formenmannigfaltigkeit bei weitem nicht erschöpft. Auch in der inneren Struk- tur kommen Verschieden- \ " heiten vor; doch ist in der '-^^^^"^ Regel ein sehr dichtes '(yflViX^ achromatisches Kerngerüst ' ' ' nachzuweisen, auf welchem Fig.ll. ParamaeciiimaureliaO.F.M. Qiierteiliing. Chromatiu in feinen Kör- Kombiniertes Bild. 1 Neue pulsierende Vakuole , , , . im vorderen Tochtertier, 2 vordere Hälfte des sich ^6i"i^ 7 manclimal aucü m direkt teilenden Macronucleus , 5 vordere pul- gröberen Anhäufungen ver- sierende Vakuole des Muttertieres (hintere des vor- teilt ist. deren Toclitertieres), 4 neu aufgetretene vordere DieTeiluno' des Ma- pulsierende Vakuole des hinteren Tochtertieres, , ■, ^ ^ .y fi. '^• 0 hintere pulsierende Vakuole des Muttertieres, cronucleus verlauit in 6 hintere Hälfte des sich amitotisch teilenden Form einer direkten Tei- Macronucleus, /Schlund des hinteren Tochtertieres, lung, indem der Kern sich durch Kuospung aus dem vorderen [9] entstanden, ^j^ ^^^ Län^'e Streckt und 8 u. 10 mitotische Teilung der beiden Micronuclei. . i i • i ' ue- ' • j i 9 Schlund des vorderen Tochtertieres, aus dem ^^^^^ Diskuittormig durcJi- Schlund des Muttertieres direkt hervorgegangen, schnürt. Entsprechend der (Aus Lang.) Mannigfaltigkeit im Bau der Kerne kommen bei der Teilung auch mancherlei Umbildungen vor (Fig. 11). Wenn der Kern sich inäqual teilt, so dass das Tochterprodukt kleiner ist, als der Mutterkern, so bezeichnet man den Vorgang als Kern- knospung. Eine solche kommt bei Ciliaten manchmal vor. Bei den Suktorien ist sie die Regel (Fig. 12). Die Micronuclei sind meist sehr klein. Sie liegen häufig in un- mittelbarer Nachbarschaft der Macronuclei, oft sogar in kleinen Nischen Die i^athogenen Protozoen. 875 derselben. Ihr Bau ist l)läsclienartig- ; man unterscheidet in ilinen achro- matische und chromatische Bestandteile; die Mcmhran ist eine ziemlich dicke und innerhalb derselben verläuft die Spiudclbildung-, welche die Teilung- als eine typische Karyokinese charakterisiert. Bekanntlich sind Macro- und Micronucleus in ihren Funktionen in der Art unterschieden, dass der erstere wesentlich an der Ernährung und Arbeitsleistung der lufusorienzelle beteiligt ist, während der letztere als Geschlechtskern bezeichnet werden kann, da er hauptsächlich bei dem Konjugationsakte in Thätigkeit tritt. Doch ist natürlich damit die Bedeutung- der beiden Kerne nicht erschöpft, wie aus zahlreichen neueren Experimenten hervorgeht. Soll die Färbbarkeit der Kernsubstanzen bei der Diagnose ver- wertet werden, so muss auf einen weiteren Umstand geachtet Averden. Außer dem Chromatin des Kernes färben sich nicht selten auch Gebilde im Zellplasma mit den Kernfarbstoffen. Es sind dies einmal färbbare Substanzen, welche von g-efressenen Organismen oder Teilen von solchen herrühren. Besonders nach Konservierung mit Sublimat färben sich solche Partikel sehr häutig mit Kernfarbstoffen sehr intensiv. Um sie genau unterscheiden zu können, muss mau beachten: ob sie in Nahrungs- vakuolen liegen, ob sich schon Zeichen des Verdautwerdens an ihnen erkennen lassen, ob schließlich der Bau mit normalen Vorkommnissen übereinstimmt. Außerdem kann man in der Kegel durch Anwendung verschiedener Fixierungs- und FärbuDgsmethoden leicht feststellen, was nor- maler Bestandteil der Zelle und was Fremdkörper in ihr ist. Eine zweite Art von färbbaren Substanzen sind nach den Untersuchungen von R. Hertwig (1900) und F. Schaudinn (1902) die von dem erste- ren als C h r o m i d i e n bezeichneten Erscheinungen, knospunff bei Es sind dies Regionen des Zellprotoplasmas, gemmipara (nach Hert welche mit färbbarer Su1)stanz infiltriert erschei- wm und Claus). nen, so dass bei Fär1)ung der Zelle z. B. strang- oder netzförmige stark gefärbte Gebilde außerhalb der Kerne im Zell- plasma erkennbar sind. Sie verdanken ihre Entstehung besonderen physiologischen Zuständen der Protozoenzelle, welche entweder bei der Entwicklung oder, Avenn durch Milieueinflüsse das Wechselverhältuis zwischen Kern und Protoplasma gestört wird, sich einstellen. Fig. 12. Kern- imd Zell- Ephelota IL Die kontraktilen Vakuolen. Bei sehr vielen freilebenden Protozoen, besonders bei den SüßAvasser- formen, aber auch bei manchen Parasiten können wir als Aveiteres Zell- organ die kontraktile (oder pulsierende) Vakuole unterscheiden. Wir verstehen unter einer solchen einen mit Flüssigkeit erfüllten Raimi im Protoplasma der Zelle, Avelcher periodisch Avächst, um nach Erreichung des größten Umfangs plötzlich zu verschAvindeu. In vielen Fällen ent- steht die kontraktile Vakuole durch das Zusammentreten mehrerer kleiner Flüssigkeitströpfchen, der sogenannten Bildungsvakuolen. 876 F. Doflein & S. v. Prowazek, Bei der Kontraktion wird in fast allen Fällen die in der Vakuole enthaltene Flüssigkeit aus dem Körper des Protozoons entleert. Ob die Entleerung' der Vakuole rein nach hydrodynamischen Gesetzen erfolgt, indem der anwachsende Flüssigkeitstropfen die äußere Spannung über- windet, oder ob der Druck des -umgebe uden Protoplasmas, — seine »Kon- traktion« — die Flüssigkeit durch einen vorgebildeten Kanal hinaustreibt, ist für die meisten Fälle strittig. Der Rhythmus der Vakuoleuthätigkeit ist von der Temperatur der Umgebung abhängig; Wärme beschleunigt den Vorgang. Die Vakuolenflüssigkeit reagiert in manchen untersuchten Fällen sauer; doch scheint in gewissen Stadien auch alkalische Keaktion vor- zukommen. Gewisse Stofie, welche in gelöster Form in der Vakuolen- flüssigkeit auftreten, fasst man wohl mit Recht als Exkrete des Proto- zoenkörpers auf Es ist also wohl die Auffassung der kontraktilen Va- kuole als Exkretionsorgan eine berechtigte. Bei der Diagnose kann die Koustatierung einer kontraktilen Va- kuole von großem Wert sein, da sie bisher nur bei Protisten, niemals in den Zellen vielzelliger Organismen nachgewiesen worden ist, auch wenn jene Zellen ein sehr selbständiges Dasein führten. Zellen mit kontraktilen Vakuolen können also zunächst stets als Protozoen angesprochen werden (vgl. Leydenia). III. Weitere Differenzierungen und Inhaltsgebilde des Zellkörpers. Die übrigen Bestandteile der Protozoeuzelle werden, soweit sie bei parasitischen Formen vorkommen, bei der Erörterung der Physiologie der parasitischen Protozoen besprochen werden oder im speziellen Teil ihre Erwähnung finden. Ihr Vorkommen ist ja ein sehr wechselndes und gerade bei den para- sitischen Formen sind viele Differenzierungen nicht zur Ausbildung ge- kommen oder wieder zurückgebildet. Ich erinnere nur an alle Gehäuse-, Schalen- und Hüllenbildungen, mit Ausnahme derjenigen der Dauerzu- stände, an die bewaffneten Mundöffnungen, Skelettbalken imd -stacheln, speziellen Zwecken dienenden Muskelfäden, alles Dinge, welche bei den parasitischen Protozoen nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen, bei den typischsten Parasiten und Krankheitserregern aber (i^^^^'"^ gar nicht vorkommen. Nur auf eine Kategorie von Organellen oder Zellorganen sei hier in Kürze eingegangen, auf die Bewegungsorganellen. Die primitivste Bewegung ist die amöboide Bewegung, welche durch die sogenannten Pseudopodien vermittelt wird. Es ist dieselbe Bewegungsform, welche auch die Leukocyten des Blutes der höheren Metazoen aus- zeichnet. Die Pseudopodien sind vergängliche Vor- Fig. 13. Amoeba ragungen der protoplasmatischen Körpermasse; sie Proteus. können vollständig aus Ektoplasma bestehen, in der Regel tritt aber bei ihrer Bildung zuerst das Ekto- plasma hervor und darauf strömt das Entoplasma nach. Genaue Unter- suchungen über die amöboide Bewegung findet man bei Rhumblee. Der Form nach unterscheidet man: 1. Lobopodien oder lappenförmige (Fig. 13) und 2. Filopodien oder fadenförmige Pseudopodien. Die pathogenen Protozoon. 877 '^. ^^r. Fig. l-i. Mastigamöbe (nach Prowazek'. Die Filopodien sind häufig- viel starrer, Aveniger beweglich und dauerhafter als die Lobopodieu. Kicht selten sind sie daher in ihrer zentralen Partie durch einen Axenstrang- gestützt. Es ist dies eine Zone verdichteten Protoplasmas, welche ebenfalls eingezogen werden kann. Bei manchen Formen wechseln solche Filopodien mit Geißeln ab. Letztere gleichen im Bau den Filopodien ; sie sind aher mit der Fähi»-- keit ausgestattet, lebhafte schwingende und schlenkernde Bewegungen auszuführen. Durch diese Bewegungen wird das Tier vorwärtsgetrieben. Die Geißeln können in der Ein- oder Mehrzahl vorhanden sein; sie können am Vorder- oder Hiuter- ende entspringen oder an den verschiedensten Stellen des Körpers verteilt sein. Bei niederen Formen, bei denen sie ja auch an Stelle von eingezogenen Pseudo- podien auftreten können, können sie ebenfalls ein- gezogen werden, worauf eventuell wieder Pseudo- podien sie ersetzen können. Bei niederen Formen zeigen die Geißeln ferner nicht selten enge Beziehungen zum Kern, indem sie z. B. von dessen Membran ihren Ursprung neh- men. (Fig. 14.) Bei anderen Formen finden die Geißeln eine Stütze für ihre Funktion an der Zellenmembran oder in besonderen Differenzierungen des Zellkörpers, den sogenannten Basalkörpercheu oder Blepharoplasten, auch Geißelwurzeln genannt- Diese Basalkörpercheu stellen kugelige Verdickungen des basalen Geißelendes dar, welche mehr oder weniger nahe der Zelloberfläche im Innern des Zellprotoplasmas gelegen sind. (Trypauosoma, Fig. 15). Bei Formen mit persistenten Geißeln gehen sie bei der Zellteilung der Geißelteilung voran, indem zuerst die Bildung zweier neuer Basalkörper durch Teilung der alten erfolgt. Es wurden wegen dieser Teilungserscheinungen und wegen .des eigentlich recht untergeordneten Umstaudes, dass sich die Basalkörper mit denselben Methoden färben lassen, wie Centrosomen, die Basalkörper von manchen (Laverax & Mesxil 1902) direkt für Centrosomen er- klärt. Nach meiner Ansicht sind es nur ähnliche Bil- dungen, Verdichtungen des Spongioplasmas, welche vom Kern unabhängig sind (vgl. auch Sexn 1902). Erinnern die Flagcllaten u. s. w. mit ihren Geißeln an das Geißelepithel der Metazoen, so sind jedem, Avelcher das Wimperepithel kennt, die Bewegungsorganellen der Ciliaten verständlich. Deren Körperoberfläche ist entweder ganz oder nur auf einzelnen Kegiouen mit einem Kleid feiner »Protoplasmahärchen« bedeckt, den Cilien oder Wimpern. Diese Cilien sind, verglichen mit den Geißeln, kurz und treten stets in großer Anzahl nebeneinander auf; durch gleichsinnige Bewegung sämtlicher Cilien eines größeren Bezirkes wird das Tier vorwärts- gerudert. Auch bei den Cilien ist das basale, im Zellleib steckende Ende zu einem Basalkörpercheu verdickt. Die große Anzahl von solchen Fig. 15. Trypa- nosoma lewisi (nach Laveran & Mesnil). 878 F. Doflein & S. v. Prowazek, und der Umstand, dass die Kerne sicli ohne OefiFnung der Membran und ohne Centrosoma teilen, zeigen, dass solchen Basalkörpern nur eine gewisse Aehnlichkeit mit Centrosomen zukommt, welche durch eine ähnliehe Inanspruchnahme von Plasmapartieen bedingt ist (Fig. 16). Offenbar zur weiteren Festigung des Widerlagers der Bewegung er- strecken sich von den Basalkörpern nicht selten Fibrillensysteme in das Innere der Zelle. (Vgl. Fig. 2). Girren sind starre Borsten, welche durch Modifizierung und Ver- schmelzung von Cilien entstehen, länger sind als die gewöhnlichen Cilien und sprungartige Bewegungen ermöglichen. Ihre Basallamellen entsprechen den Basalkörperchen der gewölmlichen Cilien. P'Al- Co- Fig. 16. Schnitt durch ein Randstückchen von Opalina ranarum , parallel einer Cilien- reihe (nach H. N. Maier). P Pellicula, AI Al- veolarsanm, Co Randzone des Entoplasmas, -2/« Entoplasma, J Inhaltskörper , C Cilien, B Basalkörper. " ^ Fig. 17. Drei Membranellen der adoralen Zone von Stentor, nach Schuberg 1890 und Gruber 1893. 1 Die Wimperlappen, 2 Basal- lamelle, 3 Endfaden, 4 Basalfibrille. (Aus Lang.) Eine ähnliche Entstehung haben die Membrauellen, welche durch Verschmelzung längerer Eeilien von Cilien entstehen (Fig. 17). Ihre Be- wegung ist eine komplizierte. Noch mehr ist dies der Fall bei den undulierenden Membranen, längeren schwingenden Säumen oder Platten, bei denen die Bewegung von einem Ende zum anderen fort- schreitet und einigermaßen an die Geißelbewegung erinnert. IV. Fortpflanzung der Protozoen. Die Protozoen pflanzen sich durch Teilung fort; bei ihnen bedeutet also einfache Zellteilung zugleich Vermehrung der Individuen. Ent- sprechend der verschiedenartigen Lebensweise finden Avir diese Teilung aber in den vielfältigsten Formen vor sich gehend. Wir kennen ein- fache Teilung im freien Zustand, während andere Formen sich zuerst mit einer festen Hülle, einer Cyste, umschließen, ehe sie sich teilen. Wir kennen sowohl äquale als auch in äquale Teilung; erstere wird auch im engeren Sinne als Teilung, letztere als Knospung bebezeichnet. Die Teilungsfurche kann entweder parallel oder quer zur Längsaxe des Tieres verlaufen; während bei den Flagellateu Längsteilung vor- herrscht, ist bei den Ciliaten Querteiluug die Eegel. Die pathogenen Protozoen. 879 Bei manclieu Formen folgen zahlreiche Teilungen rasch aufeinander, so dass ein großes Individuum zahlreiche kleine aus sich hervorgehen lässt. Dies kommt besonders bei Formen vor, deren Teilungen inner- halb einer Cyste vor sich gehen (vgl. Ichthyophthirius, Fig. 18). Eine weitere Yermehrungsform, vrel- che zur Erzeugung von mehreren bis sehr vielen Tochteriudividuen aus einem Muttertier und zwar während desselben Vermehruugsaktes führen kann, ist die sogenannte »Zerfallsteilung«. Bei derselben vermehren sich zunächst die Kerne und erst in der Folge zerfällt der Mutterkörper in ebensoviel Tochter- individuen als Kerne vorhanden waren. (Vgl. x4moeba proteus, Fig. 19 A u. B.). Beide letztgenannten Vermehrungs- formen sind besonders bei parasitischen Protozoen verbreitet. Bei solchen sind die Produkte der Vermehrung nicht sel- ten von Hüllen umgeben, deren Bau mehr oder weniger kompliziert sein kann. Wir nennen derartig umhüllte Vermehrungs- produkte »Sporen«. Sie sind charakteristisch für die Klasse der Sporo- zoen, bei deren Betrachtung wir Gelegenheit haben werden uns ein- gehend mit ihnen zu beschäftigen. Fig. 18. Ichthj-ophtbririns innltifiliis Teilungacyste mit jungen Tieren. (Nach BÜTSCHLi aus Doflein). V. Die geschlechtlichen Vorgänge bei den Protozoen. Zum Verständnis der im speziellen Teil angeführten Thatsachen wird es von Nutzen sein, an dieser Stelle eine knappe Uebersicht über die geschlechtlichen Vorgänge bei den Protozoen zu geben, welche sich cy A. Fig. 19. Amoeba Proteus. Zwei Stadien der Zerfallsteilung, cy Cyste, w Kern, -B Reservestoffe, A' junge Amöben nach Scheel aus Doflein). allerdings auf eine Erklärung der Terminologie beschränken nmss. Wer sich für weitere Einzelangaben, als sie im speziellen Teil gegeben sind, interessiert, sei auf die Werke von Lang und Calkins hingewiesen. Wir unterscheiden bei den Protozoen als geschlechtliche Vorgänge Kopulation und Konjugation. Unter Kopulation verstehen wir die vollständige Verschmelzung zweier Individuen mit ihrem Zellleib und ihren Kernen. Wir haben F. Doflein & S. v. Prowazek, einen der Befruclitimg der Metazoen vollkommen entsprechenden Vor- gang darin zu erblicken. Wie bei den Metazoen das Spermatozoon mit dem Ei versclimilzt, wobei beide den Charakter von Zellen besitzen, so sehen wir bei den Protozoen zwei einzellige Individuen bei der Kopu- lation beteiligt. Die kopulierenden Individuen können untereinander gleichartig oder verschieden gebaut sein: im ersteren Fall spricht man von Isogamie, im zweiten von Anisogamie. In der isogamen Kopulation erblickt mau die primitivste Form der Kopulation ; von ihr aus sieht man einen reich verzweigten Stamm- baum der verschiedenen Kopulationstypeu sich erheben. Wiederum die einfachste Form der isogamen Kopulation ist durch solche Formen re- präsentiert, bei welchen zwei erwachsene Individuen miteinander ver- schmelzen, welche wir mit unseren Untersuchungsmethoden von den gewöhnlichen erwachsenen Individuen nicht unterscheiden können. Bei anderen Formen wird die Befruchtung durch besondere Indivi- duen vermittelt, welche oft viel kleiner sind, als die erwachsenen vege- tativen Exemplare. Aber beide Kopulanten sind immer noch gleich- artig gebaut. Beider auisogamen Kopulation dagegen ist eine geschlechtliche Differenzierung der zur Verschmelzung bestimmten Individuen eingetreten. Dabei finden wir alle Stufen der Entwicklung, von Erscheinungen an, welche sich kaum von der Isogamie unterscheiden, bis zu solchen, welche der Befruchtung der Metazoen außerordentlich nahestehen. So ist der Vergleich des weibliehen Gameten bei den Koccidien mit dem Metazoenei, des männlichen Gameten mit dem Spermatozoon ein nahe- liegender und durchaus berechtigter. (Fig. 20.) Es sei an dieser Stelle nachdrücklich hervorgehoben, dass die Be- fruchtung durchaus nicht immer zu einer Vermehrung oder gar zu einer Beschleunigung des Teilungsrhythmus führt. Im Gegenteil, bei den Protozoen wird gar nicht selten das Tempo der Vermehrung durch die Befruchtung verlang- samt. Es ist dies eine Thatsache, welche klinisch von r^^^^^^^^ -\ Wichtigkeit sein kann, da der Schluss von dem üb- /^^^^H^^ I liehen Verhalten der Metazoen auf die Protozoen zu ' ■^^^^^^"^ schwerwiegenden Irrtümern führen würde. Generationswechsel. Bei einer großen An- zahl von Formen ist in neuerer Zeit ein Generations- wechsel nachgewiesen worden, d. h. man hat gefunden, dass nach einer Anzahl von gewöhnlichen Vermeh- Fig. 20. Befruchtung rungen schließlich sich Gameten ausbilden, welche bei Coccidium schu- zu einer geschlechtlichen Vereinigung zusammen- ^^"^^^ diSn) ^^''^^" *^'®*^^- ^^ ^^^^^" geschlechtlichen Akt schließt sich in der Folge eine Vermehrung an, aus welcher wiederum ungeschlechtliche Individuen hervorgehen. Die beste Erläuterung bietet uns die im speziellen Teil wiedergegebene Abbildung des Zeugungskreises von Coccidium Schubergi. Wir wollen hier nicht näher auf den Generationswechsel eingehen; wir werden später auf seine Kombination mit Wirtswechsel bei ge- wissen Formen zurückzukommen haben. Die pathogeneu Protozoen. 881 B. Physiologie. Auch von der Physiolog-ie der Protozoen soll in dem nachfolgenden Absclmitt nur das Wichtigste, soweit es sich insbesondere auf die para- sitischen Formen bezieht, erwähnt werden. Für ein eingehendes Stu- dium sei auf die am Schluss des allgemeinen Teiles angeführten Lehr- bücher von BüTSCHLi, Verwokn, Lang, Calkixs, verwiesen. Auch ist sehr zu beachten, dass die Physiologie der Protozoen und ganz beson- ders der parasitischen Protozoen noch kaum erforscht ist. I. Allgemeine äußere Lebensbedingungen der parasitischen Protozoen. Wie alle Protozoen, so sind insbesondere die parasitischen Protozoen Feiichtigkeitsbewohner, Ihre Lebensthätigkeiteu können nur in einem wasserhaltigen Medium vor sich gehen. Man wird also keine parasitischen Protozoen in trocknem Sand und Staub, auf der trocknen Hant von Tieren oder unter den gewöhnlichen Verhältnissen in den Haaren von Säugetieren suchen. An solchen Orten werden sich wohl gelegentlich Dauerzustände (s. u.) von Protozoen finden, aber die aktiven Stadien brauchen Wasser zum Leben und würden ohne dieses zu Grunde gehen. Die Flüssigkeiten, in denen parasitische Protozoen zu leben ver- mögen, sind sehr verschiedenartige und es ist bemerkenswert, wie hohe Konzentrationsgrade manchen Formen zum Gedeihen notwendig sind. Wir finden parasitische Protozoen in den Flüssigkeiten des Verdauungs- kanals und seinen Anhangsdrüsen, in Galle und Harn, in dem Schleim, welchen die Haut und die Schleimhäute vieler Tiere ausscheiden z. B. in den Geschlechtsorgauen, den Sinnesorganen u. s. w. Ferner finden wir solche in dem Blut der verschiedensten Tiere, in der Gewebe- flüssigkeit und selbst innerhalb von Zellen. Es existieren allerdings keine Versuche an parasitischen Proto- zoen, aus denen sich ersehen ließe, einen wie großen osmotischen Druck dieselben auszugleichen imstande sind. Aber an nicht parasitischen Formen sind zahlreiche Versuche gemacht worden, welche beweisen, dass die Anpassungsfähigkeit der Protozoen in dieser Beziehung eine recht beträchtliche ist. In dieser Beziehung wären die Versuche von V. CzERNY (an Amöben), Roser (an Polytoma), Massart (an Glau- comma, Vorticella u. s. w.), Hexneguy (an Fabrea), Balbiani (an Para- maecium) und Yasuda (an verschiedenen Flagellaten und Ciliaten) zu erwähnen. Dabei ist festzustellen, dass die Anpassungsfähigkeit an Schwankungen des osmotischen Druckes im allgemeinen geringer zu sein scheint als bei niederen pflanzlichen Organismen, von denen Aspergillus niger eine Traubenzuckerkouzentration von b3^^, Penicillium glaucum eine solche von 55 X verträgt. Es ist allerdings möglich, dass die Anpassungs- fähigkeit der parasitischen Protozoen eine höhere ist, als die der frei- lebenden, und ähnliche Werte erreicht, wie die soeben angeführten. Bei Infusorien wird die Anpassungsfähigkeit offenbar gefördert durch die wasserreiche, lockere Beschaftenheit des Protoplasmas, aus welchem Wasserabgabe besonders durch gesteigerte Thätigkeit der kontraktilen Vakuole stattfindet. (Vgl. auch die Ausführungen über Encystierung im Abschnitt über Biologie.) Handbucli der patliogenen Miki-oorgauismeu. I. 56 882 i'- Doflein & S. v. Prowazek, Bei allen Formen ist natürlicli zu beachten, dass Anpassimg- an ver- schiedenen osmotischen Druck nur durch sehr laugsamen allmählichen Uebergang- aus dem Aufenthaltsmedium in die Flüssigkeit von abweichen- der Konzentration erzielt werden kann. Praktisch findet das seinen Ausdruck darin, dass parasitische Protozoen, aus dem Blut, aus Darm- flüssigkeit u. s. w. in Wasser gebracht, rasch absterben. Ja sogar Formen, welche wie Costia necatrix auf der äußeren Haut von Fischen vor- kommen, sind in der Weise an die Konzentration des Hautschleimes angepasst, dass sie, vom Wirtstier in das umgebende Wasser schwim- mend, alsbald zu Grunde gehen. Andere Hautparasiten der Fische hat man mit Erfolg bekämpft, indem man in den Aquarien den Boden mit Kochsalz bedeckte und damit am Grunde eine Wasserschicht von hoher Konzentration schuf, in welcher die Parasiten rasch absterben. Daher soll man die betreffenden Formen stets zunächst in denjenigen Flüssig- keiten lebend uutersuchen, in welchen sie normal vorkommen. Auch muss man Vorsichtsmaßregeln treffen, damit nicht durch Verdunstung oder Aufnahme von Wasser aus der Luft die Konzentration der Flüssig- keit sich während der Untersuchung ändert. Die meisten Formen haben übrigens während ihres Lebens ziemlich schroffe Uebergänge aus ihrem gewohnten Lebenselement in ein anderes durchzumachen: nämlich, wenn sie zur Verbreitung der Art genötigt sind ihren Wirt zu verlassen, um einen anderen aufzusuchen. Sie sind stets mit besonderen Einrichtungen versehen, um diesen Uebertritt zu über- stehen oder sogar auszunützen. Meist sind es Hüllen und Kapseln, welche den Protoplasmaleib in dieser Zeit schützen. Bei solchen Formen, welche normalerweise einen Wirts wech sei durchmachen, ist der Vorgang besonders interessant. Haben sie doch eine Schwankung des osmotischen Druckes zu überstehen, derjenigen vergleichbar, welche die periodisch vom Meere aus stromaufwärts w^anderuden Fische, wie Lachse und Aale, durchmachen müssen. Nur ist der Uebergang bei Formen wie den Hämosporidieu , welche aus dem Blut eines warmblütigen Tieres in den Magen eines Insektes gesogen werden, vielleicht ein rascherer. Er kann nicht ohne Einfluss auf den durch keinerlei Hülle geschützten Organismus sein. Und thatsächlich verändert das in den lusekteumagen gelangte Hämo- sporid, wenn es ein reifes geschlechtliches Individuum ist, seine Form, bereitet sich zur Befruchtung und wird befruchtet. Ungeschlechtliche Individuen dagegen gehen zu Grunde und werden im Mückendarm verdaut. Nun geben Manson und früher schon Marshall an, dass ein Zu- satz von destilliertem Wasser zum Blutpräparat die Reifung der Ge- schlechtsformen des Malariaparasiten begüustige. Luhe ist der Ansicht, dass im Mückenmagen bei der Lösung des Hämoglobins möglicher- w^eise Diffusionsströme entstehen und den Reiz bewirken, welcher zur Reifung führt. Schaudinn weist dagegen besonders auf die Abkühlung hin, welche beim Verlassen des warmen Blutes des Wirts auf das Hämo- sporid einwirken muss. Die Aeuderung der Form und das Experiment mit dem Zusatz von destilliertem Wasser weisen nach meiner Ansicht darauf hin, dass die Aenderuug des osmotischen Drucks einen wesentlichen Einfluss ausübt. Doch sind hier auch weitere Möglichkeiten zu erwägen. So mögen Einflüsse chemischer Art oder der plötzliche Mangel an Sauerstoff' oder Nahruugsstoffen die eigentliche wirksame Ursache sein. Experimentelle Die pathogcnen Protozoen. 883 Uutersucliniigeii über diese Fragen sind sehr erwünscht und -werden jedenfalls interessante Ergebnisse haben. Autifermente. Wir müssen hier in aller Kürze auch auf eine Frage eingehen, deren Lösung für die ganze Auffassung des Parasitismus von ausschlaggebender Bedeutung ist. Es ist rätselhaft, wie die Parasiten denn überhaupt im Innern eines anderen Tieres ihre Existenz wahren können, während es doch die Regel ist, dass lebende Tiere im Innern von an- deren Tieren, besonders in deren Darm absterben und verdaut werden. Wie Frenzel schon hervorgehoben hat, l)erührt sich diese Frage innig mit der anderen, warum denn die lebenden Gewebe des Magens und des Darms selbst nicht verdaut werden. Er vermutet schon, dass von den Parasiten Autifermente gebildet würden, welche die Verdauungsfer- meiite unschädlich machten. Diese viel bestrittene Annahme, welche auch ich früher nicht für sehr wahrscheinlich hielt, hat durch die Untersuchungen von Weixland sehr an Wahrscheinlichkeit gewonnen. Dieser Forscher fand nämlich, dass durch Extrakte aus parasitischen Würmern (Askariden) die Verdauungs- fermente ihrer Wirte unwirksam gemacht werden können. Wenn dies für eine Parasitenform nachgewiesen wird, so ist natürlich die Annahme berechtigt, dass bei allen Parasiten Aehuliches vorkommt, dass also auch die parasitischen Protozoen Autifermente gegen die Verdauungsfermente ihrer Wirte hervorbringen. Die Wärme spielt zunächst natürlich bei den parasitischen Proto- zoen dieselbe große und wichtige Rolle wie bei den Lebensvorgängen aller anderen Organismen. Wir haben aber bei ihnen als Parasiten noch eine weitere Form der Abhängigkeit von bestimmten Temperatargraden zu konstatieren: das Optimum der Temperatur liegt für sie in der Nähe der Körpertemperatur ihres Wirtes, das Minimum in der Regel nicht tief unter, das Maximum nicht hoch über derselben. Doch schwankt das Verhalten nach den einzelnen Arten. Blutpara- siten, wie die Trypanosomen sterben bei zu niedrigen Temperaturen sehr bald ab. Doch werden wohl die Parasiten von wechselwarmen Tieren widerstandsfähiger sein, als diejenigen von Warmblütern. Ich sah Trypanosoma carassii im Präparat lange Zeit (über 1 Stunde) lebend, während z. B. Tr. brucei ja schon nach wenigen Minuten matt wird und abstirbt. Darmparasiten, auch mancher warmblütiger Tiere, kann man bei Zimmertemperatur längere Zeit lebend erhalten; sie gehen nach Stunden bis Tagen zu Grunde, offenbar aber dann nicht infolge der verminderten Temperatur, sondern durch chemische Veränderung- des Mediums (s. unten). Nach meinen eigenen Erfahrungen gilt dies für Trichomonasarten, während Amoeba coli auf nicht erwärmtem Objektträger bekanntlich bald ihre Bewegungen einstellt. Parasiten aus Fischen, Amphibien, Insekten und andern wechselwarmen Tieren leben in der Regel längere Zeit bei Zimmertemperatur; ich erinnere nur an M yxosporidien, Opalinen, Gregarinen. Von den verschiedengestaltigen Bewohnern des Pansens der Wiederkäuer und desCoecums des Pferdes dagegen haben Sciiu- BERG, ExDERLEiN u. a. festgestellt, dass sie ausserhalb des Wirtskörpers bald zu Grunde gehen, wenn man nicht Vorsorge tritt"t, dass die Tem- peratur, bei welcher man sie aufhebt, ca. 37° beträgt. Bei dieser halten sie sich aber im Brutofen tagelang. 56* 884 F. Doflein & S. v. Prowazek, Wie schon von Rüge auf S. 734 und 756 dieses Bandes auseinander- gesetzt wurde, ist die Beziehung der Temperatur zu den Malariapara- siten von Grassi u. a. genauer durchforscht worden. Wegen des hohen Interesses, welches die gewonnenen Thatsachen für die Physiologie der parasitischen Protozoen besitzen, sei hier noch einmal in Kürze auf sie hingewiesen. Für die Entwicklung der in der Mücke Anopheles be- herbergten Stadien der Malariaparasiten giebt es eine Optimaltempera- tur, bei welcher die Entwicklung der Sporozoiten in der kürzesten Zeit (8 — 10 Tage) verläuft. Diese Optimaltemperatur der Umgebung beträ^'t z. B. für den Parasiten der Tertiana 28°— 30° C. Die ^Minimal- teraperatur ist nach Grassi 18°^ — 20° C, während bei 17° die Entwick- lung schon sistiert wird. Die Verschiedenheit der Temperaturgrenzen erklärt die verschiedene geographische Verbreitung der verschiedeneu Malariaarten. Beim Quartanaparasiten liegt das Minimum bei 16,5° C, das Maximum bei 30° C ; infolgedessen ist die Quartana am weitesten polwärts, am wenigsten weit äquatorwärts verbreitet. So wird das Studium der Temperaturgreuzen bei den einzelnen Formen von Parasiten und Krankheitserregern vielleicht wichtige Er- gebnisse liefern, deren Ausnutzbarkeit in therapeutischer und prophy- laktisch-hygienischer Hinsicht auf der Hand liegt. Bei vielen Formen muss allerdings in Betracht gezogen werden, dass es nicht nur die gewöhnlichen Individuen, sondern auch Dauerformen in Gestalt von ency stierten Individuen oder von Sporen giebt. Diese sind zum Teil befähigt, ganz andere Maximal- und Minimaltemperaturen zu ertragen. Es ist von den Dauerformen zahlreicher freilebender Pro- tozoen bekannt, dass sie tiefe Kältegrade überstehen können, ohne Schaden zu leiden. Ob bei Parasiten oder Krankheitserregern Versuche in dieser Richtung schon vorgenommen worden sind, ist mir nicht be- kannt geworden. Ob das Licht eine besondere Einwirkung auf parasitische Protozoen ausübt, ist nicht untersucht. Ebenso sind die Untersuchungen über die Einwirkung der Gravitation und der Elektrizität bisher ausschließ- lich an nicht parasitischen Protozoen gemacht worden. Bei der Bestrahlung mit Röntgenstrahlen verhielten sich die wenigen bisher untersuchten parasitischen Protozoen ebenso verschieden- artig, wie es bei nicht parasitischen der Fall ist. Sichere Resultate sind noch nicht erzielt worden. (Schaudixn 1899.) Was nun schließlich die Abhängigkeit der parasitischen Protozoen von dem Vorhandensein gewisser chemischer Elemente in ihrer Um- gebung anlangt, so betrachten wir dieselbe am besten gemeinsam mit der Ernährungsphysiologie. Nur auf einen Punkt sei an dieser Stelle noch eingegangen. Manche parasitischen Protozoen haben sich als sehr empfindlich gegenüber der Reaktion der Flüssigkeit, in welcher sie leben, erwiesen. So ist es bekannt, daß Trichomonas vaginalis nur in sauer reagierendem Vaginalschleim vorkommt. Sobald der Scheidenkatarrh heilt, die Menstruation erfolgt oder mit einer alkalischen Flüssigkeit ausgespült wird, sterben die Flagellaten ab. — Dagegen ist Amoeba coli, Balantidium coli, Trichomonas hominis sehr empfindlich gegen Säure. Klystiere mit Zusatz von Säuren, welche man den von diesen Parasiten behafteten Patienten verabreicht, führen häufig zum raschen Absterben der Protozoen. Schon diese wenigen Beispiele zeigen, wie verschiedenartige An- sprüche die Parasiten an ihre Umgebung stellen. Eine einheitliche Die pathogenen Protozoen. 885 Betrachtung- ist l)ci dem gegen w artigen Stand unseres Wissens noch nicht möglich, aber schon die angeführten Fälle weisen darauf hin, wie wichtig das Studium der Abhängigkeit der Parasiten von den Verhält- nissen ihrer Umgebung für die Erforschung ihrer pathogenen Wirkung und für die Therapie werden kann. Diese verschiedenartigen Ansprüche der Parasiten an ihre Umgebung machen ihre Züchtung außerhalb des Wirtskörpers zu einem sehr schwierigen Problem, in Avelchem auch die chemische Keaktion ein maßgebender Faktor ist. IL Atmung und Ernährung. Wir werden in dem Abschnitt über die Biologie der parasitischen Protozoen eingehend die verschiedenartigen Bedingungen ihres Lebens- raumes zu besprechen haben. Wir müssen aber hier schon vorgreifend daran erinnern, dass die parasitischen Protozoen auf der Haut und in der Haut, in den hohlen Organen wie Blutgefäßen, Darm, Blasen u. s. w., in den Geweben und in den Zellen vorkommen. Je nach ihrem Vor- kommen muss ihre Atmung in verschiedener Weise vor sich gehen. Während Formen, welche in der Haut oder im Blut vorkommen, ihren Bedarf au Sauerstoff wohl aus den sie umgebenden Flüssigkeiten in elementarer Form entnehmen können, fehlen uns für die Atmung der Gewebe- und Zellschmarotzer alle sicheren Anhaltspunkte. Wir können nur vermuten, dass sie ihren Sauerstoff wohl auf ähnlichem Wege be- ziehen werden, wie die sie umgebenden Zellen; vorausgesetzt, dass in die Gewebe überhaupt Sauerstoö' in verwertbarer Form dringt. Schwerer verständlich ist die Atmung der im Darrainhalt oder in anderen Medien, welche keinen freien Sauerstoff enthalten, lebenden Formen. Wir wissen, dass alle höheren Organismen mit Einschluss der Protozoen Sauerstoff zu ihrer Atmung brauchen. Nun haben aber Unter- suchungen an metazoischen Darmparasiten (Askariden nach Weixlaxd 1900) gezeigt, dass von solchen der Sauerstoff auch durch Spaltung einer sauerstoffhaltigen organischen Substanz (Glykogen unter Bildung von Valeriausäure und CO)) gewonnen werden kann. Diese intramole- kulare Atmung, wie sie unter besonderen Verhältnissen auch sonst bei Tieren und Pflanzen vorkommt, dürfen wir auch für protozoische Darm- parasiten annehmen, wenn sie auch bisher in keinem Falle für Protozoen nachgewiesen wurde. Da bei manchen Formen glykogenartige Sub- stanzen im Plasma gefunden wurden (Gregarinen, Opaliua), so liegt die Annahme ähnlicher Vorgänge nahe. Es wäre von großer Wichtigkeit, gerade über diesen Punkt Untersuchungen anzustellen. Es ist unzweifelhaft, dass diese Thatsache der Anaerobiose bei parasitischen Protozoen von all denjenigen nicht übersehen werden sollte, welche versuchen, Kulturen parasitischer Protozoen anzulegen. Wie beim Züchten anaerobiontischer Bakterien, so müssten auch hier besondere Vorsichtsmaßregeln getroffen werden. Ernährung. Die parasitischen Protozoen gehören wie alle Tiere sämtlich zu den plasmophagen Organismen d. h. sie nähren sich von Organismen, deren Teilen, Säften oder in der Verdauung begriffenen Nahrung. Es fehlen unter ihnen also, wie schon aus der Definition des Parasitismus hervorgeht. Formen, welche aus unorganischem Nährmaterial Plasma aufzubauen vermöü'en. F. Doflein & S. v. Prowazek, Wir können unter den parasitischen Protozoen solche unterscheiden, welche Nahrung- in Form von größeren Brocken, Klumpen u. s. w. auf- nehmen, und solche, welche nur flüssige Nahrung- aufnehmen. 0— 8 Fig. 21. Amöbe eine Algenzelle fressend. Vier aufeinander folgende Stadien der Nahrungsaufnahme (nach Verworn). Die Bhizopoden benützen die Beweglichkeit ihres Protoplasmas wie zur Ortsbewegung- so auch zur Nahrungsaufnahme. Amöben um- fließen mit ihren Pseudopodien die Nahrungskörper (Fig. 21), Formen mit Filopodien scheinen sie auch mit Hilfe derselben in das Plasma des Körpers hineinzuziehen. /'' Nach Untersuchungen von RiiUMBLER (1898) können Nahrungs- partikel auch nach besonderen »Im- portgesetzen« ohne aktive Beteili- gung des Protozoons in das Zellinuere gelangen. Wenn nämlich Fremd- körper in Berührung mit der Plas- maoberfläche gelangen, so gewinnt letztere auf sie eine größere Ad- häsion als die umgebende Flüssig- keit, und der Fremdkörper gleitet in das Körperinnere hinein. Bei vielen Formen, besonders Mastigophoren und Ciliopho- ren ist ein Zellmund (Cystostom) ausgebildet (Fig. 22). Durch den- selben wird feste Nahrung entweder durch Verschlingen aufgenom- men, oder die Nahrungspartikel werden mit etwas Wasser unter Fig. 22. Prorodon teres Ehbrg., von der beständigen Bewegungen geeigneter Seite, 520/j. i Cytostoma = Zellenmund, Organellen in den Mund hinein- 5 Cytopharynx = Zellenschlund, 5 Keu- gestrudelt. Am Grunde desselben, sen-(Stäbchen-) Apparat, ^ Macronucleus. :p^elcher nicht selten mit einem 5 Nahrungskorper, 6 Alter, Cytopyge, , t • . o ii i j. 7 pulsierende Vakuole, Hauptvakuole und komplizierten fechlundapparat ver- Bildungsvakuolen, cS'Micronucleus, .9Pelli- sehen ist, bildet sich dann eine cula mit darunter liegender Alveolar- Vakuole, die sogenannte Nahrungs- schicht des Protoplasmas. Nach Sche- vakuole. Sie enthält Wasser und WLAKOFF 1889 aus Lang. at i i i. • i rr- Nahrung und ragt in das Korper- plasma hinein, welches den Grund des Schlundes umgiebt. Von diesem löst sie sich nach Erreichung einer gewissen Größe los und wandert nun von der Strömung des Protoplasmas ergrifi"en in das Zellinuere, Avobei bestimmte Wege eingehalten werden. Die pathogenen Protozoen. 887 Die Aciueten saugen mit Hilfe von rölireuartig-eu Bildungen ihre Opfer aus. Während ihrer Wanderung erfährt die Nahrungsvakuole samt der in ihr enthaltenen Nahrung mannigfache Veränderungen. Nach Gueex- wooD (1894) verschwindet bei gewissen Formen auf bestimmten Stadien die helle Nahrungsvakuole, um später wieder aufzutauchen. In der Vakuole tritt nach einiger Zeit eine Flüssigkeit von saurer Eeaktion auf. Es wurde dies schon von Engelmann, Greenwood, LE Dantec, Sounders u. a. festgestellt und zwar durch Einführung von Lackmus, Kongo rot, Alizarinsulfosäure, Calcium- und Magnesium- sulfatlösung. Metschnikoff vermisste nur bei Noctiluca und Euplotes saure Reaktion. Zum Nachweis der einzelnen Verdauungsvorgänge sind besonders in neuerer Zeit Vitalfärbungeu viel angewandt Avorden. Hofer & Verworn verwandten zu diesem Zweck Bismarckbraun, le Dantec Alizarinsulfo- säure, Brandt Hämatoxyliulösungen, Prowazek, Metschnikoff, Przes- MYCKi und Plato haben sehr gute Erfahrungen mit Neutralrot gehabt, Prowazek empfiehlt auch Brillautkresylblau. Neutralrot giebt meist sehr präzise Ptesultate: der Vakuoleninhalt färbt sich bei saurer Reaktion rot, bei alkalischer gelblich. Heunnetter, welcher ausgehungerte Plasmodien von Mycetozoen mit steriler Nahrung fütterte, z. B. getrocknetem Eiweiß oder Aleu- ronkörnchen von Ricinus, fand dass die Vakuolenbildung ganz unter- blieb. Er vertritt nun die Ansicht, dass die saure Vakuolenflüssigkeit ausschließlieh die Aufgabe habe, die Bakterien abzutöten und die Nah- rung zu desinfizieren. Diese Deutung muss vorläufig recht kritisch auf- genommen werden. lieber die feineren sichtbaren Vorgänge bei der Verdauung der Proto- zoen existieren zahlreiche Untersuchungen an freilebenden Formen, so von Meissner, Lister, Wortmann, Greenwood, Celakowski und Stolc. Sie wurden in der Weise angestellt, dass gewisse Stofi'e, wie Eiweiß- körper, Kohlehydrate, Fette an die Protozoen verfüttert, und die Ver- änderungen an denselben studiert wurden. Eiweiß wird schnell aufge- löst, Stärkekörner von Ciliaten von außen allmählich angedaut und schließlich aufgelöst, während Rhizopoden Stärke meist nicht zu ver- dauen scheinen. Auch Fetten gegenüber scheinen sich die Protozoen recht verschiedenartig zu verhalten. Ein wie reiches Gebiet für künftige, wichtige Forschungen hier vor- liegt, können wir ermessen, wenn wir bedenken, dass bei parasitischen Protozoen noch kaum Ansätze zu Untersuchungen gemacht worden sind, wenn wir ferner bedenken, dass manche Formen in der Galle, andere im Harn, andere im Blut ihrer Wirte suspendiert vorkommen und aus diesen, der Analyse zugänglichen Flüssigkeiten ihre ganze Nahrung be- ziehen müssen. Fermente. Bei der Verdauung sind verschiedene Fermente wirksam und eiuige haben sich bereits nachweisen lassen. Krukenberg ftmd zuerst in einem Glycerinextrakt aus Myxomj^etenplasmodien ein pep- tisches bei saurer Reaktion wirksames Ferment. MouTON (1902) konnte bei Amöben ein tryptisches, bei alkalischer Reaktion wirksames Ferment nachweisen, welches bei 55° C angegrifleu, bei 60° C zerstört wird. Dieses von Mouton Amöbendiastase genannte proteolytische Ferment verdaut in vitro nur tote Bakterien, während es sich im Amöbenkörper an der Verdauung lebender Bakterien beteiligt. 338 F. Doflein & S. v. Prowazek, Unverdaut gebliebene Reste werden von den Protozoen wieder aus- gestoßen; eine solche Defäkation ist von Greenwood, Rhumbler u. a. bei Protozoen wiederholt beobachtet worden. Viel schwerer sind die Etappen der Verdauung bei denjenigen Proto- zoen zu beobachten, welche an den Parasitismus in hohem Maße an- gepasst sind. Diese Formen ernähren sich von den Säften ihres Wirtes, indem dieselben in flüssigem Zustand durch ihre Körperoberfläche in ihr Inneres difiundieren. In manchen Fällen sehen wir dann im Innern des Parasiten sich festere Stoffe aus der Lösung wieder niederschlagen und in Form von Ballen und Klumpen auftreten. Die Verdauuugs- physiologie solcher Formen ist noch vollkommen unbekannt. Man darf wohl vermuten, dass solche Parasiten ihre wichtigste Kraftquelle in der Zersetzung organischer Verbindungen besonders von Zucker finden werden. Exkretion. Die löslichen Exkrete werden wohl, wie schon oben erwähnt wurde, durch die Thätigkeit der kontraktilen Vakuole aus dem Körper entfernt; bei den zahlreichen parasitischen Formen jedoch, welche einer kontraktilen Vakuole entbehren, wird wohl auch die Ausscheidung in flüssigem Zustand durch die Körperwand hindurch vor sich gehen. Gewisse Körner und krystallartige Bildungen im Zellplasma bezeichnet man als »Exkretkörner«. Sie sind offenbar von sehr verschiedener che- mischer Zusammensetzung. Nach den Untersuchungen von Schewiakoff, welcher sie bei Paramaecium caudatum aus phosphorsaurem Kalk be- stehend fand (1894), verschwinden sie wieder, werden also wohl in ge- löster Form ausgeschieden. Andere haben ihre Ausstoßung beobachtet, aber nur vor der Cystenbildung. Sekretion u. s. w. Wir wissen von vielen freilebenden Protozoen, dass sie mannigfache Stoffe ausscheiden, aus welchen ihre Gehäuse- bildungen bestehen u. s. w. Auch von den parasitischen Formen können wir auf mancherlei Ausscheidungen mit Sicherheit schon nach dem jetzigen Stand unseres Wissens schließen. Von den Antifermenten war oben die Rede. An dieser Stelle wollen wir in Kürze nur auf die Ausscheidung von Giften durch Protozoen eingehen. Wenn ein räuberisches Protozoon ein anderes lebend verschlungen hat, so sahen wir das Opfer in der Nahrungsvakuole sehr bald, offen- bar unter dem Einfluss eines Giftes sterben. Rhizopoden haben die Fähigkeit, lebhaft bewegliche Tiere durch die Berührung mit ihren Pseu- dopodien zu lähmen und auch die Wirkung der Trichocysteu der Ciliaten wird eine ähnliche sein. Wenn die Suktorien ein Beutetier, etwa ein kleines Infusor, ergreifen, so bleibt dasselbe zwar zunächst am Leben, aber es wird offenbar durch Giftwirkung gelähmt; denn es wird unbeweglich, und die kontraktile Vakuole bleibt im Zustande höchster Spannung erhalten. Schließlich stirbt das Opfer ab, während es ausgesaugt wird. Einige derartige Gifte hat man schon näher zu untersuchen begonnen. Extrakte aus Plasmodiophora brassicae töten Paramaecium nach 1 — 11/4 Stunden (Prowazek). Die Sarkosporidien scheiden ein für Warmblütler sehr heftiges Gift aus, das Sarkocystin. Laveran & Mesnil 1899 haben dasselbe genauer untersucht und gefunden, dass es, in Glycerinlösung Kaninchen ins Blut injiziert, dieselben nach kurzer Zeit tötet. Die patlaogenen Protozoen. 889 So werden wir deim zu der Vermutung geführt, dass die pathogene Wirkung mancher Protozoen, ähnlich wie von Bakterien, auf der Aus- scheidung giftig wirkender Stoffe beruht. Eine besondere Stütze erhält diese Meinung durch die neueren Erfahrungen und Untersucliungen über natürliche und künstliche Immunität bei Infektionen mit Hämosporidien. Einiges Nähere hierüber findet sich unten in dem Abschnitt über Immu- nität. Möglicherweise handelt es sich bei den giftigen Stoffen um Fermente. Ueber die Physiologie des Wachstums und der [Fortpflanzung existieren bei parasitischen Protozoen noch gar keine Untersuchungen, kaum einige bei freilebenden Protozoen. Abgesehen von dem wissen- schaftlichen Interesse hätte es eine große praktische Bedeutung, Näheres über diese Gebiete zu erfahren. Grassi hat ausdrücklich darauf hin- gewiesen, wie wichtig es wäre, unter anderem Genaues über die Ab- hängigkeit der Fortpflanzung von der Wärme zu erfahren. Das Ver- halten der Malariaparasiten (s. S. 734 und 884) deutet ja darauf hin, dass die Abhängigkeit in der That eine große sein kann. Auch das ganze Gebiet der ReizbeAvegungen ist bei parasitischen Protozoen noch nicht untersucht. Bedenken wir, welch interessante Resultate bei freilebenden Formen erzielt worden sind, so können wir ermessen, welche wichtigen Folgen die Erforschung z. B. des Chemotro- pismus parasitischer Arten haben könnte. Wir gehen an dieser Stelle auf die Tropismen überhaupt nicht näher ein, da die Erfahrung gezeigt hat, dass oft nahe verwandte Formen sich sehr verschieden verhalten. Mau vergleiche die Zusammenstellungen bei Lang und Verworn. C. Biologie. Die Anpassungen, welche den parasitischen Protozoen den Aufenthalt und das Gedeihen in ihren Wirten ermöglichen, sind sehr mannigfach und werden meistens im speziellen Teil erörtert werden müssen. Nur einigen allgemeinen Betrachtungen sei hier Raum gewährt. Die Anpassung an den AVirt ist natürlich eine verschieden weit gehende, je nach der Stufe des Parasitismus, welche die i^rt kenn- zeichnet. Wir können in der Hauptsache die Parasiten in drei Gruppen sondern, nach den Beziehungen, in welchen sie zu ihren Wirten stehen: 1. Kommensalen, d. h. Gäste, welche die Lebensweise ihres Wirts zu ihrer Ernährung benützen, indem sie entweder von den Abfällen seiner Mahlzeit, oder von Stoffen sich nähren, welche unbenutzt den Verdauungskanal des Wirts passieren. In letzterem Fall handelt es sich meist um Tiere, deren Lebensweise derjenigen von Pflanzen, welche sich von faulenden Substanzen ernähren, entspricht; man nennt ilirc Lebens- weise daher eine saprophytischc. Alle diese Tiere stimmen darin über- ein, dass sie ihrem Wirt nichts entziehen, was -zu seinem Gedeihen not- wendig wäre. 2. Symbioten, d. h. Gäste, welche zwar von ihrem Wirt einen Vorteil beziehen, ihm aber durch gewisse ihrer Eigenschaften ebenfalls nützlich sind. 3. Echte Parasiten, d. h. Gäste, welche ihrem Wirt lebende Sub- stanz oder fertige Nährsäfte entziehen. 890 F. Doflein & S. v. Prowazek, Je nachdem die Gäste dieser drei Gruppen sich äußerlich an ihrem Wirt, oder in dessen Körper finden, unterscheiden wir: 1. Elctokommensalen. 2. Entokommensalen. 3. Ektosymbioten. 4. Entosymhioten. 5. Ektoparasiten. 6. Entoparasiten. Die wichtigsten unter ihnen, welche auch vornehmlich einen Gegen- stand dieses Buches bilden, sind die Entoparasiten. Nicht alle Gruppen der Protozoen waren geeignet Parasiten, ins- besondere Entoparasiten aus sich hervorgehen zu lassen; wir kennen keine parasitischen Tha 1 am op hören oder Radiolarien. Stellen doch diese Gruppen des Protozoenstammes ebenso feste Anpassungen an ihre Lebensbedingungen dar, wie etwa die Sporozoen an den Parasitismus ; denn von diesen kennen wir wiederum keine nichtparasitischeu Formen. Was die Wirte anlangt, so bleibt keine Abteilung des Tierreichs von den parasitischen Protozoen verschont. Von den Protozoen selbst bis zum Menschen sind Augehörige aller Klassen und Ordnungen bisher schon als Wirte von parasitischen Protozoen nachgewiesen worden. In ihren Wirten bewohnen sie die verschiedensten Orgaue. Sie finden sich in der Haut, den Sinnesorganen, dem zentralen und periphe- ren Nervensystem, im Blut, im Darm und seinen sämtlichen Anhangs- organen, in den Muskeln, den Geschlechtsorganen u. s. w. Nur im Knorpel und Knochen sind meines Wissens noch keine parasitischen Protozoen nachgewiesen worden. Je reicher an Flüssigkeit ein Organ ist, desto mehr scheint es dem Parasitismus ausgesetzt zu sein. Nach ihrem speziellen Vorkommen können wir unterscheiden: 1. Organparasiteu, 2. Gewebeparasiten u. 3. Zellparasiten. Organparasiten sind diejenigen Formen, welche die Hohlräume von Organen des Wirtskörpers bewohnen; sie unterscheiden sich in der Form oft auffallend von nahe verwandten Gewebe parasiteu. Letztere bewohnen entweder frei oder von Cysten, welche der Wirt aus Zellen um sie herum bildet, umhüllt das Innere von Geweben der Muskeln, des Nervensystems, der soliden Eingeweide u. s. w. Die Zellparasiten bewohnen das Zellplasma von Gewebezellen. Zu den Organparasiten gehören die Blutparasiten, welche wie die Trypanosomen die Blutflüssigkeit bewohnen; die Hämosporidien, welche in den Blutkörperchen schmarotzen, sind Zellparasiten. Zu den Gewebeparasiten gehören beispielsweise auch gewisse Haut- parasiten: diejenigen nämlich, welche nicht äußerlich auf der Haut sitzen, sondern in derselben und daher auch als Entoparasiten aufzu- fassen sind. Eine besonders eigenartige Form des Zellparasitismus ist durch die Kernparasiten vertreten. Es sind dies Formen, welche den Zellkern ihrer Wirtszelle als Aufenthaltsort bevorzugen. Sie scheinen aber in den meisten Fällen nicht obligatorisch an diesen Wohnort gebunden zu sein und gehen nicht zu Grunde, wenn sie im Zellplasma der Wirtszelle liegen bleiben. Ueberhaupt sind die verschiedenen Protozoenformen verschieden streng an ihren Aufenthaltsort gebunden. Mit andern Worten: während manche Die pathogenen Protozoen. 891 Formen sehr einseitig angepasst sind, giebt es solche von weitgehender Vielseitigkeit. Das zeigt sieh zunächst schon an ihrem Verhalten zur Species des Wirts ; dass manche Formen nur bei den Augehörigen einzelner Klassen oder Ordnungen des Tierreichs schmarotzen, wird sicherlich auf wich- tige biologische Zusammenhänge zurückflihrbar sein: z. B. dass Sar- kosporidien nur bei luftatmenden Wirbeltieren, Gregariueu bei Wirbeltieren noch gar nicht, Protozoen als Parasiten von Pflanzen fast gar nicht gefunden Avurden u. s. w. Das Vorkommen von gewissen amöbenartigen Formen bei Flagellateu (Volvox, Haematococcus) , sowie von Vampyrellen bei Algen spricht nicht dagegen; da diese Formen eher als Zellräuber aufzufassen sind. Es bliebe eigentlich nur Plasmo- diophora brassicae. Doch wollen wir darauf nicht weiter eingehen, da erst eine genauere Erforschung des Vorkommens präzise Fragestellungen erlauben wird. Dagegen steht es fest, dass manche Formen die Fähigkeit haben, verschiedene Wirte zu befallen, z. B. Trypanosoma brucei, Cocci- dium cuniculi, Legeria octopodiana, Ichthyophthirius mul- tifiliis u. a. Im Gegensatz zu ihnen sind zahlreiche Arten auf einen Wirt oder auf eine Gruppe von nächstverwandten Wirten beschränkt. Dabei verhalten sich nahe verwandte Parasitenspecies oft merkwürdig verschieden; während man z. B. Tryponosoma brucei und Tr. le- wisi in Hunden nebeneinander im gleichen Blut züchten kann, ver- schwindet Tr. brucei und nur Tr. lewisi pflanzt sich sehr lebhaft fort, wenn man von diesem Blute Ratten injiziert. Ein Beispiel von strenger Gebundenheit an den Wirt scheinen die Parasiten der menschlichen Malaria in ihrer ungeschlechtlichen Generation darzustellen. In derselben findet man sie nämlich ausschließ- lich im Menschen. Die geschlechtliche Generation dagegen findet sich in einer ganzen Eeihe von Anophelesspecies, ist aber auf die An- gehörigen dieser Gattung beschränkt und ist nicht imstande, in den nächsten Verwandten dieser Schnakengattung, den Culex arten, zu gedeihen. Ganz verschieden verhalten sich die parasitischen Protozoen auch zu den Teilen des Wirtes, den sie befallen. Während die einen nur ein Organ, nur ein Gewebe, ja nur eine bestimmte Zellenart aufsuchen, können andere in fast allen Teilen ihrer Wirte ihr Fortkommen finden. Die Koccidien kommen ausschließlich in Zellen, und zwar fast ausschließlich in Epithelzellen vor, die Hämosporidien sind in ihrer ungeschlechtlichen Generation an die Blutkörperchen, vielleicht sogar ausschließlich an die Erythrocyten gebunden, die Mastigophore Lamblia intestinalis wird nur im Dünndarm gefunden, und die merkwürdigen Infusorienformen der Huftiere kommen beim Pferd nur im Blinddarm, bei den Wiederkäuern nur im Pansen und Netzmagen vor. Auch die Sarkosporidien scheinen ausschließlich in Muskelzellen vorzukommen, die Gregarinen hat man nur im Darm oder Cölom ihrer Wirte ent- deckt. Im Gegensatz dazu findet sich der Parasit der Barbeuseuche Myxo- bolus pfeifferi in fast allen Organen des Wirtes, im Bindegewebe des Darms, in Niere, Milz, Leber, Ovarium und vor allem in den Mus- keln. Eine ähnlich weite Verl)reitung in seinem Wirt hat der Parasit der Pebrine, Nosema bombycis. 892 F. Doflein & S. v. Prowazek, Je innig-er ein Parasit an seinen Aufenthaltsort gebunden ist, umso mehr spricht sich dies in seiner Organisation aus. Viele Gre gar inen z. B. besitzen eigenartige, oft sehr komplizierte Haftapparate, mit denen sie während der längsten Periode ihres Lebens an dem Darmepithel ihres Wirtes festhaften. (Fig. 23 u. 24.) Die Trypanosomen, welche im Blut und in exsudierten Flüssig- keiten sich lebhaft bewegen, besitzen eine Körpergestalt, welche zu diesem Zwecke sehr geeignet ist. Und wie verschieden sind die Formen der Myxosporidien, je nachdem sie in den Flüssigkeiten der Harn- blase, Gallenblase, oder in den Geweben der Muskeln oder der massiven Eingeweide vorkommen ! \iLiB^AM\^t: y^ Fig. 23. Pterocephalus nobilis, dessen Haftorgane sich zwischen die Epithelzellen des Wirtes erstrecken (nach Legeb & Duboscq). ■.^ h- Fig. 24. Pyrinia moebuszi, deren Haftapparat bis zur Basalmembran der Wirts- zelle reicht (n. Leger & Duboscq). Vielfach kann man aus der Form der Parasiten auf die Natur ihres Aufenthaltsortes schließen. Allerdings muss man sich dabei hüten, mit solchen Schlüssen zu weit zu gehen. Denn wer hätte sich je vorgestellt, dass die Amoeba coli oder Balantidium coli in solche Tiefen der Gewebe einzudringen vermöchten? Vgl. hierzu auch unten S. 895 die Bemerkungen über die Wauder- stadien der Malariaparasiten. Bezeichnenderweise sind bei vielen parasitischen Protozoen die Be- wegungsorganellen rückgebildet. Die vegetativen Zustände sind unbe- weglich und nur in den Fortpflanzungsperioden tritt wieder das Bedürfnis nach Beweglichkeit ein und damit die Ausbildung der nötigen Organellen : Pseudopodien, Geißeln, Cilien. Vermehrungsvorgänge, welche bei freilebenden Formen in Cysten vor sich gehen, können bei parasitischen Protozoen in freiem Zustand vor sich gehen, wenn sie nur zur Ausbreitung im gleichen Wirtsiudi- vidium dienen sollen: so bei Myxomyceten, Flagellaten, Koccidien. Die pathogenen Protozoon. 893 Uebertrag-nng- und Wirtsweclisel. Jeder Parasit muss mit Eiu- rielitimg-en verselieu sein, um bei Lebzeiten seines AYirtes oder nach dessen Tod seine Art auf andere Wirtsindividuen übertragen und damit erhalten zu können. Bei den Amöben, den Mastigophoren und den Ciliophoren ge- schieht dies durch Vermitthmg von Dauerzuständen, welche auch bei den freilebenden Formen vorkommen. Eine Ausnahme in dieser Be- ziehung machen die Trypanosomen unter den Mastigophoren, welche entweder direkt beim Coitus oder durch blutsaugende Insekten in Ent- wicklungszuständen übertragen werden, welche keinerlei Schutzhüllen besitzen. Dauerformen sind bis jetzt bei ihnen noch nicht bekannt ge- worden. Die meisten übrigen Formen aus den oben genannten Abteilungen müssen jedoch beim Uebergang von einem Wirtsindividuum auf ein anderes ein Medium passieren, welches ihren gewöhnlichen Zuständen schädlich ist, meist Luft oder Wasser. Sie müssen auch davor geschützt sein, Fig. 25. 3 Stadien der Cystenbilduug eines Ciliaten: Colpoda cucullus Stein. Ä das Infusor hat sich abgerundet und scheidet die erste gallertige Hülle ab. B u. C allmähliche Ausscheidung der einzelnen Schichten und der letzten festen Hülle, cv kontraktile Vakuole, n Haupt- und Nebenkern, Na Nahrangspartikel. im Magen oder Darm von Tieren, in denen sie nicht zu parasitieren imstande sind , aus ihrer Hülle herauszugeraten und verdaut zu werden. Allen diesen Zwecken vermag die bei den freilebenden Formen der betretfenden Gruppen ebenfalls verbreitete Einrichtung der Encystierung- zu begegnen. Wir verstehen darunter die Bildung einer oder mehrerer fester Hüllen, welche vom Ektoplasma des Tiers abg-eschieden werden. Ehe das Tier diese sogenannte Cyste abscheidet, pflegt es sich zur Form einer Kugel zusammenzuziehen (Fig. 25) und sein Plasma von halbverdauten Nahrungsresten, Exkretkörnern u. s. w. zu befreien. Durch lebhafte Thätigkeit der kontraktilen Vakuole wird das Plasma wasser- ärmer und unter beständiger Rotation wird die Cyste schichteuweise abgeschieden. So entsteht also bei Geftihr der Austrocknung oder bei irgend welchen drohenden Schädigungen ein Zustand des Tieres, Avelcher es befähigt, den natürlichen Gefahren zu trotzen. Bei parasitischen Protozoen werden die Cysten entweder nach dem Tod des AVirtes frei oder sie werden bei dessen Lebzeiten aus seinem Körper entleert und geraten auf irgend eine Weise in einen neuen Wirt. 394 F. Doflein & S. v. Prowazek, Bei vielen Protozoen, auch parasitischen, werden solche Cysten auch zu Zeiten der Fortpflanzung gebildet: so bei Amöben und Infusorien. In den Cysten findet dann oft eine massenhafte Vermehrung der Tiere statt (vgl. Ichthyophthirius Fig. 18). Diese Erscheinungen leiten uns über zu denjenigen Dauerformen, welche die charakteristische Eigentümlichkeit der ausgesprochensten Parasiten unter den Protozoen sind, zu den Sporen der Sporozoen. Es sind dies beschalte Fortpflanzungskörper, welche besonders geeignet sind, für die Verbreitung der betreffenden Art zu sorgen. Die Sporen können einen oder mehrere Keimlinge umschließen; es kann bei ihrer Bildung das ganze lebende Plasma des Sporozoen- körpers aufgebraucht werden oder nur ein Teil desselben; im ersten Fall stehen sie den Cysten näher als im letzteren. Die Sporen sind meist kuglig oder oval geformt, doch kommen auch besondere Anpassungen der Sporen vor, welche teils dazu dienen, sie an ihren Wirt zu fixieren, während der Keim ausschlüpft (Knidosporidien- sporen), teils auch die Verbreitung der Art fördern mögen. So mögen die Foi-tsätze der Sporen von Ceratomyxa linospora dazu dienen, die Sporen im Wasser recht lange schwebend zu erhalten und so die Wahrscheinlichkeit, einen neuen Wirt zu infizieren, zu erhöhen. (Fig. 26.) Meist finden die parasitischen Protozoen ihre Verbreitung auf neue Wirte dadurch, dass die Sporen oder Cysten von solchen zufällig mit Fig. 26. Spore von Ceratomyxa linospora (nach Doflein). der Nahrung aufgenommen werden. Nur in dem Wirt, nicht in anderen Tieren öffnet sich die Hülle wahrscheinlich unter dem Einfluss der spezifischen Verdauungssäfte, und der Keimling Avird frei, um oft erst nach längeren Wanderungen den Ort zu erreichen, wo er heranwächst. Den Darm nicht geeigneter Tiere passieren die Dauerformen vielfach ohne Schaden zu leiden und haben noch einmal die Möglichkeit in die richtigen Wirte zu gelangen. Wie wir es von vielen parasitischen Metazoen kennen, so haben wir in neuerer Zeit auch bei Protozoen die Einrichtung des Wirtswechsels kennengelernt. Wie bei den Bandwürmern die Finne häufig in einem Pflanzenfresser, der ausgewachsene Bandwurm in dem Eaubtier, welches diesen vertilgt, vorkommt, so leben gewisse Hämosporidien im ersten Abschnitt ihres Lebens im Blut eines Wirbeltieres, in dem zweiten in den Organen einer Stechmücke. Der Akt des Blutsaugens bewirkt in diesen Fällen die Infektion beider Wirte, aber das Wirbeltier wird von einer anderen Generation des Parasiten heimgesucht als die Stech- mücke. Dabei ist der Parasit natürlich in allen seineu Stadien aufs innigste an den Wirt, seine Organisation und Lebensweise angepasst. Das wurde in diesem Buche ja schon von Euge in dem Abschnitt über die Malariaparasiten auseinandergesetzt. Nur auf zwei Punkte will ich an dieser Stelle wegen des biologischen Interesses noch aufmerksam machen: Einmal auf die enge Verbindung des Wirtswechsels mit dem Generationswechsel, welche ebenso eine Ausnützung auch bei nicht parasitischen Formen vorhandener Einrichtungen darstellt, wie wir das Die pathogenen Protozoon. 895 vorher bei der Kombination von Cystenbildiing- und Fortpflanzung sahen. Dann ist aber auch zu beachten, dass hier die einzelnen Stadien in ihrer Form deutlich ihre Funktion zum Ausdruck bringen, dass z. B. alle Stadien, welche in imd zwischen Zellen zu wandern haben, dieselbe lanzettliche Form besitzen, welche wir bei den Sporozo'iten der Grega- rinen, bei Trypanosomen, bei den Wauderstadieu der Koccidien antrcöen. Diese Gestalt wird aufgegeben, sobald die Funktion erfüllt ist. Der Wirtswechsel ist eine Erscheinung, auf welche bei ferneren Forschungen über die pathogenen Protozoen aufmerksam geachtet werden muss. D. System der Protozoen. Stamm: Protozoa. I. Unterstamm: Plasniodronia Doflein I. Klasse: Rhizopoda v. Siebold I. Ordnung: Amoebina Ehrenberg IL » Heliozoa Haeckel ni. » Radiolaria Johannes Müller IV. » Foraminifera d'Orbigny V. » Mycetozoa de Bary n. Klasse: Mastigophora Diesing I. Unterklasse: Flagellata Cohu em. Bütschli I. Ordnung: Protomonadina Blochmaun IL » Polymastigina Bütschli und Blochmaun IIL » Euglenoidiua Klebs IV. » Ohromomonadina Blochmaun V. » Phytomonadina Blochmaun IL Unterklasse: Dinoflagellata Bütschli I. » Adinida Bergh IL » Dinifera Bergh IIL L'uterklasse : Cystoflagellata Anhang: Trichonymphidae Leidy III. Klasse: Sporozoa Leuckart I. Unterklasse: Telosporidia Schaudiun I. Ordnung: Coceidiomorplia Doflein I. LTnterordnung : Coccidia Leuckart IL » H a e m 0 s p 0 r i d i a Danilewski em. Schaudiun IL Ordnung: Gregarinida Aime Schneider em. Doflein I. Unterordnung: Eugregarinaria Doflein IL » Amoebosporidia Aime Schneider IL Unterklasse: Neosporidia Schaudiun I. Ordnung: Cnidosporidia Doflein L Unterordnung: Myxosporidia Bütschli IL » Microsporidia Balbiaui IL Ordnung: Sarcosporidia Balbiani. Anhang: Serumsporidia, Haplosporidia, Lymphosporidia u. s. w. IL Unterstamm: Ciliopliora Doflein I. Klasse: Ciliata I. Ordnung: Holotricha Stein IL » Heterotrieha Stein 896 F. Doflein & S. v. Prowazek, III. Ordnung Oligotricha Blitschli IV. » Hypotricha Stein V. Peritricha Stein II. Klasse: Suctoria Bütschli. E. Die Protozoen und die Zellpathologie.*) Die bis jetzt mehr in raorphologisch-biologischer Richtung- mit großem Eifer betriebene Protozoenforschung hat auch schon einige That- sachen ermittelt, die geeignet zu sein scheinen, manche Probleme der Zellpathologie von einer neuen Seite zu beleuchten und es ist zu hoifen, dass iu diesem Sinne durch eine systematisch betriebene Ex- perimentalforschung noch weitere Thatsachen beigestellt und neue Frage- stellungen angebahnt werden. Zunächst dürfte man experimentell durch geeignete Elimination das günstige Korrelationsverhältnis zwischen Pro- toplasma und Kern verändern und so neue, zum Teil pathologische Modi- fikationen des Zelllebens erhalten; auch könnte durch eine Mehraufnahme von Nährstofien die Zelle in einen nutritiven Eeizzustand versetzt werden, durch den gewisse Ausfällungen und Entmischungen in der Zelle selbst angeregt und die Zahl sowie Zusammensetzung der vorhandenen, ver- schiedenartigen Granulationen verändert würde. In diesem Sinne ist es auffallend, dass in lang andauernden Kulturen von Dileptus, die in einen sog. Depressionszustand durch fortgesetzte Vermehrung (Hertwig, Calkixs) gelangten und nicht mehr imstande sind zu futtern, iu dem Stadium, da sie sich erholen, große Paragly- kogenkugeln entstehen (Jod braunrot, Acid. acet. gelöst, nur bleibt eine körnige Unterlage übrig, gelöst ferner durch 10 proz. Salpetersäure und Schwefelsäure, unlöslich im absolut. Alkohol), die später abermals schwinden. Aehuliche Tropfenbildungen kommen nach der Konjugation der Stylonychia pustulata zustande, sobald der neue Kern noch nicht aktions- fähig ist; beide Erscheinungen dürften mit einer nicht vollen Aktivieruugs- fähigkeit der Kernsubstanzen und einer Störung des Gleichgewichtszu- standes zwischen Kern und Protoplasma in Zusammenhang stehen. Unter dem Einfluss gewisser toxischer Substanzen fällt auch in den Geschwulst- zellen (Langhans) und in den weißen Blutkörperchen bei Eiterungen und Entzündungen (Ehrlich) das Glykogen in Kornform aus und Czerny konnte experimentell an Hunden dieselbe Thatsache feststellen. Durch Hunger wird auch das Protoplasma verändert und es kommt hier eine Abscheidung eines klebrigen Stoffes zustande, durch den nach Stolc bei Pelomyxa die Kerne und Glauzkörper agglutinieren ; auf diese Weise können dann verschiedene tropfige »Einschlüsse«, da sie flüssig sind, innig zusammenbacken und schließlich zu größeren Ballen verschmelzen, wie es bei der Degeneration der Cysten von Monas vivipara der Fall ist. Auf ähnliche Weise mag auch das Chromatin rasch sich teilender Sexualzellen, deren ernährende Thätigkeit modifiziert wurde, zu den charakteristischen Figuren zusammenbacken. Vielleicht kann man auf diesem Wege neue experimentelle Angriffs- punkte für die Lösung von bis jetzt ausschließlich morphologisch ein- seitig behandelten Fragen gewinnen. *) Bearbeitet von S. v. Prowazek. Die pathogenen Protozoen. 897 Verworx hat zuerst auch die uekrobiotischeu Erscheinungen der Protozoen mit den Absterbeerscheinungen der Metazoenzellen verglichen. Beim Absterben mancher Infusorien, wie Prorodon, Hypotricha u. s. w. kommt es zu einer myelinen Degeneration und Kölsch 1902) wies bei Opalina und P)alantidium nach, dass es aucli hier zu einem kompli- zierten metamorphotischen Nekrobioseprozess kommen kann, wobei neben dem Myelin Paramyelin thatsächlich erst entsteht und gewisse Ana- logie zu der Amoyloiddegeueratiou aufweist. — In der letzten Zeit wurde die Idee einer konstanten Wechselbe- ziehung zwischen Kern und Protoplasma immer häufiger ausgesprochen und R. Hertwig (Biolog. Centralbl. XXIII. 1903) gebührt das Verdienst, die Lehre von einer konstanten Kern-Protoplasmarelatiou ganz präzise gefasst zu haben. Durch verschiedene äußere sowie innere Umstände können Verschiebungen in dieser in jedem Augenblick bestimmten Relation eintreten und mannigfache Veränderungen in der Zelle zur Folge haben. Betrachten wir zunächst die Veränderungen des Kern- faktors in dieser Relation. Hertwig fand bei' Actinosphaerinm eine eigenartige physiologische Kerndegeueration, die jedesmal dann eintrat, sobald die Kulturen stark gefüttert wurden und eine Befruchtung als regulatorische Korrektur gegen die Verschiebung des Massenver- hältnisses von Kern und Proto])lasma ausgeblieben war. Es bildeten sich Riesenkerue aus, die schließlich ausgestoßen wurden, das zurück- gebliebene Protoplasma enthielt dann keine Kerne mehr und starb nach 1 — 2 Tagen ab. Die Veränderung ging von dem Innenkörper des Kernes aus, indem das Plastin übermäßig anwuchs und die Chromatin- körper an die Wand drückte. Diese Thatsache dürfte für die Bedeu- tung und Auflassung der eigentlichen Nukleolarsubstanz — des Plastin — von Wichtigkeit sein. Hertwig übertrug dann die Resultate dieser seiner Beobachtung auf das Gebiet der Neoplasmen, die er als eine Folge einer physiologischen Degeneration auffasst. (Vergl. Hertwig: Ueb. physiol. Deg. b. Prot. Sitzungsber. der Gresellschaft für Morph, u. Physiologie München 1900). Schaudixn hat eine eigenartige Degeneration der Sporonten der Cyclospora caryolitica beobachtet, die auch hier erwähnt werden soll. Bei starken Infektionen sterben nämlich die durch zwei- malige Teilung des Makrogameteukernes entstandenen Reduktionskörper nicht ab, sondern unterliegen weiteren Teilungen, während der eigentliche reduzierte Kern degeneriert; dabei lockern die Kerne nicht mehr ihr Chromatin auf und lassen keine feinere Struktur erkennen. Die Mikro- gameten kopulieren sodann mit den Reduktionskernen. Bald verliert das Protoplasma sein normales Aussehen und es treten in ihm braune Körper auf, die man mit Hertwig und Kasanzeff auf eine Zersetzung des Chromatius zurückführen dürfte. Schaudinn vergleicht diese Ge- bilde mit der kolloiden Degeneration der Metazoenzellen. Auch bei den Kaninchenkoccidien dürften ähnliche Degenerationen vorkommen. (ScHAUDixx, Arb. aus d. K. Gesuudheitsamte XVIII 1902.) Sehr interessante Verhältnisse finden wir bei den Veränderungen des zweiten Faktors — dem Protoplasma — in der konstanten Relation durch fortgesetzte Kultur unter Ausschluss der geschlechtlichen Kor- rektur. Bei Euplotes harpa, eiuer marinen hypotrichen Form, wird das Chromatin des Kernes gleichsam ausgelaugt, so dass eine Art von Negativkern zustande kommt, wobei gleichzeitig Teile des Zellleibes samt dem komplizierten Wimperapparat in eigentümlicher Weise abgeschnürt werden (sog. Protoplasmadiminution, Prowazek, Protozoenstudien III., Haudbucli der patliogeneu Mikroorgauisineu. I. 57 898 F. Doflein & S. v. Prowazek, Arb. d. zool. lust. d. Univ. Wieu, XIV 1901). Bei der Stylouycliia mytilus kommt es sogar zu einer Hyperregeneration des Hiutereudes, indem hier bis 3 Hinterenden mit 3 Schwanzborsten angelegt und wiederum unter Narbenbildung resorbiert werden. Es liegt hier gleichsam ein Neoplas- ma der Zelle vor, das aber vielfach noch durch die Selbstregulation der Zelle behoben wird. Schließlich gingen aber solche Kulturen ein. F. Protozoendiagnostik. *) In der letzten Zeit ist vielfach die Frage ventiliert worden, wie man Protozoenzellen von den Zellen der Metazoen scharf differenziert. Die Beantwortung dieser Frage stößt in Anbetracht der überaus großen Mannigfaltigkeit des Aufbaues der Protozoen auf sehr große Schwierig- keiten. Im allgemeinen kann derzeit mir die Feststellung des gesamten Entwicklungscyklu.s des Protozoons uns eine diagnostische Gewiss- heit liefern. Sowohl das Protoplasma mit seinen Einschlüssen als auch der Kern mit seinen Inuenkörpern können uns dem derzeitigen vStande der Forschung gemäß nicht das Material liefern, auf Grund dessen man eine allgemein giltige Regel für die Beurteilung der Protozoen- natur aufzustellen in der Lage wäre. Feinberg versuchte in einer ganzen Reihe von Arbeiten den Nachweis zu führen, dass der Kern der Haiiptklassen der einzelligen tierischen (pflanzlichen) Organismen eine Ausnahmestellung unter allen Zellen der Tier- und Pflanzenwelt einnimmt. Den Beweis sucht er durch die RoMANO\vsKische Färbung, besonders auf Grund der Beschaffenheit der Innenkörper zu erbringen; abgesehen davon, dass das Wesen der Färbung (ob chemisch oder physikalisch) bis jetzt noch unklar ist, ein Umstand, der im Hinblick auf die ge- nannte Färbung um so mehr zu berücksichtigen ist, ist auch die che- mische Natur der sog. Nukleolenstoffe gar nicht bekannt und man kann aus diesen beiden angeführten Gründen nicht gleichsam in der Färbung eine chemische Reaktion der Nukleolen erblicken. Dieser Einwand wäre allerdings nicht so schwerwiegend, wenn nur wenigstens die »Nukleolen« einheitliche Gebilde im morphologischen Sinne wären. Dem ist nicht so. Auch bei den Metazoen kommen sog. chro- matische Nukleolen vor, die zum Teil alles Chromatin des Kernes in sich vereinigen (Asteriasei, Hartmann, Karyomeriten, Goldschmitt); bei der Spermatogenese mancher Insekten bildet sich aus dem sog. acces- sorischen Chromosom ein Nucleolus aus; andererseits sind bei den Protozoen, wie schon vor Feinberg bekannt war (Bütschli, Scheel, Keuten, Blochmann, Siedlecki, Labbe, Schaudinn, Doflein u. s. w.) die sog. Innenkörper die verschiedenartigsten Gebilde, die zum Teil rein chromatisch sind, zum Teil neben dem Chromatin auch Plastin (Hertwig) enthalten, zum Teil von diesem allein gebildet werden und bei manchen Flagellaten als Zentronukleoleu (Bloch- mann, Keuten) Homologa der sog. HERMANNSchen Zentralspindel sind. Selbst in einer kleineren Gruppe, wie es die Mastigophoren sind, findet man, wie aus den morphologischen Abschnitten dieser Zusammenstellung hervorgeht, die mannigfachsten Abweichungen. (Vgl. hierzu auch im allgemeinen Teile das Kapitel über den Kern.) Dies ist ja nicht zu ver- *) Bearbeitet von S. v. Prowazek. Die pathogenen Protozoen. 899 wundem, da, wie schou früher erwähnt wurde, innerhalb der Protozoen gleichsam die ganze Entwicklung der Kernteilung sich abgespielt hat; Feinberci ist im Irrtum, wenn er sich gegen den richtigen Öatz von Marchaxd: »der Kern der Protozoen weise die größten Verschieden- heiten auf« wendet. Wie verschieden ist doch der Kern der Flagellaten! Da giebt es Vollkerne, Bläschenkerne, die sich amitotisch teilen, Bläs- chenkerne, deren Inneukörper sich auflöst und an der Spindelbildung sich beteiligt, und Kerne mit einem Inneukörper, der keine chromatische Substanzen enthält und als Ceutronucleolus funktioniert ! Man darf sich eben nicht auf die bloße Färbung verlassen, sondern muss die Entwicklungs- und Teilungsstadien der Kerne untersuchen. Die in den Krebsgeschwülsten vorkommenden fraglichen Körper, welche von vielen als Protozoen gedeutet wurden, hal)en zwar eine deutliche doppeltkonturierte Membran, eine schwach färbbare, gerinn- selige Masse und einen oder mehrere Körner, die tinktoriell deutlich nachweisbar sind; Teilungsstadien und Fortpflanzungszustände sind weder deutlich abgebildet noch genau beschrieben worden. Diese Körper scheinen aber nur gerinnungsartige Ausfällungen von Vakuolen zu sein, deren Substanz oder Substanzen zuerst zentral körnig ausfielen und dann von hier aus in dem nun verdünnten Medium nach Art der FiscHERSchen Strahlenerreger weitere neue gerüstartige Aus- fällungen anregten, die ein radiär gestreiftes« Protoplasma vortäuschen. Wären die Körper thatsächliche Cystenzustände von Protozoen, so müsste sich um die doppeltkoutourierte Membran noch eiueAlveolenwandung der erkrankten Zelle bei einer guten Fixierung nachweisen lassen. Andere Einschlüsse als etwa diese FEiNUERGSchen Körper sind auf inKaryorrhexis begriftene Kerne oder auf degenerierende Archoplasmen, sowie auf intra- cellulär aufgenommene degenerierende Leukocytenteile zurückzuführen. (Vgl. Apolant & Embdex, Z. f. Hyg., 42. Bd. 1903.) Auch die viemich als Koccidien des Molluscum contagiosum beschriebenen Körper sind keine Protozoen, sondern typische Degenerationsformeu. Neben dem Kern, der später gefaltet, platt und zur Seite gedrängt wird, taucht in dem schon etwas veränderten Protoplasma eine dunkle Stelle auf, die später in einzelne Inseln zerfällt, die dadurch, dass sie die Plasmafaserung zur Seite drängen, schärfer abgegrenzt werden und in der Folgezeit ein kompakteres kolloidales Aussehen gewinnen; der Kern schrumpft in- zwischen beträchtlich zusammen und sitzt der Masse seitlich an. Auch die Vaccinekörper sind keine parasitischen Protozoen, sondern De- generationsformen, die aber ein submikroskopischer Organismus Avohl erregen mag (vgl. Wasielewski). Die Besprechung der anderen Pseudo- protozoen würde hier zu weit führen — sie gehört auch eher in das Kapitel der Cellularpathologie. Litteratur. Die Pseudoparasitenlitt. ist in Labbe, Sporozoa,DasTier reich 1899 angeführt. Feinberg, lieber Amoeben und ihre Unterscheidung von Körperzellen. Fortschritte der Medizin, 1899, Heft 3. — Ders., Ueber die Untersclieid. des Kernes der Pflanzenzellen von dem Kern d. einzelligen tierischen Org. Ber. d. deutschen bot. Gesellschaft. 1902. Heft o. — Ders.. Ueber den Bau der einzelligen tierischen Organismen und über ihre Unterschiede von Körper und Pflanzen- zellen. Berliner klln. Wochenschr.. 1902, Heft 24. — Ders., Ueber d^ Gewebe und die Ursache d. Krebsgeschwülste. Deutsche med. Woch.. S. üT, 190:j. 57* 900 F- Doflein & S. v. Prowazek, G. Die Protozoen und die Immunität. ") Die Wichtigkeit mancher Protozoen als Krankheitserreger brachte es begreiflicherweise mit sich, dass man frühzeitig anf das neue Gebiet der Protozoenkuude die Thatsacheu nnd Gesetze, die auf dem Felde der Immunitätslehre der bakteriellen Krankheitserreger gewonnen wurden, zu übertragen versuchte. Die Immuuitätsfrage wurde aus naheliegenden Gründen zuerst bezüglich der Malaria diskutiert; auf einer Eeise nach Neu-Guinea machte Robert Koch (Dtsch. med. Wochenschrift, Nr. 49 und 50) die Beobachtung, dass in diesen Landstrichen zwar die Kinder unter 10 Jahren an Malaria leiden, dagegen die Erwachsenen durch eine natürliche erworbene Immunität geschützt sind. Glognee (Virchows Archiv 1900. Bd. CLXII, S. 222) machte den Versuch, diese Erscheinung durch eine Art von Selektion dahin zu erklären, dass die emi^findlicheu Erwachsenen sterben und nur die durch eine natürliche angeborene Immunität ausgestatteten Individuen selbst in Fieberdistrikten von der Malaria nicht befallen werden. Koch betonte aber ferner, dass man in den Gegenden, wo Chinin gegen die Malariakrankheit verwendet wird, den natürlichen Immuuisierungsvorgang unterbricht und die bis jetzt zum Teil erworbene Immunität zerstört, auch schützt nach diesem Forscher etwa die gegen Tertiana erworbene Immunität nicht das Indi- viduum gegen die Quartana und umgekehrt. Kochs Beobachtungen konnten durch die Mitglieder der englischen Malariaexpeditiou bestätigt werden. Im allgemeinen schreibt diesbezüglich MetschnhvOFf: »Der erworbene Schutz gegen Malaria ist demnach ein recht verwickelter Vorgang und erfordert zu seiner Aufklärung wieder- holte Untersuchungen. Derselbe ist jedoch zweifellos dem allgemeinen Gesetz unterworfen und kann unter gewissen Bedingungen natürlich er- worben werden«. In Bezug auf die Schutzimpfung gegen Protoplasma sei auf das Kapitel über Hämoglobinurie der Rinder p. 861 tf. ver- wiesen. Am besten bekannt ist ferner der Immunisierungsvorgang der Ratten gegen das Trypanosoma lewisi; L. Rabinoavitsch & Kempxer immunisierten weiße und graue Ratten; die weißen Ratten wurden mit trypanosomenhaltigem Blut grauer Ratten liehandelt und verfielen in eine kurz andauernde Krankheit, die schließlich mit einem Immunitätszustand endigte (Zeitschrift f. Hyg., 1899). Mit diesem Problem beschäftigten sich dann weiter Lavekan & Mesnil und untersuchten das Blutserum auf seine Eigenschaften. Dieses besaß den Trypanosonomen gegenüber nicht eine baktericide Kraft, sondern es agglutinierte sie, ohne sie zu immol)ilisieren. Solchen immunisierten Ratten intraperitoneal injizierte Flagellaten wurden zwar nicht morphologisch verändert, die Forscher konnten aber wiederholt feststellen, dass sie dann im beweglichen Zustande von den Phagocyten aufgenommen und nach Art der Sjnrilleu verdaut wurden. Rabinowitsch & Kempner gelang es auch durch das Serum immu- nisierter Ratten andere Tiere zu schützen; sie In-achten den Immunisicrungs- effekt in ein Abhängigkeitsverhältnis zu der antitoxischen Wirkung des Serums. Diesljezüglich schreibt Metschnikoff: »Aber da bei der In- fektion der Ratten durch das Trypanosoma die Vergiftungserscheinungen nur schwach oder gar nicht vorhanden sind, so kann man sich dieser *; Bearbeitet von S. v. Prowazek. Die pathogenen Protozoen. 901 AuffassuDg nur schwer ansclilicßen. Es ist walirscliciiiliclier, dass in diesem Falle, wie in vielen anderen, die Wirksamkeit des Sernms auf der Stimulation der Thagocytenreaktion beruht.« (Metschnikoff, Immunität 1902.) Laver an & Mesnil (Ann. de l'Inst. Pasteur t. XVI, Heft I.) schlug-en auch die Versuche, aus Trypanosomen brucci) ein spezi- fisches Gift zu isolieren, fehl und sie konnten weder durch wiederholtes Gefrierenlassen noch durch Austrocknen oder durch eine Temperatur von 42" einen Impfstoff erhalten, der die Tiere in reiner Giftwirkung beeinflusst. In Collodiumsäckchen eingeschlossene und in die Bauchhöhle der Meerschweinchen gebrachte Trypanosomen beeinflussten die Tiere gar nicht. Ein typisches Gift wurde bis jetzt nur von Pfeiffer und Kasiwrek aus den Sarkosporidien gewonnen. In der letzten Zeit beschäftigte sich Schilling mit dem Immunisierungsproblem bezüglich derNagauaparasiten, konnte aber bis jetzt nur ein, wenn auch zum Teil wohl fundiertes Im- munisierungsprogramm aufstellen; zur Verwendung kamen Parasiten- stämme, die durch Passagen durch empfänglichere Tiere abgeschwächt und so »umgestimmt« wurden, dass sie ihre für das Rind tödlichen Eigeuschafteueinbüßten. Weitere Versuche in diesem Sinne sind abzu- warten und es ist zu hoffen, dass bald die Frage der »aktiven Immunität«, die durch Injektion von Toxinen hervorgerufen wird, und die der »passiven Immunität«, die durch Injektionen von antitoxischen Seris, die von aktiv immunisierten Tieren stammen, angebahnt wird, auch hier ihrer Lösung entgegengehen wird. Vorläufig ist dieses Gebiet noch viel zu wenig be- arbeitet, als dass man ohne Gefahr, die Phänome willkürlich zu deuten, die wenigen bekannten Thatsachen zusammenfassen dürfte. Litteratur zum allgemeineu TeiL A. Lehr- ixnd Handbücher. BtJTSCHLi, 0., Protozoen, in: Bronn, Klassen u. Ordn. d. Tierreichs I. J880— S5. Braun, M., Die tier. Paras. d. Menschen. III. Aufl. 1903. Calkins, G. N., The Protozoa. Colum. Univ. Biol. Ser., v. 6, 1901. Delage & Herouard, Zool. concrete, v. 1, 1898. DoFLEiN, F., Die Protoz. als Paras. u. Krankheitserr., 1901. Lang, A., Lehrb. d. vergl. Anat. d. wirbell. Tiere. 1. Bd., I. Abt., Protozoa 1901. Leuckart, R., Die Paras. d. Menschen, 1879—90. Kruse, W., Protoz.. in Flügge: die Mikroorg. mit besond. Berücks. d. Aetiol. d. Infektionskr. III. Aufl., 189G. Verworn, M., Allgem. Physiologie, III. Aufl., 1901. B. Sonstige citierte Arbeiten. BÜTSCHLi, 0., 1892, Unters, üb. mikrosk. Schäume u. d. Protopl. Hertwig, R., 1902, Die Protoz. u. d. Zelltheorie. Arch. f. Protistenk., Bd. 1, S. 1 daselbst auch Litt. üb. Chromidien). Keuten, J., 1895, Die Kernteil. v. Engl, viridis. Z. f. wiss. Zool., Bd. 60. Lauterhorn, R., 1896, Protozoenstud., I. Kern- u. Zellteil, von Gerat, hirundinella, ebd., Bd. 79. Lavehan & Me.snil, 1901, Sur la nat. centros. du corpusc. chrom. poster. des Tryp. C. r. hebd. s. biol., p. 329. Rhumbler, J., 1898, Physik. Anal. v. Lebensersch. d. Zelle L Arch. f. Entwick- Inngsmech., Bd. 7. ScHAUDiNN, F., 1894, Ueb. Kernteil, bei Amoeba cryst. Sitzber. k. pr. Ak. Wiss. Berlin. — Ders., 1895, Ueb. d. Teil. v. Amoeb.i binucl. Sitzber. Ges. Naturf. Fr. Berlin. — Ders., 1896, Ueb. d. Zeugungskreis v. Paramoeba eilhardi. Sitzber. k. pr. Ak. Wiss. Berlin. — Ders.. 1900. Unters, üb. d. Generationswechseid. Cocc. Zool. Jahrb. Anat, Bd. 13. — Ders., 1903. Ueb. d. Cocc. d. Maulwurfs. Mitt. k. Ges. Senn. 1902, Der gegenw. Stand, uns. Kennt, v. d. flagell. Bliitparas. Arch. Prot., Bd. 1, S. 344. 902 F. Doflein & S. v. Prowazek, II. Spezieller Teil.") I. Unterstamm: Piasmodroma. Klasse Ehizopoda. I. Ordnung Myeetozoa. Von den zahlreichen, systematisch vielfach bis jetzt noch rätselhaften Formen des (Trenzgebietes, welches das Tier- und Pflanzenreich scheidet, interessieren uns an dieser Stelle zunächst die Myeetozoa oder My xo- mycetes (Schleimpilze, die von manchen Forschern wegen ihrer pflanzlichen Charaktere der Herrschaft der scientia amabilis unterstellt werden, obzwar andrerseits eine nahe Verwandtschaft mit gewissen aller- dings auch noch nicht definitiv eingereihten Rhizopoden unverkennbar ist. In ihren Jugendzuständen stellen sie kleine Amöben (Myxamoeba) mit einem bläschenförmigen Kern dar und besitzen auf diesen Stadien die Neigung, zu oft recht umfänglichen Protoplasmamassen, den Plasmodien, zu verschmelzen. In diesen Plasmodien wurden vor der Sporenbildung bei Stemonitis Reduktionen der tingibleu Substanz des Kernes (Aus- stoßen) sowie Verschmelzung der Kerne beobachtet (Prowazek). Die Plasmodien stellen freilebende oft rahmartige Protoplasmamassen dar, die manchmal Körner von kohlensaurem Kalk sowie Farbstoffe enthalten. Sie leben meist auf und in Substanzen organischer Provenienz, kriechen aber vor der Sporenbildung an die Oberfläche und bilden hier eigen- artige oft stecknadelkopfgroße Sporenbehälter, in deren Inneren bei manchen Formen um die Sporen herum ein Netzwerk von feinen Strängen oder ein Capillitium entwickelt ist. Die Sporen sind einfache rund- liche abgekapselte Zellchen, aus denen beim Keimen unter günstigen Lebensbedingungen flagellatenähnliche, meist mit einer Geißel versehene Schwärmer hervorgehen, die einen Kern und eine pulsierende Vakuole besitzen. Ihr Kern ist bläschenförmig und dessen Innenkörper hängt mit der Geißelbasis vielfach innig zusammen ^Plexge). Später wird die Geißel eingezogen und die Fortpflanzungskörper nehmen die schon oben geschilderten amöboiden Zustände an (Myxamoeba). (Ueber Systematik d. Myxomyceten vgl. Zopf 1885. Die Pilztiere oder Schleimpilze. Breslau, Treweudt. Schrötter 1889 und Delage & Herouard, Traite de Zoologie concrete, t. I, 1896). Der letztere teilt die Myeetozoa in zwei Gruppen ein: 1. Protomyxidea. 2. Mycetozoidea. Von den ersteren kommt hier zunächst die Plasmodiophora Wor. in Betracht. Plasmodiophora Brassicae Woron. Alle Vertreter der Gattung Brassica, sowie viele andere Kruziferen werden von diesem Myxomyceten heimgesucht, der an deren Wurzeln krebsartige, knollige Auswüchse hervorruft. Diese Auswüchse beschränken sich nicht nur auf die Pfahlwurzel, sondern dehnen sich über die Neben- wurzeln aus und man bezeichnet allgemein diese Krankheit als Kropf- krankheit oder Kohlhornie (russisch Kapustnaja Klai), Fig. 27. Diese *) Der spezielle Teil ist von S. v. Prowazek bearbeitet worden. Die pathogenen Protozoen. 903 hernieukraukeu ffing-ers aiitl toes) Rlibeu .sind von den krankhaft veränderten Wasserrüben, die von der Kohlfliege (Anthomyia Bras- sicae) befallen wurden, zu unterscheiden; die Bildungen sind im all- gemeinen zwar ähnlich, nur dass im letzteren Falle die Maden in die Missbildungen ihre Gänge bauen. Woroxin, der den Krankheitserreger entdeckt hat, reihte ihn zu den Schleimpilzen ein, da er sich durch Sporen, die bei der Keimung amöboide Schwärmer entwickeln, ver- mehrt; auch vollzieht sich die Sporenbildung durch eine simultane Teilung des gesamten Körpers, wobei eine sehr beträchtliche Zahl von Sporen erzielt wird. Die Flasmodiophora interessiert aber nicht bloß Fig. 27. Wurzelhernie beim Blumenkolil (nach Woronin, aus Doflein). den Phytopathologen, sondern auch den Pathologen und Cytologen über- haupt, da sie ein intracellulärer Parasit ist, der Geschwülste und starke gewebliche Veränderungen hervorruft. Die erste Phase der Infektion wird durch das Trübewerden der kranken Zellen charakterisiert, die älteren kranken Zellen sind dann von einer trüben feinkörnigen Masse fast völlig erfüllt (Fig. 28). Untersucht mau Schnitte (Härtung nach Flemmixg oder Kaliumbichromatessigsäure, auch Sublimateisessig, Färbung: Flem- MiNGS Dreifarbenverfahreu, Modifikation nach Nawaschin, oder Ruma- NOWSKis Verfahren oder Heidexhains Eisenhämatoxylin) durch diese Stadien, so findet mau zunächst uetzwabige Protoplasmamassen mit ein- zelnen intracelluläreu Amöben, die dicht mit fettartigen mit Osmium sicli schwärzenden Körnchen erfüllt sind (Fig. 29]. Im Protoplasma der Amöben sind zahlreiche bläschenförmige Kerne mit einem deutlichen Inneukörper, 904 F. Doflein & S. v. Prowazek, spärlichem, wandständigen Chromatin nnd starker Kernmembran zerstreut. Die einzelnen Amöben nehmen nach Art der Sporozoen ihre Nahrung- auf osmotischen Wege auf. Anfangs schmarotzen die Amöben im Zell- innern als völlig freie Individuen (Fig. 29). Die Kerne teilen sich auf eine doppelte Weise (Dimorphismus der Kerne). Auf dem vegetativen Stadium kommt es zu einer stark abgeleiteten indirekten Teihmg, die besonders Nawaschin in seiner grundlegenden Arbeit genau verfolgt hat. Neben dem Innenkörper oder Nawaschins Nucleolus (von dem er selbst sagt »ich bezeichne ihn als Nucleolus, obgleich dessen Verhalten bei der Kernteilung, . . . viel Eigenartiges bietet . . . Die Nukleolen von Plasmodiophora lassen sich auch nicht als proteinartige Einschlüsse denken, weil ihnen eine aktive Rolle bei / \ 's ;jr^M| y Fig. 28. Querschnitt durch eine erkrankte Kohlwnrzel (n. Woeoxin, aus Doflein). der Kernteilung anheimfällt«) erscheint eine Platte von dicht aneinander- gelagerten Chromatinköruern, worauf der »Innenkörper« nach Art eines Stiftchens die Chromatinplatte zertrennt. Später zerteilt er sich selbst der Quere nach. Diese Kernteilung charakterisiert den vegetativen Zustand der Amöben. Vor der Sporenbildung wird ein anderer mehr auf feinere Teilung der chromatischen Substanz gleichsam ausgearbeiteter Modus der Kernteilung angenommen. Das Volumen der Kerne nimmt zunächst zu, die Chromatinsubstanz erleidet im Kernhohlraum eine feine Verteilung und man kann besonders an den Polen des ovalen Kernes die Be- obachtung machen, dass hier chromatische Substanzen in das Protoplasma übertreten, das nun zusehends an Färbbarkeit gewinnt, während die Kerne abblassen und sich verkleinern. Auf diese Weise findet eine Art von Massenreduktion statt. Schließlich werden die Kerne schmal, länglich, der Die pathogenen Protozoen. 905 Iimenkörper verliert seine Färbbarkeit, von ihm lösen sich aber zwei polwärts wandernde Körnchen ab, die in der Fol^i-ezeit als Centrosomen funktionieren (Fig. 30). In jedem derartigen Amöbenindividuum spielen sich diese charakteristischen Yorgänge vielleicht Avegen besonderer gleicher osmotisch-physikalischer Verhältnisse zur gleichen Zeit ab. Auf diese Weise kommt es in einem jeden »Individuum« gleichzeitig zur Ausbildung von typischen intrauukleären Spindeln, deren zentrale Spindelfasern wie bei den Ciliateu und Gregarinen eine Torsion erleiden. Nach diesem zweiten Teilungsmodus tritt der Parasit in das sporenbildende Stadium ein, wobei es auch zu einer echten Flasmodiumbildung kommen kann. Später sondern sich die einzelnen kernhaltigen Portionen des Plas- modiums, werden für eine Zeitlang länglich, spindelförmig, der Kern Fig. 30. Plasmodiophoraamöben Fig. 29. Mit Plasmodiophoraamöben infizierte vor der mitotischen Kernteilung, Zelle (nach Nawaschin, ans Doflein). unten der Kern der Wirtszelle. erscheint locker und undeutlich. Auf diesem Stadium gelang es mir in geeigneten Fällen Kern Verschmelzungen, denen eine ge- schlechtHcheBedeutung zukäme, zu beobachten. Kach diesem offenbar rasch verlaufenden Prozess runden sich die kleineu Amöbenteile ab, ihr Plasma wird dicht, feinkörnig, der fast periphere Kern ist länglich oder rund und enthält zentralwärts eine kleine helle Stelle, die das Chromatiu in der Art eines dichten Einges umgiebt. Inzwischen wurde auch eine Membran ausgeschieden, die sich zusehends verdichtete. Auf diese Weise bildeten sich die Sporen aus (Fig. 31). Die Sporen gelangen dann eut- Aveder durch mechanische Verletzungen der ohnehin meist angefaulten Wurzeln, au denen zahlreiche größere Bakterien, Monadinen, ab und zu Kolpidien und Nematoden vorkommen, ins Freie und werden hier rasch 906 F. Doflein & S. v. Prowazek, verbreitet. Auf der Wasseroberfläche zerstieben die Sporeu infolge der Ausbreitung'serscheinungeu der sie verbindenden, absterbenden Plasmodium- massen nach allen Richtungen und werden derart auch im Herbst, da oft die Rüben, die Werkzeuge und das Erdreich selbst infolge von länge- ren Regengüssen von Wasser triefen, weit zerstreut. Es empfiehlt sich daher, die kranken Pflanzen zu isolieren, um sie sodann zu ver- brennen. Anzuraten ist ferner eine sorgfältige Vornahme der Wechsel- wirtschaft und eine Auswahl der Setzlinge. Sonst gelangen die Cysten nach dem Verfaulen der krebsigen Wucherungen in die Erde und aus ihnen schlüpft nach einiger Zeit (mir gelang es nie, direkt aus der »Geschwulst« entnommene, wiewohl fertige Cysten zum Ausschlüpfen zu veranlassen) das Myxoflagellat ans, dessen Auskriechen und teilweise / ® ® ® c ® r.?s„ ._ - Dl ,. ®®. -.'^ ,€> ' « ^(J OS) -^^^3K«i». -s. Fig. 31. Zwei infizierte Rübenzellen mit Sporen von Plasmodiophora brassicae. Verwandlung in Myxamöben Woronin schon beobachtet hat, und der dann neue Kohlwurzeln infiziert, worauf der Kreislauf von neuem be- ginnt. Einwirkung der Parasiten auf die Zellen: Woronix nimmt an, dass der Parasit jedesmal von Zelle zur Zelle durch die gehöften Tüpfel der Zellwände wandert, eine Annahme, die Na- WASCHiN bestreitet und die Ansicht vertritt, dass die gesamte Ge- schwulst ihren Ursprung den zuerst infizierten und sich vermehrenden Zellen verdankt. Von Wanderungen konnte ich mich nicht überzeugen und es erscheint mir auch die letztere Annahme plausibler zu sein. Die infizierten Zellen können sich selbst anormal und über das gefor- derte Maß hinaus teilen, andererseits werden die pilzfreien Parenchym- zellen und jungen Gefäße indirekt von dem Schmarotzer beeinflusst, in- dem sie vor allem zu einer atypischen und anormalen Gestaltungsweise angetrieben werden. Nawaschin glaubt annehmen zu müssen, dass zeit- weilig eine Symbiose zwischen Pilz imd Nährzelle stattfindet. Die wesentlichsten Funktionen der Nährzelle bleiben zunächst ungestört, auch Die patliogenen l'rotozoen. 907 wird die Stärkebildimg- in den numittelbar betroffenen Zellen nicht unter- brochen. Mit Hilfe von Mtaltarbuniien mit Xeutralrot kann man sich aber von tieferen Veränderungen in der Wirtszelle überzeugen: der Zellsaft reagiert nicht mehr ausgesprochen sauer, sondern verfärbt sich gelbrot (alkalisch) und an dem Plasmodiophoraprotoplasten tauchen peripher dunkle sauer reagierende Substanzansammlungen auf. Später färbt sich der Kern der Wirtszelle gelbrötlich. In der Folgezeit tritt eine Hypertrophie der Wirtszelle ein, die vor allem mit l)edeuten- der Stärkeanhäufung verbunden ist, die aber auf den letzten Stadien der Erkrankung wieder unterbrochen wird. Auch wird ein zartes Protoplasmahäutchen um jede Amöbe ausgeschieden, der Zellkern wird dann von der Degeneration ergriffen imd. in seiner Kernhöhle treten zahlreiche »erythrophile« Körnchen auf, während sich der Nucleolus vergrößert. Diese letztere Kerndegenerationsweise ist aber für diese Erkrankung nicht allein typisch, denn wir finden in zahlreichen Karzinom- zellen vergrößerte Nucleoli, wie auch im Molluscum contag. , bei der Trichinosis, bei der Pockenkrankheit des Karpfens n. s. w. analoge Vergrößerungen eintreten. Schließlich legt sich die Kernmembran in zahlreiche Falten und Eillen, während der Kern au Färbbarkeit ein- büßt. Die Plasmodiophora war in der letzten Zeit mehrfach Gegenstand von Untersuchungen, da man auf Grund der rein äußerlichen Analogie der von ihr verursachten Bildungen zu den Krebsbildungen der Tiere und Menschen neue Gesichtspunkte für die Lösung der Karzinomfrage zu gewinnen hoffte. Doch stellte sich der eingeschlagene Weg bald als verfehlt heraus. Uns interessiert hier zunächst nur die Arbeit von Podwyssotzki, der Plasmadiophorasporen in die Leibeshöhle oder unter die Haut von Ka- ninchen und Meerschweinchen brachte und hier experimentell Geschwülste erzeugen konnte, die durch eine starke Hypertrophie und Proliferatiun der freien Bindegewebszelleu entstehen und die er Myxomyceten- peritheliom nennt. Die Sporen findet mau, imd dies mag hier be- sonders betont werden, im Innern der Geschwulstzellen, in denen der Parasit eine Kernproliferati(m hervorruft. In einer späteren Arbeit be- tont Podwyssotzki, dass mau an den so erzeugten mesodermatischen Geschwülsten eine progressive und eine regressive Phase unter- scheiden kann. Der Parasit kann sich gelegentlich in den Zellen selbst noch weiter entwickeln. Mit abgetötetem Material kann man in einem viel geringeren Grade Plasmodiophoratumoren, die keinen bösartigen Charakter besitzen, hervorrufen. Diese Geschwülste dürften wohl den Blastomycetengeschwülsten eher analog sein als den Karzinomen, wie von mehreren Seiten behauptet wurde. Litteratur. Allgemeiues über Mycetozoön. DE Bary, Die Mycetozoen, 1864. Delage, J. & Heuouard, E., Traite de Zoologie concreto, t. 1, ISDO. Warjiing, Handbuch der system. Botanik. Zopf, Die Pilztiere oder Schleimpilze. Encyklopädie d. Naturwissenschaften, auch separat, Breslau Trewendt 1885. Ueber Plasmodiophora: Feinberg. Ueber den Erreiier der krankhaften Auswüchse des Kohls. Deutsche med. Wochenschr., 1902, Nr. 3. 908 ^- Doflein & S. v. Prowazek, Nawaschix, S., Beobachtungen über d. f. Bau u. Umwandlungen v. Plasmodiopboren Brassicae Woron. im Laufe ihres intracellularen Lebens. »Flora« , Bd. 86, 1899, S. 404—427, T. 20. PoDWYSSOTZKi, Myxomyceten resp. Plasmodiophora Brassicae Woron. als Erzeuger d. Geschwülste der Tiere. Centralbl. f. Bakt, Bd. 27, Nr. 3, 1900. — Ders., lieber die experimentelle Erzeugung v. parasitären M_yxomj'ceten-Geschwulsten vermittelst Impfung von Plasmodiophora. Ztschr. f. klin. Med., Bd. 47, 1902. Prowazek, Zur Kernteilung der Plasmodiophora u. s. w. , Oesterr. botanische Zeit- schrift, 1902, Nr. IG. WoROXiN, M., Jahrbücher f. wissensch. Botanik, Bd. 11, 1877/78. II. Ordnung Amoebina. Nächst den von den meisten Forschern zn den Protophyten gezählten Mycetozoen oder Myxomyceten interessieren uns aus der Klasse der Khizopoda die Amoebina, die am meisten den Charakter der eigentlichen Rhizopoden besitzen. Diese »Ordnung« kann derzeit noch keinen Anspruch auf den Charakter einer natürlichen Ordnung macheu, da vermutlich in ihr verschiedene andere, nur temporär amöboide Formen, die in den Eutwickelungskreis auderer Gruppen gehören, jetzt noch zusammeu- gefasst werden. Wie schon der Name andeutet, besitzen sie ein keiner dauernden Form unterworfenes Protoplasma, das einer beständigen Form- veräuderung fähig ist und eben dadurch die Bewegung vermittelt. Allein auf Grund der Beobachtung der Bewegungstypen darf man jedoch noch keine Schlüsse auf die Konstanz der unterschiedlichen Arten ziehen, da unter verschiedenen Milieueinflüssen und in verschiedenartigen Medien dieselben Amöben auch verschiedene Formen annehmen ; so kann aus einer Amoel)a radiosa durch Druck oder durch chemische Aenderuug der Kultur- flüssigkeit eine Amoeba guttula, limax u. s. w. und umgekehrt »gemacht« werden. In den meisten Fällen besitzen die Amöben einen rundlichen oder ovalen Kern mit wandständigem Chromatinbelag und einem zentralen Innenkörpcr; die Teilung des Kernes erfolgt im allgemeinen am direkten Wege, nur in einzelnen Fällen wurde eine Art von Karyokinese be- obachtet; bei der Paramoeba eilhardi wurde von Schaudinn ein eigen- artiger Nebenkörper entdeckt (Fig. 5), der bei der Teilung die Rolle der Sphären und der HERMANNSchen Zentralspindel der Metazoenzelleu übernimmt. Am Protoplasma kann man in den meisten Fällen ein Ekto- und Entoplasma unterscheiden. Sehr häutig kommen in dem Entoplasma Kryställchen, die oft dem rhombischen System anzugehören scheinen, sowie größere Granulationen und in einzelnen Fällen Fettkörnchen vor. Fast immer ist eine kontraktile Vakuole vorhanden, die ihren Inhalt nach außen, seltener nach innen entleert. Die Bewegung voll- zieht sich durch lappige oder fingerförmige Fortsätze des Protoplasmas, die nach einer chemisch-physikalischen Aenderung der Niederschlags- membran stoßweise ausgesendet werden und in die dann das körnige Protoplasma nachstürzt, wobei oft recht charakteristische Strömungen der entoplasmatischen Körnchen stattfinden (Fontaineströme). Dabei wird, um die zum Kriechen nötige Reibung hervorzurufen, nach Hofer, Vek- \voRN und Rhumbler eine klebrige Substanz abgesondert, die wohl nur ein plötzlich verändertes Protoplasma ist. Durch die Pseudopodien wird zum Teile auch die Nahrung umflossen, während sie in anderen Fällen auch nach den schon früher erörterten Importgesetzen in das Innere des Amöbenkörpers aufgenommen werden kann. Um festzustellen, ob eine Form wirklich in die Ordnung der Amö- ben gehört, muss man ihren Entwickelungscyklus konstatieren. Die Die [)athogenen l'rotozoi'n. 909 Eutwiekeluugscyklen der Amobinu sind bis jetzt leider nur ganz mangel- haft bekannt. Am besten kennen wir noch den Entwickelungseyklus der Amoeba proteus (Scheel) und der Paramoeba eilhardi (Sciiaudinnj. In letzter Zeit hat auch Schattdinx den Entwickelungseyklus der Darm- amöben weiter erforscht. Die Amöben vermehren sicli durch Zweiteilung-, bei den beiden oben genannten Formen kommt auch eine Encvstierung vor; der Kern der Amoeba proteus wird in zahlreiche Tochterkernc zerteilt, die sich sodann peripher anordnen, worauf der C3'steninhalt wie bei der superfiziellen Furchung in viele Teilstücke zerfällt; manchmal Ideibt ein zentraler Protoplasmateil als eine Art von Restkörper zurück. Diese jungen Amöljen durchbrechen die Hülle und gewinnen alsbald das Aussehen der gewöhnlichen Amoeba proteus. Bei der Paramoeba eilhardi folgt auf das Stadium der Teilung des Kernes und Protoplasmas innerhalb der Cystenhülle ein Schwärmerstadium, das durch kleine, anscheinend farblose mit zwei Geißeln versehene Flagellateu charakterisiert wird. Die Kopulation wurde bis jetzt nicht direkt beobachtet, nur bei einer kleinen Amoeba terricola wurde sie zum Teil erschlossen, dafür konnte die Verschmelzung der Kerne direkt verfolgt werden. Maggi l)eschrieb früher die Verschmelzung zweier kleiner mariner Amöben wie auch Penakd eine Kopulation der Amoeba spatula beobachtete. (Vgl. Pro- wazek Protozoenstudien II.) Schaudinn stellte für die Entamoeba coli eine eigenartige Inzucht bedingende Kopulation, die der von Actino- sphaerium ähnlich ist, fest. Die Amöben leben meist im stehenden Süß- und Seewasser, zum Teil auch an feuchtem Moos sowie in feuchter Erde und nur eine geringe Zahl ist parasitisch. Nicht immer kann man sie leicht von anderen Zellen unterscheiden. Bei der Diagnosestellung kann uns in erster Linie die Feststellung- des Entwickelungseyklus leiten, fjills dies aber nicht angeht, so muss man die morphologischen Verhältnisse genau studiereu und vor allem auf den bläschenförmigen Kern, dessen Inneukörper meistens tinktoriell leicht darstellbar ist, und auf das Vorhandensein einer kontraktilen Va- kuole achten; nur zum Teil kann für einen geübten Beobachter die Art der Bewegung gewisse Anhaltspunkte liefern. Untersuchungsmethoden. Die Amöben untersucht man zunächst am besten lebend und achtet auf die Art der Bewegung- imd auf die Pulsationsfrequenz der kontrak- tilen Vakuolen. Es empfiehlt sich sie in derselben Flüssigkeit, in der sie gefunden wurden, zu untersuchen, nur in Notfällen möge man zu der physiologischen Kochsalzlösung seine Zuflucht nehmen. Auch versehe man das Deckglas mit kleinen Wachsfüßchen und umgebe es, um die rasche Verdunstung hiutanzuhalten, mit einem Wachsrand. In man- chen Fällen dürfte die Anwendung eines heizbaren Objekttisches von Nutzen sein. Um Präparate herzustellen, empfiehlt es sich die die parasitischen Amöben enthaltende , meist rasch gerinnende Flüssigkeit möglichst dünn auf ein Deckgläschen oder einen Objektträger auszustreichen und sie schnell mit einer Konservieruugsflüssigkeit wie Pikriuessigsäure oder Sublimat (konz. Avässrig) 100 ccni + abs. Alk. 50 ccm + 5 Eisessig, sowie Chromosmiumessigsäure zu übergießen und dann die Präparate wie aut- geklebte Schnittserien in der üblichen Weise weiter zu behandeln. Vor 910 F. Doflein & S. v. Prow.azek, allem muss darauf geachtet werden, dass nicht zu schnell ohne geeignete Intermedien das Präparat aus der einen Flüssigkeit in die andere über- tragen wird, da die Objekte leicht deformiert werden. Ist das Material in großer Fülle vorhanden, so kann man die Massenmethode benutzen und die Amöben direkt in einem Zentrifugicrgläschen konservieren, sie dann abzentrifugieren oder sich des bekannten Senkverfahrens bedienen. Sobald man die Objekte bis ins Chloroform und Chloroformparafhn im selben Eöhrchen gebracht hat, überträgt man sie mit einer sauberen Pipette in eine kleine Mulde, die man in das Paraffin, welches in einem reinen Uhrschälchen zum Erstarren gebracht wurde, gegraben hatte; sodann bringt man die Objekte in den Wärmeofen, lässt das Chloroform abdampfen und zerlegt nach dem Erstarren des Paraffins die Amöben in feine Schnittserieu. Um die Objekte im Paraffin zu erkennen, ist es ratsam, dieselben vorerst vorzufärben. Die Amöben färbt man am besten mit Boraxkarmiu, GRt::xACHi':RSchem Hämatoxylin und Eosin, ferner Gentianaviolett und Safraniu oder mit HEiDENHAixschem Eisen- hämatoxylin. Auch Romaxowskis Färbung liefert gute Resultate. Unter Umständen ist es günstig die Objekte, statt in Nelkenöl, in Glycerin aufzuhellen. — Da die bis jetzt bekannten echten Amöben Plasmophagen sind, kann man sie nicht im Sinne der Bakteriologie auf entsprechenden Nährböden rein züchten, sondern man muss zunächst höchstens die Züch- tung des entsprechenden Nährorganismus — in den meisten Fällen eines Schizomyceteu — vornehmen und dann erst die Züchtung der Amöben, die au das Vorhandensein eines Bakteriums oder sonst einer anderen Form gebunden sind, in Angriff zu nehmen trachten. Die bis jetzt vielfach citierten »Reinkulturen der ximöben« wurden von den Protozoenforschern schon mehrfach, — erst kürzlich von Doflein in seinem Protozoenbuche, entsprechend beurteilt. — Reinkulturen von Amöben und anderen Proto- zoen wurden zunächst von Ogata versucht. Er füllte 10—20 cm lange Kapillarröhrchen von 0,3 — 0,5 mm Durchmesser mit 25proz. Trauben- zuckerlösung in sterilisiertem Wasser und tauchte sie an dem freien Ende in die Kulturlösung, wo die betreffenden Protozoen vorkamen, ein. Das gefüllte Röhrchen lötete er an beiden Seiten zu. Nach 5 — 30 Minuten drangen mehrere Infusorien in den reinen Nährboden vor, ohne dass ihnen Bakterien »nachgefolgt wären« ; diese Röhrchenpartie wurde sodann durchgefeilt und von neuem verlötet. Auf diese Weise erhielt er »Rein- kulturen« (!) von Polytoma uvella, die an und für sich ein Saprophyt ist und keine feste Nahrung aufzunehmen imstande ist und von Paramae- cium aurelia (!) C. Miller züchtete bei 37° C Amöben in 2 — 4proz. wässeriger Bouillonlösung, in ^/^proz. Glycerinlösung, der er ein Stück Sehne zufügte, ferner in Ysproz. wässeriger Milchlösuug oder in 1/2 pro^;. Auflösung von Traubenzucker in verdünntem Heuaufguss. Celli & Fiöcca erhielten »gute Amöbenkulturen« mit nur geringer Bakterieubeimischung in einer öproz. genau alkalisierten Lösung von Fucus crispus in Wasser oder Bouillon. Mit der Amoeba coli stellte Schardinger Züchtimgsversuche an. Er züchtete die Amöben in einem wässerigen Heuaufguss, dem er 1 — IY2 X Agar hinzufügte; um die Kulturen möglichst rein zu erhalten, mussteu sie mehrmals übertragen werden. In einer späteren Mitteilung behauptet ScHARDiNGEii, dass CS ihm gelungen sei, reine bakterienfreie Amöben- kulturen zu erhalten. Casagrandi & Barbagallo besprachen kritisch alle diese Kulturversuche und versuchten den Nachweis zu erbringen, dass die Amöben, die eine parasitäre Lebensweise führen, nicht kultivierbar sind. Die pathogenen Protozoen. 9H Auch Frosch vertritt die Ansieht, dass das "Wachstum der Amübeu an das Yorhandeuseiu von Bakterien oder deren Stüffwechseli)rodukte gebunden ist. Im übrigen muss auf die citierte Litteratur hingewiesen werden. Zunächst ist es wohl notwendig nur reine Bakterienrasen ausfindig zu machen, um auf diesen allein die Amöben zu züchten. Die sehr proble- matischen Versuche, die Amöben in flüssigen Xährsubstraten ohne Nah- ruugsorgauismen rein zu züchten, und so die Plasmophagen in auf dem Wege der Osmose sich ernährende Organismen um zuzüchten, — ein Experiment, das auch vom biologischen Staudpunkte sehr wichtig sein dürfte — würden selbst eine ganze Reihe von Voruntersuchungen er- fordern. Zunächst sind unsere Kenntnisse von der Verdauuugspliysio- logie der Amöben noch sehr lückenhaft. Wir wissen nur, dass unter dem Eiufluss einer Mineralsäure und entsprechender Enzyme die Nah- rung verdaut wird, — was aber zunächst der Resorption anheimfällt, ist noch ziemlich unbekannt. Die Nukleine, die Schwefelkörner der Schwefelbakterien werden nicht aufgenommen, das Chlorophyll wird meist nur verändert, Avobei anschließend eine Hypochlorinreaktion ein- tritt. Das Schicksal der vielen Granulationen, der BABES-EiiNSTScheu Körnchen u. s. w. ist unbekannt. — Dann ist es fraglich, ob man die äußere Niederschlagsmembran der Amöben so verändern kann, dass sie für die zu ihrem Leben notwendigen Stoffe durchlässig wird, zumal den meisten Formen die Fähigkeit, reine Flüssigkeitsvakuolen zu bilden, abgeht. Litteratur. Ueber Reinkulturen der Protozoen. Beijerixck. Kiilturversuche mit Amoeben auf festem Substrate. Central bl. f. Bakt., Bd. 19, S. 8, 18%. Casagrandi & Barbagallo, Ueber die Kultur von Amoeben. Centralbl. f. Bakt., Bd. 21, S. Ö79— 89, 1897. Celli, Die Kultur der Amoeben auf festem Substrate. Centralbl. f. Bakt. Bd. 19, Nr. 14/15, 1896. Celli & Fiocca, Beiträge zur Amoebenforscliung. Centralbl. f. Bakt.. 1897. DoFLEiN, F.. Die Protozoen als Krankheitserreger. 1901. Frosch. F.. Zur Frage der Eeinzüchtiing der Amoeben. Centralbl. f. Bakt, Bd. 21, S. 927, 1897. GoRiNi, Die Kultur der Amoeben auf festem Substrate. Centralbl. f. Bakt., Bd. 19, 1896. Miller, C, Ueber aseptische Protozoenkulturen u. s. w. Centralbl. f. Bakt., 1894, Nr. 7. Ogata, Ueber die Reinkulturen gewisser Protozoen. Centr. f. Bakt., Bd. 14, 1893. ScHARDixGER, F., Reinkulturen von Protozoen u. s. w. Centralbl. f Bakt.. Bd. 19, 1896, Nr. 14/15. — Ders., Protozoenkulturen. Nachtrag. Centralbl. f. Bakt., Bd. 22, 1897, S. 3. TsuJiTAXi, J., Ueb. d. Reinkultur der Amoeben. C. f. Bakt., Bd. 24, S. 666, 1898. A. Die Amöben des menschlichen Darmes. Unter den von verschiedenen Autoren oft ungenau beschriebenen Darmamöben ist die wichtigste die von Lambl 1860 beobachtete, von Lösch 1875 genauer untersuchte und beschriebene Amoeba coli Lösch. Nebst dieser beschrieben noch Quincke & Roos eine Amoeba intestini vulgaris (0,04: mm groß) mit granuliertem Protoplasma, die nicht pathogen ist und eine Amoeba coli mitis, die der ersteren ähnlich ist, jedoch nur für den Menschen, nicht aber für Katzen pathogen sein soll. Der Grad der Pathogenität für Tiere darf aber nicht als Artdiagnose verwendet werden, da bis jetzt einwandsfreie Rcinzüchtungen der Amöben nicht gelungen sind und wohl auch nicht gelingen werden und so in den 912 F. Doflein & S. v. Prowazek, negativen Fällen auch die eigeutliclien , etwa bakteriellen Krankheits- erreger einfach nur gefehlt haben. Celli & Fiocca haben ferner eine große Zahl von Darmamöben beschrieben und ihre Diagnose, die im Ceutralbl. f. Bakteriologie 1894 genauer angegeben wurde, festgestellt. Sie fanden im Darm des Menschen folgende meist auch im Freien konstatierbare »Amöben« : Amoeba lobosa var. guttula 2 — 4 fi groß; kleinste Formen 1 — 2 /<; hyalines Ektoplasma, feinkörniges Entoplasma, stumpfe, bewegliche Pseudopodien. jm^ Fig. 32. Amoeba coli (?) (nach Celli). Fig. 33. Teilungszii- stände einer Entamoeba coli (nach Harris). Fig. 34. Cyste der Entamoeba coli mit den 8 Kernen (nach Grassi). Amoeba lobosa var. oblonga. Länglieh, kurze, gedrungene Pseudo- podien, doppelt so groß als die vorige Amöbe, 1 — 2 nicht pul- sierende Vakuolen. Amoel)a spiuosa n. sp. Im gesunden wie diarrhöischen und dysen- terischen Meuschendarm und auch im Tierdarm (Meerschweinchen und Frosch) wenig beweglich, meist rundlich, 6 — 10 /« groß, spär- liches Ektoplasma, 1—7 nicht pulsierende Vakuolen. Cysten- und Ruhezustände bekannt. Fig. 35 o — c. Entamoeba coli mit roten Blutkörperchen beladen 'nach Eömer, aus Doflein). Amoeba diaphana n. sp. Auch im dysenterischen Darm. Meistens rundlich, sehr veränderlich, lebhaft l)eweglich, 0,5 — 2 u groß. Ekto- und Entoplasma schwer unterscheidljar. Amoeba vermicularis (Weisse). Im dysenterischen Darm nnd auch in der Scheide von gesunden, wie krebskranken Frauen. Wenig veränderlich, träge, immer gestreckt, bewegt sich meistens durch seitliche (!) Biegungen. 4 — 6 a groß, 1 ii breit (!), kein Unterschied zwischen Ekto- und Entoplasma; keine A^ikuole. Amoeba reticularis n. sp. Form mehr beständig oval, eckig oder länglich, von den Ecken gehen zarte Pseudopodien aus, Bewegung langsam, Größe 2 — 4 /<. Ohne sichtbaren Kern. Homogenes hya- lines Protoplasma. Die pathogenen Protozoi-n. 913 Da bis jetzt die Eutwickluiigscyklen dieser Amüheu uielit bekannt sind und die hier beschriebenen Formen auf ihre weitere Entwicklung- nicht untersucht wurden, ist es fraglich, ob sie selbst nicht Entwicklungszustände % • .• ^,1 .4^/ *^ :?* SS 'Jf ?• ' ■•«; A^ifi^^' Fiff. 36. •^ •, • . • Fig. 37. Innere Ansicht .^ • . eines aufgeschnittenen ausgebreiteten Darms mit Schnitt durch ein Darmgeschwür mit Amöben Dysenteriegeschwüren (nach Harris:. (nach Kruse &Pasquale). anderer Rhizopoden oder Protozoen sind oder bei der Unbeständigkeit der Amöbenform nur Formzustände weniger oder einer Art darstellen. Ist es doch Ijekannt, dass man durch einfache chemisch-physikalische Aenderungen des Lebensmilieus aus einer Amoeba radiosa eine xA.moeba limax, guttnla und spatula »machen« kann. Von den Darmamöben, die zum Teil nur harm- lose Kommensalen sind, interessiert uns die so vielfach besprochene Amoeba coli Lösch. Ihre Größe schwankt den einzelnen An- gaben zufolge zwischen 7 — 50 ,«, Keuse & Pas- QUALE geben 10 — 50 a an, Lösch 26 — 30 u, NORMAND 25 \.l , CUNXIXGHAM 8 — 25 « , GeASSI 8 — 22 <<, Kaetllis 12 bis 30 ,a, Massiutin 6 bis 30 <(, ScHUBEEG 12—26 /<, Dock 13—30 //, Peyrot & Roger 26 a, Quincke, Ross, Fajaedo u. a. 0,025 mm, nach Boas ist sie 15 — 20 /< groß u. s. w.; nach Stroxg 12 — 15/<*). Das Ekto- plasma besitzt eine derbere Niederschlagsmembran, ist hyalin und scheint oft gleichsam in ein einziges Pseudo})odium völlig auszuströmen; die Pseudopodien sind stumpf, lappig, in geringerer Zahl vorhanden und unterscheiden sich nach Jäger dadurch von denen der Leukocyten, die granulierte, spitzige Pseudopodien besitzen. *j Es ist aber zweifellos, dass manchen Aittoren die Entamoebi coli, anderen die Entamoeba histolj'tica vorlag s. f. . Handbuch der patliogenen Mikroorgauismen. I. 58 Fig. 38. Entamoeba hi- stolytica (Seh.) vor der Chromidienbildung nach DOFLEIX). 914 F. Doflein & S. v. Prowazek, Im wabigeu Eiitoplasma findet mau uebeu feiuereu Granulationen Docli derbere Stoffweehselprodukte imd lulialtskörper wie Bakterien, Kokken, Amylumkörper und Zelldetritus, sowie aufgenommene rote und weiße Blutkörperchen auf A^erschiedenen Stadien der Verdauung; diese dürfte in äbnliclier Weise vor sich gehen wie bei den Erythrocyten auf- nehmenden Makrophagen; hier erleidet nämlich zunächst die Membran der Erythrocyte eine Veränderung, die zur Diffusion des entosomatischen Inhalts fuhrt — die Membran bleibt als »Schatten« lange erhalten; die Kesorption findet in einem saueren Medium statt. Lösen konnte nach Ziunoberklystieren eine x4.ufnahme von Zinnoberkörncheu in den Amöben- leib nachweisen. Der Kern (2 — 7 /<] der Amöbe ist rundlich, bläschenförmig, enthält einen dunklen Chromatininnenkörper, der durch ein Gerüst werk mit der derben Membran in Zusammenhang ist. Im Entoplasma werden ein bis mehrere Vakuolen beschrieben, doch nichts über ihre Kontrak- tilität ausgesagt ; nur Dock giebt au, dasseine der Vakuolen selten pulsiert. Geschlechtliche Vorgänge sind wie bei fast allen Amöben unbekannt. (Vgl. unten citierte Angaben. Schaudinn.) Teilungszustände wurden mehrfach beschrieben (Harris, Casagraxdi & Barbagallo). Cysten- zustände beschrieb Grassi, Casagrandi & Barbagallo, Calaxdruccio, Quincke, Roos, Boas, nach dem letzteren Autor messen sie 10 — 15 u und enthalten einen oder mehrere Kerne, diese letztere Angabe möchte auf eine Kernvermehrung innerhalb der Cyste hindeuten, wie auch Grassi schon Vermehrungscysten beschrieben hatte. Am sorgfältigsten sind die Arbeiten von Casagrandi & Barbagallo, die auch die direkte Kernteilung, sowie die Ausbildung von 8 Kernen, die eine Art Schi- zogonie anbahnen, beschrieben hatten; auch entging ihnen die Ent- stehung junger Amöben aus den Cysten nicht. Cunningham beschreibt in der Amöbencyste 0,011^ — 1,030 große runde oder elliptische Körper, aus denen jedoch in der Folgezeit Flagellaten hervorgehen sollen. Es würde diesem letzteren Autor zufolge also in den Entwicklungscyklus der Dysenterieamöbe noch ein Flagellatenstadium eingeschaltet sein, wie dieses auch von einigen Amöben schon bekannt ist. Doch sind diese Angaben nach Grassi und Schuberg unzuverlässig. Nach Casa- grandi & Barbagallo wechselt das Aussehen der Amöben und ihrer Cysten stark. Degenerationsstadien beschrieb Craig. Nach den Untersuchungen von Boas beträgt ihre Lebensfähigkeit im Freien nicht mehr als 24 Stunden. Nach Zorn liegt ihr Temperatur- optimum zwischen 34 und 38*^ C. Die Amoeba coli kommt im Darm des gesunden als auch des dy- senteriekranken Menschen vor. Bei gesunden Individuen wurde sie im Dickdarm, bei Kranken in allen Darmabsclmitten gefunden. Bis jetzt wurde ihr Vorkommen aus folgenden Gegenden beschrieben (zum Teil nach Braun citiert) : Deutschland (Pfeiffer, Sciiuberg, Quincke & Roos, Römer, Boas, Jäger, Ascher, Zorn), Oesterreich (Cahen, Epstein, Manner, Hlava, Nothnagel, Sorgo, Sciiaudinn), Russland (Lösch, Kernig, Zeidler, Ucke, Massiutin, Gramatschikow, Kurlow, Manas- SEiN, CiEciiANOwsKi, Nowak), Rumänien (Babes, Zegura), Bosnien (Schardinger), Griechenland (Kartulis), Italien (Grassi, Calandruccio, Celli-Fiocca, Fenoglio, Casagrandi, Barbagallo, Vivaldi, Mag- giora, Bizzozero), Frankreich (Peyrot & Roger), England (Harold), Algerien (Gasser), Aegypten (Sonsino, Koch, Kartulis, Kruse, Pas- quale), Abessinien (Grassi), Indien (Lewis, Cunningham, Harold, Die pathogenen Protozoen. 915 Manson, Kogkks, Koss), Hongkong- (Normand), Japan (Siiiga), Tonkin (Laverax), Philippinen (Flexner, Borman, Stroxgi, Sumatra (Kovacs), Sachalin (Lobas), Nord-Amerika (Musser, Simon, Stengel, Dock (Texas), Eichberg, Oliver, Evans, Couxcilmann, Lafleir, Diam(jnd, Howard, Amberg, Osler, Lutz, Fajardo, Römer). Im Darin des gesunden Menschen wurde sie von Cunxixgham, Grassi, Calaxdruccio, Quincke, Roos, Celli, Fiocca, Oasser, Kruse u. s. w. gefunden. Sie dürfte nur in dem oberen und mittleren Abschnitt des Kolons, dessen Inhalt sich mehr durch eine alkalische Reaktion auszeichnet, vorkommen; wo diese in eine Säure umschlägt, dürfte die Amoeba aber wohl bald zu Grunde gehen. In den harten Fäkalmassen kommt sie vermutlich nicht mehr vor, doch kann man sie vielfach nach Darreichung von Karlsbader Salz nach SciiUBERG auch im normalen Stuhl nachweisen ; demnach wäre sie nebst einigen Flagellaten geradezu ein regelmäßiger Kommensale des mensch- lichen Darmes. In der letzten Zeit wurde sie vielfach in Beziehung zu der Ruhr (Dysenterie) gebracht, doch wurde sie hier von einigen Autoren wie Pfeiffer, Massiutin, Celli-Fiocca, Laverax, Janowski u. a. m. gerade vermisst, während sie von anderen Forschern bei an- deren Krankheiten nachgewiesen wurde, so bei Cholera (Lewis, Cunxixgham), Colitis (Normand), Proctitis chronica (Bizzozero), Typhus, Cholera, Pellagra, chronischem Dickdarmkatarrh (Massiutin) u. s. w. Untersuehungsmethode. Die Stühle muss man möglichst frisch untersuchen. Dock empfiehlt besonders die blutigen Sclileimpröpfe und ihre Umgebung etwa bei 400facher Vergrößerung zu durchmustern. Unter Umständen ist eine Verdünnung der Faecesteile mit physiologischer Kochsalzlösung geboten. Bei der Untersuchung wende mau einen heizbaren Objektisch an. Das Deckglas muss mau zunächst durch kleine Wachsfüßchen stützen. Für Dauerpräparate empfiehlt sich die Anwendung der für die Protozoen sonst üblichen Konservierungsmittel. Jäger empfiehlt besonders: Subli- mat konzentr. wässrige Lösung: 100 cm + Alcoh. absolut.: 50 cm -|- 5 Tropfen Eisessig, dann sorgfältiges Auswaschen mit Jodjodalkohol, dann Färbung mit Grenachers Hämatoxylin 10 Minuten lang, Abspülen bis kein blauer Farbeutou von den Objekten ausgeht, dann nachfärben mit Iproz. Eosin. Die Leukocytkerne sind dann blau, die Amöbeu- kerne rot gefärbt. Boas färbte die Dauerpräparate nach Gra.^i, ferner auch mit Vesuvin, vor allem al)er mit Safraniu. Amberg färbte mit wässeriger Toluidinblaulösung, durch die besonders das Eutoplasma fin- giert war. Eckstein empfiehlt die ZiEHL-NEELSENSche Färbung. Nach Reyrot und Roger werden durch Eosin zunächst die Vakuolen ver- deutlicht. Für eine schnelle Diagnosenstellung ist auch das Vorhanden- sein der CHARCOT-LEYDENSchen Krystalle im Stuhle bei der Amöbenruhr von einer gewissen Wichtigkeit. Eine ein wandsfreie Reinzüchtung der Amöben gelang bis jetzt nicht. Die von Kartulis gezüchtete Amöbe soll nur eine sogenannte Stroh- amöbe (nach Kruse & Pasquale) gewesen sein. Züchtungen ver- suchte ferner Vivaldi auf Heudekokt, der schwach alkalisch gemacht und dann filtriert wurde; die Kultur wurde bei 37° C im Thernu3Staten gehalten. Evans versuchte Kulturen auf Agar und in Fleischbrühe, jedoch mit negativem Erfolg. In allen vertrauenswürdigen Fällen schlugen die Züchtungsversuche aber fehl. 58* QIQ F. Döflein & S. v. Prowazek, Uebertragungsexperimente. Solange eine Reinzüclitung- — oder, um diesen ominösen Ausdruck zu vermeiden — eine Reindarstellung- der Amöbe, die man etwa auf einem einzigen Bakterienboden züchtet uud dann die Bakterien durch ein Serum ohne Schaden für die Amöbe vernichtet, — nicht gelingt, kann man allein den Ilebergangsexperimenten keinen besonderen Wert zuschreiben, denn den Versuchstieren werden doch immer auch jedesmal andere Organismen einverleibt, — selbst im Falle des Gelingens kann mau nichts weiter aus- sagen, als dass in der injizierten Flüssigkeit der Erreger enthalten war ! Die ersten Experimente in diesem Sinne stellte Kaetulis an. Negativ fielen die Versuche von Bachfontaixe aus, der unter die Haut von Kaninchen, Hunden u. s. w. amöbeuhaltige Flüssigkeit einspritzte; im selben Sinne lauten die Mitteilungen von Cahex & Stengel. Kruse & Pasquale erhielten nach intrarektalen Injektionen, nachdem sie den Versuchstieren den Anus mit Catgut zugenäht hatten , positive Resultate; derselben Methode bediente sich Asciier, der auf diese Weise bei Katzen Schleimhautkatarrhe mit Schwellungen der Payerschen Plaques und Mesenterialdrüsen erzeugte. Positive Ergebnisse verzeichnen ferner Hlava, Zaxcarol, Petrides, Quincke & Ruos, Lösch, Ucke, Epstein, Jäger, Manner u. a., vor allem Jürgens, gleichzeitig kamen in eini- gen Fällen aber manche der genannten Forscher zu negativen Ergeb- nissen. Marchoux gelangen sogar 20 Serien von Katzeninfektionen, die ausblieben, sobald| die Stuhlproben auf 45° erhitzt wurden. — Calandrucckj infizierte sich selbst durch Verschlucken von encystierten Darmamöben (wohl Entamoeba coli Schaud.), und war in der Lage, nach 12 Tagen Amöben in den Faeces nachzuweisen; doch scheint er früher seinen Stuhl auf Amöben nicht untersucht zu haben, was zuerst SciiAUDiNN that. (Vergl. späteren Absatz.) Wichtig sind ferner die Ergebnisse der Experimente von Quincke, Roos, Kartulis, Kruse & Pasquale sowie Zancarol, da diese ihren Versuchstieren in das Rectum sterilen bakterienfreien jedoch amöben- haltigen Eiter aus dysenterischen Leberabszessen einspritzten und mehr oder weniger charakteristische dysenterische Veränderungen der Schleim- häute nachweisen konnten. Allerdings wurden aber nicht in allen Fällen die Amöben selbst konstatiert. Typische, wenn auch kleine bis zur Submucosa reichende Geschwürbildungen erzielte bei seinen Experi- menten auch Manner. Aus den Uebertragungsversuchen scheint aber hervorzugehen, dass zwei, wenn nicht mehr Formen von Amöben bei den Experimenten verwendet wurden, von denen nur eine Amöbeugruppe thatsächlich pathogen war. In diesem Sinne lauten auch die Ergebnisse der Untersuchungen von Strong & Musgrave. Amötaenruhr. Wie schon erwähnt, wird besonders die Amoeba coli zu der Ruhr in Beziehung gebracht. In diesem Sinne sammelte die im Jahre 1883 zur Erforschung der Cholera nach Aegypten und Indien unter der Leitung von Koch abgesandte Expedition wichtiges Beobachtungs- material und Kocii konnte in den durch die Darmgeschwüre gelegten Schnitten die typischen Amöben neben Bakterien feststellen. Kar- tulis setzte dann die Untersuchungen fort uud war in der Lage, in über 500 Fällen von Dysenterieerkrankungen Amöben nachzuweisen. Er betrachtet die Amöbe als den Erreger der ägyptischen Ruhr. Ihnen schlössen sich in der Folgezeit Councilmann, Lafleur, Quincke, Die pathügenen Protozoon. 917 Eüos, Kruse, Pasquale, Kovacs, Jäger u. a. iu mehr oder weniger bestimmter Weise au. — In den tödlicli verlaufenen Fällen der Amöbenrulir fanden die Autoren die Amöben in eigenartigen Darm- geschwüren, die durch Nekrotisierung des infizierten submukosen Gewebes entstanden. Zunächst vermehrten sich die Amöben im freien Darm- schleim ('?), dann wurde irgendwie durch ihre Anwesenheit das Ejjitliel und die oi)ersten Teile der Darmdrüsen zerstört, sodann drangen sie dnrch die Schleimhäute ins Innere vor und erregten Blutungs- und Ent- zündungsprozesse. Zunächst hinderte sie die Muscularis mucosae bei ihrem Vordringen und sie sammelten sich hier an, um später noch weiter in die Submucosa vorzudringen, wo alsbald neben großen Vakuolenzellen ganze Amöbenkolonieen entstanden. Jürgens betont das Vorkommen in den LiEBERKünNscheu Drüsen. Die absterbenden Massen werden ins Darmlumen entleert. Auf diese Weise kommt es zu ausgedehnten ülzera- tiousprozessen in der Submucosa und es entstehen Geschwüre mit zackigen unterminierten Eändern von Erbsen- bis Thalergröße. Die Geschwüre sind scharf umgrenzt und erhaben, zumeist findet mau sie im Coecum, und im Colon asceudens (die Flexura sigmoidea und das Eectum [Roger! sind frei), sowie Flexura hepatica, linealis und Ampulla recti; damit sind nach Rogers peritonitische Erkrankungen verbunden, die Amöben sollen demselben Autor zufolge durch die Darm wand in die Bauchhöhle ge- langen und von da durch die Lymphbahnen in die Leber, doch ist es fraglich, ob dieser Weg der einzige ist. Nach Jäger war dagegen bei den Fällen der Königsberger Epidemie die Schleimhaut des Dick- darmes etwa bis zur BAUHiNSchen Klappe verschwunden, die Sub- mucosa bildete eine glatte Fläche, auf der uur einige spärliche Schleim- hautinseln erhalten waren. Koch und zahlreiche andere Forscher konnten feststellen, dass in den Geweben die Wuchsform der Amöben verkümmert ist und Kruse sowie Pasquale betonen, dass sie »die Riesenformen bis zu 50 ;i<«, die sie im Darmlumen fanden, im Gewebe "vermisst haben. Die Amöben gelangen auch iu die Leber, wo sie zu charakteristischen Leberabszessen, die anfangs eine feste fibröse, später nekrotische morsche Wand besitzen, den Anlass geben. Die Amöben wurden hier besonders im Eiter, seltener in der Abszesswand konstatiert. — Bei tiefen kleinen Leberabszessen vermehren sich die Leukocyten stark. Amberg stellte Blutuntersuchungen bei Kinderamöbendysen- terie an und konstatierte eine verschiedengradige Anämie, die durch Verminderung der roten Blutkörper und Vermehrung der Leukocyten charakterisiert war. — Nach Nasse gelaugten nach einer Leber- abszessoperation, die mit Wundgangrän verbunden war, die Amöben auch in die Hautmuskulatur. — Wenn wir aber selbst zugeben, dass die Amöben die Erreger der Amöbenruhr sind, so müssen wir uns die zweite Frage: Wie wirken diese Organismen auf das Wirtsgewebe ein? vor- legen. Durch ihre Bewegungen können sie die Zellen nur auseinander- zerren. Auch sind sie nicht imstande mit ihren rigiden lai)i)ig- stumpfeu Pseudopodien Stücke von dem kolloidalen Zellplasnia al»zu- reißen und die Zellen so zu schädigen. Höchstens könnten sie noch schädliche StoÖe abscheiden. Dass es zu Stoffahscheidungen bei den Protozoen vielfach kommt, wissen wir schon aus dem allgemeinen Teil; manche derartige Stofie, z. B. das Sarkosporidin, sind sogar sehr giftig. Es sei in Bezug auf die Möglichkeit einer Abscheidung von schädlichen Stoffen noch auf folgende Thatsacheu hier vorübergehend hingewiesen. Manche Ciliaten (z. B. Dileptus) werden von anderen sehr räuberischen 918 F. Doflein & S. v. Prowazek, Protozoen z. B. Nuklearicu und Didiuien gar nicht angegriffen, während Stentoren sofort diesen zum Opfer fallen — offenbar sind sie durch ge- wisse Schutzstofie geschützt. Auch Salomonsen konnte nachweisen, dass Ciliateu Leichen ihrer Stammverwandten gegenüber sich -negativ chemotaktisch verhalten — hier scheinen gleichfalls gewisse Stotfe wirk- sam zu sein, die überhaupt bei den Erscheinungen der Chemotaxis der Protozoen eine wichtige Kolle spielen. In Bezug auf die Dysenterie- amöbe wurden aber in diesem Sinne noch keine Experimente angestellt. — Gegen die Annahme, dass die Amoeba coli der Ruhrerreger sei, wur- den in der Folgezeit folgende Einwände erhoben: 1. Die Amoeba coli kommt sowohl bei gesunden als auch bei ver- schieden erkrankten Menschen vor. 2. Sie wird an Orten, wo die echte Dysenterie endemisch ist, viel- fach vermisst. 3. Die zum Beweise ihrer Pathogenität von den verschiedenen Autoren in Angriff genommenen Tierversuche fielen nicht eindeutig aus, auch wurden sie vielfach nicht per os, sondern per anum — ein Weg der Infektion, der gewiss nicht normal ist — vorgenommen. 4. Die Art der Einwirkung der sog. Ruhramöbe ist völlig unklar. Gegen den ersten Punkt wandten sich frühzeitig mehrere Autoreu und suchten den Beweis zu erbringen, dass es zwei Arten von Amöben im menschlichen Darm giebt, von denen nur die eine pathogen sei. Dafür würden auch die Tierexperimente sprechen. Schon Councilmax e^ Lafleür suchten einen Unterschied zwischen der gewöhnlichen harmlosen Amoeba coli und der von ihnen so genannten Amoeba dysenteriae festzustellen. Gegen die letztere Nomenklatur wandte sich Stiles und schlug vor, die neue Form Amoeba coli var. dysenteriae zu nennen, da Lösch die echte Dysenterieamöbe eben schon Amoeba coli nannte. Auch Roos unterscheidet zwischen einer kleinen, durchsichtigen, lebhaften nur für Katzen pathogeneu Form und einer großen, trägen besonders in Schleswig Holstein vorkommenden Amöbe. Doch lassen sich diese Formen nur sehr schwer identifizieren. Auch kann der Ausfall von experimentellen Infektionen als Artdiagnose nicht bestimmend sein (vergl. Casagrandi & Barbagallo). Borman & Strong beschreiben gleichfalls eine große pathogene und eine kleinere nicht pathogene Darm- amöbe. Shiga beschreibt die Amoeba dysenteriae als 3 — 5 mal größer als die Amoeba coli, jene besitzt auch eine scharfe Grenze zwischen dem Ekto- und Entoplasma und ihre Bewegungen sollen recht lebhaft sein. Noch weiter scheint Jäger in einer »Erwiderung« auf Shigas Ein- würfe gehen zu wollen, — denn er meint, dass Shigas Beschreibung zufolge die Amöbe der ostasiatischen Ruhr nicht mit der Amöbe, die Lösch als den Ruhrerreger beschrieben hat, identisch ist, da die letztere recht langsam in ihren Bewegungen sei und 15 — 35 fi groß ist. Demnach wären neben der harmlosen Amoeba coli — nicht der oben schon beschriebenen unschädlichen Kommensalen hier nochmals zu gedenken — noch zwei Dysenterieamöben, und zwar eine in Egypten und Deutschland und eine in Ostasien vorkommende. Was den zweiten Punkt der oben aufgezählten Einwände anbelangt, so ist zu bemerken, dass für gewisse Ruhrformen der Erreger in einem Bakterium gefunden wurde. Der Dysenteriebacillus w^urde zuerst von Shiga, dann unabhängig von Kruse entdeckt; fast gleichzeitig mit Kruse berichteten Flexxeu & Stroxg von einem diesbezüglichen Bazillenfimd Die p.athogenen Protozoen. 919 bei Rulirkraukeu auf den Pliilippiueu und in Nordamerika. Aehulielie Funde wurden von Drigalski, Pfuhl, Schmiedicke, Borman, Vedder & DuvAL und Th. Müller gemeldet. Anfangs glaubte man, den Sbigabacillus von dem Krusebacillus uuter- scbeiden zu müssen, da nur der erstere beweglicb sein sollte und so war in einer früberen Publikation Jäger berecbtigt, 3 Arten der Ruhr zu unterscbeiden : 1. Amöbenrubr, 2. japanisclie Ruhr (Shigal)acillus), 3. rheinische Ruhr (Krusebacillus). Nacb der ZETTXuwscbeu Methode konnten jedocb beim ersteren keinerlei Geißeln nachgewiesen werden. Demnach muss man zwiscben einer Amöbenruhr oder Amüben- enteritis (obzwar der Name für diese Darmerkrankungen nicht üblich ist) und zwischen einer bazillären Ruhr unterscbeiden; bei der letzteren kommen nur oberflächliche Epitbelverluste mit unregelmäßig gezackten (nicht unterminierten) Rändern zustande, auch scheinen hier Darmblutungen infolge von Gefäßarrosion, Perforationsperitonitis, Leber- abszesse mit Darmstenosen zu fehlen. Auf Schnitten hat die Mucosa und Submucosa im letzteren Falle erweiterte Gefäße, die Kerne sind in den Epithelschichteu schlecht färbbar. Es kommt dann zu sog. fibrinösen Ausschwitzungen sowie zu Eiter- und Geschwürprozessen. Auch bei der Bazillenruhr versagt das Tierexperiment und zwar in einem noch höheren Grade als bei der Amöl)enenteritis. Shiga betont die Schwierigkeiten, die sich bei der Unterscheidung beider Ruhrarten ein- stellen, ganz besonders, im allgemeinen konnte er aber feststellen: a) Die Amöbendyseuterie verläuft meist chronisch. b) Bei ihr findet man keinen Bacillus. c) Bei ihr kommen keine Vergiftungssymptome, wie Fieber (mit Aus- nahme bei Leberabszessen) Mattigkeit, Kopfschmerz, Appetitlosigkeit, schnelle Abmagerung, Hämorrhagieen u. s. w. vor. d) Bei der Amöbendyseuterie ist ein Leberabszess eine häufige Folge- erscheinung; mikroskopisch -anatomisch ist der Hauptvorgaug auf die Submucosa beschränkt, und es kommt hier zu Geschwürbildungeu mit unterminierten Rändern ; bei der epidemischen Bazillenruhr ist der Zer- störungsvorgang oberflächlich an die Wülste und Falten gebunden. e) Die Läsion bei der Amöbendysenterie ist auf das Coecum und Colon desceudens beschränkt, der Dünndarm wird nicht affizicrt. Die Bazillenruhr ist derzeit ziemlich aufgeklärt und man kann sich von ihr ein halbwegs abgeschlossenes Bild machen, was von der Amö- benenteritis trotz der zahlreichen Arbeiten der letzten Jahre noch nicht möglich ist. Bei der kritischen Uebersicht all dieser sich oft widersprechenden Angaben kommt man zu dem Resultat, dass es wohl mehrere Darm- amöben giebt, von denen aber nur einer oder zwei Arten eine klinische Bedeutung zukommt. Inwiefern in den einzelnen Fällen aber den Autoreu bald die harmlose Amöbe (oder Amöben) vorlag und sie dann auch das Tierexperiment im Stiche ließ, inwiefern in anderen Fällen mehrere Formen miteinander verwechselt wurden, das lässt sich auf Grund der Litteraturstudien, zumal die Beschreibungen manchmal recht mangelhaft sind, in den meisten Fällen gar niclit sagen. Schau dinx Ijeschäftigte sich längere Zeit mit dem Studium der parasitischen Amöben des mensch- lichen Darmkanals und kam zu sehr bemerkenswerten Resultaten, die ich mir auf Grund der Fahnendrucke seiner demnächst ei-scheineuden vor- läufigen Mitteilung, für deren Ueberlassung ich ihm bestens danke, hier kurz mitzuteilen erlaube. Ich wage es nicht, die.se Resultate mit denen 920 F. Doflein & S. v. Prowazek, anderer Autoren in Einklang zu bringen, da wir in den meisten Fällen nicht wissen, welche Amöben, zumal gute Abbildungen noch vermisst werden, den Forschern bei ihren Untersuchungen vorlagen und wir den Thatsachen so nur Gewalt anthun würden. Schaudinx beobachtete folgende drei Formen: I. Chlamydophrys stercorea Cienkowsky. Chlamydophrys gehört in die Gruppe von Ehizopoden, die fadenförmige Pseudopodien besitzen. Sie kommt sowohl in tierischen Faeces wie in Kuhmist, Kaninchen-, Mäuse- und Eidechseukot, ferner auch in frisch ab- gelegtem menschlichem Kot vor. Das Protoplasma dieses beschälten Ehizopoden enthält in der hinteren Hälfte einen Zellkern, der von chro- matischen Substanzen — der Chromidialmasse — umgeben ist, das vordere nutritive Protoplasma enthält Nahrungsvakuolen und ist grob vakuolisiert. Die vegetative Vermehrung erfolgt durch Knospungsteilung, wobei sich der Kern mitotisch teilt. Die Chromidialmassen lösen sich nicht auf, sondern umgeben ihn kugelförmig. Auch kommt im vegetativen Zustande eine Encystierung vor, die Cienkowsky schon beobachtet hat. Bei der Entstehung der Geschlechtsformen werden zunächst alle Fremd- körper und der degenerierende Zellkern ausgestoßen und im Hinter- gründe der Schale bleibt nur die Chromidialmasse mit etwas Protoplasma zurück; aus dieser entwickeln sich sodann meist 8 Geschlechtskerne, um die sich das Protoplasma sammelt; später erhalten die Teilstücke Geißeln und schwärmen als Gameten aus, um mit anderen zu kopulieren. Um die Copula sondert sich eine derbe, höckerige braune Cyste aus (Dauercysten). Diese Dauercysteu müssen vermutlich den Darmkanal eines Tieres passieren, um zu keimen und den geschilderten Entwicklungs- cyklus von neuem im Freien zu beginnen. Schaudinn nahm Infektions- versuche an sich selbst vor. Die Schalen bilden sich meist erst im Freien aus, nur im pathologisch verändertem, alkalisch reagierenden Dickdarminhalt findet man gelegentlich beschalte Formen. Der Entwicklungscyklus der Chlamydophrys ist folgender: A. vegetative Periode: Teilung, Knospungsteilung. B. Geschlechtsperiode: Ausstoßung des Kernes, Bildung von neuen kleinen Geschlechtskernen aus dem Chromidialnetz, Entwicklung von Gameten. Isogame Befruchtung — Kopu- latiouscyste = Dauercyste. IL Amoeba coli rhizopoden. Diese umfassen nach Schaudinn »zwei ganz verschiedene, nur in ihrem vegetativen Zustand äußerlich ähnliche Arten, deren Entwickluugs- vorgang so difterent ist, dass man sie, meines Erachtens, nicht nur zu verschiedenen Arten, sondern sogar zu anderen Gattungen stellen könnte«. Die eine lebt im gesunden Menschen, vermehrt sich aber auch im kranken Darm, die andere pathogeue Form ruft die Tropendysenterie hervor und stimmt mit der von Jürgens beschriebenen für Katzen pathogenen Amöbe überein. Die harmlose Form entspricht der von Casagrandi & Barba- GALLO geschilderten Amöbe. Demnach ist zu unterscheiden 1. Entamoeba coli (Lösch) emend. Schaudinn. »Alle übrigen Namen, die der Amoeba coli seit Lösen gegeben wurden, können vorläufig nur mehr oder weniger fragliche Synonyma hierzu Die pathogenen Protozoon. 921 bleiben, da Ins auf Jürgens niemand die andere Art erkennbar cha- rakterisiert hat.« (SCHAUDINN.) ScHAUDiNN hat sich mit Cystenmaterial dieser xVmöbe, nachdem er vorher zwei Monate seine Faeces einer Kontrolle unterzogen hatte, mit positivem Erfolg infiziert und infizierte auch junge Katzen; er kam zu denselben Resultaten wie Casagrandi cV: Barbagallo. Bezüg- lich des Baues der Amöbe hebt er hervor, dass sie während der Euhe nicht die charakteristische Sonderuug in Ekto- und Entoplasma besitzt, erst bei der Pseudopodienbildung wird jenes hyalin. Der Kern ist bläschenförmig, kugelig mit derber Kernmembran ausgestattet; zentral ruht in ihm der aus Plastin und Chromatin bestehende Kerninnenkörper, während das übrige Chromatin körnig in der »Kernhöhle« an dem achromatischen Netzwerk verteilt ist. Die Vermehrung erfolgt entweder durch einfache Teilung oder durch Brutbildung (Scliizogonie), wobei acht Tochterindividuen entstehen; dabei sondert sich am Kern die chromatische Substanz in acht Partien, die nach Auflösung der Kernmembran im Protoplasma als Tochterkerne verteilt werden, worauf der Weichkörper zerfällt. Diese Stadien haben Casagraxdi & Barbagallo schon be- obachtet. Bei ungünstigen Verhältnissen bildet sie Dauercysten, die Grassi schon entdeckt hat und die Casagrandi & Barbagallo genauer untersucht haben, die auch die Entwicklung der jungen Amöben aus den Cysten und die Neuinfektion ermittelt hatten. Während der Encystierung erfolgt die Befruchtung, der Kern teilt sich auf mitotischem Wege, bildet nach komplizierten Rekonstruktionen kleinere Reduktionskerne und es entstehen zwei Tochterkernpaare, deren Paarlinge verschiedenen Kernen angehören, und die nach einer Wanderung verschmelzen, so dass wir wiederum eine zweikernige Zelle erhalten; die Kerne teilen sich dann durch eine primitive IMitose wiederum zweimal und so kommen die den genannten Autoren schon bekannten achtkernigen Cysten zustande. Um jede Kernportion sammelt sich in der Folge Protoplasma an und im Anfangsteil des Dickdarmes des nächsten Wirtes schlüpfen dann die kleinen Amöben aus. Nach Schaudinn sind nur die achtkernigen Cysten entwicklungsfähig. Die Encystierung imd Kopulation der Entamoeba ist also wiederum ein Fall von Inzucht bei den Protozoen, die zuerst R. Hertw^g für Actinosphaerium nachgewiesen hat. Denn auch hier vollzieht sich eine Kopulation zweier Tochterkerne desselben Mutter- kernes nach zwei vorhergegangenen Reduktionsteilungen. 2. Entamoeba hystolytica Schaudinn. Diese Amoebe ist nach Schaudinn mit der von Jürgens untersuchten Dysenterieamöbe identisch, sie unterscheidet sich von der vorherge- nannten Form durch deutlich ausgebildetes Ektoplasma, das stärker lichtbrechend und zähflüssig ist. Darnach ist die Dysenterieamöbe be- fähigt, zwischen die Epithelzellen einzudringen und sie auseinander- zuschieben (vgl. Reiztheorie von Lösch): auf diese Verhältnisse hat schon Jürgens aufmerksam gemacht. Der Kern dieser Amöbe ist wegen seiner Chromatinarmut sehr schwer nachweisljar. Er verändert sehr leicht seine Gestalt und wird oft gezerrt und gedehnt. Seine Lagerung ist stets exzenti'isch. Diese Amöbe vermehrt sich durch Teilung und Knospung, wobei sich der Kern amitotisch teilt. Unter ungünstigen Bedingungen, also im Anfangsstadium der Heilung, werden Daucrformeu gebildet, der Kern stößt etwas Cbromatin ins Protoplasma ab und degeneriert schließ- lich selbst; bei Untersuchungen in vivo wird der Kern unter den Augen 922 F. Doflein & S. v. Prowazek, des Beobachters uacli außen abgestoßen. Das Plasma wird peripher buckelartig' vorgetrieben und schnürt sich schließlich in Form von konzentrisch -faserig strukturierten Kugeln von 3 — 7 u Durchmesser an der Peripherie ab; diese Kugeln scheiden bald eine alle weiteren Vorgänge hierauf unsichtbar machende Membran ab, der Amöben- rest geht dann zu Grunde. Diese winzigen runden Gebilde vermitteln in der Folgezeit die Neuinfektion, wie Schaudinx auf Grund eines Ex- perimentes vermutet. Rücksichtlich der pathologischen Veränderungen, die die Amöbe hervorruft, stimmt Sciiaudixx mit Jürgens überein. Dass die Schleimhaut unterminiert wird, glaubt Schaudinn auf dreifache Weise erklären zu können: einerseits ist das äußere Epithel widerstands- fähiger, andererseits regeneriert es auch häufig und schließlich nimmt ja auch die Zahl der Amöben stetig zu — auf diese Weise kommen die sackförmigen Geschwüre zustande. Demnach ist die Entamoeba histolytica kein harmloser Kommensale, sondern ein gefährlicher Geweb- schmarotzer. Man muss die ausführliche Arbeit Schaudinns abwarten, um auf Grund der detaillierten Beschreibung zu bestimmen, wie weit diese Amoeba mit der von Borman, Stroxg, Shiga, Jäger u. a. identisch sei. Litteratur. Amberg, S. A., Contribution to the study of amoebic dysenteiy in children. Bull. of the Johns Hopkins Hosp., vol. 12, 1901. Ascheu, Studien zur Aetiologie d. Ruhr u. z. Darmflora. D. med. W., Bd. 4, 1899. Boas, lieber Amoebenenteritis. Berl. klin. Wochenschr., 1896, S. 89. Bormann, M. H., Dysenterie in the Philippin. 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Der Patient war bis zu seiner Aufnahme ins Hospital gesund und hat in den letzten Jahren keine Dysenterie über- standen imd so können nicht etwa diese Amöben durch Metastase in den Mund hineingelangt sein, auch bewegen sie sich lebhafter als die Dysenterieamöben. Flexner beobachtete auch einen ähnlichen Fall; er fand Amöben mit körnigem Plasma und Vakuolen, jedoch un- deutlichem Kern in dem künstlich entleerten Eiter aus dem Mund- höhlenabscess eines 62jährigen Mannes. Litteratur. Doflein, Die Protoz. als Paras. u. s. w. Jena 1901. Flexner, Amoeba in an absc. of the iaw. John Hopkins hosp. Bull, vol. 25, 1892. Ref in Centralbl. f. Bakt, Bd. 14, 1893, S. 288. Kartulis, Ueber pathogene Protozoen bei dem Menschen, Taf. I u. II, S. 1. Ztschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 13, 1893. Amoeba urogenitalis Baelz. In dem blutigen Harn und in der Vagina einer 23 jährigen Japanerin, die nebst Lungentuberkulose an Hämaturie mit Blasenteuesmus litt, fand Baelz 0,050 mm große Amöben mit bläschenförmigem Kern und glaubt, dass diese beim Waschen in die Vagina gelaugt sind. Auch Jürgens fand in der Blase einer an Cystitis chronica leidenden Frau Amöben und Kartulis berichtet über Amöben aus dem Blutharn eines mit Blasentumor behafteten Mannes. Ueber Amöburie stammen ferner Nachrichten von Posxer bei einer 37jährigen Patientin her, die mehr- mals nach einem heftigen Schüttelfrost blutigen Harn mit weißen und roten Blutkörperu, sowie mit 0,050 groBen Amöben abließ. Von Posxer wurden bei diesen Amöben ein bis mehrere Kerne und Vakuolen konstatiert. Die pathogenen Protozoen. 925 Litteratur. Baelz, Ueber einige neue Parasit, d. Menschen. Berl. klin. AYoch., 1883, S. 237. Braun, Die tier. Parasiten d. Meusclien. tlMKJ. Jürgens, Deutsche med. Wochenschrift, 18'.)2. Kartulis, Ueber pathog. Protozoen u. s. w. Zeitsclir. f. Hyg. u. Inf., Bd. 13, 1893, S. 3 Anmerk. Posner. Ueber Amoeben im Harn. Berl. klin. Woch., Nr. 28, S. 674, 1893, Bd. 30. Anhang. Amocba miurai Ijima. In der serösen Flüssigkeit einer an Pleuritis und Peritonitis epitlielio- matosa verstorbenen Frau wurden von Miura in Tokio amöboide Zellen gefunden, deren eigentliche Bewegungen allerdings nicht mehr studiert werden konnten. Eine Sonderung in Ekto- und Entoplasma konnte nicht festgestellt werden, am Hinterende sitzt einem Höcker eine Art von Zottenbesatz auf, der ja sonst auch bei vielen Amöben mehrfach beobachtet wurde. Die Größe beträgt 0,015 — 0,038 mm. Die in Ein- bis Dreizahl vorhandenen Kerne wurden erst durch die Essigsäure ver- deutlicht. Kontraktile Vakuolen fehlen. Diese Art ist bis jetzt noch ziemlich problematisch, Luhe hält die beschriebenen Formen teils für Leukocyten, teils für veränderte Endothelzelleu. Litteratur. Braun, Tierische Parasiten, 1903, S. 41. Ijima, J., On a new Rhizopod parasite of man fAraoeba Minrai . Annotationes Zoolog. Juponienses, vol. 2, Fase. 3. Tokyo 1898, p. 85. Ref. von Luhe, in Centralbl. f. Bakt., Bd. 25, 1899, S. 885. B. Gattung Leydenia Schaudinn. Leydenia gemmipara Schaudinn. In der Ascitesflüssigkeit wurden von Leydex bewegliche zellige Elemente entdeckt, die Schaudinn als selbstständige Organismen er- kannt hat. Die Rhizopoden wurden in dem Ascites eines Mannes der an Magenkarzinom litt und eines Mädchens, das Tumoren in der Bauchhöhle besaß, gefunden. In der 3 — 7 Tage steril aufbewahrten Flüssigkeit blieben sie am Leben, ohne ihre Beweglichkeit einzubüßen. An den von Schaudinn diagnostizierten Amöben kann man eine Sonderung des Ekto- und Entoplasma nicht mit aller Deutlichkeit wahrnehmen. Das Plasma ist von stark lichtbrechenden, gelblichen, in Alkohol löslichen, mit Osmium sich schwärzenden Körnern durchsetzt. Daneben kommen auch krystallähnliche Bildungen vor. Die Größenverhältnisse sind be- deutenden Schwankungen unterworfen (0,003—0,036 mm). Die Pseudo- podieubewegung ist sehr charakteristisch — es wird eine Pscudopodien- platte vorgestoßen, in die das körnige Plasma einzelne Stränge entsendet, die, weiter vordringend, Aulass zu sekundären, si)itzen Pseudopodien zu geben imstande sind, zwischen denen sich dann die ursprüngliche Platte schwimmhautartig ausspannt. Die Amöbe legt 15 // in 15 Minuten zurück. Die Leydenia ernährt sich von roten und weißen Blutkörperchen. Eine pulsierende Vakuole, die sich etwa in 15 Minuten entleert, wurde gleichfalls beobachtet. Diese Diflercnzierung spricht nebst dem charakteristischen Kern, abgesehen von dem Fort- pflanzungsmodus, zweifelsohne für ein Protozoon, dessen Existenz von 926 F. Doflein & S. v. Prowazek, medizinischer Seite mehrfach angezweifelt wurde; eine andere Frage ist es aber, ob diesem Protisten eine pathogene Bedeutung zuzuschreiben ist. _ Das Tier ist meist einkernig, der Kern ist bläschenförmig und teilt sich am direkten Wege, meist kommt es zu einer Knospenbildung, die zu weiteren Teilungen Anlass giebt, so dass auf diese Weise schließlich kleine 0,003 mm große Gebilde entstehen. Zwei oder mehrere Tiere neigen leicht zu Verschmelzungen mit ihren Protoplasmaleibern ^ eine Erscheinung, die bei den niederen Phizopoden vielfach beobachtet, deren Bedeutung bis jetzt aber noch nicht klargelegt wurde. Die Ver- schmelzung von 2 bis mehr Individuen nennt man Plastogamie. Leyden /v.. ■'^^^-- B D V ^ ^ 1 Kcc_s^^^^.^^ ^.—Ka (¥ 1$/ \ '-^i^' '■^^ Kn Fig. 39. Leydenia gemmiiiara Schaud. J., S, G Amoeba in verschiedenen Stadien; D Plasmodien und Knospenbildung, n = Kern, n, — Kern in Teilung, cv = Kon- traktile Vakuole, v Vakuole, er — Erythrocyt, Kn — Knospen, A'« = Kerne aus Knospungen hervorgegangener Amöben. tV: & ScHAUDiNN bemerken ausdrücklich in ihrer Publikation, dass sie über den Zusammenhang der Parasiten mit dem Karzinom nichts "weiteres aus- zusagen imstande sind. L. Pfeiffer betonte bald nach der Entdeckung des Parasiten, dass hier eine Verwechslung mit Exsudatzellen, die er im Bläscheniuhalt von Variola, Vaccine, Varicellen, Herpes zoster u. s. w. im trüben Pleuraexsudat, im Auswurf beim Keuchhusten, im Eiter bei Koma fand, vorliegt, doch übersah er die oben aufgezählten charakte- ristischen DiÖerenzierungen des Protisten! Das Vorkommen der Leydenia wurde in der Folgezeit von Leyden selbst und von Lauenstein bei einem Karzinom des Netzes und Peritoneums bestätigt. Die pathogeneu Protozoen. 927 Litteratur. DoFLEix, F., Die Protozoeu als Parasit, u. s. w. Jena 1901. Feixberc;, Zur Lehre des Gewebes u. d. Ursache der Krebsgeschwülste. Deutsche med. Woch., 1902. Nr. 11. Lauensteix. ('., Ueber einen Befund von Leyd. gemm. Deutsche med. Woch., Bd. 23, 1897, Nr. 46, S. 733. V. Leydex, E. & F. SciiAUDixN, Leydenia gemmipara, ein neuer in d. Ascites- fliissigkeit d. leb. Menschen gel. amöbenähnl. Rhizopode. Sitzungsber. d. k. pr. Akad d. Wiss.. Bd. 39-. 1890, S. 951. Luhe, Ref. im Centralbl. f. Bakt., Bd. 31, 1902. S. 207. Anm, Pfeiffer, L., Münch. med. Woch., Bd. 43. 1896, S. 894. Etwas problematisch sind folg-ende Amöbeuarten: Amoeba g'irigivalis Gros (Gros, G., Fragment, d'helm. et de phys. microsc. Bnll. soc. Imp. d. Natural, d. Moscou 1849), Amoeba dentalis Grassi (Gazz. med. ital. lomb. I. 1879 p. 445 Nr. 45), Amoeba buccalis Sternberg fruss. 1862) sowie auch die Amoeba pulmoualis Artault (Flore et faune d. car. piilm. Arch. d. parasit. I, 1898, p. 275), obzwar hier der Autor einen Kern und Vakuolen beschreibt, auch sollen die Amöben, die in dem Lungen- kaverneninhalt gefunden wurden, lichtbrechender als die Leukocyten sein. II. Klasse: Mastigophora. (Flagellaten.) Die Flagellaten bilden eine Gruppe der Protozoen, die soAvohl kar- bonassimilierende Formen als saprophytisch und plasmophag sich er- nährende Organismen in sich vereinigt und die zunächst durch den Besitz von einer oder mehreren Geißeln, die zur Fortbewegung und Herbeischaffung der Nahrung dienen, ausgezeichnet sind. Bei den niederen Formen kann die Geißel leicht zurück- und wiederum auf- differenziert werden. Auch kommt diesen Formen vielfach eine amöboide Beweglichkeit zu, durch die die Axe des Tieres oft geändert werden kann. Die Zahl und Beschaffenheit der Geißeln wechselt mehrfach, meist kommt eine nach vorne gerichtete Hauptgeißel und eine oder mehrere Neben geißeln vor, die zuweilen nach hinten gewendet sind und als Schleppgeißeln funktionieren. Unter Umständen kann eine zarte Protoplasmalamelle mit dieser Geißel in Verbindung treten, be- ziehungsweise aus dem Zellleibe gleichsam ausgesponnen werden und stellt dann eine undulierende Membran dar. Das Plasma der Geißeln ist dicht, lichtbrechend homogen, gelegentlich kann man nach be- sonderer Konservierung in den Beugungsstellen eine leichte Körnelung wahrnehmen. Die Geißeln endigen meistens stumpf, in wenigen Fällen wurde eine Art von Geißelspitze, von der unter Umständen auch ein Geißelfaden ausgehen kann, nachgewiesen. Die Geißeln entspringen fast in allen genauer untersuchten Fällen von einem mit Heidexhaixs Eisenhämatoxylin dunkel sich färbenden Korngebilde — dem sog. Basalkorn, das von manchen Autoren mit dem Centrosom verglichen wird, vermutlich aber bloß eine dichte kinoplas- matische Ausdiffereuzieruug darstellt. Eücksichtlich der Befestigungsweise der Geißeln kann man l)is jetzt 3 Typen unterscheiden: I. Die Geißel ist kernendogenen Ursprungs und der Kern ist samt der Geißel gleichsam dem wechselnd vielpoligen, amöboider Ver- änderungen fähigen Zellleibe als ein fremdes Gebilde einverleibt; 928 i'- Doflein & S. v. Prowazek, dieser Typus ist bei eleu den MycetozoeuscliwärDiern ualie- stehenden Mastigamöbeu, deu Rhizomastigiuen und ähnlichen primitiven Formen verwirklieht. Durch ihre Wechselpoligkeit könnten diese Formen den übrigen deutlich konstant polar diftereuzierten Flagellaten (Monaxonia) als Polyaxonia gegenül)er- gestellt werden. II. Die Geißel, die vermutlich immer einem Basalkorn ansitzt, hängt durch ein Zwischenglied, das wir den Zygoplast nennen wollen, mit dem Kern zusammen. Dieser umhüllt noch mantelartig eine zarte Strukturfibrille, den Rh izop lasten (z. B. Monas, Bicosoeca u. s. w.). III. Die Geißel beziehungsweise die Geißeln entspringen an einer basalkörperförmigen Verdichtung, die terminal einem völlig vom Kern unabhängigen, kernähnlichen flaschenförmigen Gebilde, dem Geißelkörper, ansitzt, z. B. beim Bodo. Der Körper der Flagellaten ist meist rundlich oder oval und mehr oder weniger formbeständig. Als besondere Differenzierung des Zell- leibes kommt in vielen Fällen ein Alveolarsaum zum Vorschein. In dem oft granulierten, Einschlüsse verschiedener Art bergenden Plasma findet man mannigfache Vakuolen, von denen eine oder zwei am Vorder- ende befindlichen kontraktil sind. Bezüglich des Kernes kann man nach den Untersuchungen von BüTSCHLi, Fisch, Blochmaxx, Keulen, Prowazek u. a. folgende vier Typen im allgemeinen unterscheiden: I. Einfache Vollkerne, bei denen nicht immer Innenkörper scharf ausdififerenziert sind und die ein einfaches achromatisches Gerüst mit chromatischen Einlagerungen enthalten, Typus: Trypano- somen. (Fig. 41 — 45.) IL Bläschenkerne mit einem Innenkörper (Chromatin und Plastin), einer peripheren Kernsaftzone und deutlicher Kernmembran. Teilung auf dem Wege einer primitiven oder etwas abgeänderten »Amitose«. Typus: Bodo, Monas, Bicosoeca. III. Sog. Centronuclei mit einem Innenkörper (reichliches Plastin) und radiär gestellten Chrom atinsträngen. Der Innenkörper funktioniert bei der Teilung als eine Art von Zentralspindel innerhalb der Kernmembran. Typus: Entosiphon, Euglena. IV. Bläschenkerne von dem Typus II, nur dass sich hier der Innen- körper (Chromatin und achromatische Substanz) vor der Teilung auflöst und es zu einer endonuklearen Spindel kommt; im Kern kommt ein kleines Körnchen — Entosom — vor, das als Centro- som funktionieren dürfte. Typus: Polytoma. Im Plasma findet man verschiedene Einschlüsse, Piastiden, Stärke- bildner, gelbe und grüne Chromatophoren, Lampro-, Leuko- und Mikro- granulationen. Einige wenige Formen besitzen Augenflecke mit oder ohne lichtbrechende Körper sowie auch gelegentlich Trichocysten. Bei man- chen Flagellatengruppen ist der starre Körper von kutikufaren Bildungen, Panzern oder Gallertscheiden umhüllt. Die Vermehrung erfolgt entweder im freibeweglichen Zustand oder aber sie tritt nach vollzogener Ency- stierung ein. Im ersteren Falle ist sie zumeist eine Längsteilung, an der sich der eventuell vorkommende Schlundapparat unct die Geißeln beteiligen. Wie Laveran & Mesnil für die Tryponosomen nachgewiesen Die pathogenen Protozoen. 929 haben, spaltet sieh das Basalkorn, Aon dem sieh sowohl kerawärts hei manchen Formen neue Rhizoplasten als auch oft parallel zur freien Oberfläche neue Geißeln bilden. Auch kann für die alte Geißel, die ein- g-ezogen wird, eine neue Geißel angelegt werden, wie ich für eine nahezu farblose Euglena feststellen konnte. Die alte Geißel wurde dann in ca. 15 Minuten langsam eingezogen. Nächst der Vermehrung durch Längs-, seltener durch Querteilung (OxA'rrhisj, die verschieden lange Zeit andauern kann, sind Kopulations- zustäude bekannt. Entweder kopulieren aus rasch hintereinander folgen- den Teilungen (Vierteilungen bei Polj'toma) entstandene Merozoiten als Isogameten sofort (Pädokopulation) oder nachdem sie herangewachsen (zweigeißeliger Flagellat aus dem Eidechsendarm] sind ; bei den höheren Formen kommt es zur Ausbildung von Mikro- und Makrogameten. Au diese Befruchtungsvorgänge sind vielfach Cystenbildungeu geknüpft, wie überhaupt bei vielen Formen auch die Zwei- oder Mehrfachteilung in einem Cystenzustaude erfolgt. Bei den Flagellaten muss man einfache Schutzcysten, Kopulationscysten und Vermehrungscysten unterscheiden. Eigentliche Eeduktionsvorgänge vor der Kopulation wurden bis jetzt nicht beobachtet, falls man in gewissen Zwergzellbildungen (Polytoma) vor der Kopulation oder in der nach erfolgter Plasmenkopulation einti'etendeu Abgabe der chromatischen Stofie an das Protoplasma (Monas) analoge Prozesse nicht erblicken will. (Eine derartige Auffassung scheint jedoch unberechtigt zu sein.) Durch das Abwechseln von freibeweglichen Generationen, sowie von Kopulationszuständen, die mit einer Zygoteubildung (Kopulationsprodukt) abschließen, ist eine Art von Generationswechsel gegeben, der maunig- faclie Abänderungen und Komplikationen bei den verschiedenen Formen erleidet. Durch unvollständige Teilungen kommt es oft zur Bildung- von Kolonieen, die vielfach in festsitzende Zustände übergegangen sind. Die Flagellaten findet man in allerhand faulenden und stagnierenden Flüssigkeitsansammlungen, wie Pfützen, Tümpeln und Lachen; andere Formen sind für die Fauna des Meeres, der Seen und Teiche charakte- ristisch, nur ein geringer Bruchteil kommt in den Flüssen vor. Die niederen Formenreihen stellen auch einige parasitische Arten, die uns hier allein interessieren. Sowohl die Systematik als auch die Phylogenie der Flagellaten ist dem derzeitigen Stande unserer Kenntnisse nach sehr unvollkommen be- kannt; für die letztere erwachsen besonders aus dem Umstände, dass fast in allen Protozoengruppen flagellatenähnliche, zur weiteren Verbreitung der Art dienende Formenznstäude vorkommen, l)esondere Schwierigkeiten. Für eine Feststellung der systematischen Beziehungen entfallen hier aber zunächst alle physiologischen Momente der Beurteilung, da einerseits ganz nahe zusammengehörige Formen karbonassimilierende Piastiden besitzen, andererseits auch eine plasmophage, saprophytische oder mixtotrophe Lebensweise zu führen befähigt sind. Die Morphologie der Flagellaten ist ferner auch noch zu wenig erforscht; bei systematischen Unter- suchungen legt man derzeit auf die Zahl der Geißeln, Morphologie des Vorderendes, Kern- und eventuell Chromatophorenaufbau das Haupt- gewicht. Im allgemeinen teilt man die Flagellaten nach Blochmann in fünf Ordnungen ein: I. Protomonadina, IL Polymastigina, Handbuch der pathogeueu Mikroorgauismeu. I. Ö9 930 F. Dofleiu & S. v. Prowazek, III. Euglenoidina, IV. Chromomouaclina, V. Phytomonadina. Die zwei letzteren Orduuugeu haben nach Pflanzenart assimilierende Chromatophoren. Anch die dritte Ordmmg besitzt zahlreiche chlorophyll- führende Formen. In der Zukunft wird mau vielleicht nach den oben angedeuteten Gesichtspunkten eine primitive Gruppe der Protomonadinen als Polyaxonia den übrigen Flagellaten als Mouaxonia gegenüberstellen, auch Averden innerhalb der Ordnung der Protomonadinen die Bodoniden und Trypanoso- men (die den Geißeltypus III verwirklichen) eine schärfere Absonderung- erfahren — den größten Veränderungen dürfte aber die IL Ordnung der Polymastigina unterworfen werden. I. Ordnving: Protomonadina Bioehmann. Diese Ordnung umfasst die kleinereu Formen, die eben aus diesem Grunde noch mangelhaft bekannt sind. Sie besitzen eine oder mehrere Geißeln, die alle drei Geißeltypen verwirklichen. Meist kommt hier eine in der Bewegungsrichtung wirksame Hauptgeißel vor, der sich eine oder zwei Nebengeißeln hinzugesellen; aus einer derartigen Nebengeißel dürfte sich dann die nach hinten gerichtete Schleppgeißel entwickelt haben. Von den parasitischen Formen kommen zunächst Angehörige der Familie Cercomonadidae Kent emend. Bütschli in Betracht. Gattung Cercomonas Dujardiu emend. Bütschli. Körperform kugelig bis oval. Geißel meistens sehr lang; Hintereude zugespitzt, zuweilen amöboid. Der Bläschenkern liegt nebst einer oder zwei kontraktilen Vakuolen im Vorderende. Cytostom nicht ausdifte- renziert; Zweiteilung mehrfach beobachtet. 1. Cercomonas hominis Davaine 1854. Körper 0,010 — 0,012 mm lang; birnförmig; nach rückwärts ist er in eine Spitze ausgezogen, mit der sich die Tiere manchmal befestigen und hin- und herpendeln. Geißel ist zweimal so lang als der Körper. Der Kern ist schwer wahrnehmbar, dafür kommt vorne eine längliche Bildung von unbekannter Bedeutung zuweilen zur Beobachtung. Nebst dieser Form kommt nach Davaine noch eine kleine 0,008 mm lauge Varietät vor, die er in den Dejektionen eines Typhuskranken gefunden hatte. Die erstere Form wurde von demselben Autor in den Dejek- tionen Cholerakranker konstatiert. Cystenzustände hat Perroxcito be- schrieben. BßAUN führt auf die größere Form die von Eckercramtz und Tham im menschlichen Darm beobachteten Monaden zurück. Lambl fand gleichfalls in einer Echinococcusblase der Leber 0,005 — 0,014 mm lange Cerkomonaden, die an der Basis der Geißel eine Mundöfifnung und im hinteren Teil des Zellleibes eine ja auch zwei Vakuolen besaßen; er untersuchte auch Längsteilungszustände dieser Monade. Braun stellt alle diesbezüglichen Beobachtungen zusammen, die an die Namen von Janowski, Escherich, Cahen, Massiutin, Fenoglio, Die pathogenen rrotozoen. 931 CouxciLMAN & Lafleuk, Dock, Kruse & Pasquale, Junker, Quincke & Koos, Salomon g'ckuüpft sind ; dazu wäre noch Cunningiiam, Noth- nagel, MüLLKK, Lösch, Kartulis, Lutz & Berndt zu nennen. Viele dieser Autoren beobachteten die Cerkomonaden gleichzeitig in einer Ver- gesellschaftung von Amoeba coli. Gerade wie Trichomonas hominis nicht allein im Darm, sondern auch in den Respirationsorganen vorkommt, konnte Kannenberg und Streng eine Cercomonasform im Sputum bei Luugeugangrän beobachten; letzterem Autor zufolge vermehrten sich die Flagellaten sogar in einer Bouillonkultur, die bei Bruttemperatur gehalten wurde, auch Litten fand ähnliche Formen im Exsudat eines Falles von Hydropneumothorax. Ferner wurden im Harn Cerkomonaden gefunden und zwar beschrieb zuerst im Jahre 1859 Hassall einen Bodo urinarius, den er im alkalisch reagierenden allerdings nicht frisch abgelassenen Urin beobachtet hatte. Diese Angabe wurde aber eben aus diesem Grunde viel- fach angefochten. 1883 berichtete Künstler über einen ähnlichen Fund aus dem frischen Harn einer Kranken; in der Folgezeit nannte Braun diese Form, da sie zwei Geißeln und eine vornständige Vakuole besitzt, Plagiomonas uriuaria (syn. Bodo urinarius, Trichomonas irregularis, Plagiomonas irregularis). Barrois hält gleichfalls beide Bodoformen, sowohl die von Hassall als auch die von Künstler beschriebene, für identisch und sieht sie als unschädliche menschliche Parasiten an. Litteratur. Barrois, T., Quelqu. obs. au sniet d. Bod. nrin. Rev. biol. nord. France, t. 7, 1894/95, p. 165. Braun, M., Die tierischen Parasiten. Wiirzb., 3. Aufl., 190.3. Dort weitere Litt. Cahex, Ueber Prot, im kindl. Stuhl. Deutsche med. Wochenschr., 1891, Nr. 27. Davaine, Monadines. Dictionaire encvcl. d. sciences med., ser. 2, vol. 9. 1S75. Eckercraxtz, Virehow-Hirschs Jahresber. 1869, Bd. 1, S. 202. Has.sall, Oü the development of Bodo urinarius etc. T. Lancet 18.59, vol. 2, p. 503. Junker, Ueber das York. v. Cercom. int. u. s. w. Deutsche Ztschr. f. prakt. Med., 1878, S. 1. Kannenberg, Ueber Infus, im Sputum. Virch. Arch., Bd. 85, 1879. Kruse & Pasquale, Unters, üb. Dysenterie. Ztschr. f. Hyg., Bd. 16. 1894. Lambl, Cercomonas et Echinococcus in hepate hominis. Med. Wjestnik 1875. Litten, Ueber Hydropneumothorax. Verb. d. Kongr. f. inn. Med. 1880, S. 417. Massiutin, Kef. Centralbl. f. Bakt., Bd. 6, 1889. May, E., Cercomonas coli hominis. Deutsches Arch. f. klin. Med., Bd. 49, 1891. Müller, Elt fynd af cercomonas intest, i jejununi etc. Nordeskt med. Arkiv, Bd. 21, Heft 4, Nr. 24, p. 1—12, 1889. Ref. Centralbl. f. Bakt., 1890. Perroncito, Ueber die Art der Verbreitung des Cercomonas intest. Academia d. med. zu Turin, 24. Feb. 1888. Centralbl. f. Bakt., 2. Jahrg., Bd. 9, S. 220. PiccARDi, Alcun. protoz. d. feci d. uomo. Giorn. R. Accad. med., t. 58, 1895. Roos, E., Ueber Infus. Diarrhoe. Deutsches Arch. f klin. Med.. 1886. Salisbury. On the paras. forms devel. in ep. cells of the urin etc. Amer. journ. med. sc, 1868. Streng, W., Infus, im Sputum bei Lungengangrän. Fortsch. d. Jled., Bd. 10, 1892. Tham, S., On the paras. forms devel, 1870, vol. 1, p. 314. Ungenügend bekannt sind folgende Cerkomonaden: Cercomonas (Monas) anatis Davaine aus dem Darm der Enten, Cerco- monas canis Gruby und Delafond aus dem Magen des Hundes, Cerco- monas gallinarum Davaine 51 u lang und 5 ii breit, aus dem Darm der Hühner. Beim Meerschweinchen kommen drei Arten vor: C. ovalis, pisiformis und globulus; die zwei letzteren sind nach Perroncito pathogen (vergl. Centralbl. f. Bakt. und Parasit., H. Jhr., IV, S. 220, 1888). 59* 932 F. Doflein & S. v. Prowazek, Gattung- Trypanosoma Gniby. Die Gattung- Trypanosoma scheint durch die Gattung Trypauo- plasma, die ein zweites lieruähnliches , von Laveran & Mesnil als Ccntrosom gedeutetes Gehihle führt, mit den Bodonaceen verwandt zu sein, die auch ein hochdifferenziertes sogenanntes Geißelsäckchen, von dem die beiden Geißeln terminal entspringen, besitzen. Sie umfasst durchweg parasitische Formen der Wirbeltiere und einiger Wirbellosen (Siphonophoren und Bryozoen, letztere Angabe gründet sich auf eine einzige eigene Beobachtung), die mit einer nach vorn gerichteten Haupt- geißel und einer undulierenden Membran ausgestattet sind. Der Zell- leib ist länglich und mehr oder weniger spiralig gedreht. Die Geißel steht zu einer sogenannten Geißelwurzel in Beziehung, deren Bedeutung bis jetzt noch etwas kontrovers ist. Laveran & Mesnil nennen sie Centrosom, wäh- rend sie von Stassano, Flimmer & Bradford mit einem Micronucleus ver- glichen wurde. Senn fasst sie als einen vom Kern un- abhängigen zum sogenannten Feriplast gehörenden Ble- pharoblast auf Das Proto- plasma scheint dicht und feinkörnig zu sein. Der Kern ist eiförmig-, gleich- talls dicht und körnig. Die Vermehrung erfolgt im frei- beweglichen Zustand und ist als eine Längsteilung gut charakterisiert , sie wurde für Trypanosoma lewisi von KeMPNER -EaBINO WITSCH, ^. ,„ ^ ... 17 , . üi ^ vor allem aber von Senn- Fig. 48. Trypanosoma lewisi Kent aus dem Blut tat . ,^1,-7 i- -. t f- 11 einer Eatte (nach Kempner & Rabinowitsch vv asielewski, lur zaui- aus DoFLEiK). reiche andere Formen schließ- lich durch Laveran & Mesnil festgestellt. Rasch hintereinander ablaufende Vermehrungen geben Anlass zur Bildung von rosetteuf örmigeu Kolonieen, die Laveran & Mesnil sowie Schneider & Buffard u. a. beobachtet haben. Kopulation wird von Bradford & Flimmer für Trypanosoma brucei angegeben. Wenden wir uns nun der Betrachtung der einzelnen Arten zu, so beansprucht zunächst Trypanosoma (Herpetosoma) lewisi (Kent) ein gewisses Interesse. Sie ist besonders bei den Ratten (25 — 29^) so- wie bei den Hamstern häufig ; als Wirte gelten demnach Mus decumanus, Mus rattus, Mus rufescens und Cricetus arvalis. Ihre Länge beträgt samt der Geißel 8 — 80 /<, Breite 2—3 //. Die Geißelwurzel stellt ein kurz-stabförmiges quergestelltes Gebilde dar, das sich bei der Teilung- vielfach zuerst teilt. Der dichte Kern liegt meistens im ersten Körper- drittel. Durch rasche Teilungen entstehen rosettenförmige Kolonieen, in deren Mitte oft die Mutterzelle noch deutlich konstatierbar ist. Gros 1845, Chaussat 1850 u. a. haben schon verschiedene »Würmcheu« im Die pathogenen Protozoen. 938 Bhitc der Eatten beobachtet, die in der Folp:ezeit zu vcrsfhiedcnen Kontroversen den Anlass gaben, erst Lewis bat aber diese Formen bei der Ratte genauer untersuclit und Kext nannte sie dann Herpetomonas lewisi. Weiter haben die Form Kempxek & Kabinowitscii sowie Senx- Fig, 41. Fig. 42. Fig. 43. Fig. 41 — 43. Trypanosoma lewisi (Kent), Teilungsstadien (nach Laveran & Mesnil). Wasielewski einem sorgfältigem Studium unterworfen, während schon früher mehr oder weniger vorübergehend Witticii, Koch und Crooks- HAXK auf unsere Form die Aufmerksamkeit gelenkt hatten. Das Flagellat kommt im Venen- und Arterienblut der Ratten und Hamster vor und be- wegt sich hier sehr rasch nach Art der Spirillen; bisweilen ruft es ganze Epidemieen hervor, die den Tod der Wirtstiere (graue Ratten) herbeiführen. Fig. 44. Fig. 45. Fig. 44 n. 45. Trypanosoma lewisi (Kent), Entstehung rosettenf ürmiger Kolonieen nach Lavekan & Mesxil). Im allgemeinen wurde es in anscheinend gesunden Tieren gefunden. Uebertragungsversuche wurden schon mehrfach in Angriff genommen. so von Vaxdyke , Cakter, ferner Koch, dem es in Afrika gelang, Trypanosomen auf nicht infizierte Ratten zu übertragen. Rabix.owitsch & Kempxer führten mit Erfolg intraperitoneale Verimpfuugen des mit 934 F. Doflein & S. v. Prowazek, physiologischer Kochsalzlösung etwas yerdüniiteu Tiypauosomeuhliites aus. Auch gelaug es ihnen, Tiere aktiv und passiv zu immunisieren. Infiziert man weiße Ratten mit trypanosomeuhaltigem Blut grauer Eatten, so machen sie eine Krankheit von mäßiger Dauer durch und sind gegen die folgenden Infektionen immun. Uebertraguugen auf andere Tiere er- wiesen sich als erfolglos. Die Uebertragung scheint durch blutsaugende Insekten, wie Flöhe und Läuse, zu erfolgen (? Wasielewski). Laver an & Mesxil gelang es, Ratteutrypanosomen IV2 Monate im Blute bei +5 bis 7° C im Eisschrank zuhalten; setzt man ferner unter diesen Umständen dem Blute noch physiologische Kochsalzlösung hinzu, so tritt bei dieser Form eine charakteristische Agglomeration der einzelnen Tiere in Morgeusternenform auf, wobei die Geißeln nach außen gerichtet sind (Fig. 46). Stassano, der auch Kopulationsstadien (?) beschrieben hatte. Fig. 46. Agglomeration von Trypanosoma lewisi Kent (nach Laveran & Mesnil). beobachtete unter Umständen eine ähnliche Erscheinung, nur dass die Geißeln zentralwärts gerichtet waren. Serum anderer Tiere, z. B. der Hühner, Hunde, Hammel u. s. w. beeinflusst auch in der von Laverax & Mesnil beschriebenen Weise die Flagellaten, sofern es nur auch die Rattenblutkörperchen agglutiniert. Laveran & Mesnil konnten die Immunisierungsbeobachtungen von Kempner & Rabirowitscii be- stätigen und w^aren außerdem in der Lage, festzustellen, dass das Blut- serum immunisierter Tiere keine baktericide Kraft den Trypanosomen gegenüber besitzt, sondern sie nur agglutiniert, ohne sie zu immobili- sieren. Injiziert man nach Laveran & Mesnil immunisierten Ratten intraperitoneal die Trypanosomen, so werden diese vielfach im beweg- lichen Zustande einzeln von den Phagocyten aufgenommen, um sodann nach Art der Spirillen verdaut zu werden. Auch verschwinden sie Die pathogenen Protozoen. 935 uaeli einiger Zeit in dem iiitraperitouenleii Exsudat der Meerseliweinchen, die gegen sie innnun sind, indem sie von den Makrophagen aufgenommen werden. — Der weiter nicht unterseheidbare Schmarotzer des Hamsters ist nicht auf die Ratte übertragbar und umgekelirt, es kam liier dem- nach zur Bildung von zwei physiologisch verschiedenartigen Eassen! Litteratur. Crookshaxk, Journ. Roy. microsc. soc. ser. 2, vol. 6, 1880. Daxilewsky, Parasitologie comparee du Sang Charkoff, 1889. DoFLEiN, Protozoen als Krankheitserreger, 1901. Kent, Manual of Infusoria, 1882, p. 245. Labbe, Bull. soc. zool. France, t. 16, 1891, p. 229. Laveran, A., Des trypanosomes du rat. La semaine med., Nr. 2, 1900. Laveran, A. & F. Mesnil, Sur le mode de mnltiplieatiou du trypanosome du rat. Compt. rend. soc. biol., p. 976— 980, 17. Nov. 1900. — Dies.. Sur la nat. centrosomique du corpuscule cbromatique posterieur d. tryp. Ibid., p. 329 — 381, 23. März 1901. — Dies., De la longue conservation ä la glaciere des trypanosomes du rat et de Tagglomeration de parasit. Ibid., t. 411, Nr. 29, p. 816 — 819, 1900. — Dies., Sur l'agglutination des trypanosomes du rat par divers serums. Ibid., Nr. 34, p. 939 — 943, 1900. — Dies., Recherches mor- pholog. et experiment. sur le Tryp. d. rats. Ann. Past., t. 15, p. 673, 1901. Metschxikoff, E., Immunität bei Infektionskrankheiten. Fischer. Jena 1902. MiTROPHANOW, Biol. Centralbl. Bd. 3, 1887. Rabino WITSCH, L. & W. Kempxer. Beitrag z. Kenntnis der Blutparasit, sp. der Rattentrypanosomen. Ztschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 30, 1899, S. 251-294. Senn, G., Der gegenwärtige Stand unserer Kenntnisse u. s. w. Arch. f. Protisten- kunde, Bd. 1, 1902. Stassano, H., Contribution ä l'etude du Trypanosome. Compt. rend. soc. biol., t. 53, 1901, p. 14—16. Wasielewski & Senx, Beiträge zur Kenntnis der Flagellaten des Rattenblutes. Ztschr. f Hyg. u. Inf, Bd. 35, S. 444ff., 1900. 2. Trypanosoma brucei Flimmer u. Bradford. Das Flagellat ist der vorhergeuanuten Form sehr ähnlich, nur ist die Zelle etwas breiter, und das Hinterende ist abgestumpft. Der uu- duliereude Saum ist gleichfalls breit. Das Chromatin des Kernes löst sieh manchmal staubförmig auf, eine Erscheinung, die vielleicht auf eine periodische Regulation der konstanten Relation der Protoplasma- und Kernmasse, die man bei Protozoen so häufig beobachten kann, zurück- zuführen wäre (vgl. Hertwigs Protozoenstudien) ; dicht vor der Geißel- wurzel liegt nach einigen Angaben eine kontraktile Vakuole (?). Größe des Parasiten: 25 — 30 a Länge samt der Geißel und 1,5 — 2,5 ,u Breite. Nach ZiEJiANX beträgt die Geißellänge V3— V4 der Körperläuge, die 16 — 18 — 20 /.i, bei kleineren Tieren IIY2 — 14 fi zur Breite von 2 u umfasst. Die Vermehrung erfolgt durch Längsteilung, bei der sich auch zuerst der Blepharoblast teilt. Plimmer & Br.vdford nehmen noch eine Querteilung an, doch dürfte diese iVnnahme auf Irrtum beruhen. In der letzten Zeit hat Martini die Teilungsart genauer untersucht und konnte nur Längsteilungszustände nachweisen. Auch Konjugationsstadien haben die genannten Autoreu beobachtet allerdings nicht auf Grund von kontinuierlichen Untersuchungen), wobei sie eine Verschmelzung der von ihnen als Micronuclei gedeuteten Blepharoblasten wahrgenommen haben wollen. Ziemann giebt an, dass bei der Kopulation der eine Parasit sich mit dem hinteren Ende an das Vorderende des anderen anlegt. — Ziemann fand stets einige Formen, die sich mit Farbstoffen stark blau färbten, und glaubt daher »weibliche« und »männliche« Orga- nismen unterscheiden zu müssen. Flimmer & Bradford vertreten die 936 F. Doflein & S. v. Prowazek, Ansicht, dass der Parasit in »mehreren Formen« im Blute vorkommt, denn das Bhit des Hundes ist zwei Tage »ehe erwachsene Trypanosomen im Blute gesehen werden können« schon ansteckungsfähig; die genannten Autoren beschreiben auch sog. Plasmodienformen, welche besonders im Blute milzlos gemachter Tiere vorkommen, während sie sonst gerade in der Milz anzutreffen sind. Im Gegensatz zum Trypanosoma lewisi erträgt Trypanosoma brucei nach Laveran & Mesnil die Unterkühlung sehr schlecht, höhere Temperaturen von 44—45" vernichten gleichfalls die Flagellaten. Die Agglutination gelingt besonders gut bei Mengen von gl. Teilen defibriuierten Eatten- oder Mäusebluts mit normalem Pferde- serum. Das Serum von gegen Trypanosoma lewisi immunisierten Tieren agglutiniert Trypanosoma brucei nicht. — Für die Untersuchung empfiehlt zunächst Plimmer & Bradford die Methode des hängenden Tropfens mit Paraffineinrahmuug; die undulierende Membran kann gut durch einen Zusatz von Citronensäurenatron zu dem Blut, das in einen kleinen Tropfen einer Iproz. Gelatinelösung etwas eingedickt wurde, verdeutlicht werden. Sonst wird die übliche Deckglasausstrichmethode mit Romanowskis Färbung empfohlen. Schilling stellte zu diesem Zwecke das Methylenblau nach Ruges Vorschrift (Dtsch. med. Wochen- schrift 1900 Nr. 28, Iproz. Lösung) her, filtrierte es nach 48 Stunden und setzte zwei Tropfen Iproz. Eosiulösung B. A. hinzu. Heidenhains Eisenhämatoxylin liefert bei diesen Tieren keine guten Resultate. An den Deckglasausstrichpräparaten werden manche Stadien aber etwas verzerrt und so scheint eine geeignete Massenkonservierung in der Tube mit nachfolgender Zentrifugierung hier gleichfalls am Platze zu sein. Laveran & Mesnil haben auch Vitalfärbungen mit Neutralrot, Methylen- blau und Toloidinblau vorgenommen. Unsere Form wurde von Bruce (99) entdeckt und bei der Kuduanti- lope, Wildbeest, Buschbock, Büffel und Hyäne nachgewiesen. Koch beschäftigte sich zuerst mit Immunisierungsversuchen. Trypanosoma brucei findet sich im Blut der Rinder, Büffel, Pferde, Esel, Kamele^ Ziegen, Antilopen, Schweine, Hunde und Hyänen vor, sie ist demnach für viele Säugetiere pathogen, eine Ausnahme scheinen Schafe und afrikanische Ziegen zu bilden. Auch die wilden Tiere sind ihr gegenüber nicht immun, nur dass bei ihnen die Krankheit einen leichteren Verlauf nimmt. Menschen und Vögel (?) scheinen dagegen immun zu sein. Der Parasit verursacht die sog. N a g an a oder Tsetsefliegenseuche, die bis jetzt schon in den verschiedensten Gegenden Afrikas fest- gestellt wurde und besonders in Süd- sowie Südostafrika, ferner im Westen in Togo (Koch) in Deutsch- und Britisch-Ostafrika verbreitet ist. Im Zululande wird die Krankheit Nagana genannt, manche Autoren nennen sie auch Surra. Ziemann konnte konstatieren, dass der Küstenstrich ganz Oberguineas beziehungsweise dessen Hinterland verseucht sei. Nach Schilling nennen die Tschantschoreiter die Krankheit Dandala, in Mangu wird sie nach der Tsetsefliege pjudi (pjoli pjuli) genannt. Die Symptome der Krankheit sind: Abmagerung, Schwellung der Testikel des Penis, der Fesselgelenke und das Auftreten einer strang- artigen Schwellung, die zwischen den Vorderbeinen bis in die Mittel- bauchgegend verläuft. Die Augen sind matt, oft mit eitrigem Schleim bedeckt und erblinden manchmal. Auffallend ist auch das Oedem des Präputiums; die Oedeme an Bauch und Beinen sind meist hart. Der Hämoglobingehalt des Blutes beträgt nach Schilling mit dem Goder- Die pathogenen Protozoen. 937 loch- Pleuni sind die Lymph- beim Hunde sehen Hämog-lobinometer bestimmt 2b— 30^. Die Temperatur ist crliijlit und beträgt 88,2—40,0". Nach Martini ist die Milz der Sitz der Hauptzerstürung, auch vermehren sich diesem Autor zufolge die Para- siten vor dem Tode des Tieres sehr stark. Die Sektion ergab gradige Anämie, die Lunge ist sehr blutarm, unter der dunkelrote Fleckchen, die Milz ist vergrößert und schlaff, drüseu des Halses sind geschwellt, weich. — Bruce fand 14 Tage nach der Einspritzung 140,000 Flagellateu in 1 ccm Blut, gleich- zeitig sank die Zahl der roten Blutkörperchen in bedeutender Weise, so beim Pferd von 51/2 Millionen auf 21/2 Millionen pro Kubikcentimeter, bei einem anderen Tier von 4 Millionen auf 1600,000 im Kubik- centimeter. Die Inkubationszeit beträgt bei natürlicher Infektion nicht mehr als 9 Tage; die Krankheitsdaucr schwankt zwischen 43 Tagen bis 8 und mehr Monaten. Heilungen scheinen nach Koch gar nicht oder nur selten zu erfolgen. Die Krankheit wird durch den Biss einer Fliege, der Tsetsefliege (Glossina morsitans Westw.), die mit unserem Wadenstecber Stomoxys calcitraus M. verwandt ist, übertragen — das Verbreitungs- / i feil \ ^ Fig. 47. Glossina morsitans Westw. die Tsetse-Fliege fn. Laveran & Mesnil). gebiet der Krankheit fällt auch im allgemeinen mit dem Verbreitungs- gebiet dieser Fliege zusammen. Diesen eigenartigen Zusammenhang haben schon seit alter Zeit die Tierzüchter sowie Reisende, die jene durch- seuchten Landstriche bereist hatten, vermutet, den diesbezüglichen Beweis führte aber erst Bruce, indem er mit Hilfe der Fliege Pferde, Esel, Rinder und Hunde infizierte. Nach Sander soll als Ueberträger noch eine Stomoxysart wirksam sein und zwar soll sie besonders die Frühjahrs- erkraukuugen verursachen, weil sie früher im Jahre fliegt als die Tsetse- fliege. Anch LiviNGSTONE hatte schon früher auf andere Ueberträger als die Tsetsefliege hingewiesen. Dieser Auffassung trat aber kürzlich Martini entgegen. Nach Schilling kommen von der Gattung Glossiua alle drei Arten in Togo vor und zwar Glossina longipalpis Wiedem. (syn. mit morsitans Westw.), Glossina tachinoides und tabaniformis. Die Fliegen treten in großei- Menge in den Flussniederungen mit hohem Schilf auf und zeichnen sich durch besondere Blutgier aus, sie stechen sowohl bei Tag als auch in hellen schönen Vollmondnächten, nur bei völliger Dunkelheit ist das Vieh vor diesen Quälgeistern sicher. Die Krankheit wird durch das Insekt vom AVild auf die Haustiere über- tragen. Die Infektiosität des Insekts hält 48 Stunden nach dem Biss an einem kranken Tiere au. Bruce konnte die Flairellateu auch iu 938 F. Doüein & S. v. Prowazek, der Fliege selbst nachweisen, und verglicli sie anfünglicli mit dem Trypanosoma evansi, bis Lingard auf den Irrtum aufmerksam gemacht hatte. 46 Stunden nach dem Bissakt fand Bruce noch lebende Trypa- nosomen im Fliegenrüssel vor, wie mau sie auch 118 Stunden hernach im Magen in dem dunklen Blutcoagulum nachweisen konnte. Bei Hunden und Pferden tritt nach dem Stiche keine wahrnehmbare Schwellung auf und demnach dürfte hier kein so giftiger »Speichel« wie bei den Moskitos produziert werden (Schilling). Der Rüssel der Fliege ist sehr fein und röhrenförmig. ■ — Künstliche Uebertragungen nahmen Laveran Sc Mesnil vor, die bei IMäuseu und Ratten 24 Stunden nach intraperitonealer, 36 bis 48 Stunden nach subkutaner Injektion Trypanosomen im Blute nach- weisen konnten. Impfversuche hat ferner Schilling am Esel, Rind, an der Ziege, am Schwein und Hunde vorgenommen; hochempfindlich waren das Pferd und der Hund. Nach Lateran & Mesnil sind für diese Trypanosomeu alle Säugetiere empfänglich. Sechs Tage nach subkutaner Injektion von 10 ccm parasiten- haltigem Blut hatte ein Pferd die ersten nachweisbaren Trypanosomeu im Blute und ging nach 36 Tagen ein. Gegen die ostafrikanische Tsetse- krankheit stellte Schilling folgendes Prinzip der Immunisierung fest: der Naganaparasit kann sich leicht anderen Wirten anpassen und diese Er- scheinung wird zur Herabsetzung der Virulenz für die jeweilige Tierart benutzt. Für Passagen durch andere Tierarten werden vor allem Ratten und Hunde verwendet und der Parasit seiner für das Rind tödlichen Eigen- schaften beraubt. Die diesbezüglichen Versuche sind noch nicht ab- geschlossen. Sander unterscheidet zwei Typen der Tsetsekrankheit, a) einen stürmischen, meist tödlich verlaufenden, durch schwere Bauchödeme charakterisierten Typus und b) einen chronischen, an linsenförmigen Hautauschwelluugen erkennbaren leichteren Typus; der Parasit der ersteren Form soll auch kleiner sein und ein glashelles Protoplasma besitzen. Nach Laveran & Mesnil 1902 ist der Erreger des Mal de caderas, der Kruppenkrankheit der Pferde im Centrum von Südamerika, den Voges untersucht hatte, mit der Trypanosoma brucei identisch. — Im allgemeinen sind die Trypanosomenkrankheiten durch Anämie, remittierendes Fieber, Oedem und Parese charakterisiert. Ihre verderbliche Wirkungen führen Laveran & Mesnil mit Kanthack, DuRHAM & Blandforü auf bestimmte noch nicht genau nachgewiesene toxische Substanzen zurück. Nach den neueren Untersuchungen von Laveran & Mesnil gelang es aber nicht, einen spezifischen Giftstoff zu isolieren. Auch in Kollodiumsäckchen eingeschlossene Trypanosomen, die in die Bauchhöhle von Meerschweinchen gebracht wurden, erzeugten keine Symptome von Giftwirkung. Metschnikoff Avies darauf hin, dass die beweglichen Tierchen zeitweilig die engen Gefäße verstopfen und vielleicht in diesem Sinne zum Teil auch schädlich sind (vgl. die Embolie- plaques der Dourine). Litteratur. Bradford, J. R. & Plummer, H. G., The Trypanosome Brucei, the organism found in Nagana or Tsetse-Fly Disease T. Quart. Journ. microscop. science, vol. 45. Bruce, Dav. , Tsetsefly-Disease or Nagana in Zuluhind. Preliminary Rep. Bennett and Davis, Durban 1894. Centralbl. f. Bakt, Bd. 19, 1896. S. 955. — Ders., Furtlier Report on the Tsetsefly disease etc., London 1897. DoFLEiN, F., Die Protozoen als Krankheitserreger, 1901. Kanthack, Durham & Blandford, lieber die Nagana oder die Tsetsefliegen- krankheit. Hygienische Rundschau, Bd. 8, 1898. Die pathogenen Protozoi-n. 939 Laveran & Mesxil. f., Siir le mode de multiplicntion du Tiypauosome du Nagana. Compt. rend. de la soc. de biol.. p. 32()— 32;), 28. März 1901. — Dies., Re- cherches morpliologiques et experimentales sur le Trypanosome du Nagana. Annales de Tinstitut Pasteur. vol. 16, p. 1 — öö, 1902. Martixi, Ueber die Entwicklung des Tsetseparasiten in Säugethieren. Ztschr. f. Ejg. Bd. 42, S. 345. 190:i. Sander, Dtsch. Kolonialkongr. 1902. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhyg., Bd. 8. 1902. Schilling, Drei Berichte über die Surrakrankheit u. s. w. Ceutralbl. für Bakt., A. 1, Bd. 30. S. 545. Bd. 31, S. 452 u. Bd. 33, Nr. 3, S. 184, 190:i. Ferner Deut- sches Kolonialbl.. 1902, Heft 13, 14, 15. Stuhl-maxn, Notizen über die Tsetsefliege u. s. w. Ber. über Landw. und Forst- wirtschaft in Deutsch-Ostafrika, Bd. 1, 1902, S. 137—153. ZiEMANX, Tsetsekrankheit in Togo (Westafrika). Berl. klin. Woch.. 1902, Nr. 40. ZiEMAxx, Vorlauf Bericht üb. d. Vorkommen d. Tsetsekrankheit i. K. Kamerun. Med. Wochenschrift, 1903, Nr. 13. 3. Trypanosoma evansi Steel. unterscheidet sich von den liattentrypauosomeu zunächst durcli eine bedeutendere Durchschnittsgrüße, denn die Län^'e dieser Flagellateu beträgt 20 — 30 «, die Breite 1 — 2 a. Von dem Trypanosoma brucei kann man sie an dem zugespitzten Hinterende unterscheiden. Von vielen Autoren wird aber diese Form mit der Trypanosoma brucei identifiziert. Die Zelle scheint v(ni einer dichteren Niederschlagsmembran umgeben zu sein, da absterbende Formen, sowie Individuen in trocken angefertigten Präparaten an dem einen Ende wie geballt erscheinen. Auch hier ist ein deutlicher Blepharoblast entwickelt. Ueber die Art der Vermehrung liegen bis jetzt keine eingehenden Untersuchungen vor. Ckuokshank hat gewisse Bilder seiner Präparate als Verschmelzungsstadien gedeutet, ihm gelang es auch für diese Form die charakteristischen, oft beschrie- benen Rosetteubilduugen festzustellen. — Steel untersuchte gleichfalls die genannte Form, fasste sie aber als eine riesige Spirochäte auf, dagegen gebührt Evans das Verdienst, im Jahre 1880 genauer die mori)hologischen und biologischen Verhältnisse unserer Parasiten festgestellt zu haben. Als Wirte von Tr. evansi sind zu betrachten: Pferde, Kamele, Ele- fanten, Büffel, auch sollen die Flagellaten auf Hunde und Affen übertragbar sein. Trypanosoma evansi gilt als der Erreger der Surrakrankheit, die besonders in Vorder- und Hinterindien, sowie in niederländisch Indien zur Beobachtung kam. Penxing konnte sie unter den Büffelherden in den Bezirken von Semarang und Rembaug nachweisen. Klinisch legten die Tiere folgendes Verhalten an den Tag: Abmagerung, Temperatur- schwankuugen, schleimige Entzündung der Cornea und der Nasenschleim- haut, auch sind manchmal Hautausschläge in der Unterbauchgegend konstatierbar. Anatomisch ist die Vergrößerung der Leber auffallend, auch kommen Epikard- und Darmsclileimhautblutungeu vor. — Ueber- tragungen gelangen auf Kaninchen, Meerschweinchen, Hausratten, Mäuse, Hunde, Katzen und Affen. Den Parasiten kann man nur zur Zeit der Temperatursteigerung im Blute nachweisen. Penxing gelang es durch Fütterung mit der Leber eines infizierten Kaninchens einen Hund anzustecken; auf Grund dieses vorsichtig ausgeführten Experimentes fordert P. die Sanitätsorgane auf, sti-eng darauf zu achten, dass das Fleisch surrakranker Tiere vernichtet wird. Die Art der Einwirkung der Flagellaten auf das Blut des Wirtes ist bis jetzt noch dunkel. Evaxs verfocht anfänglich die Ansicht einer aktiven Zerstörung der Blutkiirper von selten der Flagellaten, doch dürfte sich bald eine solche Annahme als unhaltbar herausstellen. Der Ueberträgcr der Krankheit ist vermutlich auch hier eine Fliege. Von Interesse ist ferner die Erscheinung, dass 940 F. Dofleiu & S. v. Prowazek, das Eiudvieli der Infektion mit Trypauosoma brucei erliegt, während die durch Tryp. evausi erregte Krankheitserscheinung meist mit einer Heilung beendet wird. Es können aber hier auch Verschiedenheiten der Eindviehrassen im Spiele sein. Litteratur. Die Litteratur über diese Form ist schwer erhältlich, doch mögen hier wenigstens die Citate angegeben werden. Crookshank, E., Flagellated Protozoa in the blood of diseased and apparently healtby animals. Journ. of the Royal micr. society, 1897. DOFLEiN, F., Die Protozoen als Krankheitserreger, 1901. Evans, Report pnblished by the Penyab Government Military department, 1880. Koch, R., Reisebericht über . . . Surrakrankheit. Berlin 1898. LixGARD, Report on Horse Surra, Bombay 1893, dann Further Report . . . 1894 u. 1895, dann Report on an outbreak of Surra, Bombay 1895/96. Penning, C. A., Verdere Warnemingen bet. Surra in Ned. Indie. Veeartseniikun- dige Bladen vor Neederlandsch Indie. Batavia, Deel VIII, 1900. Steel, J. A., An Investigation into an obscure and fatal disease among transport mules in Britisch Burma 1885. Trypanosoma equiperdum Doflein (Syu. T. EouGETi, Laveran & Mesnil). Diese von Koüget 1896 entdeckte Form ist bis jetzt auch noch nicht völlig morphologisch genau untersucht. Das Hinterende des Flagellaten ist schnabelförmig, der Kern liegt am Vorderende, eine Geißelwurzel und undulierende Membran wird auch hier angegeben. Länge: 18 — 30 /< (ohne Geißel), Breite: 2—5 u. Nach Buffard & Schneider wandert der Kern an die Geißelwurzel und es erfolgt eine Längsteilung, die sowohl am Vorder- ais auch am Hinterende gleichzeitig einsetzt. Auch eine Art von Eosetten- Fig. 48. Trypanosoma equiperdum. Ä nach 4 Tagen (Rattenblut), B nach 8 Tagen (nach RouGET aus Doflein). bildung wurde beschrieben. Als Wirte dieses Parasiten gelten vor allem Pferde und Esel in Algier, Südfrankreich, Sumatra (De Does), Navarra und in den Pyrenäen, auch auf Kaninchen, Eatten, weiße Mäuse und Hunde ist dieser Parasit übertragbar. Trypanosoma equiperdum gilt als der Erreger der Beschälkrankheit oder »Dourine« der Equiden mäla- die ducoit). Symptomatisch sind für die erwähnte Krankheit Flecken in der Haut (»plaques« nach 40 — 45 Tagen), Oedem des Penis, sowie Veränderung der Schleimhäute. Auch werden die Flagellaten in den Die pathogenen rrotozot'ii. 941 Exsudaten der Aiig-en gefunden. Abgesehen von den weißen Mäusen, verschwindet bei den übrigen daraufhin untersuchten Tieren der Parasit zeitweilig aus dem Blute und man ündet ihn besonders in der sehr an- geschwollenen Milz. RouGET, der den Organismus in dem Blute eines Pferdes aus dem Eemontegestüt zu Constantinc (Algier) fand, meinte, dass die Ueberti'agung des Parasiten durch den Coitus erfolge; eine Annahme, die Nocard sodann bestätigen konnte. Die ersten Krank- heitserscheinungen traten 8 — 15 Tage nach dem Coitus ein. Der Parasit vermehrt sich in dem Blute des künstlich infizierten Tieres derart rasch, dass schon im Blute der Ratte nach 8 Tagen mehr Trypanosomen als rote Blutkörperchen im mikroskopischen Gesichtsfeld nachweisl)ar sind. — Nocard*) will mitBuFFARD & Schneider die Dourine mit der Surra und Nagana identifizieren, doch können gegen einen solchen Versuch, die beiden Flagellaten zusammenzuziehen, verschiedene Bedenken geltend gemacht werden, vor allem mag hier nur auf das beiderseitige morpho- logische Verhalten, sowie auf die Unmöglichkeit die Krankheit auf Wiederkäuer zu übertragen hingewiesen werden. Durch Ueberstehen der Krankheit erwerl:)en die Tiere (vor allem Esel) eine relative Immunität. RoüGET stellte den Versuch an, auch die Parasiten zu kultivieren, je- doch mit negativem Resultat. Kaltblüter sind für Uebertragungsversuche unempfindlich. Die Uebertragungsversuche auf Ratten müssen insofern mit Vorsicht aufgenommen werden, als von den Autoren nicht immer berück- sichtigt w^urde, dass die Ratten selbst eigene Trypanosomen besitzen. Nach RoüGET genügen 4 Tropfen parasiteuhaltigen Blutes in den Konjunktival- sack der Mäuse, Kaninchen und Hunde, die sehr empfänglich sind, um die Krankheit zu erzeugen; Injektionen in den Verdauungskanal fielen dagegen stets negativ aus. Die Daner der Krankheit der Mäuse, die fast immer einen tödlichen Ausgang nahm, betrug 11 — 15 Tage, beim Kanin- chen 1 — 4 Monate; gleichzeitig machten sich bei Kaninchen und Hunden deutliche Störungen des Allgemeinbefindens bemerkbar, wie unregel- mäßiges Fieber, starke Gewichtsabnahme, Dilatation der Gefäße mit nachfolgendem Oedeni beziehungsweise Exsudat in die Leibeshöhle. Be- sonders angegriffen waren die Seh- und die Geschlechtsorgane; die ersteren erkrankten unter dem Bilde einer schleimig-eitrigen Conjuncti- vitis mit nachfolgender Erkrankung des Bulbus, die letzteren waren öde- matös und zeigten eine Ulzeration der Schleimhäute. Beim Weibchen er- erfolgte oft Abort, dagegen enthielten die Föten keine Parasiten. Durch fortgesetzte Passagen durch eine Tierart konnte Nocard die Virulenz der Krankheitserreger für diese Tiere steigern, während wieder sonst em])fänglichere Tiere sich ihm gegenüber refraktär ver- hielten. Auch künstliche Uebertragungsversuche auf Pferde (Wallache), Esel und Hunde wurden ausgeführt. Litteratur. BuFFARD & Schneider. La donrine et son parnsite. La sem. med., 1900. Nr. 34. DoFLEiN, Die Protozoen als Parasiten n. s. w. PJOL Nocard, Bullet. Acad. med., juillet 1000. EouGET, J., Contrib. ä Fetude du trypan. de mamiferes. Ann. Past., 1. 101, 896, Nr. 12. Sexn. Der gegenwärt. Stand uns. Kenntn. u. s.w. Arch. f. Protistenk.. Bd. 1. 1902. Weber & Nocard. Sur des notes de M. Biffard & S<'iineidei; concernant Totude exp. de hl dourine du clieval. Bull, de TAcad. de med., 1900, 31. juillet. In der letzten Zeit untersuchte Voge.s die im zentralen Südamerika häufifi-e Pferdekraukheit — Mal de C ade ras — des genaueren. Auch *j Hat in der letzten Zeit seine Ansicht geändert. 942 F. Doflein & S. v. Prowazek, hier Avurde ein Trypauosoma als Krankheitserreger nachgewiesen. Der Körper des Trypanosoma , das im Blute des kranken Pferdes ge- funden wurde, ist langgestreckt und 2— 3 mal so laug als der Durch- messer des roten Blutkörperchens. Neben dem Kern kommt hier gleichfalls ein Geißelkörper vor. Die zum Teil früher besprochenen Kultur- und Uutersuchungsmethoden nach Danilewski und Ogata hatten keinen Erfolg, auch in hängenden Tropfen starben die Protozoen nach 10- — ^15 Minuten ab, Avobei das Protoplasma stark verklumpte. VoGES hat ferner Teilungsstadien untersucht, sowie eigenartige Segmen- tierungszustände beschrieben. Neben den Pferden leiden besonders die Esel und Maultiere an dieser Krankheit. Voges nennt den Erreger der Mal de Caderas Trypanosoma equina*), und hält ihn mit keinem der bis jetzt beschriebenen Trypanosomen für identisch, am ähnlichsten soll er noch dem Eattentrypanosoma sein. Bemerkenswert ist der Verlauf der Fieberanfälle bei dieser Krank- heit. Die Temperatur steigt entweder am Abend, um gegen Morgen wiederum abzusinken oder sie steigt noch bis 40 — 41" C; am zweiten Tage wird erst die minimale Temperatur erreicht, dann steigt die Tem- peratur abermals und erreicht am 5. Tage wieder 40° C. Diese Erschei- nung wiederholt sich mehrmals (2 — 8 mal). Während dieses Fieber anhält, sind die Tiere sehr durstig und zeigen nach jedem Fieberaufall Hämaturie manchmal Hämoglobinurie. Später stellen sich begreiflicherweise starke Schwächezustände ein und damit tritt die Krankheit in das zweite Stadium, in dem die Tiere schlaff, matt sind und stark abmagern. Das Haar wird glanzlos und es tritt starke Herzschwäche ein. Die Sensibilität ist gering, der Gang schwankend. Vor dem Tode unterliegt die Temperatur starken Schwankungen. Die Krankheit dauert 2 — 8 Wochen. Pathologisch-anatomischer Be- fund: in der Brusthöhle sind mehrere Liter serösen Exsudats, dasselbe gilt bezüglich des Herzbeutels; die Lymphdrüsen der Pleura sowie die Milz sind vergrößert, die Nieren fallen durch ihre Blässe auf Die Parasiten treten am 5. — 6. Tage nach der Infektion im Blute auf, vermehren sich bis zur Akme des Fiebers und verschwinden bei der Tem- j)eratur von 40°. Auf dem Kulmiuationsstadium erreichen die Trypano- somen 10—2b% der Menge der roten Blutkörper. In der zweiten Krank- heitsperiode sind sie konstant im Blute anzutreffen. 24 Stunden nach dem Tode des Tieres degenerieren sie. Uebertragbar sind sie auf weiße und graue Mäuse, dann (etwas weniger) auf Ratten, Kaninchen, Hunde, Schafe, Ziegen, Meerschweinchen und Vögel. Nach subkutanen Impfungen sind vor allem die Lymphdrüsen geschwollen, nach intraperitonealer Impfung vermehren sich die Parasiten direkt im Peritoneum und gelan- gen durch die Lymphbahneu in das Blut. Nach Voges, dem wir all diese Angaben verdanken, wird die Krankheit durch einen saugenden Zwischenwirt, der aber noch nicht genau ermittelt ist, übertragen: in Betracht kommt Tabanus, Musca brava und sog. Polvorin- und Jejene- insekten. Voges empfiehlt zur Verhütung der Krankheit: Halten der Tiere im Stalle statt im Kamp, Töten der kranken Tiere, Behandlung der eben erkrankten Tiere mit Acid. arsenicos., Chinin, Enterol, Methylenblau, salicylsauerem Natron, Terpentinöl, Kal.hypermang. — Zu diagnostischen Zwecken empfiehlt sich eine suljkutane Impfung von Mäusen mit 2 ccm Pferdeblut, die Mäuse gehen nach 10 Tagen maximal zu Grunde. *) Soll wohl equinum heißen. Die pathogenen Protozoen. 943 Eudlicli wäre das l'rypanosoma theileri Laverau (1902) zu erwähnen, das allein im Blute der Wiederkäuer vorkommt. Die Länge beträg-t mit der Geißel 50 ^i, die Breite 3 — 5 /<. Die Geißelwurzel ist rundlich, der Kern zentral, das Plasma mit vielen Körnchen durchsetzt, der uudulicrende Saum ist hreit. Die Vermehrungsart ist unbekannt. Diese Form Avurde von Theiler in Prätoria gefunden und ist nur auf Einder übertragbar. Die Krankheitserscheinung wird zunächst durch Anämie mit oder ohne Fieber, seltener durch perniziijse Anämie mit rascher Zerstörung der roten Blutkörperchen cliarakterisiert. Auch kommt es hier zu einer Vergrößerung der Milz und zu subperikardialen Ekchymosen. Litteratiir. Laveran, Snr nn nouveau Trypanosome des Bovides. Compt. rend., t. 134, Nr. 9 p. 512-514, 3. Mars 1902. Senn, Der gegeuwärt. Stand xins. Kenntn. n. s. w. Arch. f. Protistenk., Bd. 1, 1902. Ueber Trypanosomen aus dem Blute des Menschen liegen auch einige Angaben vor. So fand Nepveu im Blute mehrerer Malariakranker langgestreckte, mit undulierender Membran, einer Geißel (einmal 2 Geißeln) und einem Kern ausgestattete trvpauosomaälmliche Flagellaten. Einen ähnlichen Fund meldete Duttox aus dem Blut eines Europäers. Dem- gegenüber wurde eingewendet, dass vielleicht Verwechslungen mit dem Malariaparasiten vorliegen, da erstere Untersuchungen in Algier unter eigenartigen Bedingungen angestellt wurden. Nach neueren Untersu- chungen von DuTTON wurden im Blute eines AVeißen, der mehrere Jahre in Westafrika lebte, sowie eines neugeborenen Kindes Trypanosomen nachgewiesen. Jüngst beobachtete Maxsox am Kongo unter Weißen häufig Trypanosomiasis, die Infektion soll durch den Stich von Agas monbata erfolgen. Litteratur. BoYCE, Egbert. R. Ross & Sherringtox, Note on the discovery of the human tryp. Nat. 1725. Vol. 67, 20. Nov. 1902. sowie Journ. tropical med., 1. Sept. 1902. DoFLEiN, F., Die Protozoen als Krankheitserreger. 1901. Duttox, Preliminary note npon a tryp. occuring in ihe bloodofman. Thompson Yales labor. report. t. 4, p. 455, 1902. Laveran & Mesnil, Da mal. a tryp. leiir repart. ä la surf, du globe, Janus VII, 1902. Manson, P., Trj-p. o. the Congo. T. Brit. med. Journ., 1903, 28. March. Nepveu, Compt. rend. soc. biol., Paris 1898 (10.), p. 1172. Auch aus dem Blute der Fische wurden mehrere Trypanosomen be- schrieben. So kommt im Blute der Solea vulgaris die lanzettliche, mit einer großen Geißelwurzel ausgestattete Trypanosoma soleae Lave- ran et Mesnil vor; im Blute des Hechtes wurde die Trypanosoma remaki Laveran et Mesnil konstatiert; sie kommt in zwei Formen und zwar in der Länge von 14 — 15 /<, dann in der Länge von 26 — 28 /t vor, der Körper ist besonders vorne zugespitzt, die Geißelwurzel liegt im Hinterende. Möglicherweise stellen die beiden Formen zwei Arten dar. Trypanosoma carassii wurde im Blute der Karausche, des Caras- sius vulgaris, festgestellt; sie besitzt eine ziemlich hohe unduliereude Membran, der Körper ist an beiden Seiten gleichmäßig zugespitzt. Ihr ähnlich ist die Trypanosoma cobitis, die iuCobitis fossilis, dem Schlammpeitzger parasitiert; sie ist sehr lang, dünn mit beiderseits zuge- spitzten Körpereuden und zeichnet sich durch eine lebhalte Bewegungs- 944 F. Doflein & S. v. Prowazek, weise aus. Ueber die patliogene Bedeutung dieser Formen ist bis jetzt uichts Sicheres ermittelt worden. Doflein beobachtete Trypanosomen im Blute der Schleien (Tinea vulgaris), die krank, sehr apathisch waren und in den betreffenden Weihern in großer Menge starben. Danilewski hat außerdem in dem Blute von Cyprinus carpio, Tinea vulgaris, Cobitis iossilis, Cobitis barbatula, Perca fluviatilis u. a. bis jetzt wenig erforschte, ungenügend beschriebene Formen beobachtet. Schließlich soll hier die Gattung Trypanoplasma erwähnt werden, die vom morphologischem Standpunkt aus unser besonderes Interesse bean- sprucht. Die Geißeln gehen hier nicht von einem kleinen Blepharo- blasten, sondern von einem großen eiförmigen Körper aus, der von Laveran & Mesnil als Zentrosom gedeutet wird. Die Art wurde im Scardinius er yth r Ophthal mus festgestellt; der Körper ist zusammen- gedrückt, sichelförmig, das Vordereude im Verhältnis zum Hiuterende spitzig. Litteratur. Danilewski, Biologisches Centralblatt, Bd. 5, 1886. — Ders., Parasitologie com- paree du sang., Charkow 1889. DoFLEix, Die Protozoen als Parasiten nnd Krankheitserreger, 1901. Laveran & Mesnil, Sur la structure du Trypanosome des grenouilles et sur ex- tension du genre Trypanosoma Gruby. Compt. rend. soc. biol., p. 678 — 680, 23. juin 1901. MiTKOPHANOW, Biologisches Centralblatt, Bd. 3, 1884, S. 35. Senn, Der gegenwärtige Stand u. s. w. Archiv f. Protistenkunde, Bd. 1. Vor allem sei auf die folgende jüngste Publikation, wo die Litteratur über diesen Gegenstand eingehender besprochen und Angaben über Längsteilung und Verdoppelung der Geißelwurzel gemacht werden, hingewiesen: Laveran & Mesnil, Des Trypanosomes des Poissons. Archiv für Protistenkunde, Bd. 1 , 1902. II. Ordnung Polymastigina. Die Vertreter dieser Ordnung sind durch eine größere Zahl von au verschiedenen Stellen des Zellleibes eingepflanzten Geißeln charakteri- siert. Die parasitischen Formen, die hier zunächst in Betracht kommen, sind auf 2 Familien, auf die Familie der Tetramitidae (Körper mit 3—4 Geißeln, die vorne entspringen) und auf die der Polymastigidae , die 4 — 6 Geißeln am Vorderende und am Hinterende 2 Geißeln oder 1 — 3 Lappen besitzen, verteilt. Die Formen sind fast durchweg klein. I. Familie Tetramitidae. Costia necatrix (Hexneguy). Die Form dieses 10 — 20 /< langen und 5 — 10 ,« breiten von Henneguy 1884 entdeckten Flagellateu ist ungefähr oval, dorsoventral abgeflacht, auf der Bauchseite ist sie mit einer beträchtlich großen Grube ausge- stattet, die im Ruhezustand rinnenartig zusammengelegt ist und dann nur die 3 Geißeln (Henneguy), von denen eine sehr lang ist, freilässt. Hinter der Grube liegt der bläseheuförmige Kern und noch weiter zurück die kontraktile Vakuole. Die Vermehrung erfolgt nach Henneguy durch Querteilung (?), doch wurde daneben auch eine Längsteilung beobachtet. Dieser Parasit kommt auf der Haut der Fische wie des Karpfen, der Regenbogenforelle, der Schleie und einiger Aquariumfische vor. Er sitzt mit seinem Vorderende auf eine bis jetzt nicht näher festgestellte Art und Weise festgesogen den Epithelzellen sehr innig an, und schwimmt Die pathogenen Protozoen. 945 nur auf heftige mechaiiisclic Reize, um seine Achse rotierend, frei herum, geht aber dann bald zu Grunde. Auf der Haut der Fische erscheinen trübe Flecken, die bisweilen eine große Ausdehnung erhalten. Durch die oft in enormer Zalil auf- tretenden Parasiten werden die Oberhautzellen stark gereizt und sondern viel Schleim ab. Die große Zahl der Parasiten und die Sehleimab- sonderungeu bedingen die Hauttrübung der Fische. Jungtische sterben oft schon nach 2 Tagen ab, erwachsene Tiere bleiben wochenlang noch am Leben. Die Krankheit ruft besonders in Fischzuchtanstalten große Verheerungen hervor und es treten, sobald der Wasserwechsel in den Becken gering ist, ganze Epidemieeu auf. Nach Hexneguy soll mau die Fische in mit Wasserpflanzen besetzte, stark durchströmte Aquarien setzen, damit sie die Parasiten abzustreifen in der Lage sind (?). Hofer Fig. 49. Costia necatrix. ^1 Eier von der Flüche, B von der Seite, C ein Haut- stück von einem Fisch mit ansitzenden Kostien (nach Hexxkguy aus Dofleix;. empfiehlt rasche Eutfernung der Fische aus den Aquarien und Brut- teichen, dabei entsteht aber die Frage, ob sich die Parasiten nicht encystieren und am Boden in diesem Zustande sich ansammeln, um neue Infektionen hervorzurufen. Von NiTSCHE & Weltner wurde eine kleinere Form als Tetra- mitus nitschei beschrieben; er besitzt im Gegensatz zu der oben ge- schilderten Form 4 Geißeln, keine Läugsfurchen am Körper und ist 0,0136 mm lang, 0,051 breit. Die Geißel kann man bis auf den Kern verfolgen. Dieser Flagellat schwimmt auch frei im Wasser herum. Die Haut der befallenen Fische ist mit einem weißlichen Belag versehen, an den Schuppen und Flossen finden sich blutige Stellen, und die Frcsslust der Fische ist stark herabgesetzt. Die beiden Aiitoren cni])fehlen ein häufiges Baden der Fische im reinen AVasscr (etwa alle 10 Minuten im abgestandenen Wasser). Nach neuesten noch unpublizierten Untersuchungen von Moroff, welche im Archiv für Protistenkunde veröft'entlicht werden sollen, han- delt es sich nur um eine Form, welche bisher ungenau beschrieben Handbuch der pathogenen Mikioorgauismen. I. ßO 946 F. Doflein & S. v. Prowazek, wurde. Es sind stets 4 Geißeln vorlianden, von denen die beiden langen die Bewegung vermitteln und das Tier an der Haut der Fische fest- halten. Die beiden kürzeren dienen hauptsächlich zum Einstrudeln der Nahrung. Das Tier bewegt sich etwas taumelnd, wobei die Geißeln F nach hinten gewendet sind; die Bewegungsrichtung ist schief zur Längs- achse des Tieres. Die morphologischen Einzelheiten müssen im Original eingesehen werden. Die Teilung geht im freien Zustande vor sich, unter dem Bilde einer Querteilung, wird aber von Moroff als Längsteilung aufgefasst. Die B Fig. 49 a. Costia nutrix. A von der Fläche, B von der Seite, C Cyste, -D Schnitt durch die Haut einer Forelle mit anhängenden Parasiten (nach Mokoff;. Kernteilung erinnert sehr an diejenige von Entosiphon (s. Fig. 8). Das Tier bildet eine sehr kleine Cyste, sowohl auf der Haut des Wirtes als auch am Boden des Fischwassers. Weitere Einzelheiten wird die definitive Publikation seinerzeit bringen, doch sei hier hervorgehoben, dass Moeoff durch wiederholtes kurzes Bad in 5proz. Salzlösung Heilung herbeiführte. Litteratur, Doflein, F., Die Protozoen als Krankheitserreger, 1901. HoFER, B., III. Die Krankh. uns. Fische. Allg. Fischerei-Ztg., Bd. 24, S. 493, 1901. Die pathogenen Protozoen. 947 Henneguy, L. F., Note sxir uu Infiisoire flagelle ectoparasite de la Truite. Arcb. zool. exp., t. 27, 2, 1884, p. 403-411. Leclerq, Ball. soc. belg. d. microscop., vol. 16, 181)0. NiTsCHE, P. & Weltner, Ueber einen neuen Hautparasiten (Tetramitus Nitschei) an Goldfischen. Centralbl. f. Eakt.. Bd. 16, 1894, S. 25. Trichomonas vaginalis Doiine. Der Körper dieses 1837 von Donxe entdeckten mit den Lojdiomo- uaden verwandten Flagellaten ist im allgemeinen birn- oder mandelförmig, in den meisten Fällen jedoch sehr veränderlich, zuweilen sogar amöboid, das Hinterende läuft in eine Art von Spitze aus, die selbst amöboid ein- ziehbar ist und nicht selten wellig gebogen erscheint. Die Zahlenangaben bezüglich der Größe des Tieres schwanken etwas: Marchaxd gieijt für die Länge 0,012 — 0,03mm und für die ])reite 0,010 — 0,015mm an; Miüka 0,017-0,022, Breite 0,012, Geißellänge 0,010, Schwanzlänge 0,006; Dock 15 — 20 u Länge, 8— 15 u Breite; in den Handbüchern wird sonst 0,015—0,025 Länge und 0,007 'bis 0,012 mm Breite angegeben. Das Proto- plasma besitzt einen grünlichen Schimmer und ist meist von sehr zarten Fig. 50. Trichomonas vaginalis Fig. 51. Trichomonas vag. (nach Künstler). (nach Blocömann aus Doflein). Microgranula durchsetzt. Am Vorderende geben manche Autoren 4, an- dere nur 3 Geißeln an, doch dürfte die letztere Angabe die richtigere sein. Sie scheinen von einer basalkörperartigen Verdichtung zu ent- springen und mit dem vorderen Kerne durch ein rhizoi)lastartiges Ge- bilde in einer gewissen Beziehung zu stehen. Die Geißeln pflegen basal- wärts zu verkleben; nach Makchand sollen sie zugespitzt sein, während sonst die Geißeln der Flagellaten stumpf endigen. Der Kern ist länglichrund und nach einem etwas abgeänderten undeutlichen Typus der bläschen- förmigen Kerne gebaut, manchmal ist er durch dichte Körnchen ganz er- füllt. Von der Insertiousstelle der Geißeln verläuft noch eine mit einem speziellen Basalkorn ausgestattete undulierende Membran, die nach Künst- ler eine Art von Längsrippe besitzen soll. Grassi beschreibt außerdem im Inneren des Zellleibes eine Art von Stäbchen (wie bei Trichomastix und Lophomonas), das möglicherweise mit der Kernmembran in Zusammen- hang steht und eine Art »von Skelettorgau« darstellt, auch Makcii.vnd giebt an, dass der Kern nach Essigsäurezusatz mit einer nun deutlicheren »Linie« in Zusammenhang zu stehen scheint, die bis zum Schwanzende verläuft, aber nicht eine Insertionsleiste der uuduliercnden Membran ist. Blochmann besehreibt außerdem noch 2 Körnchenreihen, die in der Nähe des Kernes beginnen und nach hinten konvergieren. Kontraktile 60* 948 F. Doflein & S. v. Prowiizek, Vakuolen fehlen. Künstler beobaolitete eine deutliche Mundöffiniug, welche sich in ein Schlundrohr von rauhem Aussehen und heträchtlicher Länge fortsetzt. Maechaxd konnte sich von der Anwesenheit einer Mundöfifnung- nicht überzeugen. Mit Neutralrot kann mau die Nahruugs- vakuolen auf ihren verschiedenen Verdauungsstadien nachweisen. Mak- CHAND beschrieb auch in Nahruugsvakuolen schwebende Körnchen — die meisten Autoren sagen aber über die Art der Ernährung nichts aus. Nach Dock vollzieht sich die Bewegung auf dreifache Weise: Gleit- bewegung, Kontraktion der Leibessubstanz oder Pseudopodieubilduug. Teilungszustäude hat Makchand beobachtet. Trichomonas vaginalis kommt im sauer reagierenden Vaginalschleim der Frauen vor und zwar sowohl bei menstruierenden als nichtmenstruierendeu Frauen, bei Schwangeren, ja kleinen Mädchen vor. Beim Eintritt der Menstruation als auch nach der Injektion von alkalischen Flüssigkeiten verschwinden die Parasiten, ebenso bei Temperaturen unter + 15" C. Nach Kölliker & ScANzoNi kommt dieser Flagellat bei der größten Hälfte der unter- suchten Frauen vor; Hausmann beobachtete bei einer anderen Unter- suchung ihn unter 200 Schwangeren 37 mal, unter 100 Frauen 40 mal. Auch bei Männern wurde Tr. vaginalis gefunden. Miura berichtet von einem Manne, der an Bronchitis diffusa catarrhalis litt und eine bemerkenswerte Druckempfindlichkeit in der linken Nierengegend besaß ; in dem immer saueren Harn, der nach der VoGELScheu Skala zwischen hellgelb und gelbbraun verfärbt war, fand der genannte Autor zahlreiche Tr., deren Sitz die Urethra war; da die Frau des Patienten auch Tricho- monaden besaß, so ist die Art der Uebertragung recht naheliegend. Einen ähnlichen Fall beschreibt G. Dock (Harnbeschwerden, zeitweise Hämaturie). Schließlich hat Marchand am genauesten aus dem schmutzig- rötlichen Harn eines Mannes die Trichomonas vaginalis beschrieben. Die Infektion scheint bei einer Erkrankung der Urethra des Mannes beim Coitus erfolgt zu sein. Der Infektionsmodus der Frauen ist unbekannt, Uebertragungsversuche auf andere Säugetiere und Hunde, die Bloch- MANN und Dock angestellt haben, schlugen ebenso wie Züchtungsver- suche fehl. Litteratur. Baatz, P., Trieb, vag. in der weibl. Harnblase. Monatsber. für Urologie, Bd. 3. 1902, Heft 8. Blochmann, F.. Bemerk, üb. einige Flagellat. Ztschr. f. wiss. Zoologie, Bd. 40, 1884, S. 42. T. 2. Dock, G., Fl. prot. in the freshlj^ passed uriue of a man P. n. The med. News, 1894. — Ders., Trieb, a. a. parasit. of man. Amer. Journ. of tbe med. sc., 1896. DoNNE, Reeb. sur la nature d. mncus. Paris 1837. Hausmakn, Die Parasit, d. weibl. Geschleehtsorg. Berlin 1870. Hennig, D. Katarrb d. inneren weibl. Sexualorgane. 1870, S. 60. Künstler. Triehom. vaginalis. Journ. de micrograpb.. t. 8, 1884.^ Ders.. Reeb. sur les infus, parasit. Compt. rend., t. 97, 1883, p. 755. Marchand, Ueber das Vorkommen d. Triebomonas im Harne d. Mannes. Central- blatt f. Bakt., Bd. 19/20, S. 709, 1894. Miura, Trieb, vag. im friscbgel. Urin eines Mannes. Ebd., Bd. 16, 1894, S. 67. ScANZONi, T., Beitr. z. Geburtsk., Bd. 2, 1855. ScANzoNi & A. KÖLLIKER, Quelqu. rem. sur le Tricbom. vag. Compt. rend. Ac. soc. Paris, t. 40, 1868. Trichomonas hominis (Davaixe). Diese Form wurde früher von Maechaxd und Junker Cercomonas intestinalis genannt, erst Leuckaet hat ihre Zugehörigkeit zur Gattung Trichomonas erkannt und nannte sie Tr. intestinalis. " Grassi fand sie Die pathogenen Protozoen. 949 später in zahlreiclieu Fällen in Norditalien nnd nannte sie zunächst Monocercomouas und Cimaenonionas, erst später bezeiclniete er sie als Trichomonas hominis. In letzterer Zeit rechnen sie manche Autoren (Janowski, Braux) zu der Triclidmouas vaginalis; ihre Gestalt ist jedoch Ijirnförmig-er als die der Trichomonas vaginalis, auch ist der ^>chwanz- anhang meistens etwas länger (?]. Sie misst etwa 4 — 15 (Maximum^ a in der Länge und 3^ — 4 /.i in der Breite. Strüee gicbt ihre Länge mit 8 — 14 u , Schürmayer mit 12 — 14 fi und die Breite mit 4 — 5 u an. Besonders das Vordereude ist amöboider Bewegungen fähig. Die GeiHeln sind basalwärts meistens verklebt und scheinen durch eine rhizoplast- artige Struktur mit dem Kern im Zusammenhange zu stehen. Im Plasma kann man ab und zu mit Mikrokokken angefüllte kleine Nahrungs- vakuolen auf verschiedenen Verdauungsstadien wahrnehmen. Kruse und Pasquale beschrieben Haufen von Trichomouaden, die sie als Schwarm- bildmigsstadien beschreiben (Agglutination?). Ueber Kopulationsformen berichtet Sciiaudinn. Trichomonas hominis lebt parasitisch in allen Darmabschnitteu ; auch in der Mundhöhle, sowie in kariösen Zähnen, im Oesophagus und Magen (Hexsex, Strube, Zabel, Coiixheim) u. s. w. wurde sie konstatiert. Rapfin beobachtete sie in der Mundhöhle eines Typhuskranken und eines Gesunden. Doch lebt der Flagellat nur im alkalischen Darminhalt und stirbt meistens (Ausnahmen bei 55° C) bei 4G° C ab. Das Erscheinen der Trichomonas wird vielfach zu Krank- heiten mit akuten Diarrhöerscheinungen in Beziehung gebracht, doch ist eine derartige Annahme einer Flagellateudiarrhöe bis jetzt nicht be- wiesen. Ich fand eine völlig analoge Form in allen Darmabschnitten eines Cyuocephalus Babuin, der 8 Tage lang an akuter Diarrhöe litt. Die Art scheint ziemlich verbreitet und gemein zu sein (Füchse, Mäuse, Patten, Eidechsen), obzwar bis jetzt nur wenige Fundorte gemeldet, wurden. Schürmayer beschreibt auch für diese Form eine Cysten- bildung und Kopulation, doch sind die Angaben viel zu kurz abgefasst, als dass man sich über diese wichtigen Vorgänge irgend eine Vorstellung zu bilden in der Lage wäre. Genauer sind die diesbezüglichen An- gaben von ScHAUDiNx. Die Flagellaten werden amöboid, bilden eine mit einem Reservekörper ausgestattete Cyste, ihr Kern teilt sich zwei- mal (Reduktion) und verschmilzt mit dem reduzierten Teil. A. Epstein beobachtete im Prager Kinderspital in den Diarrhöe - Faeces von Kindern, die er durch Einführung einer Hohlsonde in den Darm und Aufsaugen der abfließenden Inhaltsmassen gewonnen hat, 2 geißelige Trichoraonaden von 0,006 — 0,024 mm Größe. Nach der Angabe des Autors reagierten die Stühle teils sauer, teils alkalisch; bemerkens- werterweise erkrankten damals alle 6 in einem Zimmer liegenden Kinder an Diarrhöe und bei allen wurden in den bräunlichen, dünnflüssigen Stühlen Trichomouaden konstatiert. May fand im K(»lon bei einem au Magenkarzinom leidenden Patienten Trichomonadeii, die 4 Geißeln be- sitzen sollten und sich von Kokken, sowie von Bazillen eruährten. Auch Strube stellte im Mageninhalt bei Carcinoma cardiae Trichomonas hominis fest und meint, dass die jauchige Zersetzung des Magenkarziuoms die Ansiedlung des Parasiten erleichtere, der, weil er im Darmiuhalt nicht gefunden wurde, in diesem Falle primär im Magen lokalisiert zu sein scheint. Schließlich wurde eine ganz ähnliche Trichomonasform als Tricho- monas pulmoualis beschrieben und zwar von Artault 1898 und 950 F. Doflein cV S. v. Prowazek, A. Schmidt 1895, der sie in eleu ttbelriecliendeu sogeuauuteu Dittrich- schen Pfropfen bei Aspiratiouspueumonie imd Luug-eugang-räu, sowie bei Broncliiekstasie fand und vou der der letztere Autor selbst die Möglich- keit einer Identifizierung mit T. vaginalis zugiebt. Auch WiETiNG beschreibt in den lobulär pneumonischen Herden aus beiden Lungen eines Schweines auf Grund von Ausstrichpräparaten 16 bis 20 f.1 lange, 5—6 ,« breite, mit 2 — 4 Geißeln ausgestattete Tricho- monaden. Der Vollständigkeit wegen möge erwähnt werden, dass Steix- BERG in der Mundhöhle 3 Trichomonasarten und zwar Trichomonas elongata, Trichomonas caudata und Trichomonas flagellata gefunden hat (Kiewer Zeitschrift f. neuere Med. 1862). Kücksichtlich der letzteren Angaben wäre die Annahme nicht so unberechtigt, dass die Flagellaten wohl im encystierten Zustande durch die Luft in die Mundhöhle, Lunge, ja vielleicht auch in den Darm gelangen, obzwar Epsteixs Unter- suchungen auch auf das Trinkwasser als den Vermittler und Ueberträger des Parasiten deuten könnten. Litteratur. Artault, S., Flore et faune d. Cav. pulm. Arch. d. parasit., t. 1. 1898, p. 217. CoHXHEni, N. Inf. im Magen. Med. Wochenschrift, 29. Jahrg., 1903, Nr. 12 if. CuNNixGHAM. On t. dev. of cert. microsc. org. occurr. in the intestinal eanal. Quart. jonrn. of micr. scienc, vol. 21, 1880. Davaine, C. , .Sur les anim. infus, troiiv. dans les selles d. malad, atteints du Cholera et d'autr. malad. Compt. rend. soc. biol., t. 1, 1854, p. 129. Epstein, A., Beobacht. über Monocercomonas hominis Grassi u. Amoeba coli Lösch. Prag. med. Wochenschr., 1893. Grassi. B. A., Int. ad alc. protoz. entoparasit. Atti soc. ital. sc. nat. Milane, vol. 24. 1882 e Arch. ital. de biolog., vol. 2, 1882. p. 402. vol. 3, 1883, p. 23. Janowski, W., Flagell. in d. menschl. Faeces. Z. f. klin. Med., Bd. 30, 1887, S. 442. Junker. Ueber das Vork. d. Cercomonas intestinalis im Digest, d. Menschen. Deutsche Zeitschr. f. prakt. Med., 1878. Marchand, Ein Fall von Infus, im Typhusstuhl. Virchows Archiv f. pat. Anat., Bd. 64, 1875. May, Ueber Cercomonas coli hom. Deutsches Archiv für klin. Med., Bd. 49, 1891. Prowazek, Notiz über Trichomonas hominis (Dav.'. Archiv f. Protistenkunde. Bd. 1, 1902. Eappin, G., Contribut. ä l'etude des bact. de la bouche ä l'etat norm, et dans la fievre typhoide. These, Paris 1881. Egos. E., Ueber Infusorien -Diarrhoe. Deutsches Archiv f. klin. Med., Bd. 51, 1893, S. 505. Schmidt, A., Ueber parasit. Protozoen (Trich. pulmonalis) im Auswurf. Münchner med. Wochenschr., 1895, S. 51. Schürmayer, Ueber das Vorkommen von Flagellaten im Darmkanal d. Menschen. Centralbl. f Bakt., Bd. 18, 1895, S. 324. Strube, G., Trichomonas hominis im Mageninh. bei Carcinoma cardiae. Berl. kliu. Wochenschr., 1898, Nr. 32, S. 708—9. WietinCt, Ueber Flagellaten (Trich.) in der Lunge eines Schweines bei lobulärer Pneumonie. Centralbl. f. Bakt., Bd. 21, 1897, S. 721. Lamblia intestinalis (Lambl) 1859. Syn. Cercomonas intestinalis Lambl 1859. Hexamitus duodenalis Davaiue 1875. Dimorphus muris Grassi 1879. Megastoma entericum Grassi 1881. MegaStoma intestinale E. Blanchard 1886. Die Gestalt dieses von Lambl 1859 entdeckten Flagellaten ist rüben- förmig bilateral symmetrisch. Die Länge beträgt 10—21 ,«, die Breite 5—12 //, die Geißeln sind 9—14 u lang. Charakteristisch ist eine Art Die pathogenen Protozoen. 951 von vorderer Saug-grubc, deren Känder sicli etwas frei erlieben und kon- traktil zu sein scheinen; sie dürfte wohl als ein Haftorgan funktionieren. Das Tier besitzt im ganzen 8 Geißeln und zwar 1 Paar Vordcrgeißelu, 2 Paar Seiten- und Mittelgeißeln und 1 Paar Schwanzgeißeln. Die Vordergeißeln setzen 'sich nach den neueren Untersuchungen von Mi:tz- NER als zwei dickere granulierte Stränge auf den Zcllleib entlaug dem vorderen Peristomrande fort, sinken in die Tiefe des Plasmas und ihre Fortsetzungen kreuzen sich als zwei matte Stränge in der Mitte des Körpers. Am besten lässt sich die Endigungsweise der Mittelgeißelu ermitteln, die in der Mitte einer LUcke des Peristomraudes mit zwei deutlichen Knöpfcheu oder Kurzstäbchen endigen. Die Seitcngeißeln laufen innerhalb des Protoplasmas an der inneren Begrenzung einer ven- tralen, dreieckigen Fläche hin und endigen auch mit zwei länglicben Knöpfcheu. Die Schwanzgeißeln inserieren mit 2 Körnchen an dem Schwänzende, das zuweilen gabelig geteilt ist. Sie zeigen ferner Bezie- hungen zu der sogenannten »Längsrippe«, die Bütschli und die übrigen Autoreu für Mecastoma schon beschrieben haben und die von der Fig. 52. Lamblia intesti- nalis nach SCHEWIAKOFF. Fig. 53. Lamblia intestinalis nach Metzxer. Schwanzspitze auf der Bauchseite bis zu dem Hinterrande des Peristoms verläuft und knöpfchenartig dortselbst endigt; vor ihr liegen die Knöpf- chen der Mittelgeißel, mit denen sie auch in Zusammenhang zu stehen scheint. Die Längsrippe besitzt eine zarte iibrilläre Struktur, die selbst noch aus Körnchen oder feinsten Kurzstäbchen zu bestehen scheint. Im Leben führen die Vordergeißeln von der Stelle an, wo sie den Leibeskontour überschneiden, freie Bewegungen aus; die Schwanzgeißeln bewegen sich nur schwach, während die Seiten- vor allem aber die Mittelgeißelu völlig frei beweglich und die letzteren sogar meistens in heftigen Be- wegungen begriffen sind. Das Hinterende des Zellleibes läuft in ein 2 — 21/2 ," langes, leicht bewegliches, abgeflachtes Schwanzende aus, das die beiden Schwanz- geißeln an seiner Spitze trägt. Der im vorderen Teil unter der Aus- höhlung liegende Kern ist hanteiförmig (?), seine beiden Kernhälften sind meist oval; häufig sind die Kerne einseitig in Mondsichelform intensiver fingiert und enthalten zwei runde oder elliptische Binuenkörper. Die beiden Kernhälften sind durch eine Art von Brücke verbunden, gegen 952 F. Doflein & S. v. Prowazek, die besondere Straug-systeme von den mit Basalkörpem versehenen Geißeln zu verlaufen scheinen; jene Systeme wären nach Metzner gleichsam als Leituugsbahnen zu deuten, während als Motoren der Geißeln die genannten Eudknöpfchen und -Stäbchen als Basalkörper aufzufassen wären. Das Protoplasma ist dicht, hyalin, der Zellleib besitzt eine ilrt von äußerer Pellicula. Kontraktile Vakuole und eigenes Cytostom fehlen. Geschlechtliche Prozesse, sowie Teiluugsstadien sind bis jetzt nicht ge- nau beobachtet worden, dafür wurden mehrfach Cystenzustände unter- sucht, so von Emminghaus, Grassi, Perroncito und Moritz & Hölzl, die beiden letzteren beobachteten in den Cysten, die nach Perroncito im Dickdarm gebildet werden und von einer »chitiuoiden« Cystenmem- bran umgeben sind, 4 Kerne, eine Erscheinung, die auf ein besonderes Entwickluugsstadium hindeuten würde. Schaudinn hat in der letzten Zeit Eucystierung und Kopulation mit komplizierten Keruveräuderungen untersucht. Die Cysten sind 10 /.i lang, 7 i.i breit. Die Lamblia intesti- nalis bewohnt den vorderen Teil des Dünndarmes verschiedener Musarten in Italien, ferner den Dünndarm von Arvicola arvensis, Haushund, Katze, Schaf und Kaninchen, außerdem wurde sie in Deutschland, Italien, Euss- land, sowie Schweden auch beim Menschen gefunden. B Fig. 54. Darmepithelzellen mit ansitzenden Lamblien, (nach Grassi & Schewiakoff aus Doflein). Die Infektion erfolgt durch Aufnahme der Cysten, mit denen die vegetabilischen Nahrungsmittel verunreinigt waren. Grassi hat sich durch den Genuss eines derartigen Cystenmaterials selbst infiziert. Die Tierchen sind mit ihrer saugnapfartigen Aushöhlung an die Zellen des Duodenums und Jejunums festgesogen und nur in einigen Ausnahmefällen wurden sie freischwimmend beobachtet. Doch scheinen sie keinerlei schädigenden Einfluss auszuüben, denn der von ihnen befallene Darm sieht normal aus; dass sie bei Diarrhöe häufig gefunden werden, ist auf die erhöhte Darmthätigkeit, durch die sie von ihrer Unterlage losgerissen werden', zurückzuführen. Nach den Untersuchungen von Moritz & Hölzl ist die Lamblia sehr häufig im Darm der Kinder, die oft im Staube spielen und Cystenmaterial aufnehmen, sowie bei Phthisikern, die eine gewisse Disposition für sie besitzen mögen. Die Cysten findet man im Dickdarm uud in den Faeces, bei erhöhter Darmperistaltik kommen auch freischwimmende Formen zum Vorschein. In Deutschland wurde die Lamblia intestinal., abgesehen von Hölzl & Moritz auch noch von Roos, Schuberg, sowie nach Braun von einem Studenten in Königsberg beobachtet; für Finnland stammt eine Angabe von Sievers her, in Skandinavien hat sie Müller, in Oesterreich Lambl, Jaksch, in Jtalien Piccardi, Perroncito und Grassi beobachtet. — Therapie: Jaworski schreibt eine 3— 4mal im Tag erfolgende Verabreichung von Die pathogenen ProtozoiJn. 953 0,1 — 0,2 Kalomel vor. Die FlagellatendiaiThüe hört meistens nach drei derartigeu Kuren auf. Manche Autoren empfehlen auch Klystiere mit einer sehr schwachen Sublimat- oder Cliininlösung. Litteratur. Blanchard, R. , Remarques sur le Megastome intestinal. Bull. d. 1. soc. zoolog. d. France, t. 13, p. 18. Braun, M., Die tier. Parasiten d. Menschen. Würzburg, Siebers Verl., 1903. Dort auch weitere Litteratur angegeben. Grassi, Di un nuovo parasit. del uomo. Gazz. degli osp, vol. 2, 1881. — Ders., Sur quelqu. prot. endoparasit. Arch. ital. de biol., vol. 2, 1882, p. 421. Grassi & Schewiakoff, Beitr. zur Kenntnis d. Megast. ent. Zeitschr. für wiss. Zoolog., Bd. 46, 1888. S. 143. Jaksch, Ueber d. Vork. von tier. Parasit, in den Faeces d. Kinder. Wiener klin. Wochenschr.. 18SS, Nr. 25, S. 511. Jaworski, W.. Zeitschrift f. klin. Med., Bd. 31, 1897, S. 488. Lambl, Mkr. Unters, der Darmexkrete. Viertel) ahrschr. für prakt. Med., Bd. 61, Prag 1859. Metzxer, R. , Untersuch, an Megast. enteric, a. d. Kaninchendarm. Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. 70, 1901, S. 299. Moritz & Hölzl. Ueber Häufigkeit u. Bed. des Vorkommens von Megastoma en- tericum im Darmkanal d. Menschen. Münch. med. Wochenschr., Bd. 39, 1892. Müller. E.. E. fvnd af Cercomonas intestinalis i jejunum fran münniska. Nordeskt med. Arkiv,' Bd. 21. Heft 4, Nr. 24, p. 1—12, 1889. Ref. Centralbl. f. Bakt, 1890. Perroncito, E., Ueber die Einkapsel. d. Megast. intest. Centralbl. f. Bakt.. 1887. RicCARDi, Ale. prot. delle feci del uomo. Giornal. R. Accad. med., Torino, vol. 58. 1895. Salomon, H. , Ueber einen Fall von Infusorien Diarrhoe. Berl. klin. Wochenschr., 1899, Nr. 46. Schuberg. Ref. über die Arbeit von Moritz & Hölzl. Centralbl. f. Bakt, Bd. 14, 1893, S. 85. L. Pfeiffer fand bei tödlich verlaufenden Erkrankungen der Hühner, Enten, Krähen, Pfauen und Truthühner mit diphtheritisclien Veränderungen in der Trachea und dem Darm große Mengen von trichomonasartigeu mit einer undulierenden Membran versehenen Flagellaten und bezeichnete die Erkrankung als Flagellatendiphtherie der Vögel. Ueberimpfungen in das Schnabelinnere von gesunden Tauben und Hühnern zog nach zwei Tagen den Tod der Im])ftiere nach sich (?). Die Zahl der Geißeln beträgt 2, 3 bis 4, in der Mehrzahl sind 3 Geißeln vorhanden. Ein großer Kern liegt an der Geißelbasis, eine bis 2 kontraktile Vakuolen am anderen Pol. Die Teilung wurde mehrfach beobachtet. Die pathogene Be- deutung dieses Organismus ist noch nicht festgestellt. Eine Kaclmnter- suchung ist dringend notwendig. Babes fand ähnliche Organismen auch auf der Schleimhaut normaler Vögel. Litteratur. Pfeiffer, L., Die Protozoen als Krankheitserreger. S. 149—150. Jena 1891. SciiNEiDEMtJHL, G., Die Protozoen als Krankheitserreger. S. 160. Leipzig 1898. III. Klasse Sporozoa. Diese vorläufig noch künstlich zusammcngefasste Klasse nmfasst alle diejenigen Protozoen, die sich durch zahlreiche freibewegliche Keime, die meist von einer festen Hülle als Sporen umschlossen werden, ver- mehren und in den häufiirsteu Fällen einem Generationswechsel unter- 954 F. Doflein & S. v. Prowazek, liegen. Für sie sind im allg-emeiueu zwei Fortpflanzuugs weisen, die miiltiplikative, die zur Verbreitung- im gleichen Wirtstiere dient und die Autoinfektion besorgt, sowie die propagative Vermehrungs weise charakteristisch, die im Dienst der Verbreitung der Art auf viele Wirts- tiere steht. Beide Vermehrungsweisen muss man bei der Charakterisierung der fraglichen Form berücksichtigen, doch liefert vor allem das Studium der propagativen Lebeusperiode sowie die genaue Ermittlung der Sporen und der Sporenzahl wichtige diagnostische Hilfsmittel. Schaudinx teilt die Sporozoen je nachdem sie am Ende ihrer vegetativen Periode oder während dieser schon sporulieren in zwei Unterklassen ein: a) Telosporidia b) Neosporidia. I. Unterklasse Telosporidia. Die Produktion der Keimlinge erfolgt am Ende der vegetativen Fortpflanzungsperiode. Die Keimlinge sind mit Ausnahme der Haemo- sporidia von einer Hülle umgeben und werden Sporozoiten genannt; sie unterliegen meist im Laufe ihrer Entwicklung einer multiplikativen Fortpflanzung, produzieren dann geschlechtliche Formen, die die Be- fruchtung entweder auf isogamische (gleichartige Geschlechtsindividuen, Gameten) oder auisogamische (verschiedene Gameten) Weise vermitteln. Man teilt sie in zwei Gruppen ein: I. Ordnung Gregarinidae. Einige Formen sind anfangs intracellulär, später extracellulär. Befruchtung isogam, selten anisogam. n. Ordnung Coccidiomorpha. Im allgemeinen intracellulär. Be- fruchtung anisogam. I. Ordnung Gregarinidae. Als Parasiten der höheren Tiere spielen die Gregarineu keine Rolle; früher wurden zwar manche Krankheitsformen als »Gregariuoseu« be- zeichnet und standen vornehmlich bezüglich mancher Haustiere im Eufe einer besonderen Gefährlichkeit, im Verlaufe der weiteren Sporozoen- forschungen hat es sich jedoch herausgestellt, dass gerade die Grega- rineu nicht die fraglichen Krankheitserreger sind und dass sie nur als Schmarotzer der Echinodermen, Insekten, Würmer, Weich- und Mantel- tiere, wo sie, wie ihr Name anzeigt, in großen Mengen vorkommen, aufzufassen siud. Nächst den Würmern werden besonders die Insekten z. B. Käfer von ihnen heimgesucht. Die Gregarineu sind Parasiten von ovaler, meist aber langgestreckter Gestalt, die bei den niedrigeren Formen sich durch eine Metabolie aus- zeichnet, während bei den höheren Repräsentanten dieser Sporozoen- gruppe mit Deutlichkeit 2, beziehungsweise 3 Zellleibabschnitte unter- schieden werden können. Diese Formen werden auch als mehrkammerige Gregarinen bezeichnet, man unterscheidet bei ihnen folgende 3 Ab- schnitte: den vordersten = das Epimerit, den mittleren — Protomerit und den hinteren größeren Endabschnitt als Deutomerit. Das Epimerit ist meist mit besonderen Anhängen, Zähnen und Widerhaken versehen und zwischen ihm und den Protomeriten ist keine deutliche Scheidewand ausgebildet. Es kann auch leicht in Verlust geraten. Das Protomerit ist meistens kürzer und durch eine Die pathogenen Protozoen. 955 solide ektoplasmatisclic Scheidewand vom Dcutomeriteu a])gcsoiidcrt. Bei der Gattimg- Botbriopsis ist die Scheidewand, die sonst meist straft' ist, liandschuliturraig- in den Protoineriteu vorgestülpt. Endlich entbehren die soi;-. einkammerig-cu Gregarinen, die Monocystiden dieser GHederiiiig. Oft kommen sogenannten Assoziations- oder Verklebungs/.ustände der Gregarinen vor, indem sich die einzelnen Formen durch ihre ungleich- namigen Körperpole aueinanderhäugeu und so ganze Ketten bilden; dann wird das vorderste Individuum Primit, die übrigen Satelliten genannt. Früher brachte mau die Kettentbrmen zur geschlechtlichen Fortpflanzung in Beziehung, doch hat sich eine derartige Deutung als falsch erwiesen. Manche Formen vereinigen sich mit ihren Vorder- enden, eine Erscheinung, die Leger Pseudokoujugation nannte. Die Größe der Gregarinen ist bedeutenden Schwankungen unterworfen: so giebt es Formen von 10 ^<, während andererseits Individuen von der respektablen Länge von 16 mm beobachtet wurden. — Das Ektoplasma setzt sich aus 4 Schichten zusammen. Die äußerste Schicht ist das Epicyt oder die Cuticula, die nach Schneider in Essig- säure und Ammoniak leicht löslicli ist. An ihr kann man eine Längs- rippnng erkennen, zwischen der zarte Furchen verlaufen. x4us ihnen quillt bei der Bewegung ein gallertiges Sekret hervor, das am Hinterende er- starrt, die Gregarine derart gleichsam mit einem Gallerttrichter umgiebt und stets anwachsend das Tier langsam vortreibt, doch kann man gegen diese Erklärung verschiedene Einwände machen und es scheint die Frage bis jetzt noch nicht völlig gelöst zu sein. Die Dicke der Cuticula ist meist am Hinterende beträchtlicher. Unter der Cuticula ist die helle, homogene von Scheriakoff näher beschriebene Gallertschicht, die so- wohl die Bewegungsgallerte als auch den Schleim bei der Cysteu- bildung abscheidet. Dann folgt der Sarkocyt oder das eigentliche Ekto- plasma, das an den Stellen, wo die Cuticula am dünnsten ist, die mächtigste Ausbildung erreicht (also am Pol). Aus ihr geht auch die Treunungswand zwischen Proto- und Deutomerit hervor. Endlich löst sie die Myoc} tschicht ab, die durch tibrilläre muskelähnliche Fasern, die Myophane, ausgezeichnet ist; diese umziehen die Zelle ringförmig, beziehungsweise spiralförmig; oft werden sie durch Anastomosen ver- bunden. Nach Schewiakoff verlaufen die Myophane in engen, rigiden Kanälcheu und setzen sich selbst aus dunkleren und helleren Partieen zusammen. Auf diese Schichten folgt das Entoplasma, das meistens trübe, milchweiß und stark körnig ist. Dadurch erhalten die Grega- rinen ein grauweißliches bis gelbbräunliches Aussehen. Das Ento- plasma enthält verschiedenartige Granulationen, die zum größten Teil Keservenahrungsstofte sind. In erster Linie werden sie von Paragly- kogen gebildet, das in ovaler bis kugeliger Form auftritt und mit dem Glykogen verwandt ist. Bütschli nannte diese Körnelung Para- glykogenkörner. Durch Jod werden sie ])raun gefärbt und bei Zu- satz von verdünnter Schwefelsäure nehmen sie einen violetten Farben- ton an. Ferner findet man häufig sog. karminophile Granula, die sich mit Pikrokarmin und Essigkarmin färben und mit den chromatischen Substanzen verwandt zu sein scheinen. Bei Klepsidrincn kommen Fctt- kngeln vor und bei der Pyxinia cristalligera eine dem Paraglykogeu verwandte Substanz, das Pyxinin (Frexzel). Auch Proteinkr^stalle wurden von Leger bei einzelnen Formen konstatiert. Der Kern ist bläschenförmig, rund und enthält einen Innenkörper, das sog. Karyosom, das aber mit dem Karyosom der Koccidien nicht völlig identisch ist. 956 F. Doflein & S. v. Prowazek, Kach den neueren Forsclningen wurde für einige Gregarinen eine doppelte Vermeliruugsweise wahrsclieinlicli gemacht. Die eine würde die Neuinfektion anderer Wirtstiere vermitteln und als Sporogonie auf- zufassen sein, während die sog. Autoiufektion die Schizogonie ver- mitteln würde. In diesem Sinne liegen weitgehende Analogieen mit den Koccidien vor. Derartiges wurde zuerst von Caüllery & Mesnil für eine in der Leibshöhle eines marinen Wurmes, der Dodecaceria concharum Oerst. schmarotzende Monocystide auf Schnittserien festgestellt. Hier wächst der in die Darmepithelzellen eingedrungene Sporozoit zum Schi- zonten heran, der sich zu den Merozoiten aufteilt; die in der Leibes- höhle der Würmer vorkommenden Gregarineu sind dann spätere Ent- wickluugstadien der Merozoiten. Leger fand im Darmkanal der Larven von Ceratopogon eine Schizo- cystis gregarinoides und konnte hier gleichfalls sowohl eine Schizogonie als auch eine sonst bei den Gregarinen beobachtete Sporogonie feststellen. Auf Grund von diesen Beobachtungen schlägt Leger vor, diese Form, mit der 0 p h r y o c y s t i s, die früher zu den A m ö b o s p o r i d i e n gerechnet wurde, als Schizogregarinen mit einigen anderen Formen zu vereinigen und allen anderen Gregarineu, den Eugregariuen, die bloß eine Sporogonie besitzen, gegenüberzustellen. Derzeit muss aber einem solchen System noch der Charakter des Provisorischen anhaften. Die Sporogonie, also die am häufigsten beobachtete Fortpflanzungs- art, wird durch eine Encystieruug von meist zwei miteinander vereinigten Tieren eingeleitet; bei einigen wenigen Formen encystiert sich nur ein Individuum, bei Pyxinia Frenzeli encystieren sich demgegenüber meist drei Individuen. Die sich encystierenden Tiere sind anscheinend ein- ander gleich. Das Karyosom des Kernes bläht sich später meist auf, fragmentiert und durch einen Eiss der Kernmembran tritt ein kleinerer Kernteil heraus, der den »Micronucleus« Cuenots oder die »Ceutro- sphäre« Mrazeks darstellt. Der Rest des Kernes bleibt im Protoplasma liegen und degeneriert erst spät, worauf gewisse gelbliche Einschlüsse im Protoplasma auftreten. Auf diese Weise findet eine Art von Chro- matinreduktion statt, die früher zum Teil schon Wolters, Clarke, Moore und Roböz beobachtet haben. Der Micronucleus stellt also eine Art von Geschlechtskern dar, der erst aus einer späten Differenzierung eines gemeinsamen Kernes in einen degenerierenden Somakeru und einen die geschlechtliche Korrektur besorgenden Geschlechtskern nach Analogie der Ciliaten entstanden ist. — Frühere Forscher, wie Wolters und Robüz glaubten nach diesem Stadium eine Vereinigung der Kerne der beiden encystierten Individuen beobachtet zu haben, eine Angabe, die sich in der Folgezeit nicht bestätigte. Der sogen. »Micronucleus« teilt sich vielmehr am typisch karyokiuetischen Wege mittels eines Zentrosomenapparates in jedem Sporonten in eine große Zahl von Kernen, die nach Auflösung der die Tiere umgebenden Cuticula peripheriewärts wandern, und hier gleichsam das Protoplasma zu einer Art von Aljfurchung veranlassen, während im Centrum ein meist grobvakuoliger Restkörper von Proto- plasma (Sporophor) zurückbleibt. Diese kleineu Zellen nannte man Sporoblasten, nach den Untersuchungen von Siedlecki, Cuenot, Pro- wazek kopulieren aber je zwei Sporoblasten und müssen demnach als Gameten bezeichnet werden. Meist sind sie vollkommen gleich und entstammen in den Fällen, wo nur ein einziges Individuum sich encystierte, demselben Kern; Die pathogenen Protozoon. 957 Leger fand aber l)ei den Stylorliyncliiden eiueii deutlichen sexiielleii Dimorpliismus, indem die einen Gameten Mikro-, die anderen »Makrc» - gameten dars^tellten ; die ersteren waren g-rüßer und besaßen Geißeln und suchten die kleineren kugeligen » Makro «gameten auf, um sich mit ihnen zu vereinigen. Die Copula umgiebt sich später mit einer oder zwei Hüllen, nimmt eine deutliche spindelförmige Gestalt an und wurde in dieser Form vornehmlich von den älteren Autoren Pseudonavicelle (Spore) genannt. Der Kern teilt sich alsbald zumeist in acht Teile, die Tochterkerne wandern nach einigen charakteristischen Drehungen und Umbildungen äquatorwärts und beteiligen sich an der Bildung der scgmeutweise an- geordneten Sporozoiten. Bei den Gregarinen finden wir also eine ganze Entwicklungsreihe eines Generationswechsels, der dem der Koccidien in vielen Punkten ähnlich ist. Bei den niederen Cölomgregarinen kommt nach Oaullery & Mesnil eine Schizogonie (die Autoinfektiou vermittelnd) und ein Sporogonie (Neuinfektiou) vor, bei den höher ent- wickelten Formen fällt die erstere aus und die geschlechtliche Korrektur wird in spätere Stadien verlegt, indem die sog. Sporoblasten miteinander kopulieren; die Gameten können zwei verschiedenen Individuen ent- stammen und bei den Stylorhynchiden kommt eine Art vom geschlecht- lichen Dimorphismus vor. Endlich ist bei den Formen, wo sich nur ein Individuum eucystiert, eine geschlechtliche Inzucht vorhanden, die man bei anderen Protozoen (Actinosphaerium, Entamoeba, Trichomastix, Trichomonas) auch schon beobachtet hat. Die Cysten der mehrkammerigen Gregarinen w^erden zu Beginn der Teilungen mit dem Kot der Wirtstiere entleert und reifen unter dem Einfluss des Sauerstoffs der Umgebung. Die Cysten vieler Monocystiden sowie die der Cölomgregarinen reifen in der Leibeshöhle. Durch Quelluugserscheinungen wird die Cyste gesprengt, indem entweder der Protoplasmarest verquellend die äußere Umhüllung zersprengt oder aber die äußere gallertige Hülle bringi durch Zusammenzichung die innere Membran zum Platzen. Bei einzelnen Formen entstehen in der Cystenwand sog. Sporodukte, die in das Innere hineinragen und später handschuhförmig umgestülpt werden und die Sporen durch die inneren Verquellungen nach außen befördern. Die Sporen sind recht mannig- fach gestaltet. Bei den Gynniosporeen entbehren sie einer Hülle. Bei den Formen, welche eine doppelte Sporeuhülle besitzen, wird diese einerseits Epi- andererseits Endospore genannt. Die Entleerung der acht Sporozoiten erfolgt entweder durch präformierte, nur verstopfte Oeflfnungen oder durch ein Auseinauderklappen der Sporenschalen. Die Sporenentleerung haben vielftich A. Schneider und Leger direkt beob- achtet. Die freien Sporozoiten biegen sich meist S förmig oder ring- förmig ein und dringen im Verdauungstractus der A^'irtstiere bald in die Darmepitbelzellen oder zwischen diese ein und entgehen so dem zerstörenden Einfluss der Verdauungssäfte. Im Gegensatz zu diesen Darmgregarincn giebt es Leibeshöhlen- oder Cölomgregarinen, die in der Leibesliöhle verschiedener niederer Tiere oder in den Samenblasen von Würmern vorkommen und schon hier ihre Sporocysten zum Ausreifen bringen, deren Inhalt entweder beim Ent- leeren der Geschlechtsprodukte oder aber meist erst nach dem Tode des Tieres ins Freie gelangt. Die Cölomgregarinen schmarotzen in der Darmwand der Wirtstiere und treiben diese blasenförmig ge, F — 7, L—M von Myxobolus ellipsoides, E — K Myxobolus pfeiiferi; Ä Pansporoblast, B-D Mitose dessen Kernes, -B—JJ Kern Vermehrung desselben, /Bil- dung 3 kerniger Sporoblasten, Ausstoßung von 2 Kernen, K—M Bil- dung der Spore; l Pansporoblastkern, 2 Kern des Mutterindividuums, 3 und 4 Sporoblasten, 5 Restkerne, 6 Bildungszellen der Polkapseln, S ihre Kerne, 7 Amöboidkeim, 9 Polkapsel (nach Thelohan). Reaktion zeigt, oder aber es entwickeln sich sogenannte Cysten, wobei das Wirtsgewebe im Centrum degeneriert und ringsherum vom Wirt aus eine bindegewebige Kapsel oder Cyste zur Ausbildung gelangt. Der Die pathogenen Protozoen. 977 Tod des Tieres wird zum Teil durcli unbekannte toxische Wirkuug-eu, durch den schädigenden Eintiuss der sich ausbihlenden Tumoren, sowie durch uachträü:lich sich einstellende liakterieuinfelvtioueu herbeigeführt. Myxobolus pfeifferi Thelolian. Die Sporen dieser Form sind eiförmig-, der Nahtrand der Kapsel be- sitzt einige Falten. Die Polkapselu, deren Entstehmigsgeschichte noch nicht genau festgestellt ist und die vermutlich im ausgeschnellten Zu- stand zum Anheften und zur Verbreitung der Form dienen, sind deut- lich entwickelt und schließen zwischen sich eine kleine, dreieckige eigen- artige Bildung ein. Die Größe der Spore beträgt 12/10 //. Fig. 61. Barbe mit Myxosporidienbeulen (nach Doflein) r k cl^. '.:/ Die Art parasitiert in der Barbe (Barbus barbus L.) und ruft hier die sogenannte Barbenseuche hervor. Die jüngsten Stadien hat wohl Dof- LEix in der Leber, u. z. bald in den Zellen, bald frei im Gewebe beobachtet. Es kommen hier sehr kleine Keime vor, die alsbald wachsen und ihre Kerne vermehren. Die Kerne scheinen sich am Wege einer primitiven Mitose zu vermehren. Deutliche Myxobolus- spindeln hat Thelohan beschrieben. Geschlechtliche Fortpflanzung und multi- plikative Vermehrung sind bis jetzt noch nicht bekannt, wie auch der Infektions- modus viele Rätsel in sich birgt. Als harm- losen Parasit iiudet man den Myxobolus im Zustande der diffusen Infiltration in der Niere, in der gefährlichen Form kommt er in fast allen Organsystemen des Fisches vor, wie im Bindegewebe des Darmes, in der Niere, Milz, Leber, im Ovarium, in den Muskeln, wo er zu eigenartigen Tumorbildungen den An- lass giebt, die als ballenartige Beulen schon von außen sichtbar sind und bis Hühnereigröße erreichen. Anfangs kann dieses Myxosporid zwischen den Muskcl- filjrillcn liegen, ohne dass es im umgebenden Gewebe irgend welche ent- zündliche Reaktionen auslöst, sobald aber die Muskelzelle beim fort- schreitenden Wachstum durchl)rochen wird, gerät das umgebende Binde- gewebein einen Froliferationszustand und schließt den Parasiten kapsclartig Handbucli der pathogenen Mikroorganismen. I. 62 C -*- \~':: i_ ^ _^^ Fig. 02. Infektion der ^Iiiskelfaser der Barbe durch Myxobohis i)f. u = normale Muskel, (hj = infizierte Muskel, e — Bindegewebe nach The- LOUAN aus Wasielewski,. 978 F. Doflein & S. v. Prowazek, in eine Cyste ein. Die Dicke der Cystenhülle ist bedeutenden Scliwan- kungen unterworfen. Manche der die Cyste umgebenden Muskelzellen regenerieren, während andere gleichzeitig wie bei der Regeneration des Amphibienschwanzes degenerieren, wodurch ein recht buntes patholo- gisches Bild zustande kommt. In die oberflächlich liegenden Tumoren treten oft Bakterien ein und sobald jene nach außen durchbrechen und der milchige Inhalt, bestehend aus Degenerationsprodukteu, Leukocyteu und zahllosen Sporen nach außen abfließt, kann es dann auch zu einer neuen Infektion kommen. Aus diesem Grunde muss man die erkrankten Fische rechtzeitig entfernen und vergraben oder verbrennen. Die kranken Tiere sind, abgesehen von den Beulen auch an der Abnahme des Glanzes ihres Schuppenkleides erkennbar. Nach Doflein fällt die Wachstums- periode des Parasiten in die Sommermonate, am Ende des Winters findet man meistens nur zahlreiche Sporen vor. Doflein fand, dass die gesamten Barben aus allen Stromgebieten Deutschlands mit Myxobolus pfeifteri infiziert sind. Auf Grund dieser Fig. 63. Myxobolus pfeifferi, C3'ste zwischen zwei Muskelbündeln. überraschenden Wahrnehmung, legte er sich die Frage vor, wieso es kommt, dass bis jetzt aus diesen Stromgebieten nichts von einer Barbenseuche gehört wurde? Er meint nun, dass die Moselepidemie durch eine besondere Easse oder Varietät des Myxobolus pfeiiferi hervorgerufen wurde, denn sonst wird nur die Leber oder die Niere von dem genannten Parasit angegriffen, während diese Parasiteuvarietät alle Organsysteme heimsucht. Nach Ludwig herrschte eine derartige Barbenseuche in den 70 er Jahren in der Mosel und Saar und breitete sich bis zum Rhein aus. 1883 — 1885 wütete eine sehr heftige Epidemie unter den Barben des Flussgebietes der Maas und forderte zahllose Opfer. Auch das Gebiet der Marne, Meurthe, Aisne und Seine blieb nicht verschont. An der Maas Avurden an manchen Tagen, da die Epidemie ihren Höhepunkt erreicht hatte, mehrere hundert Kilogramm Fischleichen verscharrt. Die erkrankten Fische sind leicht an ihrer Mattigkeit zu erkennen; sie schAvimmen taumelnd hin und her als ob sie vom Cocculus iudicus vergiftet worden wären; ihre Körperoberfläche ist verfärbt, die Muskeln sind von gallertiger Konsistenz. Die pathogenea rrotozocn. 979 Litteratur. CoHN, Zur Kenntnis der Myxosporidien. Centralbl. f. P.akt., Bd. 32, II. 8/9, 1902. DoFLEiN, Stud. z. Naturg. d. Prot. III. Myxosporidien. Zool. Jahrb., Abt. f. Anat., Bd. 11, 1898. DoFLEiN, F., Protozoen als Krankheitserreger, 1901. GuRLEY, The myxospor. er psorosp. of fish etc. Rep. U. S. conim. of fish and fisher, Washington 1894. Labbe, Tierreich, 5. Lief., Sporozoa, S. 99. Ludwig, H., Ueb. d. My.xosporidienkrankheit der Barben in der Mosel. Jahresber. rhein. Fischereivereines. Bonn 1888. Megnin. Epid. sur les barbeaux de la Meurthe. C. r. soc. biol, Paris, vol. 2, 1885. Pfeiffek. Protozoen als Krankheitserreger, 1891. — Ders., Der Parasitismus des Epithelialcarcinoms sowie die Sarko-, Mikro- u. Myxosporidien im Muskel- gewebe. Centralbl. f. Bakt., Bd. 14, 1893. Railliet, La mal. d. barbeaux de la Marne. Bull. soc. Aquic. France, vol. 2, p. 117—120, 1890. Thelohan, P., Bull, scient. France Belgique, vol. 26, 1895, p. 350. — Ders., Al- ternations du tissu musculaire dues ü la presence de Myxosporid. et de mi crobes chez le barbeau. Compt. rend. soc. biol., Paris i^9i, vol. 5. Myxobolus cyprini Doflein. Diesen Parasiten hat Hofer (Allg-em. Fischerei Zeitung- 1896) in der Niere, seltener in der Leber und Milz sogenannter »pockenkranker« Karpfen gefunden; derselbe Forscher war auch in der Lage, durch In- fektionsversuche die direkte Uebertragung desselben ohne Zwischen- wirte nachzuweisen. Mit dem Kote der Fische werden aus der Leber oder Niere die Sporen entleert und gelangen in den Schlamm der Teiche, um später bei der Nahrungsaufnahme der Karpfen in den Darmkanal per OS zu kommen, wo die Sporen aufspringen und den sog. Amöboid- Fig. ()4. Pockenkranker Karpfen (nach Doflein . keim freilassen, der durch die Darmwand in die Niere einwandert. In den Nierenepithelzellen beobachtete dann Düfleix die jüngsten, äußerst kleinen, ein bis mehrkernigen Formen. Es sind dies kleine Gebilde, die neben dem Kerne liegen und den sog. Plimmerschen KiJrpercheu der Karzinomzellen gleichen. Sie besitzen eine dunkle und eine schwächer färbbare Hälfte; ob sie noch von einem Plasniahof umgeben sind, lässt sich nur schwer ermitteln. Später kann man einen kleinen amöboiden Zellleib unterscheiden, der stets einkernig ist; auf Grund dieser Beobach- 62* 980 F. Doflein & S. v. Prowazek, tung' mnss mau anuehmen, dass der 2 kernige Amöboidkeimkeru noch ein unbekanntes Zwischenstadium durchlaufen hat. Der Kern zerfällt, dami auf dem Wege einer primitiven Amitose, die derjenigen, welche Schau- DixN für Foraminiferenkerne, Heri wig und Brandt für Eadiolarien u. s. w. ermittelt haben , ähnlich ist. Es gewinnt feruer den Ansehein, dass alle in den Zellen vorkommenden Keime von derartigen durch eine multiplikative Vermehrung entstandenen » Schwärm- sporen« abzuleiten sind. Später tiudet man besonders in der Niere zahlreiche Zellinfektiouen und Sporen, jedoch fast g'ar keine »größere Anhäufung von Myxospori- Fig. 65. Spore von dienprotoplasma«. Die Sporen haben in der Naht- Myxobolus pfeifferi ebene einen breitenRaud und messen in der Länge 21 u (nach Thelohan). ^^^^ j^^ ^q^. gj-gj^g 15 ^^ jy-^^ Polkapseln sind 6 'u lang. Die Sporenwandung besteht aus zwei klappen- artigen Schalen. Neben den Sporen und den kleinen Myxosporidieu- körpern fallen zwischen den Zellen noch die sog. »gelben Körper« auf, die für diese Krankheit höchst charakteristisch sind und an denen man sie am leichtesten mikroskopisch feststellen kann; sie sind intensiv gelb. Fig. 66. Schnitt durch eine Hautgeschwulst des Karpfens (nach Doflein;. seltener rötlich und enthalten im Innern oft dunkelbraune bis schwarze Pigmentkörner. Die Färbung verschwindet in verdünnter Kalilauge, sie selbst liefern aber keine Glykogeureaktion. Meist sind sie als eine Art von Fremdkörpern von einer bindegewebigen Cyste umschlossen. Die Die pathogenen rrotozoen. 981 Frage, ob diese gelben Körper dem Myxosporid oder dem Wirte selbst angehören, ist bis jetzt noeli kontrovers, Tiiklouax, der sich nni dieses Gebiet der Sporozoi'nknndc die größten Verdienste erworben hat, glaubt in seinem nachgelassenen Werke sich t'lir die letztere Ansicht entscheiden zu mitssen, Hofek hält sie dagegen für Einschlüsse des Myxosporidproto- plasmas. Hand in Hand mit dieser Erkrankung geht eine Veränderung der Haut vor sich, indem au den verschiedensten Stellen des Körjjers milchig getrübte Flecken auftreten und die sog. »rockenfiecke < dar- stellen. Rücksichtlich dieses zu Irrtümern leicht Aniass gebenden Ter- minus sei darauf hingewiesen, dass diese Bildungen mit der menschlichen Variola, bei der neben dem Kern typische Degenerationsprodukte auf- treten, nur eine geringe Aehnlichkeit besitzen, liald erheben sie sich buckelartig über der Oberfläche empor, später wuchern auch von der Cutis aus Blutgefäße in sie hinein und es stellen sich entzündliche Prozesse ein, worauf ja auch die Anwesenheit der Leukocyten hindeutet. Beim normalen Verlauf der Krankheit fallen die »Fockenbildungen« von selbst ab, um sich wieder von neuem zu bilden; dasselbe tritt auch ein, so- bald man sie nach Hofer künstlich entfernt. Durch diese andauernde Erkrankung und den sog. Proliferations- prozess wird das Tier sehr geschwächt und in seinem Wachstum beein- trächtigt. Mit Sicherheit konnte bis jetzt noch nicht ermittelt werden, ob eine dauernde Ausheilung unter Umständen erfolgen kann. In der Haut kann man jedoch l)ei der sorgfältigsten Untersuchung keine Krank- heitserreger finden, dafür waren aber die Nieren stets infiziert und Hofer sowie DoFLEix nehmen nun an, dass das Exkretionsgewebe der Niere durch die Parasiten zerstört wird und es zu einer Urämie kommt. In der Haut sammeln sich dafür jene Stoffe, die die Niere ausscheiden sollte, an und diese Stoffe wirken dann nach Art einiger Salze bei der sog. künstlichen Parthenogenese, derart, dass unter ihrem Einfluss die Epithelzellen sich lebhaft teilen. Luhe vertritt dagegen die Meinung, dass die untersuchten Karpfen eventuell eine Myxosporidinfektion neben der Pockenkrankheit schon erworben hatten und dass die Myxosporid- infektion nur eine Art von Prädisposition für die Pockeugewebe, deren Wesen unbekannt ist, abgiebt. Die Pockeukrankheit ist vor allem den Karpfen, seltener der Schleie eigentümlich; sie kommt fast in allen Gegenden, wo eine lebhafte Karpfenzucht getrieben wird, vor. Hofer hat sie besonders bei den böhmischen und galizischen Karpfen lieobachtet, wendet sich aber entschieden gegen die Behauptung, dass »die Pockenkrankheit nach Deutschland aus dem Auslande, speziell aus dem benachbarten Oesterreich mit böhmischen und galizischen Karpfen eingeschlepi»t wor- den sei.« Sie ist nicht etwa die Folge der modernen Karpfenzucht allein, denn Gessner scheint sie einer ^Mitteilung aus dem Jahre 1503 zufolge schon bekannt gewesen zu sein. Innnerhin scheint ihre Verl)reitung in beständiger Zunahme begriffen zu sein, die thatsächlich zum Teil auf die strenge Rassenzucht, die vor allem recht schnellwüchsige Rassen ein- zuführen bestrebt ist, zurückgeführt werden kann. In der Natur mögen Heilungen nur in dem Sinne stattfinden, als die Infektionsherde durch Bindegewebswucherungen cystös al)gekapselt uiul unschädlich gemacht Averden. Künstlich kann man die Fische wohl nicht heilen und niuss zunächst bloß die Vcrl)reitung der Krankheit, welcher zum gr(»ßen Teil der lebhafte Handel mit Satzfischen Vorschub leistet, einzudämmen trachten. Die freiwerdenden Sporen des Myxobolus fallen auf den Boden der 982 I"- Doflein & S. v. Prowazek, Zuchtteiche und könneu von hier aus mit Leichtigkeit immer ueue Fische, vor allem Karpfen infizieren, es empfiehlt sich daher die Teiche V(3llig- trockenzulegen und zu kalken. Durch Austrocknuug verlieren nach Hofek die Sporenkeime die Infektionskraft. Auch muss mau darauf achten, dass die Laichfische frei von der Pockeukrankheit sind, sowie dass die im Handel vorkommenden Satzfische nicht mit dem erwähnten Myxosporidien behaftet sind. In diesem letzteren Sinne kann aber nur die mikroskopische Untersuchung ein entscheidendes Wort reden. Litteratur. Hofer, B., Die sog. Poekenkrankheit der Karpfen. Allgem. Fiseliereizeit., 1896, S. 2—3, 28 u. 186—187. — Ders., Ueber Pischkrankheiten. Ztschr. f. Fischerei, Jahrg. IV, 1896, S. 320— 324. — Ders., Ueber die Pockenkrankheit der Karpfen. Vortrag geh. in d. General-Versamml. d. sächs. Pischereiver., 1901. Ferner die schon früher citierten Arbeiten von Gurley und Doflein. LUHE, Ergebnisse d. n. Sporozoenforschung. 1901. Hoferellus cyprini (Doflein). Diese Myxosporidienform kommt frei in den Niereukauälen des Karpfens vor. In den Zellen des Nierenepithels findet man die jüngsten Formen, die sich auf multiplikativem Wege zu vermehren scheinen ; später gelangen sie in die Nierenkanälchen und produzieren hier die Pansporo- Fig. 68. Spore Fig. 67. Hoferellus cyprini. von Hoferei- Nierenepithel mit jungen Stadien lus cyprini (nach Doflein). (n. Doflein). blaste und Sporen, die stumpf pyramidenförmig- sind und am Hinterende zwei Spitzen besitzen (Länge 10 — 12 u, Breite 8 u, Schwanz 2 /<). Durch das Wachstum des Myxosporidienplasmas wird manchmal das Nieren- kanälcheulumen verstopft, aber sonst ist die pathologische Wirkung dieser Form unbekannt. Litteratur. Berg, Comunicat. Mus. Nat., Buenos Ayres 1889, p. 41. Doflein, Studien zur Naturgeschichte der Protozoen, III. Myxosporidien. Zool. Jahrb., Abt. für Anat, Bd. 11, 1898. Henneguya zschokkei Gurley (Myxobolus bicaudatus Zschokke). Dieses Myxosporid ruft bei den Koregoniden blasenartige Tumoren von 32 mm Länge und 16 mm Breite hervor; es schmarotzt im Muskel- zwischengewebe und wird vom Bindegewebe meistens cystenartig ab- gekapselt. In dem Innenraum derartiger Cysten findet sich leicht rigides Myxosporidprotoplasma mit zahlreichen Kernen, den schon ge- dachten Pansporoblasten und den Sporen, die vorne abgerundet, hinten Die pathogenen Protozoen. 983 spitz sind und iu einen von den beiden Schalen g-eljildeten Selnvanzanlian«;' auslaufen; ihre Köri)erlänü-e l)eträgt 10 /<, die Breite Tu, der Schwanz- anhang-, dessen beiden Hälften später auseinanderklaffen, ist 40—50 ii lanc,'. Vorne bemerkt nmn an den Sjxtren die r<)lka])seln mit ihrem Spiralfaden, der terminal durch einen J^orus vorg-eschnellt werden kann und dann die Sporen sechs- bis /elnnnal an Länge übertrifft. Der Parasit sclnnarozt besonders in der Muskulatur der Koregoniden llusslands und der Schweiz. Clal'AKede und später Zchokke haben die oben geschilderten Tumoren aus dem Coregonus liiemalis Jurine und Coregonus schinzii Fatio des Geufersees, Kolesxikoff für die Koregoniden Kuss- lands beschrieben. Braun machte diesbezügliche Angaben für den Peipus- und Ladogasee. Die Fischer des Genfersees bezeichnen diese Erkrankung der Felchen als »petite veröle des poissous«. Die Fische sind leicht an ihrer buckeligen Körperoberfläche zu erkennen; die Schuppen fallen bei ihnen sehr leicht aus und die Muskulatur degeneriert in der Umgebung der Invasionsstelle. Die Muskeln werden schwammig, grau oder violett. Das Krankheitsbild erfährt insofern noch eine Komplikation, als sich eine Bakterieninfektion einstellt und zu weit- gehenden Eiterungsprozessen den Anlass giebt. Die kranken und toten Fische müssen rechtzeitig verbrannt und entfernt werden. Litteratur. Balbiaki, Myxosporidies ou Psorospermies des poissons. Journ. luicrogr.. 1883. Braun, M., Referat über Ludwigs Arbeit. Centralbl. f Balct., Bd. 6, 1889. Claparede, A., Lunel, G. Histoire naturelle des poissons d. bassin du Lemau. Jurine, L., Histoire des poissons d. 1. Leman. Mem. soc. phys. bist. nat. Genev., 1825, L, II. Kolesxikoff, N. T. , 0 psorospermiakb v muskulature. Vet. Yestnik, Kbarkoflf 188G. Zschokke, T., Die Myxosporidien in der Muskulatur der Gattung Coregonus Zool. Anz., Bd. 21, 1898, S. 213— 214. — Der s., Die Myxosporidien d. G. Core- gonus. Centralbl. f. Bakt., Bd. 23, 1898. — Ders., Myxobolus bicaudatus n. sp. »Mitteilungen« der naturf. Gesellschaft in Luzern, Heft 2, 1896/97. Die Zahl der parasitischen Myxosporidien ist sehr groß, doch ist in den meisten Fällen die pathologische Bedeutung derselben nicht genau ermittelt. Es würde zu weit führen, alle die einzelnen Formen hier aufzuzählen, zumal sie meisteus bei den marinen Fischen vor- kommen und hier nicht so schädlich zu sein scheinen. In den vorher- gehenden Zeilen wurde nur der Formen, denen eine wirtschaftliche Be- deutung zukommt, gedacht. Von einem gewissen Interesse ist noch der Myxobolus lintoni Gurley, der bei Cyprinodon variegatus charakteristische Hauttumoren erzeugt. Die Sporen sind bikonvex, linsen- förmig. Länge: 13,9 /<, Breite 11 ,u, Dicke 8 fi. — II. Unterordnung Mikrosporidia. Zeichnet sich durch zahlreiche kleine Sporen mit nur einer Pol- kapsel aus. Die Mikrosporidien sind mit w^enigen Ausnahmen Zellpara- siten. Die Pansporoblasten entstehen entweder im Innern des Körper- protoplasmas oder dieses zerfällt in jene charakteristischen Bildungen selbst. Unter den Mikrosporidien interessiert uns an dieser Stelle be- sonders die Nosema bombycis, der Erreger der Seideuraupenkraukheit (Pebrine). 984 F. Doflein «fe S. v. Prowazek, 0 9 Nosema bombycis (Nägeli). Die kleinen ovalen mit nur einer Polkapsel versehenen Sporen dieses von Lebert 1856 beschriebenen Parasiten werden nach der üblichen Auffassung- von der Raupe gefressen, gelangen auf diese Art in den Darmkanal, wo ihre Polfäden ausgestoßen werden, sie sich selbst aber öffnen und den Amöboid- keim freilassen. Tenholt, der die Nosema als einen harmlosen Parasiten auf- fasste und die Pebrine auf einen anderen Erreger zu- rückführte, verfocht gegen Maillot wohl mit Unrecht die Ansicht, dass der Pa- rasit nicht durch das Futter verbreitet wird. Der Amö- bo'idkeim durchbohrt die für den Insektendarm charak- teristische Stäbchencuticula, kommt in die Darmepithel- 6 7 Zellen oder wandert von Fig. 69. Nosema bombycis. 1—5 Sporenentwick- hier in die übrigen Organe, lung, 6 Infizierter Hodeutbllikel, 7 Sporen, a, h frisch, die schließlich alle intiziert e, d mit Salpetersäure behandelt (nach Balbiaki). Y^ßj-den In dem Plasma des Parasiten sind viele kugelige Pansporoblasten nachweisbar, aus denen zahlreiche Sporen hervorgehen; die eiförmigen Sporen sind 3 f.i lang, 1,5 — 2 /« breit, und haben am hinteren etwas abgerundeten Ende eine Vakuole; unter der Einwirkung- von Salpetersäure quellen sie stark auf, worauf die Pol- kapsel und der ausgestoßene Polfaden, der 10—13 n laug ist, sichtbar wird. Die geschilderte , von Nägeli im Jahre 1857 entdeckte Nosema bombycis schmarotzt in allen Organen der Raupen von Bombyx mori, Gastropacha neustria sowie Saturnia pernyi, bei der aber die Infektion auf den Mitteldarm beschränkt zu sein scheint. Nägeli stellte die er- wähnten Körperchen zu den Schizomy- ceten und nannte sie Nosema botuly- sis, Lebeet taufte sie wiederum in »Panhystophyton ovatum« um. Balbiani Fig. 70. Teil des Eaupenmagens »bellte sie zuerst als »Psorospermien der von Bombyx neustria mit Nosema Articulaten « zu den Sporozoen ; trotz der (nach Balbiani). großen Anzahl von Schriften die über diesen Gegenstand existieren, sind die mor- phologischen Verhältnisse dieses Organismus noch sehr wenig erforscht. Die infizierten Raupen, die charakteristische Flecken am Leibe be- sitzen, können sich nicht recht verpuppen und sterben dann in großen Mengen ab; waren sie schwächer infiziert, so dass der Verpuppungsprozess noch zu Ende geführt werden konnte, so können dann die auskriechenden Schmetterlinge, die nach Maillot auch jene Flecken haben, die Krankheit weiter verbreiten, zumal bei ihnen die Geschlechtsorgane infizirt sind Die pathogenen Protozoen. 985 TTiid die Krankheit derart durch die Eier weiter »vererbt« wird. Aus den infizierten Eiern kriechen nur mit Mülie schwäcldiche liäupchen hervor; hei den zaldreichcn Häutungen ziehen sie sich oft in charakteristisclier Weise in die Länge. Das Spinnorgan bleibt bei ilmen in der Ent- wicklung sehr zurück. Pasteür gebührt das Verdienst die Prophylaxe dieser Krankheit weiter ausgebaut zu haben, vor allem aber lehrte er uns, auf mikrosko- pischem Wege die infizierten Eier von den nicht infizierten zu unterscheiden. Um die Erforschung- der Morphologie und Biologie hat sich Balbiani, dann auch Leydig bleibende Verdienste erworben. In den Seidenbauprovinzen traten schon mehr- — - - fach heftige Epidemieen auf die dem Lande ^j ^^ Seidenspinnermagen- eiuen groben Schaden zufugten, ja den wand mit Nosema bombycis Seidenbau vernichteten. So wütete in (nach Balbiani . Frankreich im Departement Vaucluse 1845 eine heftige Epidemie, 1854 trat dieselbe Seuche in Italien auf und in Deutschland ist besonders die Epidemie von Nordhausen bekannt, wo 80^ der Schwärmer infiziert waren; nach M. de Quatrefrage.s Eech- nungen erlitten die Seidenzüchter in Frankreich in den Epidemiejahren 1854 — 67 einen Verlust, der sich ungefähr auf eine Milliarde bezifferte. Litteratur. Balbiaxx, Eech. sur las corpiiscules d. la pebrine. Journ. anat. et physiol., t. 3, p. 599— 604, 180G. — Ders., Compt. rend. soc. biol. , t. 19, p. 103, 1869. — Ders., Journ. microgr., vol. 7, p. 317, 1883. CoHX, Jahresbericht der Schles. Gesellschaft, Bd. 51, S. 45, 1874. Cornalia, Atti soc. ital., vol. 2, p. 255—270. Frey & Lebert, Vierteljahrsschrift d. G. Zürich 1856, Bd. 1, S. 374—389. Lebert, Ueber d. g. h. Krankheit des Insekts d. Seide. Jahresber. über die Wirk- samkeit des Vereins zur Beförderung des Seidenbaues f. d. Fr. Brandenburg, 185G— 57. — Ders., Berliner entom. Zeitschrift, 2. Jahrg., 1858. Leydig, Arch. t Anat. und Phys., 1863. Lutz & A. Splendoke, Ueber Pebrine u. verwandte Mikrosporidien. Centralbl. f. Bakt., Bd. 30, ^^r. 2, 1903. MoNiEZ, Obs. p. la revision d. Mikrosp. C. rend. acad., t. 104, 1887. NÄGELi, Tagblatt d. D. Naturf. Bd. 33, S. 33. 1857. — Ders., Botanische Zeitung, Bd. 15, S. 760, 1857. Pasteur, Maladie des vers ä soie, p. 1 — 327, 1870. Pfeiffer, L.. Die Protozoen als Krankheitserreger. 1891. Tiielohan, Bull, scient. France Belgique, t. 296. 357, 1895. Weitere Litteratur in dem oft citierten Werke von Labue, Sporozoa. Das Tierreich, 1899. Anhangsweise sei hier des von J. Bolle beschriebenen Microspori- dium polyedricum, das der genannte Autor als den Erreger der Gelb- oder Fettsucht des Seidenspinners ansieht, gedacht. Diese Krankheit ist schon seit altersher bekannt und war schon mehrfach Gegenstand von wissenschaftlichen Untersuchungen, so von Coknallv, Maestri, A. Cecconi, E. Verson, Haberlandt, Forbes und Taxeuianco. Die kranken Raupen werden gelblich, ihre Haut wird glänzend (gelbsUchtige Raupen, Glanzraupen, luisettes) und ihr KiJrperumfang nimmt bedeutend zu; sie kriechen unruhig hin und her und steigen besonders gerne in der Hürde in die Höhe — es scheint dies eine Art von negativem Geotropismus zu sein, den ja auch von Schlupfwespen angefallene Raupen (Kohlweißlingsraupen] in hervorragender Weise an den Tag legen. 986 F. Doflein & S. v. Prowazek, In der Folge machen sich nnreg-elmäßige Ausehwelhingen am Eaupeuleib bemerkbar und die Raupeuzüehter bezeichnen derartige Raupen als Fettraupen (grasserie). Die Haut der Raupen wird brüchig, unterliegt sehr leicht mechanischen Verletzungen und aus den Rissstellen sickert das milchige, je nach der Raupenrasse gelbe oder weiße Raupen- bhit heraus. Später wird die Raupe matt, unbeweglich; die Haut der Raupenleiche wird rasch braun, sodann schwarz und der Körper zerfließt in einen braunen klebrigen Brei, der aber nicht so übelriechend ist, wie derjenige von schlaifsüchtigen Raupen. Im Blute kommen nun zahlreiche Granulationen vor, die Maestri vom Fettgewebe ableitet, während Verson sie für Krystalle hält. Bolle hat nach genaueren Analysen ihre Eiweißnatur festgestellt und nennt sie polyedrische Körnchen, deren Parasitennatur er durch künstliche Infektionen noch weiter be- wiesen zu haben meint. Bolle beschreibt die positiv ausgefallenen künstlichen Infektionen eingehend. Die Körpercheu sind 5 /< groß und haben fast das Aussehen von Fettkügelchen, nur dass sie in Osmiumsäure nicht die charakteristische Färbung annehmen. Im allgemeinen haben sie die Form von Rhombendodekaedern. Bolle vertritt die Ansicht, dass sie sich durch Querspaltung vermehren, nebstdem kommt noch eine Absonderung von Keimen vor, die Bolle Tochtersporen oder Sporulae nennt und die er im Vergleich zu den Pebrinekörperchen als auf das geringste Maß reduzierte Amöbenformeu Balbianis bezeichnet. Er rechnet auf Grund seiner Untersuchungen die genannte Form zu den Mikrosporidien — doch scheint mir persönlich die Parasitennatur trotz der ausführlichen Untersuchung Bolles nicht über alle Zweifel erwiesen zu sein, und es ist eine Neuuntersuchung dringend notwendig. Im Blute einer zwei Tage nach der vierten Häutung künstlich infizierten Raupe kommen 5,600000 Körperchen auf 1 cm.'^. Die Krankheit ist ansteckungsfähig (Bolle) aber nicht erblich. Verson und Panebianco sprechen sich entschieden gegen die Schmarotzernatur der polyedrischen Körperchen aus. Litteratur. Bolle, J., Die Gelbsucht oder Fettsucht, vorläufige Mitt. Atti e Memorie d. K. K. Ackerbaugesellschaft in Görz, 1894, p. 133. — Ders., »Der Seidenbau in Japan«, Wien, Hartlebens Verlag, 1898. Maestri, Trammenti anatomici fisiologici e pathologici del baco de seta. Pavia 1856. Panebianco, E. , Osservazione sui granuli del giallume. Bollettino mensile di bachieoitura, Ser. 2, ann. 10, p. 145, 1894. Verson & E. Quajat, »II filugello e l'arte serica«, Padua 189ö. Nosema lophii (Doflein). Diese Form soll hier nur wegen ihres interessanten Zellparasitismus erwähnt werden. Sie kommt in den Ganglienzellen des Zentralnerven- systems, vor allem in den Cerebrospinalnerven des Lophius piscatorius (Seeteufel) vor, wo sie große Cysten bildet. Die Amöboidkeime scheinen durch die Holmgrenschen Kanälchen in die Ganglienzelle einzuwandern und hier sich sehr stark zu vermehren. Die Zelle wird zunächst über- aus hypertrophisch, der Ganglienkeru blasenf örmig, das Kernkörperchen vergrößert sich wie bei der Trichinose, Gregarinose u. a. beträchtlich imd man kann nun die gegen den Kern abzielende Kanälchenstruktur sehr gut verfolgen. Die Cysten liegen öfters auch nur in einem Kerven- fortsatz der Gauglienzelle (Mrazek). Um die Ganglienzellen macht sich Die pathogenen Protozoen. 987 eine lebhafte Wuclienuii;- bemerkbar. An den «ivoRen Cysten kann man, sobald die Öporenl)ilduni;- weit vorg-escbritten ist, zwei Zonen unterscheiden, deren Bedeutung noch unklar ist. Zunächst fallen in den Cysten die zahllosen Sporen, die oval, oft bohnenförmij^- gekrünnnt und 3,5 u laug und 1,5 ,« breit sind, auf, dazwischen ist eine schwer wahrnehmbare Zwi- schensubstanz ausgebreitet; auf ge- wissen Stadien bemerkt man peripher Anhäufungen von hellen »Stellen« mit kernartigen Einschlüssen, die oft han- teiförmig eingeschnürt sind. Es sind dies die Sporoblasten, die Mrazek zuerst nachgewiesen hat und die ich auf Grund meiner Präparate auch be- stätigen kann. Andere Stadien der % beginnenden Zellinfektion, die von DoFLEiK beschrieben wurden, sind von Mrazek auf Degenerationserschei- nungen zurückgeführt worden; eine Neuuntersuchung dieser Verhältnisse ist notwendig. Diese großen Nerven- tumoren sind insofern auch interessant, als hier von der Natur selbst gleich- sam das BETiiEsche Experiment der Entfernung der Ganglienzelle ausge- ■. " v fuhrt wird und es wäre zu wünschen, dass bald die stark erkrankten Lophii, die in der Adria und im Mittel- meer recht häufig vorkommen, einer Fjg. 72._ Ganglienzelle eines Lophiua 1 . 1 . 1 ?j . 1 ' , piscatonus mit einer geschichteten physiologischen Untersuchung unter Nosemacyste unten sind Zellkanäl- worfen werden. chen . Litteratur. DoFLEiN, Stud. Über Prot. III. Myxosporidien. Zool. Jahrb. Anat. , Abt. 11. 1898. Mrazek, A. , Sporozoenstudien II. Glugea Lophii Doflein. Öitziingsber. d. kgl. böhm. Gesellschaft der Wissenschaft, 1899. Anhang. Calkins (Lym. T., The cause of a recent epidemie among B, Trout Salvelinus font,*^ Zoolog. Anz. XXIII. Bd., Nr. 62, 1900) beschrieb eine rätselhafte, noch nicht weiter ins System einreihbare Form, die mit den Myxosporidien wohl verwandt sein dürfte. Er nennt sie Lynipho- sporidium truttae; sie befiel im Sommer 1899 alle Bachsaiblinge einer Züchterei auf Long Island. Auf den Seiten und am liücken der Fische erschienen scharf umschriebene Gruben und es stellten sich starke Haut- und Muskulatursubstanzverluste ein. Der Parasit entwickelt über- all nachweisbare homogene Sporen mit kleinen Keimen Sporozoiten), die vornehmlich im Hoden der Fische vorkommen. In den Muskeln wurden amöboide Formen konstatiert, die eine retikuläre Protoplasma- struktur aber keinen Kern besaßen. Sie verlassen das Muskelgewebe und erzeugen in den Lymphräumen Sporen, die mit den Faeces entleert werden. 988 F. Doflein & S. v. Prowazek, II. Ordnung Sareosporidia. Die Morphologie und Biologie der Sarkosporidieii — wie seit dem Jahre 1884 die allbekanuten »MiESCHEKSchen oder EAixEYschen Schläuche« (MiESCHER 1843) von Balbiani genannt werden, ist noch sehr unvoll- ständig erforscht und daher erklärt es sich auch, dass es bis jetzt nicht gelungen ist, diese sonderbare Formengruppe definitiv ins System einzu- reihen; viele Lebenserscheiuungen machen aber eine Angliederung an die Knidosporidien ziemlich wahrscheinlich. Die Sarkosporidien sind meistens Muskelschmarotzer, die bis jetzt •bei Schweinen, Schafen, Pferden, Hunden, Affen, Katzen, Hirschen, Rehen, Büifeln, Kauinchen, Mäusen, Ratten, Hühnern, Elstern, Enten, Platydactylus mauritanicus und Lacerta muralis u. s. w. nachgewiesen wurden; in ein- zelnen Fällen wurden sie auch beim Menschen konstatiert. Ihre Gestalt ist schlauchförmig oder oval; fast immer tiberwiegt bei der Größen- zuuahme des Parasiten der Läugsdurchmesser. Die Größe der Schläuche schwankt zwischen 0,5 — 4 mm Länge und 0,4 Breite, dagegen kann die Balbiania gigantea aus dem Oesophagus der Schafe die stattliche Größe einer Haselnuss erreichen. Ihre Farbe ist weiß bis grauweiß. Das stark von ihnen durchsetzte Fleisch ist grau, weiß gestrichelt, miss- farbig. An etwas älteren Schläuchen kann man zunächst eine doppelte Hülle unterscheiden; die äußere Hüllmembran zeigt eine eigenartige Stäbchen- oder stiftchenförmige Struktur, die auf Schnitten das Bild eines Wimperbesatzes liefert und die bis jetzt mannigfache Deutungen erfahren hat. Rainey hielt die Strichelung der äußeren Hülle für Borsten, die die Fortbewegung vermitteln sollen, Riyolta deutete sie als Cilien, VißCHOvv und Kühn meinten, dass diese Struktur eher der degene- rierten Muskelfaser zuzurechnen ist, Leuckart fasste die Strichelung als Ausdruck von die Membran durchsetzenden Porenkanälchen auf. Ihm schloss sich Kraus an. Manz konnte sie durch verdünnte Essig- säure und Alkalien besonders leicht deutlich machen. Von der inne- ren homogenen Schichte gehen auf späteren Stadien Lamellen aus, die wohl auf modifizierte Plasmavvände zurückzuführen sind; analoge Bildungen kann man auch bei der Plasmodiophora brassicae auf ge- wissen Entwicklungsstadien wahrnehmen. Dieses innere Kammersystem wurde bei der Sarcocystis miescheri beim Schwein, bei einer Sarco- cystis des Schafes von Bertkam, bei den Sarcocystiden der Rinder und Pferde von Schneidemükl, sowie bei einer Maussarcocystis (eigene Beobachtung) festgestellt. In diesen Kammersystemen sind die Sporoblasten und Sporen zu finden. In dem Entoplasma der kleinsten bis jetzt ge- fundenen Schläuche sind 4 — 5 u große Kugeln, die zunächst etwas Avachsen und einen undeutlichen Kern, sowie eine schwache Körnelung enthalten. Diese Kugeln kann man mit den Pansporoblasten der Knido- sporidien vergleichen. Auf dem Wege einer primitiven Teilung, die aber lucht völlig den Typus einer Amitose besitzt, werden die Pansporol)lasten mehrkeruig und treten dann in das Stadium der Sporoblasten, die Bertram genauer beschrieben hat. Um die Sporoblasten bildet sich durch Souderung und zentrale Verdichtung des Plasmas das oben er- wähnte Lamellensystem aus, wodurch die Sporoblasten mehr zusammen- gehalten werden; die Folge davon ist, dass die entstandenen Sporen in jeder einzelnen Kammer schalenförmig ineinandergekeilt angeord- net sind. Die pathogenen i'rotozoen. 989 Der Kern der Sporoldas^teii, die sich lum in die bekannten Sporen nmbilden, wird znnäclist etwas länji-lieli i;estaltet und kom])akt, liäufii;- bemerkt man daneben eine kleine Vakuole mit einem Korn, während einseitig- gi'ößere GranuUitionen noch konstatierbar sind. Die reifen Sporen sind längliche, etwas sichelförmig gekrümmte Gebilde, deren eines Ende eine spiralige Streifung erkennen lässt, — eine Strukturditfe- renzierung, die zuerst von L. Pfeiffer entdeckt und von Laveuax & Mesnil bestätigt wurde. Nach einigen Autoren ist das eine Ende zu- gespitzt und enthält einen feineu aufgerollten Faden. Pfeiffer und van Eecke beschrieben sogar polkapselartigc Bildungen, die jedoch von den späteren Uutersuchern nicht bestätigt werden konnten. Möglicherweise handelte es sich hier um Mikrogameteubildungeu; denn solche Faden- bildungeu wurden auch von Dam- mann, Pagensteciier und Sciinei- demühl an Zupfpräparaten beob- achtet; dann inüssteu aber die beschriebenen Körper eine andere Deutung, als die, welche ihnen hier beigelegt wurde Sporen) natürlicher- weise erfahren. (Vergl. Luhe, Er- gebnisse d. n. Sporozoenforschung, S.89. Auch wenn in dem Schlauche schon reife Sporen entwickelt sind, kann das Sarkosporid weiter wach- sen und neue Sporoblasten produ- zieren; in großen Sarkosporidien- schläuchenist das Ontruni meistens verödet. Die Ernährung erfolgt auf osmotischem Wege. Ueber die Be- wegimg der einzelnen Formen be- steht gleichfalls noch eine gewisse Meinungsverschiedenheit. Virchow giebt an, »dass sie sich anfänglich in der Flüssigkeit bewegen und ihre Gestalt durch Bildung von Hervor- ragungen und Ausstülpungen än- dern«. Manz bezog die Bewegung- der Sichelkörper auf keine Lebens- erscheinuug und fasste sie als rein passiv auf. L. Pfeiffer unterscheidet »einfache Sicheln« und »Sichelkeime mit ditferenziertem Inhalt«; die erstere Form führt Bewegungen aus, »dehnt sich, biegt die spitzen Enden einander zu, streckt sie schnellend wieder aus oder dreht sich auch in einem Kreis mit kurzem Eadius herum«. VAN Eecke schreibt von den sog. Pseudonavicellen der Sarkosporidieu : »Diese Pseudonavicellen haben deutliche, zu jeder Zeit bestehende Eigen- bewegungen, welche zum Teil fortschreitende, andernteils rotierende und außerdem auch örtliche sind«. M. Koch beschreibt lebhafte schrauben- förmige Botationen der Einzelspore. Auf welche Weise und auf welchem AVege die Parasiten in ihre Wirte gelangen, ist bis jetzt unbekannt. L. Pfeiffer und Kasparek nehmen einen Zwischeuwirt an, eine Annahme, die eine gewisse Wahrscheinlich- keit besitzt. L. Pfeiefer vermutet in der kleinen Bernsteinschnecke Suc- cinea pfeif eri den Z^vischenwirt. Kasrarek verimpfte die aus einem Fig. 73. Sarkocystissclilauch aus der Muskulatur einer weißen Maus. 990 T- IJoflein et S. v. Prowazek, Schlauch frisch entnommenen Sichelkeime und fand alsbald die »Sporo- zoiten« von der Impfstelle weit entfernt im Blute, wo sie in kurzer Zeit ihre Form veränderten. Es bleibt noch zu untersuchen, ob diese Formänderung eine normale oder Absterbeerscheinung ist; wäre das letztere der Fall, so miisste normaler Weise entweder ein Zwischen- stadium oder ein Zwischenwirt eingeschaltet sein. Sonst werden die Sarkosporidien vom Magensaft zerstört, und Kasparek vertritt die Ansicht, dass auf diesem Wege die Infektion nicht stattfinden kann. Analoge Beobachtungen rühren von Pfeiffer, Bertram, Manz und Siedamgrotzky her; Moule & Cassal verzehrten sogar selbst stark sarkosporidienhaltiges rohes Fleisch, ohne sich zu infizieren. ScnNEiDEAiiJHL meiut, dass die Keime im encystierten Zustand mit dem Futter oder Trinkwasser in den Magen junger Tiere gelangen und von hier durch die Blutbahn weiter verschleppt werden. Nach Beale waren 6 monatliche Kälber schon völlig mit Sarkosporidienschläuchen infiziert. Anfangs bemerkt man an den befallenen Muskelfasern keine besonderen Veränderungen, später aber proliferieren vielfach die Kerne, indem sie etwa nach Art der Nähr- oder Sertollinischen Zellen im Hoden verschiedener Tiere auf direktem Wege fragmentieren, w^obei die Zellen hypertrophisch werden. Gleich- zeitig geht damit eine Wucherung des intramuskulären Bindegewebes Hand in Hand. Pütz konnte bei einer Sarkosporidienerkrankung des Pferdes eine Vermehrung des Bindegewebes, das baumartig zwischen die Muskelbündel eingreift und eine Verkleinerung der Muskelbündel veranlasst, konsta- tieren. Später werden die Muskelfibrillen in den anscheinend intakten Muskeln der unmittelbarsten Umgebung unter Lockerung oder Lösung der sog. Heidenhainschen Grundmembranen wellig, mannigfach ge- knickt und geschlungen, wobei auch die charakteristische Querstreifung in einzelnen Fällen verschiedenen Veränderungen unterworfen wird. In einigen, weit vorgeschrittenen Stadien kann man die typischen Bilder der Sarkolyten erhalten, die ja selbst bei niederen Tieren, wie bei den Amphibien, bei der Eegeneration und Resorption des Larvenschwanzes nachgewiesen wurden und bei Muskeldegenerationen so häufig vor- kommen. Die Degeneration der Muskelfibrille besitzt nicht den Typus einer »umkehrbaren« Resorption: bekanntlich entsteht die Fibrille durch reihenweise Angliederung von Myosomen (Godlew^ski), zerfällt aber hier nicht mehr in körnige Degenerate. »Zwischen normalen, aber Sarkosporidien enthaltenden Muskelfasern und derartig hochgradig zer- störten lassen sich in größeren Schnittserien alle möglichen Uebergangs- bilder auffinden. Mit diesen Schritt für Schritt ablaufenden Veränderungen in den Sarkosporidien enthaltenden Muskelfasern entwickeln sich all- mählich in ihrer Umgebung die Erscheinungen einer akuten interstitiellen Myositis, die sich in scharf ausgeprägter Weise durch eine immer mehr und mehr zunehmende kleinzellige Infiltration charakterisiert« iPüTZ). Später kommt es beim Schwein, Schaf und Pferd vielfach zur Ablagerung von feinen oft aber splittrig-groben Kalksalzpartikeln, die sodann jedes Studium der befallenen Zelle unmöglich machen. Mit verdünnten Säuren, etwa mit Salpetersäure können sie leicht zur Lösung gebracht werden. Mit dem zunehmenden Wachstum des Miescherschen Schlauches wird die Zelle oft gesprengt und um den Parasiten wird hierauf eine Cyste abgeschieden. Die vom Bindegewebe eingeschlosseneu Parasiten runden sich ab und bilden auf der ganzen Oberfläche Fortsätze (Laveran & Mesnil). Nach mehreren Forschern, wie Sanfelice, soll es aber auch Die pathogenea Protozoen. 991 auf diesem Wege zu ciuer Autoinfektion kommen, indem die reifen Schläuche phitzen und die sieliclfünnigeu Körper ;iu>itreten lassen, um an einer neuen Muskelfaser sich festzusetzen und zu einem Sehlauch heranzuwachsen. Die Autoren bezeichnen die Ueberschwemmung des Nachbargewebes durch den entwickelungsfähigen Inhalt eines geplatzten Sarkosporid- schlauches meist mit dem nicht ganz zutreffenden Xamen der ditfuseu Infiltration. Hier soll noch der interessanten Toxinwirkung der Sarko- sporidiensicheln von der Speiseröhre des Schafes, die zuerst Pfeiffer, dann Kasparek nachweisen konnten, gedacht werden. Der Glycerin- extrakt der Sarkosporidiensicheln ruft nämlich in kleinen Dosen Fieber, in größeren Gaben aber Kollapserscheinungen bei den behandelten Kaninchen hervor. Der Tod erfolgt nach 12 — 24 Stunden unter Eintritt von Diarrhöe und fließendem Schnupfen, die Injektionsstelle ist blutig unterlaufen. Ob die Sarkosporidien thatsächlich spezifische Krankheiten hervorrufen, scheint bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse noch nicht völlig ausgemacht zu sein; im allgemeinen ist es sehr wahrschein- lich, dass bei einer großen Menge von Sarkosporidschläuchen Muskel- lähmungen eintreten. So führen Siedamgrotzky, Laulanie und Brou- wiER die bei Schweinen vorkommenden interstitiellen Muskelentzündungeu auf die Sarkosporidien zurück. In ähnlicher Weise spricht sich Joiixe aus. ViRCHOW führt auf den genannten Parasiten die bei Schweinen nicht selten vorkonmiende Paralyse der hinteren Extremitäten zurück. Br(juwier schildert die kranken Tiere, die einen beschwerlichen Gang haben und schlecht aufstehen können, sehr zutreffend. Stark infizierte Mäuse haben gleichfalls einen schwerfälligen, watscheluden Gang. Die großen Sarkosporidieuschläuche im Schlünde und Schluudkopf der Schafe • und Ziegen können unter Umständen den Erstickungstod der Tiere her- beiführen (Dammanx, V. Niederhäuser]. Schneidemühl giebt von den auf Sarkosporidien untersuchten Schafen an, dass sie unter den Er- scheinungen einer fortschreitenden Kachexie, verbunden mit Avasser- süchtigen Zuständen, gestorben sind. Für die Untersuchung der S. empfiehlt es sich, zuerst die Tiere frisch im Gewebssaft oder in physiologischer Kochsalzlösung oder im filtrierten menschlichen Speichel auf dem heizbaren Objekttisch zu untersuchen. Auch eine Eiweißlösung (Eiweiß 20, Kochsalz 1, Acjua dest. 180) wird empfohlen. Sonst muss man die Muskeln mit den unverkalkten Schläuchen in Sublimatkochsalz, oder im FLEMMiNGschen oder HERMAXNSchen Ge- misch fixieren (verkalkte Schläuche in PERENYischer Flüssigkeit), iu Schnittserien zerlegen und entweder nach dem FLEM.MixGschen Drei- farbenverfahren oder mit gewöhnlichem Hämatoxyliu oder Heiden hains Eisenhämatoxylin färben. Da die Biologie und Morphologie der Sarkosporidien noch so mangel- haft erforscht ist, kann das System derselben nur einen höchst provi- sorischen Charakter besitzen. Blanciiard hat je nach dem Sitze der Parasiten ein System aufzustellen versucht, das sich aber in der Folge- zeit als unhaltbar erwiesen hat, da zusammengehörige Formen ausein- andergerissen und in verschiedene Gattungen eingereiht wurden. Blax- CHARD unterscheidet zwei Familien: I. Familie Miescheridac in den quergestreiften Muskelfasern. 1. Gattung Miescheria, Hüllmembran dünn, strukturlos. 2. » Sarcocystis, » dick. 992 F. Doflein & S. v. Prowazek, IL Familie Balbianidae, im Bindegewebe, in der Jugend wahr- scheinlich im Muskel. 3. Gattung Balbiania. Gattung Sarcocystis Laukester. Sarcocystis miescheriana (Kühn). Kommt sehr häufig im Schweine vor (nach Kühn 98,5 X, nach Herbst 50^ der untersuchten Tiere). Die Schläuche sind 500 [x — 4 mm lang und 3 mm breit. Die Pansporoblasten sind 5 — 6 u groß. Im Entoplasma sind zahlreiche Fetttropfeu. Die Dicke der äußeren Membran ist bedeutenden Schwankungen unterworfen, meist ist sie am Ende des Schlauches dicker als in der mittleren Region. Im ^ /tliWiN Inneren des Schlauches wurde von (^ # mmi/fk Bertram ein Kammersystem be- ©^ (^//^{//\ schrieben. Sie kommt m verschie- *^ m/^^'°°'lSw\ denen Muskelgruppen vor, so in den Kehlkopf-, Zwerchfell-, Zwi- scheurippen-, auch Lenden-, Augen- und Rumpfmuskeln ; vornehmlich sind es aber die Muskeln, die auch von den Trichinen heimgesucht werden, und diese Parasiten dürften demnach denselben Einwanderungs- c fel¥^^^vVci>5i?T^S^r^ modus besitzen. L. Pfeiffer hat ^^^ ^^-^i^/f^/./^/''^-''' ™ August und September die klein- sten Schläuche gefunden. Beson- C^^^-^ '^^'Sä¥'i°^W^'0^^ ders die gewöhnlichen Landrassen N-f Ml«. i\r, , f , werden von diesen Parasiten be- fallen, ohne dass an ihnen sichtbare Erkrankungen wahrzunehmen wä- ren. Schneidemühl vertritt die Ansicht, dass die Sarkosporidieu erst dann nachteilig sein können, sobald sie in kleinen Muskelgruppen in großer Menge auftreten oder wenn Fig. 74. Sarcocystis miescheriana. mit ihrem Erscheinen auch ander- a—d Entwicklung- der Sporen aus den weitige Erkrankungen zusammen- Sporoblasten (nach Wasielewski-Manz). f^^Hg^ gg^ ^^^^^ Infektion ist das Fleisch missfarbig, gelb bis graurötlich, von grauweißen strichartigen Schläuchen durchsetzt. Die Schläuche degenerieren oft, indem zuerst ein Zerfall der sichelförmigen Körpercheu, dann des Kernes derselben erfolgt, schließlich fiudet man in den Kammern eine feinkörnige Masse. Soferne die Cuticula nicht mehr ganz iutakt ist, wandern in das Schlauchinncre massenhaft Leuko- cyteu ein, gleichzeitig tritt in den Schläuchen und in ihrer Umgebung eine Ablagerung von Kalksalzen ein. Analoge Sarkosporidieu beobachtete Bertram gelegentlich in der Oesophagusmuskulatur. Litteratur. Bertram, Zoolog. Jahrbücher, Abt. f. Ont. u. Anat, Bd. 5, 1892, S. ö81. HesslinCt, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. 5, 1854. Kühn, Mitteilungen d. landwirtsch. Inst, zu Halle, 1865. Manz, Archiv f. mikrosk. Anatomie, 1867, Bd. 3. Die pathogenen Protozoen. 993 MiESCHER, Archiv f. Anatomie und Physiologie. 1843. Pagexstechhr. Verhandl. d. nat.-med. Ges., Heidelberg 1862—65, Bd. 4. S. 20—22. Pfeiffer, Die Protoz. als Krankheitserroger u. s. w., Jena 1891. RippiNG. Zeitschrift f. rat. Med., ISCm, Bd. 23. Siebold, Zeitschrift f wissensch. Zoologie, Bd. 5, 1854. SiEDAMGROTZKV, 0.. Jahresber. d. Ges. f. Natur- u. Heilkunde. 1872, S. 69 — 70, D. Lotos, 22. Jahrg.. 1S72, Wochenschr. f. Tierheilkunde u. Viehzucht 'Adam , Bd. 1(), 1872. ZÜRN, Die Schmarotzer auf u. in d. Körper unserer Haussäugetiere, Weimar 1872. Sarcocystis l)ertmmi Dofleiu. Diese Sarcocystis ist mit der vorhergescliilderten Form nahe verwandt; ihre Länge beträgt 9 — 12 mm. Die Cutieula besitzt eine Stäbclienstruktur, während von der inneren Schiclite sich Lamellen ins Lmere fortsetzen und eine Art von Kammersystem bilden. An den Sporen beschrieb Eecke in einer oft citierten, aber schwer zugänglichen Arbeit einen Fadeuanhang. Die Art wurde besonders in der Schluudmuskulatur des Pferdes, dann in den unteren Halsmuskeln und Zwerchfellmuskeln gefunden. Dieser Para- sit ruft weitgehende Degenerationen der befallenen Muskelgruppen hervor, die besonders Pütz genauer studiert hat. Mikroskopisch konnte mau einen stellenweisen Schwund der Muskelfasern konstatieren; dabei tindet man alle möglichen Uebergangsbilder. Die Erkrankung hat schließlich den Charakter einer chronischen interstitiellen ^Myositis. Von einigen Autoren, wie von Gerlach, wird dieser Parasit mit der »Eisballen- krankheit der jungen Pferde«, die von Günther 1859 (Beurteilungslehre des Pferdes, Hannover 1859, S. 254 — 56 und topographische Myologie, Hannover 1866, S. 206] genauer beschrieben wurde, in Zusammenhang gebracht. Die Muskeln der Hinterschenkel sind angeschwollen, bei ruhiger Haltung des Tieres fühlen sie sich weich an, bei Bewegungen sind sie aber hart. Die Krankheit ist in den meisten Fällen unheilbar und entwertet die jungen Pferde. Schneidemühl bringt auch die sog. Füllenlähme mit dem genannten Parasiten in Beziehung. Litteratur. Bertram, Zoolog. Jahrbücher, Abt. für Anat. u. Ont., Bd. 5, 1892, S. 588. DoFLEix, Die Protozoen als Parasiten u. s. w., 1901. Labbe, Die Sporozoen (Das Tierreich', 1899. PÜTZ, Virchows Archiv, Bd. 109. 1887. ScHNEiDEMÜHL, G., Die Protozotin als Krankheitserreger. 1898. Sarcocystis tenella Kailliet. Diese Art findet man häutig bei den Schafen und auch bei den Ziegen ; sie kommt sowohl in der Schluudmuskulatur als auch in Cysten- form in dem umgebenden Bindegewebe vor, wo sie zuweilen die Größe einer Haselnuss erreicht und dann unberechtigter Weise Balbiania gigantea genannt wurde. Ihre Größe schwankt zwischen 40 u — 2 cm, die jungen Stadien, die eine rahmartige Masse enthalten, besitzen eine dünne Hülle und können im Gegensatz zu den älteren Stadien, die mit Leichtigkeit nach Art einer Balggesehwulst freigelegt werden kimnen, nur mit Mühe lospräpariert werden. An den Schlauchenden findet bei mittel- großen Formen fast beständig Wachstum undProduktion vom neuen Material statt. Die Sporen sind klein, nierenförmig. Die großen Cysten liaben nur einen schmalen, von Sporoblasten besetzten Wandbelag, während im Centrum ein leeres Maschengerüst anzutreöen ist. Bertram giebt an, d.ass auf diesen Entwicklungsstufen die zentralen Sichelkörper zu Grunde Haudbucli der pathogenen Mikroorganismen. I. (33 994 F. Doflein & S. v. Prowazek, gehen. Durch die starke Cysteueutwickelung wird das Sarkolemuia des Muskels oft bedeutend gedehnt, so dass mau es nur an Querschnitten ge- rade noch wahrnehmen kann. In ganz jungen Schläuchen fand Bertram nur runde Zellen, erst später kann man die typische Grundsubstauz mit den in Ballenform angeordneten Sichelkörpern wahrnehmen. Nach Ber- tram kommt diese Sarkosporidie noch in der Zungen-, Kau-, Schluud- kopf-, Kehlkopf-, Schlund-, Nacken-, Zwischenrippen-, Zwerchfell-, Herz-, Bauch- und Leudenmuskulatur vor; besonders in der Kehlkopf- und j f , ! ;® '■ f.4. «1 /« *--^\ ■' -. / '*'r-' ' *• ■•■■ ■■■- • ", : .%'■» / -V^i 7 \w* k ,_* -.^^..2^ Fig. 75. Sarcocystis tenella. l Querschnitt durch ein junges Stadium, -J — 4 ver- schiedene Entwicklungsstadien, bei 4 sind central die Pansporoblasten vielkernig. Schlundmuskulatur erreicht sie eine bedeutende Größe. Nach Pfeiffer findet man in den Augenmuskeln die kleinsten Schläuche. Charakteristisch ist das Vorkommen dieser Form im Endokard, wo sie schon Hessling (1854) innerhalb der PuRKix.iEschen Fäden beobachten konnte; an diese Angabe reihen sich die Untersuchungen von Eoloff, Kühn, Siebold, Sticker u. s. w. an. Ueber die vermutliche pathologische Bedeutung dieser Form wurden schon oben Angaben gemacht. In einigen wenigen sehr seltenen Fällen wurde diese Art auch im Bindes'ewebe beobachtet. Litter atiir. Baransky, Oest. Vierteljahrsschrift f. wissensch. Veterinärknude, 1879, Bd. 51. Bertram, Zoolog. Jahrb., Abt. Anat., Bd. 5, 1892. Dammaxn, Arch. f. path. Anat., Bd. 41, S. 283, 1867. Hessling, Zeitschr. f. wissensch. Zool., Bd. 5, 1851. Leisering & Winkler, Ber. über das Veterinärwesen im Künigr. Sachsen, 1865. iJie pathogenen Protozoen. 995 Manz, Archiv f. mikr. Anatomie, 1867, Bd. 3. Pfeiffer, L., Die Protozoon als Kranklicitserreser, 1891. S. 121. Eailliet, Bull, et mem. de la soc. centr. de med. vet., 1886, p. 130, Ratzel, f., Archiv f. Naturgesch., 18(>S. Bd. 1. RoLOFF, Centralbl. f. med. Wissenschaften, 18()8, Bd. 6, S. 324. ScHNEiDEMÜHL, G., Die Protozocn als Krankheitserreger, 1898, S. 104. Siebold, Zeitschr. f. wissensch. Zool., Bd. 5, 1851. Sticker, G., Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilkunde, Bd. 12, S. 381, 1886. Weitere Litteratur Labbe, Sporozoa. Das Tierreich, 1899. Sarcocystis liudemcaimi Kivolta. Diese Form erl;mf;'te dnrcli das Yorkommen beim Meiisclieii eine gewisse Wiehtig-keit. Die Scbläuclie waren iu den einzelnen beobachteten Fällen 1,5—15 mm groß. Die dünne Hülle ist an beiden Enden ver- dickt, in dem Schlauch ist eine deutliche Kammerung vorhanden. Die in großer Zahl vorhandenen bohnenförmigen Sporen sind 8 — 9 ^t lang. wflm I :y. /E."?ra . .•iijr"'";^ >v_^^Si.,., k'sp^iji *^ ••:c\"r-' u-j^ f=\ TS? Fig. 76. Sarcocystis lindemanni aus dem menschlichen Larynx nach Baraban & St. Remy). /Längsschnitt durch Muskelfasern mit einem Schlauch ^^^i), 2 und •^ Querschnitte i^oo/i', J Liingsschnitt von Sporen entblößt, um das Maschengerüst zu zeigen ^^»o'j)^ 5 eine Spore ;"''-"-Vi)> 63* 996 F. Doflein & S. v. Prowazek, Robert Koch hat zuerst mit Siclierlieit diesen Parasiten heim Meusclieu festgestellt, nachdem Irühere Ang-aheu von Lindemaxx wenig Glauben gefunden hatten. Kartulis untersuchte einen 36jährigen Sudanesen, der an Durchfall litt und unter dem rechten Rippenbogen einen auf Druck hin schmerzhaften Tumor besaß. Bei der Obduktion fielen die .sehr schwach entwickelten Muskeln auf; die vergrößerte Leber hatte im rechten Lappen einen orangegroßen Abszess, die Bauchmuskeln adhärierten der Leber an, waren blass und verdickt. In der Wandung des Leber- abszesses waren 20—80 fi große gewundene Schläuche mit grobkörnigem Inhalt. Im Leberparcnchym wurden die kleinsten Exemplare von 6 — 8 n Größe angetroffen. Die Muskelfasern der Abszesswandungen der Bauch- muskeln haben ihre Querstreifuug eingebüßt und besaßen keine Kerne; das Sarkolemma war kaum zu unterscheiden und ist in vielen Fällen geschwunden gewesen. Zweimal wurden die Schläuche auch in der Muscularis des Darmes gefunden. Rosenberg beobachtete gleichfalls einen Fall von Sarkosporidien beim Menschen und zwar im Herzmuskel einer 40jährigen an Pleuritis und Endocarditis verrucosa leidenden Frau. Baraban & St. Remy fanden in der Kehlkopfmuskulatur eines Hin- gerichteten in Nancy 1,6 mm lange, 170 u dicke Sarkosporidienschläuche mit einer dünnen, an den Enden verdickten Hülle. Litteratur. Baraban & Saint Remy, Le parasitisme d. Sarcosp. eh. la liomine. Bibl. anat.. 1894, nr. 2, p. 79—82. Braun, Zum Vorkommen d. Sarkosporidien beim Menschen. C. f. Bakt., Bd. 18, 1895. Kartulis. Ueber jiath. Protozoen bei dem Menschen. Ztschr. f. Hyg.. Bd. 13. 1893. Koch & Gaffky, Arbeit, aus dem kais. Gesnndheitsamte. 1887, S". 61. EivoLTA, Giorn. anat. fisiol., 1878. RosKNBERCx, Ztschr. f. Hyg., Bd. 11, 1892. Weitere Litteratur siehe Labbe »Sporozoa<-. Stiles (Notes on parasites. On the presence of Sarcosporidia in birds. U. St. Depart. of agric. Bureau of anim. industry, 1893) be- obachtete auch Sarkosporidien in der Muskulatur der Vögel und zwar die Balbiania rileyi Lt. im Bindegewebe uordamerikanischer Enten, 1,6 mm lang, 0,48 mm breit. Die nur an einem Ende verdickten Sporen sind 0,012 — 0,014 mm lang. Ferner die Balbiania falcatula nov. spec. und Sarcocystis falcatula nov. spec. aus der Muskulatur der Habia ludo- viciana (Nordamerika). Pfeiffer erwähnt noch eine Sarcocystis aus der Muskulatur der Elster. Auch Kühn (Hühner) sowie Rivolta haben in der Submucosa des Darmes (Haushühner, Turdus merula, Raben \i. s. w.) MiEsciiERsche Schläuche beobachtet. Der Vollständigkeit wegen möge hier noch der zahlreichen Arbeiten von LiNDNEK gedacht werden, der die MiEScriERSchen Schläuche auf zwischen die Muskelfasern eingewanderte stiellose Vorticellen und Poly- tomen zurückführt; der geringe Wert dieser Arbeiten wurde schon mehr- fach entsprechend beurteilt, so von M. Braun, Schneidemühl, Luhe, Doflein, Marx u. s. w. Behla (Berl. tierärztliche Wochenschrift, 1897, Nr. 47, 52) glaubt die Sarkosporidien zu den Blastomyceten reclmcu zu müssen, da es ihm anscheinend gelang, aus zerzupften Schläuchen auf neutraler Bouillon- gelatine und Malzextraktgelatine Blastomyceten zu züchten. Die ge- züchtete Form soll mit Phytophthora infestaus verwandt sein. Solange keine diesbezüglichen exakten Neuuntersuchungen angestellt worden sind, ist es geboten, diese Angaben mit einigem Zweifel aufzunehmen. Die pathogenen Protozoen. 997 II. Unterstamni : Ciliophora. Die Vertreter diese;^ Stammes zeiclinen sich durch eine selir liolie DiÖerenzieruiig- vor allen den bis jetzt i)ehandelten Protozoen aus. Dieses gilt besonders bezüglich der l>ewegungsorganellen und des Keruapparates; die Bewegung wird durcli haarartige, zarte, terminal meist abgestumpfte Differenzierungen des bomogenen Protoplasmas, das au der Basis tinktoriell leiclit nachweisbare Verdichtungen — die soge- nannten Basalkörpercbeu — bildet, vermittelt. Diese Bewegungs- organellen werden Oilien genannt; derl)ere offenbar durch A'erklebung mehrerer Cilien entstandene Fortbcwegungsorganoide sind die sogenaimte Hacken, Griffel oder Cirren. In analoger Weise entstellen die Memljra- nellen und uudulierendeu Membranen, denn au ihrer Basis kann man tiiat- sächlicb aucb einen Basalkörpersaum uacbweiseu. Die Basalkörpercbeu werden als kinetische Zentren (Lenhossek-Hexxeguy) aufgefasst, doch kann mau sie gerade bei dieser Gruppe nicht mit den Ceutrosomeu ver- gleichen, da diese hier gar nicht ausdifterenziert sind und ihnen die gesamte intranukleäre Zentralspindel der meist wenigen Nebenkerue entspricht. Eine weitere auffallende Differeuzierung bezieht sich auf den Kernapparat, der in zwei typischen Formen auftritt: der Großkeru oder Macronucleus und der Kleinkeru oder Microuucleus. Der erstere besitzt eine bedeutendere Größe, färbt sich mit den üblichen Kernfarb- stoflfen intensiv und teilt sich auf amitotischem Wege; er scheint der Er- nährung- und den vegetativen Funktionen des lufusors vorzustellen. Sein Aussehen Avechselt je nach den Ernährungszuständen und der Häuiigkeit des Vermehrungsvorgauges. Bei der Konjugation zerfällt er und wird zum Teil resorbiert, zum Teil ausgestoßen. Der Nebenkern oder Klein- kern ist viel kleiner, besitzt eine deutliehe Kernmemljran und teilt sich auf dem Wege einer typischen Karyokiuese, nur dass diese sich innerhalb der Kernmembran abspielt und es zu keiner Protoplasmastrahlung kommt. Die intranukleäre Zentralspiudel zerstemmt gieiclisam den Kern, wobei ihre Fasern eine sehr charakteristische Drehung erleiden. Der Klein- keru ist als ein Geschlechtskern aufzufassen. Die Ciliaten sind demiiach Heteroplastiden, deren Kerne auf einen gleichartigen Kern phylogenetisch zurückführbar sind, dessen Teilprodukte sich uur nach zwei verschiedenen Kichtungen entwickelt haben. Für eine solche Differeuzierung sind schon Anläufe bei den Sporozoen nachwcisliar. Im Verlaufe der verschiedenen zahlreichen Teilungen stellen sich mannigfache Schädlichkeiten ein. die in einem geschlechtlichen Vorgang eine Korrektur erfahren. Diese erfolgt meistens durch eine Konjugation, seltener durch eine Kopulation: der letztere Vorgang wird durch einen dauernden Verschmelzungsakt der beiden Geschlechtstiere charakterisiert, während in der Konjugation sich die beiden Paaiiinge nach dem Austausch ihrer Kerne wiederum trenueu. Die Konjugation nimmt folgenden Verlauf: Der Großkeni fragmentiert und geht zu (irunde, der Kleinkern teilt sich (meist 3 mal) iiiehrmals und lässt aus sich die gleichfalls zu Grunde gehenden Ifeduktioiiskerue hervorgehen. Ein einziger derartiger Kernteil wandelt sich aber in die Befruchtungsspindel um und produziert einen stationären und einen Wanderkern, der in das andere Individuum Avandert und dort mit dem stationären Kern verschmilzt und umgekehrt. Das Verschmelzungspro- dukt wird Frischkern genannt, aus dem durch weitere Vorgänge ein neuer Haupt- und Nebeukern differenziert wird. Der Frischkern wäre mit dem phylogenetisch einfachen Kern der Ciliaten zu vergleichen. 998 F. Doflein Ä: S. v. Prowazek, Haud iu Haucl mit diesen Vorgängeu gebt eine weitläufige Umregu- lierung- des Protoplasmas samt den schon weiter differenzierten Orga- noiden vor sich. Bei den höchst ausgehildeten Formen wie den Yorticellinen kommt es zu einer Art von geschlechtlicher Differenzierung, indem hier Makro- und Mikrogameten produziert werden, die miteinander ver- schmelzen. Die Vermehrung vollzieht sich entweder durch Teilung im freibeweglichen Zustande oder durch Knospung, die bei den Suktorien mannigfache auf ursprünglichere Formen zurückgreifende Abänderungen erleidet. Die Vermehrung kann aber auch im Cystenzustande erfolgen, wobei das Infusor zunächst kataplastisch seine Difierenzierungen rück- bildet und sich mit einer mehr oder weniger einlachen oder doppelten Cystenhülle umgiebt; diese entsteht entweder durch eine Verdichtung von schleimigen Substanzen, die das Tier unter beständiger Rotation absondert (Holotricha) oder es vorquillt die äußere pellikulare Umhüllung (Hypotricha). Nebst diesen Vermehrungscysten kommen bei Trachelius und Amphi- leptus Verdauungscysten vor; unter ungünstigen Umständen können gleichfalls viele Ciliaten Paiheformen, die als Dauercysten bekannt sind, annehmen; in eiuem derartigen Zustande können sie jahrelang lebensfähig verbleiben; die Cystenmembran lässt zwar anfangs das »Wasser« der kon- traktilen Vakuole nach außen austreten, erstarrt aber langsam au der Oberfläche, so dass dieses in der Folgezeit bei seinem Austritt schon buckelartige Vortreibungen, die später schwinden, stellenweise vortreibt (Cysten von Didinium und Ichthiophthirius) , hernach erstarrt aber die Cystenmembran etwa wie die Hülle der tropfenartigen mit Fruchtsäften gefüllten Bonl)ons und l)ewahrt so die innere Feuchtigkeit jahrelang. Man teilt die Ciliophora iu zwei große Gruppen ein: I. Ciliata. Bewahren zeitlebens ein verschiedenartig differenziertes Wimperkleid. Nahrungsaufnahme erfolgt durch ein Cytostom oder auf osmotischem Wege. II. Suctoria. Ernährung erfolgt durch Saugfüßcheu; das Wimperkleid ist nur im Juaendzustande entwickelt. Häufic; festsitzende Formen. I. Ciliata. Die Ciliata besitzen einen sehr komplizierten Zellenaufbau; auch bei ihnen kann man ein alveolares Entoplasma, in dem die Nahrungsvakuolen der Verdauung unterworfen werden und das manchmal llotationsbewe- gungen (Cyclose) ausführt, sowie ein Ektoplasma unterscheiden; die äußere Umhüllung wird von einer anscheinend strukturlosen Hüllschicht, der Pellicula, gebildet, darunter konunt der sehr deutlich alveolar strukturierte Alveolarsaum , in dem oljen die Basalkörper der Cilien eingepflanzt sind und der bei manchen Formen kapselartige Wehr- organoide, die Trichocysten, die unter Umständen ausgeschleudert werden, in sich birgt. Das Erfassen und Verschlucken der Nahrung wird durch mannigfache Organoide besorgt, iu der Mehrzahl der Fälle ist eine hoch differenzierte Mundöffnung, das Cytostom, ausgebildet, in dessen Dienst verschiedene andere meist aus verklebten Cilien hervorgegangene Bildungen wie Membranellen, undulierende Membra- nen u. s. w. stehen. In manchen Fällen ist das Cytostom mit eigen- artigen Reusenapparaten ausgestattet. Die festsitzenden Formen l)e- sitzen zum Zwecke der Herbeistrudeluug der Nahrung komplizierte Wimperkränze und Strudelvorrichtungen. Die Nahrung Avird entweder Die pathogenen Protozoen. 999 ganz verschluckt, oder ansg-esog-eii (Coleps, zum Teil Dileptus) oder sie wird, sofern sie aiis Bakterien besteht, in Form einer Nahrun^ü'svakiiole mit etwas Flüssigkeit vom Ende des Cytostoms abgelöst mid kreist in dem Entoplasma herum. Bald unterliegt ihr Inhalt dem verdauenden Einfluss einer Miueralsäure, wie man aus der Verfarl)ung von Kongorot, Alkanna- tinktur, Lackmus, Keutralrot u. s. w. erschließen kann. Die Eiweißstoffe der Beute erleiden eine Auflösung und Resorption, während die Nukleiue, Chloroplasten, Exkretkörner, Chitinsubstanzen teilweise nur verändert, im allgemeinen a1)er intakt bleiben (Chitin, Exkretkörner »Öchwefelkörner« der Bakterien) und ausgestoßen werden. Die Ausstoßung der Nahrung erfolgt nur zum Teil nacli den von Biiumbler ermittelten Exportgesetzen an einer bestimmten Stelle — der Anusstelle — durch den analen Porus. Manchmal — sobald der Körper mit Nahruugsvakuolen vollgepfropft ist, oder sobald dessen Konsistenz eine Aenderuug erfahren hat — wer- den auch unverdaute Nahrungsteile abgestoßen. Kernlose Teilstücke können die Beute nicht völlig verdauen, es erfolgt nur eine Au- verdauung derselben. Der Kern (Großkern) scheint bei der Ver- dauung eine Rolle zu spielen, wenigstens wird in dessen Nähe oft der Nahrungsinhalt gleichsam » zusammengerafft <' und peripher tritt eine rötlich schimmernde Zone auf. Die Funktion der Exkretion, zum Teil der Atmung und der Hinwegschaffung der durch die Osmose sowie durch die Nahrungsvakuolen eingeführten Flüssigkeit versielit die kon- traktile Vakuole, die manchmal zuführende, rosettenartige Kanäle besitzt oder aus sogenannten Bilduugsvakuolen entsteht. Ihr Inhalt reagiert nicht immer sauer, da sich l)ei manchen Formen (Paramae- cium) die Vakuole mit Neutralrot gelbrot färbt (alkalisch). Die Flüssig- keit wird periodisch nach außen durch den Exkretionsporus entleert. Als Parasiten sind die Ciliaten entweder Ekto- oder Entokommensalen und wirken durcli ihr massenhaftes Auftreten in schädlicher AVeise auf den Wirtsorganismus ein; in vielen Fällen sind aber direkte Schä- digungen nicht nachweisbar. Die Ciliaten werden auf Grund ihrer Be- wimperung in folgende Gruppen eingeteilt: I. Holotricha, II. Heterotricha, III. Oligotricha, IV. Hypotricha, V. Peritriclia. Uns interessieren nur die Vertreter aus der Gruppe der Holotricha und Heterotricha. Die Bewimperung der ersteren, die keine adorale Spirale von Wimpern, die zum Munde führt, l)esitzen, ist meistens ein- fach, gleichmäßig, bei einzelnen Formen aber nur auf eine Seite — die Kriechfläche ■ — beschränkt, die Heterotrichen Imben eine links ge- wundene adorale Spirale und sind gleichmäßig bewhnpert, nur stellen- weise kommen sogenannte Tastborsten (Stentor) vor. I. Ordnung Holotricha. Gattung Ichthyophthirius Fouquet. Ichthiophthirius multifiliis Fouquet. Dieses Infusor, das auf Süßwasserfischen von Hilgendohf & Pau- LiCKE 1869 entdeckt wurde, hat eine ftist kugelige Gestalt, die Ober- fläche ist regelmäßig gestreift und mit feinen gleichmäßigen Cilieu 1000 F. Doflein & S. v. Prowazek, bepflanzt, terminal lieg't das ^on wulf^tartigen Lippen nmsäiimte Cytostom, das in einen kurzen Schlund tulirt; dem CVtostom entgegengesetzt liegt der After, die zahlreichen Wasservakuolen sind unregelmäßig au der Oberfläche zerstreut. Das Tier selbst ist sehr metabol. Das Entoplasma besitzt zahlreiche rundliche, glänzende Stotfwechselprodukte und feinere, dunkle Granulationen. Der Großkern ist hufeisenförmig, der Kleinkern ist nur bei jungen Tieren leicht nachweisbar und soll nach ZaCharias bei erwachsenen Tieren gar nicht vorhanden sein. Die Länge des Tieres beträgt Y2 ^^^ ^^i^ 800 /<. Die Vermehrung erfolgt meist im Cystenzustande ; die auf den Boden der Aquarien oder Teiche gefallenen Infusorien scheiden unter Rotationen eine gallertige Hülle ab und teilen sich je nach der Temperatur im Verlaufe von 1 — 2 Tagen zunächst in 2 dann 4 und sehr zahlreiche (mehrere Hundert) Teilstücke, an denen man den Hauptkern und den Nebenkern in Öpindclbildung sehr wohl unterscheiden kann. Die jungen Tiere messen durchschnittlich 45 /.i. Sobald die Teilung vorüber ist, durchbrechen die Schwärmer die Cyste - (' & Fig. 77. Ichthyophthirius multifiliis. a ganzes Tier, b Vermehrungscyste, c ein eben ausgekrochenes Tier mit Vakuole, Haupt- und Nebenkern (nach Bütschli). und setzen sich an die Haut der Fische fest; durch den auf diese Weise verursachten Heiz wird eine lebhafte Vermehrungsthätigkeit der um- gebenden Wirtszellen angebahnt, von denen viele zu Grunde gehen und zur Ernährung der Parasiten dienen. Um den Parasiten bildet sich zunächst eine Art von Wall, später ein kleines, weißlich graues, scharf umrandetes Knötchen von 1/2 — 1 ^^ Größe. Manchmal schließt ein solches Knötchen auch zwei Parasiten ein, die sich aber hier nicht, wie neuere Forschungen erwiesen haben, vermehrt hatten. Die Knötchen kommen auf allen Körperteilen der Fische (wie Seiten, Kopf und Flossen) vor. Sobald der Parasit herangewachsen ist, zersprengt er das Knötchen, wodurch die Haut siebartig durchlöchert wird, teilt sich manchmal noch im freischwimmenden Zustande, fällt aber meistens auf den Boden um sich hier zu encystieren und den Cyklus vom neuen zu beginnen. Da unter diesen Umständen Bakterien, Pilze und Saprolegnien die Haut leicht infizieren, gehen die Fische, besonders die junge Brut, Die patliogenen Protozoen. 1001 massenhaft ein. Die Krauklicit tritt vielfach in Aqiiarienl)eliältern, Winterteichen oder Hältern, Ansstcllnng-sbeliältern (Berliner Fischerei- ausstellnng- 1896) und Salmonidenniasttcichen auf. Der Parasit sucht sowohl llegeubogenforellen, als Forellen, Bachsaiblinge, Rotaugen, Weiß- fische und Karpfen heim. Die Fisclie legen eine auffallende Al)nahme der Fresshist an den Tag. Zacharias fand am Ilotauge (Leuciscus rutilus) einen ovalen Ichthyophthirius von 0,65 — 0,80 mm Länge, 0,50 bis 0,55 mm Breite mit bauchständiger etwas problematischer !Mund- öflnung, der im Gegensatz zu dem beschriebenen keine kontraktilen Vakuolen besaß. In den Cysten kommen 100 — 150 Sprösslinge vor, Fig. 78. Ichthyophthirius multifiliis. Zwei von der Hautwucherung des Karpfens umwachsene Individuen (nach Doplein). neben deren Glroßkern nach einigen Stunden der Kleinkern schwinden soll. Er nennt diese Form Ichthyophthirius cryptostomus. Bei der Bekämpfung der Krankheit muss man sein Augenmerk zunächst darauf richten, dass die Vermehrungscysten auf dem Grunde der Ge- wässer vernichtet werden. Das Wasser muss in starke Strömung (Hälter, Aquarien) versetzt werden, damit die freischwimmenden Infu- sorien fortgerissen werden, sodann muss man es ablassen, und so- ferne es sich um einen Teich handelt, den Teichboden mit etwa 1 proz. Aetzkalk begießen. Später wird der Teich wieder gefüllt, und, um das kalklaugenhaltige Wasser zu entfernen, etwa 14 Tage leer stehen ge- lassen; schließlich bespannt man ihn nach einiger Zeit definitiv vom neuen. Die Teiche sollen nicht dicht besetzt werden. — Litteratur. DoFLEiN, Protozoen als Parasiten u. s. w., 1901. FouQUET, Arch. zool. experim., t. 5, p. 159, 1S76. HiLGENDOHF & Paulicki. Parasit. Infusor. Centralbl. f. med. Wiss., 1890. S. 33. Hofer, B., IV. Die Krankheiten unserer Fische. Allg. Fischereizeit., Nr. 23, 1901. Kerbert, Nederl. Tjidschr. v. d. Dierk., vol. 5, p. 44, 1884. Zacharias, 0., Ein'infusorieller Hautparasit d. Süßwasserfische. Centrabl. f. Bakt, 1892, Bd. 12, S. 718. — Ders., Ueber eine Ichth.-Art aus den Aquarien. Festschrift für Leuckart, 1892. Balantidium coli Malmst. 1857. Syn. : Paramaecium coli, Plagiostoma coli (CLArAREDE »fc Laciimann), Leucophrys coli (Stein). Der Zellleib dieses, von Malmsten 1857 beschriebeneu, früher aber von Leuwenhoek schon beobachteten Infusors ist eiförmig und mit 1002 F. Doflein 6: S. v. Prowazek, einem kurzen rinnen- oder trichterförmigen Peristom, das sicli in einen kurzen Schlund fortsetzt, ausgestattet. Die Zelloberfläche umgrenzt eine Pellicula, unter der eine deutliche ektoplasmatische Alveolarschicht liegt. Der Körper ist zart gestreift und mit feinen vermutlich auf Basalkörpern ansitzenden Cilien, die nach Solowjew nicht in Eeihen stehen sollen, bedeckt. Vignon konnte au Schnitten nur einen dunklen Basalsaum nachweisen. Das trübe Entoplasma enthält Schleim und Fetttropfeu. Beim Zerfließen des Tieres konnte Paramyelin nachgewiesen werden. Die Tiere sind sehr gefräßig und nach Sievers oft ganz mit auf- genommenen roten Blutkörpern vollgestopft. Im allgemeinen sind zwei kontraktile Vakuolen vorhanden. Die Stelle der jederzeit wiederum verklebenden Afteröfifnung wird meist durch eine kugelförmige Hervor- wölbung markiert. Der Großkern ist nieren- oder bohnenförmig und enthält viel chromatische Substanz, die staubartig über die alveolar- Fig. 79, Balantidium coli. 1, 2 Teilungstadien, 3 Konjugationsstadium (nach LEUCELA.RT). maschige, dichte achromatische Substanz verteilt ist; der Nebenkern ist klein, kugelig, bläschenförmig. Länge des Tieres 60 — 100 //, Breite 50-70 ^t. Die Teilung ist eine Querteilung, wobei sich der Hauptkern einschnürt und der Kleinkern auf dem Wege einer Mitosis teilt. Auch Konjugations- zustände sind bereits beobachtet worden, doch dürften manche diesbe- zügliche Angaben wie die von Gurwitsch auf einem Irrtum beruhen. Die Dauercysten besitzen eine derbe Hülle und sind kugelig. Diese Cystenzustände dürften bei der Art der Ueb ertragung von Bedeutung sein. Eigentümliche Kernbildungsstadien hat Solowjew beschrieben, doch scheint seine Beobachtung nicht völlig einwandsfrei zu sein. Das Balantidium kommt im Dickdarm des Menschen, sowie im Mast- darm des Schweines vor. Nach Shegalow wurde das Balantidium coli 63 mal, nach Sievers 44 mal beim Menschen beobachtet; am häufigsten soll es in Schweden sein, sonst sind Fälle aus Russland, Skandinavien, Finnland, Cochinchina, Italien, Deutschland, den Vereinigten Staaten und den Sundainseln beschrieben worden. Zuerst wurde dieser Parasit von Malmsten 1857 genau beschrieben. Leuckart machte dann auf das überaus häufige Vorkommen des Balautidiums beim Hausschweiue auf- Die pathogenen l'rotozoen. 1003 merksam, das als Kopropliagc die Infektion immer Aveiter verbreitet. In der Folgezeit nahm man vielfach an, dass das Schwein der eigent- liche Parasiteuträger sei und dass sich der Mensch nur gelegentlich infiziert. Mitteu untersuchte in diesem Sinne zahlreiche Fälle und glaubte den Beweis liefern zu können , dass in 13 % der Fälle die Balautidien sicher vom Schwein stammen. Die Uebertragung kann nur im encystierteu Zustande erfolgen, da die freien Balautidien sehr leicht geschädigt werden, zerfließen und den Magensäuren keineswegs in dieser Form Widerstand leisten könnten. Im allgemeinen ist das Balantidium des Schweines etwas größer und auf Grund dieser Wahr- nehmung sowie auf Grund von zahlreichen missglückten Infektions- versuchen nahmen einige Forscher wie Grassi & Calaxdküccio an, dass hier eigentlich zwei Arten vorliegen, eine Annahme, die noch einer Nachuntersuchung harrt. Beim Schwein rufen die Balautidien keine Störungen hervor. Uebertragungsversuche nahmen Casagrandi & Barbagallo vor und zwar experimentierten sie an Katzen. Sie benutzten sowohl junge normale Katzen als auch an einer katarrhalischen Enterocolitis leidende Tiere, sowie Katzen, die eine Rectumerweiteruug besaßen. Zur Injektion wurden sowohl balantidienhaltige menschliche Faeces als auch freie und encystierte Balautidien aus dem Schweinedarm verwendet. Die Veruschsresultate fielen ungleichmäßig aus, in einigen Fällen fand man encystierte Formen im Schleim oder einige wenige freie Formen im Coecum. Auf Grund der bisherigen Versuche kann man nur den Schluss ziehen, dass jene Balautidien für Katzen nicht pathogen sind und dass sie sie selbst im kranken Zustande in keinerlei deutlich wahrnehmbarer Weise schädigen. Der Uebertragungsmodus ist für den Menschen noch nicht aut- geklärt. Bezüglich der Wirkung dieses Parasiten auf den Menschen sind die Ansichten der einzelnen Forscher noch sehr kontrovers; man kann sie derzeit in 3 Gruppen zusammenfassen: I. Das Balantidium ist ein unschuldiger Bewohner des Darmes: Mitter, Janowski, Maggiora, Casagrandi & Barbagallo. IL Das Balantidium kann nur in sekundärer Weise schädigend ein- wirken , indem es sich auf eine schon erkrankte Schleimhaut niederlässt und durch seine lebhaften l^ewegungen katarrhalische Entzündungen der Mucosa hervorruft: Malmsten, Woit, Ecke- GRANZ, Lösch, Bapczewsky, Roos, Sievers, Welajew, Hex- SCHEN, Dehio (Balantidiencolitis), Collmanx. III. Dem Balantidium kommt eine pathogene Bedeutung zu. Für diese Ansicht treten mehr oder weniger l)estimmt folgende Autoren ein: Leuckakt, Gurwitsch, Tsciiigajew, Mosler, Peiper, Siie- GALEW, SoLowjEW, Strüng, Musgrave, Askaxazy u. a., doch bestehen zwischen den einzelnen Ansichten der letztgenannten Autoren einige Diflferenzen. — Diese letztere Annahme dürfte die richtige sein. In den häufigst beobachteten Fällen litten die Kranken an starken Darmkatarrhen mit Tenesmen, später stellen sieh nicht selten Blutent- leerungen ein und der Stuhlgang erfolgt ca. 20 mal in 24 Stunden. Definitive Heilung erfolgt selten, die Dauer mancher Krankheitsfälle betrug 20 Jahre. Nach den Untersuchungen aou Solow.jew ist die 1004 P- Doflein & S. v. Prowazek, Serosa des Dickdarmes hyperämiscli und reist beim leichten Druck auf den queren Teil des Grimmdarmes mit Leichtigkeit ein. Auf der Schleimhaut sind mehr als centimetergroße Exulzerationen mit Ijlutroten lüinderu zu beobachten (besonders im Rectumgebiete, dann Leber-Milz- flexur und im Colon transversum). Aehnliche, tiefe, bis zur Subserosa reichende Geschwüre mit Balantidien beschreiben auch Rapczewsky & WoiT, nach deren Angabe auch das Epithel stellenweise schwinden soll. Nach SoLOWJEW findet man im nekrotischen Gewebe keine Parasiten, diese dringen sonst tief in die Gewebslücken ein und werden nach dem- selben Autor bisweilen in dem erweiterten Lumen der Kapillaren und Venen der Submucosa beobachtet. Auch Gurwitsch untersuchte 7 Fälle verbunden mit heftigem Darmkatarrh und Diarrhöe sowie mit ulzerösen tief eindringenden Prozessen in der Dickdarmschleimhaut. Ferner hat Dehio Balantidiendarmgeschwüre, die zu Darmblutungen mit tödlichem Ausgang führten, beschrieben. In der letzten Zeit mehren sich derartige Beobachtungen immer mehr und mehr. (Steong, Musgrave, Askexazy.) Neben strenger Diät werden Klysmata von Gerbsäure und Essigsäure empfohlen. Auch mit Chinininfusionen wurden günstige Resultate erzielt. Nach Dehio encystieren sich die Balantidien nach Verabreichung von Filix mas und werden derart mit den Faeces entleert. Litteratur. AsKANAZY, M., Vortrag in d. biol. Sektion d. Phys. Gesellschaft, Königsberg 1902. Citiert nach Braun, »Tierische Parasiten«, 1903. Casagrandi, V. & P. Barbagallo, Balant. coli etc. Catania 1896. 8^. CoLLMANN, B., Fünf Fälle von Balantid. coli im Darm d. Menschen. Inaug.-Diss., Königsberg 190O. Dehio, K., Ueber katarrhal, u. ulceröse Prozesse im Dickdarm d. Menschen u. s. w. Rnss. Archiv f. Pathologie, Bd. 6. Edgren, Svenska läkaserälles kapet forhandl., 1885. Ekegrantz, Nord. med. Arkiv, vol. 1, 1869. Grassi, B., Signif. patolog. d. protoz. parasit. delF uomo. Atti acad. d. Lincei, IV. Sem., 1888, p. 86. Janowski, W., Ein Fall v. Balantid. coli im Stnhl. Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 32, 1897, S. 415. Leuckart, R., Die menschlichen Parasiten, I. Aufl., Bd. 1, 1863. S. 147. Malmstex, Infusor. als Intestinaltiere b. Menschen. Virch. Arch., Bd. 12, 1857, S.302. Mitter, J. , Beitrag zur Kenntnis des Balantidium coli im menschl. Darmkanal. Inaug.-Diss., Kiel 1891. Shegalow, P. , Ein Fall von Balantidium coli bei einem ojähr. Mädchen. Jahrb. f. Kinderheilk., Bd. 49, 1899. Strong & Musgrave, Preliminary note of a case of infection with Balantidium coli. Bull, of John Hopkins hospital, Baltimore 1901, vol. 12, Nr. 119, p. 30—32. S0LOW.JEW, Das Balantidium coli als Erreger chronischer Durchfälle. Centralbl. für Bakt., Bd. 29, S. 821 — 849, 1901. Hier ist ein vollständiges Litteraturverzeichnis zu finden! Stein, Organismus der Infusorien, Bd. 2, 1867. S. 320. Stockvis, S., Paramecium in sputa. Nederl. Tijdschr. voor Geneesk., vol. 20, 1884. Treille, Archives de med. navale, vol. 24, 187o. WisiNG, Nordiskt medizinsk. Arkiv, vol. 3, 1869. Zur NiEDEN, Centralbl. f. klin. Med., 1881. ' Balantidium minutum Schaudinn. Die Körpergestalt ist birnförmig oder oval, teilweise metabolisch Länge 0,02—0,032 mm. Breite 0,014—0,02 mm. Das Peristom ist dem des Bai. entozoon ähnlich, es ist eine schmale, vorne verbreiterte, hinten spitz zulaufende Spalte. Der rechte Seitenrand ist scharf konturiert, der linke läuft in eine dünne, hyaline Membran aus ; am linken Peristomrand Die pathogenen Protozof'n. 1005 inserieren auch die stärkereu, langen adoralcn Wimperu, die mit Aus- nahme der vordersten nach iuncn sehlagen. Das Peristomfeld selbst ist wimperlos. Die 7 — 8 u laugen Cilien sind in Längsreiheu angeordnet, Der ganze Körper ist von einer stark lichtbrechenden Pellicula be- deckt, darunter liegt eine spärliche ektoplasmatische Alveolarlage , der noch eine Alveolarschicht folgt. Das Entoplasma ist körnerreich. Im Gegeusatz zu Bai. coli, entozoon und elongatum hat Bai. minutum nur eine kontraktile Vakuole, die alle 25 Sek. pulsiert. Der zentral gelegene Macrouucleus ist alveolär, deutlich färbbar, daneben liegt ein circa 1 u großer Micronucleus. Teilung und Encystierung wurde von Schaudixn beol)achtet. Die Cyste ist oval. Der Parasit wurde in dem an Blutkörperchen und Schleim reichen Faeces eines 30jährigen, an Lungenspitzenaflfektion und Hüftgclenk- entzündung leidenden Mannes, der über Schmerzen vor dem Stuhlgang klagte, gefunden. Stroxg hat ihn auf den Philippinen ebenfalls be- obachtet. Litteratur. Jakoby & ScHAUDiNN, lieber zwei neue Infusorien im Darm d. Mensclien. Cen- tralblatt f. Bakt., I. Abt., Bd. 25, S. 487, 1899. Nyctotherus faba Schaudinn. Körpergestalt bohneuförmig, etwas abgeplattet. Länge 26 — 28 _w, Breite 16 — 18 /<, Dicke 10 — 12 u. Das Peristom ist ein schmaler Längs- spalt, der dicht am rechten Körperraude liegt; der linke Peristomrand fuhrt große adorale Cilien. Die Peristomspalte geht in eine Schluud- Fig. 80. Balantidium minutum (n. Schaudinn aus Doflein). Fig. 81. Nyctotherus faba (n. Schaudinn aus Doflein). einsenkung aus, in die die adoralen Cilien verlaufen. Das Tier scheint nur flüssige Nahrung aufzunehmen. Die Cilien sind kurz. 3 — 4 u lang, eine Körperstreifuug ist nicht wahrzunehmen. Die Ektoplasmaschicht ist sehr dünn, das Entoplasma ist grobmaschig und von Körueru durchsetzt. Die kontraktile Vakuole entleert alle 18—20 Sekunden ihreu Inhalt durch eine links betindliche Afterröhre. Das Chromatin des Haupt- kernes ist zu 4 — 5 großen Klumpen vereinigt, die für diese Form sehr charakteristisch sind. Der Micronucleus liegt der Großkernmembrau 1006 F. Doflein & S. v. Prowazek, Die pathogenen Protozoen. dicht au. Teilungs- und Konjugatiouszustäude wurden nicht beobaclitet. Die Cyste ist oval. Charakteristisch für die Form ist die geringe Größe, der kurze Schhind und der eigenartige Bau des Macrouucleus. Die Infusorien scheinen nicht im Mastdarm, sondern im Dünndarm oder gar im Duodenum vorzukommen und wurden zweimal bei Durchfall beob- achtet. Eine pathogene Bedeutung scheint ihnen nicht zuzukommen. Litteratur. Jakoby & ScHAUDiNN, Ueber zwei neue Infusorien im Darm cl. Menschen. Cen- tralblatt f. Bakt, I. Abt., Bd. 25, S. 487, 1899. Sachregister*). Abarten degenerative von Bakterien Form 127 Kolonieen 129 Abba scher Apparat 438 Abbe scher Beleuchtungsapparat 398 bis 400 Abessynierbrunnen Bakteriengehalt des Wassers in 189 Abfallstoffe Fäulnis und Verwesung der 110 als Infektionsquelle 214 Abfülltrichter nach Treskow 440 Abrin Wirkungsanalogie des Bakterien- giftes 256. 347 Ab Schwächung von Bakt.- Toxinen durch Ablagern 363. 371 Absorption des Luftsauerstoffes zur Anaerobenzüchtung 467 Absterben von Bakterien durch Austrocknung 167 in Krankheitsherden 160 in Kulturen 116 Abwehrreaktionen des Körpers gegen Infektionen 258. 267. 331. 335. 336 Acarus ricinus s. Ixodes reduvius Achlya prolifera544 Achorion Schönleinii s. Favus Achromatin bei pathog. Protozoen 869 Aceton bei Färbeverfahren 423. 430 Acetonurie bei Infektionen 341 Acidität der Nährböden, Einfluss auf Toxinbildung d. Bakt. 348 Acidophile Bakterien 89 Acldum gallicum bei Färbeverfahren 426 Acineten Ernährung 887 Acladiumform bei Pilzen 535. 627 Actinomyces Eintrittspforten 136 Schnittfärbung 431 Aecidien 548 Aepfelsäure zu Nährböden 441 A e r 0 b i 0 s e von Bakterien : fakultative 77 obligate 76 Variabilität 129 Aestivoautumnal-Fieber -Parasit 8. Tropenfieber-Parasit Aethylamin bei Geißelfärbung 426 Aetznatron in Nährböden 89 Aetzschorfe Verhalten gegenüber In- fektionen 134 Affen Blutschmarotzer bei 833 Sarcosporidia bei 988 Trypanosoma bei 939 After als Eintrittspforte für pathogene Bakterien 140 Agar als Bakteriennährboden 444—449. 452. 511 zu Plattenkulturen 459 für Wasseruntersuchungen 485 Agglomeration von Trypanosomen 934. 936 Agglutinabilität von Bakterien in Beziehung ziir Virulenz 302 Agglutination als Abwehrreaktion des Körpers 335 Ausführung 301 Spezifität 296. 300. 301 bei Trypanosomen i)34. 936 Agglutinine Spezifität derselben 296. 300. 301 Agone Verbreitung der Darmbakterien bei 154 Aktinomykose ähnliche Wucherun- gen durch Schimmelpilze 573 Aktive Formen der Malariaparasiten 717 Albumine im Bakterienleib 65 Albuminurie bei Infektionen 341 Albumosen bei Infektionen im allgemeinen 341 im Blut 341 Fieber durch 267 Alexine 333 — 335 Algenpilze 526 — 527 zur Bestimmung des Sauerstoffbedürf- nisses von Bakterien 505 Alkaleszenz von Nährböden Allgemeines 89 in Beziehung zur Toxinbildung 348 Anforderung der Protozoen an 884 Alk alialbuminat- Nährböden 86. 453 Alkalibildung durch Bakterien Allgemeines 100 Nachweismethoden 509 Alkalien Einfluss auf Bakterienleib 67 als Farbbeizen 418 *) Bearbeitet von Stabsarzt Dr. Hetsch. 1008 Sachregister. A 1 k a 1 0 i d 6 Zerstörung derselben durch Fäulnis 110 Alkaloidähnliche Substanzen im Harn lufektionskranker 263 Alkohol als Differenzierungsmittel 417 Einäuss auf Toxine 352 zur Fixierung von Deckglaspräpa- raten 409 zur Fixierung von Geweben 410 salzsaurer zur Entfärbung 428 — 430 Alkoholgärung durch Mucorarten 554. 558 Allgemeininfektion Entstehung im allgemeinen 160 durch Favus 603. 613 durch Hefen 669. 683 durch Mucor 571 durch Soorpilz 576 Alter Einfluss auf Infektionen 226 — 227. 240-241 Ami de zu Nährböden 86 Amidosäuren zu Nährböden 86 Ami tose bei Amöben 870 Ammoniak Anwendung bei Färbungsverfahren 424. 429 weinsaurer für Nährböden 440 Ammoniakalaun zur Geißelfärbung 427 Ammonium -karbonat zu Nährböden 441 lacticum zu Nährböden 440. 441 -Sulfat zur Ausfällung von Toxinen 350 Amöben 908-927 Bewegung 908 Dauerzustände 893 Defäkation 888 Entwicklungscyklus 909 Ernährung 886-887 Färbung 910 Kern und Kernteilung 870. 908. 909 Konservierung 909 Kultur 910 Membran 908 Untersuchungsmethoden 909 — 911 Vermehrung 909 Amöbendiastase 807 Amöbenruhr 916—922 Unterschiede gegen Bazillenruhr 919 Amoeba buccalis Sternberg 927 coli 910. 911. 913-915 '^ coli var. dysenteriae 918 coli mitis 911 coli rhizopod. 920 dentalis Grassi 927 diaphana n. sp. 912 eilhardi 909 gingivalis Gros 927 intL'stini vulgaris 911 kartulisi 924 lobosa var. guttnla 912 lobosa var. oblonga 912 Miurai Ijima 925 Proteus 909 pulmonalis 927 [Amoeba] reticularis n. sp. 912 spatula 909 spinosa n. sp. 912 urogenitalis 924 vermicularis 912 Amoebosporidia 958 Amoebula 713 Amphigonie bei Malariaparas. 713 Amphiont bei Malariaparas. 713. 731 A m p h i t r i c h a 54 Amylalkohol Anwendung b. d. Nitrosoindolreak- tion 509 Wirkung auf Toxine 351 Amyloiddegeneration bei Infektio- nen 280 Anaerobe Bakterien Anpassung an Sauerstoff 78. 129 als Fäulniserreger 110 fakultative 77 Kulturmethoden 79. 460—468 obligate 77 Wirkung des Sauerstoffs auf 77 Analj'se chemische des Bakterien- leibes 63 Ana m i e bei Infektionen im allg. 279 bei Malaria 788 Anatomie pathologische s. Sektions- befund Androsporen bei Malariaparas. 713 Angina als Autoinfektion 150 durch Soorpilz 590 Ludovici 136 Anilin als Differenzierungsmittel 417 Anilinfarbstoffe 414 Wirkung derselben 67 Anilinöl als Beize 418 bei Chromatinfärbung 429 bei Schnittfärbung 421. 430 Anilinwasser-Farblösungen 418 Anilinwasser-Fuchsin zur Färbung von Bakterien 419. 425. 431 Anilinwasser -Gentianaviolett zur Färbung von Bakterien 419. 423. 429. 431 von Hefen 688 Anisogamie bei Protozoen 880 Anopheles Christophersi 763 funestus 743. 748. 760 maculipennis 741. 743 pseudopictus 743 Rossi 763 Anophelosmücken Beschreibung 739-742. 748-749 Eierstockpräparation 828 Entwicklung der Malariaparasiten im 731—734 Fangen und Züchten 824 Larven 746 Lebensgewohnheiten 742—748 Magen 732—734. Präparation dessel- ben 827 Präparieren derselben 826 Sachregister. 1009 [Anophelesmücken] Speicheldrüsen 733, Präparation der- selben 829 Verbreitung 738 Verschleppung 745 als Zwischenwirte 106. 731 — 731 Anpassung von Anaeroben an Sauerstofif 78 Bakterien an neue Verhältnisse 126 an bestimmte Eintrittspforten 112 Ansteckung im Freien 177 Antagonismus von Bakterien in Mischkulturen 120 bis 122 von Coli- und Aerogenesarten gegen Fäulnis 111. 122 Antheridium bei Eumyceten 539 bei Malariaparasiten 713 Antifermente Bildung durch Proto- zoen 883 Antilope Trypanosoma bei 936 Antiseptica Wirkung auf Enzyme 512 Virulenz d. Bakt. 516 Antitoxine Bedeutung derselben 229. 336 Spezifität derselben 296. 337. 316 Verhalten der Toxine zu den 358—372 Wertbestimmungen 361-3(52 Apparate Abbascher 138 für Anaerobenzüchtung 460—468 zur Auspressung von Bakterien 525 Blutserum-Er.'Jtarrungs- 451 zur Bodenuntersuchung 482 Brutapparat nach Walz 471 zur chemischen Untersuchung von Bakterien 518 — 525 zur Destillation 521 zur Dialyse 525 zur Filtration 518—520 zur Fixierung von Versuchstieren 490 zum quantitativen Nachweis v. Gas- bildung 507 zur Inhalation von Bakterien 497—498 zur Injektion größerer Flüssigkeits- mengen 494 zur Isolierung von Keimen aus dem hängenden Tropfen 455 zur Keimzählung bei Wasserunter- suchungen 485 — 488 zur Luftuntersuchung 478—481 Nivellierungs- 457 Rotationsapparat für RoUröhrchen 459 zur Wasserentnahme aus bestimmter Tiefe 483 zur Wasseruntersuchung 484 — 488 Appressorien bei Pilzen 533 Ar gen tum nitricum bei Färbever- fahren 426 Artenvariabilität der Bakterien 294 Artesische Brunnen Keimgehalt des Wassers in 189 Arthrosporen 40 Handbuch der patliogenen Mikroorganismen. I. Arhythmie d. Herzens bei Infektionen 283 Asche des Bakterienleibes 66 Asc itesflüssigkeit zu Nährböden 448 Asexuale Formen der Malariaparas. 717 Asken echte 528 Askogon 537 Askoideen 528 Askomyceten 527^529 Askosporen bei Pilzen im allg. 537 bei Hefepilzen 664 Asparagin zu Nährböden 86. 96. 440. 441 Aspergillus Bronchopneumonomykosen dnrch 562 bis 564 fumigatus 551. 559 glaucus 558 auf der Haut 570 auf der Hornhaut 568 in der Nase 567 nidulans 558 Otomykosen durch 565—566 repens 558 Wirkung bei Versuchstieren 572 Aspiration als Ursache von Metastasen 235 Asporogene Eassen sporenbildender Bakterien 128 Athene noctua Blutschmarotzer bei 840 Atmung der Protozoen, allgem. 885 Atmungsfiguren Beijerinck) 61. 76. 505 A t r i c h a 54 Aufhellen von Schnittpräparaten 421 Aufkleben von Gewebsstücken zum Schneiden 411. 413. 414 Augenbindehaut s. Conjunctiva Augenerkrankungen durch Hefen 682 Augenkammer als Ort experim. In- fektion 499 Aurum chloratum bei Geißelfärbungsverfahren 426. 427 Auskeimung von Sporen 119 Ausnahmezellen 40 Ausrüstungskasten zurWassernnter- suchung 484 Ausscheidung der Bakterien aus dem Organismus unmittelbare durch pathol. Produkte 159 mittelbare durch normale Se- u. Ex- krete 160 durch Darmschleimhaut 162 durch Galle 162 durch Milch 163 durch Nieren 161 — 162 durch Speicheldrüsen 162 A u s s t r i c h p r ä p a r a t e Herstellung im allgem. 407—409 von Blutpräparaten 820 Färbung im allg. 420—431 Austern als Infektionsquelle 200 Austrocknung von Bakterien 167 Einfluss auf Virulenz 249. 515 64 1010 Sachregister. [Austrocknungj des Bodens. Einfl. auf Infektions- krankheiten 179 Autobasidiomyceten 528 Autoinfektion s. Selbstinfektiou Autoklaven 437 Auxanogramm 445 Auxochrome 415 Avidität der Körperzellen zu Bakt.- Toxinen 354 Azur zur Malaria-Färbung 824 Azygosporen 539. 554 Babes-Ernstsche Körperchen Färbung 427—428 in Beziehung zur Virulenz 251. 514 Babesia bovis s. Pyrosoma bigeminum Bacillus der Darmdiphtherie (Ribbert) Eintrittspforten 131. 135. 136. 138 enteritidis sporogenes in Abfallstoffen 215 im Boden 183 im Straßenkericht 216 im Wasser 191 Friedländer als Antagonist 121. 312 Ausscheidung durch die Galle 162 Gärwirkung 108 Lebensdauer in Kulturen 117 in gesunden Lungen 150 auf gesunder Mundschleimhaut 149 Nasenschleimhaut 148 in Pleurahöhle 256 Säurebildung 100 der Geflligeltuberkulose , Farbstoff- bildung 98 besondere Wuchsformen 37 Koch-Weeks auf Conjunctiva 134 lactis aerogenes 77. 79 oedematis maligni im Blut 143 im Boden 183 im Darm 143 Fäulnis durch 110-111 Gärwirkung 108 als Saprophyt 164 Virulenz-Steigerung 517 in Wohnungen 210 polychromus 99 pyocyaueus s. Pyocyaneus der Schweinepest, Farbreaktion 100 des Schweinerotlaufs, Alkalibild. 100 der Schweineseuche, AlkalibildunglOO (s. a. Bazillen) Bacterium coli comm. Ausscheidung durch die Niere 161 im Brunnenwasser 190 Cystitis durch 140 Gärwirkungen 108-109 Generationsdauer 115 Gram-l'ärbung 70 auf Kleidung und Wäsche 212 in der Luft geschlossener Räume 176 Mischinfektion durch 320 auf gesunder Mundschleimhaut 149 [Bacterium coli commune] Myelitis durch 282 Pyelonephritis durch 140 Septikämie durch 235 Symbiose in Mischkulturen 121 auf Urethra 155 im Urin 154 besondere Wuchsformen 37 Backwaren als Infektionsquellen 206 Bade Wasser als Infektionsquelle 190 Bakteriämie 234. 236. 239. 243 Bakterieide Schutzkräfte des Körpers im allgemeinen 229 Wirkung des Bruchwassers 153 des Blutes im allgemeinen 161 des normalen Lungengewebes 151 des Vaginalsekrets 140 des Wassers 193 Bakterien in Abfallstoffen 214 Abwehr - Reaktionen des Körpers gegen 258 Aerobiose u. Anaerobiose 77 Alkalibildung durch 100 Asche der 66 Ausscheidung aus d. Körper 159—163 Bau feinerer der 44—54 Bestandteile des Bakterienleibes 55 Biologie, Allgemeines 55 im Boden 183 Chemie derselben 63. 65 chromopare 99 chromophore 99 Eigenbewegung 59 Eindringen ders. in Gewebe 224 Eintrittspforten 132—144 im Eis 200 Entzündung durch 254 Ernährung 83 Exkrete derselben 91—92 Färbung, Allgemeines 67, elektive 70, in vivo 71 Farbstoffbildung durch 98 Fermentwirkungen 105-108 Fieber durch 264. 328 Form, Allgemeines 33 als Fremdkörper 231 Gärwirkungen 108 — 113 Geißeln 53 Gewicht, spez. 62 Gifte derselben. Allgemeines 90. 231 Herkunft in der Außenwelt 164 Hitzeeinfluss auf 72 im Hungerzustande 82 Indolbildung 96 Intercellularsubstanz 53 Kälteeinfluss auf 72 Kapseln 52 Kerne und kernähnliche Gebilde 44 Kernäquivalente 48 in Kleidung und Wäsche 211 Körnchen metachromatische in den- selben 48 in Beziehung zur Virulenz 49 sporogene 50 Latenz pathogener Bakt. im Organis- mus 145 Sachregister. 1011 [Bakterien] Lebensbedingungen 72 Lebensdauer 76 Lebensprozess 73 Lichtbrechungsvermögen 55 Lichtentwicklung 62 in d. Luft geschlossener Räume 176 Menge, Eintiuss auf Infektion 229. 236 Membran 51 Metastasen durch 234 allg. Morphologie 33—44 Nährstofte derselben 85 stickstofffreie 87 stickstoöhaltige 85 in Nahrungsmitteln 202 osmotische Verhältnisse 55 parachromophore 99 physikal. Verhalten des Bakterien- leibes 55 Plasma 51 Plasmolyse u. Plasmoptyse 56. 57 pleomorphe 35 Polkürner 48 Reaktionen, mikrochemisclie 67 Säurebildung durch 100 Säurefestigkeit 69 Sauerstoft'bindung durch Bakt. 81 Verhalten der Bakt. zu 76 Schwefelwasserstoifbildung durch 96 Sedimentierung aus Gemischen 62 Sekrete derselben 91 Septikämie durch 235 Spezifizität derselben, Allg. 288-304 Sporen 41 Stoffwechselprodukte 90 System, morphologisches 33 Temperaturanforderungen 74 thermophile 75 thermotolerante 75 Toxizität 244 Uebergang ins Blut 161. 234. 235. 239 Verbreitung im Körper 232—242 Vermehrung im Organismus 228 im Wasser 192 Virulenz, Allgemeines 244 Einfluss auf Infektion 229. 236 Wirkung, verschiedenartige, durch dieselben Bakt. 244. 257 in Wohnungen 209 Zoogloea 52 Zusammensetzung , quantitative chemische 63 Bakterienassoziation s. Misch- infektion Bakterienfilter 518-520 Sterilisation derselben 518 Bakteriengehalt gesunder Körper- gewebe 147 Bakteriengifte s. Toxine ßakter ienharpune 473 Bakterienmethode Engelmanns61. 76 Bakterienniveaux 505 Bakterienzählung 115 Bakterie agglutinine, Spezifität 296. 300. 301 Bakteriohämagglutinine 279 Bakterioh am olys ine 279] Einfluss auf Fieber 273 Bakteriolysine als Abwehrreaktion des Körpers 336 Spezifizität 29(5. 299—301 Bakteriurie, Allgem. 161 Balantidium coli 1001—1004 minutum 1004—1005 Barbenseuche 977 Bartflechte 634 Basalkörperchen bei Protozoon 877 Basen, Einfluss auf Toxine 352 Bas i dien 535 Basidiomyceten 527—529. 547 Basid iosporen 528 Basophile Körner in Malaria- Paras. Färbung ders. 820 Bau, feinerer der Bakterien 44 — 54 der Malaria-Paras. 723—726 Bauchhöhle als experim. Infektions- ort 499 Baumgartens Färbung für Lepra- bazillen 433 Bazillen. Allgemeines über Größe und Form 34 der hämorrhag. Septikämie, Gärwir- kuug 109 Bedingungen für Infektion im all- gemeinen 225 Befruchtung, anisogame der Malaria- Paras. 731 Begleitinfektion im allgem. 308. 311 bei Tuberkulose 311 Beizen bei Färbungsmethoden 417 — 419. 425—427 Bekleidungsgegenstände als In- fektionsquellen 211 Berkefeld-Filter 518 Berlinerblau zur Prüfung von Ke- duktionswirkungen 510 Beschälkrankheit durch Trypano- somen 940 Beseitigung der Abfallstoffe 110 Bestandteile des Bakterienleibes 65 Bevorzugungen gewisser Körper- gewebe durch Bakterien 239 Beweglichkeit s. Eigeubewegung Bewegung des Wassers, Einfluss auf die Bakterien in demselben 195 Bidiia- Parasit s. Tropenfieber -Parasit Bier als Infektionsquelle 207 Bierwürze für Nährböden 449 B i 1 i V e r d i n, Umsetzung desselben durch Bakt. 97 Bindung von Antitoxinen durch Toxine 360—372. Bindungseinheiten bei Antitoxi- nen 369 Biochemisches Verhalten der ein- zelnen Körperorgane gegen- über Bakterien 228 Biologie, allgemeine der Bakterien 55 Protozoen 889—895 B i 0 s k 0 p i e zur Prüfung der Reduktions- wirkungen der Bakterien 95. 511 Bismarckbr aun s. Vesuvin 64* 1012 Sachregister. Biuretreaktion zum Nachweis von Peptonbildung 513 Bläschen- Infektion s. Tröpfchen- Infektion. Blastomyceten s. Hefepilze Blastop hören bei Malariaparas. 732 bei Proteosoma 813 Bleilösungen zum Nachweis von Schwefel wasserstoifbildung 506 Bleipapier zum Nachweis von Schwefel- wasserstoffbildung 506 Bleisalze zum Ausfällen von Toxi- nen 350 Bleischs Nährlösung zum Nachweis von Indolbildung 508 Bleiziicker für Nährböden zum Nach- weis der Schwefelwasserstofif- bildung 96. 447 Bleiweiß zu Nährböden zum Nachweis der Schwefelwasserstofifbildung 96. 448 Blepharoblast bei Koccidien 963 bei Trypanosoma 932. 935. 939 Blut, Auffangen für Nährböden 451 Bakterieide Wirkung desselben, All- gem. 161 Entwicklung der Malariaparasiten im 714-726 des Proteosoma im Vogelblut 809 bis 813 zu Nährböden 446 Untersuchung der Malariaparasiten im lebenden 726—728. 824 von Bluttrockenpräparaten auf Malariaparasiten 819—824 auf Texasfieberparasiten 858 Blutagar 446 Blutarmut bei Malaria 788 Blutbahn als Eintrittspforte für Bak- terien 142 bei künstl. Infektion 498 Rolle derselben bei Infektionen 234. 243 Blutbouillon 446 Blutdruck, Erniedrigung desselben bei Infektionen 282 Blutentnahme ^3 zur bakteriol. Untersuchung 318. 449 zur Herstellung von Blutnälirböden451 Blutergüsse, Begünstigung der Te- tanusinfektion durch 134 Blutkörperchen, Tüpfeluns: der roten bei Malaria 726. 778. 823 metachromatische Färbung bei Ma- laria 778. 820 Blut Parasiten, malaria- ähnliche 832 bis 840 bei Affen 833 bei Athene noctua 840 bei Eidechsen und Schildkröten 840 bei Fröschen 834—840 bei Rindern 834 Blutplättchen bei Malaria 777. 821 B 1 u t pr ä p ar a t e (Trockenpräparate) Anfertigung 819 Färbung 820—824 [Blutpräparate Färbung] nach Giemsa 824 nach Manson 820 nach Romanowsk}' 821 — 824 Blutharnen der Rinder s. Hämoglo- binurie Blutserumnährböden 451 — 452 Blut Veränderungen durch Bakterien- toxine 263. 279 Boden, Bakteriengehalt des 183 Bedeutung für Entstehung von In- fektionskrankheiten 17S Begünstigung d. Sporenbildung iml84 Untersuchungsmethoden für 482 Verhalten der Bakterien bei Ein- impfung in 183 als Zwischenträger von Infektions- stoflfen 186 Bodenlufttheorie für Malaria 753. 756 Bodentheorie Pettenkofers 178—182 Bohrer zur Entnahme von Boden- proben 482 B 0 o p h i 1 u s bovis als Zwischeuwirt des Pyrosoma 843. 851 — 852 Borax bei Färbemethoden 428 Boraxkarmin zur Färbung von Amö- ben 910 Myxosporidien 976 Boströms Färbung für Strahlenpilze 431 Botrytis Bassiana 546 Botrytisfruktifikation bei Pilzen 535 Botulismus, Veränderungen der Vor- derhorn-Ganglienzellen bei 280 Bouillon als Nährboden 441 Konzentrationsgrenzen 88 Betrachten von Bouillonkulturen 473 Brandpilze 528. 547 Brandschorfe, Verhalten gegenüber Infektionen 134 Brech Weinstein zu Farbbeizen 426 Bronchien, Erkrankungen derselben bei Tuberkulose 143 Keimgehalt normaler 151 Soorpilz in 587 Broncho pneumono mykosen durch Schimmelpilze 552. 562 — 564 Brot als Infektionsfjuelle 207 Brotbrei als Nährboden 451 Bruchwasser eingeklemmter Hernien. Bakteriengehalt desselben 152 Brut schränke 468 für niedrige Temperaturen 471 Brunnen, Bakteriengehalt des Wassers in 189 als Infektionsquelle 188—189 Brusthöhle als Ort experimenteller Infektion 499 Brustwarze als Eintrittspforte pathog. Bakterien 132 Brutapparat nach Walz 471 Bücher als Infektionsquellen 212 Buchners Sporenfärbuug 424 Büffel, Empfänglichkeit für Sarko- sporidien 988 Trypanosomen 936. 939 Sachregister. 1013 B ü f f eis etiche -Bacillus Ausscheidung desselben aus dem Körper 162 Bxinges Geißelfärbung 425 Bürette, Heimische 440. Butter als Infektionsquelle 202 Buttermilch, Bakteriengehalt der 20.5 Buttersilurebazillen 203 C Calcino der Seidenraupen 546 Calciumsup eroxy d, Wirkung auf Toxine 352 Carate 570 Caries der Zähne durch Bakterien 149 CelloTdin zum Einbetten von Geweb- stücken 413 Cellulose im Bakterienleib 66 Centralnervensystem, künstliche Infektion des 499 Ceratomyxa linospora, Sporen bei 894 C e r c 0 m o n a d i n a e 930—944 Cercomonas anatis 931 canis 931 gallinarum 931 globulus 931 hominis 930 intestinalis 949 ovalis 931 pisiformis 931 Cer e allen- Infuse zu Nährböden 449 Cerion Celsi 632 Cervikalsekret, Wirkung auf Bak- terien 141 Cervix uteri als Eintrittspforte für Bakterien 141. 143 Chaetocladiaceen 528 C ha mberl an d- Filter 519 bei Isolierung von Enzymen 513 Chemie des Bakterienloibes 63. 65 Chemikalien, Wirkung auf Bakterien-Toxine 352 Bakterien-Virulenz 249—250 Protozoen 884 Chemotaxis als Abwehrreaktion des Körpers 258 als Ursache der Eiterung 255 der Leukocytose 275—276. 334 Wirkung auf Bakterien im allgem. 61 deren Bewegung 501 Chinin als Malariaheilmittel 782 -Prophylacticum 784' Ursache des Schwarzwasserfiebers 805-808 Chitin im Bakterienleib 66 Chlamydophry s stercorea 920 Chlamydosporen bei Pilzen 528. 532. 534. 537 Chlor zur Virulenz-Abschwächung 516 Chlorcalcium zu Nährböden 440.441 C hlorgol d bei Geißelfärbungsverfahren 426—427 Chloride in Nährböden 88 Chloroform, Eintluss auf Toxine 352 bei Färbeverfahren 424. 430 [Chloroform] zur Unterscheidung zwischen Favus und Trichophytie 614 Cholera, Hodentheorie für 17S Sekundärinfektionen bei 310. 321 Cho 1er a - ähnliche Vibrionen im AVasser 191 Cholerabacillus Alkaleszenzanforderungen 445 Alkalibildung 100 Antagonismus in Mischkult. 321 atypische Kolonieen 129 Ausscheidung 162 Austrocknung 167 Generationsdauer 115 charakt. Geruch der Kulturen 98 Chemie 63 im Darmkanal 138. 143. 144, bei Rekonvaleszenten 146 diastatisches Ferment des 106 Farbstoffbildung 98—99 Giftwirkung 231. 262. 373—375 Haltbarkeit im Boden 183. 185, in Eis 200, in Faeces 214. in Lei- chen 216, in Wasser 188. 190 bis 194. 196. 199. Infektionswege 219 Invertierendes Ferment des 106 Labferment des 107 im Magen 138 Nachweis im Wasser 488 Nitroso-Indolreaktion 97. 508 Pikrinsäurefärbung des 70 Polkörner 48 Prädilektionsstellen des 239. als Saprophyt 165 Schwefelwasserstoff entwicklung durch 95 Symbiose in Mischkulturen 121 Uebertragung durch Gebrauchsgegen- stände 211 durch Insekten 165, durch Kleidung u. Wäsche 211 durch Nahrungsmittel 202. 205-207 placentare 383 Variabilität 127 Verbreitung im Organismus 234 Verstäubbarkeit 169. 174. 175 Virulenzsteigerung 517 Cholera-Immunität, Spezifizität der- selben 297. 301 Cholera infantum Infektionswege der Erreger 202. 221 Cholera-Rotreaktion 508 Chromatin der Bakterien 45 des Halteridium 818 der Malariaparasiten 723 — 726 des Proteosoma 812 der pathog. Protozoen 869-875. 896, 897 Färbung desselben 420. 428—429. Chromessigsäure zur Konservierung von Amöben 909 Chromidien bei pathog. Protozoen 875 Chromogene 415 1014 Sachregister. Chromoph or 415 C h r 0 m s ä u r e bei Färbeverfahren 424.427 Chytridieen 543 Cilien bei Protozoi-n 877. 892 Ciliophora 997—1006 Bewegung 997 Dauerzustände 998 Ernährung 886. 997 Kern 874. 997 Vermehrung 997—998 Girren bei Protozoen 878 Cistudo europaea. Blutschmarotzer bei 835 Claudius' Modifikation der Gram- Färbung 430 Claviceps pur pur ea 528. 545 Cnidosporidia 971—986 Coccidia 959-972 Bewegung 960. 963 Entwicklungscylvlus 960 Ernährung 960. 963 Färbung 965 Fortpflanzung 960 Kern 872. 960 Konservierung 965 Untersuchung 964 Zugehörigkeit der Malaria-Paras. zu 735. 737 Coccidioides immitis 970 pyogenes 971 Coccidium avium 971 bigeminum 970 cuniculi 965^968 hominis 969 Pfeiiiferi 972 truncatum 972 C oh n sehe Nährlösung 440 Coitus Uebertragung von pathog. Bak- terien 140. 143 Trichomonas durch 948 Trypanosomen durch 941 Collodium zum Aufkleben von Pa- raffinschnitten 413 -säckchen bei experimteller Infektion 496 Columella bei Schimmelpilzen 553 Congo zur Bakterien-Färbung 415 Conidien 527 Conitomie bei Malaria 713 C o n j u n c t i V a Bakteriengehalt gesunder 148 als Eintrittspforte path. Bakt. 134 bis 135 Entzündungen derselben durch Hefe- pilze 682 Latenz von pathog. Bakt. auf 146 Contagium, Unterschied gegen »Mias- ma« 179. 224 Copula der Malariaparasiten 713 Cordyceps 528. 546 Coremium bei Penicillium 534. 536 Cornea als Eintrittspforte pathog. Bakt. 135 Erkrankungen durch Schimmelpilze 552. 562. 574 Erkrankungen durch Soorpilz 595. Costia necatrix 944—946 Cryptococcus Rivoltae 684 Culex Entwicklung des Proteosoma im 813. Unterscheidung gegen Anopheles 740 bis 743. 746-748 Cyclospora caryolytica Entwicklungscyklus 960 Cyste s. Oocyste Cystitis durch Bakterien 140. 146. infolge von Selbstinfektion 155 Cytamoeba bacterifera 839 Cytolysine 303 Cytoplasma der Hyphenpilzzelle 529 Cytosporon s. Proteosoma Czaplewskis Färbung säurefester Bak- terien 432 Dactylosoma splendens 834. 835 Dahlia z. Färbung v. Bakt.-Kapseln 423 Dakryomyceten 528 Dampfkochtopf Kochscher 437 Dampftrichter Unnas 439 Danilewskya Grassei 834 Darmamöben 911 — 925 Amöbenruhr durch 916—922 Uebertraguugsexperimente 916 Untersuchungsmethoden 915 Darmbakterien Austritt derselben in den Körper 153 Bedeutung für die Verdauung 151 normale 151 des Säuglings, Gärwirkung 108 Darmfäulni s 112 Darmschleimhaut Bakteriengehalt der normalen 151 als Eintrittspforte pathog. Bakt. 138. 139. 143 Dauercysten bei Ciliaten 998 Dauerformen der Bakterien im all- gem. 40 der Protozoen im allgem. 879. 884 Dauerkulturen 475 Dauerpräparate 407 — 420 Dauerzellen bei Hefen 666 Deckglas-Ausstrich Präparate von Bakterien. Herstellung 407—408 Färbung 420. 429-433 Defäkation bei Protozoen 888 Degeneration amyloide bei Infek- tionen 280 parenchymatöse bei Infektionen 280. von Bakterien im allgem. 43. 126 Färbbarkeit d. Degenerationsform. 70 von Protozoen 897 von Pilzmycelien 532 Denitrifikation durch Bakterien 92 Dermatomykosen 570. 599—660 Gesclnchtliches 599 durch Favus 602—615 durch Trichophytiepilze 616—644 Prophylaxe 644—646 Saprophytieen 647—660 Sachregister. 1015 Desinfektion 2G— 27 Geschichtliches 2() Desinfektionsmittel Wirkung auf Bakterienvirulenz 249 Deuterotoxine 371 Dialysatoren 525' Dialyse von Toxinen 350 Diarrhöen Koccidien bei 963. 966 Diastatische Fermente bei pathog. Bakt. 106 bei Schimmelpilzen 558 Diathese hämorrhagische durch In- fektionen 279 Diazokürper bei Infektionen im all- gem. 342 Diazoreaktion l)ei Tuberkulose als Zeichen von Mischinfektion 318 Dibl astische Theorie (Nägeli) 179 307. Differentialzone für Gifte 366 Differenzen individuelle bei Bakterien im allgem. 123 der Form 127 der Eigenbewegung 128 der Koloniebildung 128 Differenzierung bei Färbungen 416 bis 431 von Bakterien durch spezif. Aggluti- nation 301 durch spezif Bakteriolyse 296. 299 durch spezif Präzipitation 303 Di ge stör 438 Dimorphus muris Grassi 950 — 953 Diphtherie Bedeutung der Leukocytose bei 278 Neuritis bei 280 Sekundärinfektionen bei 309. 317. 319. '324 Wirksamkeit des Pyocyanose-Immun- proteTdins auf 315 Diphtheriebacillus Acetonbildung 342 Alkali- und Säurebildung 101 Antagonismus in Mischkulturen 121 Atypische Kolonieen 129 Ausscheidung aus dem Organismus 1.59 Austrocknung 167 Chemie Öi^ auf der Conunjctiva 134 Eintrittspforten 136. 137. 140. 143 elektive Nährböden für 85 Färbung nach Neisser 48. 68 Gärwirkung 108 Giftwirkung 231-245. 261 Haltbarkeit in Abfallstoffen 214 in Leichen 21(5 im Wasser 198 in Wohnungen 210 Infektionswege 220 Latenz außerhalb des Organismus 165 Latenz innerhalb des Organismus 146 Mischinfektion durch 320-321 in der Mundhöhle 136. 150 Resistenz gegen hohe Temperaturen 268 [Diphtheriebacillus] bei Rhinitis tibrosa 149 Uebertragung durch Gebrauchsgegen- stände 212 durch Kleidung und Wäsche 211 durch Nahrungsmittel 202. 205 Verbreitung im Organismus 239 Verstäubbarkeit 168. 174 Virulenz 246 -Abschwächung 516 -Steigerung 517 Diphtheriegift Konstitution .363 Diplobacillus Morax auf Conjunctiva 134 Diskomyceten 528 Disposition individuelle, Einfluss auf Infektionen 227. 229. 236. 241 Einfluss auf Tuberkulose-Vererbung 393 zu Schwarzwasserfieber 805 — 807 Dosenlibelle 457 Dosierung des Infektionsmaterials 495 ■ D o u r i n e 940 D r e i f a r b e n V e r f a h r e n Flemmings zur Färbung von Protozoen 903 von Sarkosporidien 991 Drepanidien bei Fröschen 834 Druck atmosphärischer bei Filtration von Bakterien 518 Einfluss auf Bakterienvirulenz 515 Drüsen Wirkung von Bakterientoxinen auf 283 Dünger als Infektionsquelle 215 Duodenum als experim. Infektionsort 496 Durchtr änkung v. Gewebsstücken 411 Durchwachsen von Bakterien durch Gefäi3wände 161 Dysenterie durch Amöben 916 — 922 Sekundärinfektionen bei Bazillen-Dvs. 309 Dysenteriebacillus im Darmkanal 138. 214 Infektionswege 202. 219 im Trinkwasser 190 E Eau de Javelle zur Entfärbung 432 Eccema marginatum 639 seborrhoicum 638 Differentialdiagnose gegen Tricho- phytie 637. (;38 Ehrlichs Färbung säurefester Bakterien 431 Eidechsen Blutschmarotzer bei 840 Eier als Infektionsquelle 206 zu Nährböden 452. 461. 506 Eierstöcke der Stechmücken, Präpa- ration 828 Eigenbew egung amöboide der pathog. Protozoen 876 der Amöben 908 der Bakt. im allgemeinen 59 Beobachtungsmethoden derselben 501 chemotaktische Einflüsse auf 61 1016 Sachregister Eimeria hominis 970 Einbettung von Gewebsstücken zur Untersuchung 411 Eindringen von Bakt. in Körperge- webe 224 Einfüllen von Nährmedien 440 Eintrittspforten der Bakt. imallgem. 132—144. 227 Einfluss derselben auf Verbreitung der Infektion 237 Einfluss pathologischer Veränderung derselben auf Verlauf der In- fektion 243 lokale Veränderungen an denselben 254 Eis Verhalten von Bakt. in 200 Eisen zur Ernährung der Pilze 540 Eisenbahnwagen als Infektionsquel- len 209 Eisengelatine zum Nachweis von Schwefelwasserstoffbildung 96. 448 Eisenhämatoxylin zur Färbung von Amöben 910 Koccidien 965 Myxosporidien 976 Protozoen im allgem. 903 Sarkosporidien 991 Eisenoxydammoniak, schwefelsaur., zur Färbung von Hefen 663 Eisensalze, anorganische Einfluss auf Bakterienvirulenz 250. 517 8. auch unter »Ferrum« Eisessig für Färbeverfahren 423. 426. 427 Eiterbakterien in Abfallstoffen 214 Ausscheidung aus dem Organismus 159. 161. 163 auf Conjunctiva 134. 135. 148 auf Cornea 135 Cystitis durch 140 im Darm 138, 140 bei Demarkation des kindl. Nabel- strangs 148 Farbstoffbilduug 98 in Frauenmilch 163 Gärwirkung 108 auf Gebrauchsgegenständen 212 im Harn 155 auf Haut 147. 148 Infektionswege 221 auf Kleidung und Wäsche 211 Latenz im Organismus 147 in der Lunge 150 Metastasen durch 234 in Milch 203 Mischinfektion durch 320. 323 auf Mundschleimhaut 149 anf Nasenschleimhaut 148 in Nieren 161 placentare Uebertragung von 383 Pyelonephritis durch 140 im Schweiß 163 Septikämie durch 235 Symbiose in Mischkulturen 121 [Eiterbakterien] in Vagina 156 Verstäubbarkeit 169 in Wohnungen 216 Eiterung durch Bakterien im allgem. 255 als Abwehrreaktion des Körpers 258 Eiweißfällung durch Bakterien 97 Eiweißfreie Nährböden 86 Toxinbildung auf 348. 351 Eiweißkörper im Bakterienleib 65 in Nährböden 85 Eiweißzerfall toxischer 339 Ektogenes Studium von Infektions- erregern 165 Ektokommensalen Protozoon als 890 Ektoparasiten Protozoen als 890 Ektoplasma der Bakterien 45 der pathog. Protozoen 867. 876 Ektosymbioten Protozoon als 890 Elefanten Trypanosomen bei 939 Elektionsvermögen der Farbstoffe 416. 417. 419 Elektive Nährböden für Bakterien 445. 453 für Pilze 542 Elektrizität Einfluss auf Bakterienvirulenz 249 auf Bakterientoxine 352 auf Protozoen 884 Embolieen infektiöse 234 Empfänglichkeit s. Disposition Empusa muscae 544 Encystierung bei Protozoen 893 Endoconidium 627 Endomyces 545 Endosporen bei Pilzen 527. 534. 536 Endotoxine 373-375 Entamoeba coli (Lösch) emend. Schau- dinn 920-921 histolytica 921—922 Enten Cercomonas bei 931 Koccidien bei 971 Sarkosporidien bei 988 Entfärbungsmittel 415—417 Entnahme von Blut zur bakteriolog. Untersuchung 318. 449 Boden zur bakteriolog. Untersuchung 482 Geweben zur bakteriol. Untersuchung 410 Luft zur bakteriolog. Untersuchung 477—481 Material für Deckglas-Ausstrichpräp. 407 Wasser zur bakteriolog. Untersuchung 483 Entokommensalen Protozoen als 890 Entomophtboreen 528. 544 Entoparasiten Protozoen als 890 Entoplasma der Bakterien 45 Entosymbioten Protozoen als 890 Entwicklungscyklus der Amöben 909 Sachregister. 1017 [E ntwicklungscyklus] der Malariaparasiteu im Blut 714 bis 726 in der Mücke 731—734 der Quartanparasiteu im menschl. Blut 719—720 der Tertianparasiten im menschl. Blut 714-718 der Tropenfieberparasiten im menschl. Blut 720 Entwicklungshemmung der Bakt. durch Fettgehalt der Nährböden 87 durch starke Konzentration der Nähr- böden 88 Einfluss derselben auf Sporenbildung 504 Entzündung durch Bakt. im allgem. 228. 254 als Abwehrreaktion des Körpers 258 als Folge der Infektion 259 Wesen derselben 255 Enzyme s. Fermente Eos in zur Färbung von Amöben 910. 915 von Bakterien 415. 418 von Malariaparasiten 821 Eosinophile Leukocyten, Ver- mehrung derselben bei Infek- tionen 277 Epidemieen, Haus- bei Malaria 761 Epimerit bei Gregarinen 954 EpitoxoTde 365 Erblichkeit s. Vererbung Erbrechen als Intoxikations-Symptom 330 ^ Erdarbeiten Einfluss auf Malariaver- breitung 760 Erdbohrer 482 Ergotismus gangraenosus 546 Erisypel Ausgangspunkte 147—148 Fieber bei 327 Erisypel 01 d 655 Erkrankungen der Menschen durch Schimmelpilze 562—571 der Menschen durch Soorpilz 591 der Tiere durch Schimmelpilze 571 der Tiere durch Soorpilz 593 van Ermengems Geißelfärbung 425 Ernährung der Bakterien im allgem. 73. 83 Einfluss derselben auf Eigenbewegung 501 auf Sporenbildung 119 auf Virulenz 515 der Protozoen im allgem. 885—888 der Amöben 886—887 der Koccidien 963 Ernährungsstörungen des Organis- mus durch Bakterien 280 Erschöpfung des Nährbodens als Ur- sache des Antagonismus 122 der Sporenbildung 119 Erythrasma 653 Erytrocyten Tüpfelung derselben bei Malaria 726 Esel Empfänglichkeit für Trypanosomen 936. 937. 940. 941 Essgeschirre als Infektionsquelle 212 Essigsäure als Difterenzierungsmittel 417. 421—423. 428. 431 zur Hämoglobin-Entfernung bei Blut- präparaten 409 Ena sei 537 Euaspergillu sarten pathogene 558 Euch in in gegen Malaria 783. 793 Eugregarinen 958 Eumyceten s. Fadenpilze Eurotium malignum 558 Eutertuberkulose Einfluss aufMilch 203 Existenzbedingungen s. Lebensbe- dingungen Exoasken 528. 545 Exohemiasken 528 Exosporenbildung bei Pilzen 534 Exkrete des Menschen zu Nährböden 448 der Protozoon 888 Exsudate menschliche zu Nährböden 448. 452 F Faden pilze 526—660 Allgemeines 526 Ernährung 540—541 Geschichtliches 550 Morphologie 529—534 Pathogenität 543—549 Pleomorphie und Polymorphismus 539-540 Sporenbildung 534—539 Faeces als Infektionsquelle 214 Veränderungen derselben bei Infek- tionen 337—338 Fäkal bakt er ien im Brunnenwasser 190 Fangen von Stechmücken 824—826 Färbbarkeit der Bakterien, Allge- meines 67 Abhängigkeit derselben vom Lösungs- zustand des Farbstoffes 68 von der Natur der Bakterien 69 elektive der einzelnen Bestandteile der Bakterien 70 der Bakterien in vivo 71 Farbbeizen 417-419. 425-427 Farbige Nährböden 92 — 95 Farblack 419 Färb reaktio neu durch Bakterienkul- turen 97. 100 Farbstoffbildung durch Bakt. 98-99 Bedingungen derselben 99 Einfluss von Mineralsalzen auf 99 des Sauerstoffs auf 99 der Temperatur 99 Variabilität derselben 130 Allgemeines über deren Wirkung 68. 414-420 Farbstoffe Anilin- 67. 415 basische 415 1018 Sachregister. [Farbstoffe] saure 415 chemische Natur der von Bakt. ge- bildeten 99 Gemische 417 in Schwebefällung 68 Färbung Allgemeine Prinzipien der- selben 414—420 von Amöben 910 von Bakterien: der Babes-Ernstschen Körperchen in Bakt. 427. 428 des Chromatins in 428. 429, auf Deckglaspräparaten 420. 429 bis 433 deren Geißeln 425—427 nach Gram 70. 420. 429-430 deren Kapseln 422 — 423 in Schnitten 421-422. 429-430 spezifische Methoden 431—433 deren Sporen 424 vitale Färbung 433 von Flagellaten 927 von Koccidien 965 von Mahiriaparasiten 820 — 824 von Myxosporidien 976 von Sarkosporidien 991 von Sprosspilzen 663.673.674.680.688. Wesen derselben 67 Färbungsmethoden monochromatische 415—417 polychromatische 417 progressive 415—417 regressive 416. 417 Fasanen Koccidien bei 971 Fäulnis Aligemeines 109 durch Anaerobe 110 im Darm 112 Einfluss derselben auf Alkaloi'de 112 Einfluss des Sauerstoffes auf 110 Leichenfäulnis 112 durch Mischkulturen 111 durch Reinkulturen 111 spontane 109 Fäulnisbakterien Wirkung derselben im Organismus 233 Fäulnisprodukte 109. 111 Fäulniswidrige Eigenschaft der rohen Milch 112 Favus 602—615 Arten oder Varietäten 604 Contagium 604 Diagnose 614 Disposition 603 Impfung 611 Lokalisation 603 des Menschen 611 Physiologisches 610 Prognose' 614 Reinkultur 608 bei Tieren 614 Untersuchung 607. 609 Verbreitung 603 Favusähnliche Pilze 633 Febrinogene Formen d. Malariapar. 717 Febris biliosa haemoglobinurica s. Schwarzwasserfieber Fermente der Bakterien Allgemeines 103 Begriffsbestimmung 103—105 diastatische 106 fettspaltende 108 harnstoffspaltende 107 invertierende 106 Lab- 107 peptonisierende 106 Nachweismethoden 512 Variabilität 130 der Hefezellen 667 bei Protozoen 887 Fermenttheorie bei Tetanus 353 Fernwirkungen bei Infektionen 231 Ferrichlorid zum Nachweis von Re- duktionswirkungen 510 Ferricyankalium zum Nachweis von Reduktionswirkungen 510 Ferro Sulfat bei Färbeverfahren 425 Ferum sulfuricum oxydatum am- moniatum zur Färbung voü Hefen 663 Fette im Bakterienleib 66 in Nährböden 87 Spaltung derselben durch Bakterien 87. 108 Fieber Allgemeines über das Fieber bei Infektionen 264. 327—332 als Abwehrreaktion des Körpers 331 Bedeutung desselben 329 bei Diphtherie 331 hektisches 330 intermittierendes 330 kontinuierliches 329 kritischer Abfall 331 lytischer Abf.ll 331 bei Malaria 771-777. 793—797 bei Miscliinfektionen 270. 327 bei Pneumonie 331 bei Tuberkulose 330—331 Typen desselben 270. 329. Ursachen desselben 265. 328. 339 Wesen desselben 267 Fi eher st ich (Sachs-Aronson) 327. 331 Filopodien der pathog. Protozoen 877 Filtration von Agar 444 von Blutserum 452 von Nährböden im allg. 439 von Oberflächenwasser 188 von Toxinen 349 Fiokas Sporenfärbung 424 Fische als Infektionsquelle 206 Costia necatrix bei 944 Mikrosporidien bei 987 Myxosporidien bei 975 —982 Tetramitus bei 945 Trypanosomen bei 943 Fischen von Kolonieen 473 Fisch fleisch zu Nährböden 442 Fixation von Bakterien-Ausstrichprä- paraten 408 von Geweben 410 von Malariapräparaten 820 Sachregister. 1019 Flagellaten 927—953 Flagellatendiphtherie der Vögel 953 • Flecktyphus Infektionswege 220 Fleisch als Infektionsquelle 202. 205 Fleischextrakt zu Nährböden 448 Fleischpulverbrei als Nährboden 451 Fleischvergiftungen durch Bakte- rien 163. 202 F 1 e i s f h w a s s e r 442 Ersatzmittel 448 Konzentrationsgrenzen 88 Fliegen als Zwischenträger von Infek- tionen 165 von Trypanosomen 936—938. 942 Flöhe als Zwischenträger 165 Flugbrand des Getreides 547 F i u 0 r durch Hefen 682 Fluorescierende Substanzen Bildung durch Bakterien 98 Fluor esc in bei Färbeverfahren 415. 432 Flu SS Wasser Bakteriengehalt 187 For malin Eintluss auf Toxine 352 zur Erhöiiung des Gelatineschmelz- punktes 444 zur Fixation von Deckglaspräparaten 409 von Geweben 410 Forst ersehe Gelatine 444 Fortpflanzung s. Vermehrung Fragmentation bei Bakterien 43 Fraktionierte Kultur 455 Sterilisation von Nährböden 437 bis 438 Fränkelsche Nährlösung 441 Frank elscher Diplococcus s. Pneumo- coccus Fränkel-Gabbetsche Färbung säure- fester Bakt. 432 Fremdkörper Bakterien als 231 Fr ie dl anders Kapselfärbung 423 Frösche Bliitschmarotzer bei 834 — 840 Froschdarmsäckchen bei experim. Infektion 496 Früchte als Infektionsquellen 207 Fruktifizierung bei Pilzen 5.34 Einfluss der Nährböden auf 534 F u c h s i n zu Färb ungen 415. 420. 423. 424 zum Nachweis von Keduktionswir- kungen 511 zu Nährböden 93 (s. auch Anilinwasserfuchsin) Kar b 0 1 w asserfuchsin Säurefuchsin) Fungi iniperfecti 528. 548. Fusarium 546 G Galle Ausscheidung von Bakt. durch die 162 Bakteriengehalt normaler 155 Einfluss derselben auf Bakterientoxine 356 zu Nährböden 86 Typhusbazillen in 146 Galvanischer Strom Einfluss auf Eigenbewegung der Bakt. 61 Gameten des Halteridium 817—818 der Malariaparasiteu 712. 731 bei Immunisierung 804 bei Rückfällen 802 des Proteosoma 811—812 des Pyrosoma 850 Gametoblasten der Malariaparasiten 713 Gametosporen der Malariaparasiten 713 Ganglienzellen des Vorderhorns Veränderungen bei Infektionen 280 Gänse Koccidien bei 971 — 972 Gärung durch Bakterien im allg. 108 bis 113 Begriffsbestimmung 103 — 105 Nachweis 505 Variabilität 130 durch Bact. lactis aerogenes 79 durcli Rauschbrandbacillus 79 durch Sprosspilze 662 Gärungskölbchen 506. 510. Gärungsprodukte der Bakterien 108 Gärungsröhrchen 505 Gärungstheorie (Nägel i-Pasteur) 79. 291 Gasatmung der Bakterien 73. 81 Gasbildung der Bakterien 108 Nachweis 505 Gasschließer beim Sicherheitsbrenner 468 beim Thermoregulator 470 Gasteromyceten 528 (Jasthermoregulator 470 Gebäck als Infektionsquelle 206 Gebrauchsgegenstände als Infek- tionsquelle 212 Gefriermethode für bakteriologische Untersuchung von Geweben 409. 412 Gegenfärbung von Bakterien im Ge- webe 68 Gehirnnährböden 86 Gehörgaug äußerer als Eintrittspforte pathog. Bakterien 134 Geißeln der Bakterien im allgem. 53 Färbung derselben 53. 425 — 427 der Flagellaten 927 des Halteridium 818 der Malariaparasiten 713. 727, 731 des Proteosoma 813 der Protozoen im allg. 877. 892 Gelatine als Nährboden 443 — 449. 452 für Plattenverfahren 458 für Wasseruntersuchungen 485 Geldstücke als Infektionsquelle 212 Gemüse als Infektionsquelle 207 Generationsalter der Kulturen Einfluss auf Form der Bakterien 128 Generationsdauer der Bakterien 114 Einfluss des Sauerstoffs und der Tem- peratur auf dieselbe 115 Generationswechsel bei Protozoen 880 Genitalkanal s. Geschlechtsorgane 1020 Sachregister. Genti an a violett zur Färbniij: von Amöben 910 von Bakterien 415. 422. 423. 427 zu N;ihrl)üden 93 (s. auch Anilinwassergentianaviolett und Karbolgentianaviolett) Germinale Infektion 391—394 G e s c h 1 e c h t Einfluss auf Infektionen im allg. 226 Geschlechts Organe als Eintrittspfor- ten pathog. Bakt. 140. 143 Erkrankungen durch Hefen 682 Keimgehalt der normalen weibl. 156 Geschwindigkeit der Eigenbewegung von Bakterien 60 Beobachtungsmethoden öOl der Vermehrung von Bakterien Beobachtungsmethoden 503 Geschwülste, maligne, Blastomyceten in 692. 698 Getränke als Infektionsquelle 207 Getreide-Rost 547 Flug- oder Staubbrand 547 Schmier- oder Steinbrand 547 Gewebe Ausstriche von Gewebssaft 408 Entnahme zur bakteriol. Untersuchung 410 Durchtriinkung 411 Färbung 421—423. 431—433. Fixation 410 Härtung 410 Schneiden 410 Vorbereitung zur Färbung 409—414 Gewebs druck Einfluss desselben auf Fortschreiten d. Infekt. 133. 235 Gewebsläsionen Einfluss auf Infek- tion 133 Gewebsparasi ten Protozoen als 890 Gewebssymbiose der Bakterien 310 Gewicht spezifisches der Bakterien 62 Giemsas Chromatinfärbung 824 Gift s. Toxin Giftlappen der Stechmücken 829 Gipsblockmethode für Hefesporen 665. 672 Gipsfilter 518 Glasgefäße Alkaligehalt neuer 443 Sterilisation 436 Glimmer platten zur Anai'robenzüeh- tung 461 Globuline im Bakterienleib 65 Glossina morsitans Tryp;inosomen- Uebertragung durch 937 Glukose in Nährböden 446 Glycerin als Differenzierungsmittel 417 Giftigkeit für Mäuse 261 zum Luftabschluss für Anaöroben- kulturen 466 zu Nährböden 87. 88. 440. 441. 446 Glycerinagar 446 Glyceringelatine als Nährboden 446 zum Auf kleben von Gewebsstücken 411 Glycer in- Kochs alzlösung zur Hämoglobinentfernung bei Blut- präparaten 423 Gonidien bei Hyphenpilzen 537 Gonococcus Antagonismus in Mischkulturen 121 Ausscheidung 159 Austrocknung 167 auf Conjunctiva 134 auf Cornea 135 Einfluss höherer Temperaturen auf 268 Eintrittspforten 136. 140. 221 elektive Nährböden für 86. 97 Färbung 70, vitale 433 in den Geschlechtsorganen 140. 143. 144 Latenz im Organismus 147 Prädilektionsstellen 239 auf Schleimhäuten 136. 140. 226 Symbiose in Mischkulturen 121 Verbreitung im Organismus im allg. 236 in contiguo 234 Verstäubbarkeit 169 Gram sehe Färbung für Amöben 915 für Bakterien 70. 420. 429 Granula metachromatische bei Bak- terien 48 bei Koccidien 959 bei Gregarineu 955 Granulationsgewebe Verhalten ge- genüber path. Bakt. 134 Graphium penicilloi des 561 Gregariua blattarum 958 Gregarinen 954 — 958 Haftapparate 892 Kern 873 als Parasiten 891 Grenzwerte für Giftlösungen 363 Grundluft Transport von Bakterien durch 185 Grundwasser Bakteriengehalt des 188 Einfluss auf Infektionskrankheiten 179 Transport von Bakterien durcli 185. 188 Gruppenreaktionen bei spezifischen Immunseris 303 Günthers Modifikation der Gramfär- bung 429 Gummigegenstände Sterilisation der 437 Gummiverschluss zum Aufbewahren fertiger Nährböden 454 Gymnoasken 528. 545 Gymnosporen des Malariaparasiten 713 Gynosporen bei Malariaparasitcn 716 Haar Erkrankung durch Favus 611 Trichophytie 621—634 Trichosporie 656 Haarbälge als Eintrittspforten patho- gener Bakterien 133 Haarkämmerkr ankheit 563 Hadernkr ankheit Bedeutung der Stäubcheninfektion 175 Haemamoeba Danilewskyi s. Halter i- dium Sachregister. 1021 [Haemamoeba] Malariae s. Quartanparasit praecox s. Tropentieberparasit relicta s. Proteosoma vivax s. Tertian-Parasit' Haeinomenas s. Tropenfieberparasit Haeiiiopro teus s. Halteridium Haftorgane der Pilze 583 Halbmonde bei Malariaparasiten 713 Haltbarkeit s. Lebensfähigkeit Halteridium Chromatiu 818 Entwickelung außerhalb des Vogel- blutes 817 Entwicklung im Vogelblut 817 Gameten 817. 818 Pigment 817. 818 Hämagglutine Gruppenreaktion bei 303 Hämalauu zur Färbung von Hefen 663 zur Färbung von Koccidien 965 Hämatein zur Färbung von Hefezellen 673. 674 Hämatogen zu Nährböden 446 Hämatoxylin zur Färbitng von Amöben 910. 915 Bakterien 67 Klagellaten 927 Hefen 663 Koccidien 965 Myxosporidien 976 Sarkosporidieii 991 Trypanosomen 936 Ilaiii raelser um als Nährboden 451 Hämoglobin zu Nährböden 446 Umsetzung desselben durch Pneumo- kokken 97 Verminderung desselben b. Infekt. 279 Hämoglobinurie bei Schwarzwasserfieber 804 der Rinder 841—863 Diagnose 858 Epidemiologie 854-856 Historisches 840—845 Morphologie d. Erregers 845—851 Prognose 859 Prophylaxe 860—863 Schutzimpfung 861 Sektionsbefund 857 Symptomatologie 856 Therapie 860 Uebertragung 166. 851 — 854 Verschleppung 855. 860 Hämolysine Gruppenreaktion bei 303 Hämorrhagische Diathese 1^ durch Infektionen 279 Hämosporidien als Parasiten 891 Kerne derselben 873 der Vögel 809-818 Ziigehörigkeit der Malariaparasiten zu 735. 737 ihnen nahestehende Blutparasiten 832-840 Hamster Trypanosomen bei 932 Hängender Tropfen Anacrobenzüchtuni!: im 468 [Hängender Tropfen] zur Beobachtung der Eigenbewegung 501 zur Beobachtung der Sporenbildung 504 Haptine 358. 364. 366 Haptophore Gruppe der P^ndotoxine 373 der Toxine 357. 359. 361. 363. 367. Harn als Infektionsquelle 146. 214 zu Nährböden 448 Schleimbildung in demselben durch Bakterien 98 toxische Wirkungen 261—262 Veränderungen desselben bei Infek- tionen 340. 353 Harnblase als Eintrittspforte für Bak- terien 140 Harnröhre als Eintrittspforte fiir Bak- terien 140. 143 Keimgehalt der normalen 155 Harnsäure- Ausscheidung bei Infek- tionen 340 Harnstoff als Nährmaterial für Bak- terien 96 Spaltung durch Bakterien 107 Härtung von Geweben 410 Hausers Sporenfiirbung 424 Hausepidemieen 761 Haushaltungsgeräte als Infektions- quelle 212 Hauskericht -als Infektionsquelle 215 Hausschwamm 548 Haustorien bei Pilzen 533 Haut, äußere Bakterien auf gesunder 147 als Eintrittspforte fiir Bakterien 132. 226. 498 Erkrankungen derselben durch Schim- melpilze 570 durch Soorpilz 587 Hecht Trypanosomen bei 943 Hefepilze als Antagonisten 327 Dauerformen 666 Färbung 663. 673. 674. 688. Fortpflanzung 661 Gärwirkung 662. 667. 672. Kahmhaut 665 Kapsel 666. 672 Kultur 666. 672. Kulturhefen ()62. Lebensdauer 665. Morphologie und Physiologie 661 Pathogenität fiir IMenschen 669—683 fiir Tiere 683—692 Sichelformen 674 in malignen Tumoren 689. 692—698 Verbreitung (568 Wilde Hefen 662 Heißluft-Sterilisator 436 Heiß w asser-Trichter 439 Hemiasci bei Pilzen 527. 528. 537. H e m i b a s i d i e n bei Pilzen 527. 528. 547 Hemitoxine 371. 372 Henneguya Zschokkei Gurley 982 1022 Sachregister. Heredität s. Vererbung Herkunft der Bakterien in der Außen- welt 164 Herpes inguium 639 tonsurans buUosus 637 disseminatus 638 pemphigoides 641 vesiculosus 636 Herpetosoma lewisi s. Trypanosoma Herz Arhythmie desselben bei Infektio- nen 283 parenchymatöse Degeneration bei In- fektionen 280 Schwäche desselben bei Infektionen 283 Veränderungen durch Bakterien 234 Heyden-Nährs tof f zu Nährböden 86. 442. 485. Hexamitus duodenalis 950 — 953 Hirsch Sarkosporidia bei 988 Hitze Wirkung auf Bakterien im allg. 72 deren Sporen 74 Hodensaft zu Nährböden 86 Hodentuberkulose in Beziehung zur Tuberkulosevererbung 393 Hoferellus cyprini 982 Höllenstein s. Argentum nitricum Holotricha 999-l(X)6 Hornhaut s. Cornea Huhn Cercomonas bei 931 Koccidien bei 971 Sarkocystis bei 996 Sarkosporidieu 988 Verhalten desselben gegen Tetanus- gift 355 Hühnercholerabacillus Eintluss hoher Temperaturen auf 268 Eintrittspforten 138 placentare Uebertragung 382 im Wasser 191. 198 Hühnereier als Nährböden 452. 461. 506 Hühnerei weiß zum Aufkleben von Paraffinschnitten 413 zur Klärung von Nährböden 443. 444 Hülle des Bakterienleibes s. Membran Hund Empfänglichkeit für Cercomonas 931 Koccidien 965 Lamblia intestinalis 952 Trichophytiepilze 632 Trypanosomen 936 — 942 Hundswutvirus s. Lyssavirus Hunger zustand bei Bakterien 82.501 Widerstandsfähigkeit der Bakterien gegen 84 Hyaloplasma der pathogenen Proto- zoen 867 Hyäne Trypanosomen bei 936 Hydraulische Presse 525 Hydrocelenflüssigkeit zu Nährbö- den 448 Hydrothionurie bei Infektionen 95 Hyla viridis, Blutschmarotzer bei 834 Hymenium bei Pilzen 536. 548 Hymenomy ceten 528 Hyperämie als Abwehrreaktion des Körpers 258 Hyperleukocytose s. Leukocytose Hyperplasie der Milz bei Infektionen 333—334 Hyphen sterile bei Pilzen 532 Hyphenpilze s. Fadenpilze Hyphomyceten 528 Hypoleukocytose bei Infektionen 274. 277. 334 Hysteriaceen 528 Ichthyophthirius multifiliis 999 bis 1002 Immersion, homogene 20. 398 Immunisierung durch Pyocyanase -Immunprotei'din 315 gegen Trypanosoma 934. 936. 938. 941 Immunität aktive, Spezifizität derselb. 295-296 antitoxische 354. 366 Beziehung der Toxine zur 346 Geschichtliches 21 — 24 gegen Malaria 763. 803 gegen Protozoen 900 gegen Texasfieber 854. 861-863 Immunitätseinheit 362. 367 Immunsera als Differenzierungsmittel von Kulturen 296. 299. 301. 303 Indigblau zu Nährböden 447 Indigo kar min zur Prüfung von Ee- duktionswirkungen 93 Individuelle Disposition Einfluss auf Infektionen 227. 229. 236 Indol Bildung durch Bakt. im allg. 96 Fehlen desselben bei Fäulnis durch Reinkulturen 111 Nachweismethoden 97. 508 Induktionsstrom Wirkung aufEigen- bewegung der Bakterien 61 Infektion Abwehrreaktionen des Kör- pers bei 258. Allgemeines über Inf u. allgem. Re- aktion 326—342 Bedingungen 225 von Brunnen 189 per contiguitatem 142 Einfluss des Alters auf 226. 227. 240. 241 der Bakteriennienge und -Virulenz auf 229. 236. 237. 242. 244. 257 der Eintrittspforten des Erregers auf Ausbreitung der 237 der individuellen Disposition 227. 229. 236. Eintrittspforten 132—144. 227 Erscheinungen lokale bei 253 Fieber bei 264. 328. germiuale 391—394 Geschichtliches 1—21 Inkubationszeit 229 lokalisierte 233 Sachregister. 1023 [Infektion, Inkubationszeit] künstliche 495 -öOÜ latente 242 durch Luft 166 mechan. Momente bei 231. 232. 235. Metastasenbilflung bei 142 placentare 381 — 390 Prädilektionsstellen 142 sekundäre 1(!0. 307—324 septikämische Tormen 235 als spezifisches Merkmal pathogener Bakterien 294. durch Stäubchen 16(5 Toxin Wirkungen im Blut 261, im Harn 2(i3 durch Tröpfchen 171 Verbreitung 232 Wesen derselben 223—284. zeitlicher Verlauf und Schwere 230. 242—244. Infektionserreger, Spezifität der- selben 288-304 Infektionsquellen 164 Infektionssymbiose 310 Infektionswege 132-144. 218 Inflnenzabacillus in Abfallstoffen 214 Ausscheidung 159 Austrocknung 167 Eintrittspforten 143. 220 elektive Nährböden für 446 Latenz 146 Mischiufektionen durch 309. 318. 320 Myelitis durch 282 Uebertragung 175. 177 Variabilität 127 Verbreitung in contiguo 234 Verstäubbarkeit 169 im Wasser 198 besondere Wuchsformen 37 I n f u s e von Cerealien für Nährböden 449 Infusorienerde zur Filtration 518 Inhalationsinfektion s. Tröpfchen- bezw. Stäubcheninfektiou In halations mykosen der Vögel 574 Inj ektionsapp arat nach Ehrlich 494 Inkubationsdauer bei Infektionen im allgemeinen 229. 337 bei Koccidiose 968 bei Malaria 768 bei Nagana 937 bei Toxinwirkungen im allg. 346. 357 Insekten als Zwischeuträger 165. 177 Instrumentarium für bakteriolo- gische Zwecke 495 Intensität der Ausbreitung von In- fektionen 238. 242 Intercellular Substanz der Bakterien 53. 98 Einfluss derselben auf Koloniestruk- tur 118 Intestinaltr actus als Ort experimen- teller Infektion 496 Intoxikation durch Infektion 231 Intramolekular- Atmung der Bak- terien 73. 80 Intraokulare Infektion 499 Intraperitoneale Infektion 499 Intrajjleurale Infektion 499 Intravenöse Infektion 498 Invasionsfäh igket der Bakterien Ursachen derselben 240 Invasionspforten s. Eintrittspforten Invertierende Fermente der Bak- terien 106 der Schimmelpilze 558 I n V o 1 u t i o u s f o r m e n von Bakterien 43. 70. 126 von Pilzmycelien 532 Isaria 546 Isogamie bei Protozoen 880 Isolierung von Bakterien auf festen Nährböden 456—460 auf flüssigen Nährböden 454 bis 4.56. 460 von Enzymen 512 Israels Färbung für Strahlenpilze 431 Ixodes reduvius als Z wischen wirt des Pyrosoma 844. 851. 853 Jequiritylüsung f. Nährb. 447. 509 Jod, Wirkung auf Bakterien 67 auf Bakterientoxine 352 Jo d j o d k a 1 i u m zu Färbeverfahren 419. 427. 430 Jodreaktion der Leukocyten bei In- fektionen 279 Jodtrichlorid, Wirkung auf Bakterien- virulenz 249. 516 John es Kapselfärbung 423 K Kachexie bei Malaria 803 Kahmhaut durch Bakterien 474 durch Hefen 665 Kakaoaufguss, Haltbarkeit des Cho- lerabacillus in 207 Kalilauge bei Färbeverfahren 423 Kalisalze zur Ernährung der Bak- terien 88 der Pilze 540 K a 1 i u m b i c h r o m a t , Wirkung auf Bak- terienvirulenz 249. 516 Kaliumbichromat -Essigsäure zur Härtung protozoönhaltiger Ge- webe 903 K a 1 i u m n i t r a t , Wirkung auf Bakterien- virulenz 250. 517 Kaliumuitrit zum Nachweis von In- dol 508 Kaliumperkarbonat bei Färbever- fahren 432 Kaliumpermanganat, Wirkung auf Bakterienvirulenz 249 Kaliumphosphat zu Nährb. 440.441 Kalk salze zur Bakterienernährnng 88 zu Nährböden 440. 441 Kaltblüter, Verhalten derselben gegen Toxine 354 Kälte. Einfluss auf Bakterien 72 1024 Sachregister. Kamel, Trypanosomen bei 936. 939 Kammer, feuchte 449 Kanadabalsam zum Einschließen mi- kroskopischer Präparate 421 Kaninchen, Empfänglichkeit für Koc- cidien 963. 965 Lamblia intestinalis 952 Sarkosporidien 989 Trichophytiepilze 632 Trypanosomen 939 — 942 Kanülen für Injektionsspritzen 499 Kaolin-Filter '518 Kapillaren Kultur von Bakterien in Glaskapil- laren 456 Verstopfung der Blutkapillaren durch Malariaparasiten 770. 801 Kapsel der Bakterien 52 Färbung derselben 422-423 der Hefepilze 666 K ap s e 1 b a c i 1 1 u s Pfeiffers, Säurebildung durch 100 Karbol-Fuchsin zur Färbung von Bakterien 419. 421. 424. 425. 427. 431. 432 von Hefen 673 Karbol-Gentianavi olett zur Fär- bung 425. 429-431 Karbol-Methylenblau zur Färbung 419. 421. 423 Karbolsäure als Farbbeize 419 Wirkung auf Bakterienviruleuz 249. 516 Karbol-Thionin zur Färbung 422 Karmin zur Färbung 429. 430 Karpfen, Poekenkrankheit der 980 bis 983 K arpoasken 528 Karpoh emiasken 528 Kartoffelnährböden 449 Karyochromatophile Körnchen in den Malariaparasiten 820 Karyokinese bei Amöben 871. 873. 875. 908 Karyolysus 840 Käse als Infektionsquelle 204—205 Katze, Empfänglichkeit für Amöben 916 Balantidium coli 1004 Lamblia intestinalis 952 Sarcosporidia 989 Trichophytiepilze 632 Trypanosomen 939 Kaufmanns Kapselfärbung 423 Kaviar als Infektionsquelle 206 K e f y r , Haltbarkeit des Tuberkelbacillus in 204 Keimzählung bei Wasseruntersuchun- gen 484. 488 direkte 487 aus Kulturen 484 Keratomykosis 552. 568. 574 Kerionbildung durch Pilze 632. 633 Kerionpilze 633 Kermestinktur zu Nährböden 93 Kern bei Amöben 908 bei Bakterien 44 [Kern] bei Knidosporidien 974 bei Koccidien 872. 960 bei Flagellaten 928 bei Gregariuen 873. 956 der Pilzzelle im allgemeinen 529 bei Protozoen im allgemeinen 868 bis 875. 897—899 Kernäquivalente 48 Kerndegeneration bei Plasmodio- phora Brassicae 907 Kernmembran bei Protozoen 869 Kernparasiten, Protozoen als 890 Kernteilung bei Amöben 908 bei Plasmodiophora Brassicae 904 bei Protozoeen im allgemeinen 870 bis 875 Kernverschmelzung bei Plasmodio- phora Brassicae 905 Kesselbrunnen, Bakteriengehalt des Wassers in 189 Keuchhusten, Infektionswege 220 Keulenformen bei Bakterien 36 Kibitzeier als Nährböden 453 Kisatosches Filter 519 Kleidung als Infektionsquelle 211 Klein s Sporenfiirbung 424 Klemmpinzette 421 Kletts Kapselfärbung 422 Kletterorgane bei Pilzen 533 Klinisches Bild der Infektion Abhängigkeit desselben von der ana- tomischen Verbreitung der Er- reger 244 Knochenmark, Ablagerung von Bak- terien in 161 als Bildungsstätte v. Schutzkörp. 331 Knosp ung der Protozoen 878 Koccidien s. Coccidia Koccidiose der Kaninchen 162. 965 bis 968 bei Mensch 968 Kohlehydrate im Bakterienleib 66 zur Ernährung der Bakterien 88 der Pilze 541 Vergärung derselben durch Bakt. 108 K o h 1 e n s ä u r e b i 1 d u n g durch Bakterien Nachweis 446. 505 Kohlhernie 902 Kokken, Größenverhältnisse u. Form 34 Kolben, Erlenmeyersche 457 Pasteursehe 437 Kolonieen, Alleremeines über deren Bildung ll7 Struktur 118 atypische 129 Einfluss der Nährbodenkonzentration und des Sauerstoffes auf 118 Variabilität 118. 128 Konidien bei Pilzen 527. 528. 531. 534 Konidienträger 535 Konzentration der Nährsubstrate 88 Einfluss auf Struktur der Kolonieen 118 Konjugation bei Protozoen 879 Konservierung von Amöben 909 Kontaktinfektionen 167. 168. 174 Sachregister. 1025 Kontrastfärbung Allgemeines 415 für Actinomjces u. ähnliche Strahlen- pilze 431 für Babes - Ernstsche Körnchen 427 bis 428 für Chromatin 428 nach Gram 429-430 für Leprabazillen 433 für säurefeste Bakterien 431 — 432 für Sporen 424—425 Kopfhaut Favus 611 Trichophytie 621—634 Trichosporie 656 Kopulation bei Protozoen 879 Koremien bei Pilzen 528 Körnchen Babes-Ernstsche, Färbung 427—428 in Beziehung zur Virulenz 251. 514 metachromatische in Bakterien 48 in Beziehung zur Virulenz 49 sporogene in Bakterien 50 Körperchen. Russeische 694. 695 Körp erge webe, Disposition derselben für verschiedene Entzündungs- formen 257 Kreatinin zu Nährböden 87 Kreideagar 447 Kreidegelatine 102. 447 Kreislaufstörungen bei Infektionen 282 Kresylechtviole tt zur Gonokokken- Färbung 70 Krisis bei Infektionen 331 Kropfkrankheit der Eüben 902 Kryptogenetische Infektion 264 Krystallviolett zu Färbeverfahren 415. 430 Ktenomyces Eidam 545 Kühnes Modifikation der Gramfärbung 430 Schnittfärbung 422 Kuhmilch Bakteriengehalt der 202 Kultur von Amöben 910.' 915 von Anaeroben 460—468 von Bakterien im allgemeinen 454 bis 460 bei konstanter Temperatur 468 Virulenzabschwächung durch 246 von Pilzen im allgem. 542 Kutane Impfung 498 Kutschers Modifikation der Gram- färbung 429 Labferment der Bakterien 107 Lackmus zu Nährböden 92. 100. 447. 509. 511 Lackmusagar 511 Lackmusgelatine 510 Lackmusleberbrühe als Nährboden 93 Lackmusmolke als Nährboden 100. 447. 509 Handtucli der pathogenen Mikroorganismen. I. Lackmnspapier zur Bestimmung von Säure- oder Alkalibildung in ^'ährlösungen 509 Lähmungen bei Infektionen 282 Lamblia intestinalis 9.50 — 953 Lankesterella ranarum 8.34 Largin bei Geißelfärbung 426 Larynx Keimgehalt des nomialen 151 Latenz der Bakterien außerhalb des Organismus 165 im Organismus 145 des Lebens der Bakterien 72. 126 der Infektion 242 der Intoxikation 3.53 bei ererbter Tuberkulose 384—385 Laver ania s. Tropenfieberparasit Danilewskyi s. Halteridium Lebensbedingungen allgemeine der Bakterien 72 der Protozoen 881—885 Lebensdauer der Bakterien im all- gem. 76 der Hefen im allgem. 665 Lebensenergie 114 Lebensfähigkeit der Bakterien in Abfallstoffen 214 in Faeces 214 in faulenden Substraten 214. 215 auf Gebrauchsgegenständen 212 in Kleidung und Wäsche 211 in Milch und Butter 205 im Wasser 192. 196 in Degeneration begriffener Bakt. 44 Lebensprozess der Bakterien 73 Leber als Bildungsstätte von Schutz- körpern 332 parenchymatöse Degeneration bei In- fektionen 280 Leberabszesse durch Darmaraöben 917 Leberkoccidio se bei Kaninchen 963. 965 beim Menschen 968 Lecithin zu Nährböden 88 Leibessubstanzen der Bakterien, Chemie 65 Leichen als Infektionsquellen 216 Leichenfäulnis 112 Leichenwachsbil düng 112 Leimsubstanzen zur Ernährung der Bakterien 86 Lepra Inkubationszeit 230 Veränderungen des Nervensystems bei 281 Leprabacillus Anpassung an bestimmte Eintritts- pforten 143. 144 Ausscheidung 159 Eintrittspforten 136. 218 besondere Färbungen 432 germinale Uebertragung 394 Latenz in Nase 149 Metastaseubildung 234—235 Mischinfektion mit Tuberkelbacillus 320 placentare Uebertragung 391 Prädilektionsstellen 239 65 1026 Sachregister. [Leprabacillus] Toxine desselben im Harn 263 Tröpfcheninfektion durch 172 Verbreitung in contiguo 234 besondere Wuchsformen 37 Lepraschleim 53 Leptomitaceen 527 Leptomitus 544 Leukocidin Rolle bei Infektion 240 Leukocytose bei Infektionen 273 bis 279 Bedeutung derselben 258. 278. 333. 334 in Beziehung zur Virulenz der Er- reger 252 aktive und passive 276 eosinophile 277 gemischte 277 polynukleäre neutrophile 277 Leukokörper der Farbstoffe in Nähr- böden 447. 510 Leukopenie 274. 275, 277 Leydenia gemmipara Schaudinn 925 Libelle zum Plattengießapparat 457 Licht Wirkung auf Bakterien im Wasser 195 Bakterienvirulenz 515 Bakterientoxine 352. 368 Protozoen 884 Lichtbrechungsvermögen der Bak- terien 55 Lichtentwicklung durch Bakterien 62 Liliputfilterkerzen 520 Liquor ferri sesquichlorati bei Färbeverfaliren 425 Lithionkarmin zur Färbung von Bakterien 430 von Hefen 680 Lithium Wirkung auf Pilze 540 Lobopodien bei Protozoen 876. 877 Löfflers Blutserum 452 Geißelfärbung 425 Methylenblau 418. 421. 423 Schnittfärbung 421 Lokal istische Theorieen für die Entstehung von Infektions- krankheiten 179 Lokomotionsfähigkeit s. Eigenbe- weguug Lophotricha 54 Lues s. Syphilis Luft Bakteriengehalt derselben in ge- schlossenen Räumen 176 als Infektionsträger 166. 174. 177. 209 Verdrängung derselben zur Anaero- benkultur 462—467 Luftbodentheorie für Malaria 753. 756 Luftsäcke der Vögel, Erkrankungen durch Schimmelpilze 552 Luftuntersuchung Methoden 477 bis 481 Luftwege Bakteriengehalt normaler 150 [LuftwegCj als Eintrittspforten pathog. Bakterien 137 Lunge baktericide Wirkung des Ge- webes der 151 Bakteriengehalt der gesunden 150 als natürliche Eintrittspforte pathog. Bakterien 137 Erkrankungen durch Schimmelpilze 562 Erkrankungen durch Soorpilz 587 als Ort experimenteller Infektion 496 Lumpen als Infektionsquelle 213 Lupenmikroskop 405 Lugolsche Lösung bei Färbeverfah- ren 419. 427. 429 Wirkung auf Bakterienvirulenz 249 Lymphangitis epizootica 684. 687 Lymphbahn als Eintrittspforte pathog. Bakterien 142 Rolle derselben bei Infektionen 234 Lymphdrüsen Lokalisation der Infek- tionserreger in 234 Lymphosporidium truttae 987 Lysine als Ursache der Bakterien-In- vasionsfähigkeit 240 s. auch »Hämolysine« u. -'Bakterio- lysine« Lysis des Fiebers bei Infektionen 331 Lyssa Bedeutung der Leukocytose bei 278. 334 Inkubationsdauer 229 Veränderungen der Vorderhorngan- glienzellen bei 280 Lyssa -Virus Ausscheidung 162 auf Conjunctiva 135 Eintrittspforten 143. 222 Latenz im Organismus 254 placentare Uebertragung 383 Virulenzabschwächung 250. 515. 516 Maaßens Filter 519 Nährlösung 441 Macronuclei bei Ciliophoren 874 Magen als Eintrittspforte pathog. Bak- terien 138 Erkrankungen durch Schimmelpilze 568 Erkrankungen durch Soorpilz 587 Präparationen des Magens der Stech- mücken 732. 827 Magensaft baktericide Wirkung 138 Neutralisation bei Fütterungsinfek- tion 496 Magermilch als Nährboden 448 zum Nachweis peptischer Enzyme 513 Magnesium zur Ernährung der Pilze 540 Magnesiumsulfat zum Ausfällen von Toxinen 350 zu Nährböden 88. 440. 441 Maiseuche der Rinder s. Hämoglobin- urie Makkaroniteig als Nährboden 451 Sachregister. 1027 Makrogameten bei Koccidien 960 Flageilaten 92Ü Gregarinen 957 Halteridium 818 Malariaparasiten 712. 725. 731 Proteosoiua 812 Makrosporen bei Malariaparasiten 713 Mal de caderas 938. 941—942 Malaria Ausrottung 787—788 begünstigende Momente 751 Blutarmut bei 788 Diagnose 777—781 klinische 779-781 mikroskopische 777 — 779 Einfluss der Luftfeuchtigkeit 758 Einfluss der Tageszeit auf Ansteckung 760 Einfluss der Temperatur 756 — 758 Epidemiologie 749—769 bei Erdarbeiten 760 Fieber bei 271. 330 Geographisches 701 Geschichtliches 702—711 Hausepidemieen 761 Immunität 767. 803. 900 Inkubationsdauer 768 Kachexie 803 larvierte 803 Luftbodentheorie 756 Melanämie 788 Mischinfektionen durch verschieden- artige Parasiten 796 Moskitotheorie 166. 756 Einwände dagegen 762 — 766 Pathogenese 788-808 Prognose 781 Prophylaxe 783-787 Rückfälle 801 bei Schiffsbesatzungen 760 Sektionsbefund 769 Spontanheilungen 804 Symptome der akuten 771 — 776 der chronischen 776 Therapie 782 Unitätslehre 797—799 Unterschied zwischen Land und Stadt 760 Verlauf, schwerer 800 durch verschiedene Parasitengene- rationen 793 — 796 Verschleppung 762—764 Vorkommen, örtliches und zeitliches 750—756 Wassertheorie 753 Malaria bovin a s. Hämoglobinurie der Rinder Malaria Parasiten des Menschen 712—808 feinerer Bau 723 — 726 Entwickhing im Blut 714—726 Entwicklung in der Stechmücke 731—734 in hygienischer Beziehung 783 bis 788 Infektionsbedingnngen 228—235 [Malariaparasiten] Infektionswege 218 in klinischer Beziehung 769 — 782 Pigmentbildung 716. 719. 721. 788 Piacentare Uebertragung 383 Systemstellung 734—737 Teilung 792 Untersuchung im gefärbten Blut- präparat 714—726. 819—824 Untersuchung im lebenden Blut 726—728 Urformen 718 der Vögel 809-818 Malassezzia furfur 650 Malignes Oedem Mischinfektion bei 322 als Sekundärinfektion 310 Malpighische Schläuche der Stech- mücken 826 Maltose zu Nährböden, Konzentrations- grenzen 88 Mandeln s. Tonsillen Mangan zur Ernährung der Pilze 540 Mannit Vergärung durch Bakterien 108 Mansons Färbung für Blutpräparate 820 Margarine Tuberkelbazillen in 204 Marienglasplatten zur Anaeroben- Züchtung 461 Masern Ausscheidung des Erregers 159 Diazokörperbildung 342 Infektionswege 221 Mischinfektionen bei 320 Sekundärinfektionen bei 310. 317 Stäubcheninfektion bei 175 Uebertragung durch Abfallstoffe 214 Uebertragung, placentare 383 Mastig ophora 927 — 953 Dauerzustände 893 Ernährung 886 Geißeln 927 Kerne 871. 928 als Parasiten 891 Vermehrung 929 Maulgrind der Kälber 643 Maul- und Klauenseuche Uebertragung durch Dünger 215 Mäuse Empfänglichkeit für Sarkospori- dien 988 Trypanosomen 939—942 Mäuseseptikämiebacillus auf Cor- nea 135 Mechanische Wirkungen der Infek- tionserreger im allgemeinen 231. 232. 235 der Pilze 549 Meerschweinchen Empfänglichkeit für Cercomonas 931. 939. 942 Meerwasser Wirkung auf Bakterien 199 Megastoma entericum s. intestinale 449—452 Megatherium Struktur 46 Melanämie bei Malaria 788 Melanconiales 528 65* 1028 Sachregister. Membran bei Amöben 908 bei Bakterien 51 bei Flagellaten 927 bei Hyphenpilzen 529 bei Protozoen im allgem. 878 Membranellen bei Protozoen 878 Menge der Bakterien, Einfluss auf In- fektion 229. 236. 242. 257 Meningococcus auf Conjunctiva 135 Gencnitionsdauer 116 Infektionswege 220 auf Kleidung und Wäsche 211 Latenz im Organismus 149 Uebertragung durch die Luft 168 in Wohnungen 210 Mensch Balantidium coli bei 1002—1004 - Koccidien bei 963. 968—969 Lamblia intestinalis bei 952 Sarkosporidien bei 988. 995—996 Trichomonas bei 947. 949 Trypanosoma bei 943 Merkapt Unbildung durch Bakt. 96 MerozoTten bei Koccidien 960 bei Malariaparasiten 712. 716 Mesomyceten 527. 528 Metachromasie 416 Metastasenbildung durch Bakterien 142. 143. 234 durch Schimmelpilze 571 durch Soorpilz 577. 587 Meteorwasser Bakteriengehalt 187 Methylenazur bei Chromatinfärbung 420 Methyl enazurchlorhydr at zur Fär- bung von Malariaparasiten 824 Methylenblau zur Färbung von Bakterien 69. 415. 418—428. 431-433 zur Färbung von Malariaparasiten 820 zu Nährböden 92. 94. 95. 447. 511 zur Therapie bei Malaria 783 Zersetzungsprodukte 420 (s. auch Karbolmethylenblau und Löff- lers Methylenblau) Methylgrün zur Färbung von Bakte- rien 415 Methyl violett zur Färbung von Bak- terien 415. 422. 430 zu Nährböden 93 Metol bei Geißelfärbungsverfahren 426 Miasma Unterschied gegen Contagium 179. 224 Michaelis Modiökation der Roma- nowsky-Färbung 428 Micronuclei der Ciliopboren 874—875 Microsporidia 984—988 Microsporidium polyedricum 985 ^ Mieschersche Schläuche s. Sarko- sporidien Miesmuscheln als Infektionsquelle 206 Mikrogaraeten bei Koccidien 962 bei Flagellaten 929 bei Gregarinen 957 bei Malariaparasiten 712. 731 Mikrogametocyten bei jMalaria 712. 725. 731 bei Proteosoma 812 Mikrometer 401—402 Mikroskop 397—400 Abbescher Beleuchtungsapparat 398 bis 400 Immersionslinse 398 Nebenapparate 400—405 Objektive 397—398 Mikroskopbrutschrän ke 402 Mikroskopierlampe 404 Mikrosomata der Pilzzelle 529 Mikro Sporen der Malariaparasiten 713 Mikrosporie der Kopf haut 621 Mikrosporon Allgemeines 545. 625 bis 626 Audouini 626 furfur 648-653 Otomykosen durch 566 minutissimum 655 Mikrostruktur der pathog. Protozoen 867 Mikrotom 410 Milch fäulniswidrige Eigenschaften der rohen 112 als Infektionsquelle 202 zu Nährböden 448 Milchsäure Einfluss auf Bakterienvirn- lenz 250 Milchsäurebazillen 202 Milchzucker zu Nährböden 445 Vergärung 108 Miliartuberkulose 234 Entstehung 160. 242 Milz Ablagerung von Bakterien in der 161 als Bildungsstätte von Schutzkörpern 331—333 Milzbrand Mischinfektionen bei 311 — 313 Wirkung des Pyocyanase-Immuu- proteidins auf 315 Milzbrandbacillus Antagonismus in Mischkulturen 121 Ausscheidung 161 — 163 Chemie 64 Einfluss hoher Temperaturen auf 268 Eintrittspforten 133. 135. 138. 140 Farbstoffbildung 98 Fermente 106—108 Geschichtliches 292 Haltbarkeit im Boden 183—184 in Leichen 216 im Wasser 190. 191. 195. 199 Infektionswege 222 Involutionsformen 43 Kolonieen-Struktur 118 Septikämie durch 235—236 Sporenauskeimung bei 42. 119 Toxinwirkung 231 Uebertragung 168. 175. 202. 203. 212. 213 auf Mensch 165 placentare 142. 381—383 Variabilität 127 Sachregister. 1029 [Milzbrandbacillus] Virulenzabschwjichung: 248. 514—516 Vii-alenzsteigerung 517 ^[ilzbrand weiden 183 Milzextrakt zu Nährböden 86 Milzschwellung liei Infektionen im allgem. 279. 333 bei Malaria 770. 771. 775. 777 Mineralien zur Ernährung der Bakte- rien 88 zur Farbstoflfbildung der Bakterien 99 Miner al säuren zur Nitroso -Indol- Reaktion 508 Mineralwasser Wirkung auf Bak- terien 199 Mischinfektion Arteneinteilung 316 Begriff 309 Dauer 324 Einfluss auf Organismus 311 Einfluss auf Verlauf der Infektion 244 Fieber bei 270. 327 bei Gonorrhoe 155 bei Malaria 796 durch Mundbakterien 150 Nachweismethoden 319 bei Peritonitis 154 bei Variola 148 Virulenzverhältnisse bei 321 Wesen 311 s. auch »Sekundärinfektiont Mischkulturen Antagonismus und Symbiose in 120 Verhalten aufelektiven Nährböden 121 Mist als Infektionsquelle 215 Mitigation s. Virulenzabschwächung Mitose bei pathogenen Protozoen 873 Molekularbewegung bei Milzbrandbazillen 60 bei Tuberkelbazillen 60 Molkereiprodukte als Infektions- quelle 202 Möllers Sporenfärbung 424 Monilia Candida 576.577.583.587.690 Monilien Sprossmycel bei 531 Monoblepharidaceen 527 Monogonie bei Malaria 713 Monont bei Malaria 713 Monotricha 54 Morphologie der Bakterien 33—44 der Protozoon 866—880 I\Iorti erellaceen 528 Morula form der Malariaparasiten 716 Moschus pilz 546 Moskito Malariaübertragung durch s. Anopheles Mucin Bildunir durch Bakt. 98 Zusatz zu Nährböden 86 Mücken als Zwischeuwirte 166. 731 bis 734. 813 Mucor conoides 558 corymbifer 555 mucedo 554 ni^er 558 pusillus 556 [Mucor] racemosus 554. 556 rhizopodiformis 554 septatus 557 stolonifer 554 Mucoraceen 528. 531. 553—558 Bronchopneumonomykosen durch 562 Otomykosen durch 566 pathogene 553 — 558 Wirkungen bei Versuchstieren 571 Mundhöhle Bakteriengehalt der gesun- den 149 als Eintrittspforte pathog. Bakt. 136 Erkrankung durch Soorpilz 587 Erkrankung durch Trichophytiepilze 641 Mundspeichel zu Nährböden 86 Muskardine der Seidenraupen 546 Mycel der Pilze im allg. 526. 527. 529 Involutionsformen 532 Schlingmycel 533 der Sprosspilze 531 Mycetozoa s. Myxomyceten Mycetozoidea 902 Myelin in Protozoen 897 Myelitis bei Infektionen 281 Myelocyten Vermehrung bei Infek- tionen 277—278 Mykomyceten 526 — 529 Myringomykosis 566 Myxamoeba 902 Myxobolus bütschlii 976 cyprini Doflein 979—982 lintoni Gurley 983 pfeifferi 977—978 Myxomyceten 902—908 Kern 869. 902 Peritheliome durch 907 Plasmodien 902 Myxopoden der Malariaparasiten 713 Myxosporidia 972 — 983 Ekto- und Entoplasma 974 Fortpflanzung 975 Kern 873. 975 Verbreitung 976 Nabelwunde als Eintrittspforte pathog. Bakt. 134 Nachweis von Bakterien im Boden 482 von Bakterien in der Luft 477 — 481 von Bakterien im Wasser 483 — 489 von Bakterientoxinen im Organismus 261. 262 Nagana 936 Nägel Erkrankungen durch Favus 613 durch Trichophytiepilze 638 Nährböden Alkalialbuminatnährböden 453 für Anaeroben 79. 460—468 Bereitung 440—454 bluthaltige N. 446 Blutserum-N. 451 breiartige N. 451 Eier-N. 452 1030 Sachregister. [Nährböden] Einfluss auf Eigenbewegung 501 auf Fruktifikation der Pilze 534 auf Toxinbildung 348 auf Virulenz 246. 515—516 Einfüllen 440 Eiweißfreie 86. 440—441 Eiweißhaltige 441—454 Elektive 85. 121. 445. 453 Erschöpfung als Ursache der Sporen- bildung 119 Exsudatnährböden 452 für Favuspilz 608 feste 442—453 Filter für 439 flüssige 440—442. 445—449. 451—456 gefärbte 93. 447 glycerinhaltige 446 harnhaltige 448 Kartoflfel-N. 449 Konzentration 88 milchhaltige 448 milchzuckerhaltige 445 zum Nachweis von Alkali- oder Süurebildung 447 Kohlensäurebildung 446 reduzierender Wirkung 447 Schwefelwasserstoffbildung 447 Organ- und Organextrakt-N. 86. 250. für Pilze im allg. 542 Reaktion 89. 445 Veränderung durch Bakterien- wachstum 100 für Soorpilz 584 spermahaltige 446 Sterilisation 437—439 traubenzuckerhaltige 445 für Trichophytiepilze 618 für Wasseruntersuchungen 485 Zusätze zu 445 — 448. 516 Nährlösung nach Bleisch zum Nachweis von Indol- bildung 508 nach Cohn 440 nach Fränkel 441 nach Maaßen 441 nach Pasteur 440 nach Proskauer-Beck 441 nach Uschinsky 440 Nährstoff Hey den zu Nährböden 86. 442. 485 Nährstoffe für Bakterien Allgemeines 83 Ausnutzung 84 Mangel derselben als Ursache des Antagonismus 122 der Sporenbildung 119 spezielle Betrachtung 85 stickstofffreie 87 stickstoffhaltige 85 im Wasser 192—193 für Pilze im allg. 540 für Soorpilz 584 Nahrungsmittel Bakteriengehalt der 202 als Infektionsquelle 202—207 Nahrungsvakuole des Protozoon 886 Naphthy lamin zum Nachw, vonNitrit- bildung 97 Nasenrachenraum als Eintrittspforte pathog. Bakt. 135 Erkrankungen durch Schimmelpilze 552 Erkrankungen durch Soorpilz 587 Nasenschleimhaut baktericide Wirkung des Sekrets der 136 Bakteriengehalt der gesunden 148 als Eintrittspforte pathog. Bakterien 135—136 Erkrankungen durch Schimmelpilze 567 Natrium aceticum bei Färbeverfahren 426 asparaginicum zu Nährböden 440 bicarbonicum bei Färbeverfahren 428 indigschwefelsaures zu Nährböden 460. 511 phosphoricum Einfluss auf Virulenz 250. 517 zu Nährböden 441 selenosum zu Nährböden 94. 512 sulfuricum Einfluss auf Toxine 351 tellurosum zu Nährböden 94. 512 Natriumsalze zur Ernährung der Bak- terien 88 Natronlauge bei Färbe verfahren 423. 428 Wirkung auf Bakterien 68 Nebenapparate des Mikroskops 400 bis 405 Nebennierenextraktzu Nährböden 86 Nelkenessenz als Ersatz des Anilins 419 Nelkenöl zum Aufkleben von Paraffin- schnitten 413 als Diflferenzierungsmittel 417. 430 Neosporidia 972—996 Kern der 873 Nephr omykosis 552 Nervensystem Toxinwirkungen im 280 Neuralgieen bei Infektionen im allg. 283 bei larvierter Malaria 803 Neurasthenie bei Infektionen 283 Neuritis bei Infektionen 280 Neurosen bei Infektionen 283 Neutralisation von Toxinen durch Antitoxine 360 — 362 Neutralrot zur Färbung von Gono- kokken 70 zur vitalen Färbung von Bakterien 433 von Plasmodiophora 907 von Trypanosomen 936 zu Nährböden 93. 447. 511 Neutralsalze Einfluss auf Toxine 352 Nie oll es Kapselfärbung 423 Modifikation der Gramfärbung 430 Schnittfärbung 422 Niere Ausscheidung von Bakt. durch 161 Rolle derseib. bei Infektionen 341.353. Nierenextrakt zu Nährböden 86 Sachregister. 1031 Nitratbildung durch Bakt. 92 Nitrosoindoheak tion 97. 508 Nivellierungsapparat 457 Nochts Modifikation dar Romanowsky- Färbung 428 Noma Eintrittspforte der Erreger 136 Nomo Sporen der Malariaparas. 713.716 Normalgift 362 Normalüse 495 Nosema bombycis Nägeli 984 — 985 lophii Doflein 980 Nosoparasitismuslehre 290 Nukleaseimmunproteidin Heilwirkung des 315 Nukleasen EinHuss auf Virulenz 247 heteroforme 315 konforme 314 Nukleine im Bakterienleib 66 Zerfall derselben bei Infektionen 340 Nukleinsäure im Bakterienleib 66 Einfluss auf Färbung 416 Nutrose zu Nährböden 97. 442 Nyctotherus faba 1005. O Obduktionsbefund s. Sektionsbefund Oberflächenw asser Bakteriengehalt des 187 Oblaten als Nährböden 451 Objektive des Mikroskops 397—398 0 bjektivmikrometer 401. 486 Objekttisch beweglicher 402 "heizbarer 402 Objekttr ägerkultur 456 Ochsenserum zu Nährböden 447 Oesenmaßstäbe 456 Oesophagus Erkrankung durch Soor- pilz 587 Oidien 531. 662 Oidium albicans s. Soorpilz minimum 649 Okularmikrometer 401 Okularzählnetz 402. 486 Oligodynamische Wirkungen des Wassers Bakterien gegenüber 193 Olpidaceen 543 Olts Kapselfärbuug 424 Onychomykosen durch Favuspilz 613 durch Trichophytiepilze 638 Oo Cysten bei Koccidien 963 bei Malariaparasiten 713. 731 — 733 bei Proteosoma 813 Oogoniixm bei Pilzen 539 Ooid bei Malariaparasiten 713 Ookineten bei Halteridium 818 bei Malariaparasiten 713. 731 bei Proteosoma 813 Oomyceten 527 Oospora- Form des Mikrosporonpilzes 627 Oosporen bei Pilzen 527. 534. 539. Oosperm bei Malariaparasiten 713 Operationsbretter für Versuchstiere 490 Optimalalkaleszenz für pathogene Bakterien 247 Optima Ifeuchtigkeit für Pilze 541 Optimaltomperatur für pathog. Bakterien 72. 505 für deren Toxinbildung 348 für deren Virulenzerhaltung 247 für Malariaparasiten 884 für Protozoen im allg. 883 für pathog. Schimmelpilze 552 Orcein zur Färbung 431 zu Nährböden 93 Organextrakte zu Nährböden 86. 250 Organische Säuren als Bakterien- nährstoffe 87 Organparasiten Protozoen als 890 Orthsche Karminlösung 430 Oscillaria malariae 701 Osmium säure zu Färbeverfahren 426 zur Fixierung von Deckglaspräp. 409 Osmotischer Druck Anpassung der Protozoen an 881—882 Osmotische Verhältnisse der Bak- terien 55 Osteomyelitis bei Infektionen 136. 147 durch Typhusbazillen 146 Otomy kosen durch Schimmelpilze 552. 565. Oudeterosporender Malariaparasiten 713 Ovum des Malariaparasiten 713 Oxalsäure für Nitrosoindolreaktion 97. 508 Oxydasen Einfluss auf Toxine 352 Oxydationsmittel Einfluss auf Toxine 352 zu Nährböden 461 Oxydationsprozesse im Darm als Abwehrreaktionen 338 Ozaenabacillus auf Conjunctiva 134 auf der Nasenschleimhaut 136 Ozon Wirkung auf Bakterienvirulenz 249 Pankreasextrakt Einfluss auf Toxine 356 zu Nährböden 86 Paraffin zum Einbetten von Gewebs- stücken 412 zum Luftabschluss bei Anaeroben- züchtung 466. 468 Paraglykogen hei Gregarinen 955 Paramyelin im Balantidium coli 1002 in Protozoen im allg. 897 Pararosaline zur Färbung 70. 420. Parasiten Begriff 228 Parenchymatöse Degeneration b. Infektionen 280 Paresen durch Toxine 283 Par oleinezerstäuber 497 Pasteurs Nährlösung 440 Pathogenität der Bakterien 294 der Pilze 549 Penicillium aureum 560 brevicaule Gossio 560 1032 Sachregister. [Penicillium] Coremium bei 534. 536 crustaceum (glaucum) 560 insigne 560 luteum 560 minimum 560 Pepplers Geißelfärbung 427 Pepsin zur Hiimoglobinentfernung bei Blutpräparaten 409 Wirkung auf Toxine 356 Peptonbildung durch Bakt. 97. 513 Peptone Einfluss auf Virulenz 250 Indolbildung aus 96. 508 als Nährstoffe der Bakterien 86 zu Nährböden 442. 443. 448 Peptonisierende Bakterien der Kuhmilch 203 Peptonisierende Fermente der Bak- terien 106 Pepton-Kochsalzlösung als Nähr- boden 60. 448. 488 Peridien bei Pilzen 537 Perisporiaceen 528. 558. 560 Peristaltik Ausschaltung bei Fütte- rungsinfektion 496 Perithecium bei Pilzen 558 Peritonitis infolge Appendicitis 160 durch Darmbakterien 154 infolge Pyosalpinx 160 Peritricha 54 Peronosporaceen 527. 529. 544. Peroxydasen Wirkungen auf Toxine 352 Pest Mischinfektionen bei 317. 324 Pestbacillus Al)8torben in Drüsen 160 Ausscheidung 159. 162 im Blut 161 Eintrittspforten 133. 135. 136. 138. 142. 218. 226 Einfluss auf Verlauf 243 Gärwirkuug 109 Geuerationsdauer 116 Haltbarkeit in Faeces 215 auf Fußböden 210 auf Kleidung 211 in Kulturen 117 in Leichen 216 in Wasser 198 Kolonieen 118 atypische 129 Latenz im Organismus 146 Metastasenbildung 234 in Mischkulturen 121 Septikämie durch 235 Uebertragung durch Luft 167. 168. von Tier auf Mensch 165 Verstäubbarkeit 169 Virulenzsteigerung 517 Wuohsformen 37. 127 Pe tri -Schale 457 Pfeiffers Kapselbazillen, Säurebildung 100 PferdEmpfänglichkeitfürKoccidien969 Sarcocystis 993 Sarkosporidien 988. 990 Trypanosomen 936—938. 940. 941 Pferdefleisch zu Nährl)öden 442 Pferdekot als Nährboden 449 Pferdeseuchen durch Hefen 683 Pflanzenfarbstoffe 67 Phagocy tose bei Infektionen im allg. 258. 333 bei Amöbeninfektion 914 bei Trypanosomeninfektion 934 Phalloideen 528 P h e n o 1 p h t h a 1 e 1 n zur Bestimmung von Säure- oder Alkalibildung 509 Phlogosin in Bakterien 255 P h o 8 p h a t e bei Bildung fluorescierender Farbstoffe 99 Ph 0 s p h o r als Nährstoff für Bakterien 88 für Pilze 540 Phykomyceten 526. 527. 529. 543. Physikalisches Verhalten des Bak- terienleibes 55 Physiologie Allgemeine der Protozoen 881—889 Phytophthora infestans 544 Pietra Columbia 656 nostras 656 Pigment bei Halteridium 817—818 bei Malariaparasiten 716. 719. 721. 788 bei Proteosoma 810—812 Pikrinessigsäure zur Konservierung von Amöben 909 Pikrinsäure bei Färbeverfahren 70. 429. 430 Pikrokarmin bei Färbeverfahren 429. 431 Pinsel zur Beschickung von Agarplatten 460 Pinzette Cornetsche 421 Piorkowskis Färbung der Babes-Ernst- scheu Körnchen 428 Piptocephalidaceen 528 Piroplasma s. Pyrosoma Pirosoma s. Pyrosoma Pita 640 Pityriasis rosacea Differentialdiagnose gegen Trichophytie 638 versicolor 647 — 653 Diagnose 652 Disposition 647 Geschichtliches 648 Histologie und Morphologie 651 in klinischer Hinsicht 651 Verbreitung 647 Placenta Verhalten gegenüber Bakte- rien 381—391 Plagiomonas urinaria 931 Plasma der Bakterien im allg. 45. 46. 51 lokale Wirkungen auf Körpergewebe 255 der Pilze im allg. 529 der Protozoen im allg. 866 Plasmodien 902 Plasmodiophora Brassicae 902 bis 907 Plasmodium malariae s. Quartan- parasit praecox s. Tropenfieberparasit vivax s. Tertianparasit Sachregister. 1033 riasmodronia 902—996 Zugehörigkeit der Malariaparas. zu 735. 736 Plasmolyse 44. 56 Plasmoptyse 57 Plastin in" Protozoii'n 897. 899 Plast ogamie bei Leydenia gemmi- l^ara 926 Platinnadeln 456 Platteukulturen im allgemeinen 457 bis 460 für Auat'robe 465 für Wasseniutersuchunjren 484 P 1 a 1 1 e n z ä b 1 a p p a r a t 485 Pleomorphisni US bei Bakterien 35 bei Pilzen 539 Pleuraexsudat Bakterienbefund in256 Plumbum aceticum zum Nachweis von Schwefelwasserstoffbil- dung 506 Pneum ococcus Ausscheidung 159. 161. 162. 163 Bakteriämie durch 239 Einfluss hoher Temperaturen auf 268 Eintrittspforten 135. 136. 144 Farbstoffbildung 98 Gärwirkung 108 Haltbarkeit in trocknem Staub 169 Latenz im Organismus 146. 148 — 150 Misch infektion durch 320. 321 Myelitis durch 282 placentare Uebertragung 383 Septikämie durch 235 — 236 Variabilität 37. 43. 127 Verbreitung: im Organismus 234. 239 Virulenz 246, -abschwächung 512, -Steigerung 517 Vorkommen auf Gebrauchsgegen- ständen 212 auf Kleidung und Wäsche 211 in Luft von Wohnungen 169. 176. 210 Wirkung auf Hämoglobin 97 Wirkung in Pleurahöhle 256 Pneximonie Bedeutung der Leukocytose bei 277. 278. 334 der Tröpfcheninfektion bei 138 Infektionswege 220 Mischinfektionen bei 309. 318 placentare Uebertragung bei 383 Toxinwirkungen bei 262. 263 Pocken des Menschen Abschwächung der Virulenz des Erregers 250 Ausscheidung des Erregers 159 Infektionswege 221 Mischinfektionen bei 148 der Tauben durch Hefepilze 686 Polkörner in Bakterien 48 Polymastigina 944 — 953 Polymitus avium s. Halter idium Polymorphismus bei Pilzen 540 Polynukleäre neutrophile Leukocyten Vermehrung derselben bei Infektio- nen 277. 278. 334 Porospora gigantea 958 Porzellan filter f. Bakterien 518—519 Prädilektionsstellen der Infek- tionserreger 142. 239 Präparate mikroskopische, Allgemei- nes 405—420 Präparation der Stechmücken 826 bis 832 Präzipitine Spezifizität derselben 303 Presse hydraulische 525 Prophylaxe Geschichtliches 24—27 bei Coccidiosis 968 bei Dermatomykosen 644 bei Malaria 783-788 bei Texasfieber 860—863 Proskauer-Beck sehe Nährlösung 441 Proteine der Bakterien 65. 345. 347. 349. 375—376 Darstellung 375 Eiterung durch 255 Fieber durch 267 der Gregarinen 955 Proteosoma 809—816 feinerer Bau 812 Chromatin 812 Entwicklung in der Mücke 813 im Vogelblut 809—813 Gameten 811. 812 Immunität gegen 816 Pigment 810-812 Vorkommen, örtliches u. zeitliches 809 Proteus Involutionsformen 43 Pseudoramifikation 38 Protob asidiomyceten 528 Pr otogen für Nährböden 442 Protomerit bei Gregarinen 954 Protomonadina 930 — 944 Protomyceten 528 Protomyxidea 902 Protoplasma s. Plasma Prototoxine 371 Protoxoide 365. 370. 371 Protozoen pathogene 865 — 1006 Atmung 885 Bewegung 876 Biologie 889—895 Chromatin 869-875. 896-897 Diagnostik 898 Ernährung 885—888 Fortpflanzung 878—879 Giftbildung 888 Immunisierung gegen 900 Kerne 868—875 Lebensbedingungen 881 — 885 Morphologie 866—880 Physiologie 881-889 Pseudopodien 867. 876. 892 Resistenz 884 Struktur 866 System 895—896 Uebertragung 166. 893 Vakuolen 867. 875 Verhalten in Wirten 889-895 Zugehörigkeit der Malariaparasiten zu 735. 736 1034 Sachregister. Pseudoagglutination 301 Pseudodiphtheriebazillen Farbstoffbildung 98 Pseudogonokokken auf Conjunctiva 134 Pseudokrisis bei Infektionen 331 Pseudokonjugation bei Gregarinen 955 Pseudopodien der Amöben 908 der pathog. Protozoen im allgem. 867. 876. 892 Pseudoramifikation bei Bakterien 38 Pseudotuberkulose durch Aspergil- lus 562 durch Favus 611 Pseudowurra 683 Psittacosis Uebertragnng auf Mensch 165 Psorospermium cuniciüi 965 Ptomaine bei Infektionen 338. 344 Puccinia graminis 547, bei Men- schen 567 Puerperalfieber Infektionswege bei 221 Pukallfilter 518. 520 Pyämie bei Infektionen 234 Pyelonephritis durch Bakt. 140 Pyknidien bei Pilzen 536. 548 Pyocyanase 107. 315 Pyocyanase-Immunproteidin 315 Pyocyaueus Alkalibiklung durch 100 als Antagonist 121. 122. 312 Ausscheidung 162 in Eiern 206 Farbstoffbildung 98. 99. 122 Fermentwirkungen 106 Giftbildung 283 Gram-Färbung 70 auf Kleidung und Wäsche 212 in Leichen 216 Uebertragnng durch die Luft 168 auf Vaginalschleimhaut 141 Variabilität 37. 43 im Wasser 191. 198 in Wohnungen 210 Pyrenomyceten 528 Pyrogallol bei Geißelfärbung 427 zur Sauerstoffabsorption bei Anae- robenzüchtung 467—468 Pyrosoma bigeminum Chromatin 848. 849 Entwicklungsgang 847 Färbung 848-849. 858 Morphologie 845—851 Uebertragnng 851 — 854 Vermehrung 846. 850 Pyrotoxin 266. 270. 328 Q Quartanfieber Q. duplicata 794 Fieberkurve bei 773. 790 Mischinfektion bei 796 Pathogenese 790 [Quartanfieber] Rückfälle 801 Symptome 771 Q. triplicata 793. 795 Quartanparasit Aussehen im gefärbten Präparat 719 bis 720 im lebenden Blut 727 Bandformen 719 Chromatin 725 Entwicklung im Anopheles 731 — 734 im Blut 719—720 Gameten 720. 728 Pigmentanordnung 719 Ringformen 719 Scheibenformen 719 Teilungsfiguren 719. 728 Quecksilbersalze zum Ausfällen von Toxinen 350 Quecksilber-Thermoregulator 469 Quotidianfieber 771. 793. 796 Raineysche Schläuche s. Sarcosporidia Rana esculenta Blutschmarotzer bei 834 Ratten Empfänglichkeit für Sarkosporidien 988 Trypanosomen 932. 938—942 als Zwischenträger von Infektions- erregern 165. 189 Rauschbrand Mischinfektion bei 322 Rauschbrandbacillus als Fäulnis- erreger 110. 111 Gärwirkung durch 79 Reaktion der Nährsnbstrate für Bakterien im allg. 445 Veränderung durch Bakt. 100 für Pilze im allg. 541 für Soorpilz 580 Reaktionen mikrochem. der Bakt. 67 des Körpers bei Infektionen 258. 267 326—342 Rectum als Eintrittspforte pathogener Bakt. 140 Recurrens s. Rückfallfieber Reduzierende Substanzen zu Nähr- böden 445. 460 Reduktionsvermögen der Bakt. 92 Chemismus 94 Nachweismethoden 447. 510—512 Regeneration von Bakt.-Degenera- tionsformen 44 Regenwasser Bakteriengehalt 187. 191 Reh Sarkosporidien bei 988 Reichel-Filter 519 Reifung der Bakt. im Boden 179 Reinigung der Toxine 350 Reinkulturen Herstellungsmethoden 472 auf festen Nährböden 456—460 auf flüssigen Nährböden 454 — 456. 460 Reisbrei als Nährboden 451 Sachregister. 1035 Reizbewegungen der Protozoi'n 889 Rekonvaleszenz Latenz der Erreger während der 146 Resistenz der Bakterien gegen Alkalien 67 gegen Aiistrockunng 167 gegen baktericide Wirkungen des Organismus 241 gegen Hungerzustand 82 gegen Kälte 2üO der Bakteriensporen gegen Hitze 119 Erhöhung derselben durch Misch- infektion 313 des Granulationsgewebes gegenüber Bakterieninvasion 134 der Haut gegenüber Bakterieninva- sion 132. 226 künstliche gegen Infektionen 269 der Protozoen 884 im Gegensatz zur Immunität 297 Resorptionsfieber 339 Reuters Chromatinfärbung 428. 824 Rezeptoren der Toxine 354. 358 Rezidive bei Infektionen im allg. 146 bei Malaria 801 Rhipicephalus annulatus als Zwischenwirt des Pyrosoma 843. 851. 852 Rhizoiden bei Pilzen 533 Rhizoplast bei Flagellaten 928 Rhizopoden 902—927 Ernährung 886 Rhodomyces im Magen 569 Ribberts Kapselfärbung 423 Ricin Analogie zu Bakt. -Toxinen 355. 358. 360 Rieselfelder als Infektionsquelle 207 Riesenformen bei Darmamüben 917 bei Hefezellen 666. 671 Rinder malariaähnlicher Blutschma- rotzer bei 834 Pyrosoma bigeminum bei 841 — 863 Trypanosomen bei 936. 937 Rinderpestb acillus Ausscheidung 162 Rinderserum als Nährboden 451 Rindertuberkulose Uebertragbarkeit auf den Menschen 205 Rodinal bei Geißelfärbung 426 Roh eis Bakteriengehalt 200 Röhrenbrunnen Bakteriengehalt des Wassers in 189 Rohrzucker Vergärung durch Bak- terien 108 Rollröhrchen 459. 473 für Anaerobenkultur 461 für Wasseruntersuchungen 486 Romanows kys Färbung 428 — 429 für Amöben 910 für Bakterienkernsubstanz 45 für Malariaparasiten 821 — 824 für Protozoen in Geweben 903 für Trj'panosomen 936 Röntgenstrahlen Wirkung auf Pro- tozoen 884 Rosanil ine zur Färbung 70. 420 Rosanilin essigsaures, zur Prüfung von Reduktionswirkungen 93 R o 80 1 säure zu Nährl)öden 93. 511 zur Titration von Säure oder Alkali 509 R 0 s 8 sehe Keime bei Proteosoma 815 Rostpilze 528. 547 Rot aus Methylenblau bei Chromatin- färbung 420. 821 Rotnetze d. Rinder s. Hämoglobinurie Rotz gutartiger durch liefen 684 Rotzbacillus Anpassung an l^estiiumte Eintritts- pforten 143 Ausscheidung 159. 162 Eintrittspforten 133. 135. 222. 226 Farbstoftitildung 98—99 Haltbarkeit in Faeces 214 in Wasser 198 Metastasenbüdung 234 Polkörner 48 Uebertragung placentare 383 von Tier auf Menschen 165 Virulenzabschwächung 516 besondere Wachsformen 37 Rückfälle 8. Rezidive Rückfallfieber Fieber bei 271 Geschichtliches 292 Infektionswege 220 als Septikämie 235 Uebertragung placentare 383 durch Ungeziefer 165 Rüg es Chromatinfärbung 822 Ruhr durch Amöben 916—922 Russellsche Körperchen 694. 695 Saccharomyces Delbrücki 691 granulomatogenes 686 hominis Busse 669 lithogenes 685 neoformans 687. 693 niger 685 ruber 692 subcutaneus tumefaciens 679 vitro simile degenerans 696 Saccharomykosis hominis 669 — 683 bei Tieren 683-687 Safranin zar Färbung von Amöben 910. 915 von Bakterien 415. 424 von Hefen 688 von Myxosporidien 976 Salicylaldehyd Wirkung auf Toxine 352 Salpetersäure als Differenzierungs- mittel 417. 431. 432 Salzagar als Nährboden 43 Salze\ils Nährstoffe für Bakt. 88. 194 Salzliebende Bakterien 88 Salzsäure als Differenzierungsmittel 417. 421. 428 Samoa disease 640 1Ü36 Sachregister. Sandfilterappurat für Agar 444 Sandfiltration für Oberflächenwasser 188 Saprolegniaceen 527. 529. 544 Saprophytieen ß47 — 660 Saprophytismus pathogener Bakterien außerhalb des Organismus 164 im Organismus 147 im Gegensatz zu Parasitismus 228 pathog. Protozoen 889 S a r c i n u r i e 161 Sarcocystis bertrami 993 lindemannii Rivolta 995 mie scher iana 992 tenella Kaillet 993—994 Sarcosporidia 989—997 Einteilung 992—993 Färltung 991 Giftbildung 888 Kerne 873. 889 als Parasiten 891 Untersuchung 992 Sarkocystin 888 Sättigung von Toxinen durch Anti- toxine 360—362 Säuglingsstuhl Fehlen stinkender Fäulnis in 112 Säurebildung durch Bakterien 100 Nachweismethoden 102. 509 Säurefeste Bakterien 69 Färbung derselben 431 Säurefuchsin zur Färbung 415 Säuren als Ditt'erenzierungsmittel 417 Einfluss auf Toxine 352 organische als Bakt.-Nährstoffe 87 Sauerstoff Anpassung der Anaeroben an 78 Ausschluss desselben a. Nährböden 461 Bedürfnis der Bakterien für 76. 504 Bindung desselben durch Bakt. 81 Einfluss desselben auf Bakterien im allg. 76 anaörobe Bakt. u. Sporen 77 deren Eigenbewegung 501 deren Farbstoifbildung 99 deren Koloniel)ildung 118 deren Sporenbildung 119. 504 deren Toxinbildung 348 deren Virulenz 249. 250. 515 Fäulnis 110 Pilze im allgem. 541 Soorpilz 580 Toxine der Bakterien 352 Saugapparate bei Pilzen 533 Schaben als Zwischenträger 189 Schaf, Empfänglichkeit für Lamblia intestinalis 952 Sarcocystis 993 Sarkosporidien 988 Trypanosomen 942 Schale nach Beck 459 nach Kitasato zur Anaeroben-Züch- tung 466 nach KoUe 457 nach Petri 457. 459 Scharlach, Ausscheidung des Er- regers 159 Bedeutung der Stäubcheninfektion bei 175 Infektionswege 221 Mischinfektionen bei 320. 324 Sekundürinfektionen ])ei 310. 317 Toxinwirkungen bei 263 Uebertragung 202. 205. 214 placentare 383 Scheidebazillen (Düderlein) 141 Scheidensekret, baktericide Wir- kung des 140 Schiffsbesatzungen, Malaria bei 760 Schildkröten, Blutschmarotzer bei 840 Schilfsäckchen bei experim. Infek- tion 496 Schimmelpilze, pathogene 551—575 Allgemeines 551 — 553 Allgemeinerkrankungen durch 571 Bronchopneumonomykosen durch 562 bis 564 Hauterkrankungen durch 570 auf der Hornhaut 568 im Magen 568 Metastasenbildung 571 in der Nase 567 Otomykosen durch 565 Wachstum auf stark konzentrierten Nährböden 88 Wirkungen bei Versuchstieren 571 Schizogonie bei Amöben 914. 929 bei Gregarinen 955. 957 bei Halteridium 817 bei Malariaparasiten 714 — 730 bei Proteosoma 809 — 813 Sc hizo gregarinen 959 Schizonten bei Koccidien 960 bei Malariaparasiten 712. 717 Schlafwagen als Infektionsquelle 210 Schlangengift in Analogie zu Bak- teriengiften 355. 360 Schleimbildung im Harn durch Bak- terien 98 Schleimhäute als Eintrittspforten pa- thog. Bakterien 134. 226 Schleimpilze s. Myxomyceten Schleppgeißeln bei Flagellaten 927 Schlittenmikrotom 410 Schlundsonde bei experim. Infek- tion 496 Schmierbrand des Getreides 528. 547 Schnitt Präparate Färbung 421—423. 431-433 von Hefezellenschnitten 663. 673. 674. 680. 688 Herstellung 409—414 Schorfe, Verhalten gegenüber Infek- tionen 134 Schüttelfrost bei Infektionen 330 Schusswunden als Eintrittspforten pathog. Bakterien 134 Schutzimpfungen bei Texasfieber 861 Schutzstoffe des Körpers gegen In- fektionen im allgemeinen 229, 238. 271. 332. 333 Sachregister. 1087 [Schutzstoffe' Unzulänglichkeit derselben l»ei Se- kundür-Infektionen 810 Schutzwirkung der Antitoxine 354. 360 Schwämme 548 Seh wärm Sporen bei Pilzen .527. .5.37 Schwarzwcasser der Rinder s. Hämo- glol)inurie Schwarzwasserfieber Ausrottung 808 Pathogenese 770. 804—808 Sektionsbefand 770 S c h w e b e fä 11 u n g der Farbstoffe 68. 418 Schwefel als Nährstoff für Pilze 540 Schwefelalkali, Einfluss auf Anae- robe 461 SchwefeUtakterien, rote 78 Schwefelkohlenstoff, Wirkung auf Bakterien-Toxine 352 Bakterien-Virulenz 249 Schwefelsäure als Differenzierungs- mittel 417. 424. 425. 432 zum Nachweis von Indolbildung 508 zur Virulenzabschwächung 516 Schwefelwasserstoff, Bildung durch Bakterien 95 Nachweis in Kulturen 96. .506 Wirkung auf Toxine 3.52 Schwein, Empfänglichkeit für Balantidium coli 1003 Koccidien 969 Sarcocystis 992 Sarkosporidien 988 Tuberkulose (Verfütternng) 204 Schweinepestbacillus, Farbreak- tion 100 S c h w e i n e r 0 1 1 a u f 1 ) a c i 1 1 u 8 Einfluss hoher Temp. auf 268 Eintrittspforten 1.38 Haltbarkeit im Dünger 214 in Kadavern 216 im Wasser 198 Menschenpathogenität 241 Virulenzabschwächung 516 Schweißdrüsen als Eintrittspforten pathogen. Bakt. 133 Schwere der Infektion, Einflüsse auf 242. 253 Schwermetallsalze zum Ausfällen von Toxinen 3.50 Scutulum l)ei Favus 603. 607. 61:^ Seeale cor nu tum 546 Sedimentierung von Bakterien 62 Einfluss auf Bakterien im Wasser 195 Seeenwasser, Bakteriengehalt 187 Seidenraupen-Krankheiten 984 bis 986 Seitenketten-Theorie 354. 357—359. 362—372 Sekrete, menschliche zu Nährböden 448 Sekretion bei Protozoen 888 Sekretsj-mbiose 310 Sektion von Versuchstieren 500 Sektionsbefund bei Infektionen im allgemeinen 280 — 282 Sektionsliefund bei Malaria 769 bei Sclnvarzwasserfieber 770 Sekundärinfektionen 160. 307—324 s. auch »Mibchinfektion» Selbstinfektion Allgemeines 146. 242 des Auges 148 bei C3^stitis 155 vom Darm aus 140. 154. 162. 233 von der Galle aus 1.55 bei Geburt und Wochenbett 157 von der Haut aus 148 von der Mundhöhle aus 150 — 151 bei Tuberkulose 160 Selbstreinigung von Gewässern 187 Selen zum Nachweis von Reduktions- wirkungen 512 Selterswasser, Einfluss auf Bak- terien 199 Semi- Tertiana s. Tropenfieberparasit Senkungsabszesse bei Tuberkul. 160 Sepsis s. Septikämie Septic tanks 110 Septikämie, Allgemeines 161. 235 bis 236 vom Darm aus 138 kr3'ptogenetische 142 Toxinwirkungen des Blutes bei 262 Septikopyämie 236 Serodiagnostik, Allgemein. 296—304 bei Cholera 297. 301 Spezifität der Reaktionen 296. 299. 301. 303 bei Typhus 298. 301 Sichel formen der Hefezellen 674 Sichelkeime bei Malariaparasiten 713. 732. 733 bei Proteosoma 813 Sicherheitslirennerfür Brütschränke 468 Silber für Färbeverfahren 424. 426. 427 S i 1 1) e r f 0 1 i e zur Virulenzprüfung 252.514 Skatol, Fehlen liei Fäulnis durch Rein- kulturen 111 Sklerotien l)ei Pilzen 533. 558 Smegm ab aciUus, Selbstinfektion durch 155 Smiths Geißelfärbung 427 Soda für Färl)everfahren 428 Sonnenlicht, Wirkung auf Virulenz 249 Soorpilz 575 — 596 Agglutination 596 Allgemeinerkrankung durch 591—595 Gärvermögen 584 Geschichtliches 575 Immunität gegen 596 Lokalaffektionen durch 587 — 591 Metastasenbildung 577. 587. 592 Morphologie 579 Nähritöden 584 Systemstellung 585 Tierversuche 592 Toxizität 596 Varietäten 584 Verltreitung 587 1038 Sachregister. Spaltung von Fetten durch Bakterien 87 racemischer Verbindungen durch Bak- terien 87 Spectrnm für Gifte 370—372 Speichel, baktericide Wirkung 136 zu Nährböden 86 Wirkung auf Toxine 356 Speicheldrüsen der Stechmücken Anatomie 733 Präparation 829 Sperm bei Malariaparasiten 713 Sperma zu Nährböden 86. 446 Spermagonium bei Pilzen 548 Spermatozoon bei Malariaparas. 713 Spermatozoiden 527 SpermoTd bei Malariaparasiten 713 Spezifische Nährböden 445. 453 Spezifizität der Immunität 295 der Infektion 224. 294 der Infektionserreger 288 — 304 der Toxine 295. 357 Sphacelia (bei Claviceps purp.) 546 Sphaeropsidales 528 Sphären der Malariaparasiten 713. 717 Spielzeug als Infektionsquelle 212 Spiralthermoregulator 470 Spirillen, Allgemeines über Größe und Form 35 im normalen Hundemagen 152 Struktur 45. 46 besondere Wuchsformen 37. 38 Spongioplasma der Protozoen 867 Sporangienbei Pilzen 527. 528. 534. 537 Spor an gieu träger bei Pilzen 537 Sporangiolen bei Schimmelpilzen 553 Sporen der Bakterien Allgemeines 40 — 41 Auskeimung 38. 42 Einfluss des Sauerstoffs 77 Einfluss der Temperatur 74 Färbung 424 Resistenz 118 der Malariaparasiten 713. 716 der Protozoen im allgemeinen 879. 894 Sporenbildung bei Bakterien, Allgemeines 118. 119 Bedingungen 119 Beobachtungsmethoden 503 biolog. Aequivalente 118 im Boden 184 Einfluss der Nährböden 119 EinÜuss des Sauerstoffes 119 Einfluss der Temperatur 119 bei Koccidien 967 bei Malariaparasiten 713 bei Pilzen im allgemeinen 534 bei Sprosspilzen 539 Spor ob lasten bei Koccidien 963 bei Malariaparasiten 712. 732 bei Proteosoma 813 Sporocysten bei Koccidien 963 Sporocyten der Malariaparasiten 713 Sporogonie bei Gregarinen 956. 957 bei Halteridium 817 bei Malariaparasiten 731 — 734 bei Proteosoma 813 Sporozoen 953 — 1006 Zugehörigkeit der Malariaparasiten zu den 735. 736 Sporozoiten bei Koccidien 963 bei Malariapaiasiten 712 bei Proteosoma 813 bei Sporozoen im allgemeinen 954 Sporulation s. Sporenbildung Spritzen für Tierversuche 491 nach Koch 491 nach Strohschein 493 Sprossmycel der Pilze 531 Sprosspilze s. Hefepilze Sprossung bei Pilzen 531 Stärkekleister zum Nachweis diasta- tischer Enzyme 513 Stäubcheninfektion 166 Bedingungen 169 bei Milzbrand 175 Stammlösungen von Farben 420 Staphylococcus Acetonbildnng 342 Alkalil)ildung 100 Antagonismus in Mischkulturen 121 Ausscheidung 159—163 Eintrittspforten 133. 134. 141 Farbstoffbildung 98 Gärwirkungen 108 Haltbarkeit auf Kleidung und Wäsche 212 in Leichen 216 in Milch 203 in Luft geschlossener Räume 176 in Wasser 191. 198. 199 Kreatinin-Ausnutzung 87 Latenz im Organismus 147 — 150. 156 Metastasenbildung 234 Mischinfektionen durch 320 — 321 Myelitis durch 282 Selbstinfektion durch 155 Septikämie durch 235 Uebertragung durch Luft 168 Staub als Infektionsquelle 209 Staubbrand des Getreides 547 Stechmücken als Zwischenträger 166. 731—734. 813 s. auch »Anopheles« und »Culex« Steinbrand des Getreides 547 Stern phylium polymorphum 561. 576. 586 Sterigmatocy stis antacusticus 565 ijidulans 558 Sterigmen bei Pilzen 558 Sterilisation von Glasgefäßen 436 von Gummigegenständen 437 fraktionierte für Nährböden 437 — 438 Stichkulturen 472. 474 zur Bestimmung des Sauerstoffbedürf- nisses 504 Stichwunden als Eintrittspforten pa- thogen. Bakterien 134 Stoffwechsel, Einfluss der Infektion auf 337—341 S 1 0 f f w echselprodukteder Bakterien 90-102 Allgemeines 90—92 Sachregister. 1039 [Stoifwechselprodukte] Einfluss auf Kulturen 117. 122 auf Virulenz 247. 515 gasförmige 98 krystallinische 98 Unterscheidung verwandter Bakterien durch 90 Untersuchung 518 als Ursache des Antagonismus 122 Stoloneu bei Pilzen 533 Strahlenpilze, Nachweis in Schnit- ten 431 Straßenkericht als Infektionsquelle 215 S treptococcus Acetonbildung 342 Alkallbildung 100 als Antagonist 121. 311. 313. 314 Ausscheidung 159. 161 — 163 im Blut 239 im Boden 183 Einfluss hoher Temp. auf 268 Eintrittspforten 134. 137. 141. 143. 144 als Fäulniserreger 111 Farbstoffbildung 98 im Harn 155 auf Haut 147 auf Kleidung und Wäsche 211 Koloniestruktur 118 Latenz im Organismus 147 — 150. 155. 156 in Luft geschlossener Käume 176 Metastasenbildung 234 Mischinfektionen durch 320. 321. 323 Myelitis durch 282 Peritonitis durch 148 in Pleurahöhle 256 Septikämie durch 235. 236 Symbiose in Mischkulturen 121 Uebertragung durch Milch 202 Variabilität 127 Verbreitung im Körper 234 Virulenz 246 im Wasser 191. 198 Wirkung auf maligne Tumoren 313 verschiedenartige Wirkungen durch 244. 257 besondere Wuchsformen 37 Streptotricheen ErysipeloTd durch 655 besondere Wuchsformen 36 Strichkulturen 472 Struktur der Bakterienzelle 45 der Bakterienkolonieen 118 der pathog. Protozoen 866 Subduralinfektion 499 Snbkutaninfektion 498 Sublimat zur Fixation von Deckglas- präparaten 409 von Geweben 410 bei Geißelfärbung 426 zur Konservierung von Amöben 909. 915 Sublimateisessig zur Härtung von Protozoen in Geweben 903 Sudan III zur Bakterienfärbung 432 Sulf an säure zum Nitritnachweis 97 Supraorl)ital-Neuralgieen bei lar- vierter Malaria 803 Surra 936. 939 Sykosis 634 Symbiose zwischen Aeroben und Anaeroben 80. 123 Allgemeines 307. 310 Einfluss auf Infektion 228 auf Virulenz der Bakterien 517 auf Wachstum anaerober Bakte- rien 461 Gewebs-S. 310 in Mischkulturen 120 bei Protozoen 889 Sekret-S. 310 S j^nchy triace en 527 SyntoxoTde 365. 371. 372 Syphilis Infektionswege 136. 140.143. 221 placentare Uebertragung 391 Syringomy kosen 552. 565 Syringospora 576. 586 System der Protozoen 895 — 896 Stellung der Malariaparasiten im 734 bis 737 T Tabak als Infektionsquelle 207 Tageslicht s. Licht Talgdrüsen als Eintrittspforte pathog. Bakterien 133 Tannin als Differenzierunirsmittel und Beize 421. 425-427 Tartarus stibiatus zu Farbbeizen 426 Taschentücher als Infektionsquelle 211 Taube Koccidien bei 972 Taube nblut zu Nährböden 446 Taubenmästerk rankheit 563 Taubenpocken 686 Technik der Blutuntersuchung bei Malaria 819—824 bei Texasfieber 858 Teich Wasser Bakteriengehalt 187 Teilung der Malariaparasiten 716. 719. 721. 728 der Protozoen im allgem. 878 Telosporidia 954 — 972 Zugehörigkeit der Malariaparasiten 935. 937 Temperatur -Anforderungen der Bakterien im all- gem. 70 — 72 Bestimmungsmethoden derselben 505 der Protozoen 883 Variabilität derselben 129 -Einfluss auf Bakterien im allgem. 72. 268 deren Austrocknung 167 deren Eigenbewegung 501 deren Farbstoffbildung 99 1040 Sachregister. [Temperatur] [Einfluss auf Bakterien] deren Sporenbildung 119. 504 deren Toxinbildung 348 deren Virulenz 247. 248. 514 im Wasser 194 EntAvicklung des Malariaparasiten 732. 734 Entwicklung des Proteosoma 814 bis 815 Pilze im allgem. 549. 552 Toxine 351 Terminalinfektion \om Darm aus 155 Tertianaparasit Amöboide Formen 715 Aussehen im gef. Präparat 714 — 718 im lebenden Blut 726 Chromatin 723—725 Entwicklung im Blut 714—718 in der Mücke 731—734 Gameten 717. 718. 727 Geißeln 727 Mornlaform 716 Pigmentanordnung 715 — 717 Ringformen 715 Teilung 716. 717. 727 Tertianfieber T. duplicata 793 Fieberkurve 772. 779. 789 T. maligna s. Tropenfieber ]\Iischinfektionen 796 Pathogenese 789 Rezidive 801 Symptome 771 Testgifte zur Prüfung von Toxinen 364 Tetanus Fermenttheorie für 353 Inkubationsdauer 230 Mischinfektionen bei 308. 322 Veränderung der Vorderhorn-Gan- glienzellen bei 280 Tetanusbacillus im Blut 143 im Darm 143 Eintrittspforten 222. 226 Giftwirkungen 231. 261. 263. 264 s. auch Tetanvisgift Haltbarkeit im Boden 183 in Faeces 215 auf Kleidung und Wäsche 212 in Leichen 216 in Wohnungen 210 Lokalwirkungen 233 als Saprophyt 164 Sporenkeimung 42 Verstäubbarkeit 169 Virulenzsteigerung 517 besondere Wuchsformen 37 Tetanusgift 283 Bindung desselben im Körper 264 Spezifizität 296 Tetanolysin 283 Tetanospasmin 283 Tetragenus auf Haut und Schleim- häuten 147. 149 Säurebildung 100 Tetramitidae 944 Tetramitus nitschei 945 Texasfieber s. Hämoglobinurie der Rinder Thallus bei Pilzen 529 Theeaufguss Haltbarkeit von Bakte- rien in 207 Theleboleen 528 Therapie bei Coccidiosis 968 bei Flagellatendiarrhöe 952 Thermophilie der Bakterien 75 Therm oregulator für Brutschränke 469—470 Thermostat 468 für niedere Temperaturen 471 Thermotoleranz der Bakterien 75 Thionin zur Bakterienfärbung 422 T h r ä n e n fl ü s s i g k e i t zu Nährböden 86 Thymol zu Farbstoffen 427. 428 Thymus als Bildungsstätte von Schutz- körpern 331 Thymusextrakt Wirkung auf Toxine 352 Thyreoideaextrakt zu Nährböden 86 Tiere als Zwischenträger von Infek- tionsstoflfen 165. 189 Tier feile als Infektionsquelle 213 Tierkadaver als Infektionsquelle 216 Tierkrankheiten Uebertragbarkeit auf den Menschen 165 Tierpassage zur Virulenzabschwä- chung 250. 516 zur Virulenzsteigerung 251. 517 Tierversuch Methoden 490—501 Tiletieen 528. 547 Tinea favosa 575 imbricata 640 nodosa 656 Tokelau-Erkrankung der Haut 570. 640 Toluidinblau zur Färbung von Amö- ben 915 von Trypanosomen 936 Toluolenrot zum Nachweis von Re- duktionswirkung 511 Tondante peladoide benigne Sabour 628 Tonfilter 518 Tonsillen Bakterienbefund auf gesun- den 149 als Eintrittspforten pathog. Bakterien 136. 143 Torula arten der Hefen 662 Toxalbumine 344. 347. 351 Toxinämie 261. 263. 279 Toxinbildung durch Bakterien 90. 348 durch Pilze 549. 552 durch Protozoen 888 Toxine der Bakterien 344—372 Abschwächung durch Ablagern 363. 371 Allgemeines 345, 347—353 Allgemeinwirkungen durch 260 Ausfällung 3.50 Sachregister. 1041 [Toxine] Bindung durch Antitoxine 3(30—361 an Körperzellcn 264. 353 im Bhit 261. 279 Charakteristika 345 Chemie 351 Deutero-T. 271 Definition 346 Dialj'se 350 Differentialzone 366 Einfluss von Chemikalien auf 352 der Elektrizität 352 des Lichts 352. 368 des Nährbodens 347 des Sauerstoffs 352 der Temperatur 351 T.-Einheit 362 Entstehung 347 Fieber durch 264 Filtration 349 im Harn 263 Hemi-T. 371. 372 Inkubationsdauer 357 Lokalwirkungen durch 256 Normalgift 362 Proto-T. 371 Schicksal im Digestionstractus 355 im Körper refraktärer Tiere 353 im Organismus im allgem. 353 T.-Speetra 370—372 Spezifizität 347 Trito-T. 371 Verhalten gegenüber den Antitoxinen 358—372 Wirkung im Organismus 230. 231. 263. 266. 280. 356 Toxizität von Bakterien Begriff 244 in Beziehung zur Virulenz 245. 348 des Urins bei Infektionen 262 Prüfung derselben 261 Toxoide 352. 357-360. 363—372 Toxone 283. 3.57. 364—372 Toxonoide 368 Toxophore Gruppe der Toxine 357. 359. 361. 363. 373 Trachea Bakteriengehalt der normalen 151 als Eintrittspforte pathog. Bakt. 137 Trachom Infektionswege 221 Transport von Bakterien durch Grund- luft 185 durch Grundwasser 185. 188 Traubenzucker Einfluss auf Virulenz 250 Konzentrationsgrenzen 88 zu Nährböden 445. 452 Vergärung durch Bakterien 108 Trauma Einfluss auf Infektion im all- gem. 142. 148. 151 auf Sell»8tinfektion 155 Trepan nach Kollin-Babes 499 Trichomonas caudata 950 elongata 950 flagellata 950 hominis 949 Handbuch der pathogeiieu Mikroorganismen. I. [Trichomonas] intestinalis 948. 949 pulnionalis 949 — 950 vaginalis 947 Trichophytie Arten 617 des Bartes 634 besondere Formen 639 des Kopfes 621-634 des Köriiers 636 durch Mikrosporonpilz 625 der Mundschleimhaut 641 Prophylaxe 644 der Tiere 642 durch eigtl. Trichophytiepilze 629 Tyi)en 621 Verbreitung 616 Trichosporie 656 — 660 Trichosporon giganteum 658 ovale 659 ovoides 658 Vuillemin s. Beigeli 659 Tr ichothecium roseum 561 Trigeminus-Neuralgieen bei lar- vierter Malaria 803 Trimethylamin Bildung durch Pro- digiosus 98 Trinkgeschirre als Infektionsquelle 212 Trinkwasser als Infektionsquelle im allgem. 190—200 Uebertragung von Koccidien 950 von Sarkosporidien 990 von Trichomonas 950 Tristeza s. Hämoglobinurie der Rin- der Tritotoxine 371. 372 Trockenmethode bei Schnittfärbung 421 Trockenpräparate s. Ausstrichprä- parate Trockenschrank 431 Tropenfieber Fieljer )»ei 772—775. 791 Mischinfektion 796 Pathogenese 791 Rezidive 801. 802 Symptome 772 Tropen f i e 1) e r p a r as i t Aussehen im gefärl)ten Präparat 720 im lebenden Blut 728 Entwicklung im Blut 720 Gameten 721. 725. 728 Hufeisenformen 720 Mondsichelformen 720 Ringformeu 720 Teihxngsformen 721. 728 Tröpfcheninfektion 137. 144. 171 l>ei Influenza 175 l)ei Lepra 174 bei Tuberkulose 172. 174 bei Wundinfektionen 174 Tropfen hängender 405—407 zur Anaörobenzüchtung 468 zur Beobachtung d. Eigenbewegung501 der Sporenbildung 504 66 1042 Sachregister. Trutliülmer Koccidien 1)ei 971 Trypanoplasiun 944 T r >■ p a n o s o m a 932 — 944 "brucei 935-938 carassii 943 co1)itis 943 equina 942 equiperdum 940 — 941 cvansi 939—940 bei Fischen 943 lewisi 932-935 Immunisierung gegen 900—901 bei Menschen 943 remaki 943 soleae 943 theileri Laveran 943 Trj'psin Wirkung auf Toxine 356 Tryptophanbildung durch Bakterien 97 Tsetsefliege 937 Tsetsefliegenseuche 936—938 Tul) erkelbacillus Antagonismus in Mischkulturen 121 Ausscheidung aus dem Körper 159. 161—163 Bildung von Pepton und Tryptophan 97 Chemie 65 — 66 Eintrittspforten 135. 137. 138. 142. 143. 218. 227 Elektive Nährböden 86. 441. 446 Färbung 68. 431—432 Fermentwirkungen 108 Haiti )arkeit in Abfallstoflfen 214. 215 in faulenden Substraten 214 im Fleisch 205 auf Gebrauchsgegenständen 212 auf Kleidung und Wäsche 211. 212 in Leichen 216 in Molkereiprodukten 204 im Straßenkehricht 215 im Wasser 191. 198 in Wohnungen 176. 209 Latenz im Organismus 147. 149. Lokalisation in Lymphdrüsen 234 Metastasen! )ildung 234. 235 Mischinfektion durch 320 Schutz der Haut 226 Uebertragung germinale 392—394 durch Luft 168 durch Milch 202—203 placentare 383—390 Verl)reitang im Körper 234 Intensität derselben 238 Verhalten an der Eintrittspforte 254 Virulenz 245. 252, Abschwächung ders. 516 besondere Wuchsformen 36 Tuberkulin als spezif Diagnosticum 294 Geschichtliches 293 bei Mischinfektionen 322 Tuberkulose Bedeutung der Diazo- reaktion bei 342 der Tröpfcheninfekt. 172. 174 Fieber bei 327 Heredität 384—390 [Tuberkulose] der Kühe, Einfluss auf Milch 203 miliare 160. 234. 242 Misch- und Sekundärinfektion bei 309 bis 311. 318-324 der Schweine durch Fütterung 204 Ueberspringen von Generationen 385 T ü p f e 1 u n g derEry throcyten 1 )ei Malaria 726 Typhus Bodentheorie 178 Einfluss des Pyocyanaseimmunprotei- dins auf 315 Hyperplasie der Milz bei 334 Hvpoleukocytose bei 274. 276—278. Sekundärinfektion 309—310. 317. 319. 321. 323. 324 Stäubchen- und Tröpfcheninfektion bei 175 Ty phusbacillus Antagonismus in Mischkulturen 121 Ausscheidung aus dem Körper 159. 161—163 Austrocknung 167 Bakteriämie 239 Diazokörperbildung 342 Einfl. hoher Temp. auf 268 Eintrittspforten 138. 219 Gärwirkungen 108 Generationsdauer 115—116 Haltbarkeit im Boden 183 — 185 in Eis 200 in Faeces und Harn 214—215 auf Kleidung und Wäsche 211 in Leichen 216 im Wasser 188. 190—196. 199. in Wohnungen 210 Latenz im Organismus 146. 149 Metastasenbildung 235. 239. Myelitis durch 282 Nachweis im Wasser 488 — 489 Osteomyelitis durch 146 Polkörner 48 Säurebildung 100 Septikämie 235 Symbiose in Mischkulturen 121 Toxinwirkungen im Blut 262 Uebertragung im Freien 177 durch Nahrungsmittel 202.205— 207 placentare 382 — 383 Verstäubbarkeit 168 Virulenz 246 Steigerung derselben 517 Wirkung in Pleurahöhle 25(5 Typhusimmunität Spezifizität 298. 301 üeberschichtung von Nährmat. zur Anacrobenzüchtung 461 Uebertragung von Darmamöben 916 von Infektionsstoflfen 218—222 durch Altfallstoffe 214 durch Boden 186 durch Eis 200 germinale 391—394 Sachregister. 1043 [Uebertragnng von Infektionsstoffen] durch Insekten 165. 177 durch Kleidung 211 durch Luft im. 174. 177. 209 durch Nahrungsmittel 202 — 207 placentare 381 — 391 durch Tiere 165 durch "Wasser 190 durch "Wohnungen 209 von Protozoen 893 Ulcus molle Eintrittspforte 140 Umgebung des Menschen als Infektions- quelle 209 Um Züchtung von Bakt. im allg. 126 von Tuberkuloseerregern 129 Universalmethode der Schnittfiir- l)ung 421 Univer saloperations!) re tt 491 Unnas Modifikation der Gramfar))ung 430 Trockenmethode bei Schnittfiirbung 421 Untersuchung der Amöben im allg. 909-911 der Darmamöl)ea 915 Urasebildung durch Bakterien 107 Uredineen 528. 547 Ureteren Bakterien in den 140 Urethra Bakteriengehalt der normalen 155 als Eintrittspforte pathog. Bakterien 140. 143 Urin s. Harn Urotoxischer Koefficient 262 Urotoxische Krisen 263 Urzeugung der Bakt. 11. 290. 292 Urschinskys Nährlösung 440 Ustilagineen 528. 547 Ustilago carbo 547 Vaccins Begriff 248 Vacuum Anaerobenzüchtung in 462 V a c u u m - Destillierapparat 521 Vacuum -Trockenapparat 524 Vagina baktericide Wirkung des Se- krets 140 Bakteriengehalt der normalen 156 als Eintrittspforte pathog. Bakt. 140 für Soorpilze 587 Vakuolen in Bakterien 46 in Protozoen 867. 875 Variabilität der Bakt. im allg. 123 bis 131. 294 zwischen Aerobiose und Anaerobiose 129 ihrer Eigenbewegung 128 ihrer Fermentwirkungen 130 ihrer Form 127 ihrer Kolonieen 128 ihrer Sporen 128 ihrer Stoffwechselprodukte 130 ihrer Temperaturanforderungen 129 Variola Sekunilärinfektionen bei 309. 317 Uebeitragungen durch Abfallstoffe 214 durch Milch 205 placentare 381. 383 Venen p unk tion zum Nachweis von Mischinfektion 319 Verbreitung der Bakterien im Körper 232—242 Einfluss derselben auf Verlauf 244 Schnelligkeit derselben 254 Verdauung bei l'rotozoc'n 887 — 888 Ver dauuugsfe i-m eu te "Wirkung auf Toxine 356 V e r d ii n n u n g s m e t h 0 d e zur Isolierung von Bakt. aus flüssigen Nähr- böden 455 Vererbung von Infektionskrankheiten 380—395 germiuale 391 — 394 placentare 381—391 von Krankheitsdisposition 394 Verklebung bei (iregarinen 955 bei Trypanosomen 934. 936 Verküpung von Farbstoflten 92. 95. 447. 510 Verlauf der Infektion im allg. 230. 242 Vermehrung der Amöben 909 der Bakterien 114—118 Beol)achtungsmethoden 502 als Infektionsbedingung 228 saprophytische im Organismus 147 Temperaturoptimum für 74 im "Wasser 192 der Flagellateu 928 der Gregariuen 956 der Koccidieu 960 der Protozoen im allgem. 878 der Sporozoea 954 Verschleppung der Malaria 762—764 des Texasfiebers 855. 860 Versickerung von Bakterien 185 Ver stäub bar keit von Bakterien 167 Verticillium Graphii 561 Otomykose durch 566 Verwesung durch Bakterien 110 Verzweigungen echte bei Bakterien 36 Vesuv in zur Färbung von Amöben 915 von Bakterien 415. 427. 429. 431 von Hefen 674. 680 zu Nährböden 93 Vibrionen choleraähnliche im Wasser 191 Vincents Kapselfärbung 431 Virulenz der Bakterien 244—253 Abschwächung derselben 246. 514 bis 516 Bedeutung derselben für Infektion 229. 236. 244. 257 Bestimmung derselben 514 in Beziehung zur Agglntinabilität 302 zur Lebensenergie 114 zur Toxinbildung 348 Einfluss der Austrocknung auf 249 von Chemikalien auf 249 — 250 der Elektrizität auf 249 66* 1044 Sachregister. [Virulenz Einfluss] des Lichtes auf 249 der Nährböden 247 der Stoifwechselprodukte auf 247 bis 248 der Temperatur auf 244 — 248 der Tierpassagen 250 Erlialtung derselben 246 Spezifizität derselben 294 Steigerung derselben 250. 516 bei Mischinfektionen 321 Virus fixe Begriff 517 Vitale Energie Beobachtungsmetho- den 511 Vitale Färbung von Bakt. 433 Vögel Trypanosomen der 942 Vogeleier als Nährböden 452. 461. 50() Vorbereitung von Deckglaspräp. zur Färbung 407 von Geweben zur Färl)ung 409 V 0 r d e r h 0 r n - G a n g 1 i e n z e 1 1 e n Veränderungen bei Infektionen 280 W Wachs im Tuberkelbacillus 66 Wachstum s. Vermehrung Wachstumskurve 116 Wäsche als Infektionsquelle 211 Waldkrankheit der Rinder s. Hämo- globinurie Wanzen Uebertragung von Infektionen durch 165 Waren als Infektionsquelle 213 Wa s s e r Bakteriengehalt der Naturwässer 187 bis 190 Bestimmung der Keimzahl im 484 bis 488 als Differenzierungsmittel bei Fär- bungen 416. 421 Entnahme zur bakteriolog. Unter- suchung 483 zur Ernährung der Pilze 541 in epidemiologischer Beziehung 190 Haltbarkeit von Bakt. in 192—198 als Infektionsquelle 190—192 Nachweis pathogener Bakt. im 488 Rolle liei Malariaübertragung 753 bakteriol. Untersuchung 190. 483—489 Wasserbakterien Wirkung derselben auf pathogene Keime im Was- ser 192—194 Wasserstoff bei Anaerobenzüchtung 463 Wa ssersto ff super oxyd bei Bakterienfärlnmg 425. 432 Einfluss auf Toxine der Bakt. 352 auf Virulenz der Bakt. 249 Wa s s e r s t r a h 1 p u m p e 519 Wassertiere bakterielle Seuchen der 192 Weichselbaums Färbung säurefester Bakt. 432 Weiderot der Rinder s. Hämoglobin- urie Weigert-Kühnesche Modifikation der Gram-Färbung für Schnitte 430 Weilsche Krankheit Infektionswege 219 Wein als Infektionsquelle 207 Weinsäure bei Nitrosoindol-Reaktion 97. 508 Welckes Geißelfärbung 426 Wertbestimmung von Toxinen und Antitoxinen 362—372 Wesen der Infektion 223-284 Widerstandsfähigkeit s. Resistenz Widerstandskräfte s. Schutzstoffe Wimpern bei Protozoen 877 Wirkungen spezifische der Immun- sera 296. 299. 301. 303 der Infektionserreger im Körper 230 bis 284 allgemeine 260—284 lokale 233. 253—260 verschiedenartige 244. 257 der Toxine 263 Wirtswechsel bei ProtozoÜn im all- gemeinen 893. 894 Wohnung als Infektionsquelle 209 Wulffsche Flasche zur Destillation 523 zur Filtration 519—520 Wunden als Eintrittspforten pathog. Bakterien 133 Wundinfektionskrankheiten In- fektionswege 221 Wurm japanischer 683 Wurm eben des Halter idium 818 der Malariaparasiten 713. 731 des Proteosoma 813 Würmer als Zwischenträger von In- fektionsstoffen 189 X Xerosel)azillen auf Conjunctiva 148 Xylol bei Einlegung und Färbung von Geweben 412. 414. 421 Z Zählplatte nach Lafar zur Wasser- untersuchung 486 Zählung von Bakterien 115 — 116 Zahncaries durch Bakterien 149 Zahnextraktions wunden als Eintrittspforten pathogener Bak- terien 136 Zecken als Zwischenwirte 166. 843. 850. 852 Zedernöl zum Einschließen von Prä- paraten 421 Zeichenapparate 400—401 Zeigerokular 402 Zellkerne s. Kerne Zellmund der Protozoen 886 Zell Parasiten Protozoen als 890 Zellpathologie in Bez. zu Protozoen 896—898 Zerfall der Bakterien 43 Sachregister. 1045 Zerfallsprodukte der Bakterien 44 ZerfaUsteiluiig l)ei rrotozoi'ii 879 Zersetzung s. Fäulnis Zettnows Chroniatinfärbung 428 Geißelfärltung 426 Ziege Koccidien I)ei 9G9 Trypanosomen hei 936. 938. 942 Ziehl-Neelsensclie F;irl)ung für Amö- ben 915 für säurefeste Bakterien 431 Ziemanns Chroniatinfärbung 428 Zink Wirkung auf Pilze 540 Zinksalze zum Ausfällen v. Toxinen 350 Zirkulationsstörungen bei Infek- tionen 282 Zitronensäure zur Geißelfärbung 427 Z 0 0 g 1 ö a der Bakterien 52 Z 0 0 i d der Malariaparasiten 713 Zoonosen Uebertragbarkeit auf Men- schen 165 Zoosporangien bei Pilzen 537 Zoosporen bei Pilzen 539 Zucker zur Ernährung der Pilze 541 [Zuckerl des Nährbodens. Einfluss auf Indol- bildung 96 Zuckerrübe als Nälirboden 450 Züchtung des Anopheles 824 — 826 8. auch Kultur« Zunge schwarze 570 Zusammensetzung quantitative che- mische der Bakterien 63 Zusätze zu Nährböden 445 — 448 Einfluss auf Virulenz 516 Zwischenträger bei Infektionen, Tiere als 1()5 Zygomyceten 527. 528 Zygoplast bei Flagellaten 928 Zygosporen bei Pilzen 527. 528. 534. 539 Zygoten bei Flagellaten 929 bei Malariaparasiten 712. 731 bei Proteosoma 813 Zygotoblast der Malariaparasiten 713 Zygotomere der Älalariaparasiten 713 Zymoid als Ursache von Eiterung 292 Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. ^cy^