■t>\l f:-Ai {/ ^y.. Handbuch der pathogenen Mikroorganismen Unter Mitwirkung von Medizinalrat Dr. Rudolf Abel, Berlin, Prof. Dr. Axenfeld, Freiburg i, B., Prof. Dr. V. Babes, Bukarest, Prof. Dr. M. Beck, Berlin, Privatdozeut Dr. Blumenthal, Berlin, städt. Ober -Tierarzt Bongert, Berlin, Professor Dr. O. Busse, Greifswald, Prof. Dr. G. Cornet, Berlin, Stabsarzt Privatdozent Dr. Dieudonne, "Würzburg, Dr. F. Doflein, München, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Dönitz, Berlin, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. EhrUch, Frankfurt a. M., Prof. Dr. van Ermengem, Gand (Belgien), Prof. Dr. Th. Escherich, Wien, Privatdozent Dr. E. Friedberger, Königsberg i. Pr., Tierarzt Glage, Hamburg, Dr. E. Gotschlich, Alexandrieu, Prof. Dr. M. Hahn, München, Prof. Dr. Armauer Hansen, Bergen, Stabsarzt Dr. Hetsch, Berlin, Prof. Dr. Hofer, München, Prof. Dr. C. O. Jensen, Kopenhagen, Tierarzt Dr. Joest, Kiel, Prof. Dr. Kitt, München, Prof. Dr.W.Kolle, Berlin, Reg.-Rat Prof. Dr. H. Kossei, Berlin, Dr. O. Lentz, Berlin, Prof. Dr. von Lingelsheim, Beuthen (Oberschlesien), Dr. Lipstein, Frankfurt a. M., Stabsarzt Prof. Dr. Marx, Frankfurt a. M., Prof. El. MetschnikofF, Paris, Dr. Arthur Meyer, Berlin, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. A. Neisser, Breslau, Prof. Dr. M. Neisser, Frankfurt a. M., Dr. P. Neufeld, Berlin, Prof. Dr. Nocard, Alfort, Dr. C. Oppenheimer, Berlin, Prof. Dr. Ostertag, Berlin, Prof. Dr. Paltauf, Wien, Dr. J. Petruschky, Danzig, Prof. Dr. M. Pfaundler, Graz, Dr. H. C. Plaut, Hamburg, Prof. Dr. Preisz, Budapest, Dr. S. von Prowazek, München, Marine-Oberstabsarzt Dr. Reinhold Rüge, Kiel, Prof. Dr. Schlegel, Freiburg i. B., Privatdozent Dr. Scholtz, Königsberg, Prof. Dr. Sobernheim, Halle a. S., Prof. Dr. A. Wassermann, Berlin, Hofrat Prof. Dr. Weichselbaum, Wien, Prof. Dr. Wernicke, Posen, Dr. Wladimiroflf, Petersburg, nebst mikrophotographischem Atlas, zusammengestellt von Prof. Dr. E. Zettnow, Berlin, herausgegeben von Prof. Dr. W. Kolle imd Prof. Dr. A.Wassermann in Berlin Mit 1 farbigen Tafel und 50 teilweise farbigen Abbildungen im Text. Dritter Band. Jena Verlag von Gustav Fischer 1903. Inhaltsverzeichnis. Kapitel Pleite I. W. KoLLE, Cholera asiatica 1 II. A. Wladimiroff, Riickfallfieber (nebst Anhang: Tierpathogene Spirochäten) . . . . • 75 III. M. Neisser & A. LiPSTEiN, Die Staphylokokken 105 IV. A. Neisser & W. Scholtz, Gonorrhoe 148 V. A. Weichselbaum , Diplococcus pneumoniae und andere bei ent- zündlichen Lungenaffektionen gefundene Bakterien 189 VI. A. Weichselbaum, Meningokokken mit besonderer Berücksichti- gung anderer bei akuter Meningitis gefundener Mikroorganismen . 256 VII. V. Lingelsheim, Streptokokken 303 VIII. M. Beck, Influenza. Mit 3 Figuren im Text) 359 IX. V. Babes, Das Rhinosklerom. (Mit 4 farbigen Figuren im Text) . 408 X. V. Babes, Der weiche Schanker (venerisch kontagiüses Geschwür, Ulcus molle). (Mit 2 farbigen Figuren im Text) 425 XI. V. Babes, Das Maltafieber. (Mittelländisches Fieber.) (Mit 1 far- bigen und 1 schwarzen Figur im Text) 438 XII. V. Babes, Die endemische Orientbeule. Sahara-, Aleppo-, Bagdad-, Nil-. Ouargda-, Biskra-, Gafsa-, Delhi-, Delphes-, Gabbonbeule, Pendjehgeschwür, (Pascha-Churda oder Sartsche Krankheit?) . . . 446 XIII. V. Babes, Der Madurafuß. (Aktinomyces des Fußes, Perical, My- cetom.) (Mit 1 farbigen Tafel im Text) 454 XIV. A. Wassermann, Bacillus pyocyaneus . . . . • 471 XV. Th. Axenfeld, Spezielle Bakteriologie des Auges. (Mit 26 teil- weise farbigen Figuren im Text) 489 XVI. E. JoEST, Schweineseuche und Schweinepest 576 XVII. Ed. Nocard, Die Peripneumonie der Rinder 682 XVm. H. Preisz, Rotlauf der Schweine 711 XIX. J.Bongert, Die Druse der Pferde 729 XX. J. Bongert, Der Mäusetyphus 742 XXI. K. Grabert, Pseudotuberkulose 751 XXII. C. 0. Jensen, Kälberruhr. (Mit 2 Figuren im Text) 761 XXIII. Fr. Glage, Die Eiterungen bei den Haustieren 786 XXIV. Ostertag, Seuchenhafter Abortus der Haustiere. (Mit 4 Figuren im Text; 827 XXV. Ostertag, Der ansteckende Scheidenkatarrh der Rinder. (Mit 1 farbigen Figur im Text) 840 3969G IV Inhaltsverzeichnis. Kapitel Seite XXVI. OsTERTAG, Hühnerpest 846 XXVn. Th. Kitt, Enterentzündungen und deren Erreger. (Mit 6 Figuren im Text) 850 XXVIII. R. Abel, Die Kapselbazillen (Bac. pneumoniae FriedUinder und verwandte Bazillen^ 870 XXIX. W. KoLLE & IL Hetsch, Mikroorganismeubefunde bei anderen In- fektionskrankheiten 893 Sachregister 915 Berichtigungen 942 Cholera asiatica. Von Prof. Dr. W. Kolle in Berlin. Geschichtliches. Die meisten Geschichtsforscher nehmen an, class die asiatische Cholera schon lange vor ihrem ersten epidemischen Auftreten in Vorder- indien (1816) eine endemische Krankheit im Gang-esdelta war. Wenn auch die Beschreibungen in Sanskritwerken nicht mit Sicherheit er- geben, dass schon in jenen weit zurückliegenden Zeiten die Cholera am Ganges vorkam, so hat die Annahme, dass dieser Choleraherd schon seit Jahrtausenden besteht, doch viel Wahrscheinlichkeit liir sich. Das gleiche gilt für die Vermutung, dass aus diesem endemischen Gebiete bereits in früheren Jahrhunderten die Cholera sich über weitere Gebiete Asiens ausgebreitet hat. Aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert liegen aber einwandsfreie Aufzeichnungen über Choleraausbrüche in den ver- schiedensten Gegenden Indiens vor, so in Goar (1543), Ponditscherri (1768), Kalkutta (1781), Madras u. s. w. Wie Haesers^ mit Recht her- vorhebt, ist also das Verbreitungsgebiet der im 19. Jahrhundert zu pandemischer Verbreitung gelangten Seuche von jeher ein ausgedehn- teres gewesen, als gemeinhin angenommen wurde. Im Anfange des 19. Jahrhunderts begann für die Menscheit das Choleradrama, dessen kurze historische Darlegung ich mit den Worten des Historikers Hirsch ^6 einleiten möchte, der in seiner Geschichte der Cholera diese Thatsache folgendermaßen bespricht: »In der Seuchen- geschichte des 19. Jahrhunderts spielt das Jahr 1817 eine für das Menschengeschlecht verhängnisvolle Rolle. In eben diesem Jahre be- gann die epidemische Verbreitung einer Krankheit über Indien, welche bis dahin in einzelnen Distrikten dieses Landes endemisch geherrscht hatte, in diesem und dein folgenden Jahre aber die ganze Halbinsel überzog, alsbald die Grenzen ihres Heimatlandes nach allen Richtungen hin überschritt, in ihrem weiteren Vordringen allmählich fast die ganze Handbuch der pathogenen Mikroorgansimen. III. 1 2 W. Kolle, bewohnte Erdoberfläche heimgesucht imcl so deu Charakter einer Welt- seuche augenommeu, Avelche seither wiederholt ihre verheerenden Wan- derzüge angetreten und in denselben viele Millionen Opfer gefordert hat. In ihrem Auftreten als Pandemie in Indien und auf außerindisehem Boden hat diese in ihrer Heimat unter dem Namen Morshi, Mordeshin, Visuchika u. a. bekannte Krankheit später nach einer ihr nahe ver- wandten symptomatischen Kraukheitsform mit dem Namen Cholera und zur Unterscheidung von dieser mit dem der asiatischen oder besser indischen Cholera belegte Seuche bisher 4 Phasen durchlaufen, von welchen die erste den Zeitraum von 1817 — 23 einnimmt, die zweite von 1826—1837, die dritte von 18-46—62 reicht, die vierte 1864 ihren An- fang und 1875 ihr Ende gefunden hat«. Der große, fünfte Zug der Seuche begann 1883 und erreichte über Aegypten, Kleinasien und Russland Deutschland, wo im Sommer 1892 die Cholera mit dem gewaltigen Explosionsausbruch in Hamburg einsetzte und bis 1894 hier und da sich zeigte. Die Krankheit nahm besonders in Deutschland einen anderen Verlauf als in früheren Epi- demieen, obgleich sie an Bösartigkeit, wie die Hamburger Ausbrüche zeigten, nicht im mindesten nachgelassen hatte und an sich den geeig- netsten Boden zu ihrer Ausbreitung au vielen Orten vorfand. Wir wissen, dass die Ursache für diese Erscheinung die Durchführung des von R. Koch 102 geschaffeneu Vorbeuge- und Bekämpfungssystems war, auf das weiter unten eingegangen werden wird. Zu Beginn der 5. Pan- demie hatte eine Verbreitung der Cholera außerhalb Indiens um das Jahr 1883 stattgefunden. Diese Pandemie blieb indessen zunächst auf Indien selbst, einen Teil Arabiens und Aegypten beschränkt. Wichtig für die Geschichte ist diese Verschleppung der Cholera nach dem Lande der Pharaonen deshalb, weil sie zur Entdeckung des Seuchenerregers durch Robert Koch führte. Was nun das Geschichtliche dieser fünf großen Flutwellen der Seuche betrifft, die von ihrem jetzt noch bestehenden endemischen Herd, dem Mündungsgebiet des Ganges, ausgingen, so können hier nur die wich- tigsten Daten mitgeteilt werden. In Bezug auf die Einzelheiten, die infolge der Entdeckung Robert Kochs heutzutage zum Teil nur rein historisches Interesse beanspruchen, mag auf die ausgezeichneten Werke von Griesinger ^s, HaeserS' und Hirsch ^^ verwiesen werden. Sie sind auch die Quelle für die folgenden historischen Angaben. Tabelle I. Die Cholerapandemieen (nach Hirsch und Haeser). Lfde. Nr. 1. 2. 3. 4. nach Hirsch Jahreszahl 1817—23 1826—37 1846—62 1864—75 Zeit- dauer Lfde. Nr. nach Haeser i Jahreszahl i Zeit- dauer Ausbreitungsbezirk 6 1 ia)' 11 17 2. 3. 12 4. 1 1816-23 1826-37 1840-50 1852—60 1863-73 7 11 10 8 10 Asien, Afrika. Asien, Afrika, Euro- pa, Amerika, Au- stralien {?). Asien, Afrika, Europa, Amerika. Asien, Afrika, Eu- ropa, Amerika. Cholera asiatica. Tabelle I (Fortsetzung-; Lfde. Nr. Jahreszahl Ausbreitungsbezirk 6. Spätere Pandemie: 1883—96 1902— ? 13 Asien, Afrika, Eu- ropa. Asien, Afrika (Aegypten). Bei dem ersten Zuge der Cholera 1817 — 23 (siehe Tabelle II) seheu wir zunächst ein langsames Vordringen vom Ganges nach dem Osten und Süden. Es werden Hinterindien, von dort: Java, Borneo, Mauritius, von dort: Philippinen und Kleinen Sundainseln verseucht. Auch in China soll die Krankheit sich ver- breitet haben. Von 1821 ab trat sie dann den Weg nach dem Westen und Norden an, teils dem See-, teils dem Landverkehr folgend, erreichte über Arabien, Mesopotamien, Persien und Syrien Astrachan einerseits und Alexan- drien in der anderen Richtung. In diesen Ländern, namentlich in Kleinasien, hielt sich die Cholera dann noch einige Zeit, ohne indessen in Europa zu größerer Verbreitung zu gelangen. Erst bei der zweiten Pandemie, die mit dem Jahre 1826 von Bengalen aus einsetzte (siehe Tabelle III), gelangte sie in Europa und Amerika zu größerer Verbreitung. Die Einschleppung nach Europa erfolgte bei diesem Zuge nicht von Aegypten aus, sondern über Russland und die Türkei, wo- hin der Ansteckungsstoff namentlich mit den aus Arabien und Mekka zurück- kehrenden Pilgerzügen gebracht war. In Russland forderte die Seuche wegen der großen Ausbreitung gewaltige Opfer. Ebenso wie in Deutschland, wohin sie 1831 auf 3 Wegen von Russland aus gelangte, so trat hier diesmal wie auch bei späteren Ausbrüchen die Neigung der Cholera, den großen Verkehrsstraßen, namentlich dem Schiffsverkehr auf Flüssen und Seen im Inlande zu folgen, deut- lich zu Tage. Auch bei der Verbreitung der Epidemie über ganz Europa, die während der nächsten Jahre erfolgte, trat die Thatsache klar hervor, dass mit dem kranken Menschen selbst der Ansteckungsstoff ver- breitet wird. Durch den Seeverkehr wurde England, von dort Kanada und die Vereinigten Staaten, Mittelamerika und Kuba verseucht, auch Südamerika blieb nicht verschont, wie die Verschleppung nach Guyana zeigte. Aber auch nach dem Osten hatte sich die Cholera zu gleicher Zeit wieder gewandt und über China bis Japan verbreitet. Von 1838 ab verschwand die Seuche aus den genannten Ländern wieder vollständig und blieb bis 1846, dem Beginn des dritten großen Seuchenzuges (siehe Tabelle IV), auf das endemische Gebiet am Ganges beschränkt. Es würde zu weit für die Zwecke dieses Werkes sein, den Weg der großen Flut- welle, mit der sich die Seuche während 14 Jahren in den außerindischen Ländern hielt, zu verzeichnen, auch deshalb, weil derselbe sich im großen und ganzen mit dem Verlaufe der vorangegangenen Pandemie deckt, üeber Vorderindien, Afghanistan nach dem persischen Meerbusen, von da mit den Pilgerzügen teils nach Arabien, teils, den Euphrat und Tigris entlang, nach Persien gelangte der Ansteckungsstoff und Avurde dann über Russland nach dem Herzen Europas verschleppt. Nach zeitweiser scheinbarer Ruhe flammte die Epidemie bald hier, bald da heftiger auf, und ließ kaum eines der 1* 4 W. KoUe, Länder des Erdballes verschont, die mit dem Weltverkehr in Berührnns: kamen. Erst um 1860 waren alle Erdteile wieder cholerafrei bis auf Bengalen. Die vierte große Epidemie (siehe Tabelle V) begann 1863. Bei ihrem Vor- rücken nach Westen zeigte sie eine raschere Verbreitungsfähigkeit gegenüber ihren Vorgängerinnen. Es hängt dieser umstand offenbar mit der Entwicklung des Verkehrs mittels Dampfschiflen und Eisenbahn zusammen. Nicht nur die Zahl der Verkehrswege war in den 60er Jahren im raschen Wachsen begriffen, sondern auch die Schnelligkeit des Verkehrs war infolge der technischen Ver- vollkommnungen sehr gesteigert Avorden. Entgegen dem bei den früheren Epidemieen beobachteten Verhalten näherte sich die Cholera bei diesem Zuge nicht langsam (im Laufe eines Jahres oder mehrerer, Avie fräher) mit dem Ver- kehr und dem Pilgerzuge über Arabien und Kleinasien dem europäischen Russ- land und der Türkei, sondern von Aegypten aus, wohin sie mit dem von Djeddah nach Suez zurückkehrenden PilgerschifF im Mai 1865 eingeschleppt Avar, Avurde sie innerhalb weniger Wochen nach den verschiedensten Teilen Südeui-opas mit den Dampfschiffen verschleppt, so u. a. nach Valenzia, Marseille, Aneona, Malta, Konstantiuopel. In Italien und Frankreich breitete sich die Cholera Avährend des Jahres 1865 sehr rasch aus, aber auch in Spanien, Türkei, Rumänien und Russland griff die Epidemie noch während des Jahres 1865 ziemlich stark um sich. England wurde 1866 von Rotterdam aus verseucht. Auch Deutschland hatte erst 1866, dann allerdings sehr schwer, unter der Seuche zu leiden; es erlagen der Cholera in diesem Jahre allein im König- reich Preußen 114683 Personen. Einige Provinzen, z. B. Schlesien, Rhein- land und Westfalen, wurden besonders heimgesucht, von Luxemburg war die Cholera nach der Rheinprovinz eingeschleppt worden. Auch diesmal Avurde Nordamerika ergriffen und auch in Südamerika breitete sich die Krankheit bis zu den La Plata-Staaten aus; Paraguay, Buenos Aires und Corrientes Avurden durchseucht. Auch in Aegypten und von dort in Nordafrika (Algier, Marokko, Tunis) Avar es Avährend der Jahre 1866 — 67 zu Choleraepidemieen gekommen; nicht minder hatte die Epidemie in Arabien, Syrien, Kleinasien während dieser Zeit Fortschritte gemacht. 1868 — 70 trat fast in allen bis dahin stark von der Pandemie heim- gesuchten Ländern ein Absinken, ja völliges Erlöschen der Seuche ein. Nur an wenigen Punkten, die vom großen Weltverkehr etwas abseits lagen Avie in Russland, hielt sich der Infektionsstoff Avährend der Jahre 1869 — 70. Man braucht also nicht eine neue Einschleppung des Cholerakeimes von In- dien anzunehmen, um die erneute Ausbreitung der Cholera zu erklären, die hauptsächlich von Russland aus 1871 sich über Europa verbreitete. Im Deutschen Reiche erlagen der Seuche von 1871 — 74 33 651 Menschen; auch in Amerika uud Persien zeigte sich 1871 — 74 nach scheinbarer Ruhe ein neues Aufflackern der indischen Seuche. Der fünfte große Zug, den die Cholera um 1883 antrat (siehe Tabelle VI), nahm seinen Weg über Persien und Arabien wie die vorhergehenden und brachte den Keim 1891 — 92 nach Russland, in dem es rasch zu einer großen Ver- breitung der Seuche kam. Während der Jahre 1892 — 94 sollen schätzungsweise in dem russischen Europa allein 800000 Menschen au Cholera gestorben sein. Aber trotz dieser Aveiten Verbreitung des Cholerainfektionsstoffes auf europäischem Boden und zahlreicher Verschleppungen mit dem See- und Landverkehr nach fast allen größeren See- und Hafenstädten und Ländern Europas, Amerikas und Afrikas sind außer in Hamburg und Aegypten nirgends Epidemieen von nennensAverter Ausbreitung zustande gekommen. Auf die Ursache dieser Erscheinung, die im innigsten Zusammenhange mit der inzAvischen erfolgten Entdeckung des Choleraerregers in Gestalt des Vibrio cholerae asiaticae durch Cholera asiatica. 5 ROBERT Koch und der Kenntnis der Lebensbedingungen, Verbreitungsweise des nun bekannten Krankheitsstofifes stand, soll weiter unten näher eingegangen werden, bei Besprechung der Epidemiologie und Prophylaxis, welche letzteren beide namentlich durch das Studium und die Erfolge der Bekämpfung der letzten Choleraausbrüche in Deutschland endgiltig wissenschaftlich geklärt sind. Anfang 1896 war die Cholera aus allen Ländern (namentlich Russland. Deutschland, Persien und Aeg3'pten) wieder völlig verschwunden und ist seit- dem wieder auf Indien, ihr endemisches Gebiet, beschränkt geblieben. Ganz neuerdings scheint sich die alte Geißel der Menschheit allerdings vom Orient aus zu einem neuen Vordringen nach dem Occident zu rüsten. Anfang des Jahres 1902 ist die indische Cholera in Mekka und Jeddah unter den Pilgerzügen heftig aufgetreten, aber sie ist gleich als solche richtig und beim ersten Vorkommen erkannt worden. Trotz aller Vorsichtsmaßregeln ist die Seuche nach Aegypten eingeschleppt worden und hat dort eine außerordentliche Verbreitung gewonnen. Es sind fast 40000 Menschen der Seuche erlegen. Sie ist Ende 1902 zwar in Aegypten, aber in Syrien seit Oktober 1902 noch nicht erloschen. Ueber die Art der Einschleppung der Seuche hat eine sichere Feststellung nicht herbeigeführt werden können. Man darf erwarten, dass die Behörden auf Grund der einzelstaatlichen Maßnahmen, die zum Teil gesetzlich geworden sind, und gebunden durch internationale Vereinbarungen, im Zusammenwirken mit Aerzten, welche die Cholera zu bekämpfen gelernt haben, dieselbe noch mehr, als es bei der letzten Epidemie 1892 — 94 geschah, an der Ausbreitung in Europa verhindern, wenn die Seuche in größerem Umfange nach Europa eingeschleppt werden sollte. Zum Schluss mögen zur leichteren Orientierung über den Verlauf der fünf großen Cholerapandemieen einige Tabellen Platz finden, welche nach den Geschichtswerken von Haeser und Hirsch von Herrn Dr. R. Otto auf meine Veranlassung zusammengestellt sind. Tabellen*). Gang- der ersten Cliolerapandemie 1817 — ^1823 (nach Hirsch). Jahr Asien Afrika Europa Ame- rika Austra- lien 1817 Indien (Britisch-). 1818 Indien, Cejdon — — — — 1819 Indien, Nepal, Burma, Slam, Halb- insel Malakka, Sumatra. Mauritius, Reunion. — ■ — — 1820 Indien, Snnda-Inseln, Mo- lukken, Philippinen, China. Ostafrika (K. V. Zanzibar\ — — — 1821 Indien, Sunda-Inseln, Chi- na, Arabien, Mesopotamien, Persien. 1822 Sunda-Inseln, China, Ja- pan, Mesopotamien, Per- sien, Syrien. 1823 Sunda-Inseln, Syrien, Per- sien, Transkaukasien (russi- sches G-ebiet). Eussland (As- trachan). *) In den gesperrt gedruckten Ländern ist es zu großen Epidemieen ge- kommen. W. Kolle, (3 <-< OQ -w m m <3 es CO CO oc CS ü 'S 'S S! cß CS o W o > ö o d r o — o c .SO - s ce 1—1 ^j o o , — r: ^1 c3 S^ 3 ® £:.S-e CS 9 -^^ Ü e« M :S <» := TS o &c © ö s 0 ö a^":; ö o OS. ja =s SQ > TS m OQ § 2 o ro /^ -u 0 0® -tJ -H '^ tn „ —' © C *^ S ^ 'ö S.2 '^ o 'S "^ 1^ ^:'^ J-, «! -^ SOS :_, o — r-) 05 i-i s_ bo a c (D a ~ r.^ — ' »H ei o =^ Cl, I TS o o ^ CO o a o ^^ ■ - ö c ce «'S ■7TP5 03 c 03 faß 03 :3 O O «3 4ä! 03 03 CQ-Ö GO CO sa ö C3 CP 03 • •-« • r-l bß &D ^1« ^^ ^ - ^- ^ CS p cS p p 03 cS »-- c^ 1- CS >.^ CO CS •-5 CD t>- CO Cl O -^ CM (M (M OT CC CC 00 CO 00 CO CC' 'X '5p'S cc -t< >o cc cc CO CO CO OC' OC' 00 CO 00 Cholera asiatica. o J3 CS CM 00 CO 30 o V d :S 'S '. -i .^ 0&4 p a ^ -• CJ © O .^ ^j X— 03 ^ CS © s ^ 's ©K =« CS t^ 5 2^ t-i -'-' ^K © © ^' a;="« a S CS 9 °^ a ® -^ 5^ a — o »-I M CS . 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Kolle, Es besitzt mehr als historisches Interesse, in dieser kurzen geschicht- lichen Uebersicht die Worte des unvergesslichen Griesinger zu citieren, der in seinem klassischen Werke über Infektionskrankheiten (S. 248) im Jahre 1851 das Facit seiner historischen und epidemiologischen Studien über Cholera folgendermaßen zieht: >'Die Cholera war bis jetzt in allen Epidemieen, in allen Zonen vom Aequator bis in die Nähe des Polarkreises unter Lebens- bedingungen der Menschen von der möglichst differentesten Art durchaus die- selbe eigentümliche Krankheit. Unbedeutende Abweichungen im Charakter einzelner Epidemieen — später näher zu betrachten — verschwinden ganz gegen die große und allgemeine, von Klima und Witterung, Lebensweise und Zivilisationszustand, epidemischer und stationärer Konstitution vollkommen unabhängige Gleichartigkeit des wesentlichen Krankheitsprozesses. Die Krank- heit Avar ferner vor dem Jahre 1830 in Europa unbekannt und hatte sich in genau verfolgbarer Weise aus Indien kommend dahin verbreitet. Diese Umstände zusammen lassen auf eine Ursache schließen, welche in ihrem Wesen sehr unabhängig von äußeren Bedingungen sein muss, welche nicht überall in der ganzen Welt unter den allerverschiedensten Verhältnissen durch ein Zusammentrefi'en äußerer Umstände entstanden sein kann, sondern, irgend- wo entstanden, einer aktiven oder passiven Verbreitung oder Bewegung fähig ist, kurz auf eine spezifische, und der Verbreitung von einem Orte zum an- deren fähige Ursache zurückzuführen ist. Dieses seinem Wesen nach un- bekannte, durch seine Wirkung sich unzweifelhaft manifestierende Agens, dieses Gift ist das Wandernde und sich Verbreitende an der Cholera. Wie alle anderen Krankheitsgifte müsste es langsam wieder untergegangen sein, wenn es nicht immer neu reproduziert werden könnte. Wo immer die Cholera vorkommt, da — wir können nicht anders annehmen — muss eben diese spezifische, giftige Ursache vorhanden gewesen sein.« Diese spezifische Ursache, die Griesinger mit solcher Schärfe uud Bestimmtheit postulierte, gelang es Robert Koch^"^ im Jahre 1883 zuerst in Aegypten, dann in Indien, wohin er sich als Führer der vom deutschen Reich entsandten Kommission zu weitereu Studien der in Aegypten er- löschenden Choleraepidemie hegeben hatte, aufzufinden. Aegypten war 1883 zum sechsten Male von der indischen Seuche heimgesucht worden. Wie stets war auch im Jahre 1883 die Einschleppung der Seuche nicht vor Juni erfolgt, aber schon, als die Kommission unter Robert Kochs Führung einige Wochen in Aegypten gearbeitet .hatte, begann die Epidemie zu erlöschen. Trotzdem es an zahlreichen Gelegenheiten, auf der Höhe der Krankheit gestorbene Cholerakranke zu obduzieren, fehlte, gelang es doch Koch in Aegypten bereits, den Choleraprozess mit Sicher- heit als eine Darmkrankheit zu erkennen, bei welcher die Ursache in Gestalt kommaförmiger Bazillen sich im Darminhalt und den Wandungen des Dünndarms findet. Auch die Züchtung dieser Mikroorganismen ge- lang bereits in Aegypten, al)er erst in Indien schloss Koch unlösbar die Beweiskette für die ätiologische Bedeutung der von ihm gefundenen Kommabazillen bei der Cholera. Koch lieferte in mehrmonatiger fruchtbarer Arbeit ein in sich abgeschlossenes Gebäude der Choleraätiologie durch umfangreiche bakteriologische Unter- suchungen von Choleraleichen und Cholerakranken, zahl- reiche Kontrolluntersuchungen bei Gesunden oder an anderen Krankheiten leidenden oder gestorbenen Menschen, und das Studium der biologischen Eigenschaften der Cholerabakterien sowie durch den Nachweis der Choleraerreger in dem Wasser Cholera asiatica. 13 eines Tanks, durch dessen Genuss nachweislich eine große Anzahl Menschen an Cholera erkrankt waren. Zahlreiche Untersuchungen, die unter Beobachtung aller Kautelen in Indien ausgeführt wurden, zeigten sehr bald, dass die inneren Organe bei Choleraleichen, wenn sofort nach dem Tode entnommen, steril und frei von jenen gekrümmten Bakterien waren, welche in Schnitten der Darmwandung und im Darminhalt bereits in Aegypten zuerst von Robert Koch gesehen und durch das Züchtungsverfahren als entwick- lungsfähige Spaltpilze nachgewiesen waren. Diese Befunde, bei späteren Epidemieeu in vielen Tausenden von Fällen in vollem Umfange bestätigt, zeigten zunächst, dass die Angaben der Forscher, welche als Ursache der Cholera Spaltpilze aus den inneren Organen und dem Blut von Choleraleichen isoliert hatten, durch Versuchs- fehler in der Technik erklärt werden mussten. Ferner standen die KocHschen Entdeckungen aber im Einklang mit den pathologisch- anatomischen Befunden bei der Cholera, wie sie von Geiesixger, Vir- CHOW u. a. festgestellt Avaren. Nach diesen Autoren finden sich die vor- wiegenden Veränderungen bei Cholera nur im Darm, während die Leber, Niere, Lunge, das Zentralnervensystem gar keine oder nur ganz unbe- deutende bezw. sekundäre pathologisch-anatomische Veränderungen zeigen. Die historische Entwicklung der Choleraforschung führte dann zu den Bestrebungen, die Seuche auf Grund der gewonnenen ätiologischen Kennt- nisse zu bekämpfen. Als Vorläufer dieser erfolgreichen Bestrebungen sind die Arbeiten zu erwähnen, die auf eine Verfeinerung der Choleradiagnose hinzielten. Es sind hier die Namen von R. Koch, Heim^^, Schotteliusi^^ DuxBAR zu erwähnen. Hand in Hand mit der Verbesserung der Methoden, die Cholerabakterien aus Bakteriengemischen herauszuzüchten mittelst des Pepton-Aureicheruugsverfahrens, gingen die epidemiologischen For- schungen. Es gelang, die leichten Cholerafälle aufzuklären, im Trink- wasser die Choleravibrionen in zahllosen Fällen nachzuweisen, und sie im Darm ganz gesunder Menschen (der sogenannten Choleraträger) auf- zufinden. Nachdem dann auf diesen Befunden das Cholerabekämpfungs- system von R. Koch aufgebaut war, wandte sich die Choleraforschung den Immunitätsproblemen in experimenteller Weise zu. Diese Arbeiten, an denen R. Pfeiffer und seine Mitarbeiter (Wassermaxx, Issaeff, Rolle) hervorragend beteiligt waren, brachten nicht nur für die all- gemeine Immunitätslehre grundlegende Entdeckungen (R. Pfeiffers Bakteriolysine), sondern förderten auch Thatsachen zu Tage, die für die Schutzimpfung gegen Cholera verwertet werden konnten. Diese zuerst von Ferrax in Spanien, später von Haffkixe in Indien praktisch durchgeführte Impfung, die in subkutaner Einverleibung erst abgetöteter, später lebender Choleravibrionenkulturen besteht, erhielt durch die im KocHschen Institut ausgeführten Untersuchungen des Verf. eine wissen- schaftliche Begründung. In den letzten Jahren haben andere Stoffe, welche bei den Immunitätsstudien entdeckt wurden, die Cholera -Aggiutiniue (Grüber, Pfeiffer, Verf.), eine praktische Bedeutung gewonnen. Sie sind ein ebenso bequem zu handhabendes wie sicheres Mittel, um die Cholera- vibrionen rasch zu erkennen und von den zahlreichen ähnlichen Vibrioneu- arten zu differeuzieren. Die Choleradiagnostik, deren Prinzipien in der neuen, von R. Koch, M. Kirchner und dem Verf. aufgestellten Anleitung des preußischen Kultusministeriums für die bakteriologische Cholera- diagnose zur Geltung gekommen sind, hat damit einen gewissen Ab- schluss in Bezug auf Vollkommenheit und Sicherheit erlangt. 14 W. KoUe, Pathologische Anatomie. Wie mikroskopische Untersiichungeu zeigten, kommt es nur bei einem Teil der Choleratalle zu parenchymatösen Veränderungen an der Niere, die durch trübe Schwellungen der Nierenepitlielieu bedingt sind. Diese auf Giftwirkung beruhenden mikroskopisch wahrnehmbaren Zell- veränderungen können auch in anderen Orgauen, zuweilen nach schweren, in späteren Stadien der Krankheit zum Tode führenden Anfällen zu Tage treten. Alle gröberen pathologischen, makroskopisch wahrnehm- baren Veränderungen fehlen bei den reinen, nicht mit sekundären Pro- zessen (Streptococcus-, Bacterium coli -Infektionen) komplizierten Cho- leraerkrankungen. Robert Kochi^^i klärte bei den zahlreichen Leichen- öflnungen, die er mit seinen Begleitern Gaffky und Fischer in Aegypten und Indien vornahm, auch die pathologisch -anatomische Anschauung durch seine Beobachtungen wesentlich. Er konnte die Leichenbefunde, bei deren Beschreibung ich seinen Ausführungen in der ersten Cholera- konferenz zu Berlin 1884 gefolgt bin, als erster im Besitz der Kenntnisse über die Aetiologie und die Verbreitung des ätiologischen Agens im kranken Körper feststellen. Die Verändenmgen am Darme, wie sie sich bei der Leichenschau einige Stunden nach dem Tode Cholerakranker darbieten, stehen in Ab- hängigkeit von der Dauer des Krankheitsverlaufs und zwar so, dass um so tiefer greifende Veränderungen und Zerstörungen am Darme ge- funden werden, je längere Zeit die Krankheit vor dem Tode bestanden hatte. Hatte die Krankheit, wie das häufig vorkommt, innerhalb weniger Stunden zum Tode geführt, so findet sich der Dünndarm mit einer fast klaren Flüssigkeit gefüllt, in welcher Schleimflocken und abgelöste Epithelfetzen schwimmen. Häufig ist die Farbe des flüssigen Inhalts infolge von Blutbeimengungeu leicht rötlich, an Burgunderweiusuppe erinnernd. Der für Cholera typische Darminhalt wird nicht uuzutreÖend, wenn die Blutbeimischungen fehlen, häufig mit Sagowasser, Keiswasser oder, wenn er etwas mehr eingedickt ist, mit Mehlsuppe verglichen. Auch für die diarrhöischen Choleradejektionen treffen diese Vergleiche zu. In ganz akuten Fällen besteht der Darminhalt aus einer schwach röt- lichen Flüssigkeit, in welcher zahlreiche gallertige, blassrote Schleim- klumpen schwimmen, so dass die Massen grob gehacktem und mit einer reichlichen Menge Wasser übergossenem und ausgezogenem Fleische nicht unähnlich sehen (R. Koch). Die Gefäße der Darmwand erscheinen injiziert und erinnern in ihrer pfirsichroten Färbung an die durch Kohlenoxydvergiftung bedingte Farbe. Der Darm von außen gesehen zeigt ebenso wie die Schleimhaut, welche leicht geschwollen und trübe erscheint, eine blass rosenrote Färbung. Das gefärbte mikroskopische Deckglaspräparat, aus einem Tröpfchen des Reiswassers hergestellt, zeigt häufig eine Reinkultur der typischen Kommabazillen, die zwischen den Epithelzellen in Schleim eingebettet liegen. Bei längerem Bestehen des Choleraprozesses treten an der Schleimhaut stärkere Veränderuugen zu Tage. Die oberflächlichen Epithellagen werden abgestoßen, die Submucosa erscheint gerötet und entzündet; besonders am Rande der Solitärfollikel und PEYEUschen Plaques zeigen sich Gefäßinjektionen und Blutungen. Der Darminhalt weist in solchen Fällen zuweilen schon Zersetzuugserscheinungen auf und im mikroskopischen Präparat treten neben den Kommabazillen verschiedene andere Bakterienarten auf Schnitte durch die Darmschleimhaut zeigen, dass die Kommabazillen Cholera asiatica. 15 bis weit iu die Mucosa, ja oft bis iu die Subinucosa eiugedmugeu siud. Längs der Drüsenscliläuche schieben sie sich iu das Epithel ein, dieses nekrotisierend und von der Basalmembrau abhebend. In späteren Stadien der Krankheit gesellen sich andere Bakterien, namentlich das sonst im Darme als harmloser Saprophyt vorkommende Bacterium coli, dem Vordringen der Kommabazillen hinzu, diese bei ihrem Zerstörungs- werk unterstützend. Bei der Obduktion von den Choleraleichen, wo beim lebenden Men- schen das Bild des sog. Choleratyphoids bestanden hatte, finden sich diphtherisch-nekrotische Veränderungen im Darme. Sie erreichen ihre größte Intensität dicht oberhalb der Ileocökalklappe. Der Darm kann schwärzlich verfärbt und mit Blutungen durchsetzt erscheinen. Der Darmiuhalt ist zuweilen fäkulent oder blutig jauchig. Das mikro- skopische Präparat lässt wegen der Unzahl von vorhandenen Fäulnis- keimen und anderen Darmbewohnern die Kommabazillen kaum noch hervortreten. Erst das Gelatine- und Agarzüchtungsverfahren oder die Peptou-Anreicherungsmethode ermöglichen den Nachweis. In Schnitten der Darmschleimhaut gelingt es in diesem Stadium des Prozesses meist nicht mehr, die Kommabazillen aufzufinden. Aetiologische Bedeutung der Kochschen Kommabazillen. Es ist bei Benutzung geeigneter Züchtungsmethoden stets gelungen, die in Schnitten der Darmschleimhaut bei typischen Fällen von Cholera asiatica gefundeneu Kommabazillen auch im Darminhalte oder in den Ent- leerungen Cholerakranker aufzufinden. Dieser Nachweis ist vieltausend- fach in allen Ländern der Erde bei Choleraepidemieen erbracht worden, während Tausende von Kontrolluntersuchungen ihr Vorhandensein bei gesunden Menschen, welche mit dem Cholerainfektiousstotf nicht in Be- rührung gekommen sein konnten, oder bei kranken Menschen, die an anderen Darmstöruugen oder klinisch ähnlich verlaufenden Prozessen z. B. Cholera nostras leiden, nicht ergeben haben. Aus diesem Grunde müssen die KocHSchen Kommabazillen als die alleinige Ursache der Cholera iudica angesehen werden. Die Beobachtungen, dass auch schein- bar gesunde Menschen aus der Umgebung Cholerakranker den Infektions- stoff beherbergen und weiter verbreiten können, sprechen nicht gegen eine ursächliche Bedeutung des KocHScheu Vibrio. Denn wir wissen schon seit langer Zeit, dass es Menschen giebt, welche nach Aufnahme derselben lufektionstoffe, an denen andere Menschen schwer erkranken und sterben, ganz leicht erkranken. Durch die bakteriologische Untersuchung sind derartige leichte und leichteste Cholerafälle als zur echten Cholera gehörig aufgeklärt worden. Die Menschen, welche gar nicht für den Infektionsstoff disponiert sind, erkranken nach Aufnahme desselben in den Magen-Darmkanal überhaupt nicht, sondern beherbergen die Vibrionen als Saprophyten für einige Zeit im Darme. Wir finden also bei der Cholera die gleichen Verhältnisse, wie bei fast allen Infektionsstoffen: für letzteren hochempfängliche, wenig empfängliche, unempfängliche Individuen. Die neueren Immunitätsforschungen, Tierversuche und die spezifischen Schutzimpfungen haben in allerletzter Zeit noch ganz un- zweifelhafte Beweismittel für die ätiologische Bedeutung der KocHSchen Kommabazillen gegeben. 16 W. Kolle, Morphologie und Biologie der Choleravibrionen. Nimmt man ein Tröpfcheu einer Bouilloukultur der Choleravibriouen und betrachtet dasselbe im liohlg-eschlitteueu Objektträger, an einem Deckgläsehen hängend, mit der Oelimmersiou, so sieht man, dass die Vibrionen lebhaft beweglich sind. Sie schießen durch das Gesichtsfeld mit solcher Schnelligkeit, dass Koch dieses mikroskopische Bild mit dem Anblick eines Mückenschwarmes verglichen hat. Die Bewegimgs- fähigkeit verdanken die Vibrioneu einer endständigen Geißel, welche mittels der Geißelfärbungsverfahren von LÖFPLERm oder von VAN Ermengem oder des sehr brauchbaren Verfahrens von Zettnow (siehe die genaue Vorschrift für dasselbe bei Kolle, Klin. Jahrb. 1903, Bd. X) leicht dargestellt werden kann. Es ist mehrfach die Behauptung aufgestellt worden, die Choleravibrionen hätten mehrere Geißeln, so z. B. von Bunge 2:^, Gruber ^1, Kamen 92=1, Nicolle & Morax124 u. a. Die Autoren haben zu einer Zeit ihre Untersuchungen angestellt, als man noch keine absolut sicheren Erkennungsmittel für die Cholera- vibrionen besaß, wie wir sie in den spezitischen Cholera- Agglutininen und Cholerabakteriolysiuen jetzt kennen gelernt haben. Untersuchungen, welche neuerdings Gotschlich und Kolle i^^ an mehr als 60 Stämmen echter d. h. mittelst der Immuuitätsreaktiouen identifizierter Cholera-Kul- turen angestellt haben, die aus Choleradejekten während der letzten ägyp- tischen Choleraepidemie isoliert waren, sind zur Beurteilung dieser Frage ausschlaggebend. Die von Zettnow nach seiner Methode vorgenommene Geißelfärbung ergab stets nur eine eudstäudige Geißel. Dagegen wiesen von den durch die Immuuitätsreaktionen und anderweitige Untersuchungen als von den Choleravibrionen artverschieden erkannten Vibrionenkulturen (mehr als 20 Stämme sogen, choleraähnlicher Vibrionen), die mittelst der Peptonmethode von Gotschlich aus menschlichen Dejekten zur gleichen Zeit in Aegypten isoliert waren, einige 2 — 4 — 6 endständige Geißeln auf. Vibriouenkulturen , deren Individuen mit mehr als einer Geißel versehen sind, können deshalb nicht als echte Cholerakultureu anerkannt werden. Im gefärbten Präparate erscheinen die Cholera- vibrioneu als kurze, leicht gekrümmte Stäbchen von durchschnittlich 1,5 .(( Länge. Die Dicke ist ungefähr ein Viertel des Längendurch- messers. Nicht alle Exemplare einer Peinkultur zeigen in dem mikro- skopischen Präparat diese typische Form. Man sieht häufig Komma- bazillen, welche aneinander hängen und so die Form eines Halbkreises bilden können. Bei anderen Individuen ist der Zusammenhang ein solcher, dass s- förmig gekrümmte Figuren entstehen, und in älteren Kulturen kommt es sehr häufig zur Bildung von langen Fäden, welche eine Schraube darstellen. Diese längeren Fäden wiegen in älteren Kul- turen, d. h. in solchen, welche länger als drei Tage gewachsen sind, vor. Die Windungen der Schraube können sich ganz verstreichen, so dass es den Eindruck macht, als ob sich neben den einzeln liegenden Kommabazillen gerade Fäden in einer solchen Kultur befinden. Auch bei Zusatz von entwicklungshemmenden Substanzen, von Antiseptica u. s. w., in ganz schwacher Konzentration zu den Nährböden beobachtet mau, wie die Vibrionen sich mit Vorliebe in Schraubenwiudungen aneinanderlegen. Die Kommaform, welche wir im gefärbten Deckglaspräparate beobachten, isf natürlich nur der optische Ausdruck einer Krümmungsform des Vibrio, der in Wirklichkeit einen Teil einer echten Schraubenwindung darstellt. In der That sieht man häufig auch in gefärbten Präparaten diese Um- Cholera asiatica. 17 kelir der Windimgeu zu Tage treten, und es entstehen dann die E-Formen der Kommabazillen. Während in jungen Kulturen, die nicht länger als höchstens 24 Stunden bei 22—37° C gewachsen sind, die Mehrzahl aller Vibrionen lebhafte Beweglichkeit im hängenden Tropfen und typische Formen, wie sie eben geschildert wurden, im gefärbten Präparate er- kennen lässt, treten nach mehrtägiger Aufbewahrung, namentlich bei höheren Temperaturen, in den Kulturen Involutionserscheinungeu au den Kommabazillen auf. Die einzelnen Exemplare strecken sich teils so, dass die Krümmung fast verloren geht, und werden dabei dicker. Sie lagern sich zu Fäden zusammen oder quellen und nehmen Kugelgestalt an. Es entstehen auf diese Weise Bilder, welche kaum noch eine Aehnlich- keit der einzelnen Bazillen im mikroskopischen Präparate mit den aus- gesäeten Kommabazillen erkennen lassen. Beim Zerfall solcher Fäden und Spirillen kann es zu Bildern kommen, welche durch die Spindel- und Bläschenform thatsächlich einige Aehnlichkeit mit Sporen besitzen. Um so mehr, als die Färbbarkeit dieser Gebilde eine sehr schlechte wird. Dieselben färben sich nicht mehr in toto, sondern erscheinen wie blasse Schatten mit dunklen Körnchen und hellen Lücken. Schon in Indien hatte R. Koch durch Versuche nachgewiesen, dass eine Sporenbildung bei den Kommabazillen höchstwahrscheinlich nicht vorkommt, weil der Choleraansteckungsstoff (die Dejekte) ebenso wie die Reinkulturen der Cholerabakterieu sehr wenig widerstandsfähig gegen Austrocknung und Erhitzung sind. Trotzdem haben die eben beschriebenen Absterbeformeu der Cholera- bakterien, welche durch Kitasato^^ und van Eemengem in einwands- freier Weise als sterile Involutionsformen nachgewiesen worden sind, verschiedene Beobachter veranlasst, diese schwer färbbaren Gebilde als Fruktifikationsvorgänge der Choleraerreger zu bezeichnen. Eine der- artige Deutung haben Carillox^*, Ceci, Ferkan^Su. a. den Involutions- formen gegeben. Auch die von Hueppe beschriebene Dauerform der Kommabazillen dürfte nichts anderes darstellen als eine Absterbeform der Choleravibriouen. Hueppe beschreibt, dass bei Erschöpfung des Nährbodens sich lange Fäden bilden, in deren Verlaufe an einer Stelle die Bildung von 1 oder 2 Kügelchen eintritt, welche den Durch- messer des Fadens etwas übertreffen und stärker lichtbrechend sein sollen. Im Laufe der Zeit sollen sich diese Kügelchen vermehren und oft direkte Häufchen bilden, welche eine gewisse Aehnlichkeit mit einer Zoogloeamasse haben. Nach Hueppes" Beobachtungen entstehen aus diesen unbeweglichen Kügelchen bei Uebertragung auf frische Nähr- böden wieder Kommabazillen, indem zunächst die Kügelchen ihr Bre- chungsvermögen verlieren, sich zu kurzen Stäbchen strecken und dann nach Annahme der Kommaform sich als Kommabacillus weiter teilen und vermehren. Da derartige Gebilde in allen älteren Cholerakulturen mit Leichtig- keit nachzuweisen sind und trotzdem diese Kulturen, selbst wenn sie reich an solchen von Hueppe als Arthrosporen bezeichneten Gebilden sind, weder der Austrocknung noch den Desinfektionsmitteln oder der Erhitzung gegenüber sich im mindesten widerstandsfähiger erweisen als Cholerakulturen, in welchen solche Gebilde nicht zu finden sind, so sind diese HuEPPEschen Arthrosporen mit Bestimmtheit als identisch mit den sterilen Involutionsformen, wie Kitasato nachwies, zu betrachten. Bei Kulturen, welche viele Jahre hindurch ohne Einschaltung von Tierpassagen nur durch Fortzüchtung von Agarröhrchen zu Agarröhrchen Handbuch der patliogenen Mikroorganismen. III. 2 18 W. Kolle, im Laboratorium aufbewahrt sind, geht die typische Krümmung- der Choleravibrionen meistens verloren. Derartige Kulturen enthalten dann nicht mehr gekrümmte Kommata, sondern oft ganz gerade Stäbchen, welche trotzdem durch ihr biologisches Verhalten und durch absolut sichere Identifizierungsverfahren wie z. B. die Immunitätsreaktionen als echte Cholerakulturen erkannt werden können. Durch Tierpassagen lässt sich häufig die typische Kommaform einigermaßen wieder her- stellen. Die Kenntnis dieses Verhaltens älterer Cholerakulturen ist in- dessen wichtig. Ueberhaupt weisen die einzelnen Individuen verschiedener Cholera- kulturenstämme konstant nicht unerhebliche Differenzen in ihrer Größe auf. Es giebt Stämme mit ganz langen, schlanken Individuen, die nur geringe Krümmung zeigen und deshalb große Aehulichkeit mit geraden Bazillen besitzen können. Andere Stämme bestehen aus kurzen, stark gebogenen Exemplaren, ja es kommen gar nicht so selten Cholera- kulturen vor, deren Einzelindividuen so kurz und wenig gekrümmt sind, dass sie von Kokken oder ganz kurzen ovoiden Stäbchen nicht oder kaum zu unterscheiden sind. Die rein morphologischen Kenn- zeichen der einzelnen Individuen sind bei Cholerakulturen zu einer Art- erkennung, geschweige denn zu einer Differenzierung einander nahe- stehender Vibrionenarten nicht zu verwerten. Die Choleravibrionen färben sich außerordentlich gut und leicht mit den meisten basischen Anilinfarben. Bei Anwendung der Einzelfärbungs- methoden erseheinen die Vibrionen viel dicker, als bei Verwendung der gewöhnlichen Färbeverfahren. Es hängt dies damit zusammen, dass die Hüllen der Bakterien infolge der Beizung auch gefärbt werden. Als eine vorzügliche Färbeflüssigkeit ist die im Verhältnis 1 : 10 mit Wasser ver- dünnte Karbolfuchsinlösung zu empfehlen. Nach Gkam sind die Cholera- vibrionen nicht färbbar. Die Färbung in Schnitten gelingt am besten mit Hilfe des alkalischen Methylenblaus und uachheriger DiÖerenzierung in leicht mit Essigsäure angesäuertem Alkohol. Aber auch die Pfeiffer- sche UniversalfärbuDgsmethode für Schnitte (siehe Methoden) giebt oft recht gute Bilder. Immerhin ist die Färbung von Kommabazillen in Schnitten nicht leicht, und es wäre die Kenntnis eines guten Doppel- färbungsverfahrens, welches die leichte Erkennung der Stäbchen im Gewebe ermöglicht, sicher ein Fortschritt. Im Gewebe verlieren die Kommabazillen besonders leicht ihre typische Krümmung und Form. Sie erhalten oft, namentlich wegen der auftretenden Spindelformen, eine gewisse Aehnlichkeit mit den Rotzbazilleu, mit denen sie, wie R. Koch schon in Aegypten beobachtete, in den Schnitten von menschlichen Choleradärmen morphologisch direkt verglichen werden können. Die Kultur der Kommabazillen auf den gebräuchlichen Nährmedieu gelingt sehr leicht. Voraussetzung ist dabei, wie bereits bemerkt wurde, eine starke alkalische Reaktion der Substrate. Am charakteristischesten ist ihr Wachstum in Gelatincplatteu; sie bilden in denselben bei einer Temperatur von 22*^ C schon nach 24 Stunden mit dem bloßen Auge eben sichtbare kleinste helle Pünktchen. Bei Anwendung der schwachen Vergrößerung sieht man, wie diese kleinsten Kolonieen der Cholera- bakterien ein eigenartiges granuliertes Verhalten der Oberfläche zeigen, so dass die hellglänzenden Kolonieen wie mit kleinen Glasstückchen bestreut erscheinen (R. Koch). Die Kolonieen sind völlig ungefärbt und unterscheiden sich von anderen Kolonieen, namentlich den Bacterium coli-Kolonieen, die bei Züchtung aus dem Darm in erster Linie in Cholera asiatica. 19 Frag-e kommen, durch ihr starkes Lichtbrechuugsvermög-en. Je älter die Kolonieeu werden, desto unregelmäßiger wird ihr Rand. Die Fär- bung- wird leicht gelblich unter Zunahme des Lichtbrechuugsvermügens. Nach einiger Zeit, nach spätestens 48 Stunden ist auch ohne Mikroskop die Verflüssigung der Gelatine, welche durch das Wachstum der Kolonieen hervorgerufen wird, zu erkennen. Man sieht mit bloßem Auge, wie die Kolonieeu in der Gelatine einzusinken scheinen. Bei den am weitesten entwickelten Kolonieeu macht es den Eindruck, als ob sie, namentlich die oberflächlich liegenden, auf dem Grunde eines kleinen Trichters der verflüssigten Gelatine lägen. Bei einem Teil der Kolonieeu tritt nach 24 Stunden eine Differenzierung des zentralen Teiles von dem Rande ein. Die zentrale Partie erscheint leicht gelblich gefärbt und löst sich häufig in Bröckchen auf, während der Randteil der Kolonie hellglänzender bleibt und eine scharfe Kontur annimmt. Lange im Laboratorium fortgezüchtete Kulturen zeigen auch in Bezug auf das Wachstum in der Gelatine ein atypisches Verhalten. Sie verlieren die Fähigkeit, die Gelatine zu verflüssigen, häufig fast ganz, sehen bräun- lich gefärbt aus, bilden Schlingen und auch die übrigen Merkmale können so verwischt sein, dass selbst der Geübteste nicht imstande sein würde, aus der Gelatineplatte die Choleravibriouen zu erkennen, wie dies bei frisch aus menschlichen Därmen oder Dejekten gezüchteten Vibrionen der Fall ist. Aber auch an den frischen, aus dem cholera- kranken Menschen oder aus Choleraleichen gezüchteten Kulturen treten häufig schon nach wenigen Uebertragungen auf den Nährböden starke Diff'erenzierungen der Kolonieen in zwei Typen auf, nämlich erstens stark lichtbrechende, die als Typus der ganz frisch in erster Generation aus Cholerafällen gezüchteten gelten können, und zweitens mehr bräun- liche Kolonieen, welche den in alten Laboratoriumskulturen überwiegend oder allein vorkommenden Typen entsprechen. Es giebt Cholerastämme, bei welchen der erste Typus überwiegt; aber in manchen Stämmen, namentlich mit zunehmendem Alter der Fortzüchtung, überwiegt der zweite Typus, der selbst vom geübten Bakteriologen oft nicht für choleraähnlich erklärt werden kann. Die Gelatineplatte allein ist, zumal viele choleraähnliche Vibrionen auf derselben genau so wie die echten Cholerakulturen wachsen, als ein sicheres Dififerenzierungsmittel zu dia- gnostischen Zwecken nicht mehr anzusehen. Legt man Stichkulturen in Gelatine an, so zeigt sich längs des Lnpf- stiches ein Wachstum, welches von oben nach unten allmählich abnimmt, die Kultur erscheint längs des Impfstiches wie ein weißlicher Faden; die Verflüssigung beginnt an der Oberfläche und setzt sich trichterförmig nach uuten fort. An dem größten Umfange des Trichters, der nach der Oberfläche zu gelegen ist, bildet sich durch die Verdunstung des Wassers eine von Gelatine umschlossene Luftblase. Früher wurde der Impfstich in Gelatine als ein sehr charakteristisches Differenzierungsmittel des Choleravibrio von ähnlichen Bakterien betrachtet. Abgesehen davon aber, dass in Abhängigkeit von der Menge des Impfmaterials und der Zusammensetzung der Gelatine sich erhebliche Abweichungen von dem beschriebenen Bilde zeigen, weisen auch andere Vibrionen, welche mit den Choleravibrionen nichts zu thun haben, dasselbe Verhalten auf. Außerdem besitzen wir jetzt andere Mittel zur Erkennung der Cholera- vibrionen. Bei älteren Sticlikulturen kann die Verflüssigun»: soweit gehen, dass die ganze Masse der Gelatine durch das von den Vibrionen gelieferte peptonisierende Ferment in flüssigen Zustand gebracht wird. 2* 20 W- KoUe, Auf Ac:ar-Agar zeig-eu die Cholerakolonieeii ein recht charakte- ristisches Verhalten, welches dem Geübten die Möglichkeit giebt, sie namentlich von den in erster Linie bei der Ausführung der Cholera- diagnose in Betracht kommenden Kolonieen des Bacterium coli zu diiferenzieren. Während die Bacterium coli-Kolonieen weißliche, un- durchsichtige Kolonieen bilden, zeigen die 18— 24 stündigen Cholera- kolonieen sich als blasse Scheiben, welche bei durchfallendem Licht ein eigenartig opaleszierendes L'idisieren zeigen, eine Eigentümlichkeit, welche in diesem Maße auf der Agarplatte vorwiegend nur Vibrionen- kolonieen besitzen. Bei schwacher Vergrößerung treten außer einer ganz geringen Chagrinierung keine spezifischen Eigentümlichkeiten in der Struktur der Vibrionenkolonieen zu Tage. Auf Kartoffeln entsteht infolge Wachstums bei höheren Tempera- turen ein graubrauner, fadenziehender Ueberzug. In sterilisierter Milch ündet eine ziemlich lebhafte Ent Wickelung der Cholerabakterien statt, ohne dass die Milch äußerlich verändert wird. Auf Blutserum wachsen die Choleravibrionen ziemlich üppig und bringen dabei infolge Bildung eines peptonierenden Fermentes das Blutserum zur Verflüssigung. Li Bouillon gedeihen die Cholerabakterien außerordentlich üppig. Die Bouillon wird dabei getrübt und auf der Oberfläche kommt es nach 24 Stunden zur Bildung eines zarten transparenten Häutchens, das im Verlaufe einiger Tage dicker und dicker wird und häufig zu Boden sinkt. Li Traubenzuckerbouillon bildet der Cholera vibrio, wie Kuprianow106 und Gosio^^ zeigten, eine linksdrehende Milchsäure. Ganz außerordentliche Vermehrungsfähigkeit zeigen die Vibrioneu in einer Iproz. Peptou- lösung, welche mit 1/2^ Kochsalz versetzt und gut alkalisch ist. Die Vibrionen zeigen dabei das eigentümliche Verhalten, dass sie sich schon nach ganz kurzer Zeit des Wachtums in großer Menge an der Oberfläche der Flüssigkeit ansammeln. Schon 6 Stunden nach Aussaat selbst ganz vereinzelter Choleravibrionen in ein solches Röhrchen findet man auf der Oberfläche oft schon eine Reinkultur der typischen Kommabazillen vor. Diese Eigenschaft der Choleravibrionen, so außerordentlich rasch in Peptonlösung zu wachsen und sich infolge ihres lebhaften Sauerstoff- bedürfnisses auf der Oberfläche anzusammeln, ist zu Anreicherungs- verfahren benutzt worden, deren Prinzip zuerst von Schottelius durch Verwendung von Bouillon für die Anreicherung angegeben, dann aber von R. Koch und Dunbar weiter ausgearbeitet und den Zwecken der praktisclien Choleradiagnose dienstbar gemacht worden ist. Die Choleravibrionen sind obligate Aerobier, Man kann sich hiervon leicht überzeugen, wenn man eine Gelatineplatte, wie R. Koch zuerst demonstrierte, mit Choleravibrionen beschickt und an einer Stelle mit einem Deckgläschen bedeckt. Schon die geringe Absperrung des Sauer- stoifs, welche das Auflegen des Deckglases hervorruft, bedingt, dass die Clioleravil)rionen sich unter dem aufgelegten Deckglas im Laufe der nächsten Tage so gut wie gar nicht entwickeln, während außerhalb des Bezirks des Deckgläschens, da, wo der Sauerstoff hinzutreten kann, eine üppige Entwickelung von Kolonieen stattfindet. Diese Beobachtung hat Hesse ^^ Aveiter verfolgt und ferner durch mühsame gasanalytische Unter- suchungen gezeigt, dass l)ei völligem Abschluss des Sauerstoös auch nicht eine Spur von Wachstum stattfindet. Aber schon bei Zufuhr mini- malster Mengen freien Sauerstoffs l)cginnt die Entwicklung der Vibri- onen. Aus diesem Grunde ist auch das Wachstum von Cholerabakterien in Eiern, in welchen es zur Bildung von Schwefelwasserstoff kommt. Cholera asiatica. 21 ein sehr geringes. Zwar haben Scholl & Hueppe"^ behauptet, dass die Cholerabakterien beim Wachstum in frischen Eiern große Mengen von Schwefelwasserstoff freimachen, w^odurch sich anaerobe Wachs- tnmsverhältuisse herausbilden sollen. Die Autoren nehmen au, dass der im Ei gebildete, dann unter Ueberdruck vorhandene Schwefelwasserstoff die Diffusion von Luft durch die Schale völlig verhindert und dass demnach die Choleravibrionen, wenn es gelungen ist, Reinkulturen der Choleravibrionen in den Tieren zu erzielen, sich unter anaeroben Verhält- nissen üppig weiter vermehren. Zenthöferi^i^ Döxitz^s, Abel & Dräer^ konnten indessen zeigen, dass diese Angaben von Hueppe & Scholl nicht zutreffend sind. Es zeigte sich, dass stets dann, wenn die Kultur der Choleravibrionen in den Hühnereiern absolut rein war, sich niemals erhebliche Mengen von Schwefelwasserstoff nachweisen ließen, selbst dann nicht, wenn die Entwickelung der Kultur eine sehr üppige im Hühnerei w^ar. Man kann Reinkulturen der Choleravibrionen in Eiern gewinnen, ohne dass Schwefelwasserstoff durch Geruchssinn oder durch chemische Reagentien (Bleipapier u. s. w.) darin nachzuweisen ist. Nur dann, wenn man durch das mikroskopische Präparat oder durch Kulturverfahren die Anwesenheit von anaeroben Bakterien beob- achtet, findet man auch Schwefelwasserstoff in dem Ei (Dönitz, Zent- höfer). Bei Zusatz von geringen Mengen konzentrierter chemisch reiner Schw^efelsäure oder Salzsäure zu Bouillonkulturen oder Peptonkulturen der Cholerabakterien tritt, wie Poehl i^^ und nach ihm Bujwid & Dun- ham'-'' ^"' 11 zeigten, eine violette, an Burgunderweinrot erinnernde Färbung auf. Diese Farbreaktion, welche als Cholerarotreaktion bezeichnet wird, spielte längere Zeit eine große Rolle als Differentialdiagnosticum der Cholerakulturen. Nach Untersuchungen von Brieger^^ ist die Cholerarotreaktion nichts weiter als die Nitrosoindolreaktion. Wie Salkowski 157 xiucl Petri 132 zeigten, bilden nämlich die Choleravibrionen in Bouillon- oder Peptonkulturen außer erheblichen Mengen von Indol auch durch Reduktion Nitrite aus den in den Nährböden stets ent- haltenen Nitraten. Wird mm zu den Kulturen eine starke Mineralsäure zugesetzt, so wird aus den Nitriten durch Verbindung des Natriums mit der stärkeren Schwefel- oder Salzsäure salpetrige Säure frei, und diese bildet mit dem Indol zusammen einen neuen Körper, das Cholera- rot, welches Brieger rein darstellte. Während man früher dieser Cholerarotreaktion große Bedeutung als differential-diagnostisches Merk- mal beilegte, hat jetzt diese Reaktion zwar noch eine gewisse Be- deutung, aber nur in dem Sinne, dass ein negativer Ausfall der Reaktion dann, wenn in dem gleichen Pepton eine echte Cholerakultur die Rotreaktion giebt, beweist, dass die zu prüfende Kultur keine Cholerakultur ist. Andererseits giebt es eine große Anzahl von cholera- ähnlichen Vibrionen, welche ebenso wie die Cholerabakterien die Rot- reaktion zeigen, die sog. Cholerarotbildner. Bei der Ausführung der Cholerarotreaktion ist es notwendig, eine ganze Anzahl von Kautelen zu beobachten, welche sehr eingehend von Bleisch^*^ studiert worden sind. Es ist zu vermeiden , Bouillonkulturen zur Anstellung der Reaktion zu benutzen, weil der Gehalt an salpetersauren Salzen in ihnen zu schwer zu bestimmen und zu kontrollieren ist. Das Eintreten der Reaktion steht aber, wie Bleisch zeigte, in engem Zusammenhange mit der Menge derartiger Salze in der Nährlösung. Günther ^9 beobachtete auch auf ^& festen Nährböden (Agarplatten) die Cholerarotreaktiou. Am besten eignet 22 W. Kolle, sicli zur Anstellung der Reaktion eine Iproz. Lösung von WiTTESchem Pepton unter Hinzufügung- von V2 % Kochsalz. Die Nährböden müssen, wenn das Wachstum der Choleravibrionen auf ihnen ein üppiges und gutes sein soll, einen bestimmten Alkalitätsgrad haben. Xamentlich zur Erzielung von virulenten und gut beweglichen Kulturen ist ein Alkalitätsoptimum unerlässlich. Am besten hat sich bei darauf gerichteten Untersuchungen ein Alkalizusatz, auf den Lackmusneutralpuukt bezogen, von 3 ccm von 10 proz. Natronlauge auf 100 ccm Agar oder Gelatine bewährt. Im allgemeinen lässt sich sagen, die Choleravibrionen sind empfindlicher gegen einen geringeren Alka- litätsgrad, als gegen erhöhten Alkalizusatz. Auf Nährböden mit neu- traler oder gar leicht saurer Reaktion findet ein Wachstum der Cholera- vibrionen nicht statt. Bei schwach alkalischer Reaktion ist das Wachs- tum sehr verlangsamt und das Verflüssigungsvermögen gegenüber der Gelatine und dem Blutserum vermindert. Wie Kitasato^^ zeigte, genügt bereits ein Säuregrad des Nährbodens von 0,07^ Salzsäure, um jede Entwicklung der Choleravibrionen zu verhindern. Die Entwickelung der Cholerabakterien findet am üppigsten zwischen 30—40° C statt. Unter 16" C findet, wie Koch zeigte, kein mit dem bloßen Auge erkennbares Wachstum statt, aber selbst bis zu 8° C herab findet eine sehr langsame Entwickelung, die mit dem Mikroskop nachzuweisen ist, noch statt. Bei 22 — 25° C, Temperaturen, welche für das Gelatinewachstum hauptsächlich benutzt werden, findet schon eine lebhaftere Entwickelung der Kulturen statt. Wenngleich die nie- drigen Temperaturen für die Entwickelung der Kulturen nicht geeignet sind, so um so mehr für die Konservierung, da die Virulenz der Komma- bazillen sich bei Eisschrauktemperaturen z. B. außerordentlich viel besser unter sonst gleichen Verhältnissen, d. h. ohne Einschaltung von Tier- passagen erhält, als bei höheren Temperaturen. Niedrige Temperaturen, selbst bis zu — ^5° C herab, können die Vibrionen gut aushalten, selbst mehrere Tage. Sie halten sich z. B. im Eis bis zu 4 Tagen lebend und infektionsfähig, wie Uffelmann zeigte 1^^. Von Wichtigkeit für die Auffassung über Verbreitung des Cholerakeimes außerhalb des Körpers sind die Versuche, wie sich die Cholerabakterien gegenüber Austrocknung, höheren Temperaturen und im Kon- kurrenzkampfe mit anderen Bakterien, namentlich den Saprophyten des Wassers, Bodens und in faulen Flüssigkeiten verhalten. Wie R. Koch schon in Indien bald nach der Entdeckung der Cholerabakterien zeigte, sind die Kommabazillen gegen Austrocknung außerordentlich empfindlich. Bringt man ein Tröpfchen einer Cholerabouillonkultur auf ein Deck- gläschen und lässt es an der Luft langsam eintrocknen, so sind schon nach zwei Stunden sämtliche Vibrionen in dem eingetrockneten Material abgestorben. Denn wenn man ein solches Deckgläschen in ein Pepton- röhrchen zum Zwecke der Anreicherung hineinwirft, so gelingt es trotz- dem nicht, lebende Kommabazillen zur Entwicklung zu bringen. Bei raschem Eintrocknen oder bei Heranziehung der Wirkung des Sonnen- lichtes gelingt es, die Kommabazillen noch rascher abzutöten. Das gleiche Verhalten wie die jungen Agarkulturen oder menschliche Choleradejekte, welche angetrocknet waren, zeigen auch alte Kulturen, welche reich an Involutionsformen sind. Es geht aus diesen Beobachtungen hervor, dass eine Bildung von Dauersporen bei den Cholerabakterien nicht stattfindet. Der Nachweis der raschen Abtötung der Choleravibrionen durch das Antrocknen ist al)er auch wichtig für die Anschauungen über das Cholera asiatica. 23 Zustandekommen der Choleraiiifektion. Es kauu ein Ueberg-elieu der Cholerabakterieu mit trockenem Staub in die Luft nicht stattfinden. Deshalb kann eine Infektion mit Cholerabakterien durch Einatmung von trockenem Staub nicht erfolgen, nur durch Verspritzen von Flüssig- keiten oder feuchten Objekten können Cholerabakterien mit den verstaubten Tröpfchen in die Luftströmung gebracht und so weiter ge- tragen werden. Aber auch in solchen Fällen wird es zu einer Inhalations- Infektion nicht kommen können, weil die Cholerabakterien von der Lunge aus, wenn sie überhaupt eingeatmet werden sollten, keine infektiösen Eigenschaften entfalten. Auch gegen Erwärmung sind die Cholerabakterien sehr wenig wider- standsfähig. Die Siedehitze zerstört die Vibrionen augenblicklich. Bei 80" C werden sie innerhalb fünf Minuten mit Sicherheit abgetötet, und schon einstüudiges Erwärmen auf 56° C genügt zur Zerstörung des Lebens der Choleravibriouen. Den meisten Desinfektionsmitteln setzen die Choleravibrionen ganz aurtallend geringen Widerstand entgegen. So genügt eine Y2Pi'oz. Phenollösung, um in fünf Minuten, eine Iproz., um in zehn Minuten mit Sicherheit große Mengen der Choleravibrionen ab- zutöten. Bei Einsaat der Cholerakulturen in Sublimatlösung mit ganz minimalem Gehalt au Quecksilberchlorid (1:2 — 3000000) findet schon nach 5 — 10 Minuten eine Abtötung der Keime statt ( Forster ^ß). Säuren, namentlich Mineralsäuren schädigen und töten die Choleraerreger in ganz schwachen Konzentrationen. Salzsäure, Schwefelsäure in Verdünnung 1 : 10000 führen innerhalb weniger Sekunden die Abtötung herbei. — Bei Gegenwart von organischen Substanzen, in Fäuluisgemischen und in den Dejekten Cholerakranker hat sich der Kalk in Form der Kalk- milch (1 Teil Kalk auf 4 1 Wasser) als ein kräftiges Choleradesinfek- tionsmittel bewährt. Wie E. Pfuhl 1^2 zeigte, tritt eine Abtötung der Choleravibrionen in den Dejekten, sobald dieselben infolge Kalkmilch- zusätzen eine alkalische Keaktion angenommen haben, innerhalb einer Stunde ein, wenn für eine kräftige Durchrührung der Mischung von Zeit zu Zeit gesorgt wird. In destilliertem Wasser bleibt der Vibrio nicht lange, höchstens 24 Stunden, lebensfähig. In gewöhnlichem Wasser bleiben sie längere Zeit (mehrere Tage in Gläsern), unter natürlichen Verhältnissen in Flüssen und Teichen bis zu mehreran Wochen lebensfähig. Wernickei^^ züchtete aus dem Schlamme eines Aquariums die Vibrionen noch nach Monaten heraus. Nur das Wasser des Ganges und des Jumna soll nach Hankin ^3 infolge Gehalts an flüchtigen sauren Verbindungen eine stark baktericide Kraft gegenüber Cholera und choleraähnlichen Vibrionen besitzen. Aller- dings sind diese auffallenden Befunde seither nicht bestätigt worden. Beim Zusammensein mit Fäulnisbakterien oder rasch wachsenden Saprophyten findet eine nennenswerte Entwicklung der Choleravibrionen unter den meisten in der Natur vorkommenden Bedingungen nicht statt, ja, meist stellen Fäulnis und Zersetzung Faktoren dar, welche die Cholerabakterien rasch der Vernichtung zuführen. So gehen z. B. nach R. Kocii in der Berliner Kanaljauche die Bakterien schon inner- halb 24 — 30 Stunden zu Grunde. In faulenden Dejekten konnten Abel & Dräer3, Claussen^ und Dunbar 32> 33 jj^i Untersuchung von zahl- reichen der Faulung überlassenen Cholerastühlen nachweisen, dass schon meist nach 1 bis 3 Tagen selbst mit dem Peptonverfahren keine Cholera- vibrionen mehr in denselben nachzuweisen sind. Allerdings sind sie in einzelnen Fällen bis zu 30 Tagen von diesen Autoren nachgewiesen 24 W. Kolle. worden. Es kommt eben zuweilen an der Oberfläche derartiger Dejekte, wenn Temperatur, Eeaktion und Sauerstofifzufubr besonders günstig- sind, trotzdem zu einer Vermehrung der Bakterien, wie man dies auch in der "\^'äsche von Cholerakranken und auf Boden, der mit Cholera- bakterien imprägniert ist, beobachtet. Aber im allgemeinen findet doch in der Xatur außerhalb des menschlichen Körpers ein ziemlich rasches Zugrundegeheu der Cholerabakterien statt. Auf Nahruugs- und Geuussmitteln halten sich die Cholerabakterien je nach dem Grade der Feuchtigkeit und der Eeaktion des Substrates. Sobald die Substrate trockneu, sterben die Vibrionen rasch ab. In flüssi- gen ISTahrungsmitteln, falls dieselben keine saure Eeaktion zeigen, halten sie sich noch am längsten, so z. B. in sterilisierter Milch ca. 10 Tage, in nicht sterilisierter Milch infolge der Konkurrenz der darin enthaltenen Mikroorganismen nur 1 — 2 Tage. In Theeaufguss (1,0 : 100,0 Wasser) kann sich der Vibrio 8 Tage halten, bei 4proz. Theeaufguss geht er schon nach einer Stunde darin zu Grunde. In 6proz. Kaffee geht er nach zwei Stunden zu Grunde, wie die sorgfältigen Untersuchungen von Friedrich =' zeigen. Setzt man dem KaÖee Milch zu, so halten sich darin die Vibrionen acht Stunden. In Bier können sich die Cholera- erreger nur drei Stunden am Leben erhalten und in Wein gehen sie schon innerhalb ^4 Stunde zu Grunde. Tierpathogenität der Choleravibrionen. Bei der Prüfung der Pathogenität der Choleravibrionen für Tiere muss man im Auge behalten, dass die Cholera, wie man mit Bestimmt- heit sagen kann, unter natürlichen Verhältnissen bei keiner Tierart als epizootische Krankheit vorkommt. Es ist auch bisher nicht mit Sicher- heit beobachtet worden, dass Tiere, welche in der Umgebung cholera- kranker Menschen leben, an Cholera erkranken. Wenn demnach von vorn- herein eigentlich die Aussichten, dass es gelingen wird, Tiere auf dem natürlichen Wege der Fütterung mit Infektionsstoff cholerakrank zu machen, nur geringe sind, so sind doch zahlreiche derartige Versuche ange- stellt worden, anfangs zur Demonstration der ätiologischen Bedeutung der Kommabazillen durch Uebertragung von Eeinkultureu auf Versuchstiere, um womöglich denselben Krankheitsprozess bei Tieren hervorzurufen. Die ersten Versuche, Tiere zu infizieren, sind von Thiersch vorge- nommen worden. Thiersch verfütterte Filtrierpapier, das mit Cholera- dejektiouen imprägniert war, an weiße Mäuse und wollte beobachten, dass die Mäuse dariuich erkranken. Ein anderer Autor, Eichards, verfütterte menschliche Choleradejektiouen an Schweine und beobachtete nach Ver- fUtterung großer Mengen derartiger Dejekte, dass nach V4— ^i , Stunden der Tod der Tiere eintrat. Bei den Thiersch sehen Befunden dürfte es sich wohl um irrtümliche Deutung der Versuche handeln, zumal Thieijsch schon selbst angab, dass die Tiere auch erkranken, wenn ihnen das Fließpapier allein verfüttert wurde. Bei den Versuchen von Richards aber kann es sich nicht um Wiedererzeugung eines echten Choleraprozesses bei den Schweinen gehandelt haben. Der plötzliche Tod dürfte wohl zurückzuführen sein auf die Wirkung von präfor- miertem Clioleragift, welches in derartigen Dcjektionen enthalten ist und vom Darme resorbiert wurde. Cholera asiatica. 25 Deu fortgesetzten Bemühungen verschiedener Forscher ist es mm aber trotzdem gelungen, bei verschiedenen, unter natürlichen Verhältnissen allerdings für die Cholera nicht empfänglichen Tierarten, wie den Kaninchen und Meerschweinchen, durch veränderte Versuchsbedingungen und unter Zuhilfenahme gewisser unterstützender Momente einen dem menschlichen Choleraprozess außerordentlich ähnlichen Krankheitsvorgang hervorzurufen. Es ist heutzutage allerdings nicht mehr notwendig, zur Sicherstellung der ätiologischen Bedeutung der Choleravibrionen derartige Versuche vorzunehmen, weil die ätiologische Bedeutung der Cholerabazillcn durch die tausendfach wiederholten Untersuchungen und den tausendfach erbrachten Nachweis der Choleravibrionen bei Cholera- kranken oder in Choleraleichen und durch die Ergebnisse der Immunitäts- forschung über allen Zweifel erhaben ist. Trotzalledem entbehren auch heutzutage diese Versuche nicht eines erhel)lichen Interesses, das über das historische hinausgeht, weil sich namentlich bei Kaninchen eine dem menschlichen Choleraprozess außerordentlich ähnliche Erkrankung, die sich im Epithel des Duodenum abspielt, hervorrufen lässt. Die ersten ausgedehnten Versuchsreihen bei Tieren, eine richtige Darmcholera mit den Kommabazillen hervorzurufen, hatten Nikati & Rietsch126 angestellt, indem sie nach Eröffnung der Bauchhöhle Dejekte von Cholerakrauken sowie Reinkulturen der KocHSchen Kulturen den Tieren direkt in das Duodenum nach Unterbindung des Ductus chole- dochus, um den Einfluss der Galle auszuschließen, injizierten. Auch ohne Unterbindung des Ductus choledochus konnten diese Forscher eine tödlich verlaufende Infektion hervorrufen, bei welcher sich die Komma- bazillen im Dünndarm stark vermehrten und auch im Epithel aus- breiteten. Während Nikati & liiETSCH^^e ^[q schädigende Einwirkung der Salz- säure des Magens, die gerade bei Meerschweinchen eine sehr beträcht- liche ist, durch die direkte EinführuDg der Kommabazillen in das Lumen des Duodenums auszuschließen suchten, verfuhr Kochioi so, dass er zunächst den Meerschweinchen, welche er infizieren wollte, 5 ccm einer öproz. Sodalösung in den Magen mit Schlundsonde einführte. Bei Verabreichung dieser Alkalimenge zeigt der Mageninhalt mehrere Stunden lang alkalische Reaktion. Gleichfalls mit Schluudsonde brachte Koch dann nach einiger Zeit den Versuchstieren 5 — 10 ccm Wasser in den Magen, dem er eine kleine Menge von Cholerakultur zugesetzt hatte. Gleichzeitig wird den Tieren etwas Opiumtinktur in die Bauch- höhle gespritzt, und zwar 1 ccm der gewöhnlichen Opiumtinktur auf 200 g Körpergewicht. Kurze Zeit nach diesem Eingriff verfallen die Tiere in- folge der Opiumgabe in einen leichten Rauschzustand, aus dem sie sich nach 10 — 20 Minuten wieder erholen, um zunächst am-fcheinend vollkom- men munter zu sein. Aber im Laufe des nächsten Tages fangen sie an krank zu werden. Sie hören auf zu fressen, sie werden matt und unter Kollapserscheinungen und Abkühlung sowie mit einer gewissen lähmungs- artigen Schwäche der Extremitäten tritt nach 24 — 36 Stunden der Tod ein. Man findet bei der Sektion der Tiere den Dünndarm stark gerötet. Der Inhalt besteht aus reichlicher farbloser Flüssigkeit, in der Epithel- fetzen schwimmen. Auch im Dickdarm, in dem sich sonst ziemlich feste Kotmassen befinden, findet sich meist dünnflüssiger Inhalt. Das mikroskopische Präparat zeigt in solchen Fällen meistens eine Reinkultur. von Kommabazillen. Es gelang Koch auch, den Choleraprozess von einem Tiere auf ein anderes zu übertragen, wenn er eine kleine Menge o 26 W. Kolle, des Darmiubaltes eines mit solchem Befunde gestorbenen Tieres zur Infektion des nächstfoljyenden benutzte. Diese KocHscbe Versuchsanordnung stellt einen wesentlichen Fort- schritt gegenüber der von Nikati & Rietsch angewandten dar, denn bei diesem letzteren Verfahren ist doch immer ein erheblicher operativer Ein- griff, der an sich die Tiere sehr stark mitnimmt, notwendig. Zudem konnte Koch zeigen, dass die Infektion, wenn man nach dem Verfahren von Nikati & Rietsch verfährt, nur dann gelingt, wenn der Darm ziemlich stark gequetscht und maltraitiert wird. Wenn man dagegen die Bauchhöhle mit großer Vorsicht öffnet und die infizierende Choleraaufschwemmung mit allen Vorsichtsmaßregeln injiziert, ohne den Darm in irgend einer Weise zu quetschen, zu zerren oder mit der Pinzette zu fassen, dann bleibt fast stets eine Infektion aus. Nur ganz ausnahmsweise kommt es dann zur Entwicklung eines tödlichen Choleraprozesses bei den so infizierten Tieren. J'i^J'z^^ Nun darf allerdings nicht außer acht gelassen werden, dass es sich bei den Versuchen, die Meerschweinchen auf diese Weise cholerakrank zu machen, immerhin um einen ziemlich rohen Eingriff handelt, durch den die Tiere unter allen Umständen erheblich geschwächt Averden, und dass der Infektionsmodus ein ziemlich intensiver ist, so intensiv, dass bei gleicher Versuchsanordnung wohl auch andere Mikroorganismen ähnliche Krankheitsprozesse hervorrufen können. In der That ist es ge- lungen, auch mit anderen Vibrionen sowohl nach dem Verfahren von Nikati & Rietsch wie nach dem Kocii sehen Verfahren bei den Tieren ähnliche Prozesse hervorzurufen wie mit den echten Cholerabakterien. Wenn auch nicht mit der Konstanz wie mit diesen letzteren, so zeigten sich z. B. die Vibrionen Finkler -Prior, die DENEKESchen Vibrionen, ferner Milzbrandbazillen und verschiedene andere Mikroorganismen l)ei diesem Infektionsverfahren als deletäre Keime. Andere Bakterien, wie die Eiterkokken, Hühnercholerabakterien, Bakterien der Kaninchen- septikämie waren indessen auch bei Anwendung dieses Verfahrens für die Versuchstiere harmlos. Erheblich befriedigendere Resultate haben die Versuche ergeben, welche an Kaninchen angestellt sind. Diese Versuche nahmen ihren Ausgangspunkt von Beobachtungen, welche Thomas ^^^ (Arch. f. exp. Pathol. Bd. 32) gemacht hatte. Thomas injizierte Kaninchen lebende Choleravibrionen in die Ohrvene. Einige Tage nach diesem Eingriff" gingen die Tiere zu Grunde und zeigten am Darm pathologisch -anato- misclie Veränderungen, die den am menschlichen Choleradarm beobach- teten nicht unähnlich waren. Es fand sich dabei häufig eine Reinkultur von Kommal)azillen im Darminhalt und in den im Danninhalt schwim- menden Epithelfetzen. Kolle & Issaeffs^ konnten diese Versuche durch- aus bestätigen und erzielten noch weit konstantere Versuchsergebnisse, Avenn sie möglichst junge Kaninchen verwandten. Es zeigte sich, dass nicht ein einziges Tier, dem die Cholerabakterien selbst in allerkleiusten Mengen in die Ohrvene gespritzt Avaren, am Leben blieb. Selbst wenn wenige Tropfen einer Verdünnung einer Cholerakultur von 1:1000000 den Tieren in die Ohrvene eingespritzt waren, kam es doch im Laufe der nächsten Tage zur Entwickelung der Darmcholera mit Durchfällen, und die Tiere starben unter Ersclieinungen, Avelche an das Stadium algidum der menschlichen Cholera erinnerten. Auf den Schnitten der Darm wand zeigte sich, dass das Epithel abgestoßen Avar und dass die Cholerabakterien tief in die Lieberkühnschen Drüsen und sogar in die Cholera asiatica. 27 Scliichteu unter der eigentlichen Mucosa eingedrungen waren. Aber auch durch Fütterung gehing es Lssaeff & Kolle, hei jungen Kaninchen Darmcholera hervorzurufen. Es wurde den Versuchstieren Wasser, mit doppelkohlensaurem Natron alkalisch gemacht und mit geringen Mengen lebender Cholerabazilleu vermischt, zum Saufen vorgesetzt. Es er- krankten darnach ca. 30^ der Tiere an typischer Cholera. Der Be- fund war derselbe wie bei den oben beschriebenen Tieren. Die Autoren kamen zu der Ansicht, dass die bei fast allen jungen Kaninchen und namentlich in den Kaninchenzuchten weit verbreitete Coccidiosis der Darmschleimhaut ein prädisponierendes Moment für diese primäre Darm- erkrankung au Cholera, welche ein vollkommenes Analogon der mensch- lichen Cholera in Bezug auf Infektions weise und Verlauf ist, dar- stellt. Ganz ähnliche Ergebnisse erzielte Metschnikofp mit säugenden Kaninchen. Trotzdem Metschnikoff^'ö mit dem Vibrio Massaua ex- perimentierte, der nicht mit dem Kocii sehen Vibrio identisch ist, so sind die Versuchsergebnisse doch von ziemlicher Wichtigkeit. Metsch- xiKOFF erzielte eine Choleraerkrankung bei seinen säugenden Kanin- chen dadurch, dass er von seiner Massauakultur eine kleine Menge an der Brustwarze des Muttertieres verrieb, an der die zu infizierenden Tiere saugen sollten. Es starben fast die Hälfte der Tiere an Darm- cholera. Metschnikoff beobachtet auch, dass, wenn er diese kleinen Tiere, nachdem sie schon krank waren, durch andere junge Kaninchen eines anderen Wurfes ersetzte, diese letzteren gesunden Tiere sich durch Kontakt infizierten. Die weiteren Versuche, welche Metsch- nikoff an diese Experimente anschloss, sind nicht völlig einwandsfrei, namentlich nicht dann, wenn etwa daraus Schlüsse auf die mensch- liche Choleraerkraukung und Cholera epidemiologie gezogen werden sollen. Metschnikoff nimmt an, dass die Zusammensetzung der Darmfiora von nicht unerheblichem Eiufluss auf die Entwickelung der Cholerabazillen und das Zustandekommen der Cholerainfektion im menschlichen Darmepithel ist. Er glaubt, verschiedene Bakterienarten kennen gelernt zu habeu, die er aus Choleradejekten isoliert hatte, und welche einen günstigen Einfluss auf das Zustandekommen der Cholera haben sollten, während er andere Bakterien zu besitzen glaubte, welchen er einen liemmenden Eiufluss auf die Entwickelung des Choleraprozesses zuschrieb. Auch bei Zusatz dieser begünstigenden und hemmenden Bakterien zu den Vibrionen, mit denen er arbeitete, glaubte Metschnikoff bei den Tierversuchen mit jungen Kaninchen die gleichen Wirkungen zu erzielen, bei Zusatz der begünstigenden Bakterien eine raschere Entwickelung des Choleraprozesses, bei Ver- fUtterung der Vibrionen und hemmenden Bakterien au die jungen Kaninchen das Ausbleiben einer Infektion. Schlüsse auf die menschliche Cholera aus diesen Versuchen zu ziehen, ist schon deshalb misslich, weil die Kultur Massaua keine echte Cholerakultur, sondern ein den echten Cholerabakterien nahestehender Mikroorganismus gewesen ist. In späterer Zeit hat Metschnikoff an Stelle des Vibrio Massaua dann auch echte Cholerakulturen zu seinen Versuchen benutzt und mit Keinkulturen dieser echten Choleravibriouen allein die jungen säugenden Kaninchen ganz in gleicher Weise infizieren können, wie er es mit dem Vibrio Massaua gethan hatte. Man darf wohl annehmen, dass mit diesen Versuchen MftschnhvOff selbst auch die Schlüsse aus seinen früheren Versuchen über die hemmenden und begünstigenden 28 W. Kolle, Darmbakterien gewissermaßen ebenso wie die daran geknüpfte Theorie aufgegeben hat. Zabolütny c^' Sawtschexko'90 wollen in gleicher AVeise, wie es gelungen ist, die Kaninehen zu infizieren, auch die Zieselmaus (Spermo- philus guttatus) mit den Kommabazillen unter Erzeugung eines tödlichen Krankheitsprozesses im Dilnndarmepithel infiziert haben. Wiener i*» hat ähnliche Beobachtungen an jungen Katzen gemacht, die er per os mit begünstigenden Mikroben Metschnikoffs und Cholerabakterien infizierte. Karlinski ^^ Avill junge Hunde infiziert haben. Während bei der Einverleibung in das Unterhautzellgewebe oder in die Blutbahn bei Meerschweinchen die Choleravibriouen sehr rasch zu Grunde gehen, tritt bei intraperitonealer Injektion, wie R. Koch zuerst gefunden hatte, ein tödlich verlaufender Kraukheitsprozess bei diesen Tieren ein. In methodischer Weise hat R. Pfeiffer ^=^5, ise {[\q Wirkung der intraperitonealen Injektion von lebenden Cholerakulturen in das Peri- toneum von Meerschweinchen studiert. R. Pfeiffer hat eine Anzahl von Cholerakulturen in der eingehendsten Weise in Bezug auf ihre Tier- pathogenität bei intraperitonealer Injektion studiert. Er fand, dass sich auf diese Weise die Virulenz einer Cholerakultur mit ziemlich feinen Unter- schieden präzisieren lässt. Injiziert man einer Anzahl von Meerschweinchen mit demselben Körpergewicht (ungefähr 200 gr) in abgestuften Mengen V205 V107 V35 V2 Oese Cholerabakterien in das Peritoneum, so wird man bei Untersuchung einer größeren Anzahl von Stämmen solche Kulturen finden, welche konstant bei Einverleibung von Vio ^is V20 Oese die Tiere unter charakteristischen Erscheinungen töten. Namentlich trifft dies zu für die Kulturen, welche frisch aus den Dejekten oder dem Darminhalte von menschlichen Cholerafällen isoliert worden sind. Es entwickelt sich bei den Meerschweinchen eine Peritonitis, die Kommabazillen ver- mehren sich lebhaft, wenn die Dosis letalis minima überschritten ist. Es kommt zu einem Temperatursturz, der sich einige Stunden nach der Injektion einstellt. Die Temperatur sinkt bis auf 34°, 32°, 30° C, die Tiere liegen apathisch da und gehen unter Kollapserscheinungen zu Grunde. Bei der Obduktion findet man die Vibrionen hauptsächlich nur im Peritoneum, wenigstens dann, wenn man mit kleinen Dosen ge- gearbeitet hatte. Bei Verwendung eines Multiplums der tödlichen Minimaldosis kommt es allerdings auch zu einer Ueberschwemmung des Blutes mit den Vibrionen (siehe auch MarxI'-*^). Je virulenter die Kultur war, desto mehr Exsudat findet sich in dem Peritoneum, dem auch rote Blutkörperchen und Eiterzellen beigemischt zu sein pflegen. Je mehr man sich der Dosis letalis minima nähert, desto weniger Bakterien finden sich in dem Peritoneum, ja, man kann, wenn man gerade die tödliche Dosis trifft, sogar das Peritoneum und die inneren Organe völlig steril finden. An den inneren Organen, Leber, Herz, Dünndarm, Lungen u. s. w. lassen sich keine makroskopisch sichtbaren Verände- rungen erkennen. Die Därme sind meistens nur wenig verändert, und in ihrem Inhalt lassen sich nur bei einem kleinen Prozentsatz der ge- storbenen Tiere die Choleravibrionen und dann auch nur in ganz geringer Menge nachweisen (Kolle io4j. Die Cholerakulturen, wie sie aus der Choleraleiche, aus Cholera- dejekteu oder infiziertem Wasser gewonnen wurden, haben keineswegs immer die gleiche Virulenz. Es ist das eine Erscheinung, welche bei allen pathogenen Mikroorganismen immer wieder zu Tage tritt. Die Schwankungen in der Virulenz, die allerdings nur an einer für Cholera Cholera asiatica. 29 nicht empfängliclien Tierart, dem Meerschweinchen, bei intraperitonealer lujelctiou geprüft werden liaun, sind nicht unerhebliche. Prüfungen, welche an den erwähnten 60 ägyptischen Kulturen angestellt wurden, ergaben Unterschiede in den Dosis letalis minima von Y2 Oese bis V20 Oese. Durch fortgesetzte Tierpassagen, d. h. Uebertraguug der Kulturen, unter Einschaltung von Züchtungen auf Agar-Agar, von Tier zu Tier bei intraperitouealer Injektion lässt sich die Virulenz der wenig- infektiösen Kulturen bis zu einem gewissen Grade steigern, diejenige der hoch virulenten Kulturen andererseits erhalten. Bei Tierpassagen, die jahrelang fortgesetzt werden, erleiden die Kulturen meist morphologische Umwandlungen (lauggestreckte Formen), sie Averden atypisch, ohne dass die Virulenz für Meerschweinchen deshalb zu sinken brauchte. Die Wachstumszeit der Kulturen spielt eine erhebliche Rolle für die Virulenz, insofern als in der gleichen Menge Kulturmasse nach den Untersuchungen von GoTSCHLicii & Weigang 63 um so mehr Vibrionen in lebendem Zu- stande vorhanden sind, je jünger eine Kultur ist. Nach 18 Stunden nimmt die Zahl der entwicklungsfähigen Keime, wie diese Autoren zeigten, sehr rasch ab, so dass z. B. in einer 2 Tage bei 37° C ge- züchteten Kultur nur noch 10 /«'^ derjenigen Vibrionen lebend sind, welche in der 12 — 16 stündigen Kultur entwicklungsfähig vorhanden sind. Die Angaben von Gruber & Wiener 69^ die durch Züchtung der Choleravibrionen auf uativem Eiweiß eine Virulenzerhöhung erzielt haben wollen, sind seither, soviel aus der Litteratur ersichtlich, nicht nach- geprüft worden. Es dürfte dem Eiweiß indessen kaum eine größere Bedeutung, als jedem anderen, gut alkalischen und zusagenden Nähr- boden zukommen. Neuerdings ist im PALTAUFSchen Institut in Wien die Virulenz der Choleravibrionen durch wocheulange Züchtung in Choleraimmunserum (in Verdünnung 1 : 50 mit Bouillon) gesteigert worden. (Wiener klinische Wochenschrift, 1903.) Besonders Avichtig ist die Thatsache, dass die Cholerabakterien für Tauben nur wenig pathogen sind. Es ist notwendig, größere Mengen der Vibrionen (mehrere Oesen) den Tauben intramuskulär oder intra- peritoueal zu injizieren, um eine Vermehrung der Vibrionen und den Tod der Tiere herbeizuführen. Pfeiffer & Nocht^s^ haben in diesem Verhalten der Cholerakulturen, die bei bloßer Impfung in eine Haut- wunde oder den Brustmuskel der Tauben nicht pathogen für diese letzteren sind, ein Dififerenzierungsmerkmal der echten Choleravibrionen und des Vibrio Metschuikovii und anderer diesem letzteren biologisch nahestehender Vibrionen (siehe Kolle, Gotsciilich, Hetch, Lentz, Otto) erkannt. Versuche und Infektionen mit Cholerareinkulturen am Menschen. Auch am Menschen sind mit Eeinkulturen von Cholerabakterien teils beabsichtigt, teils unbeabsichtigt Infektionen vorgekommen. Diese Ver- suche haben eine ganz besondere Beweiskraft für die ätiologische Be- deutung der Kommabazillen deshalb, weil sie sehr häufig zu Zeiten, in denen gar keine Choleraepidemieen au den betreffenden Orten gewesen waren oder folgten, vorkamen. Dies trifft z. B. zu für eine Infektion, 30 W. Kolle, ■wclclie im Jahre 1884 in Berlin mit eleu von R. Koch aus Indien mit- gebrachten Cholerakultiiren bei einem Arzte erfolgte, welcher au den Cholerakursen im Institut teilnahm. In jener Zeit, im November 1884, gab es keine Cholera in Deutschland, und der betrefifeude Arzt, welcher wohl etwas unvorsichtig mit den Cholerakulturen gearbeitet hatte, konnte sich auf keine andere \yeise infiziert haben als mit den Kulturen, mit welchen er arbeitete. Unbeabsichtigte Infektionen haben sich auch beim Arbeiten mit Cholerakulturen R. Pfeiffer und E. Pfuhl im Institut für Infektionskrankheiten bei Austeilung von Tierversuchen zugezogen*). Die PFEiFFERSche Erkrankung war eine sehr schwere, und die Komma- bazillen hielteu sich wochenlang in seinen diarrhöisclieu Dejekten. Es gab damals in Berlin keine Cholera, und auch diese Infektion konnte nur auf die Infektion mit deu Reinkulturen, die im Laboratorium vorhanden waren, zurückgeführt werden. 1895 erlag in Hamburg Dr. Oergel, der Assistent des hygienischen Instituts, einer Infektion mit Cholera- reinkulturen, mit denen er Tierversuche angestellt hatte**]. Auch damals gab es weder in Deutschland noch in Hamburg Cholera. Die Infektion war nachgewiesenermaßen so zustande gekommen, dass ein Tröpfchen von dem Bauchhöhleninhalt eines Meerschweiuchens, dem er die Cholera- bakterien intraperitoneal eingespritzt hatte, ihm in den Mund spritzte. Am folgenden Tage erkrankte Dr. Oergel und starb wenige Tage später im Coma. Auch bei den Arbeiten in anderen bakteriologischen Laboratorien sind uubeabsichtigter Weise verschiedeutlich Infektionen bei deu Arbeiten mit den Reinkulturen der KocHschen Kommabazillen vorgekommen. Aber auch beabsichtigte Infektionen, um die krank- machende Eigenschaft der Cholerabakterieu am Menschen zu studieren, sind mit den reingezüchteten Choleravibrionen vorgenommen worden. Es liegen da Angaben von Stricker ^'O' und Hasterlick"'^ vor. Die- selben verleibten Cholerakulturen, welche allerdings lauge auf Agar fort- gezüchtet waren, Menschen ein, ohne dass diese später an Cholera er- krankten. Diese negativen Versuchsergebnisse haben nun allerdings wenig "Wert, nachdem positive Yersuchsergebnisse bekannt geworden sind. Wir müssen aunehmen, dass Stricker & Hasterlick keine virulenten Kul- turen zu ihren Versuchen benutzten. Am berühmtesten sind die Versuche geworden, welche v. Pettenkofer & Emmerich ^^a an sich selbst vorge- nommen haben, allerdings in der Absicht zu beweisen, dass die Koch- schen Kommabazillen nicht imstande sind, für sich allein das Symp- tomenbild der Cholera hervorzurufen. Die Forscher alkalisierten sich zunächst den Magensaft und tranken dann Wasser, dem kleine Mengen einer frischen Cholerakultur zugesetzt waren, v. Pettenkofer erkrankte nur mit heftigen Durchfällen, ohne dass schwere Vergiftuugserscheinungen bei ihm eingetreten wären. Bei Emmerich entwickelte sich aber im Laufe der auf das Experiment folgenden Nacht ein schweres Krankheitsbild, ein typischer Choleraanfall mit massenhaften Eutleerungen von reiswasser- ähnlichen Stühlen, mit SchwächegefUhl, Vox cholcrica und Unterdrückung der Urinsekretion. Der mehrere Tage anhaltende Prozess hätte dem mutigen Forscher fast das Leben gekostet. Auch von Metschnikoff^'^ ist ein Infektiousversuch an Menschen vorgenommen worden. In diesem Falle kam es zur Entwicklung eines ganz charakteristischen Stadium algidum; es bestanden Schmerzen in den Extremitäten, Wadenkrämpfe, *) Nach KoLLE Zeitschr. f. Hyg., Bd. 21. 1894). **) Nach Reincke. Cholera asiatica. 31 der Puls war kaum fühlbar, und die Urinsekretion war vollkommen herab- gesetzt. Der Kranke kam kaum mit dem Leben davon. Es liegen in der Litteratur noch mehrere Angaben über unabsichtliche Laboratoriums- infektiouen vor, die von Freimuth & Lickfett^s, Voges^^^, Kenveesi^i, Dünbar 33 mitgeteilt worden sind. Wichtig ist die an derartigen Vor- kommnissen exakt festgestellte Inkubationsdauer, die zwischen 12 und 48 Stunden schwankte. In allen diesen Versuchen, bei welchen es sich also um leichte, mittelschwere und schwere Infektionen, wie sie auch unter den natürlichen Verhältnissen bei jeder Epidemie vorkommen, handelte, wurden die KocHSchen Kommabazillen in den Dejekten mikro- skopisch oder durch die Züchtung nachgewiesen. Eine Erklärung über die Ursachen, weshalb in dem einen Falle die auf die Infektion erfol- gende Erkrankung eine leichte, .in anderen eine schwere war, haben diese Versuche am Menschen nicht erbracht. Für die Aufklärung der Choleraätiologie, Pathologie und Epidemiologie haben diese Menschen- versuche, wie Koch so lichtvoll auseinandergesetzt hat, wenig Zweck gehabt. Dafür leistet das Experiment, welches die Natur ohne unser Zuthuu während der Choleraperioden im großen anstellt, unendlich viel mehr. Denn es liegt in der Katur der Sache, dass kleine Versuchs- reihen, wie das ja für die experimentelle Bakteriologie überhaupt gilt, für diese Frage wenig leisten, um so weniger, wenn sie negativ ausfallen. Denn nicht alle ^Menschen sind für die Cholerainfektion gleich empfäng- lich, viele sogar umempfäuglich oder nur wenig empfänglich. Die bakteriologische Choleradiagnose. Die bakteriologische Choleradiagnose ist die Grundlage des Be- kämpfungssystems der Cholera. Deshalb ist eine möglichste Sicherheit und Schnelligkeit bei diesem Verfahren von größter Bedeutung. Es ist auch häufig nur durch das bakteriologische Untersuchungsverfahren möglich zu entscheiden, ob es sich bei einem verdächtigen Krankheits- falle um Cholera asiatica, oder um ein anderes, in den klinischen Symptomen jenem der Cholera asiatica ähnliches Krankheitsbild handelt (siehe auch Marxi»-*'). Denn die Symptome und der klinische Verlauf, welche die Cholera asiatica begleiten und kennzeichnen, sind allerdings sehr in die Augen fallend und werden in vielen Fällen, namentlich wenn es sich um ein gehäuftes Auftreten von derartigen Krankheitsbilderu in einer Stadt oder in einem Hause handelt, sobald überhaupt der ansteckende Charakter einer mit Choleraerscheimmgeu einhergehenden tödlichen Darmkraukheit zu Tage tritt, ja schon ohne weiteres demjenigen, welcher die Cholera kennt, mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit es ermöglichen, die Diagnose auf diese indische Seuche zu stellen. Aber es darf nicht außer Augen gelassen werden, dass auch andere Krankheitsvorgänge, namentlich solche, die sich im Darme abspielen und welche mit der Cholera asiatica ätiologisch gar nichts zu thun haben, das Bild der letzteren vortäuschen können. Es handelt sich hier in erster Linie um die Cholera nostras, welche zu Verwechslungen mit der Cholera asiatica Veranlassung geben kann. Die Ursache der Cholera nostras ist noch nicht bekannt. Es handelt sich höchstwahrscheinlich bei dieser Krankheit, welche im Gegen- satze zu der Cholera asiatica nicht ansteckend ist, überhaupt nicht um eine einheitliche Krankheitsursache, sondern um klinisch einander 32 W. Kolle. ähnlich erseheiuende Zustände, die auf verschiedenartige Ursachen zurück- zuführen sind. Ebenso wie bei der Cholera handelt es sich bei der Cholera nostras und anderen hierher gehörigen Vorgängen, wie Fleisch- vergiftung, Wurstvergiftung und Käsevergiftimg, Sommerdurchfällen u.s.w., um den Ausdruck einer Vergiftung. Denn auch bei der Cholera asiatica ist der Syniptomenkomplex, welcher sich in Schwächegefühl, Herab- setzung des Blutdrucks, Stocken der Urinsekretion, Nachlassen der Herz- thätigkeit, Sinken der Körpertemperatur, Kalt- imd Blauwerden der Ex- tremitäten äußert, als nichts anderes aufzufassen, wie es zuerst Koch mit Sicherheit präzisiert hat, als der Ausdruck von Giften, welche von den Cholerabakterien bei ihrer Wucherung in den Darmepithelien se- zerniert werden. In gleicher Weise werden auch bei den anderen choleraähulichen Krankheitsprozessen, Cholera nostras u. s. w., Gifte von Mikroorganismen, welche eine ähnliche Wirkung auf das Gefäß- und Temperaturregulierungscentrum haben, wirksam. Die bakteriologische Untersuchung, für deren Ausführung heutzutage sehr feine Methoden zur Verfügung stehen, macht es nun häutig allein möglich, in ganz kurzer Zeit zu entscheiden, ob es sich bei einem derartigen Krankheitsprozess um die echte Cholera handelt oder nicht. Als Untersuchungsmaterial dienen die Faeces Cholerakranker und der Darminhalt bei Cholera- leicheu. Zur Gewinnung des letzteren Materials werden die Darm- schlingen nach doppelter Unterbindung der Leiche entnommen. Für die Ausführung der bakteriologischen Choleradiagnose ist eine von Koch, Kirchner und dem Verfasser ausgearbeitete »Anleitung für die bakteriologische Feststellung der Cholerafälle«, welche auch Anweisungen zur Entnahme und Versendung choleraverdächtiger Unter- suchungsobjekte enthält, mittelst Kgl. preuß. Ministerialerlasses vom 6. November 1902 herausgegeben worden! Dieser Erlass ist am Ende dieses Abschnittes im Wortlaut wiedergegeben. Es sind alle für die Choleradiagnose wichtigen Methoden und Gesichtspunkte darin in sehr konzinner Form enthalten. Zur P^rläuterung dieser Bestimmungen, welche als das Mindestmaß der staatlicherseits in Preußen zu verlangenden diagnostischen Maßnahmen zu betrachten sind, mögen die folgenden Auseinandersetzungen dienen. Es werden aus den Faeces und dem Darminhalte zunächst eine Anzahl mikroskopischer Präparate hergestellt. Mau wählt dazu am besten kleine Schleimflöckchen aus, wenn sie in solchen Dejekten vorhanden sind. Dieselben werden auf Deckgläschen sorgfältig ausgebreitet, ohne die Flöckchen zu sehr zu verreiben, und nach dem Trocknen an der Luft und nach der Fixierung in der Flamme mit einer verdünnten Karbol- fuchsinlösung (ZiEHLsche Lösung, 1 : 9 mit Wasser verdünnt) gefärbt und mikroskopisch untersucht. In vielen Fällen ist es nun dem Geübten schon möglich, aus dem mikroskopischen Präparate die Diagnose zu stellen. Wenn nämlich die Cholerabakterien als die typischen Komma- formen, welche sich von den anderen Darmbakterien ohne weiteres deut- lich abheben, überwiegend oder in Reinkulturen darin vorhanden sind, so kann schon aus diesem mikroskopischen Befunde die Diagnose Cholera gestellt werden. Sind in den Dejekten die Vi))rionen nicht in der Ueber- zahl vorhanden, so hat eine Aussaat eines Tröpfchens Faeces in einen Tro])fen Peptonlösung in Form des hängenden Tropfens, der dann 1 Stunde im Thermostaten bei 37° C gelassen wird, häutig eine Ansammlung der Vibrionen am Rande des Tropfens zur Folge, wodurch im gefärbten Präparat die fischzugälmliche Lagerung derselben entsteht. Cholera asiatica. 33 Bei der Wichtigkeit, welche ein gut herg-estelltes uud gefärbtes Deckghispräparat im mikroskopischen Bilde für die Diagnose besitzt, ist es notwendig, genau das Bild normaler Faeces sich einzuprägen. Dieses Bild ist allerdings großen Schwankungen unterworfen, die von größtenteils noch unerforschten Bedingungen abhängen. Zum Teil sind dies physiologische, mit der Zusammensetzung und Zubereitung der Nahrung in Verbindung stehende Faktoren (rohes oder gekochtes Gemüse, Fleisch, Milchnahrung u. s. w.), zum Teil pathologische Ursachen, Magen- und Darmerkrankungen. Aber bei allen normalen wie pathologischen Prozessen kommen Kommabazillen in der typischen Form und in Menge nie vor, es handelt sich denn um Cholera. Allerdings muss man sich, um Irrtümer zu vermeiden, hüten, die feinen Spirillen, welche in nor- malen und diarrhöischen Faeces, namentlich in dem Darmschleim sich oft in großen Mengen finden, mit den Choleravibrionen zu verwechseln. Diese Spirillen sind meist länger, feiner und weniger gekrümmt, als die Kommabazillen uud haben zugespitzte Enden; sie färben sich auch schlechter und sind nicht zu züchten. Jedenfalls wachsen sie auf dem für die Cholerabakterien geeigneten stark alkalischen Agar nicht. Es ist mehrfach auf die Gefahren, welche der bakterioskopischen, d. h. aus dem Deckglaspräparat gestellten Diagnose erwachsen können, hin- gewiesen worden, z. B. von Escherich -^^ Fürbrixger, Gruber, Ko- w^ALSKi und M. Kirchner y''. Diese Autoren machen darauf aufmerksam, dass namentlich in diarrhöischen, stark schleimhaltigen Dejektionen, wie sie bei Cholera nostras vorkommen, sich diese Spirillen sozusagen in Keinkultur in den Schleimflocken finden können. Bei wichtigen Feststellungen, namentlich bei der Feststellung erster Cholerafälle in einem Lande oder in einem Orte Avird man allerdings das Kulturverfahren und sogar die weitere Identifizierung der dann reingezüchteten Bakterien mittelst des Tierversuches und der Immu- uitätsreaktion, Agglutination und baktericiden Stoffen, zur Sicherung der Dignose anzustellen haben. ünerlässlich ist in allen Fällen die kulturelle Untersuchung, die sich folgendermaßen gestaltet. Man be- schickt mit je einer Oese des verdächtigen Materials 4—6 Peptonwasser- röhrchen, sowie 2 Gelatineröhrcheu , aus welchen man noch je eine erste und je eine zweite Verdünnung herstellt und dieselben dann zu Platten gießt; drittens verteilt man je eine Oese auf der Oberfläche von drei in Petrischalen befindlichen Agarplatten, deren Oberfläche sorg- fältig trocken hergestellt ist. Man erreicht eine solche trockene Ober- fläche der Agarplatte am besten dadurch, dass man die Platte unmittelbar nach dem Gießen (20 ccm Agar in eine Petrischale] und dem darauf folgenden Erstarren für 1/2 Stunde unter Lüftung des Deckels in einem Wärmapparat bei 60" C hält. Durch die rasch auf diese Weise ein- tretende Verdunstung werden die Platten vollkommen trocken. Zur Verteilung des Untersuchungsmaterials auf den Agarplatten hat M. Neisser citiert nach MARX^^^a vorgeschlagen, kleine sterilisierte Wattebäuschchen zu benutzen, welche man sich in Erbsengröße in Glasröhrchen vorrätig hält. Nachdem man eine Oese des Uutersuchungs- materials auf die Agarplatte gebracht hat, fasst man mit einer aus- geglühten Pinzette ein solches AVattebäuschchen und verstreicht das auf- gebrachte Material mit diesem. Man nimmt dann noch ein zweites Wattebäuschchen uud legt einige neue Striche neben den ersten Strichen an, nimmt dann noch ein drittes Bäuschchen und verfährt in gleicher Weise, stellt sich so gewissermaßen auf ein und derselben Platte Handbucli der patliogenen Mikroorganismen. III. 3 34 W. Kolle, Verdümiuuii-eu her und wird sielier auf einem Teile der Platte schöne isolierte Kolouieen erhalten. Xenerdiugs ist ein Glasspatel empfohlen Avorden. mit dem man das auf die Airarplatte aufiretrairene Material verreibt. Voraussetzimir ist allerdiuirs dabei, dass der oproz. Agar vollkommen fest und auf seiner Oberlläche trocken ist. Unter dieser Voraussetzung' ist zur Erzielunir isolierter Kolonieen. welche man je nach dem Keimreichtum des Aus- irauüsmaterials auf der zweiten oder dritten Platte erzielt, dieses Ver- fahren recht empfehlenswert. Aber auch bei Verteilung des verdächtigen Materials mit der Platinöse erzielt man gut isolierte Kolonieen. falls man nur die a'enüirende Uebauir besitzt. Die Peptonröhrcheu und die Agarplatten werden bei 36^ C. die Gelatineplatten im Brutschrank bei 23° C gehalten. Die Benutzung von Peptonkölbchen mit 50 ccm Inhalt, in welche N bis 1 ccm der verdächtigen Faeces eingesät werden, stützt sich auf die Untersuchungen von Abel ^^- Claussex >. Diese Autoren fanden, dass bei Aussaat größerer Mengen Faeces in größere Peptonmengen der Nachweis sehr vereinzelter Choleravibrionen da noch gelingt, wo die Aussaat kleiner Mengen 1 Oese) in je 10 ccm Pepton im Stich lässt. Schon nach 6 Stunden gelangen die Peptouröhrchen wieder ziu* Untersuchung. Man stellt sich von der Oberlläche der Peptouröhrchen getarbte Deckglas- präparate her. Findet man in solchen Röhrcheu. wie dies bei echten Cholerafällen der Fall ist. eine Reinkultur von Kommabazillen, so wird damit die Diagnose Cholera asiatica sehr wahrscheinlich. Immerhin aber wird es notwendig sein, die Cholerabakterien nun möglichst rasch in Eeinkulturen zu gewinnen. Zu dem Zwecke werden mit dem von der Oberfläche der Peptouröhrchen abgenommenen Material Agarplatten und Gelatineplatten in der oben beschriebenen Weise beschickt. Nach weiteren IS Stunden wird man in den Gelatineplatteu mit dem Mikroskop die kleinen hellbrecheuden Kolonieen. welche oben beschrieben worden sind, und auf den Agarplatten die eigenartigen transparenten Kolonieen wahr- nehmen können. Man hat auf diese Weise unter Umständen schon vollkommene Reinkulturen auf den Agarplatten vor sich, mit denen man nun die Aveiteren Maßnahmen der Identifizierung der Kulturen vornehmen kann. In denjenigen Fällen, wo eine Reinkultur von Cholerabakterien auf den Agarplatten nach IS Stunden gewachsen ist. kann mau derartige Kul- turen direkt zur Anstellung der Agglutiuarionsprobe und des Pfeiffer- schen Versuches benutzen. Sind indessen außer den Cholerabakterien noch andere ^likrooru'anismen, vor allem Bacterium coli, in irrößerer Menge auf einer solchen Platte gewachsen, so empfiehlt es sich, falls es sich um erste Fälle handelt, Reinkulturen durch Abimpfuug von isolierten Kolonieen zu gewinnen und dann erst mit diesen Rein- kulturen die Immunitätsreaktiou gemischt mit den Cholerabakterieu anzustelleu. Wie schon bemerkt, sind derartiire einirehende Unter- suchungen, um die Echtheit der CholeraAibrionen unzweideutig zu be- weisen, nur bei der Feststellung der ersten Fälle zu Beginn einer Epidemie notwendig. Während des Verlaufs einer Epidemie wird das ZUchtungsvertahren und die orientierende Agglutinatiousprobe im hän- irendeu Tropfen im alliremeinen irenüiren. Bei der Choleradiaü:nose, wie sie auf Grund der Entdeckuugen von Robekt Koch auf seiner Cholera- expedition 1883 und der späteren Verhandlung auf der ersten und zweiten Cholerakonfereuz 1S84 und 1885 sich herausgebildet und feste Cholera asiariea. 35 Form sowie wissenschaftliche Auerkemmiig gefonden hatte, war auf die charakteristische Form und das Aussehen der Kolonieen in Gelatine «rroßes Gewicht gelegt. Daneben galt die Cholerarotreaktion als ein differential- diagnostisches Alittel Ton Anssehlag. Mit der Erkenntnis der Feinheit und Zuverlässigkeit des Anieicherungsverfahrens, welches wir durch die zielbewussten Studien von E. Koch in dem Pepton- TaheUe I. Ao^lutinationsTersTiche mit normalem KanineheBsemm und Cholerakaninclienserum. T ij Ltj^z.'zz^iTi des LJioleras-rr^3i5 Pfcirer- sthei Diasnose TCiitiT Cholera hr^v-z ''-, =-.:i^. r , :_r;i:iT keineCholtra > y.: I Z i ! '-"- > A^ rrz--^- _ : pösitiT Cholera > -- z > > - '- -H : y y > J. * z z-^ri^TiT teineCiiolera > > T : o > > > •> TI - i li positiv Cholera > > \..: ' > t:^: ] > > > IJ;- : '■ > > > X :-r,^-tiT teiiieOiolrra > > XI poäiri-T Cholera > > vrr neffaiiT keineCholem > > VIJI - 1 pc-ätiT Cholera XIY xv ! xv: xm: x::: X. — : . Ma^^n > El Tor I : > > > H ; : ! i 1 1 1! • i • 1 1 1 i rJitlT teiaeCholera Cholera jT ieineCholera Die Kulturen >ordhaien. IV. V. X. Xn. Maaßen. Tor II werden nicht wesentlich stärker vom Choleraserum agglutinien. als vom normalen Senim derselben Tierart. verfahren kennen lernten, wurde dieses der diagnostischen Cholera- methodik einfrefüst. Die späteren Untersuchungen, bis auf die neuesten von GoTSCHLiCH »^ KoLLE i&^ während der letzten ägyptischen Epidemie auL'estellten. zeigten, dass das Gelatineplatten verfahren und die Indol- reaktion die ihnen znerkannte Bedeutung nicht in dem Maße besitzen. Auf die Heranziehung der ludolreaktion zu diagnostischen Zwecken ist 36 W. Kolle. deshalb mit Reclit iu dem Entwurf verziclitet worden. Die Gelatine- platte ist von großem Werte und kann zur Diag-nosenstellung ausreichen, wenn in den direkt aus den verdächtigen Faeces oder dem Darmiuhalte gegossenen Platten sich die typischen Cholera- koloniecu in mehr oder weniger großer Menge finden. Ganz anders verhält sich die Sache aber, wenn die Kulturen auf Gelatine und Agar nicht direkt aus dem Untersuclmugsmaterial, sondern aus Tabelle IL Serum von Knltiir Xr. 5, Aegypten I (siehe vorige Tabelle) wird der quantitativen Agglutinationsprobe mit 30 verschiedenen Kulturen unterworfen. Lfd Nr. Bezeichnung der Kultur o Kulti ir 5 wird agglutinieri bis zur Verdünnung o o o O Bemer- kungen 1 1 Cholera Pfeiffer m- '-;— J yy y y^^y/y ;""x< y ■' .,■■-. 2 » Hankin ^;, ■ ,,■'-.. ^ - ■ ^ 3 Kultur Metschnikoif m,> 4 » Nordhafen 0 5 » Aegypten I '^'^. 'W//y. Vm y% ym y///y. « '^m W^. H » » 11 ' 7 111 m ^; 8 IV o y » » V o 10 VI 11 VII ^>,-. 12 vm »>•■■ ' - ■ ' : 13 » y. IX ' - 14 X ' ■/. 15 XI M wA ■^■j^// ■ W^l 16 XII f~" 17 » XIII m '''MW. ■y>yy>> ^^ 18 XIV 1 tot 19 » XV i^ m m: '//'' '■■ 20 XVI 1 tot 21 XVII \f'''- ' V '/y' '///',', '.'-•///> y.'y/.^ ;•/■/'/, 22 XVllI j; i ; 23 » XIX ! 24 » » XX ; ! _ '''\ 25 XX. 1 26 » Messina . 27 » El Tor I f: :H 28 » » » II |k:- 29 » Moucha 1 \' .-'■ :.:^ 30 » Maalien o 1 ! der zur Anreielierung hergestellten Peptonvorkultur gewonnen werden. In diesem Falle können auch andere, zufällig in dem Ausgangsmaterial vorhandene saprophytische Vibrionen, unter Umständen zusammen mit den Cholcravibrionen, angereichert werden. Sämtliche Vibrionen, die wir kennen, sind Wasserbewolmer und können mit dem Trinkwasser ") Diese Kulturen sind der Kontrole wegen in den Listen geführt. Sie waren in Aegypten isoliert, aber während des Transportes von Alexandrien nach Aegvp- ten abgestorben; daher die Bezeichnung tot. Cholera asiatica. 37 ebenso wie die Choleravibrionen iu den Darm der Menschen gelangen. Entwickelt sich ein Choleraprozess bei Menschen, welche Wasser trin- ken, so kann man schon im Darme solcher Cholerakranken unter Um- ständen mit einer Vermehrung der AVasservibrioneu neben den Cholera- vibrionen rechnen. Befunde, die während der letzten Choleraepidemie in Deutschland gemacht sind, vor allem aber die Ergebnisse der von (GoTSCHLiCH, Hetsch, Kolle, Lentz , Otto) ^93 während der letzten Tabelle IIL Kultur Nr. 5, Aegypten I, wird der quantitativen Agglutinationsprobe mit den aufgeführten Serumproben unterworfen. Lfd. Nr. Bezeiclinung des Serums o Kultur 5 T ■^ -5. rird agglutinieri J _^ J_ his § O zur Verdün nung 1 Be- merkungen 1 Cholera Pfeiifer 'f%^. ^ ^ ^ p^ p^ p?^ 2 » Hantin 3 Kultur Metsfhni'kofl:' O 4 » Nordhafen W4 5 » Aegypten I 6 I. n 7 in IV .y ^-?^' ■;j>«' y-c-yy yy<-. y 5^^ ■yf^. 20 XVI tot 21 XVII ^^ « ^<% W^- yyy^ ^,- ^^ 22 » » XVIII 2:i XIX ■'y'' ■■ -'. 24 » XX 25 XXI 26 » Messina ■ " 27 » El Tor 1 >^Ä>- /y'y'-y V ,-y ' -- ' ■■', ■yy,y> 28 » » II o 29 » Moucha yy^ ^^ -m ^^ ^^ 30 » Maaßen o ägyptischen Epidemie gemachten Untersuchungen haben bewiesen, dass bei Benutzung der Peptonvorkultur, die andererseits ein unent- behrliches Hilfsmittel für eine sichere und fein arbeitende Choleradiagnose ist, häufiger als man früher annahm, cholera- ähnliche Vibrionen auf denjenigen Platten zur Entwicklung gelangen, Avelche aus den angereicherten Peptonröhrchen beschickt wurden. Diese choleraähnlichen Vibrionen, die natürlich auch in normalen oder diar- rhöischen Faeces gelegentlich vorkommen und zur Anreicherung in 38 W. Kolle, Pepton gelaugeu können, wo es sicli gar nicht um Cliolerafälle handelt, lassen sich nur durch Heranziehung der Immunitätsreaktioneu, im spe- ziellen der Agglutinationsprobe mit Leichtigkeit und Sicherheit erkennen, sobald man nur ein hochwertiges Choleraserum zur Hand hat. Dieses hochwertige Choleraserum wird im Institut für Infektions- krankheiten hergestellt, vgl. Yerf i^^^ Vorträge im Cholerakurs. Die Herstellung eines solchen Serums au einer Zentrale ist absolut not- Tabelle IV. Kultur Nr. 8, Aegypten IV, (siehe Tabelle I, II und III) wird der quantitativen Agglntinationsprobe mit 30 verschiedenen Serumproben unterworfen. Lfd. Nr. Bezeichnung des Serums Ku tur S , Aeg -3. ypten 1 IV, wird agglut . bis § z. Verdünnung Be- merkungen 1 Cholera Pfeiffer o 1 2 » Hankin o 3 Kultur Metschnikoff o 4 » Nordhafen 5 » Aegypten I O 6 » n O 7 III O 8 IV 'y////y. ^'i-->-'z \>m, ^^ » ^^ ^^ ^^ 9 » » V J 10 VI O 11 » » VII O 12 vm g^^ 13 » » rx o 14 X o 15 XI m 16 » XII o 17 xm ^^ 18 XIV tot 19 XV o 20 XVI tot 21 » » XVII o 22 » » xvni o 23 XIX o 24 XX o 25 XXI o 26 ■/> Messina o 27 » El Tor I o 28 » » » II o 29 » Moucha o 30 » Maaßen o wendig, damit Garantie und Kontrolle dafür vorhanden sind, dass das zu benutzende Serum auch wirklich ein hochwertiges Choleraserum ist, welches mit echten Cholerakulturen hergestellt ist und demgemäß nur auf diese spezifisch einwirken kann. Die Bestimmung des bakteriolytischen Titers wird an Meerschweinchen von 200 g Gewicht vorgenommen. Als Verdünuungsflüssigkeit dient die gewöhnliche Nährbouillon. Als Grenz- oder Titerd'osis für das bakterio- Cholera asiatica. 39 lytische Serum g-ilt diejenige niedrigste Dosis, welche gemde nocli ge- nügt, um 1 Oe.se der hochvirulenten 18 stündigen Cholerakultur (d. h. einer solchen Kultur, von der die Dosis letalis minima bei iutraperito- nealer Injektion Vjo Oese beträgt) zu paralysieren. Diese Wirkung ist vorhanden, wenn die sämtlichen mit dem Serum injizierten Vibrioneu nach 1 Stunde in Kügelchen aufgelöst sind und wenn das betreffende Tier am Leben bleibt (MAiix^^*''). Tabelle V. Serum, hergestellt mit Kultur Nr. 8, Aegj'pten IV. wird der quantitativen Aggluti- nationsprobe mit 30 verschiedenen Kulturen unterworfen. Lfd. Nr. Bezeichnung des Serums Kultur y, Aegypteu V, wird agglut. bis z. Verdünnung Be- merkungen Cholera Pfeiffer Hankin 3 ~r 5 6 7 ~~8 9 10 11 13 U 15 16 TT JL 19 "2Ö" 21 22 "23" "2r 25 26 27 28 29 30 Kultur Metschnikoff Nordhafen » Aegypten I m^ n III IV VI VII m. VIII ^m. IX XI XII Xili XIV tot XV XVI ?<>f XVII XVIII XIX XX XXI Messina El Tor I II Moucha O y77^ Maaßen Die Wertbestimmung des agglutinierenden Serums geschieht in der Weise, dass abgestufte Mengen desselben in je 1 ccm Flüssigkeit auf- geschwemmt mit je 1 Oese einer 18 stündigen Agarkultur vermischt werden. Als Agglutinatioustiter gilt diejenige Grenzdosis des Serums, welche gerade noch genügt, um in 1 ccm 0,8proz. NaCl-Lösung auf- geschwemmt, 1 Oese einer 18 stündigen virulenten Choleraragarkultur innerhalb einer Stunde, bei Aufbewahrung im Thermostaten von 37° C, 40 W. Kolle, zur Häufclieubilduug , die mit bloßem Auge sichtbar sein muss, zu bringen. Da in flüssigem Serum, mag dasselbe durch mehrmalige Erwärmung auf 56° C oder durch Zusatz eines Antisepticums haltbar gemacht sein, regelmäßig eine Dissoziation der darin enthaltenen spezifischen Stoße, namentlich der Agglutinine eintritt, ist es notwendig, das Serum, nach- dem sein Wert genau bestimmt worden ist, vorsichtig einzutrocknen. Dieses eingetrocknete Serum verliert, wenn in braune Glasfläschchen eingeschlossen, selbst nach monatelanger Aufbewahrung seineu Titer nicht. Die Abschnitte II und III der Anleitung legen der Agglutiuierbarkeit einer Kultur durch ganz geringe Dosen hochwertigen Serums ein ent- scheidendes Gewicht bei : mit Eecht. Denn wenn schon durch die ersten Untersuchungen von Gruber & Durham, Pfeiffer und Verf. u. a. die Spezifizität der Agglutinationswirkung des hochwertig agglutinierenden Choleraserums dargethan war, so haben Untersuchuugen neuesten Datums von GoTSCHLicii und Verf. i^^ gezeigt, dass eine Prüfung aller mittelst des Peptonverfahrens gezüchteten Kolonieen notwendig ist, wenn mau nicht den schwersten Irrtümern verfallen will. Von größter Wichtigkeit bei Ausführung der Agglutiuationsversuche ist aber die Anstellung von Kontrollen mit normalem Serum derselben Tierart, sowie mit der Ver- dünnungsfltissigkeit d. i. der 0,8proz. NaCl-Lösung allein, sowie endlich mit einer Choleratestkultur und dem benutzten Testserum. Voraussetzung für die Anstellung der Agglutinationsprobe ist, dass ein in derartigen diffizilen Untersuchungen geübter Untersucher sie ausführt und zwar im Besitz eines zuverlässigen hochwertigen Serums. Bei Erfüllung aller dieser Bedingungen und Beobachtung der genannten Vorsichts- maßregeln gewährleistet die in der Anleitung empfohlene Methode für die praktischen Verhältnisse alles, was erforderlich ist: Sicherheit, Schnelligkeit und Einfachheit. Der Vorzug, den die Heranziehung der Agarplatte in Verbindung mit der Peptonmethode als ZUchtungsmedien an erster Stelle bietet, liegt gegenüber der vorwiegenden Benutzung der Gelatineplatte in der objektiven Sicherheit, welchen die an den Agarkolonieen leicht auszuführende Agglutination bietet, wäh- rend bei der Beurteilung der Beschaffenheit von Kolonieen in Gelatine doch subjektive Ansichten eine mehr oder weniger große Kolle spielen. Die Agglutinationsprobe, deren prak- tische Brauchbarkeit und strenge Spezifizität (es sei hier ausdrücklich auf die Tabellen Seite 35 — 39 verwiesen) jetzt sicher erwiesen ist, wird, wenn nötig, eine Ergänzung und Bestätigung durch den Tier- versuch mittelst der Wirkung der spezifischen Bakteriolysiue erfahren. Untersuchungen, welche wir im Institut für Infektionskrankheiten mit den während der letzten ägyptischen Epidemie gewonnenen Kulturen angestellt haben, ergaben stets eine völlige Uebereiustimmung zwischen den Resultaten der Agglutinationsprobe und des mittelst Bakteriolysinen angestellten Tierversuchs, so dass also eine Probe, die Agglutination, ausreichend erscheinen könnte. Trotzdem wird es sich empfehlen, den PFEiFFERschen Versuch für Zwecke der Diagnose bei besonders wich- tigen Feststellungen beizubehalten, schon deshalb, weil in solchen Fällen eine Bestätigung der einen Reaktion durch eine zweite wünschenswert ist. Die Versendung von choleraverdächtigem Material zwecks bakteriologischer Untersuchung an die für derartige Untersuchungen eingerichteten und ausgerüsteten Laboratorien soll, wenn möglich, in Eisverpackung geschehen. Mau muss bei der Entnahme derartigen Cholera asiatica. 41 Materials, welches iu sterilen Gefäßen zu versenden ist, stets daran denken, dass die Cholerabakterien sehr empfindlich gegen Desinfektionsmittel sind nnd mnss sich bei der Entnahme derartigen Materials deshalb stets vergewissern, dass die zum Auffangen der üejekte bestimmten Gefäße nicht mit desinfizierenden Flüssigkeiten ausgespült sind. Bei Cholera- leichen genügt die Einsendung von zwei bis drei Darmschlingeu, welche man, nach doppelter Unterbindung des Darmes auf beiden Seiten, herausschneidet. Sehr empfehlenswert ist es, diesen Proben gleich an Ort und Stelle aus dem Material hergestellte Deckglaspräparate beizu- legen, wie es Günther ^^a empfohlen hat (cf. auch Marx 1. c). Denn aus derartigen Deckglaspräparateu lässt sich häufig die Diagnose schon ohne weiteres stellen, während die Präparate, welche nach dem Empfang einer Sendung aus dem Material hergestellt sind, häufig die Stellung einer Diagnose nicht mehr ermöglichen, weil die Kommabazillen zum großen Teil darin zu Grunde gegangen und von anderen Bakterien überwuchert sind (siehe auch Marx^i^'). Zur Untersuchung von Wasserproben auf Cholerabakterien genügt die Verarbeitung so kleiner Mengen, wie sie bei der Unter- suchung von Faeces ausreicht, nicht. Denn in dem Trink- und Fluss- wasser, in welches Cholerainfektionsstoflfe hineingekommen waren, sind die Choleravibrioneu ja stets rasch und bald verteilt. Nur ausnahms- weise wird es gelingen, durch Verarbeitung derartigen Wassers in Gelatineplatten, die man mit 1 — Vj^ ccm der verdächtigen Wasserproben beschickt, die Choleravibrionen nachzuweisen. Das gelang seiner Zeit E,. Koch bei dem Wasser eines indischen Tanks, der allerdings in sehr intensiver Weise mit Choleradejekten verunreinigt war. Im allgemeinen ist die Verarbeitimg größerer Wassermengen notwendig, und man verfährt am besten nach einer von Flügge & Bitter ^2 angegebenen Vorschrift. Das zu untersuchende Wasser, ca. 11, wird auf 10 bis 12 ERLENMEYERSche Kölbclicn iu Mengen von 100 ccm verteilt. Diesen Kölbchen setzt mau je 10 ccm einer sterilen Peptonstammlösung zu, welche aus 850 Teilen Wasser, 100 Pepton, 50 Kochsalz besteht*). Mau verwandelt also das zu untersuchende Wasser durch den Zusatz der sterilen Peptonlösung in ein Iproz. Pepton wasser. Die so behan- delten Kölbchen werden in dem Brutschrank bei 37° C 18 Stunden lang gehalten. Nach 18 Stunden werden von der Oberfläche jedes Kölb- chens mikroskopische Präparate hergestellt. Von denjenigen Kölbchen, an deren Oberfläche nach Ausweis des mikroskopischen Präparates die meisten Vibrionen vorhanden sind, werden Agarplatten angelegt. Etwaige verdächtige Vibriouenkolonieen, die sich dann auf den beschickten Platten entwickeln, werden auf Agarröhrchen zwecks Gewinnung von Reinkulturen weiter verimpft. Mit den Reinkulturen werden die weiteren Diflferenzierungsmethoden angestellt, namentlich Immunitätsreaktionen, um zu entscheiden, ob es sich um die echten Cholerabakterien handelt oder um die sog. choleraähulichen Bakterien, deren es im Wasser eine große Menge giebt. Viele der letzteren kann man von vornherein aus- schalten durch Anstellung der orientierenden Agglutinationsprobe. Nur diejenigen Vibrionen, welche agglutiuiert sind, werden nachher in den weiteren Differenzierungsverfahren bearbeitet. Bei der Identifizierung *) Die hiervon abweichende Zusammensetzung der Peptonstammlösung, wie sie in der neuen Anleitung vorgesehen ist, giebt auch sehr gute Resultate. Zur Anstellung der Cholerarotreaktion eignet sich diese Peptonlösung nicht. 42 W. Kolle, von Vibrioneu, welche aus Wasserprobeu gezüclitet sind, kann nicht sorgfältig- genug verfahren werden. Kur, wo sämtliche Kennzeichen, namentlich die bakteriolytische Immunitätsreaktion und die Agglutina- tiousprobe positiv ausfallen, kann die Diagnose » Cholera vibrio« ab- gegeben werden. Erlass des Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal- Angelegenheiten, betreffend Anleitung für die bakteriologische Fest- stellung der Cholerafälle, vom 6. November 1902, Eurer Hochwohlgeboren übersende ich in den Anlagen ergebenst je ein Exemplar einer »xinleitung für die bakteriologische Feststellung der Cholerafälle« und einer »Anweisung zur Entnahme und Versendung choleraverdächtiger Untersuchungsobjekte« zur gefälligen Kenntnisnahme und mit dem Hinzufügen, dass dieselben auf Grund der Beratung, welche am 21. August d. Js. im diesseitigen Ministerium stattgefunden hat, von dem Geheimen Medizinalrat Professor Dr. Koch, dem Geheimen Ober- Medizinalrat Professor Dr. Kirchner und dem Professor Dr. Kolle aus- gearbeitet und nach Einholung von gutachtlichen Aeußerungen sämt- licher preußischen Professoren der Hygiene unter Mitwirkung des Ge- heimen Medizinalrats Professors Dr. Flügge und des Eegierungsrats Professors Dr. Kossel endgültig festgestellt worden sind. Die An- leitung würde denjenigen Sachverständigen, welche von den Landes- Zentralbehörden im voraus bestimmt uud eintretenden Falls sogleich an Ort und Stelle entsendet werden, für die bakteriologische Feststellung der Cholerafälle an die Hand zu geben sein. Berlin den 6. November 1902. Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal- Angelegenheiteu. In Vertretung. Wever. An den Herrn Direktor des hygienischen Instituts in (Unter Umschl. an den Herrn Uni vers. -Kurator.) Anleitung für die bakteriologische Feststellung der Cholerafälle. I. Untersuchungsmethoden. 1. Mikroskopische Untersuchung a) von Ausstrichpräparaten (wenn möglich von Schleimflocken), Färbung mit verdünnter Karbolfuchsinlösung (1:9); b) im hängenden Tropfen, anzulegen mit Peptonlösung, sofort und nach halbstündigem Verweilen im Brutschrank bei 37° frisch und gefärbt zu untersuchen. 2. Gelatineplatten. Menge der Aussaat eine Oese (womöglich von einer Schleimflocke), zu den Verdünnungen je drei Oeseu. Zwei Serien zu je drei Platten anzulegen, nach 18 stündigem Verweilen im Brutschrank bei 22" bei schwacher Vergrößerung untersuchen. Klatsch-, evtl. Ausstrichpräparate und Reinkulturen herstellen. [Wegen Zubereitung der Gelatine s. Anhang Nr. 1.] Cholera asiatica. 43 3. Ag-arplatten*). Menge der Aussaat eine Oese, welche iu bekannter Weise zur Herstellung- von 3 Platten verwendet wird. Zur größeren Sicher- heit ist diese Aussaat doppelt anzulegen. Es kann auch statt dessen so verfahren werden, dass eine Oese des Aussaatmaterials in 5 ccm Fleischbrühe verteilt und hiervon je 1 Oese auf je 1 Platte übertragen wird; in diesem Falle genügen 3 Platten. Nach 12 — 18 stündigem Verweilen im Brutschrank bei 37° unter- suchen wie zu 2. [Wegen Zubereitung des Agar s. Anhang Nr. 2.] 4. Anreicherung mit Peptonlösung a) in Röhrchen von je 10 ccm Inhalt. Menge der Aussaat eine Oese, Zahl der Eöhrcheu 6; nach 6- und 12 stündigem Ver- weilen im Brutschrank bei 37° mikroskopisch zu untersuchen; bei Entnahme der Probe darf das Röhrchen nicht geschüttelt werden; von einem Röhrchen, welches am meisten verdächtig ist, Cholerabakterien zu enthalten, werden für die weitere Untersuchung mit je einer Oese 3 Peptonröhrchen geimpft und je eine Serie Gelatine- und Agarplatten angelegt. Die Pepton- rölirchen sind vor der Impfung- im Brutschrank bei 37° vor- zuwärmen ; b) im Kölbchen mit 50 ccm Peptonlösung. Menge der Aussaat 1 ccm Kot, Zahl der Kölbchen 1; nach 6- imd 12stündig-em Verweilen im Brutschrank bei 37° untersuchen wie zu a. [Wegen Zubereitung der Peptonlösung s. Anhang Nr. 3.] 5. Anlegung von Reinkulturen. Dasselbe erfolgt in der bekannten Weise am besten von der Agarplatte aus, durch Fischen und Anlegen von Gelatinestich- kulturen und Kulturen auf schräg erstarrtem Agar. 6. Prüfung der Reinkulturen a) durch Prüfung der Agglutinationsfähigkeit; [S. Anhang Nr. 4.] b) durch den PFEiFFERSchen Versuch. [S. Anhang Nr. 5.] II. Gang der Untersuchung. 1. In ersten Fällen. Es sind sämtliche Methoden anzuwenden, und zwar in folgender Reihenfolge: 1. Impfung der Peptonröhrchen, 2. Herstellung der mikroskopischen Präparate, 3. Anfertigung von Gelatine- und Agarplatten, 4. Untersuchung der mikroskopischen Präparate, 5. Herstellung von Reinkulturen, 6. Prüfung derselben vermittelst des Agglutinations- sowie des PPEiFFEßschen Versuchs. 2. In folgenden Fällen ist ebenso wie bei den ersten Fällen zu verfahren, jedoch sind statt 6 nur 3 Peptonröhrchen, statt je zwei nur je eine Serie der Gelatine- und Agarplatten, statt letzterer event. auch Röhrchen mit schräg erstarrtem Agar zu impfen. Prüfung der verdächtigen Kolonieeu nur vermittelst des Agglutina- tionsversuchs im hängenden Tropfen. *) Die mit solchem Agar hergestellten Platten müssen, ehe sie geimpft werden, eine halbe Stunde bei 37° im Brutschrank mit der Fläche nach unten offen ge- halten werden. U W. KoUe, 3. Bei Ansteckuug-syerdächtig-eu (»Evakuierten«) und bei Kekoiivaleszenteu. Die mikroskopisclic Untersuchung fällt fort, falls nicht die Aus- leerungen choleraartig sind. Statt 6 Peptouröhrchen 1 Pepton- kölbchen (s. I 4b). Von da aus Anlegen je einer Serie Gelatine- und Agarplatten. Prüfimg der verdächtigen Kolonieen nur im hängenden Tropfen vermittelst des Agglutinationsversuchs. Sonst wie zu 2. 4. Wasseruntersuchung. Mindestens 1 1 des zu untersuchenden Wassers wird mit 1 Kölb- cheu (100 ccm) der Peptonstammlösung versetzt und gründlich durchgeschüttelt; dann in Kölbchen zu je 100 ccm verteilt und nach 8- und 18 stündigem Verweilen im Brutschrank bei 37° in der Weise untersucht, dass mit Tröpfchen, welche aus der ober- sten Schicht entnommen sind, mikroskopische Präparate und von demjenigen Kölbchen, an dessen Oberliäche nach Ausweis des mikroskopischen Präparats die meisten Vibrionen vorhanden sind, Peptouröhrchen, Gelatine- und Agarplatten angelegt und wie zu 1 weiter untersucht werden. Zur Prüfung der Reinkulturen Ag- glutinations- und PrEiFFERScher Versuch. III. Beurteilung des Befundes. Zu IL 1 (in ersten Fällen). Die Diagnose Cholera ist erst dann als sicher anzusehen, wenn sämtliche Untersuchuugsmethoden ein positives Ergebnis haben; wichtig ist namentlich eine hohe Agglutinierbarkeit (s. Anhang 4b) und der positive Ausfall des PFEiFFERScheu Versuchs. Ergiebt sich bei der mikroskopischen Untersuchung eine Reinkultur von Vibrionen in der charakteristischen Anordnung und finden sich auf der Gelatineplatte Kolonieen von typischem Aussehen, so kann die vorläufige Diagnose Cholera gestellt, vor Abgabe der endgültigen Diagnose muss aber das Ergebnis der ganzen Unter- suchung abgewartet werden. Zu IL 2 (in folgenden Fällen). Die Diagnose Cholera kann gestellt werden bei positivem Ausfall der mikroskopischen Untersuchung, sowie bei charakteristischer Beschaffenheit der Kolonieen in Gelatine und auf Agar und bei positivem Ausfall des Agglutinationsversuchs im hängenden Tropfen. Giebt die Agglutinationsprobe im hängenden Tropfen nicht absolut einwandfreie Resultate, so ist die quantitative Bestimmung der Agglutinierbarkeit vorzunehmen, sobald eine Reinkultur von der verdächtigen Kolonie gewonnen worden ist. Zu IL 3 (bei Ansteckungsverdächtigen und Rekonvales- zenten). Cholera ist bei Ansteckungsverdächtigen als nicht vorhanden anzu- sehen, wenn bei zwei durch einen Tag voneinander getrennten Unter- suchungen der Faeces keine Cholerabakterien gefunden worden sind; Rekonvaleszenten sind als nicht mehr ansteckungsfähig an- zusehen, wenn dieselbe Untersuchung an drei durch je einen Tag getrennten Tagen negativ ausgefallen ist. Zu IL 4 (Wasser). Etwa im Wasser nachgewiesene Vibrionen sind nur dann als Cholerabakterien anzusprechen, wenn die Agglutinierbarkeit eine Cholera asiatica. 45 eutsprcclicude Höhe hat, und der PFEiFFEEsche Versuch positiv ausgefallen ist. V. Feststellung abgelaufener Cholerafälle. Abgelaufene choleraverdächtige Krankheitsfälle lassen sich feststellen durch Untersuchung des Blutserums der Erkrankten. Aus dem ver- mittelst Schröpfkopfes gewonnenen Blut stellt man mindestens 1 com Serum her und macht damit verschiedene abgestufte Verdünnungen mit 0,8 % Kochsalzlösung behufs Prüfung auf agglutinierende Eigenschaften gegenüber einer bekannten frischen Cholerakultur und behufs Anstellung des PFEiFFERSchen Versuchs (s. Anhang Kr. 5). *) A n h a n g. 1. Bereitung der Gelatine. a) Herstellung von Fleischwasserpeptonbrühe : ^ -2 kg i^i Stücken gekauftes und im Laboratorium zerkleinertes fettfreies Rind- fleisch wird mit 1 1 Wasser angesetzt, 24 Stunden lang in der Kälte oder 1 Stunde laug bei 37° digeriert und durch ein Seihtuch gepresst. Von diesem Fleischwasser wird 1 1 mit 10 g Peptouum siccum Witte und 5 g Kochsalz versetzt, V2 Stunde lang gekocht, mit Sodalösung alkalisch gemacht, 3/4 Stunden laug gekocht und filtriert. b) Herstellung der Gelatine: Zu 1 1 Fleischwasserpepton- brühe werden 100 g Gelatine gesetzt, bei gelinder Wärme ge- löst, alkalisch gemacht — die erforderliche Alkaleszenz wird erreicht, wenn nach Herstellung des Lackmusneutralpunktes 100 ccm Gelatine 3 ccm einer lOproz. Lösung von krystalli- siertem kohlensaurem Natron zugesetzt werden — , 84 Stunden lang in strömendem Dampf erhitzt und filtriert. 2. Bereitung des Agars. a) Herstellung von Fleischwasserpeptonbrühe: wie zu la. b) Herstellung des Agars. Zu 1 1 Fleischwasserpeptonbrühe werden 30 g pulverisiertes Agar hinzugesetzt, alkalisiert wie bei Ib, entsprechend lange gekocht und filtriert. 3. Bereitung der Peptonlösung. a) Herstellung der Stammlösung: In 1 1 destilliertem sterili- siertem Wasser werden 100 g Peptonum siccum Witte, 100 g Kochsalz, 1 g Kaliumnitrat und 2 g krystallisiertes kohlen- saures Natron in der Wärme gelöst, die Lösung wird filtriert, in Kölbcheu zu je 100 ccm abgefüllt und sterilisiert. b) Herstellung der Peptonlösung. Von der vorstehenden Stammlösung wird eine Verdünnung von 1 + 9 Wasser her- gestellt und zu je 10 ccm in Röhrchen und zu je 50 ccm in Kölbchen abgefüllt und sterilisiert. 4. Agglutinations versuch. (Das hierzu erforderliche Testserum ist aus dem Königlichen Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin zu beziehen.) a) Im hängenden Tropfen (in 0,8 proz. Kochsalzlösung) bei *; In allen Fällen, in denen bei der Untersuchung der Verdacht entsteht, dass aus irgend einer Veranlassung, z. B. infolge von Zusatz eines Desinfektionsmittels, das Untersuchungsmaterial nicht einwandfrei ist, muss sofort telegraphisch neues Material eingefordert werden. 46 W. Kolle, schwacher Yerg-rößeriiiig. Es muss mit dem spezifischen Serum in zwei verseliiedeueu Konzentrationen sofort, spätestens aber während eines 20 Minuten langen Verweilens im Brut- schrank bei 37° deutliche Häufchenbildung eintreten. Zur Kontrolle ist ein Präparat mit einer 10 mal so starken Konzen- tration von normalem Serum derselben Tierart, von welcher das Testserum stammt, herzustellen und zu untersuchen. Bei dieser Untersuchungsmethode ist zu berücksichtigen, dass es Vi- brionenarten giebt, welche sich im hängenden Tropfen so schwer verreiben lassen, das leicht Häufchenbildung vorgetäuscht wird, b) Quantitative Bestimmung der Agglutinierbarkeit. Mit dem Testserum werden durch Vermischen mit 0,8proz. (behufs völliger Klärung zweimal durch gehärtete Filter filtrierter) Koch- salzlösung Verdünnunii-en im Verhältnis von 1 : 50, 1 : 100, 1 : 500, 1 : 1000 und^ 1 : 2000 hergestellt. Von diesen Ver- dünnungen wird je 1 ccm in Eeagenzröhrchen gegeben, und je eine Oese der zu prüfenden Agarkultur darin verrieben und durch Schütteln gleichmäßig verteilt. Nach einstündigem Ver- weilen im Brutschrank bei 37° werden die Röhrchen heraus- genommen und besichtigt, und zwar am besten so, dass man sie schräg hält und von unten nach oben mit dem von der Zimmerdecke reflektierten Tageslicht bei schwacher Lupen- vergrößerung betrachtet. Der Ausfall des Versuchs ist nur dann als positiv anzusehen, wenn unzweifelhafte Häufchen- bilduug (Agglutination) erfolgt ist. Bei jeder Untersuchung müssen Kontrollversuche angestellt werden, und zwar: 1. mit der verdächtigen Kultur und mit normalem Serum der- selben Tierart, aber in 10 fach stärkerer Konzentration; 2. mit derselben Kultur und mit der Verdüunungsflüssigkeit; 3. mit einer bekannten Cholerakultur von gleichem Alter, wie die zu untersuchende Kultur, und mit dem Testserum. 5. PPEiFFEKscher Versuch. (Das hierzu erforderliche bakterio- lytische Serum ist gleichfalls aus dem Königlichen Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin zu beziehen.) Das hierzu ver- wendete Serum muss möglichst hochwertig sein, mindestens sollen 0,0002 g des Serums genügen, um bei Injektion einer Mischung- von einer Oese (1 Oese = 2 mg) einer 18 stündigen Choleraagar- kultur von konstanter Virulenz mit 1 ccm Nährbouillon die Cholerabakterien innerhalb einer Stunde im Meerschweinchen- Peritoueum zur Auflösung unter Körncheubildung zu bringen, d. h. das Serum muss mindestens einen Titer von 0,0002 g haben. Zur Ausführung des PrEiFFERschen Versuchs sind 4 Meer- schweinchen von je 200 g Gewicht erforderlich. Tier A erhält das fünffache Multiplum der Titerdosis, also 1 mg von einem Serum 0,0002. Tier B erhält das zehnfache Multiplum der Titerdosis, also 2 mg des Serums. Tier C dient als Koutrolltier und erhält das fünfzigfache Multi- plum der Titerdosis, also 10 mg von normalem Serum derselben Tierart, von welcher das bei Tier A und B benutzte Serum stammt. Sämtliche Tiere erhalten diese Serumdosen gemischt mit je einer Oese der zu untersuchenden, 18 Stunden bis 37° auf Agar Cholera asiatica. 47 gezücliteteu Kultur iu 1 ccm Fleischbrühe (nicht iu Kochsalz- oder Peptoulösuug) iu die Bauchhöhle eiugespritzt. Tier D erhält uur Y^ Oese Cholerakultur iutraperitoueal, um zu erfahren, ob die Kultur für Meerschweinchen virulent ist. Zur Injektion benützt man eine Kanüle mit abgestumpfter Spitze. Die Injektion in die Bauchhöhle geschieht nach Durch- schneidung' der äußeren Haut; es kann dann mit Leichtigkeit die Kanüle in den Bauchraum eingestoßen werden. Die Entnahme des Peritonealexsudats zur mikroskopischen Untersuchung im hängenden Tropfen erfolgt vermittelst Glaskapillaren gleichfalls an dieser Stelle. Die Betrachtung des Exsudats geschieht im hängenden Tropfen bei starker Vergrößerung, und zwar 20 Mi- nuten und 1 Stunde nach der Injektion. Bei Tier A und B muss nach 20 Minuten, spätestens nach einer Stunde typische Körnchenbildung bezw\ Auflösung der Vibrionen erfolgt sein, während bei Tier C und D eine große Menge lebhaft beweglicher und in ihrer Form gut erhaltener Vi- brionen vorhanden sein muss. Damit ist die Diagnose gesichert. Behufs Feststellung abgelaufener Cholerafälle ist der PFEiFFERsche Vcrsuch in folgender Weise anzustellen. Es werden Verdünnungen des Serums des verdächtigen Men- schen mit 20, 100 und 500 Teilen der Fleischbrühe hergestellt, hiervon je 1 ccm, mit je einer Oese einer ISstündigeu Agarkultur virulenter Choleravibrionen vermischt, je einem Meerschweinchen von 200 g Gewicht in die Bauchhöhle eingespritzt. Ein Kontroll- tier erhält ^ '4 Oese der gleichen Kultur ohne Serum in 1 ccm Fleischbrühe aufgeschwemmt in die Bauchhöhle eingespritzt. Bei positivem Ausfall der Reaktion nach 20 bezw. 60 Minuten ist anzunehmen, dass der betreffende Mensch, von welchem das Serum stammt, die Cholera überstanden hat. Anweisung zur Entnahme und. Versendung choieraverdäehtiger Unter- suchungsobjekte. A. Entnahme des Materials. a) vom Lebenden. Ausleerungen: Etwa 50 ccm der Ausleerungen*) werden ohne Zusatz eines Antisepticums oder auch nur von Wasser aufgefangen. Gleichzeitig wird auf eine Anzahl Deckgläschen — von jeder Probe 6 — je ein kleines Tröpfchen der Ausleerungen, womöglich ein Schleim- flöckchen, gebracht, mit einer Skalpellspitze fein verteilt und dann mit der bestrichenen Seite nach oben zum Trocknen hingelegt (Ausstrich- präparate). Endlich empfiehlt es sich, gleich an Ort und Stelle 3 schräg erstarrte Agarr öhrchen (ein Original und 2 Verdünnungen) mit der Oese des Darminhalts oberflächlich zu impfen und mitzusenden. Die hierzu erforderlichen Agarröhrchen sind von der nächsten Untersuchungs- stelle zu beziehen. Wäschestücke: Frisch mit Ausleerung beschmutzte Wäschestücke werden wie Proben von Ausleerungen behandelt. *) Ist keine freiwillige Stuhlentleerung zu erhalten, so ist dieselbe durch Ein- führung von Glycerin zu bewirken. 48 W. KoUe Blut: Handelt es sieli um nacliträgiiclie Feststellung eines abge- laufenen clioleraverdäclitigen Falles, so kann diese durcli Untersuchung einer Blutprobe vermittelst des PrEiFFERscheu Versuchs und der Agglu- tinationsprobe geschehen. Man entnimmt mindestens 3 ccm Blut durch Veneupunktion am Vorderarm oder sterilen Schröpfkopf und sendet es in einem sterilen zugeschmolzenen Eeagenzglase ein. Scheidet sich das Serum rasch ab, so kann demselben zur besseren Konservierung 0,b% Phenol hinzugesetzt werden. b) von der Leiche. Die Obduktion der Leiche ist sobald als möglich nach dem Tode auszufuhren und in der Eegel auf die Eröffnung der Bauchhöhle und Herausnahme von drei Dünudarmschlingen zu beschränken. Zu ent- nehmen und einzusenden sind drei doppelt unterbundene 15 cm lange Stücke, und zwar aus dem mittleren Teile des Ileum, etwa 2 m oberhalb sowie un- mittelbar oberhalb der Ileocökalklappe. Besonders wertvoll ist das letzt- bezeichnete Stück, welches daher bei der Sendung niemals fehlen sollte. B. Auswahl und Behandlung der zur Aufnahme des Materials bestimmten Gefäße. Am geeignetsten sind starkwandige Pulvergläser mit eingeschlif- fenem Glasstöpsel und weitem Halse, in Ermangelung derselben Gläser mit glattem cvlindrischem Halse, welche mit gut passenden, frisch aus- gekochten Korken zu verschließen sind. Die Gläser müssen vor dem Gebrauche frisch ausgekocht, dürfen dagegen nicht mit einer Desiufektionsflüssigkeit ausgespült werden. Nach der Aufnahme des Materials sind die Gläser sicher zu ver- schließen und ist der Stopfen mit Pergamentpapier zu überbinden; auch ist an jedem Glase ein Zettel, der genaue Angaben über den Inhalt unter Bezeichnung der Person, von welcher es stammt, und der Zeit der Entnahme (Tag und Stunde) enthält, fest aufzukleben oder sicher anzubinden. C. Verpackung und Versendung. In eine Sendung dürfen immer nur Untersuchungsmaterialien von einem Kranken bezw. einer Leiche gepackt werden. Ein Schein ist beizulegen, auf dem anzugeben sind : die einzelnen Bestandteile der Sendung, Name, Alter, Geschlecht des Kranken bezw. der Leiche, Tag und Ort der Erkrankung, Heimats- bezw. Herkunftsort der von aus- wärts zagereisten Personen, Krankheitsform, Tag und Stunde der Er- krankung bezAv. des Todes. Zum Verpacken dürfen nur feste Kisten — keine Zigarrenkisten, Pappschachteln und dergl. — benutzt werden. Deckgläschen werden in Fließpapier eingeschlagen und mit Watte in einem leeren Deck- glasschächtelchen fest verpackt. Die Gläser und Schächtelchen sind in den Kisten mittelst Holzwolle, Heu, Stroh, Watte und dergleichen so zu verpacken, dass sie unbeweglich liegen und nicht aneinanderstoßen. Die Sendung muss mit starkem Bindfaden umschnürt, versiegelt und mit der deutlich geschriebenen Adresse der Untersuchungsstelle sowie' mit dem Vermerke: »Vorsicht« versehen werden. Bei Beförderungen durch die Post ist die Sendung als »dringendes Packet« aufzugeben und der Untersuchungsstelle, an welche sie gerichtet ist, telegraphisch anzukündigen. Cholera asiatica. 49 Bei der Eutnahme, Verpackung- und Versendung' des Materials ist jeder unnütze Zeitverlust zu vermeiden, da sonst das Ergebnis der Untersuchung in Frage gestellt Averden würde. D. Versendung lebender Kulturen der Clioleraerreger. Die Versendung von lebenden Kulturen der Clioleraerreger erfolgt in zugesclimolzenen Glasröhren, die, umgeben von einer weichen Hülle (Filtrierpapier und AVatte oder Holzwolle), in einem durch übergreifen- den Deckel gut verschlossenen Blechgefäße stehen, das letztere ist seiner- seits noch in einer Kiste mit Holzwolle, Heu, Stroh oder Watte zu ver- packen. Es empfiehlt sich nur frisch angelegte Agarkulturen zu versenden. Verpackung und Versendung wie zu C. Der menschliche Choleraanfall. Die bakteriologischen Untersuchungen, welche mit den angegebenen Methoden bei zahllosen Choleraerkrankungeu vorgenommen worden und bei denen auch eine große Anzahl von choleraverdjichtigen Erkrankungen, sog. Cholerine, Avie sie zu Cholerazeiten immer vorkommen, zur Unter- suchung gelangt sind, und endlich die Untersuchung von Menschen aus der Umgebung von Cholerakranken, w^elche scheinbar ganz gesund waren, haben uns nun Thatsachen an die Hand gegeben, um uns über das Zu- standekommen der Choleraerkrankungen und des Choleraaufalls beim Menschen ein Bild zu machen. Wie bei vielen Infektionskrankheiten sehen wir auch, dass bei der Cholera alle Abstufungen von leichtesten Erkrankungen bis zu schweren Krankheitsbildern, die zum Tode führen und bei der Cholera gegenüber den leichten Fällen überwiegen, vor- kommen. Nicht bei jedem, Avelcher sich mit Cholerabakterieu infiziert, kommt der Cholerainfektionsprozess zustande, und bei denjenigen, bei welchen es zu einer Erkrankung des Darmes gekommen ist, die sich zu- nächst in Diarrhöen ohne weitere Allgemeinsymptome äußern kann, entstehen sehr verschiedenartige Krankheitsbilder. Es müssen Umstände eintreten, welche begünstigend auf das Zustandekommen dieser schweren Zustände wirken. Wir haben bereits w^eiter oben auseinandergesetzt, dass begünstigende Mikroorganismen im Sinne Metschnikoffs dafür nicht verantwortlich zu machen sind. Die Ursache dürfte vielmehr in der geringeren oder größeren Resistenz des Darmepithels in erster Linie zu suchen sein. Man hat stets die Erfahrung gemacht, dass in Cholera- zeiten diejenigen Personen, welche durch Krankheiten anderer Art ge- schwächt waren, überhaupt schwächliche Personen, Kinder und Greise in erster Linie an Cholera erkrankten und ihr erlagen. Aber außer der natürlichen Resistenz des Darmepithels spielen sicherlich auch L^mstände mit, die mit der Resorption der Giftstoffe zusammenhängen. Im allge- meinen lässt sich behaupten, dass wir über diese Verhältnisse noch sehr wenig wissen. Es ist deshalb besser, die Thatsachen als solche zu registrieren, als Theorieen, die noch zu beweisen sind, aufzustellen. Man hat sich die Infektion mit Cholerabakterien und das Zustande- kommen des Choleraprozesses beim Menschen etwa in folgender Weise zu denken. Mit Nahrungsmitteln oder Wasser, welches die Cholera- bakterien enthält, kommen die Vibrionen in den Magen. Da dieselben sehr empfindlich gegen Säuren sind, so werden in vielen Fällen die in den Magen auf diese Weise gelangenden Vibrionen abgetötet werden. Aber wir wissen andererseits, dass auch bei saurer Reaktion des Magen- HandbuclL der patliogenen Miki-oorganismen. ni. 4 50 W. KoUe, Saftes die Vibrionen z. B. im Inneren von größeren Nahrnngsbestaud- teilen der Wirkung der Säure ebenso wie andere Mikroorganismen, welche sonst selir empfindlich gegen Säuren sind und nach der Ein- führung per OS im Darm wiedererscheinen, entgehen können. Außerdem gelangen aber Getränke, namentlich kühle Getränke, wenn sie in den leeren Magen aufgenommen werden, nach ganz kurzem Verweilen im Magen in den Dünndarm hinein, wie experimentelle Untersuchungen z. B. Yon Ewald gezeigt haben. Wie dem auch sei, die Epidemiologie lehrt, dass die Choleravibrionen trotz ihrer Empfindlichkeit gegen Säuren auf die eine oder andere Weise den natürlichen Schutzdamm, welchen der Magen durch seine verdauende Kraft und seine Säurewirkung bietet, zu durchbrechen imstande sind. Man darf hierbei nicht außer acht lassen, dass die Acidität bei vielen Menschen nur eine geringe ist, und dass namentlich der Gehalt an freier Salzsäure im Mageninhalt zu Zeiten ein sehr geringer sein kann. Gelangen die Vibrionen in den Dünndarm, so finden sie alkalische Eeaktion und bekommen zugleich in den dort vorkommenden Peptonen einen ausgezeichneten Nährboden zu ihrer Entwicklung. Sie vermehren sich im Düundarminhalt sehr rasch, ge- winnen auch die Oberhand vor den geAvöhulicheu Darmbakterien, deren Flora sie, wie bereits auseinandergesetzt ist, vollkommen verdrängen können. Bei manchen Menschen kommt es vielleicht schon unter dem Einfluss der im Darmlumeu gewucherten Choleravibrionen zu leichten Durchfällen, prämonitorischeu Diarrhöen (Gkiesinger). Es stellen sich leichte Bauchschmerzen ein. In manchen Fällen verschwinden nach kurzer Zeit diese Symptome, ohne weitere Veränderungen hervorgerufen zu haben oder schädliche Nachwirkungen zu bedingen. Sehr häufig schließen sich indessen an diese leichteste Erkrankungsform der Cholera, welche mehrere Tage unverändert Ijestehen kann, ganz plötzlich schwere Krank- heitserscheinungen an, namentlich dann, wenn die Kranken, ohne diät zu leben, ihre gewöhnliche Lebensweise weiterführen oder gar Diät- fehler, Exzesse u. s. w. begehen. Nicht mit Unrecht kann man annehmen, dass derartige Diätfehler, welche zum Teil die Peristaltik lähmen, die Blutverteilung ändern und auch direkt schädigend auf die Darmschleim- haut einwirken können, die Resistenz des Darmepithels herabsetzen. Die Vibrionen, welche vorher mehr im Darminhalt oder in dem alkalischen Darmschleim gewuchert waren, dringen nun in das Epithel selbst ein. Vermöge der von ihnen gelieferten Giftstoffe kommt es zu einer Nekroti- sierung des Epithels. Das Epithel wird abgestoßen und im Zusammen- hang damit kann es nun zu einer plötzlichen Ueberschwemmung des Körpers mit den spezifischen, von den Choleravibrionen gelieferten Gift- stoffen kommen. R. Koch war der erste, welcher in präziser AVeise den ausgeljildeten Choleraanfall als ein akute Vergiftung mit den spezi- fischen Choleragiftstoifen bezeichnete, welche von den Choleravibrionen bei ihrem Wachstum im Darmepithel und in der Schleimhaut des Darmes gebildet werden. Der Choleraprozess ist seinem eigentlichen Wesen nach also ein Infektionsprozess des Darmepithels. Die in den Lymphräumen zwischen den Epithelzellen sich vermehrenden Vibrionen bringen das Epithel zur Nekrose imd Ablösung von der Basalmembran, auch in diese eindringend. Dabei kommt es zu einer Resorption des Choleragiftcs, welches in den Vibrionenleiberu enthalten ist und dadurch löslich wird, dass die Vibrionen zu Grunde gehen. Ist es aber erst einmal zur Ne- krotisierung des Epithels gekommen, so gelangen auch die im Darm- iuhalt enthaltenen Giftstoöe zur AVirkung. Cholera asiatica. 51 lu vielen Fällen köuueu Ersclieinuug-en von selten des Darmes, be- stehend in Durchfällen, Leibschmerzen, Erbrechen völlig- fehlen. Die Krankheit setzt gleich mit dem schweren Kollapszustand ein, den wir als Stadium algidum bezeichnen, und es erfolgt der Tod, ehe es zur Entleerung von Cholerastühlen gekommen ist (Cholera sicca). Bei der Obduktion solcher Fälle findet sich wohl eine Infektion des Darm- epithels, aber die Desquamation fehlt. Diese Fälle akutesten Verlaufes liefern die stringentesteu Beweise für die Kichtigkeit der mitgeteilten Auffassung über das Zustandekommen des Choleraanfalls, ^o Das Choleragift. Seit den ersten Mitteilungen K. Kochs ^^^i, wonach der Choleraaufall, speziell das Stadium algidum, als eine Vergiftung mit einem spezifischen Gift aufzufassen ist, hat es nicht an Arbeiten gefehlt, welche weitere experimentelle Beweise für die Existenz des spezifischen Choleragiftes beizul)riugen suchten. Es sind verschiedene Theorieeu aufgestellt wor- den, um das Zustandekommen der Giftbildung und die rasche Kesorption der Gifte am ungezwungensten zu erklären. Zuerst hat Hueppe ^* ^^ so sich mit diesen Fragen beschäftigt. Hueppe ging von der Annahme aus, dass die Bildung des Choleragiftes, welches beim Choleraanfall des Menschen wirksam wird, von den Vibrionen unter anaeroben Ver- hältnissen geliefert wird. Er stützte sich dabei auf die Annahme, dass im Darm, in dessen Inhalt die Cholerabakterieu sich reichlich ver- mehren, nahezu anaerobe Wachstumsbedinguugen vorhanden sein sollten. Diesen im Darm von Cholerakrankeu suppouierten Zustand versuchte Hueppe künstlich nachzuahmen, indem er die Cholera vibriouen in frische Hühnereier impfte, worüber wir oben bereits kritisch berichtet haben. Die Cholerabakterien sollten in diesem genuinen Eiweiß nach Aufbrauch des darin enthaltenen freien Sauerstotfs Schwefelwasserstoff produzieren, welcher jeden Sauerstoffzutritt fernhält und so auaerobe Verhältnisse schafft. Unter solchen anaeroben Verhältnissen soll im Ei die Bildung eines ganz besonders starken spezifischen Choleratoxins vor sich gehen. Wir haben oben bereits auseinandergesetzt, dass die HuEPPEsche Annahme über anaerobe Wachstumsverhältuisse der Cholera- bakterien im Hühnerei nicht zutrifft, dass die Cholerabakterien weder Schwefelwasserstoff erzeugen, noch sich unter anaeroben Verhältnissen in derartigen Eiern nennenswert vermehren. Die spezifischen Cholera- toxiue, welche Hueppe und Scholl in den stark nach Schwefelwasser- stoff riechenden Eiern erzielten, können also keine Choleragifte gewesen sein. Wie Zenthöfer^^^ Döxrrz^^ und andere nachwiesen, dürfte es sich in diesen Fällen um Fäulnisgifte gehandelt haben, da nur dann in derartigen Eiern Schwefelwasserstoffentwicklung stattfindet, wenn die Cholerakulturen durch anaerobe Fäulnisbakterien verunreinigt sind. Von einer ganz besonderen Vorstellung über die Choleragiftstofte ging E. Pfeiffer aus. Derselbe untersuchte zunächst die Filtrate von jungen und alten Bouilloukulturen der Cholerabakterien. Er fand dabei, dass die Filtrate 1 — ötägiger Cholerakulturen selbst in relativ großen Mengen keine nennenswerten Giftwirkuug nach Einverleibung in Versuchstiere erkennen lassen. Erst in älteren Kulturen, namentlich solchen, welche mehrere Wochen oder Monate gewachsen sind, treten auch lösliche Gifte, welche durch Filtration derartiger Kulturen mittels bakteriendichter Filter 4* 52 W. Kolle, von den übrigen Bestandteilen der Kulturen abgetrennt ^Yerden können, auf. Diese giftigen Stotte äußern sich bei Einverleibung in Versuchs- tiere in ähnlicher Weise, wie basische alkaloidartige Körper, welchen der Name Ptomaine beigelegt ist. Sie wirken außerordentlich rasch und in ganz anderer Weise, als es das Choleragift zu thun pflegt. Weitere Untersuchungen, welche später mittels Immunisierung mit der- artigen Produkten angestellt sind, machen es so gut wie sicher, dass diese in alten Kulturen vorhandenen gelösten Stoffe mit dem Cholera- gift, dem primären oder sekundären, so gut wie nichts zu thun haben. Sie sind basische Körper, welche wir in den meisten alten Bakterien- kulturen auftreten sehen, und entbehren jeder spezitischen Bedeutung. Im Gegensatz zu dieser geriugen Giftwirkuug, welche mehrtägige Filtrate von Cholerakulturen (flüssige Bouillonkulturen, Peptonkulturen) der Cho- lerabakterien aufweisen, konnte R. Pfeiffer nun zeigen, dass in den frischen Agarkulturen der Cholerabakterien, welche vorwiegend oder fast nur aus den Leibern der Cholerabakterien bestehen, als integrierender Be- standteil der Bakterienzellen stark toxische Substanzen enthalten sind. Tötet man derartige Kulturen ganz vorsichtig durch kurzen Kontakt mit Chloroformdämpfen oder durch einstündige Erwärmung auf 56° C ab und injiziert kleine Mengen derselben, nachdem man ihre Sterilität durch Aussaat auf Nährböden geprüft hat, Meerschweinchen intraperi- toueal , so findet man , dass im Durchschnitt 10 mg einer solchen 18 stündigen, durch 10 Minuten lange Einwirkung von Chloroform- dämpfen sterilisierten Kultur Meerschweinchen von 200 g Gewicht bei intraperitonealer Injektion unter Erscheinungen töten, welche durch eine Lähmung der Ceutra der Zirkulation und Wärmeregulation be- dingt sind. Diese iutracellulären Giftstoffe sind äußerst labiler Natur. ^& Durch Behandlung mit stark wirkenden Chemikalien, Kochhitze oder länger dauernde Erwärmung auf 80 — 90° C tritt nach Pfeiffer & Wassermann 133 184 gj^e Umwandlung des primären Choleragiftes in sekundäre Gifte ein. Es geht dies vor allem daraus hervor, dass die mit eingreifenden Ab tötuugs verfahren behandelten Kulturen weit weniger giftig sind, als die vorsichtig abgetöteten Cholerakulturen, in denen das primäre Gift noch enthalten ist. Dies primäre Gift wirkt auch physiologisch anders als die sekundären Gifte. Es tritt eine protrahiertere Wirkung bei letzteren ein. Wenngleich die ersten Versuche über das Choleragift von R. Pfeiffer mit der Kultur Massaua angestellt wurden, von der wir heute wissen, dass sie keine Cholerakultur ist (sie hat u. a. vier Geißeln), so haben doch spätere Nachprüfungen, an denen Wassermann, der Verf u. a. l)e- teiligt waren, keinen Zweifel daran gelassen, dass bei echten Cholera- kulturen, Avie ül)erhaupt bei allen Vibrionenkulturen, die Giftstoffe in- tegrierende Bestandteile der Bakterienzelle selbst sind. Es ist bis jetzt nicht gelungen, dieses Gift rein darzustellen. Löslich Avird das Gift nur durch das Zugrundegehen der Bakterienzelle. In allen flüssigen Kulturen gehen nach einiger Zeit des Wachstums Vibrionen durch Plasmolyse zu Grunde und liefern so lösliche Gifte, die allerdings sehr labil sind und bald zerfallen, lieber chemische Mittel, das primäre Choleragift in lös- liche Form überzuführen, verfügen Avir nicht. Dagegen dürfte die Pyo- cyanase (Emmerich) ein Mittel sein, um eine leichte und schonende Auflösung der Vibrionen herbeizuführen. Wenngleich die Anschauungen, dass das eigentliche Cholcragift die Leibessubstanz der Vibrionen oder einen Teil derselben darstellt, Aveite Cholera asiatica. 53 Verbreitung" und Annahme gefunden haben, giebt es doch auch An- hänger der Theorie, dass die Choleravibriouen lösliche Giftstoffe sezer- uieren. Die Verfechter derartiger Anschauungen stützen sich vor allem auf die Versuche Hueppes^^^^o ^^^^ ferner namentlich auf diejenigen von Metschxikoff, Roux, Taurelli-Salimbeni^^^, Diese Autoren ver- suchten durch eine besondere Versuchsauordnung zu zeigen, dass löshche sezernierte Choleragiftstoffe existieren. Hueppes Versuche, die Züchtung der Cholerabakterien in Eiern betreffend, sind bereits einer Kritik unterworfen worden; sie haben zu einer einwandsfreieu Demonstration der Choleragifte nicht geführt. Mehr Beachtung verdienen entschieden die Versuche von Metschnikoff, Koux und Taurelli-Salimbeni'52. Die Ver- suchsanordmmg derselben war folgende. In kleine sterilisierte Collodium- säckcheu, welche mit 5 — 10 ccm Peptonlösung oder Nährbouillon gefüllt waren, wurden Cholerabakterien eingesät, und die Säckchen dann durch einen Faden geschlossen. DieSäckcheu wurden darauf in die Bauchhöhle von Meerschweinchen eingeführt und dort längere Zeit belassen. Die Collodium- membran ist nun wohl für Flüssigkeiten, nicht aber für die Cholera- vibriouen durchgängig. Trotzdem sterben die Tiere, denen die Säckchen in die Bauchhöhle eingeführt sind, unter Vergiftungserscheinungen. Die Choleravibriouen sind nur in dem Inhalt der Säclvcheu, in dem sie sich stark vermehren, zu finden, nicht dagegen in dem Peritonealexsudat oder den Organen oder dem Blut der Meerschweinchen. Die längere Zeit, durch öftere Uebertragung auf neue Collodiumsäckchen und neue Tiere, in solchen Säckchen gezüchteten Choleravibriduen sollen nun auch die Fähigkeit gewinnen, außerhalb des Tierkörpers in Kultur- flüssigkeiten stark wirkende Gifte zu sezernieren. Die Autoren wollen auch ein gegen diese Gifte wirkendes antitoxisches Serum hergestellt haben, lieber Heilerfolge mit einem derartigen Serum beim Cholera- aufall des Menschen ist allerdings nichts bekannt geworden. Das gleiche gilt für ein antitoxisches Choleraseruni, welches Behring & Kaxsom^ hergestellt haben wollten. Diese Autoren hatten das primäre Cholera- toxin überhaupt nicht in den Händen, sondern sekundäre Gifte und Alkalo'ide, die in alten Cholerakulturen entstehen. Meines Erachtens ist durch diese Versuche von Roux, Metschnikoff, Taurelli-Saldibeni allerdings der stringente Beweis, dass Cholera- bakterien ein stark lösliches Gift sezernieren, nicht erbracht. Denn bereits in frischen 2 — 3tägigeu Cholera-, Bouillon- oder Peptoukulturen können zahlreiche Individuen von den gewachsenen Vibrionen zu Grunde gehen, wodurch lösliche intracelluläre Gifte freiwerden. Aehnlich stark wirk- same Gifte, wie wir sie bei Tetanus und Diphtherie kennen, sind auch von den genannten Autoren in flüssigen jungen Kulturen nicht er- zielt worden. Einwandsfreie Bestätigungen dieser Befunde von kompe- tenter Seite liegen bisher nicht vor. Epidemiologie. Die schon in vorstehenden Abschnitten dieses Kapitels mit Bezug auf den Verlauf der großen Seuchenzüge der Cholera begründete Behauptung, dass die Cholera in Europa oder überhaupt an irgend einem Punkte der Erde niemals autochthou entstanden ist oder entstehen kann, muss als die Grundlage der ganzen Cholera-Epidemiologie betrachtet werden. Es hat sich in der That in allen den Fällen, wo man zu der Annahme einer 54 W. KoUe, autoclitlioneu EutstcliuDg: der Cholera iieiiite, doch, wenn genügend gründliche Xachforsclmngen angestellt Avurden, herausgestellt, Avie Be- ziehungen des scheinbar autochthon entstandenen Choleraherdes mit anderen Cholerafällen bestanden. Gerade durch die neueren Unter- suchungen, bei denen die bakteriologische Diagnose herangezogen wurde, ist volles Licht über diese Thatsaehe verbreitet worden. Denn mit Hilfe der bakteriologischen Methoden hat man feststellen können, dass selbst ganz leichte Diarrhöen, Avelche gar nicht als choleraverdächtig erkannt und beachtet werden, doch echte Cholerafälle deshalb sind, weil bei ihnen die KocHschen Vibrionen in den Faeces vorhanden sind. Es kann mm zu einer Kette solcher leichten Fälle kommen, die zudem noch übersehen werden können. Der Krankheitsstoff kann auf diese Weise weithin ver- schleppt werden, ohne dass es in jedem Fall gelingen wird, den Faden von einem Fall zum anderen zu finden und alle Glieder der Kette nach- träglich noch aufzufinden. Eine zweite nicht minder wichtige Beob- achtung ist die, dass sich nach Ueberstehen, sei es schwerer oder leichter Cholerafälle, die Cholerabazillen noch wochen-, ja monatelang in den scheinbar normalen Dejekten halten können (Dönitz, Kolle). Wenn man nun noch in Eechnung zieht, dass auch das Wasser als Vehikel des Cholerainfektionsstoffes dienen, und unbemerkt denselben weithin ver- streuen kann, so ist die Zahl der Möglichkeiten, wie der Cholera- infektiousstoff unaugenfällig und unbemerkt weithin verschleppt wird, eine so große, dass schon aus diesem Grunde der Nachweis einer autochthonen Entstehung der Cholera stets misslins'en müsste. Wie bei den früheren Seuchenzügen, so hat auch bis in die neueste Zeit die Cholera sich von dem endemischen Gebiete Indiens, wo sie unter der Bevölkerung des Gangesdelta dauernd vor- kommt, aus nach dem Westen ausgebreitet. Während früher eigentlich nur der Landweg in erster Linie für die Verbreitung der Cholera in Betracht kam, ist nach der Eröffnung des Suezkanals auch der See- verkehr in erhöhtem Maße für die Verschleppung der Cholera ins Auge zu fassen. Die Dauer einer Seereise von Indien nach den Häfen des roten Meeres, Aegyptens und des Mittelmeeres ist heutzutage eine so kurze, dass mit Leichtigkeit ein Mensch, welcher z. B. einen Choleraanfall in Indien tiberstanden hat, die Cholerabakterien, nachdem er eine mehrwöchige Reise hinter sich hat, doch noch in seinen Dejekten mit sich führen und so zur Bildung eines Choleraherdes in Europa oder Nordafrika führen kann. In erster Linie ist hier Aegypten bedroht. In das Land der Pharaonen kehren Anfang Juni in gewaltigen Zügen, nach 30—40000 zählend, die Pilger von Mekka zurück. Wird die Cholera mit den Pilgerzügen von Indien her nach Mekka eingeschleppt, so kommt es meist auch zu einer Verseuchung Aegyptens. Trotz der Quarantäne und trotz der scharfen Ueberwachung der Pilgerzüge ist es auch in diesem Jahre wieder zu einer Einschleppung der Cholera nach Aegypten gekommen, wo ein internationaler Sanitätsrat wegen der Europa von Aegypten her drohenden Gefjihr mit besonders scharfem Auge die Epidemie verfolgt imd für die möglichst energische und umsiclitige Bekämpfung der Seuche Sorge trägt. Bemerkenswert und nach den Auseinandersetzungen über leichte Cholerafälle und das Vorkommen der Vibrionen in den Dejekten von Cholerarekonvaleszenten doch Avieder leicht erklärlich ist die Erscheinung, dass es auch im Jahre 1902 trotz eifrigster Nachforschungen den Behörden nicht gelungen ist, die Art der Einschleppung oder ihren Weg nach Moucha, wo die Seuche zuerst auftrat, festzustellen. Wenngleich nun, wie bereits in der historischen Einleitung Cholera asiatica. 55 auseiuauclergesetzt wurde, die Gefahr für die europäischen Häfeu des Mittehueeres, von den ägyptischeu Häfeu aus mit Cholera verseucht zu werden, eiue ziemlich große ist, so besteht die Hauptgefahr für Europa doch in der großen Welle der Cholera, die über Arabien, Syrien, Klein- asien auf das südliche Kussland und von dort sich weiter auf Deutschland verbreitet. Sobald die Cholera erst einmal im europäischen Russland Fuß gefasst hat, ist mit dem Ausbruch von Choleraherden in den verschiedensten Teilen Europas zu rechneu. Seit die Verkehrsmittel so erleichtert sind, dass sie einen billigen und raschen Verkehr fiir breite Schichten des Volkes ermöglichen , hat man mit unvermuteten Sprüngen , welche die Cholera macht, stets zu rechnen. Zuweilen gelingt es in solchen Fällen, die Person, welche den Infektionsstoff in ihren Dejekten oder mit infizierter Wäsche Tausende von Kilometern verschleppt, ausfindig zu machen. Das ist z. B. gelungen bei dem von Pettenkofer beschriebenen Cholera- fall in Alteuburg , wohin ein cholerakrankes Kind den Infektionsstoff direkt von Odessa gebracht hatte. Während der Epidemie 1892 ist es sehr häufig beobachtet worden, dass Personen, aus Städten flüchtend, in denen die Cholera ausgebrochen war, z. B. aus Hamburg, den In- fektionsstoff nach den verschiedensten Teilen Deutschlands verschleppt haben. In diesen Verschleppungen durch vereinzelte Personen oder ihre infizierte Wäsche auf dem Landwege, Eisenbahn u. s. w. liegt allerdings nicht die Hauptgefahr für die epidemische Ausbreitung der Cholera, wenigstens nicht für Europa, sondern diese hängt in erster Linie zu- sammen mit dem Verkehr auf den Flüssen und Kanälen. Vor allen Dingen ist es die Weichsel, welche beim Ausbruch der Cholera in Russisch -Polen den Infektiousstofl' in größtem Maßstabe nach Deutsch- land durch die zahlreichen Flößer führt, die, auf den Flößen der AVeichsel herabkommend, den Fluss und die mit ihm in Verl)iudung stehenden Kanäle verseuchen und zur Entstehung von einzelnen Cholcraausbrüchen an den Ufern durch Berührung mit der übriü'en Bevölkerung Veranlassung geben. Beim Anlegen der Flöße an den ruhigen Stellen der Flussläufe findet außerdem sehr häufig eine Ver- seuchung der betreffenden Flussstellen durch die Cholerabazilleu ent- haltenden Dejekte der Flößer statt. Auf diese Weise kommt es unter der Schiffbevölkerung der Flüsse und der mit diesen Flüssen in Zu- sammenhang stehenden Kanäle, vor allem der zwischen Netze, Warthe und Oder bestehenden, zu einer immer größeren Ausbreitung der Epidemie. Denn die auf den genannten Flussläufen lebende Bevölkerung zählt nach vielen Tausenden von Köpfen. Seit man sich über diese Verhältnisse völlig klar ist, wie dies bereits 1892 der Fall war, ist die Ausbreitung der Cholera unter den Flößern und von dort aus unter der Schiffs- bevölkerung und der Bevölkerung der anliegenden Ortschaften eine ver- hältnismäßig geringe gewesen. Denn die Ueberwachuug dieses Flößer- verkehrs, die sogen. Stromüberwachung, ist ein Teil der von R. Koch zu- erst entworfenen, mit so großem Erfolg von 1892 — 1894 durchgeführten rationellen Choleraprophylaxis. Es sei hier nur noch kurz erwähnt, dass die Flößer, welche früher nach der Ablieferung der Flöße an der Weichselmündung längs der Weichsel über Land nach Hause zurück- zuwandern pflegten, jetzt in besonderen Zügen ohne Aufenthalt der russischen Heimat wieder zugeführt werden, so dass auf diese Weise eine Verstremiug des Infektiousstofles über die von den Flößern bei ihrer Wanderung berührten Ortschaften, wie es früher der Fall war, nicht mehr stattfinden kann. Was hier mit einiger Ausführlichkeit für 56 W. KoUe, die cleutsclieu Verhältuisse auseiuanclergesetzt ist, gilt für alle Länder, iu deueu Wasserwirtschaft g-etriebeu wird. Während einer langen Periode haben in Deutschland nnd überhaupt in der wissenschaftlichen Welt in Bezug auf die Choleraepidemiologie die Anschauungen Geltung gehabt, welche von Pettenkofee durch jahrzehntelanges unermüdliches und sorgfältiges Studium der Eigen- tümlichkeitender Choleraausbreitung und -Übertragung, ihres Vorkommens in den verschiedenen Jahreszeiten u. s. w. gewonnen w^orden sind. Wenn- gleich nun die Anschauungen, wie sie Pettenkofek auch bis in seine letzten Lebensjahre vertreten hat, heutzutage allgemein als verlassen gelten müssen, so gebührt ihm doch das Verdienst, eine ganze Anzahl epidemiologischer Eigentümlichkeiten der Cholera zuerst mit Präzision erkannt und beschrieben zu haben. Wir werden im folgenden zu zeigen versuchen, dass diese zum Teil recht eigenartigen epidemiologischen Verhältnisse, für welche Pettenkofee sehr komplizierte Hypothesen und Theorieen herangezogen hatte, sich auch mit der lichtvollen Koch- schen Choleratheorie erklären lassen. Li sehr gedrängter Form hat Flügge in den Mikroorganismen die PETTENKOFEESchen Theorieen skiz- ziert. Ich folge seinen Ausführungen. Die w^esentlichsten der PETTEXKOFEESchen Beobachtungen sind die- jenigen über die örtliche und zeitliche Verteilung der Choleraepidemieen. Wie Pettenkofee durch das sorgfältige historische Quellenstudium der Choleraepidemieen nachwies, hat sich die Seuche niemals gleichmäßig z. B. über Deutschland mit derselben Heftigkeit verbreitet. Diese That- sache ist um so auffälliger, als früher, wo eine wirksame Bekämpfung der Seuche noch nicht bekannt war, der Lifektionsstoff sicherlich gleich- mäßig überallhin gelaugte. Während nun gewisse Orte bei allen Epidemieen in sehr starker Ausdehnung heimgesucht worden sind, sind andere Städte bei allen Epidemieen so gut wie verschont geblieben. Als Beispiele werden hier meistens Hannover, Stuttgart, Lyon u. a. an- geführt. Aus diesen Beobachtungen zog Pettenkofee den Schluss, dass die Entstehung von Choleraepidemieen nicht nur durch die Ein- schleppung des Krankheitsstofifes zu erklären sei, sondern dass auch mit der Oertlichkeit zusammenhängende Bedingungen, die wir bisher noch nicht kennen, und die als örtliche Disposition bezeichnet werden, iu Frage kommen. Auf Grund der Statistik wies Pettenkofee ferner nach, dass meistens wenigstens in Deutschland die Choleraepidemieen ihre größte Ausdehnung stets im Spätsommer oder Herbst gehabt haben, während in den Monaten Februar, März, April und Mai ein Minimum in der Choleraausbreitung folgt. In Indien liegen die Maxima und Minima nach Pettenkofers Angaben zu anderen Jahreszeiten, so z. B. in Bombay das Minimum in den Monaten Juni bis Oktober, das Maximum von Februar l)is Mai. Dieses eigenartige Verhalten der Choleraepidemieen bezeichnete Petten- kofee als zeitliche Disposition. Die Anhänger der PETTENKOFEESchen Theorie haben sich vielftich als Lokalisten bezeichnet und es ist von ihnen ein Gegensatz betont worden zu den Anhängern der Theorieen, welche mehr die An- steckungsfähigkeit der Cholera von Person zu Person iu den Vordergrund gestellt haben, zu den sog. Kontagiouisten. Ein solcher ausgesprochener Lokalist war z. B. Cunningiiam. Dieser Forscher nimmt an, dass der Cholerainfcktionsstoff ubiquitär sei, was sicli in dem Vorkommen von sporadischen Cholerafällen, z. B. iu Indien, au allen Orten und zu allen Cholera asiatica. 57 Jahreszeiteil äußere. Auch iu Europa gäbe es sporadische Fälle von Cholera, wie Cuxningham meint, in den meisten Ländern und fast zu allen Zeiten im Jahre. Zur Entwickluug- einer Choleraepidemie könne es aber nur dann kommen, wenn bisher unbekannte Bedingungen, wie sie Pettenkofer noch näher präzisiert hat, zusammenträfen. Der verhäng- nisvollste Irrtum, welcher bei diesen Spekulationen Cunningham unter- gelaufen ist, ist vor allem der, dass er annimmt, dass der Cholera- infektionsstoff ubiquitär im Darm bei Menschen verbreitet sei und dass end- lich die unter choleraähnlicheu Erscheinungen verlaufenden Fälle von spora- discher Cholera, sog. Cholera nostras, mit der echten asiatischen Seuche identisch wilren. Wir haben nach der Entdeckung des Kommabacillus durch Koch ja gerade ein untrügliches Kennzeichen für die Unter- scheidung von Cholera asiatica und Cholera nostras in dem Nachweise der speziiischen Erreger. Bei Cholera nostras fehlen die KocHscheu Vibrionen eben; gerade darin besteht der Unterschied zwischen Cholera asiatica und Cholera nostras, den Cunningham durch unbegründete Kombinationen verwischen möchte. Pettenkofer hat nach Entdeckung der Ursache der Cholera iu Form der Choleravibrioneu seine ursprünglichen Ansichten erheblich modifiziert und noch in den letzten Jahren seines Lebens den Choleravibrio, wenn er ihm auch nicht die alleinige ursächliche Rolle als Erreger des Cholera- prozesses zuerkannte, so doch als einen der Faktoren anerkannt, welche zur Entwicklung des Choleraprozesses beim Menschen führen. Der Cholera- vibrio sollte danach die Größe x der Choleragleichung mit ihren drei früher unbekannten Größen darstellen. Wenngleich die PETTENKOFERSche Cholera- theorie heutzutage durch die Wucht der Thatsachen, welche die bakterio- logische, nach KoCHscheu Prinzipien arbeitende Richtung in der Bakteriologie zu Tage gefördert hat, als wissenschaftlich abgethan betrachtet werden kann, so erfordert doch das historische Interesse ein kurzes Eingehen auf die Hypo- these. Pettenkofer nimmt an, dass ein vom Kranken stammender In- fektionsstoff, der den von Robert Koch entdeckten Kommabacillus darstellt, an sich zur Auslösung eines Choleraanfalles oder zur Erzeugung einer Epide- mie nicht ausreicht. Dieser vom kranken Menschen stammende Infektions- stoff wird mit x bezeichnet. Damit es zur Entstehung einer Choleraepidemie kommt, muss noch ein bisher unbekanntes y hinzutreten. Dieser y ist an die Lokalität gebunden; es müssen ganz besondere Feuchtigkeitsverhältnisse, ein ganz bestimmter Grad der Verunreinigung im Boden vorhanden sein, da- mit es zur Entwickelung der Epidemie kommt. Für die Feuchtigkeit, welche weder zu groß noch zu gering sein darf, ist der Grundwasserstand ein Indicator. Weder bei zu hohem noch zu niedrigem Grundwasserstand ist der geeignete Boden vorhanden. Man kann nun entweder annehmen, dass der Zustand des Bodens y den Menschen für den Cholerainfektionsstofi' disponiert, oder aber man kann annehmen, dass der Infektionsstofl* x durch die y-Eigen- schaften des Bodens so verändert wird, dass er nun für den Menschen so infektiös wird, um zur Entstehung von Epidemieen auszureichen. Nachdem man sich indessen durch das Studium der biologischen Eigenschaften des Choleravibrio, den Pettenkofer selbst als das früher lange gesuchte x der Choleragleichung anerkannt hat, davon überzeugt hatte, dass ein Zusammen- hang zwischen den Lebenseigenschaften des Choleravibrio und dem Zustande des Bodens im Sinne einer Beeinflussung des x durch das y ausgeschlossen ist, ist von Buchner, einem Schüler Pettenkofers, dann ein letzter Ver- such gemacht worden, durch die sogenannte diblastische Theorie die Petten- 58 W. Kolle, KOFERSche Cholerahypotliese zu retten. Buchner nalim an, dass das y ein Mikroorganismus wäre, welcher nicht ir. die Klasse der Bakterien sondern zu einer Klasse von kleinsten Lebewesen gehörte, welche durch unsere bis- herigen bakteriologischen oder mikroskopischen Methoden nicht nachgewiesen werden können. Dieser Mikroorganismus sollte das y darstellen, welches sich im Boden vermehrte und nach Vermehrung im Boden an den Menschen gelangte imd ihn disponiert machte für die infektiösen Eigenschaften des Choleravibrio. So sollte es an allen Orten, wo dieses bisher unbekannte, un- sichtbare und nur hypothetisch angenommene y sich entwickelte, zur Ent- stehung von Choleraepidemieen dann kommen, wenn der KoCHsche Vibrio auf irgend eine Weise eingeschleppt würde. Gruber hat sich zu derselben An- sicht bekannt und zwar hauptsächlich auf Grund der an sich richtigen That- sache, dass die Choleravibrionen auch im Darme von Menschen vorkommen, ohne dass diese sogenannten Choleraträger an Cholera erkranken, und dass ferner die Choleravibrionen auch bei ganz leichten Diarrhöen vorkommen, so- genannten Choleradiarrhöen, welche nur durch die bakteriologische Untersuchung und den Nachweis der Kommabazillen als zur echten Cholera asiatica gehörend erkannt werden. Auch wollte Gruber die Spezifizität der echten KocHschen Vibrionen nicht in dem Maße anerkennen, wie wir es vom rein ätiologischen Standpunkte fordern müssen und können. Da leider trotz unzweideutiger Beweise, welche wir heutzutage für die Spezifizität des KocHschen Cholera- vibrio und seine Differenzierung von den choleraähnlicheu Vibrionen in Händen haben, immer noch wieder Ansichten laut werden, welche mit diesem Ideen- kreis zusammenhängen, so muss hier kurz auf diese Dinge eingegangen werden. Die zahlreichen choleraähnlicheu Vibrionen, welche mittels der Pepton- methode aus dem Wasser isoliert werden, stellt Gruber, indem er sich hier Sanarelli anschließt, gewissermaßen auf eine Stufe mit den echten Cholera- vibrionen. Er nimmt an, dass diese choleraähnlicheu, im Wasser vorkommen- den Vibrionen imstande sind, die Cholera asiatica dann zu erzeugen, in gleicher Weise wie die echten Choleravibrionen, wenn das noch unbekannte y von Indien, dem endemischen Gebiet, aus importiert wird. Hierdurch würde natürlich die Spezifizität des KocHschen Vibrio erschüttert sein. Wir haben nun aber heutzutage in den spezifischen Immunitätsreaktionen, der Ag- glutination einerseits, den spezifisch - bakterioly tischen Stoffen andererseits absolut sichere Kennzeichen, um nachzuweisen, dass diese choleraähnlichen Vibrionen, welche nicht nur in Cholerazeiten, sondern auch außerhalb der Choleraperioden in den Elussläufen, Wasserleitungen u. s. w. nachgewiesen wurden, zwar dem echten Choleravibrio nahestehende, aber von ihm völlig verschiedene Arten darstellen. Das nähere Studium einiger dieser Vibrionen hat auch ganz augenfällige morphologische Unterschiede erkennen lassen. So z. B. besaßen einige der anfangs für echte Choleravibrionen gehaltenen Komma- bazillen mehrere Geißeln, zum Teil vier; andere besaßen an jedem Ende eine Geißel, wieder andere haben sich als phosphoreszierende Bakterien heraus- gestellt (Kutscher u. s. w.). Vor allem wichtig aber ist es, dass sich aus dem Darme der Cholerakranken zur Zeit des Ilerrschens einer Epidemie, wie sich durch vieltausendfache Erfahrungen gezeigt hat, stets die echten Cholera- vibrionen isolieren lassen. Demgegenüber muss betont Averden, dass cholera- ähnliche Vibrionen aus dem Darm von Menschen, welche choleraähnliche Erscheinungen darbieten, nur in einer ganz verschwindenden Anzahl von sporadi- schen Cholerafällen isoliert worden sind und zwar ausnahmslos mit der Peptou- methode. Es braucht nun gar nicht abgeleugnet zu werden, dass solche Vibrionen eine gewisse Pathogenität für den Menschen enthalten können, wenn sie in den Darm gelangen. Aber die hervorragendste Eigenschaft der echten Cholera asiatica. 59 Choleravibrionen, ansteckend zu sein, felilte gerade in den Fällen, um die es sich bier handelte. Es ist bis jetzt kein Fall bekannt geworden, in dem die choleraähnlichen Vibrionen bei einer Gruppe von zusammenlebenden Menschen, die an Cholera oder choleraähnlichen Symptomen erkrankt oder gestorben waren, aufgefunden wären, wie das bei den echten Choleravibrionen die Regel ist. Auch finden sich die choleraähnlichen Vibrionen nie in großer Menge in den Faeces oder im Darminhalt; ja fast stets sind die Vibrionen nur mit der Peptonmethode, d. i. also mit Hilfe eines Anreicheruugsverfahrens isoliert worden, dagegen nicht durch direkte Kultur auf festen Nährböden. Auch hierdurch unterscheiden sie sich also in fundamentaler Weise von den echten Cholerabakterien. Zudem ist aber nachgewiesen worden, dass der- artige Vibrionen nicht auf das spezifische Choleraserum reagieren. Das gilt z. B. für den Vibrio Massaua, einen weiter unten erwähnten Vibrio, und alle diejenigen Kulturen, welche aus solchen sporadischen Fällen von Cholera nostras isoliert worden sind. Wenn das y der diblastischen Hypo- these auch zur Erklärung der individuellen Disposition herangezogen werden sollte, namentlich unter Hinweis auf die leichten Cholerafälle, so ist diese Beweisführung wenig glücklich. Denn die Verschiedenartigkeit in der Schwere des Krankheitsbildes finden wir nicht allein bei der Cholera, sondern bei sämtlichen Infektionskrankheiten. Es ist eine der ältesten Erfahrungen in der Medizin, dass bei fast allen Infektionskrankheiten alle Uebergänge von ganz leichten zu mittelschweren, schweren und rasch tödlich endenden Krank- heitsfällen vorkommen. Man beo))achtet eine derartig verschiedene Reaktion verschiedener Menschen auf denselben Kraukheitsstoff bei den meisten In- fektionskrankheiten und ist häufig in der Lage, den Nachweis zu führen, wie z. B. von einem schweren Krankheitsfall aus auf eine Anzahl Personen, welche der Ansteckung ausgesetzt sind, die Krankheit l)ei einigen in schwerer, bei anderen in leichter, bei anderen in mittelschwerer Form tibertragen wird, wie ferner von den leichten Fällen wieder schwere, tödlich verlaufende und leichte Fälle der betreffenden spezifischen Infektionskrankheit ihren Ausgangs- punkt nehmen. Diese individuelle Disposition eines der der Infektion aus- gesetzten Individuen ist sicher vorhanden, wenn Avir auch bis heutzutage noch nicht in der Lage sind, eine Erklärung für den Mechanismus ihres Zustande- kommens zu geben. Ob es eine vorübergehende Schädigung der Virulenz der Choleravibrionen durch die Salzsäure des Magens ist, ob es sich um eine besondere Resistenz des Epithels handelt bei denjenigen Personen, welche nur leicht nach Einführung der KoCHSchen Vibrionen in den Darmkanal erkranken, oder ob es sich bei denjenigen, welche schwer und rasch tödlich endigende Symptome zeigen, um eine besonders geringe Widerstandsfähigkeit des Darm- epithels handelt, inwieweit Exzesse, Unmäßigkeit im Essen und Trinken und die Widerstandsfähigkeit des übrigen Körpers, des Herzens u. s. w. gegen die Gifte der Choleravibrionen eine Rolle spielen, diese Fragen dürften sich im allgemeinen schwer entscheiden lassen und nur von Fall zu Fall unter Um- ständen näher untersucht werden können. Von dem Standpunkt der Epi- demiologie und der rationellen Bekämpfung der Cholera haben sie keine aus- schlaggebende Bedeutung. Den hier kurz erwähnten Hypothesen g-egenUhcr, die mehr oder minder verlassen sind, ist nun in unseren Anschauungen nl)er die Ent- stehung-, Ausbreitung und Verhütung von Choleraepidemieeu alleinherr- schend und allgemein wissenschaftlich anerkannt heutzutage die Kocusche Choleratheorie geworden, von der mau jetzt sagen kann, dass es sich nicht mehr um eine bloße Theorie handelt, sondern um eine gesetzmäßig 60 W. KoUe, festgelegte und exakt wisseuscliaftlieh begrüudete Thatsache. Das TVert- vollste au der Kociisclieu Cliolevalelire ist das Eationelle und Lichtvolle, welches jedem, der mit den Eigenschaften der Choleravibrionen und den Ergebnissen der bakteriologischen Erforschung der Epidemiologie bekannt ist, ermöglicht, klar die Ausbreitung der Cholera zu übersehen und auch, wo nötig, zu bekämpfen. Wir müssen daran festhalten, dass die Cholera Vibrionen wesentlich nur mit den Dejekteu den menschlichen Körper verlassen. Sie können gelegentlich sieh auch in Erbrochenem finden, doch wird dies zu den Seltenheiten gehören; die Vibrionen werden sich auch in dem Er- brocheneu, das doch stets einen gewissen Grad von saurer Eeaktiou zeigt, nur ausnahmsweise einige Zeit halten. AVie die Ausscheidung der Vibrionen aus dem Mageudarmkanal in den Dejekteu erfolgt, so kann als sichere Thatsache gelten, dass die Eingangspforte für die Vibrioneu nur der Mageudarmkanal ist. Um einen Menschen mit Cholera zu infiziereu, müssen die Choleravibrioneu per os iu den Magen und von dort in den Darm gelangen. Eine Uebertragung durch trockene Gegen- stände oder durch die Luft, durch den Staub, ferner eine Einatmung des Infektionsstoifes kann ja deshalb nicht in Frage kommen, weil die Vibrioneu der Austrockuung selbst für ganz kurze Zeit keinen Wider- stand leisten. Der Lifektionsstofif kann nun direkt durch Berührung der Dejekte oder durch Berührung von Gegenständen, welche mit diesen Dejekteu beschmutzt sind, durch Vermittlung der Hände von dem kranken auf den gesunden Menschen übertragen werden. Er kanu aber auch indirekt durch Vermittlung von Nahrungsmitteln, welche infiziert sind und genossen werden, vou Person zu Person gelangen. Die Hauptrolle spielt iu dieser Beziehung das Wasser. Hierbei bewegt sich die KocHSche Choleralehre keineswegs auf dem Boden vou Theorieen. Wir verfügen über eine große Anzahl von sicher beobachteteu Fällen, iu denen eine Uebertragung von Person zu Person durch direkte Kontagion stattgefunden hat. So beobachtet man derartige Kontaktinfektionen in den eng zusammen- wohueuden Familien der armen Klassen. Besonders häufig sind die Ueber- tragungen von Mutter auf Kind oder vom Kind auf die Mutter, namentlich wenn es sich um kleine Kinder handelt, welche mit der Flasche genährt werden. Typische Fälle von Kontaktinfektion bieten auch die Epidemieen, welche auf Schiffen beobachtet worden sind, namentlich auf den Aus- wandererschiffen unter den Deckpassagieren, die in Schmutz, mit schlech- ten Nahrungsmitteln versehen, in engen Räumen zusammengepfercht leben müssen. Man hat ganz mörderische Epidemieen auf Auswandererschiffen beobachtet (nach der Beschreibung von E. Pfuhl ^^i]^ die fast zu einer Dezimierung der Schiffsinsassen geführt haben, wie z. B. bei dem Schiffe Carlo R, welches am 1. August 1893 von Neai)el mit 1472 Zwischendecks- passagieren nach Brasilien segelte. Auf der Hinfahrt nach Südamerika brach die Cholera aus, das Schiff konnte in Brasilien seine Passagiere niclit an Land setzen, sondern musste nach Italien zurückkehren und verlor während dieser fast zweimonatlichen Reise 141 Personen an Cholera. Derartiger Beispiele giebt es noch mehr. Eine weitere Stütze für die Uebertragung von Person zu Person bietet die Wirksamkeit von persönlichen prophylaktisclien Maßnahmen derjenigen Personen, welche, über die Gefahr der Kontagiosität der Cholera belehrt, sich gegen die Aufnahme des Krankheitsstoff'es durch die Hände, welche hier in erster Linie in Betracht kommen, durch Desinfektion derselben schützen. In erster Linie kommen hier Aerzte und Krankenwärter in Betracht. Wenn Cholera asiatica. 61 bei der Cholera eine andere Infektion, als diejenige per os mittels infi- zierter Hände, Nalirnngsmittel oder infizierten Wassers stattfände, dann würden sich die Aerzte und KraukenAvärter wahrscheinlich ebensowenig gegen die Cholerainfektion schützen können, wie dies möglich war vor der Entdeckung der jENNERSchen Schutzpockenimpfung bei den Blattern. Ebensowenig ist die Uebertragung durch Nahrungsmittel, namentlich das Wasser, eine theoretische Annahme. Bei der letzten Choleraepidemie ist es in einer großen Anzahl von Fällen gelungen, die Cholerabakterien im Wasser, welches zu Trinkzwecken gedient und zum Ausbruch von Cholera Veranlassung gegeben hatte, nachzuweisen. Zuerst hatte Koch 1884 die Vibrionen in dem Wasser eines Tanks gefunden, unter dessen Anwohnern die Cholera herrschte. Die Bewohner der um den Tank herum auf erhöhtem Terrain liegenden Häuser wuschen ihre Wäsche in diesem Tank, sie badeten darin, und man kann wohl auch mit der An- nahme rechnen, dass sehr häufig Dejekte, Faeces u. s. w. von ihnen dabei in das Wasser des Tanks gelangten, welches andererseits beim Baden wohl zu Trinkzwecken benutzt wurde. Später sind noch Cholera- bakterien im Wasser von Flüssen, Brunnen und Teichen von Koch ^02^ LÖFFLERii^^ (1892), DöxiTZ« (1895), Voges & Lickfettis« (1895), SproxckI'O, B. Flschek", Boxhoff^, y. EsmakchSs^ Nicollei^Sj LuB ARSCH 11^, BiERXAKi^o, C. Fränkel-16 nachgewiesen worden. Im allgemeinen lassen sich zwei Typen des Verlaufes der Cholera bei den meisten Choleraausbrüchen beobachten. Diese Einteilung ist mit entsprechenden Belägen wohl zuerst von R. Koch durchgeführt worden. Wenn man diese beiden Typen als Paradigmata jedes für sich darstellt, so muss man allerdings bedenken, dass sie in der Wirk- lichkeit sehr häufig ineinander übergreifen, so dass die reinen Bilder selten zur Beobachtung gelangen. Beide werden und sind namentlich früher, als die Prophylaxis noch nicht so wirksam war wie heute, in reiner Form gelegentlich häufig beobachtet worden. Man bezeichnet sie nach R Kochs Vorgang am besten als Wasserexplosiouen und die Epidemie en mit Kontaktinfektion ohne Beteiligung zentraler Wasserversorgung. Epidemiologisch unterscheiden sich dieselben ein- mal durch die Schnelligkeit der Ausbreitung. Während bei den durch zentrale Wasserversorgung hervorgerufenen Epidemieen die nach der zeitlichen Verteilung in Kurven eingetragenen Cholerafälle eine Kurve mit steil aufsteigendem Aste geben, ist bei den Kontaktinfektionen diese Kurve flach. Bei den Triukwasserepidemieen kommt es zu einer Vertei- lung der Cholerafälle ziemlich gleichmäßig über das Wasserversorgungs- gebiet, während l)eim Fehlen einer zentralen Infektionsquelle, wie sie die Wasserleitung darstellt, die als Kontaktepidemieen sich kenn- zeichnenden Choleraausbrüche mehr auf einzelne Gruppen sich ver- teilen. Es bilden sich sozusagen Choleraherde, die auf Häuser oder einzelne Familien in solchen Häusern beschränkt bleiben. Sehr häufig ist bei Erkrankungen die Uebertragung des Infektionsstoffes von einem Cholerahaus oder einer Familie, in der Choleraerkraukungen vorgekommen waren, zu einem anderen Herd direkt nachzuweisen. Bei den durch Wasseriufektion bedingten Epidemieen fehlt dieser Zusammenhang, der durch direkte Berührung der Kranken oder Gegenstände, welche infiziert waren und zum Verkehr gedient hatten, hergestellt Avird. Während bei den wesentlich durch Kontaktiufektion bedingten Epidemieen die Kurve sich oft ziemlich lange auf derselben Höhe hält, um erst allmählich, wenn die Bekämpfung einsetzt oder nachdem die Bevölkerung durch- 62 W. Kolle, seucht ist, wieder abzufallen, ist bei den durcli Wasserinfektion hervorgerufeneu Epidemieen der Abfall in der Kurve ein jäher, sobald der lufektionsstoff wieder aus dem Eöhrensystem verschwunden ist oder sobald infolge der Warnung- der Behörden, von dem Wasser zu trinken, die Bevölkerung von dem Genuss des infizierten AVassers ab- lässt. Man hat Epidemieen, die durch AVasserinfektion bedingt waren, von großem und kleinem Umfang beobachtet, je nachdem die infizierten Wasserquelleu schlecht konstruierte Trinkwasserbruuuen für einzelne Häuser bez. Gruppen derselben darstellten oder große zentrale xVn- lagen, wobei es sich meist um Filterwerke handelt. In der lichtvollen Beschreibung, welche E. Koch^oo tiber diese epidemiologischen Ver- hältnisse gegeben hat und durch welche in ungezwungenster AVeise viele früher scheinbar unaufklärliche Fragen bezüglich der zeitlichen und örtlichen Disposition ihre Erklärung gefunden haben, sind zwei Beispiele für derartige Trinkwasserepidemieen näher beschrieben worden, die hier auch kurz erwähnt werden mögen, wenngleich wegen der Einzel- heiten in dieser Beziehung auf das Original verwiesen werden muss. Eine Triukwasserepidemie von kleinem Umfange stellte der Cholera- ausbruch dar, welcher im AA^inter 1892/93 sich in der Irrenanstalt Niet- leben bei Halle a. S. ereignete. Durch die Nachforschungen, welche von K. Koch 100 j^ Ort und Stelle vorgenommen wurden, konnte nach- gewiesen werden, dass in das Eohwasser der kleinen Filteranlage Cholera- bakterien hineiugelaugt sein mussten. Dadurch dass die Filter, welche oifen waren, während der strengen Kälte, die zu jener Zeit gerade herrschte, nicht richtig funktionierten, gelaugten die Keime auch in die AVasser- leitung, in der sie vermittelst des Kulturverfahrens auch gefunden wurden. Es konnte nachgewiesen werden, dass fast alle Personen, welche von dem Leitungswasser getrunken hatten, an Cholera erkrankten. Sobald die AVasserleituug abgesperrt wurde und die Insassen der Anstalt ein- wandsfreies Wasser erhielten, erlosch die Epidemie sehr rasch. Ganz ähnlich lagen die A^erhältnisse bei der großen Choleraepidemie, welche im Sommer 1892 Hamburg heimsuchte und in wenigen ^lonaten fast 9000 Opfer forderte. Im Sommer 1892 näherte sich die Cholera in breitem Zuge der Ostgrenze Deutschlands, und auch im AVesten, in Frankreich, waren bereits zahlreiche Cholerafälle vorgekommen, während Deutschland, als im August jenes Jahres in Hamburg die ersten Cholera- fälle festgestellt wurden, bis auf diesen Herd noch frei von Cholera war. Die ersten Erkrankungsfälle betrafen fast ausschließlich Arbeiter am Hafen. Während so einige AVochen laug nur ganz vereinzelte Neu- erkrankungen vorkamen, erfolgte plötzlich am 20. August eine explosions- artige Ausbreitung der Seuche über ganz Hamburg. Die Neuzugänge an Kranken mehrten sich von Tag zu Tag und erreichten gegen Ende des Monats die Zahl 1000 in 24 Stunden. Es konnte unter diesen Umständen keinem Zweifel unterliegen, dass die Cholerabaktcrien in die Hamburger AVasserleituug gekommen waren. Unbegreiflicherweise besaß in jener Zeit llamljurg noch kein Filterwerk, um das Eibwasser, ehe es als Trinkwasser diente, zu filtrieren. Nicht weit oberhalb der Stadt wurde das unfiltrierte Eibwasser in Kanälen abgefangen und durch das Leitungssystem der Stadt zugeführt. Es ist nicht schwer nachzuweisen, wie leicht von den ersten Erkraukuugsf allen, welche AVeisseü zuerst bakteriologisch feststellte, am Hafen aus die Cholerabakterien in die AVasserleituug gelangt sein können. Denn durch Schwimmerversuche ist festgestellt worden, dass infolge der Flutbewegung, die zweimal Cholera asiatica. 63 am Tage sicli weit über Hamburg- elbaufwärts iu der Elbe bemerkbar macht, ein Eückstauen des Hafenwassers bis über die damalige Wasser- eutualimestelle bei günstigem Winde stattfinden kann. Es ist ohne weiteres einleuchtend, dass von den ersten Erkraukungsf allen, sei es durch Vermittlung der Siele, welche am Hafen in die Elbe münden, sei es durch direkte Entleerung der Choleradejekte in das Wasser des Hafens die Choleravibrionen iu die Elbe hineingelangt und von da zur Flutzeit bis zur Wasserentnahmestelle getrieben sind. Von dort wurden sie in das Leitungsnetz gepumpt. Auch durch die zahlreichen Eibkähne, welche aus dem Hafen stromaufwärts gehen, konnten die Cholera- bakterien den Fluss aufwärts verschleppt werden, da die Bemannung derselben gleich anfangs ziemlich heftig von der Cholera ergriffen war und die Dejekte natürlich imdesinfiziert in den Fluss gelangen ließ. Ge- rade die leichten Cholerafälle, welche unter den Insassen dieser Kähne vorkamen, werden hier den wesentlichsten Beitrag zur Verbreitung des Infektionsstoffes elbaufwärts mitgeliefert haben. Wie der Infektionssto£f von den damals in Europa vorhandenen Choleraherden aus nach Hamburg eingeschleppt ist, das ist mit völliger Sicherheit nicht aufgeklärt worden. Es ist möglich und das Wahrscheinlichste, dass unter den vielen Tau- senden von russischen Hamburg passierenden Auswanderern sich Per- sonen befunden haben, welche leicht cholerakrank waren. Die Aus- wanderer pflegen auch ihre Wäsche in den Tagen vor ihrer Abreise, während deren sie am Hafen in besonderen Schuppen untergebracht werden, noch zu waschen. Vielleicht sind die Cholerakeime mit dem Spülwasser der Wäsche iu den Hafen gelangt, vielleicht sind auch durch Kontaktinfektion mit einem leicht erkrankten Auswanderer Hafenarbeiter infiziert worden und haben so zur Verbreitung des Infektionsstoffes unter den Hafenanwohnern geführt. Der Infektionsstofif wurde vielleicht von den Anwohnern des Hafens direkt wieder dem Hafenwasser zuge- führt oder er gelangte durch die Siele der Hafenkaualisation wieder hinein, und es erfolgte dann vom Hafen aus die Verseuchung des Wasserleitungsnetzes, die wir schon erwähnt haben. Die besonderen örtlichen Verhältnisse von Hamburg und Altona haben nun ganz einschneidende Beweise für die Eichtigkeit dieser Trink- wassertheorieen einerseits und die Unhaltbarkeit der PETTEXKOFERSchen Hypothesen andererseits geliefert. Wie bekannt, ist nämlich die politische Grenze von Hamburg und Altona in Wirklichkeit vollkommen verwischt. Sie existiert nur auf der Karte; der Uebergang von einer Stadt in die andere ist ein so unmerklicher, dass man an der Grenze beider Städte meist nicht erkennen kann, ob man sich in einer Straße z. B. auf Ham- burger oder Altonaer Gebiet befindet. x\uf Karten, auf denen man alle Cholerafälle eingetragen hat, zeigte sich nun das für die Anhänger der Trink wassertheorieen allerdings nicht überraschende Ergebnis, dass die Verteilung der Cholerafälle zusammenfiel mit dem Wasserversorgungs- gebiet und sich streng auf die politische Grenze, welche auch eine Grenze für die Wasserversorgung bildete, beschränkt hatte. Es wurde beob- achtet, wie auf einer Seite einer Straße zahlreiche Cholerafälle vorge- kommen waren, während die andere Seite vollkommen freiblieb. Beide Seiten der Straße standen auf demselben Boden, hatten denselben Unter- grund, dieselbe Kanalisation, über der Straße war derselbe Himmel, schien dieselbe Sonne, und trotzdem war die eine Seite von Cholera frei- geblieben, während auf der anderen Seite Cholerafälle in großer Menge vorkamen. Alles war, wie gesagt, in dieser Straße den Häusern und 64 W. KoUe, ihren Bewohnern gemeinsam, nur eines Avar verschieden und das war die Wasserversorgung. Es sind zahlreiche Einzelbeispiele ähnlich wie das eben mitgeteilte ausführlich mit Angaben belegt worden, so dass die Hamburger Choleraepidemie direkt der Prüfstein für die Richtigkeit der KocHSchen Triukwassertheorieen geworden ist. Viele derartige Bei- spiele sind in den Arbeiten von Kübler, Esmarch, Fräxkel, Pfeiffee. Kohlstock enthalten (siehe 27, 2», esj, Prophylaxe. Die Einzelheiten der Choleraprophylaxe, namentlich soweit sie sich auch auf internationale Maßnahmen beziehen, werden im dritten Baude zusammen mit der Prophylaxe der anderen Infektionskrankheiten von GoTSCHLiCH dargestellt werden. Wir können indessen nicht umhin, auch hier mit einigen Worten auf das Cholerabekämpfungssystem, Avie es 1892 von R. Koch entworfen worden ist, einzugehen, weil gerade durch die AVirksamkeit der von Koch geforderten und durchgeführten Maßnahmen die unanfechtbare Richtigkeit der mitgeteilten epidemio- logischen Anschauungen bewiesen wird. Es ist sattsam bekannt, dass man sich in früheren Zeiten beim Herannahen der Seuche aus ihrer Urheimat in den bedrohten Ländern durch strengste Absperrungssysteme, die bis zur Ziehung von militärischen Kordons führten, gegen die Seuche zu schützen suchte, meist ohne jeden Erfolg (Hirsch, Griesinger). Kach dem, was oben über die Bedeutung des Wassers und der leichten Cholerafälle soAvie der Personen, die, ohne erkrankt zu sein, die Kommabazillen in ihren Dejekten tragen (sogenannten Choleraträger), gesagt worden ist, kann man ein anderes Resultat ja auch nicht erwarten. Vor allen Dingen sind auf der Dresdener Konferenz 1893, der fast sämtliche Staaten, jedenfalls alle größeren Staaten Europas, beigetreten sind, alle verkehrserschwerenden Maßregeln bei der internationalen Bekämpfung der Cholera aufgegeben worden. Es würde sicher keine Gefahr mit sich l)ringen, wenn in dieser Beziehung noch weitere Erleicliterun2,'en für den internationalen Verkehr von Menschen und Waren, namentlich was den Schiffsverkehr anbetrifft, getroffen würden. Denn seit wir wissen, dass Cholera- rekonvaleszenten bis zu 48 Ta£:en nach dem Ueberstehen eines Anfalls die Choleravibrionen in ihren Dejekten in voll virulenter Form enthalten können (Dönitz, Kolle), wird man allgemein zugeben müssen, dass durch eine Quarantäne von wenigen Tagen oder Ueberwachung von einigen Tagen nicht mit Sicherheit die Einschleppuug des InfektionsstoÖes z. B. durch Cholerarekonvaleszenten verhindert werden kann. Desinfektions- vorschriften können natürlich nur da wirksam sein, avo es sich um mit Choleradejekten infizierte Gegenstände handelt, die in feuchtem Zustande gehalten werden. Es kommt hier für praktische Zwecke fast allein die getragene Wäsche Cholerakrankcr in Frage, in der sich allerdings, wie z. B. der Altenburger Cholerafall bewiesen hat, der In- fektionsstoff auf längere Zeit lebensfähig erhalten kann. So hat sich ja auch z. B. wieder 1902 in Aegypten gezeigt, dass das an sich sehr rationell und konsequent durchgeführte Quarantänesystem, welchem die aus ]\lekka nach dem Nilthal, Aegypten und Xordafrika zurückkehrenden Pilger unterworfen werden, die Einschleppung des Infektionsstoffes nach verschiedenen Punkten Aegyptens mit nachfolgenden heftigen Seuchen- ausbrüclien nicht verhindern konnte. Eine gewisse Herabsetzung der Cholera asiatica. ß5 Gefahr wird man ja allerdings gerade durch die Ueberwachung solcher gefährlichen Personen, wie es die aus Mekka zurückkehrenden Pilger in Cholerajahreu in Bezug auf die Ausbreitung der Cholera darstellen, erzielen. Aber gerade wegen der Undurchführbarkeit langer Quaran- tänen, wie sie früher bis zu vielen Wochen und Monaten üblich waren, und andererseits wegen der nicht völlig sicheren Verhütung der Cholera- einschleppung bei Beobachtung kurzer Quarantänen wird nach R. Kochs Vorschlag in Deutschland das Hauptgewicht bei der Cholerabekämpfuug auf die innerstaatlichen Maßnahmen*) gelegt. Für die Durchführung derselben ist jetzt in dem Reichsseuchengesetz eine gesetzliche Grundlage geschaffen. Während der letzten Epidemie haben sich diese Maßnahmen bereits in ganz glänzender Weise in Deutschland bewährt. Während in Russlaud von 1891 — 1894 nach Schätzung über eine halbe Million Menschen der Seuche erlegen sind, ist es in dem gleichen Zeitraum in Deutschland, trotz zahlreicher Ausbrüche der Cholera an den ver- schiedensten Orten, trotz einer großen Anzahl von Einschleppungen, die über die russische Grenze von Osten her nach Ostpreußen, Westpreußen, Schlesien und Posen erfolgten, zu einer nennenswerten Ausbreitung der Cholera nicht gekommen, und es sind im ganzen kaum 10000 Menschen der Seuche erlegen, wobei fast 9000 der Todesfälle auf den einen Aus- bruch in Hamburg kommen, über dessen Bedeutung für die Cholera- epidemiologie und "Prophylaxis oben schon gesprochen worden ist. Als Grundlage des ganzen Cholerabekämpfungssystems gilt die bakteriologische Choleradiagnose, die bei jedem Fall von Cholera oder Choleraverdacht sofort in besonderen, schon vorher bezeich- neten Untersuchungsstellen vorgenommen wird. Aerzte und Familien- vorstände sind bei Strafe verpflichtet, jeden Fall von Cholera oder Choleraverdacht sofort der Behörde anzuzeigen. Die bakteriologische Choleradiagnose, die durch Benutzung der KocH-DuNBARSchen Peptou- methode in Verbindung mit Züchtung auf Agarplatten und Identifizierung mittelst der Agglutination eine außerordentlich feine und, wie gezeigt worden ist, fast al)solut sichere ist, dient mm dazu, in rationeller Weise den Infektiousstoä" nachzuweisen und ihm in seinen Schlupfwinkeln sozu- sagen nachzuspüren. Die bakteriologische Choleradiaguose bezieht sich nicht nur auf die Cholerakraukeu oder unter Choleraverdacht erkrankten Personen bezw. ihre Ausleerungen, sondern sie wird auch ausgedehnt auf die Umgebung Cholerakranker, im weiteren Sinne auf alle diejenigen, welche mit den Cholerakranken in Berührung gekommen waren, und sie erstreckt sich endlich auch auf die Untersuchung von Wasser, wel- ches mit Cholerainfektionsstoff infiziert sein könnte. Denn man muss an dem Grundsatz festhalten, dass man den InfektionsstoÖen um so leichter zu Leibe gehen kann, je mehr man sie durch Untersuchuugsmethoden sich zugänglich machen und sie in ihren Schlupfwinkeln aufspüren kann. Die Untersuchungen in den Zentralstellen nehmen keineswegs viel Zeit in Anspruch, falls nur ein mit den Methoden der Choleradiagnostik durchaus vertrauter Stab von Aerzten vorhanden ist. Die Ausbildung der letzteren geschieht am besten in eigens zu diesem Zwecke veran- stalteten Kursen. *) Dass in Aegypten wie überhaupt in den Ländern des Orients, namentlich Indien, Persien und Arabien, aus verschiedenen, zum Teil politischen Gründen die Durchführung des rationellen Prohibitivsystems, wie es in den europäischen Staaten durchführbar ist, nicht ohne weiteres möglich ist oder nur mit großen Schwierigkeiten durchgeführt werden kann, muss zugegeben werden. Handbucli der patliogenen Mikroorganismen. III. 5 66 W. Kolle, Die staatliclieu Maßualimeu im Deutsclieu Eeich können in 3 Gruppen eingeteilt werden. Sie betreäen : 1. die Ueberwachung des Öcbififs- und Flüßerverkehrs auf den Strömen, namentlich den östlichen Strömen, welche erfahrungsgemäß die Ausgangspunkte für Choleraepidemieen, wie oben gezeigt, besonders dann werden, wenn Russlaud von einer Choleraepidemie heimgesucht ist; 2. die Bekämpfung der einzelnen Choleraausbrüche durch geschulte Sachverständige und 3. die Ueber- wachung der Trinkwasserversorgung. An zahlreichen Stellen der Flüsse und Kanäle des Deutschen Reiches werden zu Cholerazeiteu Stationen errichtet, in denen besonders geschulte Aerzte eine Ueberwachuug der auf den Flüssen lebenden Schiffer und Flößerbevölkerung durchführen. Bei jedem Falle von Cholera oder Choleraverdacht werden sofort die sämtlichen Insassen eines Kahnes oder die auf einem Floss lebenden Menschen in besondere, neben diesen Stationen errichtete Beobachtungsstationeu gebracht, ihre Dejekte werden untersucht, sie werden nicht eher entlassen, bis dieselben frei von Cholerabakterien sind, und es findet eine gründliche Desinfektion ihrer Wäsche, sowie des Kahnes statt. Bei der letzten Epidemie 1893 sind zahlreiche Cholerafälle in dieser Weise aufgefunden und namentlich leichte Fälle, die besonders zur Infektion der Kanäle und ihrer Anwohner führen. Im übrigen ist der Personen- oder CTÜterverkehr in keiner Weise, sei es auf der Eisenbahn oder auf den Dampfschiffen, überwacht oder in irgend einer Weise behindert worden. Bei Bekämpfung der einzelnen Choleraausbrüche durch ge- eignete d. h. mit der Choleraprophylaxe durchaus vertraute Sachverstän- dige und Medizinalbeamte kommt es in erster Linie darauf an, so rasch wie möglich die sichere bakteriologische Diagnose in Händen zu haben und möglichst bald orientiert zu sein, inwieweit die Umgebung der Cholera- kranken oder die Bewohner eines Dorfes oder einer Ortschaft bereits mit Cholerabakterien infiziert sind. Der Cholerakranke wird sofort aus seiner Umgebung herausgenommen und in ein Krankenhaus gebracht. Die Bewohner des Zimmers und des Hauses werden entweder in dem Hause unter Beobachtung gestellt oder in besondere Beobachtungsstationen gebracht, ihre Dejekte werden untersucht, und nicht eher erhalten sie Erlaubnis zu vollem freiem Verkehr, bis ihre Dejekte einige Male unter- sucht und als völlig frei von Cholerabakterien befunden worden sind. Das Haus und die Wohnung wird desinfiziert, wobei allerdings das Hauptgewicht nicht auf eine allgemeine Wolmungsdesinfektion zu legen ist, sondern auf eine Unschädlichmachung des Cholerakeimcs da, wohin er gelangt ist. Es wird sich hier im wesentlichen handeln um die Des- infektion der Dejekte in den Xachtgeschirren und in den Abortgruben, in welche sie meist hineingelangt sind. Ferner sind die Wäsche, das Bett, Essgeschirr und der Fußboden des Krankenzimmers zu desinfizieren. Das dürfte im allgemeinen genügen, denn die Cholerabaktcrien leisten der Austrocknung ja keinen Widerstand und es kann zu einer Ver- schleppung des Infektionsstoffes durch die Luft deshalb nicht kommen. Um nichts zu versäumen, ist beim Drohen einer Choleragefahr jeder cholera- verdächtige Krankheitsfall bis zur Entscheidung der bakteriologischen Choleradiagnose als ein Cholcrafall unter Durchführung entsprechender Maßnahmen zu behandeln. Für die einzelnen Maßnahmen dienen die Ausführungsbestimmungen des Reichsseuchengesetzes als Unterlage. Die Gefahr, welche aus der Infektion von kleineu und großen Wasserversorgungsquellen mit Choleravibrionen für die dieselben be- Cholera asiatica. 67 nutzenden Menschen entstellt, macht es notwendig', die Wasser- versorgung- in Cholerazeiten einer besonderen Ueberwachung zu unterwerfen, besonders dann, wenn Cholerafälle in einem Crte vor- gekommen sind. Es ist ))ekanntlicli namentlich wegen der damit ver- bundenen rechtlichen Folgen oft außerordentlich schwer, in cholera- epidemiefreien Zeiten hygienisch beaustandbare Wasserquellen, wie sie z. B. offene Kesselbruunen darstellen, zu beseitigen. Wesentlich leichter ist dies in Cholerazeiteu, wo schon unter der Wirkung der Angst vor der Krankheit viel Entgegenkommen von Behörden und Privatpersonen den dabei mitwirkenden Sachverständigen entgegengebracht wird. Es würde ja das Richtige sein und ist auch sicher zu erstreben, dass in den epidemiefreien Zeiten allmählich die Wasserversorgung in ganz Deutschland, selbst in kleinen Ortschaften und auf dem Lande zu einer völlig einwandsfreien gemacht wird. Aber derartige Verhältnisse lassen sich doch im großen und ganzen nicht so rasch erreichen. Ja, häufig ist es sogar außerordentlich schwer, einwandsfreie Wasserquellen zu schaffen. Es ist das erstrebenswerte Ideal, überall keimfreies Grundwasser als alleinige Trinkwasserquelle zur Benutzung zuzulassen, mag es sich nun um Anlagen für einzelne Häuser, für Ortschaften, große oder kleine Städte handeln. Aber augenblicklich giebt es noch eine große Anzahl von Städten, welche auf Oberflächenwasser angewiesen sind, das natürlich Filterwerke zu passieren hat, ehe es in das Röhrensystem gelangt. Experimentelle Untersuchungen und die praktischen Erfolge haben ge- zeigt, dass man bei richtigem Betriebe solcher Filterwerke mit einer nicht unerheblichen Sicherheit das Hiudurchgelangen von pathogenen Keimen aus dem Rohwasser in das Reinwasser verhindern kann. Dieser Zustand ist, wie R. Koch 102 nachgewiesen hat, dann im allgemeinen vor- handen, wenn die Durchflussgeschwindigkeit des Wassers beim Filtrieren nicht über 100 mm in einer Stunde beträgt, und wenn man täglich diese Kontrolle der Keimzahl, die 100 pro ccm nicht übersteigen darf, für die einzelnen Filter getrennt durchführt, den Filtrierprozess überwacht und nach Möglichkeit verhindert, dass Infektionsstoffe an den Entnahme- steilen des Rohwassers aus dem Flusslaufe in dasselbe hingelangen können. Man muss indessen die Oberflächenfiltrierwerke immer nur als einen Notbehelf betrachten. Choleraähnliche Vibrionen. Der Choleravibrio gehört zu einer Gruppe von Mikroorganismen der Species Vibrio, von der im Laufe der Zeit mehrere hundert verschiedene Arten gefunden worden sind. Namentlich nach Entdeckung der Pepton- methode ist es mittels dieses Anreicherungsverfahrens gelungen, aus allen möglichen Flüssigkeiten, aus Wasser, Kaualjauche, faulenden Flüssigkeiten der verschiedensten Art, menschlichen Dejekten, Darm- inhalt u. s. w. den echten Choleravibrioneu mehr oder weniger ähnliche Vibrionen zu isolieren, die zum Teil auch ausführlich beschrieben worden sind. In der ersten Zeit nach der Entdeckung des Choleravibrio be- anspruchten solche choleraähnliche Vibrionen ein nicht unerhebliches Interesse, weil mau damals noch nicht über die heute uns zur Ver- fügung stehenden sicheren und leicht zu handhabenden Methoden der Differenzierung, wie sie die Immunitätsforschung gebracht hat, ver- fügte. Heute, wo wir mit den Inmiunitätsreaktionen (Bakteriolysinen) und der spezifischen Agglutinationswirkung hochwertigen Serums in 68 W. Kolle, der Lage siucl, die ecbteu Cliolcravibrioueii ohne Mühe zu identifizieren, hat eine detaillierte lieschreihung der einzelnen Kommahazilleu kaum noch Wert. IS'ur einige von ihnen beanspruchen noch größeres Interesse, wie z. B. der Vibrio Metschnikoff. Dieser eigenartige Mikroorganismus, der unten noch kurz beschrieben werden soll, hat nämlich die Fähigkeit, bei Tauben und Meerschweinchen nach Verimpfuug kleinster Mengen in eine Hautwunde eine rasch tödlich verlaufende Septikämie hervor- zurufen. Während viele der Vibrionen, namentlich derjenigen, die im Wasser, al)er auch in Faulflüssigkeiten gefunden worden sind, durch die biologischen Methoden, wie Kulturverfahren oder Tierpathogenität schon von den Choleravibrionen unterschieden werden können, ist bei einer Anzahl derselben, die alle biologischen und kulturellen Merkmale bis auf ganz unmerkliche Unterschiede mit den echten Choleravil)rioneu teilen, eine Diifereu zierung nur mittels der genannten Wirkung des hoch- wertigen Choleraserums möglich. Wie diese Difl'ereuzierung mittels solchen Serums am besten herbeigeführt werden kann, darüber sind bereits ziemlich genaue Vorschriften bei dem Abschnitt Choleradiagnose gegeben worden. Besondere Vorsicht ist allerdings notwendig bei den- jenigen Vibrionen, die aus Wasserprobeu isoliert sind. Es empfiehlt sich in diesen Fällen, um ganz sicher zu gehen, in jedem Falle eine genaue Austitrierung der Vibrionen mit einem Choleraserum von genau fest- gestelltem Wirkuugswert vorzunehmen, sowohl mittels des PFEiFFERschen Versuches, wie mittels der Agglutinationsprobe. Von den wichtigeren der Vibrionen, die ein besonderes Interesse beanspruchen, geben wir eine kurze Beschreibung, müssen allerdings mit Rücksicht auf den Zweck dieses Buches auf eine ganz ausführliche Beschreibung verzichten und in dieser Beziehung auf die Litteratur verweisen. Vibrio Metschnikovii. Der Vibrio Metschnikoff wurde 1887 von Gamaleia^s iu Odessa als Erreger einer unter dem Geflügel epizootisch vorkommenden Gastroenteritis entdeckt, welche der Hühnercholera außer- ordentlich ähnlich ist. Es bestehen Durchfälle und die Tiere können der Krankheit unterliegen. Die Vil)rionen finden sich im Darminhalt und im Blut. Den Vibrio Metschnikoff will Kutscher ^o^ im Wasser der Lahn wiedergefunden haben. Morphologiscli ist der Vibrio, dessen Morphologie und Tierpathogenität besonders eingehend von Pfeiffer & ]S[ocht134 studiert worden ist, dem Choleravibrio außerordentlich ähnlich. Es ist ein echter Vibrio mit einer entständigen Geißel, von lebhafter Be- weglichkeit; in der Gelatineplatte erscheinen die Kolonieen häufig etwas bräunlicher gefärbt als die Cholerakolonieen und haben die Neigung, stark zu verflüssigen und dabei ineinander zu fließen. Das Wachstum ist auf der Gelatine ein recht üppiges, namentlich in Gelatinestichkulturen. Der Vibrio wächst auf allen Nährböden, auf denen der Choleravibrio sich fortentwickeln kann, und zeigt außer auf der Gelatineplatte keine Differenzen von den morphologischen Verhältnissen des Choleravibrio. Er giebt die Cholerarotreaktion. Ein al)solut sicheres Ditterenzierungsmittel wurde von Pfeiffer & NociiT im Tierversuch gefunden. Diese l)eiden Autoren fanden, dass man durch Einbringung einer ganz kleinen Menge Kulturmasse, Avie sie an einer Nadelspitze hängen bleibt, in einer Hautwunde bei Tauben eine rasch tödlich endigende Vibrionenseptikämie hervorrufen kann, während Impfung sell)st größerer Mengen (1 — 2 Oesen) von Cholera- bakterien in eine Hautwunde für Tauben absolut harmlos ist. Es ist allerdings behauptet worden, so zuerst von Gamaleia, später von Salus ^^'^ Cholera asiatica. 69 iiud Weibel^ss^ c[ass es g-eliiig't, die Virulenz des Choleravibrio durcli Taubeupassag-eu so zu steigern, dass er in gleicher Weise wie der Vibrio Metscbnikoff die Tauben tötet. Durch Kixdfleiscii ^^3 jgt allerdings ausführlich nachgewiesen worden, dass diese Angaben irrtümliche waren. Auch bei Meerschweinchen sind die infektiösen Eigenschaften des Vibrio Metschnikoff ganz andere als die der Cbolerabakterien. Während es mit letzteren nur bei intraperitonealer Injektion verhältnismäßig großer Mengen der Vibrionen, in Flüssigkeit aufgeschwemmt, gelingt, die Tiere zu töten, ohne dass es zu einer Vibrionenseptikämie kommt, gelingt es mit ganz kleinen Mengen von Vibrio Metschnikotf , wie sie an einer spitzen Platinuadel haften bleiben, bei subkutanen Impfungen in eine Hauttasche den Tod der Meerschweinchen unter Erzeugung einer Vibrionenseptikämie herbeizuführen. Bei intraperitonealer Injektion er- zielt man mit dem virulenten Vibrio Metschnikoff noch bei Verwendung von Yioo Oese und weniger eine rasch tödlich verlaufende Peritonitis mit zahlreichen Vibrionen im Blut, während man bei Verwendung von virulenten Cholerabakterien erheblich größere Mengen, im Durchschnitt Vio Oese, als tödliche Minimaldosis setzen kann. Man findet im letzteren Falle die Vibrionen auch wesentlich nur im Peritoneum vor. Auch bei Einbringung in den Darm entfaltet der Vibrio Metschnikoff bei Meer- schweinchen pathogeue Wirkung, wenn man ihn nach Alkalisierung des Magensaftes per os einführt. Es kommt dann zu einer Gastroenteritis mit zahlreichen Vibrionen im Darminhalt, im Blut und in den Organen. Auch die Immunitätsreaktionen haben weitere Beweise für die Ver- schiedenheit des Vibrio Metschnikoff vom echten Choleravibrio gegeben. Zwar hatte GAMALEiA'^3 behauptet, man könne bei Meerschweinchen durch Vorbehandlung mit Cholerakulturen eine Immunität gegen die Infektion mit dem Vibrio Metschnikoff erzielen, aber R. Pfeiffer konnte nachweisen, dass diese Behauptung sich nicht aufrecht erhalten lasse. Wichtig ist aber vor allem, dass ein hochwertiges Choleraserum im PFEiFFERSchen Versuch keine Beeinflussung der Metschnikoff- schen Vibrionen herbeiführt, während das Serum von Tieren, welche mit dem Vibrio Metschnikoff behandelt sind, wohl Vibrionen auflösende Eigenschaften für ihn selbst erlangt, nicht dagegen für die echten Choleravibriouen. Spirillum Finkler-Prior. Viel genannt ist seiner Zeit dieser Vibrio, der aus den Dejekten eines Falles von Cholera nostras von Finkler & Prior ^o isoliert wurde. Der Vibrio hat eine große Aelm- lichkeit mit dem Choleravibrio, giebt jedoch nicht die Cholerarotreaktion und ist schon damit von dem Choleravibrio zu differenzieren. Er besitzt heute nur noch historische Bedeutung. Das gleiche gilt für den Vibrio Deueke^i, der einen aus Käse isolierten Vibrio darstellt. Auch dieser Vibrio giebt nicht die Cholerarotreaktion. Vibrio phosphoresceus. Dieser Vibrio wurde während des Som- mers 1893 in Wasserproben aus der Elbe, Havel, aus dem Pihein und der Spree von Dunbar und Kumpel nachgewiesen. Er wurde anfangs wegen seiner großen Aehnlichkeit mit dem Choleravibrio für eine Cholerakultur gehalten, später wurde dann aber von Kutscher ^^v ^ud unaljhängig von ihm von Oergel beobachtet, dass Kulturen des Vibrio, namentlich bei einer Temperatur von 22° C (Bouillon- oder Gelatinekultur) die Eigen- schaft haben zu leuchten. Der Vibrio, welcher tierpathogene Eigen- schaften ungefähr in derselben Weise wie die Choleravibrionen besitzt, wird durch Choleraserum nicht beeinflusst. 70 W. Kolle, Vibrio Iwauoff und Vibrio Beroliueusis. Diese beiden Vibrio- neu beanspruchen deshalb besondere Bedeutung, weil sie beide aus Proben isoliert waren (Facces und Wasser), denen absichtlieh Cholerabakterien zugesetzt waren. Bei dem Vibrio Iwanoft^i handelt es sich um den Stuhl eines Typhuskranken, dem Cholerabakterieu zugesetzt waren, um zu sehen, wie lange sich diese Vibrionen in den Dejekten gegen Des- infizientien widerstandsfähig erhalten und durch die Peptonmethode nacliweisen lassen. Die aktive Immunisierung mit Cholerakulturen einerseits und den Kulturen des Vibrio Iwauoff andererseits, wie sie von R. Pfeifffr & IsSAEFF ausgeführt wurden, ergeben eine wechselseitige Immunität. Der Vibrio Iwanoff unterscheidet sich nur dadurch von den echten Choleravibrionen, dass die Einzelindividuen eine viel längere und gestrecktere Form zeigen, als die Cholerabakterien. Es liegt die Wahr- scheinlichkeit sehr nahe, dass der Vibrio Iwanoff nichts weiter ist als eine infolge des Zusatzes der Desinfizientien entstandene morphologische Varietät des echten Choleravibrio. Was den Vibrio Beroliueusis betrifft, so wurde derselbe von M. Neisser 122 aus einer Wasserprobe gewonnen, welcher Cholerabakterien zugesetzt waren, um die Haltbarkeit derselben im Wasser zu studiereu. Der Vibrio Beroliueusis giebt die Cholerarot- reaktion und hat die größte Aehnlichkeit mit den Cholerabakterien. Er besaß bei seiner Isolierung schon ziemlich geringe Tierpathogenität, vielleicht ist derselbe nichts anderes als ein Choleravibrio. Vibrio septicus. Ein interessanter Vibrio wurde aus einem in Danzig vorgekommenen Fall von Cholerine 1896 von Kolle isoliert. Dieser Vibrio verhielt sich morphologisch und kulturell genau wie der Cholerabacillus ; er wurde aber durch das spezifische Choleraserum weder agglutiniert , noch im Tierversuch beeinflusst. Derselbe besaß für Tauben keine größere Pathogenität als Cholerabakterien, dagegen tötete er Meerschweinchen in so geringen Mengen und so rasch, wie wir es für kein anderes patliogenes Bakterium bis jetzt beim Meer- schweinchen kennengelernt haben. Wenn von ganz verdünnten Auf- schwemmungen des Vibrio in sterilisiertem Wasser nur ein Tröpfchen in eine kleine Hautwunde gebracht wurde, so erlagen die Tiere oft schon in 4 — 6 Stunden einer Vibrionenseptikämie. Dieses eigenartige Bakterium, welches wegen seines Verhaltens gegenüber Tauben nicht in die Klasse des Vibrio Metschnikoff gehören kann, ist bisher in einer besonderen Veröffentlichung nicht l)eschrieben worden, weil Verfasser kurze Zeit nach Auffindung des Vibrio auf mehrere Jahre ins Ausland ging. Vibrio Massaua und Ghinda. Diese beiden Vibrionen bean- spruchen deshalb eine besondere Besprechung, weil sie längere Zeit für echte Cholerakulturen gehalten wurden. Der Vibrio Massaua wurde von PASQUALE^^ä [^ Massaua isoliert. Dort waren Cholerafälle vorgekom- men; bei der Ankunft Pasqüales war keine Erkrankung mehr zu kon- statieren. Der Vibrio wurde isoliert aus den Dejektioneu eiues Kranken, der indessen anscheinend auch nach der klinischen Beschreibung nicht an Cholera litt. Der Vibrio reagiert nicht auf die spezifische Immuuitäts- reaktion mit Choleraserum. Besonders wichtig aber ist, dass sich bei ihm vier G-eißeln nachweisen lassen, wodurch er ohne weiteres von dem Choleravibrio zu unterscheiden ist. Im Bezug auf Tierpathogenität ver- hält er sich ähnlich wie der Vi1)rio Metschnikovii, in dessen Gruppe er zu gehören scheint, weil er Tauben bei einfacher Im})fuug Avie dieser tötet, ebenso wie Meerschweinchen. Der Vibrio Ghinda wurde von Pasquale aus dem AVasser eines Brunnens in Ghinda gezüchtet. Ghinda liegt in Cholera asiatica. 71 der Nähe von Massaua. Auf den Geniiss des Wassers, aus dem der Vibrio isoliert wurde, wurden Clioleraerkrankungen , die einige Monate vorher dort vorgekommen waren, zurückgeführt. Der Vibrio Ghiuda ist längere Zeit für eine echte Cholerakultur gehalten worden. Der Vibrio Ghinda ist verhältnismäßig wenig tierpathogen, er ist aber mittels der spezifischen Imniunitätsreaktion zu trennen von dem echten Choleravibrio. Dem Namen nach mögen kurz folgende Vibrionen erwähnt werden, Avelche meist aus Wasserprobeu isoliert wurden: Vibrio Danubicus, V. aquatilis, V. Bonhoff. Eine große Menge von Vibrionen sind von Sanakelli aus dem Wasser der Seine und Marne 1892/93 isoliert worden. Wernicke hat aus dem Elb- und Havelwasser eine ganze Anzahl der- artiger Vibrionen, die wegen ihrer Eigenschaft, die Eotreaktion zu geben, als Eotbildner bezeichnet wurden, isoliert. Ferner ist eine große Menge derartiger Kulturen bei den systematischen Wasseruntersuchimgeu, welche im Institut für Infektionskrankheiten von 1892 — 94 in großem Maßstabe durchgeführt sind, gewonnen worden. In Hamburg sind in dem unter Leitung von Professor Dunhar32 stehenden Hygienischen Institut, in welchem in ganz gewaltigem Umfange Tausende von Wasserproben aus den Wasserläufen der Spree, Elbe, Havel und Oder mittels des Pepton- verfahrens auf Vibrionen untersucht wurden, mehr als 100 Vibrionenspecies gewonnen worden. Die Untersuchungen von Kutscher ^os liaben einiges Licht verbreitet, woher höchstwahrscheinlich diese zahlreichen Vibrioneu in den öttentlichen Wasserläufen herstammen. Kutscher wies nach, dass in füllenden Flüssigkeiten, namentlich solchen, denen tierischer Kot beigemengt ist, sich ganz gewaltige Mengen von Vibrionen, oft in Reinkultur entwickeln. Kutscher fand auch im Kot von Tieren, die solche faulenden Flüssigkeiten mit ihrer Nahrung aufnehmen, besonders häufig Vibrioneu, welche den Choleravibrionen sehr ähnlich sind. In ungezwungener Weise kann man daher wohl annehmen, dass eine große Anzahl der in Wasserläufeu vorkommenden Vibrionen aus den Zuflüssen stammt, welche von den mit solchen Faulflüssigkeiten ver- unreinigten Orten, wie Dunggruben u. s. w. , stammen. Dunbar 32, 33 stellte fest, dass die choleraähnliehen Vibrionen in den größeren Fluss- läufen mit ziemlicher Regelmäßigkeit zu einer bestimmten Jahreszeit auftreten bezw. besonders zahlreich zur Entwicklung gelangen. Nament- lich in den Monaten Juli, August und September kommt es höchst- wahrscheinlich infolge der günstigen Temperaturbediugungen, die das Wasser für die Entwicklung der Vibrionen dann besitzt, zu einem ziem- lich gehäuften Auftreten dieser Vibrionen. Fast alle derselben oder die Mehrzahl derselben, soweit sie große Aehnlichkeit mit Cholerabakterieu haben und namentlich tierpathogen waren, sind mittels der spezifi- schen Immunitätsreaktion auf ihre Identität mit den echten Cholera- vibrionen untersucht worden, fast ausnahmslos allerdings mit negativem Resultate. Bei einer Anzahl derselben ist auch durch die sorgfältige Austitrierung mittels des Agglutinationsphänomens, für dessen Ausführung oben die näheren Angaben gemacht worden sind, eine Differenzierung von den Choleravibrionen herbeizuführen gewesen. Eine große Anzahl choleraähnlicher Vibrionen sind neuerdings durch die Untersuchungen von Gotschlich, Hetsch, Kolle, Lentz und Otto (1. c.) aufgefunden und genau in ihren morphologischen, kulturellen und biologischen Eigenschaften, sowie in Bezug auf ihr Verhalten gegen- über spezifischen Choleraagglutininen und Bakteriolysinen untersucht. 72 W. Kolle, Die Kulturen wurden von Gotschlich in Alexandrien aus den Faeces von cholerakranken und clioleraverdäclitig-en Personen oder gesunden ^Menschen aus der Umgebung Cliolerakranker mittelst der Peptonmetliode isoliert. Es würde zu weit führen und außerhalb des Rahmens dieses Werkes, das vorwiegend den pathogenen Mikroorganismen gewidmet ist, liegen, sämtliche Vibrionen, 21 an der Zahl, einzeln zu beschreiben oder aufzuzählen. Ich muss hier auf die Originalarbeit verweisen. Einige der Vibrionen unterscheiden sich durch kein morphologisches oder kul- turelles Merkmal von den Choleravil)rionen, von denen sie namentlich in der Gelatineplatte nicht zu unterscheiden waren. Auch die Tier- pathogenität war nur bei einigen zur Differenzierung zu benutzen, die auch Tauben bei Impfung mittelst infizierter IS'adelspitze in den Brust- muskel und Meerschweinchen bei Impfung kleiner Mengen in eine Haut- tasche unter Erzeugung von Septikämie töteten. Bei verschiedenen der Vibrionenarten ließen sich 2, 4, 6 und mehr eudständige Geißeln nach- weisen, während bei der echten Cholera stets nur eine Geißel vorhanden ist. Eine rasche imd sichere Differenzierung dieser Vibrionen wurde durch Heranziehung der spezifischen Wirkungen der Choleraagglutinine und Cholerabakteriolysine herbeigeführt. Durch ein hochwertig agglu- tinierendes Cholera-Kaninchenserum von Titre 1 : 5000 wurden diese Vibrionen nicht stärker agglutiniert, als durch normales Kaninchenserum, und bei Verwendung bakteriolytischen Choleraserums nicht stärker im Tierversuch beeiuflusst, als durch das normale Serum derselben Tierart. Mit jeder der 21 choleraähnlichen Vibrionenarten wurde je ein Ka- ninchen intravenös vorbehandelt. Die Serumprobeu dieser Tiere zeigten nun weder Agglutinationswirkung noch bakteriolytische Eigenschaften gegenüber echten Cholerakulturen, sondern nur gegenüber den Kulturen, mit denen sie hergestellt waren und einigen anderen, die untereinander identisch waren. Die systematischen Untersuchungen, welche zu diesen Ergebnissen geführt haben, lassen keinen Zweifel darüber, dass diese während der Choleraepidemie in Aegypten gefundeneu Vibrionenarten mit den echten Choleravibrionen nicht das mindeste phylogenetisch zu thun haben. Für die Entscheidung der Frage, ob diese Vil)rioneu nicht auch imstande sind, krankmachende Eigenschaften beim Menschen zu entfalten, kommt in erster Linie die Thatsache in Betracht, dass die Vibrionen sämtlich mit der Peptonmethode isoliert sind. Es ist bisher aber keine Vibrionenart (außer den echten Choleravibrionen) bekannt, die in Rein- kultur in den Faeces bei choleraähnlichen Erkrankungsfällen gefunden wäre. Ja, es ist bisher überhaupt noch keine Vibrionenart bei Darm- erkraukungen (außer den Choleravibrionen) gefunden worden, die neben den Darmbakterien in größerer Menge aufgetreten wären, so dass sie im mikroskopischen Präparat oder bei Züchtungsverfahren in der Ueber- zahl vor anderen Darmbakterien gewesen wäre. Aus diesen Gründen wird man den choleraähnlichen Vibrionen kaum eine Bedeutung für die Pathologie zuerkennen können. Dass sie etwa Mikroorganismen im Sinne der Microbes favorisantes von Metschnikoff wären, anzunehmen, ist deshalb nicht angängig, weil sie keineswegs bei allen oder gar der Mehrzahl der Cholerafälle auftreten, und stets in zu geringer Menge vorhanden sind. Auch sind sie zum Teil in cholerafreien Zeiten ge- funden. Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, dass die cholera- ähnlichcn Vil)rionen Wasserbakterien sind, die mit dem Trinkwasser in den Darm gelangen und dort zuweilen eine gewisse Vermehrung erfahren. Cholera asiatica. 73 Litteratur. 1 Abel & Claussen, Centralbl. f. Bakt, Bd. 17, 1895. — ^ Dies., ebd. — 3 Abel & Dräer, Ztschr. f. Hyg., Bd. 20. — ^ Abel, Centralbl. f. Bakt, Bd. 15, 1S94. — 4'i R. Koch, Berichte von der Expedition, verüifentl. im Eeichsanzeiger u. Deutsche med. Woch., 1883 n. 1884. — 4b r. Koch & Gaffky, Bericht über die Thätigkeit der zur Erforschung der Cholera im Jahre 1883 nach Ae_gypten und Indien entsandten Kommission. Arb. a. d. Kais. Ges. -Amt. Bd. 3, 1887. — -j Bon- hoff, Arch. für Hyg., Bd. 26. — <^' Bürdet, Ann. Pasteur, J875. — ' Behring & Ransom, Deutsche med. Wochenschr., 1895. — § Bosc, Ann. Pasteur, 1895. — 9 BuJWiD, Ztschr. f. Hyg., Bd. 2. — w Ders., Centralbl. f. Bakt., Bd. 4, 1888. — 11 Ders., ebd. — i^ Ders., ebd., Bd. 13, 1893. — i3 Blachstein. Ann. Pasteur, 1893. — 14 Ders., Berliner klin. Woch.. 1894. — i5 Behring & Nissen, Ztschr. f. Hyg., Bd. 8, 1890. — i« Bleisch, ebd., Bd. 13, 1893. — " Ders., ebd., Bd. 14. - 1« BoLTON, ebd., Bd. 1. — i'' Brix, Hyg. Rdsch., 1894. — 20 h. Buchner, Deutsche Vierteljahrsschr. f. üffentl. Ge.'sundheitspfl., Bd. 25. — 21 Ders., Münch. ärztl. Intell. Bliitter, 1885. — 22 y. Babes, 6. intern. Kongr. für Hyg- u. Demographie, 1887. — 23 Bunge, Fortschr. d. Med., 1894. — 24 Brieger, Deutsche med. Woch., 1887, Nr. 15 u. 22. — 20 Basenau, Ztschr. f. Hyg., Bd. 23, 18%. — 20 Bordoni-Uffreduzzi & Abba, Riv. d'ig. e di med. prat. , Giugno 1895. — 27 Das Auftreten der Cholera im Deutschen Reiche währ. d. J. 1893 u. 1894. Arb. a. d. Kais. Ges.-Amte, Bd. 11 u. 12. _ 2s Ebd., Bd. 12. — 2ii Dahmen, Centr. f. Bakt., Bd. 12. — 3o Biernacki, Deutsche med. Wochenschr., 1892. — 3i Deneke, Deutsche med. Woch., 1885, Nr. 3, — 32 Dunbar, ebd., 1893. — Ders., Arb. a. d. Kais. Ges.-Amte, Bd. 9. — 33 Ders., Ztschr. f. Hyg., Bd. 21, 1896. — 34 Dunham, ebd., Bd. 2, 1887. — 35 Dönitz, ebd., Bd. 18. — 30 Ders., ebd., Bd. 18, 1894. — 37 Dieudonne, Arb. a. d. Kais. Ges.- Amte, Bd. 9. — 38 V. Esmarch, ebd., Bd. 12. — 39 Ders., ebd. — « y. Ermengem, La sem. med., 1893. — 4i Escherich, Münchener ärztliches lutelligenzblatt, 1884. — 42 Elsner, Archiv f. Hyg., Bd. 21, 1894. — 43 Ders., ebd., Bd. 19, 1893. — 44 B. Fischer, Deutsche med. Wochenschrift, 1893. — 45 Ders., ebd., 1893 u. 1894. — 4G c. Fränkel, Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheits- Amte, Bd. 12. — 47 Ders., Deutsche med. Wochenschrift, 1892. — 48 Frosch, Arb. a. d. Kais. Ges.- Amte, Bd. 11, 1895. — 4!) E. Fränkel, Deutsche med. Woch., 1892, Nr. 46. — 50 Finkler & Prior, Ergänzungshefte z. Centralbl. f allgem. Gesundheitspfl. — 51 FoKKER, Deutsche med. Woch., 1893. — 52 Flügge, Ztschr. f. Hyg., Bd. 14, 1893. 53 Ferran, Compt. rend. de l'Acad., Bd. 101, 1895. — 54 Friedrich, Arb. a. d. Kais. Ges.-Amte. — 55 Frey^niuth & Lickfett, Deutsche med. Woch., 1893. — 5(i Forster, Hyg. Rdsch., 1893. — 57 Gosio, Arch. f. Hyg.. Bd. 21. — 58 Ders., ebd., Bd. 21 u. 22, 1894. — 59 Günther, Einf. in das Stud. der Bakteriol. 8. Aufl. Leipzig, G. Thieme, 1902. — po Ders., Einf in das Studium der Bakteriol. Der Choleravibrio. S. 451ff. — f'i Ders., Deutsche med. Woch., 1892, Nr. 49. — 62 Ders., Hyg. Edsch., 1894, Nr. 16. — 63 Gotschlich & Weigang, Ztschr. f. Hyg., Bd. 20. — 64 Gotschlich, Ztschr. f. Hyg. u. 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Dieses hohe Verdienst gebührt Otto Obermeier, welcher bereits im Jahre 1868 im Blute von Recurrenskranken ; feinste, eigene Bewegungen zeigende Fäden« gesehen hatte, aber erst nach \Yiederauf- uahme seiner Studien 1873 die große Entdeckung der Oeffentlichkeit übergab. Xoch in demselben Jahre fiel dieser bedeutende Forscher seinen Arbeiten über Infektionskrankheiten Cholera) zum Opfer, nachdem er noch eine Reihe bis auf den heutigen Tag höchst wertvoller Mitteilungen über die ihm zu Ehren und Andenken benannten Spirochäten, sowie über den durch sie hervorgerufenen Krankheitsprozess veröffentlicht hatte. Die sofort mit großem Eifer besonders von deutschen und russischen Aerzten aufgenommenen Studien über den neuen Mikroorganismus und seine Beziehungen zum Rückfallfieber brachten bereits in den nächsten Jahren Licht in die Auffassung einer Infektionskrankheit, welche bis dahin zu den dunkelsten Gebieten der Pathologie gezählt worden war. Durch die Arbeiten zahlreicher Forscher, unter denen Bliesexer, Poxfick, Engel, Littex, Müxch, Biech-Hirschfeld, Lebert, Weiciert, Buch- w^ALD, Heydexreich, Moczutkowskt, Albrecht als Pioniere genannt werden müssen, wurde die Konstanz des Befundes von Spirochäten im Blute Recurrenskranker während der Fieberaufälle über jeden Zweifel erhoben und zugleich die schon von Griesixger längst behauptete ätio- logische Zusammengehörigkeit des Rückfallfiebers und des biliösen Typhoids sichergestellt. Auch das Bedenken, dass die Spirochäte nur ein beständiger Begleiter der genannten Krankheiten aber ohne patho- geue Bedeutung sein könnte, war mit den Versuchen von Müxch, Moczutkowskt und Metschxikoff gefallen, welchen es gelungen war, durch Uebertragung spirochätenhaltigen Blutes auf gesunde Menschen Febris recurrens künstlich hervorzurufen. 76 A. Wladimiroflf, Im Jahre 1879 haben Carter & Koch die Empfäng-lichkeit der Affen für die Infektion mit Spiroehaete Obermeieri nachgewiesen und damit den Grund zu einer Reihe von experimentellen Arbeiten gelegt, Avelche, fast ausschließlieh von russischen Forschern ausgeführt, außer dem Schicksal der Spirochäten im Organismus während der verschiedenen Krankheitsphasen, vorwiegend die Immunitätsfrage zum Gegenstande hatten. Einen weiteren Schritt in der Recurrens -Forschung bezeichnen die seit 1896 von Gabritchewsky und seineu Schülern begonnenen Versuche einer Serodiagnostik und Serotherapie des Rückfallfiebers. Endlich verdienen noch die Beobachtungen und Experimente von TiCTix (1896) besonders hervorgehoben zu werden, welche auf die Möglichkeit einer Uebertragung- der Spirochäten durch schmarotzende Insekten weisen, wodurch die Prädilektion der armen, gedrängt und unsauber lebenden Bevölkerung für diese »Krankheit der Vagabunden« imserem Verständnis bedeutend nähergeführt wird. 'O'' Kurze Darstellung des durch die Spirochäten erzeugten Krankheitsbildes. Es liegt nicht in unserem Plan eine vollständige Beschreibung der Febris recurrens zu geben, sondern wir müssen uns darauf beschränken, die mchtigsten Krankheitserscheinungen zu schildern, welche in direkter Abhängigkeit von der Spirochäteninfektion stehen. Die Inkubationsdauer beim Menschen beträgt ca. 7 Tage, wie aus den Versuchen von Moczutkowsky und Metschnikopf, sowie aus anderweitigen gelegentlichen Beobachtungen hervorgeht (Lachmann, Smidt: Erkrankungen nach Sektionen von Recurrens-Leichen). Pr od romaler scheinungen fehlen entweder vollständig oder bieten nichts Charakteristisches. Die Krankheit verläuft in Form von Fieberanfällen, w^elche von- einander durch vollkommen fieberfreie Perioden, Apyrexieeu, getrennt sind. Die Mehrzahl der Begleiterscheinungun des Fiebers kann nicht als ausschließlich der Recurrens eigentümlich angesehen werden ; so die Symptome von selten des Zirkulationsapparates, der Respirations- und Digestionsorgane, des Nervensystems. Dagegen kommt gewissen Verän- derungen des Blutes, der nie fehlenden Milzschwelhmg und auch den Knochenschmerzen, wie weiter unten gezeigt werden ward, durchaus eine spezifische Bedeutung zu. Der typische Anfall beginnt mit einem heftigen Schüttelfrost oder mit mehrfachem Frösteln. Die Körpertemperatur steigt sehr schnell auf 39, 40, 41" und darüber, bleibt mit geringen Morgenremissionen und abendlichen Steigerungen mehrere Tage auf der Höhe, um darauf kritisch in wenigen Stunden meist bis unter die Norm abzusinken. Der eigent- lichen Krisis geht nicht selten eine Pseudokrisis in Gestalt sehr starker Morgenremission voraus, bisweilen aber auch eine Perturbatio critica d. 1. eine oft durch Schüttelfrost einü-eleitete exzessive Steigerung der '»' Temperatur (sogar bis auf 48°), so dass bei der darauf eintretenden Ent- fieberung in wenigen Stunden Tcmperaturdififerenzen von 5 — 7" zur Beobachtung kommen können. In den seltensten Fällen hat die Krankheit mit einem Anfalle ihr Bewenden, vielmehr folgt gewöhnlich nach einer mehrtägigen Periode Eückfallfieber. 77 Tollkommener Apvrexie ein zweiter Fieberanfall, Avelclier hinter dem ersten an Intensität und Dauer meist etwas zurückstellt, darauf wiederum eine Eemission und ein dritter Eelaps, bisweilen noch ein vierter und ausnahmsweise sogar auch ein fünfter Anfall, Avobei jeder folgende Aufall immer kürzer, jede folgende Apyrexie immer länger erscheint. Hieraus ergiebt sich eine so charakteristische Temperaturkurve, dass in unkom- plizierten Fällen schon ein Blick auf dieselbe zur Stellung der Recurrens- diagnose berechtigt. Was die Anzahl der Anfälle anbetrifft, so führt Oks folgende Durch- schnittszahlen an, welche aus den Statistiken von 12 Beobachtern berechnet sind. Es hatten einen Anfall 13,7^'' der Kranken, zwei Anfälle 54,3^ und drei Anfälle 14,2^. Bei der Berechnung dieser Zahlen ist offenbar keine Rücksicht darauf genommen worden, ob die Krankheit mit dem Tode oder mit Genesung endigte, und sie bedürfen einer Korrektur, da viele Pa- tienten schon im ersten resp. zweiten Anfalle sterben und es uugewiss bleibt, ob es noch zu weiteren Relapsen gekommen Aväre, Aveun sie die Anfälle über- standen hätten. ZoRX (1865) hat die entsprechenden Werte für Gestorbene und Genesene getrennt angegeben. Von den Gestorbenen hatten einen Anfall 29,87^, zwei Anfälle 59,74^, » » Genesenen » » » 1,65^, » » 91,50^, drei Anfälle 11,39^ » » 6,85^. Während die Zahlen der ersten Reihe denen von Oks näher stehen, zeigen die der zweiten Reihe, dass eine nicht tödlich verlaufende Recurrens mit nur einem Anfall in der That zu den Seltenheiten gehört. Dasselbe wird auch von Litten (1874) bestätigt, von dessen 400 Patienten auch nur 1,5^ mit einem einzigen Aufalle abgekommen sind. Nach den Angaben des letzt- genannten Beobachters werden vier Anfälle in 1,75^, fünf Anfälle sogar nur in 0,75 % der Recurrenserkrankungen angetroffen. Auch Meschede (1882) hat unter 360 Fällen nur 7 vierte und 2 fünfte Anfälle (1,94 ^ resp. 0,bQ %] konstatieren können. Die mittlere Dauer der Anfälle und Apyrexieen wird am besten durch die oft citierte Zusammenstellung illustriert, welche Moczutkowsky (1882) aus 148 Berechnungen gewonnen hat: Dauer in Tj agen. I II III IV V Anfälle 6^4 5V2 314 21/s iVs Apyrexieen 5V4 61/6 9 101/2 Der schnellere Verlauf jedes folgenden Aufalles, die Verlängerung jeder folgenden Apyrexie spiegeln sich in diesen Zahlen außerordentlich deutlich Avieder. Denselben Eindruck rufen die von Meschede an 360 Fällen be- obachteten Durchschnittswerte hervor: Dauer in Tagen I II III IV V Anfälle 7 6 5 4 4 3 3 1 1-0 Apyrexieen 7 8 9 — 10 11 — 12 — In einem gewissen Widerspruche hierzu stehen die Zahlen, welche Oks aus den Statistiken von 13 Beobachtern berechnet hat: 78 A. WladimirotY, Daner in Tagen I n III Anfälle 5.7 3,8 2.0 Apyrexieu 6,6 4,3 - Erstens erscheinen hier die einzelnen Anfälle durchschnittlich kürzer als in den Angaben von Moczutkowsky und Meschede, und zweitens ist nichts von einer ansteigenden Dauer der successiven Apyrexieen zu erkennen. Die absolute Dauer der Anfälle schwankt in den einzelnen Fällen in ziemlich weiten Grenzen um die angegebenen Mittelwerte herum; so kann dieselbe für den ersten Anfall 2 — 17 Tage betragen, für den zweiten 1 — 11, für den dritten 1 — 7 (Zorn, Obermeier [1869], v. Pastau u. and.). Als maximale Dauer der Apyrexie ist nach Moczutkowsky (1882) eine Periode von 12 Tagen anzusehen. Tritt nach Ablauf dieser Frist noch ein Anfall ein, so soll er auf Reinfektion beruhen und sich von dem letzten Anfall der vorausgegangenen Serie durch größere Heftigkeit und längere Dauer auszeichnen. Die liervorstechendste Veräuclerung des Blutes besteht darin, dass in demselben ausnahmslos während der Fieberanfälle die spezifischen Erreger der Recurrens anzutreffen sind. Die Spirochäten erscheinen im Blut mit dem Beginn der Temperatursteigerung oder kurz vorher und verschwinden aus demselben vor beendigter Krisis, so dass während der fieberfreien Perioden keine Spirochäten in der Zirkulation zu finden sind. Weiter unten wird in ausführlicher Weise über ihr Verhalten im Orga- nismus berichtet werden; hier sei nur hervorgehoben, dass zwischen der Menge der vorhandenen Spirochäten und der Intensität des Anfalles keine bestimmte Beziehung besteht. Während der Recurrens kommt es zu einer bedeutenden Hyperleukocytose (Laptschinsky, Heydexreich, Ouskow). Ferner treten in den letzten Tagen des Anfalls und am Tage nach der Krisis im Blute »große protoplasmatische Zellen« auf (Obermeier, Ponfick, Bliesener, Litten, Laptschinsky, Heydenreich) . Außerdem wird der Befund von feinen lichtbrechenden Körn- chen im Plasma beschrieben (Bliesener, Engel, Guttmann, Heydenreich, Pasternazki u. a.). Alle diese Zellelemente stellen nichts für das Rückfall- fieber Charakteristisches dar, sollen aber bei keiner anderen Krankheit in so auffallender Menge angetroffen werden und aus der bei Recurrens spezifisch veränderten Milz in den Kreislauf geraten. Zu den konstanten Symptomen der Febris recurrens gehört auch eine Milz Schwellung, deren Ausdehnung im allgemeinen synchroniscli mit den Anfällen und Apyrexieen ab- und zunimmt. Sie kann bereits am Ende der Inkubationsperiode beginnen, macht besonders in den ersten Tagen nach Ausbruch des Fiebers rasche Fortschritte, führt dabei zu mehr oder weniger starken subjektiven Beschwerden, erreicht vor der ersten Krisis ihr Maximum, wobei ihre Dimensionen diejenigen einer normalen Milz um das Doppelte bis Dreifache übertreffen und schwillt dann schnell bis zu einem gewissen Grade wieder ab. Jeder folgende Anfall ist von einer erneuten Vergrößerung der Milz begleitet, in jeder Apyrexie tritt eine Verkleinerung ein, jedoch dauert es l)ei den Genesen- den noch ziemlich lauge, bis die Milz zu ihrer natürlichen Größe zu- rückkehrt. Zweifellos ist die Milz heim Rückfiillfieber das am meisten in Mit- leidenschaft gezogene Organ, wovon nicht nur die Beobachtungen am Eückfallfieber. 79 Krankenbett, sondern auch diejenigen am Sektionstiscli Zeugnis ablegen. Es finden sich fast ausschließlich in der Milz charakteristische pathologisch-anatomische Veränderungen, welche von Grie- siNGER, KÜTTNER, Erichson (1865), Pastau, Rudneff, Litten, Lebert, IvRiwoscHEm u. a. konstant angetroffen und im wesentlichen überein- stimmend beschrieben worden sind. Genaue histologische Untersuchungen dieser Veränderungen liegen von Ponfick, Lubimoff, Puschkareff, Fedoroff, Nikiforoff vor. Darnach handelt es sich um zwei Reihen pathologischer Vorgänge, welche sich nebeneinander in der Milz abspielen. Makroskopisch stellen sie sich in der Weise dar, dass sowohl an der Oberfläche als auch auf Schnitten durch die große, meist derbe und schmutzig braunrote Milz gleichzeitig kleinere weiße oder gelbliche Herde und größere graurote oder graugelbe infarktartige Gebilde zu erkennen sind. Die kleinen Herde von der Größe eines Mohnkorns bis zu der eines Hanfkorns, teils isoliert gelegen, teils zu Gruppen dicht aneinander- gedrängt, entsprechen veränderten MALPiGHischen Körperchen. Hier kommt es gegen Ende des Anfalls und zu Beginn der Apyrexie zu einer bedeutenden Ansammlung von Leukocyten, hervorgerufen durch die Gegenwart von Spirochäten (Lubimoff, Metschnikoff, Nikiforoff). Späterhin verfallen diese Herde der regressiven Metamorphose, und da der Cyclus sich mit jedem Anfall wiederholt, so ist nach Puschkareff die Zahl der Uberstandenen Anfälle am mikroskopischen Präparate aus den Veränderungsstadien zu erkennen, welche sich an den MALPiGHi- schen Follikeln unterscheiden lassen. Die Infarkte der Milz sind nicht embolischer Natur, sondern durch örtliche Thrombosierung der Venen veranlasst, vielleicht auch durch Kompression derselben durch konfluie- rende vergrößerte MALPiGHisclie Körper (Lubimoff). Die Dimensionen der Infarkte schwanken sehr bedeutend; sie können die einer Erbse nicht überschreiten und wiederum ein Achtel bis ein Viertel der ganzen Milz einnelimen. Kommt es zu Abszessen oder zu Sequesterbildungen in der 3Iilz, so handelt es sich um Komplikationen mit pyogenen Bak- terien; die spezifischen Recurrensherde sollen anstandslos ausheilen. Auch im Knochenmark hat Ponfick konstant bei Rückfallfieber Herderkrankungen nachweisen können, welche in 30 % der Fälle sogar makroskopisch sichtbar waren. Es handelte sich um meist diskret stehende »Erweichungen« eigentümlicher Art. Nach den Untersuchungen von SouDAKEwiTCH an Aften ist die Vermutung naheliegend, dass diese Veränderungen direkt durch die x4nwesenheit von Spirochäten im Knochen- mark bedingt werden. Ouskow hat während der zwei voii ihm ver- folgten Epidemieen die Konstanz der Veränderungen im Knochenmark nicht bestätigen können. Von den übrigen organischen Alterationen, welche während der Febris recurreiis zur Beobachtung gelangen, verdienen nur noch die- jenigen der Leber besonders erwähnt zu werden, obwohl sie kaum etwas Charakteristisches für diese Erkrankung darbieten und durchaus nicht als konstaut bezeichnet werden können. Außer Schwellung und paren- chymatöser Trübung wird in einzelnen Fällen auch das Vorkommen kleinster nekrotischer Herde in der Leber beschrieben (Ponfick, Lebert, Lubimoff). Es ist nur wichtig hervorzuheben, dass der nicht selten während der Recurrens auftretende Icterus, wie schon Murchison (1862) betont hat, keineswegs auf einem mechanischen Hindernis für den Galleu- abfluss beruht. AVährend die großen Gallengänge selbst bei hochgradigem Icterus durchgängig bleiben, besteht nach Litten in solchen Fällen ein 80 A. Wladimiroff, starker Katarrh der feinen Galleugäug-e, welche zum Teil durch gallig gefärbte Schleimpfrüpfe verschlossen sein können. Es handelt sich zweifellos um einen hämatogenen Icterus, der durch den Zerfall roter Blutkörperchen entstellt. Die Schwere der Erkrankungen wechselt nicht nur von Fall zu Fall, sondern gewöhnlich auch von Epidemie zu Epidemie, wobei außer der Virulenz der infizierenden Spirochäten offenbar auch die Beteiligung anderweitiger Krankheitserreger von Bedeutung ist. Am deutlichsten tritt die Veränderung des Krankheitsbildes unter dem Einflüsse einer heterogenen Infektion in den von Karlinski beobachteten Fällen hervor, in denen die Recurrens bei 20 Individuen, welche nicht lange zuvor Malaria überstanden hatten oder noch an derselben litten, vollkommen atypisch als akuter fieberhafter Icterus verlief. Auch jene schwere Form des Eiickfallfiebers, welche von Griesixger als biliöses Typhoid charakterisiert worden ist, darf wohl kaum als reine Spiro- chäteuinfektion aufgefasst werden. Damit soll die ätiologische Identität von Febris recurrens und biliösem Typhoid, welche bereits vor der Ent- deckung Obermeiers von Griesinger selbst, sowie von Herrmaxn, NiEMEYER und anderen erfahrenen Klinicisten richtig erkannt worden war, keineswegs in Frage gestellt werden. Wenn aber auch der Satz zu Recht bestehen bleibt, dass ohne die Spirochaete Obermeieri kein biliöses Typhoid zustande kommt, so genügt doch die Annahme eines verschiedenen Viruleuzgrades der Spirochäten nicht dazu, die auffallende Thatsache zu erklären, dass während ein und derselben Epidemie, unter anscheinend gleichen Bedingungen das eine Mal die relativ leichte typische Recurrens, das andere Mal jene schwere Erkrankungsform ent- steht. Dass gegebenen Falls bei der Infektion außer den Spirochäten andere Krankheitserreger gleich mitübertragen werden, ist kaum an- zunehmen. Dem würde vor allem der Versuch von Moczutkowsky widersprechen, wobei nach Ueberimpfung von Blut eines an biliösem Typhoid leidenden Mannes auf ein gesundes Individuum sich bei letz- terem eine einfache typische Recurrens entwickelte. Die oben ange- führte Beobachtung Karlixskis leitet eher darauf hin, den modifizieren- den Faktor in dem Erkrankenden selbst zu suchen. Ob als solche Faktoren bereits bestehende cirrhotische und syphilitische Leberverände- rungen (Münch), katarrhalische Zustände des Verdauungstractus (v. ZiEMssEN, Litten) oder Vergesellschaftung mit irgend welchen im Orga- nismus vorhandenen pathogenen Mikroorganismen anzusehen sind, bleibt noch dahiiigestellt. Jedenfalls scheinen für die letztgenannte Möglichkeit zu sprechen: die atypische Fieberkurve, der hämatogene Icterus, das frühe Auftreten von Petechien und Ekchymosen, die multiplen Drüsen- schwellungen, die Abszedierung der Milzherde u. dergl. Die Mortalität bei Rückfallfieber ist im allgemeinen eine ge- ringe; sie schwankt in den einzelnen Epidemieen zwischen 2, 5 und 10^ und hängt von der Häufigkeit und Schwere der Komplikationen ab. Für das sogenannte biliöse Typhoid allein wird eine sehr hohe Sterblichkeit (60^^' und darüber) berechnet. Eückfallfieber. 81 Morphologie, Beweglichkeit, Färbbarkeit der Spirochäten Obermeieri. Die OBERMEiERSchen Spirocliäten stellen sich als überaus feiue, spi- ralio; gewundene, an den Enden etwas zugespitzte Fädchen dar, deren Dicke höchstens 1 \i beträgt und deren Länge 10 — 20—40 tx und darüber erreichen kann. Die Zahl der Schraubenwindungen ist eine wechselnde (6 — 20) und im allgemeinen um so größer, je länger das Individuum; dabei schwankt der Radius der einzelnen Windungen in so weiten Grenzen, dass es kaum möglich ist, Mittelwerte für denselben anzugeben. Irgend eine Struktur ihres Zellleibes lassen die Spirochäten im normalen Zustande selbst mit den schärfsten optischen Hilfsmitteln nicht erkennen. Die Beobachtungen von Oeermeier, Erichsen und Heydex- REiCH, welche bisweilen im Verlaufe und an den Enden sonst wohler- haltener Spiralfäden feine Körnchen gesehen haben wollen, haben keine Bestätigung gefunden. Dagegen wird der von Heydenreich als Ab- sterbeerscheinung angesprochene Zerfall der Spirochäten in eine Reihe fast gleich großer Körnchen auch von anderen Forschern beschrieben. Er selbst fand solche Veränderungen einigemal bei Spirochäten, welche, mehrere Tage bei Zimmertemperatur aufbewahrt, bereits ihre Bewegungen eingebüßt hatten; Müllendohf konstatierte den Zerftill der Spirochäten in feine Punkte nach 8 — 10 Tagen bei Konservierung in Kapillarröhren; Pasterxazki sah diese Umwandlung in Körnchenketten au den Spiro- chäten nach zweitägigem Aufenthalte im Blutegeldarm bei 27 — 30" C; Mamurow.ski beobachtete die rosenkranzförmigen Degenerationsformen auch im frisch entnommenen Recurreiisblute neben unveränderten Spiro- chäten, wodurch eine Täuschung durch Kuustprodukte ausgeschlossen erscheint, und zwar traten diese Formen immer nur kurz vor dem Ende eines Anfalles auf; Moczutkowsky, Gabritchewsky sowie Tictin haben den Zerfall von Spirochäten in Körnchen direkt unter dem Mikroskope ver- folgt, und SouDAKEWiTCH konnte denselben Vorgang in den Phagocyten nachweisen. Unter gewissen Bedingungen können die Recnrreus-Spirocliäteu offenbar auch atypische Formen annehmen, ohne ihre Pathogenität einzubüßen. So hat Karlinski in der Herzegowina in einer exquisiten Malariagegeud bei 20 Patienten mit akutem fieberhaften Icterus auf der Höhe der Anfälle im Blute kommaförmige Stäbchen und kurze Spirillen mit träger Eigeubeweguug gefunden. Die Länge dieser Gebilde betrug 2 — 6 /<, wobei die Zahl der kurzen Formen etwa um das Füufzigfache die der 3 — 5 Windungen bildenden Spirochäten überstieg und außerdem letztere auch noch dazu neigten, in einzelne Kommata zu zerfallen. Die Identität dieser Bakterien mit den Re- currens-Erregern ist mehr denn wahrscheinlich, da dieselbe im Blutegelkörper oder in einem Gemisch vom Blute der Kranken mit normalem Menscheublut bis zu 20 /.i langen Spirochäten auswnchsen. Eine Erklärung für die Ver- kümmerung der typischen Wuchsform dürfte in dem timstande zu suchen sein, dass in allen Fällen die Patienten nicht lange vor der Erkrankung an Malaria gelitten hatten (in einem Falle waren sogar noch Plasmodien nachweisbar), wodurch in dem Blute für die Entwicklung der Spirochäten ungünstige Be- dingungen geschafieu waren. In gleicher Weise ist wohl auch die Behauptung Afanassiews zu erklären, dass während einer Recurreus-Epidemie im Wolga- gebiet (das bekanntlich auch uicht frei von Malaria ist) regelmäßig gewundene Spirochäten überhaupt selten zu finden gewesen sein sollen. Handbucli der i)atliügeiien Mikroorganismeu. III. ß 82 A. Wladimiroff. Außer durch ihre Form, stechen die Recurreus-Spirochäten auch durch ihre üauz besonders ücartete Eii;eubewes'uu£,' von allen Utarifren für Menschen pathogeneu Mikroben ab. Die Lebhaftigkeit der Bewegung* ist im frisch untersuchten Blute, zumal wenn es auf der Höhe des An- falls dem Kranken entnommen wird, eine so bedeutende, dass die ein- zelnen Bewegungsmomente nur mit Mühe unterschieden werden können. Mit der allmählich eintretenden Yerlangsamung wird auch die Beobach- tung immer leichter, und selbst ein weniger geübtes Auge kann sich dann von der Richtigkeit der Angaben überzeugen, welche bereits 1873 Bliesexer, nach ihm eine Reihe anderer Forscher und besonders aus- führlich Heydenreich veröffentlicht haben. Darnach sind an den Spi- rochäten drei Bewegungsformen zu unterscheiden, die einzeln oder kom- biniert in die Erscheinung treten können: Drehbewegungen um die Längsaxe der Spirale, seitliche Verbiegurgen oder Schwankungen, Vor- und RückwärtsbeAvegungen des ganzen Körpers. Die schrauben- förmigen Drehbewegungen linden fast unaufhörlich und mit großer Ge- schwindigkeit statt, bald von rechts nach links, bald in umgekehrter Richtung, wobei die Si)irale aber nicht auf- und umgerollt wird. Diese Art der Bewegung hat meist ein Auseiuauderziehen der Windungen zur Folge, so dass sich die Länge der Spirochäten dabei mehr oder weniger (nach MoczuTKOWsKY eventuell um das Vierfache) vergrößern kann Im Moment der Ruhe rollen sich die Windungen sofort wieder fester ein. Heydenreich will nur die Drehung um die Längsaxe als aktive Bewegungsform anerkennen. Die zierlichen wellenförmigen Hebungen und Senkungen, welche während des Rotierens in wechselnder Richtung über den Faden hinlaufen, sowie die seitlichen Beuji'unü'en des flexiblen Körpers wären somit als passive Erscheinungen aufzufassen. Nach den Bewegungspausen, welche Heydenreich für ein Ermüdungsphäuomen (nicht für ein tetanisches wie Münch und Moczutkowsky") hält, beginnt die Drehbewegung nicht immer an allen Teilen der Spirochäte zugleich, sondern kann zunächst nur an einzelnen Stellen auftreten. In letzterem Falle sind, je nach der Rotationsrichtung, die Bedingungen gegeben, entweder zu den starken Verbiegungen der Axe, wie sie besonders Weigert an bewegungsschwachen Spirochäten gegen Ende der Fieber- anfälle beschrieben hat, oder aber zu pendelartigen Schwankungen eines Teiles der Spirochäte. Uebrigens kann man Pendelbeweguugen auch an solchen Fäden zu sehen bekommen, welche noch in ihrer ganzen Ausdehnung lebhaft rotieren, al)er mit einem Ende ihres Körpers durch irgend etwas fixiert sind. Die spontane Ortsveränderung, vorwärts oder rückwärts, findet unter gleichzeitiger Rotations- und Wellenbewegung statt, ist verhältnismäßig langsamer als die letzteren und kann gleich- falls als eiue passive, durch die Schraubendrehung verursachte Erschei- nung aufgefasst werden; auffallend hierbei ist nur der Umstand, dass die Lokomotionsrichtung von der Drehungsrichtung nicht abhängig zu sein scheint. Die Existenz von Geißeln, durch Avelche die Bewegung der Spiro- chäten zustande käme, ist von mehreren Seiten vermutet worden, kann aber nicht für erwiesen gelten. Worauf die Erwähnung von Geißeln in einigen Handbüchern (Eisexberg, Weichselbaum) beruht, ist nicht er- sichtlich. Karlin'ski giebt zwar an, dass er in 100 Präparaten 5 mal unzweifelhafte Cilien an den normalen und an den verkümmerten (bei fieberhaftem Icterus) Spirochäten konstatiert habe, und zwar in F(n-ni von »ungemein feinen Wimpern, die paarweise an den entgegengesetzten Riickfallöeber. 83 Enden eines Spivillums oder eines g-ekrümniten Stäbchens zu finden waren« ; jedocli steht diese Beobachtung" bisher noch vereinzelt da. Eine Anordnung der Spirochäten zu größeren Gruppen und Ver- bänden kommt im zirkulierenden Blute in der Regel nicht vor. Wenn man auch nicht selten in frisch entnommenem Blute die Verkettung von zwei oder mehreren Individuen hinter- resp. nebeneinander zu Gesicht bekommt, so gehören doch die Sternbildungen, Verfilzungen und Knäuel, von denen weiter unten die Rede sein wird, in das Gebiet der extra- vasknlären Erscheinungen. Nur einige Male ist das Auftreten derartiger xVggregationen im Blute von Patienten mit verlangsamter Zirkulation beschrieben worden (Heydexreich, Moczutkowsky , Soudakewitch). Die Bildung von Dauersporen der Spirochäten hat sich nicht nach- weisen lassen, ebensowenig die Existenz irgend einer anderen, wenn auch weniger stabilen Keimform. Die Thatsache, dass die Spirochäten gegen Ende der Fieberanfälle ans dem Blute und darauf anscheinend auch vollständig aus dem Organismus ver- schwinden, hatte schon Heydenreich zu der Annahme veranlasst, dass die neue Generation von Spirochäten, die Avährend des nächsten Anfalles auf- tritt, aus irgend welchen im Körper zurückbleibenden Keimen hervorgehen müsse. Diese Ansicht wurde auch von anderen (Albrecht, Rossbach, Gabritchewsky u. a.) geteilt, um so mehr da Beobachtungen vorlagen, welche für deren Richtigkeit zu sprechen schienen. So hatte Albrecht spirochätenfreies Blut, von Recurrenskrauken während der Apyrexie ent- nommen, in feuchter Kammer aufbewahrt und nach durchschnittlich 5 bis 6 Tagen plötzlich reichlichste Entwicklung von Spirochäten in den Blutproben zu sehen bekommen. Die gleiche Erfahrung machte Gerhardt an spirochäten- freiem Blute, welches er sich kurz vor dein Anfall verschaffte, und eine ähn- liche, wenn auch noch weniger beweisende Beobachtung gelaug Lachmann an spirochätenarmem Blute vom Beginne eines Anfalles. Die Existenz von Keimen voraussetzend, waren Engel, Heydenreich, Albrecht, Sarnow, V. Jaksch u. a. geneigt, dieselben unter den vielen »Körnchen« zu suchen, welche im Plasma vom Recurrensblute anzutreffen sind. Auf der anderen Seite bestreiten in erster Linie Metschnikoff (1896), nach ihm Bardach u. and. auf das entschiedenste die Annahme von Dauer- sporen. Auch Karlinski hebt ausdrücklich hervor, dass die von ihm bei fieberhaftem Icterus nach Malaria beobachteten verkümmerten Spirochäten keine Sporen bilden. Metschnikoff und Guttmann richten sich insbesondere gegen die Auffassung, dass die im Recurrensblute vorkommenden »Körnchen« in irgend einem genetischen Znsammenhange mit den Spirochäten stehen. Dauer- sporen im gewöhnlichen Sinne müssten jedenfalls einer Erwärmung auf 60° widerstehen. Wie aber aus den Versuchen von Bardach hervorgeht, verliert die Milzpulpa von mit Recurrens infizierten Aßen ihre Infektiosität, wenn sie während der Krisis, — also zu einer Zeit da keine Spirillen mehr im Blute sind und die Sporenbildung in der Milz vor sich gehen müsste, — einer Temperatur von 60" C ausgesetzt wird. Will man also nicht zu der wenig wahrscheinHchen Hypothese greifen, dass die Spirochäten in einer bisher noch unbekannten und wenig resistenten Wuchsform von einem Anfall zum andern im Organismus überdauern, so bleibt nur die Erklärung Metschnikoffs übrig, dass die neuen Generationen aus wenigen in der Milz während der Remission vermehrungsfähig gebUebenen Spirochäten hervorgehen. Was das Vorkommen von Körnchen im Blute von Recurreuskranken anbetrifft, so ist dasselbe zuerst von Bliesener im Entdeckungsjahre der 6* 84 A. Wladimiroflf, Rückfallfielierspirofhäten gemeldet wordeii. Er schildert »feine, stark licht- brechende Körnchen, einzeln oder gepaart, letztere durch einen feinen kurzen Faden verbunden; die Körnchen zeigen eine zitternde Be^yegung mit langsam fortschreitender Lokomotion«. Ähnlich lauten die Beschreibungen von Engel, GuTTMAXX, Pastekxazki u. aud., Avährend Heydexreich die willkürliche Beweglichkeit dieser Gebilde in Abrede stellt. Es ist schwer zu eruieren, was die verschiedeneu Beobachter im einzelnen Falle vor Augen gehabt haben, da es sich um Fetttröpfchen, Zellendetritus, Kokken, Zerfallprodukte der Spi- rochäten u. dergl. m. handeln kann. So glaubt z. B. Guttmaxx Kulturen der Körnchen erhalten zu haben (freilich mit sehr unzulänglichen Züchtuugs- methoden); Pasterxazki giebt au, dass die Körnchen außerhalb des Körpers ihre Beweglichkeit länger bewahren als die Spirochäten, bei 45 — 65° C nicht zu Grunde gehen und sich sogar zu vermehren scheinen; Tictin und Soeda- kewitch erwähnen die Affinität der Körnchen zu Anilinfarbstoffen; Heydex- KEiCH fand, dass ein Teil der Körnchen sich in Aether löste (Fett), ein anderer Teil in Kalilauge (Eiweiß), während der Rest von diesen beiden Reagentien nicht angegriflen würde. — Jedenfalls handelt es sich hier nicht um etwas Spezifisches für das Rückfallfieber, zumal nach ül)ereinstimmender Angabe von IIeydexreich und Guttmaxn die gleichen Gebilde auch in dem Blut bei anderen Krankheiten und sogar in dem Blute gesunder Menschen anzutreffen sind. Freilich will Albkecht die Entstehung von Spirochäten aus »Punktgebilden« direkt beobachtet haben. Züchtung' der Spirochäten außerhalb des Organismus ist bisher noch nicht gelungen. Nach den oben erwähnten Beobachtungen von Albreoht, Gerhardt und Lachmann sollte es scheinen, dass eine Ver- mehrung der ßecurrenserreger auch extravaskulär im Blute, welches den Kranken selbst entnommen ist, möglich sei, und dass sich hieraut ein Kulturverfahren aufbauen ließe. Dem Aviderspricht jedoch die Er- fahrung aller übrigen Forscher (wie Litten, Heydenreich, Moczut- KowsKY, Müllendorf, Pasternazki, Karlinski, Gtabritchewskyu.s.w.), welche spirochätenhaltiges Blut unter den verschiedenartigsten Bedin- gungen zu konservieren versucht halben und nicht nur keine Vermehrung der Spirochäten, sondern nur ein früheres oder späteres Zugruudegehen derselben konstatieren konnten. Als el)eusowenig zur Züchtung geeig- netes Substrat erwies sich das Blut von gesunden Menschen und Tieren oder von Menschen, Avelche an anderen akuten Infektionskrankheiten litten (Heydenreich, Moczutkoavsky). Auch alle Kulturversuche auf künstlichen Nährmedien haben bisher nur zu negativen Resultaten ge- führt, wie aus den Angaben von Weigert, Lebert, Heydenreich, Moczutkowsky, Karlinski u. a. hervorgeht. R. Koch soll es (nach brieflichen Mitteilungen desselben an F. Cohn und M. Rossbach) gelungen sein, in einigen Fällen die Recurrensspirochäten in ähnlicher Weise wie die Milzbrandbazillen zu züchten. Dieselben sollen in lange, vielfach gewundene, untereinander verschlungene und zu langen Zöpfen verflochtene Fäden ausgewachsen sein, welche jedoch stets ihre wellenförmige Schraubenform l)eibehielten. Als Grund für die auffallende Thatsache, dass Koch selbst nichts über eine so wichtige Entdeckung veröffentlicht hat, wird angegeben, dass damals die Epidemie zu Ende ging und ihm damit die Mög- lichkeit genommen war, zu abschließenden Ergebnissen zu gelangen. Der Vollständigkeit halber mögen hier die Züchtungsversuche von Afa- NASsnoFF erwähnt werden. Als Aussaatmaterial diente ihm nicht etwa spiro- chätenhaltiges Blut, sondern leinene oder baumwollene Fontanellen, welche Eiickfallfieber. 85 er den Eecnrrenskranken für 24 Stimdeu unter die Haut des Armes aseptisch einführte. Von 44 Versuchen waren nur 3 »mit gutem Erfolg« begleitet und zwar an zwei ältlichen und sehr erschöpften Individuen, welche auch im Blute während der Anfälle keine typischen Spirochäten aufwiesen. Auf allen üblichen Nährmedien gingen Kulturen an von Stäbchen, die wechselnde Länge besaßen, bald gerade, bald gekrümmt oder leicht geschlängelt waren, jeden- falls aber nicht, das Bild von Spirochäten darboten. Bei Kaninchen wirkten die Kulturen intravenös eingespritzt letal, aber subkutan oder intrastomachal beigebracht fiebererregend. Auch bei drei Menschen hatte die Einführung der Kulturen unter die Haut (einmal gleichzeitig in den Magen) Temperatur- erhöhung zur Folge. Im Blute der Versuchsobjekte fanden sich die oben- erwähnten Stäbchen wieder. Afanassieff hält die Spirochäten nicht für die einzige Wuchsform des Recurrenserregers. Die Uutersuchuug' der Spirocliäten in ung-efärbtem Zu- stande kann in verscliiedener Weise aiisgefiihrt werden, je nachdem es darauf ankommt, den Grad ihrer Beweglichkeit zu prüfen, oder nur ihr Vorhandensein in dem Präparat festzustellen. In ersterem Falle genügt es für kurzdauernde Bco1)achtungen, ein Tröpfchen Blut unter den üblichen Kautelen dem Ohrläppchen oder der Fingerkuppe des Patienten zu entnehmen, dasselbe zwischen Objektträger und Deckglas auszubreiten und sofort zu mikroskopieren. Die Anwesen- heit von Spirochäten verrät sicli oft schon bei schwächeren Vergröße- rungen dadurch, dass man hier und da die roten Blutkörperchen in stoßweiser Bewegung sieht. Sie werden von den zwischen ihnen umher- schwirrenden Spirochäten hin und her geschoben; jedoch ist diese causa movens selbst bei stärkeren Vergrößerungen nicht immer leicht zu er- kennen, zumal da, wo die Blutkörperchen dicht gelagert sind. Es empfiehlt sich daher, mehr auf die zellenärmeren Partieen einzustellen, obwohl auch hier, dank der ungemeinen Feinheit der Fäden und ihrem dem Blutserum nahestehenden Lichtbrechungsvermögen, die Auffindung derselben im Anfange noch immer Scliwierigkeiten bereiten kann. Sollen die ungefärbten Spirochäten längere Zeit hindurch beoljachtet werden, so ist die Aufbewahrung des Blutes in feinen horizontal gelagerten Glaskapillaren der im hängenden Tropfen vorzuziehen, da in dem letz- teren mit dem Erlahmen der Bewegung die Spirochäten in die Tiefe sinken und sich in dem Bodensatz der Beobachtung- . entziehen. Am günstigsten für derartige Untersuchungen ist es, wenn man sich etwas größere Blutmeugen durch Schröpfkopf oder Venenstich verschaffen und vor dem weiteren Gebrauch durch schnelles Defibrinieren von den störenden Bestandteilen befreien kann. Kommt es bei der Untersuchung ungefärbter Spirochäten nicht darauf an, deren Beweglichkeit festzustellen, so kann man sich die Arbeit dadurch erleichtern, dass man sie in einem Medium von stark abwei- chendem Lichtbrechungskoeffizienten betrachtet. Als ein solches Medium empfiehlt sich z, B. die MüLLERSche Flüssigkeit, welche Mamukowski auf den Bat Prof Kleixs in Moskau in der Weise angewandt hat, dass er einen Tropfen derselben auf die anzustechende Fingerkuppe that. Das hervortretende Blut mischt sich dann sofort mit der Flüssigkeit, und die in ihm vorhandenen zarten Formelemente werden augenblicklich fixiert. Die so angefertigten Präparate geben sehr deutliche Bilder der unbeweglichen Spirochäten. Außer der MüLLERschen Flüssigkeit hat Weigert schon bald nach der Entdeckung der OßERMEiERschen Spiro- 86 A. Wladimiroflf, diäten starke KochsalzlösuDg und besonders Ueberosmiumsüure als gute Konservierungsmittel für dieselben erkannt, dagegen vor der Anwendung von Alkohol gewarnt, weil dieser zur Bildung von Gerinnseln führt, welche die Fäden verdecken. Ein noch einfacheres Verfahren hat Lap- TSCHiNSKY vorgeschlagen, welches darin besteht, dass die Blutpräparate in dünner Schicht schnell getrocknet ohne weitere Bearbeitung unter- sucht werden. Obwohl in der That die trockenen Spirochäten sehr deutlich zu erkennen sind, so haftet diesem Verfahren doch der Nachteil an, dass nicht alle im Präparat vorhandenen Spirochäten zur Anschauung gelangen, sondern zum Teil von den eingedickten Blutkörperchen-, Fibrin- und Plasmamassen verdeckt werden. Diesem Uebelstande kann mau dadurch abhelfen, dass man nach dem Vorschlage Albkechts die lufttrockenen Ausstrichpräparate mehrmals mit Eisessig beträufelt, darauf in Wasser abspült und von neuem lufttrocken gemacht unter dem Mikro- skope betrachtet. Die Blutk(3rperchen und Fibrinmassen sind dann zer- stört und aufgelöst, und man sieht nur noch die Kerne und Körnchen der Leukocyten neben den um so deutlicher hervortretenden Spirochäten. Die Form der letzteren erscheint um so regelmäßiger, je schwächer ihre Beweglichkeit vor dem Eintrocknen war; in sehr lebhafter Bewegung- begriffene Spirochäten sehen nach dieser Behandlung geknickt uud unregelmäßig aus. Basiienoff rät die erste Trocknung durch Erhitzen auf 120° oder durch Flambieren zu vervollständigen, das Eisessigbad auf 15 — 20 Minuten auszudehnen und zur Nachspülung außer dem Wasser noch absoluten Alkohol zu verwenden. Die Färbung der Recurrens -Spirochäten gelingt mit allen in der bakteriologischen Technik üblichen Farbstoften, unter denen jedoch einzelne von den verschiedenen Forschern besonders empfohlen wurden. So giebt Heydexreicii einer Eösung von Fuchsin in schwachem (20proz.) Alkohol den Vorzug vor den blauen und violetten Anilinfarben, während wiederum Basiienoff die violetten Farbstofie Methylviol., Gentianaviol. und Magdalia Dahlia dem Fuchsin, Methylenblau und Bismarckbraun vorzieht uud insbesondere die intensive Färbung der Spirochäten und Leukocyteukerne mit Dahlia rühmt (1 Tropfen gesättigter alkoholischer Lösung auf 30 ccm Wasser, Färben entweder 5 Min. lang unter Er- wärmung bis zur Dampfbildung, oder, was noch bessere Präparate giebt, 2 — 3 Stunden in kalter Lösung, Spülen in AVasser). Die tinktorische Fähigkeit der Anilinfarben wird natürlich auch den Spirochäten gegen- über erhöht, wenn sie in den bekannten beizenden Lösungen wie Anilin- wassergentiauaviolett (Güxther), Anilinwasserfuchsin (Mamurowski), Karbolfuchsin (Tictin) u. s. w. angewandt werden. Ein sorgfältiges Fixieren der Ausstriche vor der Färl)ung z. B. durch ^'2proz. Osmium- säure, welche Soudakewitch benutzt, um die Spirochäten in den Blut- leukocyten zur Anschauung zu bringen, kommt ebenfalls der Deutlichkeit der mikroskopischen Bilder zu statten. Alle diese einziehen Färbemethoden geben jedoch keine vollständig befriedigenden Kesultate, weil dal)ei die Spirochäten nicht genügend von den übrigen IMutbestandteileu differenziert werden. Diesem Uebel- stande hilft das von Günther vorgeschlagene Verfahren ab, welches sich viele Anhänger verschafft hat und in folgendem besteht: die sorgfältig, am l)csten bei 75" im Thermostaten getrockneten Prä- parate werden 10 Sekunden laug mit 5})roz. Essigsäure benetzt, wodurch das Hämoglobin entfernt wird, so dass die roten Blutkörperchen sich nicht mehr färben; darauf wird die Säurelösung abgeblasen, und das an Riickfallfieber. 87 der Luft (nicht über der Flamme) getrocknete Gläschen zur Entfern nug der Säurereste mit der Präparatenseite nach unten mehrere Sekunden lang über eine eben umgeschUttelte Flasche mit starker Ammoniaklösung gehalten; nunmehr wird das Präparat mit der EuRLiCHScheu Anilin- wassergentianaviolettlösung behandelt, welche schon bei Zimmertem- peratur momentan die Spirochäten in maximaler Weise färbt; das Ab- spülen geschieht mit Wasser, das Einbetten in Xjlolbalsam. An Stelle der Essigsäure kann man sich nach Mace auch einer 0,5proz. Lösung von Zitronensäure bedienen. Nikiforoff hat das GüxTHERsche Ver- fahren insofern modifiziert, als er die lufttrockenen Präparate zum Zweck der Fixation und zur Homogenisierung des Eiweißes zunächst für Stunden oder Tage in al)Soluten Alkohol einlegt, oder, nm den Prozess zu be- schleunigen, in Alcoh. abs. mit einem Zusatz von Aeth. sulf. ; aus diesem Gemisch kommen die Präparate auf V-2 — 1 Minute in Iproz. Essigsäure, welche dann mit einem kräftigen Strahl von Spiritus oder Aether ent- fernt wird; darauf lindet die Färbung statt. Das Resultat ist, dass die roten Blutkörperchen fast forblos erscheinen, w^ähreud die lymphoideu Zellen ziemlich gut gefärbt sind (besonders die Kerne) und die Spiro- chäten sich als deutlich fingierte Linien vom hellen Untergrunde abheben. Eine Doppelfärbung des spirochätenhaltigen Blutes gelingt sehr wohl mit dem RoMAXOWSKYSchen Farbengemisch; so sind die unseren Photogramnieu zu Grunde liegenden Präparate nach Romanowsky ge- färbt. Man kann aber auch, wie Mamurowski es thut, die beiden Farb- stoffe getrennt anwenden, indem man die Präparate für mehrere Stunden in gesättigte alkoholische Eosinlösung einlegt und darauf 20—30 Minuten lang unter Erwärmen mit gesättigter wässeriger Methylenblaulösung nachfärbt. Li beiden Fällen erscheinen die Spirochäten intensiv blau, die Blutkörperchen blassrosa. Speziell zu dem Zweck, die Phagocytose im Blute bei Febr. recurrens zu studieren, hat Ivanoff folgendes Verfahren angewandt: Das Rouxsche Farbengemisch (1 proz. wässr. Lösung Dahlia 15,0, die gleiche Lösung Methylengrün 45,0, Foruialiu 10 Tropfen) wird 2 — 3mal verdünnt, zu 20—25 g der Verdünnung 2 — 4 g ZiEiiLsches Ivarbolfuchsin zugesetzt und mit diesem letzteren Gemisch werden die zuvor 1 — IV2 Stunden bei 110—120° getrockneten Präparate 2 — 3 Minuten lang über der Flamme gefärbt. Die Färbung der Spirochäten in Schnitten bietet gewisse Schwierigkeiten, und es sind mehrere Methoden vorgeschlagen, um diese zarten Gebilde möglichst deutlich in dem Gewebe der Organe zur An- schauung zu bringen. SouDAKEwaTCH empfiehlt, die Gew-ebsstücke in MüLLERScher Flüssigkeit und Alkohol zu härten, darauf die Schnitte zunächst mit Boraxkarmin vorzufärben und nach Orth (in einem Gemisch von 30 T. Wasser, 70 T. Alkohol und 1 T. Salzsäure) zu differen- zieren; nach Auswaschung in Wasser kommen dann die Schnitte auf 12 — 24 Stunden in ganz verdünntes Karbolmethylenblau (auf ein Uhr- glas Aq. destill, nur 3—4 Tropfen einer Lösung von Methylenblau in 5proz. Acid. carboL); nunmehr folgt schnelles Abspülen in mit Methylen- blau gefärbtem Alkohol von 95", Klären erst in ebenfalls gefärbtem, dann in ungefärbtem Anilinöl, endlich in Zederuöl und Einbettung. Nach Vorbehandlung mit Boraxkarmin, welches als Beize zu wirken scheint, sollen sich die Spirochäten intensiver färben, als ohne dieselbe. Ein anderes Verfahren ist von Nikiforoff ausgearbeitet: Zum Fixieren der kleinen, dünnen Gewebsstücke dient ein ex tempore zu bereitendes Gemisch von gleichen Teilen einer 5 proz. w^ässerigen Lösung Kali 88 ' A. Wladimiroff, bicliromici imd einer g-esättigteu Sublimatlüsuug in physiologischer Koch- salzlösung. In diesem Gemisch bleiben die Stückchen 24 Stunden bei Zimmertemperatur, worauf sie in der Wärme mit Alkohol von steigender Stärke (70-80, 85, 95") behandelt werden. Die Färbung der Schnitte geschieht wiederum in einer Mischung und zwar von 5 T. 1 proz. spirituöser Tropeolinlösung, 10 T. konzentrierter wässeriger Methyleu- blaulösung und 10 T. Wasser. Das Mischen erfolgt nnter UmschUtteln, worauf zu 25 ccm der so erhalteneu Flüssigkeit 2—5 Tropfen einer (1 : 1000) Aetzkalilösung zugesetzt werden ; den hierbei entstehenden krystallinischen Bodensatz kann man durch Filtrieren entfernen. In der Färbeflüssigkeit bleiben die Schnitte mehrere Stunden bei 36—40° C. oder 24 Stunden bei Zimmertemperatur, ohne dass eine Ueberfärbung eintritt; hierauf werden sie schnell in Wasser abgewaschen, dann 2 bis 3 mal in ein Gemisch von Alcohol absol. und Aether zu gleichen Teilen eingetaucht, ferner in Bergamottöl aufgehellt und endlich in Xylol über- tragen. Die Schnitte sehen blass-gräulich-blan ans; die Kerne und Spirochäten erscheinen intensiv blau, alles Uebrige blass-grünlich-gelb. Bei der Behandlung nach Gram entfärben sich die Spirochäten (KarliJs^ski). Saure Farblösungen nehmen sie nicht an (Günther). Die in der histologischen Technik zur Verwendung gelangenden Farben- reagentien sind für die Tinktion der Spirochäten unbrauchbar. Heydexreich hat Versuche gemacht mit Jod, Pikrinsäure, hypermangansanrem Kali, salpeter- sanrem Silber, Hämatoxylin, Indigo-Karmin- Ammoniak, Indigo-Karmin, Pur- puriu, Osmiumsäure (Y^pi'oz.) und Karmin, — hat aber durchweg unbrauch- bare Resultate erhalten. Verhalten der Spirochäten im Organismus. Die Spirochaete Obermeieri ist als exquisiter Blutparasit bei intakten Gefäßwandungen nur im zirkulierenden Blute oder in dem blutbereitenden Gewebe der Milz (resp. des Knochenmarkes) auzutreften, aber aucb hier nicht konstant während der ganzen Dauer der Krankheit. Das eigen- tümliche Verhalten der Spirochäten im infizierten Organismus beansprucht daher eine detaillierte Darstellung. Im Blute werden die Spirochäten erst mehrere Tage nach statt- gehabter Infektion nachweisbar. Es fragt sich, ob sie auch schon in der Zwischenzeit im Blute vorhanden, und nur wegen ihrer geringen Zahl nicht aufzufinden sind, oder aber ob sie in einem der inneren Organe, etwa in der Milz, sich vermehren bis sie dann plötzlich in bedeutender Menge in das zirkulierende Plasma eintreten. Da Organ- untersuchungen aus der Inkubationsperiode weder an Menschen noch an Versuchstieren vorliegen, so muss diese Frage zunächst unentschieden bleiben. Gemeinhin wird angegeben, dass die Kecurrensfäden erst mit dem Fieberparoxysmus im Blute erscheinen oder erst 8 — 14 Stunden (Moczutkowsky), ja sogar 1 — 3 Tage (Bltesener, LiTTen) nach dessen Beginn. Demgegenüber stellen die Beobachtungen von Heydexreicii, Duxix sowie Myschkowski fest, dass bei sorgfältiger Untersuchung die Spirochäten bereits viele Stunden vor der Temperatursteigerung in den Blutproben zu finden sind. Kurz vor Eintritt der Krisis, wenn auch nicht zu bestimmter Zeit, spätestens jedoch während des Schweißausbruches, schwinden die Eückfallfieber. 89 Spirocbäteu wieder vollständig- aus dem Kreislauf. Es ist dies die Regel, von welcher freilich einzelne Ausnahmen vorkommen können. Schon Obermeier fand Spirochäten im Blute am Tage nach der Krisis, einmal sogar am dritten Tage darnach; Bliesener sah sie in geringer Zahl einige Stunden nach Beginn der Krisis, als die Temperatur von 40,0 schon auf 36,1° getjxllen war; Birch-Hirschfeld konstatierte sie in einem Falle während der Apyrexie 2 Tage lang nach einem Relaps bei einer Körpertemperatur von 36 — 37°: Sassezki beobachtete bei biliösem Typhoid, dass nicht nur während des über 11 — 13 Tage dauernden Anfalles bedeutende Mengen von Spirochäten im Blute vorhanden waren, sondern auch noch 36 Stunden nach der Entfieberung; Myschkowski überzeugte sich zweimal von ihrer Anwesenheit im Blute am Morgen nach der Krisis, welche sich nachts zuvor abgespielt hatte; am bemerkens- wertesten ist endlich der von Naunyx mitgeteilte Fall, wo die Spiro- chäten nach stattgehabtem kritischem Temperaturabfall zwar spärlicher wurden, jedoch 14 Tage lang nicht vollständig aus dem Blute ver- schwanden. Wie gesagt handelt es sich hier um seltene Ausnahmen, sonst ist das Blut zwischen den Anfällen frei von Spirochäten. Um diese auffallende Thatsache des plötzlichen SpirochätenschAvundes am Ende des Parosysmus zu erklären, hat Heydexreich die schädigende Wir- kung der hohen, z. T. hyperpyretischen Temperaturen herangezogen, MoczuT- KOWSKY (1879) die Einclickung des Blutplasmas, Albrecht (1881) die An- häufung von giftigen Stofl'wechselprodukten des Krankheitserregers selbst, Metschnikoff (1887) die Thätigkeit der Milz-Phagocyten, R. Pfeiffer, Ga- eritchewsky (1896) die Entstehung baktericider Substanzen im Blut. [Eine genauere Würdigung dieser widerstreitenden Ansichten findet im Bande der Immunitätslehre dieses Werkes ihren Platz]. Auch das erneute Auftreten der Spirochäten vor oder mit Beginn jedes folgenden Anfalles ist in verschiedener Weise erklärt Avorden. Wie bereits weiter oben ausgefiüirt, ist ein Teil der Autoren geneigt die Existenz von Keimen anzunehmen, welche die Krisis überdauern und nach einiger Zeit die neue Spirochätengeneration entstehen lassen, Avährend von anderer Seite dieser unbewiesenen Annahme die Auffassung gegenübergestellt Avird, dass die Spiro- chäten als solche nicht völlig aus dem Organismus verscliAvinden , weun es zu weiteren Rückfällen kommt. Lebert hält es für wahrscheinHch, dass sie vom Aufall zum Rückfall im Blute fortbestehen, Metschnikoff (1896) ver- tritt dagegen den Standpunkt, dass die Milz derjenige Ort ist, avo sie sich bis zur nächsten Attacke lebend und virulent erhalten. Die Menge der Spirochäten im Blute ist Avähreiid des Anfalles beständigen und recht bedeutenden Schwankungen unterworfen, in welchen sich keine Gesetzmäßigkeit erkennen lässt. Weun Moczut- KOWsivY (1879) aus seinen Beobachtungen schließt, dass die im Beginne des Anfalles geringe Zahl der Spirochäten mit jedem folgenden Tage wächst, bis sie etwa 20 Stunden vor Eintritt des Schweißes ihr Maximum erreicht und dann schnell wieder abfällt, so ist er wohl in dem Wunsche zu schematisieren zu weit gegangen und befindet sich jedenfalls mit der Mehrzahl der übrigen Forscher in Widerspruch. Er selbst weist auf die Schwierigkeit exakter Mengenbestimmungen hin, die daraus erwächst, dass die Spirochäten nicht gleichmäßig im Blute verteilt sind: »mir ist es Aviederholt begegnet, in verschiedenen Blutproben desselben Kranken die verschiedensten Mengen zu beobachten. In einem Sehfelde gab es ihrer eine Menge, in anderen desselben Präparates kaum einzelne 90 A. Wladimiroff, Individuen. Ebenso bot das Blut, zu gleicher Zeit aus verschiedenen Stellen (der Haut des Kückens und der Schleimhaut der Nase) ent- nommen, mitunter die größten Unterschiede in Bezug- auf die Anzahl der Spirochäten.« Aus demselben Grunde ist auch die Behauptung MoczuTKOWSKYS mit Vorsicht aufzunehmen, dass die absolute Zahl der Spirochäten im dritten Anfall die größte ist. Heydenkeicii hatte, um den beständigen Wechsel des Spirochätengehaltes im Blut zu erklären, einerseits die unhaltbare Vermutung herangezogen, dass die Spirochäten jedesmal anfangen zu Grunde zu gehen, sobald die Temperatur eine gewisse Höhe erreicht, anderseits (wie es auch Albreciit thut) zur Annahme von Keimen gegriffen, aus denen während eines Anfalles zu verschiedenen Zeiten neue Generationen von Fäden hervorgehen sollen. GuTTMANN sowie Mysciikowski heben dagegen ausdrücklich hervor, dass sich keine bestimmte Beziehung zwischen der Menge der Spiro- chäten und der Höhe des Fiebers feststellen lässt, und im Grunde ge- nommen ist die Quautitätsfrage überhaupt von geringem Belang, da nach übereinstimmender Meinung aller Beobachter die Schwere der Anfälle von dem größeren oder geringeren Spirochätenreichtume des Blutes unabhängig ist. Was die Beweglichkeit der Spirochäten im Blute während der einzelnen Phasen des Anfalles betrifft, so scheint in dieser Beziehung in der That eine gewisse Gesetzmäßigkeit zu herrschen. Moczutkowsky (1879) drückt dieselbe folgendermaßen aus: »Am ersten Tage bewegen sich die Spirochäten langsamer; in den folgenden Tagen nimmt die Beweglichkeit mehr und mehr zu, um dann am letzten Tage des Anfalles wieder langsamer zu werden.« Mit dem Matterwerden der Bewegung treten auch jene unregelmäßigen Bewegungsformen und Verbiegungen der Fäden (Weigert, 1876) ein, welche wir weiter oben beschrieben haben. Einige Stunden vor der Krisis werden auch völlig unbewegliche Spirochäten (Exgel) angetroffen, die sogar ihre Windungen verlieren und sich zu fast ganz geraden Fäden ausstrecken können (Majii- ROWSKi 1894). Hier müssen wir nochmals der Anordnung der Spirochäten im Blute Erwähnung thun. Während sie gewöhnlich als einzelne freie Individuen zirkulieren, oder sich dank ihrer Spiralform zu zweien oder dreien aneinanderketten, kann es unter Umständen auch zur Bildung von Knäueln kommen, wie sie schon 1873 von Obermeier und Engel beschrieben worden sind. In diesen Verbänden sind die Fäden entweder wie die Zweige eines Baumes angeordnet, oder sie bilden regelmäßige Sterne, oder endlich Figuren, welche au ausgezupfte FilzstUckchen erinnern. Die freien Enden der Fäden sind in zuckender oder pendelnder Bewegung, die sich dem ganzen Knäuelgebilde mitteilen kann. Offenbar entstehen derartige Agglomerate nur dann im Blut, wenn dessen Zir- kulation verhmgsamt ist. So hat Heydenreich sie zweimal bei bili- ösem Typhoid beobachtet und zwar im Blute von Individuen mit schwachem, raschem Puls und kalten Gliedmaßen trotz hoher Temperatur in recto, und Moczutkowsky traf die Knäuel ausschließlich in Fällen an, welche mit Pneumonie oder Icterus kompliziert w^aren und sich durch bedeutende Kreislaufstörungen (Schwäche des Pulses, Cyanose) auszeichneten. Wenn man berücksichtigt, dass die Zahl der verfilzten Spirocliäteu eine sehr beträchtliche (00 und darüber) sein kann, und dass nicht selten auch rote und weiße Blutkörperchen in die Knäuel mit hineinverwickelt werden, so darf man der Vermutung Heydenreichs, ßückfallfieber. 91 dieselben trügen zur Entstellung- von Blutungen, Petechien u. dergl. bei, die Berechtigung jedenfalls nicht absprechen. Während die Mehrzahl der Forscher mit Metschnikoff (1887) darin über- einstimmt, dass »sämtliche Spirillen mit nur außerordentlich seltenen Aus- nahmen frei in der Blutflüssigkeit« schwimmen und Tictin (1897) sogar jegliche Phagocytose im Blute leugnet, behauptet Ivakoff bei Anwendung seiner Färbemethode in den Blutpräparaten von allen Recurrenskranken »ohne Ausnahme-, spirochätenhaltige Leukocyten gefunden zu haben. Das Leichenblut galt lauge Zeit für frei von Spirochäten, welche mit dem Tode des erkrankten Individuums aus dem Blute schwinden sollten, bis es Hütdenkeich gelang, dieselben 17 Stunden post mortem, freilich in bewegungslosem Zustande, in der art. und ven. lieuales sowie in der ven. basilica nachzuweisen. Meschede fand Spirochäten 24 Stun- den, GuTTMAXX 36 Stunden post mortem im Leichenblut, und Albkecht berichtet von 15 positiven Resultaten au Recurrensleichen, welche z. T. erst nach 40 Stunden zur Sektion gelangten. Der letztgenannte Autor spricht sich dahin aus: »dass in jeder Recurrensleiclie sich eine Masse Spirochäten finden, wenn der Tod auf der Höhe der Krankheit, vor Eintritt der Krise erfolgte. Sobald jedoch die Krise, der kritische Schweiß begonnen oder auch nur der Schüttelfrost gewesen, ehe Patient gestorben, so findet sich keine einzige resp. sehr wenige Spirochäten im Blute.« Wenn die Leichen weniger als 24 Stunden gelegen hatten, konnte Albrecht eine deutliche, wenn auch träge Bewegung an den Spirochäten erkennen. Aus späteren Zeiten erschienen sie alle be- wegungslos, wie tot, doch durch längeres Erwärmen des Präparates auf dem Objekttisch ließ sich ein Aufleben vieler Spirochäten hervorrufen. Nach dem Gesagten erscheint es selbstverständlich, dass in den Orgauen von Recurrenskranken, welche auf der Höhe des Anfalles gestorben sind, Spirochäten nachgewiesen w^erden können, und zwar nur innerhalb der Blutgefäße. Tritt aber der Tod ein, nachdem die Spirochäten aus dem Blute geschwunden sind, so sind auch die Organe frei von denselben. Nur die Milz nimmt in dieser Beziehung eine besondere Stellung ein, wie außerordentlich deutlich aus den Versuchen an Affen hervor- geht, welche nach stattgehabter Infektion in verschiedenen Perioden der Erkrankung getötet worden sind. Auf diese Weise hat Metschxikoff (1887) dargethan, dass im Beginne des Anfalls Spirochäten nur im Blute vorhanden sind, nicht aber in der Milz, dass dagegen in der vorkritischen Periode (ohne Spirochäten im Blut) sowie im Beginn der Apyrexie die Spirochäten sich ausschließlich in der Milz befinden, zum T'eil frei, zum Teil inglobiert von Mikrophagen. Als Soudakewitch einen Alfen am 2. Tage des Anfalls tötete, als dessen Körpertemperatur 40,6" betrug, fand er bei ihm die Spirochäten nur im Blut ; bei einem anderen Affen, welchen er am 3. Krankheitstage opferte, nachdem die Temperatur auf 37,8° abgesunken war, fand er die Spirochäten nur in der Milz, hier dafür aber in großer Menge. Nikiforoff konnte einmal auch bei der histo- logischen Untersuchung einer menschlichen Milz nachweisen, dass im Blute keine Spirochäten vorhanden waren, Avohl aber in den vergrößerten und nekrotisierten MALPiGHischen Körperchen, und zwar sowohl frei- liegend als auch in Mikrophagen eingeschlossen. In die Sekrete und Exkrete der Recurrenskranken gehen die Spirochäten nur unter ganz exceptionellen Bedingungen über, Avie aus 92 A. Wladimiroff, den Arbeiten von Exgel, Littex, Birch-Hirsciifeld, Heydexreich, MoczuTKOwsKY, Kaxxexberg, Tictix u. a. liervorgelit. Es sind in dieser Beziehung- untersucht worden: Harn, Düunclarminhalt, Faeces, Speichel (aus der Mundhöhle oder aus dem Duct. Stenonianus gesammelt), Bronchialschleim, Koujunktivalsekret, Schweiß, Inhalt von Hauthlasen (Sudamina, Erysipel, Kantharideublasen), Galle, Milch, Pleural- und Peri- kardialfiüssig-keit u. s. w. Alle diese Stoffe erwiesen sich frei von Spiro- chäten bis auf folgende wenige Ausnahmen. Bikch-Hirschfeld sowie Bedxiakowa & Kyxdowski wollen im Mundspeichel von Recurrens- patienten die OßERMEiEr^schen Spirochäten angetroffen haben; es bleibt jedoch mehr als zweifelhaft, ob es wirklich die Erreger des Eückfall- fiebers gewesen sind. In allen übrigen Fällen handelte es sich um Produkte, denen sich während des Fieberaufalles Blut aus geborstenen Gefäßen beigemischt hatte. Am prägnantesten ist in dieser Beziehung die Mitteilung von Littex, welcher bei fiebernden Recurrenskrankeu »in dem bei der Epistasis frisch entleerten Blute konstant« Spirochäten zu sehen bekommen hat. Ebenso klar liegt der Fall Kaxxexbergs, wo sie in einem mit Hämaturie verbundenen Falle im blutigen Harn vor- handen waren. Wenn Mozcutkowsky Spirochäten im Menstrualsekret fand, worin Littex sie nicht entdecken konnte, so mag dies seineu Grund darin haben, dass sie extravaskulär leicht zu Grunde gehen können, und ferner, dass das untersuchte Blut die Gefäße nicht genau während des Paroxysmus verlassen zu haben braucht. Der Uebergang der Spirochäten von der Mutter auf den Fötus kann offenbar auch nur zustande kommen, wenn eine Läsion der GefäßwanduDgen vorliegt, deun dass recurrenskranke Mütter gesunde Kinder zur Welt bringen, unterliegt keinem Zweifel (Litten). Drei Fälle intrauteriner Infektion sind von Albrecht (1880 und 1884) beschrieben. Das eine Mal handelte es sich um eine 7 monatliche Frucht, welche am dritten Tage des zweiten Anfalles der Mutter geboren worden war und 8 Tage gelel)t hatte ; im Herzblut des Kindes fanden sich bei der Sektion bedeutende Mengen von Spirochäten. Im zweiten Falle war die eben- falls 7 Monate alte Frucht am Ende der ersten Apyrexie der Mutter geboren und 76 Stunden am Leben geblieben; bei der nach 24 Stunden ausgeführten Sektion wurden Blutpräparate angefertigt, in denen noch nach 52 Stunden post mortem massenhaft Spirochäten nachzuweisen waren. Der dritte Fall betraf eine Frucht von 71/2 Monaten, am 17. Tage der zweiten Apyrexie von der Mutter geboren; bei der Sektion (18 Stunden nach der Geburt) wurden zwar keine Spirochäten gefunden, dafür aber eine stark vergrößerte Milz mit den für Rückfallfieber charakteristischen Veränderungen. Endlich verdient noch der Fall Erwähnung, in dem Sprrz bei einem 5 monatlichen Fötus Spirochäten in einem intrakrauiellen Bluterguss entdeckte. Hier hatte die gleiche Infektion bei Mutter und Frucht zu Gefäßzerreißungen geführt. Verhalten der Spirochäten aufserhalb des Organismus. Außcrlialb des Organismus gehen die Recurrens-Spirochätcn in kürzerer oder längerer Zeit zu Grunde. Obwohl die Möglichkeit ihrer Vermehrung unter künstlich geschaffeneu Bedingungen theoretisch nicht in Abrede gestellt werden kann, so sind doch alle bisher in dieser Beziehung ge- machten Mittheilungen mit größter Vorsicht aufzunehmen. Ebenso ist Rückfallfieber. 93 die Frage, ob die Spirocliacte Obermeieri frei in der uns umgebenden Natur vegetieren kauu, nach dem gegenwärtigen Staude unserer Kennt- nisse verneinend zu beantworten. Die Dauer der Lebensfähigkeit dieser Parasiten außerhalb des Organismus hängt nicht nur von der angewandten Konservieruugs- metliode ab, sondern auch von dem Zeitpunkt der Erkrankung, in wek'hem sie dem Patienten entnommen werden. Schon Engel machte die Beobachtung, dass die Eecurrensfäden ihre Eigeubewegung caeteris paribus desto länger bewahren, je näher zimi Anfange des Paroxysmus die Blutentnahme stattfindet, und umgekehrt um so kürzere Zeit, je näher zur Krisis die Blutprobe gewonnen wird. Diese Erscheinung wurde späterhin von Gabritchewsky (1896) zahlenmäßig bewiesen: in 11 Be- obachtungen an Spirochäten aus den ersten beiden Tagen des Anfalls betrug deren Lebensdauer im Präparat durchschnittlich 147 Stunden; in 6 Beobachtungen aus den nächsten Tagen bis zur Entfiel)erimg nur — 80 Stunden. Zum Teil aus der soeben nlitgeteilten Thatsache, zum Teil aber auch aus der verschiedenen Aufbewahrungsweise erklären sich wohl die recht abweichenden Angaben der einzelnen Autoren über die Fähigkeit der Spirochäten, im Blute resp. im Plasma oder Serum außerhalb des Körpers fortzuexistieren. Es seien hier als Beleg nur einige Zahlen angeführt, welche sich alle auf Beobachtungen in feinen geschlossenen Glasröhrchen bei Zimmertemperatur beziehen: unter diesen Bedingungen leben die Spirochäten nach Heydenkeich 21/2 — 14 Tage, nach Moczutkowsky bis 37 Tage, nach Müllendorf 8 — 10 Tage, nach Pasternazki 9 bis 14 Tage, nach Karlinski nicht über 7 Tage. Wir müssen gleich hier darauf aufmerksam machen, dass fast sämtliche Experimentatoren die Spirochäten von dem Momente an als abgestorben betrachten, da die- selben ihre Bewegungsfähigkeit einbüßen. Was die Einwirkung verschiedener Temperaturen auf die Lebensdauer der Spirochäten anbetrifft, so liegen hierüber die zahl- reichsten Versuche von selten Heydenreichs vor. Wir müssen uns darauf beschränken, nur die Minimal- und Maximalwerthe seiner ein- zelnen Versuchsgruppen anzuführen : Bei Zimmertemperaturen 15,5—22,0° leben die Spir. 2V2— 14 Tage » normalen Körpertemperaturen 37.0 — 38.0° » » » 15 — 21 Stunden » Fiebertemperaturen 39.5 — 41,7° » » » 4—123/4 » » hyperpyretischen Temperaturen 42.5—46,0° » » » 1^/4— 31/2 » » Temperaturen um 0° herum + 7.5 6,0° » » » 9 St.— 3 Tage y> Frosttemperaturen —10,5 18,0°» » » 8 Stunden Heydenreich selbst macht darauf aufmerksam, dass dem Absterben der Spirochäten bei den angegebenen hohen und noch mehr bei den niedrigen Temperaturen ein Zustand der Erstarrung vorausgeht, aus dem sie sich wieder erholen können, wenn sie rechtzeitig in mittlere Wärmegrade zuräckversetzt werden. Dieselbe Erfahrung hat auch Moczutkowsky für die Kälteeinwirkung bis —8° gemacht und knüpft daran die Be- merkimg, dass die Spirochäten in einem Blute, welches durch Gefrieren seiner Gerinnungsfähigkeit beraubt ist, unvergleichlich länger (wochen- lang) ihre Beweglichkeit behalten, als in defibriniertem Blute. Für die normale Körpertemperatur von 37" finden sich in den Tabellen Gabri- tchewskys (1896) höhere Werte, einmal sogar eine Lebensdauer von 118 Stunden. Bei noch stärkerer Erwärmung als bisher angegeben gehen die Spirochäten sehr schnell zu Grunde: bei 45" (Pasternazki) und 94 A. Wladimiroff, 48° (Moczutkowsky) in einer halben Stunde, bei 80° (Pasteexazki) schon in einer halben Minute. Die Beobachtuugen Littexs, wonach die Spirochäten sich bei 60° noch lebhaft bewegen, zwischen 60 und 65° schon langsamer und schwerfälliger werden, bis bei 65° augenblicklicher Stillstand eintritt, dürften auf fehlerhafter Versuchsanordnung beruhen. Die Einwirkung verschiedener chemischer Agentien auf die Eecurrensspirochäten ist von Obermeier, Engel, Weigert, Litten, Heydenreich, Moczutkowsky, Myschkowski, Gabritchew-sky u. a. studiert worden. Alle diese Untersuchungen haben einen nur sehr be- dingten Wert; denn einerseits leidet die Genauigkeit der quantitativen Bestimmungen darunter, dass man genötigt ist, die zu prüfenden Agentien mit einer organischen Flüssigkeit (Plasma, Serum) von wechselnder chemischer Zusammensetzung und sehwankendem Spirochätengehalt zu mischen; andererseits kann aber auch keine genügende qualitative Exaktheit erzielt werden, weil die Intensität der Wirkung dieses oder jenes Mittels an so unsicheren Faktoren, wie Beweglichkeit und Be- wegungsdauer der Spirochäten, bemessen werden muss. Bei den obwaltenden Schwierigkeiten wird die von Moczutkowsky ge- wählte Versuchsauorduuug noch am ehesten dem Minimum der zu stellenden Forderungen gerecht. Einem Teil des mit Hilfe von niederen Temperatur- graden seiner Gerinnungsfähigkeit beraubten Recurreusblutes wurde eine Lösung der zu prüfenden chemischen Substanz in bestimmtem Maßverhältnis beigemischt, ein zweiter Teil erhielt den quantitativ gleichen Zusatz nur des Lösungsmittels, ein dritter Teil des Blutes endlich blieb ohne jede Beifügung. Die gleichzeitige Untersuchung der drei Portionen gestattete einen relativ sicheren Schluss in Bezug auf die spirochätenwidrige Wirkung der gelösten Substanz, und außerdem bietet diese Methode — was Moczutkowsky freilich nicht erkannt hat — noch den Vorzug, dass hierbei die Bedeutung der ab- soluten Zahlen (der Bewegnngsdauer) in den Hintergrund tritt und Verhält- niszahlen gewonnen werden können, welche den Vergleich der Wirkung ver- schiedener Substanzen (unter Elimination des durch den Einfluss des Lösungs- mittels auf die Spirochäten bedingten Fehlers) ermöglichen. Als Beispiel möge einer der Versuche Moczutkowskys dienen: Zur Beobachtung werden drei Reihen von Röhrchen fertiggestellt. Die Röhrchen der Reibe »a« ent- halten ein Gemisch von 4 Volumteilen spirochätenhaltigeu Recurreusblutes und 1 Volumteil einer wässrigen l,Oproz. salzsauren Chininlösuug, diejenigen der Reihe »b« 4 Volumteile desselben Blutes und 1 Volumteil destillierten Wassers, endlich die Röhrchen »c« dasselbe Blut unvermischt. Die Spiro- chäten verHeren ihre Beweglichkeit in den Röhrchen der Reihe »a« nach 1 Stunde, der Reihe »b« nach 24 Stunden, der Reihe »c« nach 82 Stunden. Somit verkürzt ein Zusatz von 20^ Wasser die Bewegungsdauer der Spiro- chäten um mehr als Va ; oder, reziprok ausgedrückt, der Koeffizient ^2/2^ = 3,4 bezeichnet das jNIaß der schädlichen Wirkung des gegebenen Wasser- zusatzes. Diese Wirkung wird aber durch einen weiteren Zusatz von 0,2^ Chinin, muriat. noch um 24 ^ = 24 mal verstärkt. Nur der letzte Koeffizient 24 würde beim Vergleich verschiedener Substanzen, die in gleichen Wasser- meugen gelöst dem Blute beigemischt werden, in Betracht kommen. Leider haben weder ]Moczutk()wsky noch Heydexreich, Avelcher eine ähnliche Versuchsauordnung befolgte, derart exakte Berechnungen angestellt; erst Gabritchewsky hat dieselben gelegentlich seiner Untersuchung über die baktericide Wirkung gewisser Stoße auf die Recurreusspirochäten (worauf wir im Bande der Immunitätslehre eingehen werden) durchgeführt. Eiickfallfieber. 95 Indem verschiedeue Forscher den Einfluss cliemisclier Agentien auf die Eri-eg-ei- des Rückfallfiebers studierten, verfolgten sie im wesentlichen zwei Ziele. Einmal handelte es sich darum, Konservierungsmethoden für die Spirochäten zu finden, und anderseits sollte die Brauchbarkeit gewisser Medikamente geprüft werden. Die rein biologische Seite der Frage kam nur gelegentlich in Betracht. Eine genaue AYiedergabe aller erhaltenen Resultate glauben wir um so mehr unterlassen zu können, als ihr Wert aus den oben angeführten Gründen nur ein sehr bedingter ist, und beschränken uns auf eine summarische Mitteilung der Haupt- ergebnisse. Eine Flüssigkeit, in welcher die Spirochäten, wenn auch nicht pro- liferieren, so doch länger ihr Leben fristen könnten, als in dem sie ent- haltenden Blute, ist bisher nicht gefunden worden. Wasser, sowohl destilliertes als auch undestilliertes, schädigt die Spirochäten bereits, wenn es zu gleichen Teilen mit dem Blute gemischt wird (eine un- günstige Aenderung der osmotischen Verhältnisse im Plasma ist hier als Ursache wohl wahrscheinlicher als eine Wirkung per se). Unter den Neutral salzen scheint das kohlensaure Natron verhältnismäßig in- different zu sein in Lösungen unter 2^, während das Kochsalz schon in sogen, physiologischer Konzentration bewegungshemmend wirken kann. In Zuckerlösungen und in allen sogen. Nährlösungen gehen die Spirochäten früher zu Grunde als im Blut, und zwar soll dies um so schneller geschehen, je dicker die Konsistenz der Lösungen ist. Das gleiche gilt von Körperflüssigkeiten, wie Galle, Milch, Speichel, Schweiß u. s. w. Fast momentan sterben die Spirochäten in verdünnten (Iproz.) Lösimgen von Säuren und Alkalien ab, in letzteren werden sie zugleich aufgelöst. Glycerin beginnt seine Wirkung schon zu äußern, wenn mehr als Y^o Volumteil davon dem Blut beigemischt wird. Für den Alkohol liegt diese Grenze beim Zusatz von Vi 2 Volumteil eines 12proz. Alkohols; unter dem Einfluss von 60gräd. Alkoholdämpfen büßen die Recurrensfäden ihre Beweglichkeit schnell ein. Die Dämpfe des Chloroforms haben denselben Effekt. Von den bisher untersuchten üblichen Desinfizientien soll das hypermangansaure Kali relativ am schwächsten wirken, und zwar augenblicklich erst von 0,5^ an, während bei den übrigen (Karbol, Sublimat, schweflige Säure u. s. w.) die Wirkung unverzüglich eintritt. Die Versuche mit Medikamenten in vitro bieten insofern ein Interesse, als einige Autoren vermeinten, aus denselben Schlüsse für die Therapie des Rückfallfiebers ziehen zu dürfen. Es sind in dieser Be- ziehung geprüft worden: Chinin, Strychnin, Salicyl, Kairin, Kreosot, Arsen, Jodkali u. a. m. Obwohl alle diese Substanzen die Bewegung der Spirochäten in sehr verdünnten Lösungen zu sistieren imstande waren, so hat doch die Hoffnung auf eine entsprechende Wirkung in vivo, geschweige denn die Hoffnung, ein Specificum zu finden, sich auch nicht im mindesten erfüllt. Vom epidemiologischen Staudpunkte verdient noch erwähnt zu werden, d;isö in Gegenwart anderer Mikroben die Recurrensfäden sehr schnell zu Grunde gehen. Nicht nur die Versuche Gabritchewskys, welcher Spiro- chäten-Blut mit Reinkulturen von Streptokokken, Choleravibrionen, Pyocya- ueus mischte, sondern auch die Beobachtungen Heydenreichs u. a. über das Verhalten der Spirochäten in nicht sterilen Flüssigkeiten bestätigen diese Thatsache. Ob hierbei die Hauptrolle der Ungunst der Lebensbedingungen 96 A. Wladimirofif, im betveflfenden Substrat oder der Konkurrenz mit den fremden Mikroben zufällt, lässt sich zunächst nicht entscheiden. Bedeutsam in dieser Beziehung ist jedenfalls die von Kahlinski festgestellte Thatsache, dass die Koexistenz mit Malariaparasiten die Recurrensfäden in ihrer Wuchsform beeinträch- tigen kann. Das Absterben der Spirochäten außerhalb des Organismus, sei es in dem vom Krauken entnommenen Blute oder in anderen nicht direkt giftig wirkenden Medien, ist meist von folgenden Erscheinungen begleitet. Je nach den Temperaturverhältnissen bleibt die normale Be- weglichkeit mehr oder Aveniger lange erhalten; jedoch schon zu dieser Zeit kommt es zu Verlilzungen der Spirochäten, wie sie intravasulär nur bei starker Zirkulationsverlaugsamung oder an der Leiche gefunden werden. Zunächst treten kleinere Gruppen auf, in welchen sich nur wenige Individuen entweder unregelmäßig oder zw kleinen Sternen untereinander verschlungen haben; diese Anhäufungen wachsen zusehends, indem immer neue Fäden sich in dieselben hineinwinden, bis endlich große Knäuel entstehen, deren zentraler Teil kaum noch Detail erkennen lässt, Avährend die au den Rändern hervorragenden Spirochätenenden noch lebhafte drehende oder trägere pendelnde Bewegungen ausführen. Allmählich beginnt die Verlangsamung der Lokomotion, bei einzelnen Individuen früher, bei anderen später. Die Bewegungen werden immer schwerfälliger; die Verbiegungen prävalieren gegenüber der Rotation; die Pausen zwischen den Bewegungsphaseu nehmen an Dauer zu; bis endlich völliger Stillstand eintritt. Dann kann man sehen, wie die Spiral- windungen des Fadens erschlafi'en, größer werden und an Zahl ab- nehmen. Gleichzeitig erscheint die ganze Spirochäte dicker und weniger scharf kontouriert. Schließlich zerfällt das abgestorbene Individuum in Detritus oder löst sich spurlos im umgebenden Medium auf. Große Knäuel verschwinden in dieser Weise binnen kurzer Zeit, bisweilen unter den Augen des Beobachters. Eine K o n s e r v i e r u n g s m e t h o d e verdient besonders hervorgehoben zu werden, welche von Pasternazki (1890) entdeckt worden ist und darin besteht, dass man Blutegel sich am Recurrenspatienten auf der Höhe des Anfalles vollsaugen lässt. Der genannte Forscher fand, dass die Spirochäten im Blutegeldarm, bei Zimmertemperatur (16 — 17") auf- bewahrt, zwar nach 2 Tagen dicker und träger wurden, aber erst nach 4 Tagen die Bewegung einbüßten; im Thermostaten bei 27 — 30° C veränderten sie schon nach 2 Tagen ihre Form und zerfielen zu Körnchen; dagegen erhielten sie sich ihre Gestalt und Beweglichkeit 10 Tage hin- durch (längere Versuche lagen nicht vor), wenn die Blutegel auf Eis bei ca. 0° aufbewahrt wurden. Karlixski (1891) war, ohne von dieser Entdeckung Kenntnis zu haben, auf dasselbe Verfjxhreu gekommen und hat damit die Spirochäten bis zu 20 Tagen lebensfähig konservieren können. Die Blutegelmethode hat mehrere vorteilhafte Seiten. Erstens stellt sie eine bequeme Art der Blutentnahme dar, bei der obendrein die Notwendigkeit des Defibrinierens oder des Serumabsaugens fortfällt und das Blut sich dennoch in ungeronnenem Zustande erhält. Ferner gewährt das eigentümliche Verhalten der Blutegel gegen Kochsalz die Möglichkeit, ihnen von dem aufgenommenen Blute, soviel und so oft man will, wieder zu entziehen, indem man ein Salzkörnchen je nach dem ]3edarf längere oder kürzere Zeit auf ihr hinteres Körperende ein- wirken lässt. Es empfiehlt sich auch, sie vor dem Gebrauch durch Eückfallfieber. 97 Salzaufstreueu zur Eutleenmg" ihres etwa vorliancleneu Darminlialtes zu veranlassen. Endlich hat sich auch die Versendung- von Spirochäten in Blutegeln aus Recurrensgegenden in entfernt gelegene Laboratorien als durchaus praktisch erwiesen. Auf das Verhalten der Spirochäten im Darm hlutsaugender Insekten werden wir sogleich weiter unten zu sprechen kommen. Verbreitungsweise der Spirochäten. Ueber die Verbreitungsweise der Spirochaete Obermeieri sind unsere Kenntnisse noch sehr mangelhaft. Frei in der Natur ist sie bisher noch nie angetroften worden, und, wenn wir die Spirale als ihre einzige Wuchsform annehmen, so sind wir genötigt, sie zu den obligaten Para- siten zu zählen. Es fragt sich nunmehr, in welcher Weise ihre Uebertragung von Mensch zu Mensch stattfindet. Unter gewöhnlichen Verhältnissen ist nur das Blut in den Gefäßen von Recurrenskrauken während der Fieber- anfälle Träger der Infektion, wie bereits Münch (1874) durch Impfung am Menschen nachweisen konnte. MoczuTKOWSKY bestätigte (1876) diese Beobachtung. Sein Versuch bietet noch das besondere Interesse, dass das viele Spirochäten enthaltende Blut eines Mannes, welcher an biliösem Typhoid litt, auf einen gesunden Menschen übergeimpft wurde und letzterer nach siebentägiger Inkubation an gewöhnlicher typischer Recurrens erkrankte. Metschnikoff impfte sich zweimal (5. und 7. März 81) spirochätenhaltiges Blut unter die Haut und erkrankte am fünften Tage nach der letzten Impfung an typischer Recurrens mit 2 Anfällen, wobei sich viele Spirochäten im Blute fanden. Bashenoff (1892) zog sich eine unbeabsichtigte Selbstinfektiou zu, indem er sich den Finger durch ein frisch mit Recurrensblut bestrichenes Deckglas verletzte, ohne die Wunde zu des- infizieren. Nach 7 Tagen brach die Krankheit aus und verlief in 2 An- fällen, freilich mit nur wenig Spirochäten im Blut. Endlich bilden die weiter unten angeführten Experimente am Aflen einen unwiderleglichen Beweis für die Infektiosität des spirochätenhaltigen Blutes. Die übrigen Se- und Exkrete der Kranken sind, wie bereits oben ausgeführt, frei von Spirochäten und spielen offenbar keine Rolle bei der Weiterverbreitung der Infektion. Dass gelegentlich einmal Spirochäten mit dem Harn bei Hämaturie (Kannenberg), mit dem Menstrualsekret (Moczutkowsky) , mit dem Blute bei Epistaxis (Litten) ausgeschieden werden, Aviderspricht nicht der allge- meinen Regel, und derartige Fälle sind wohl auch zu selten, als dass ihnen eine ernstere ätiologische Bedeutung zuerkannt werden könnte. Was die Angaben von Bedniakowa & Ryndowski anbetrift't, welche im Speichel von Recurrenskranken sogar zur Zeit der Apyrexie Spirochäten gefunden haben wollen, so ermangeln dieselben des Identitätsbeweises. . Die Möglichkeit der Ansteckung durch Zwischenträger in Gestalt von blutsaugeuden Insekten ist durch Ticxix sehr wahrscheinlich ge- macht worden. Er untersuchte Läuse, die ihm aus einer notorisch als Infektionsherd dienenden Herberge geliefert worden waren, fand aber in denselben keine Spirochäten; Flöhe zu untersuchen hatte er keine Gelegenheit; dagegen konstatierte er in Wanzen, welche aus der Handbucli der ijathogenen Mikroorganismen. III. 7 98 A. Wladimiroff, Matratze you Recurreuspatieuteu wUlireud des Anfalls entnommen waren, die Anwesenheit von Spirochäten, was ihm indes nicht gelaug, wenn die Wanzen während der Apyrexie gesammelt wurden, oder aus dem Bett von nicht am Rückfalflieber leidenden Kranken stammten. In künstlich mit liccurrensblut gefütterten Wanzen konnte Tictix die Spiro- chäten noch nach 77 Stunden durch Färbung nachweisen, später, nach 103 Stunden, nicht mehr. Mit dem Inhalt von 8 Wanzen, welche sich soeben vollgesogeu hatten, wurde ein Affe infiziert und erkrankte nach 64 Stunden au Eecurreus. Ein anderer Affe, mit 6 Wanzen 48 Stunden nach dem Vollsaugen geimpft, blieb gesund, was nach Tictix möglicher- weise durch die zu geringe Menge von Impfmaterial zu erklären ist. Jedenfalls berechtigen diese Versuche, die Wanzen (vielleicht auch andere Schmarotzer) der Verbreitung des Rückfallfieber zu verdächtigen. Tictix nimmt hierbei zwei Infektionsmöglichkeiten an: erstens direkt durch den Biss der Tiere, welche in die frische Wunde die au ihnen haftenden und noch nicht ausgetrockneten Spirochäten einpflanzen; zweitens indirekt durch das Zerquetschen der Wanzen beim Kratzen und das Einimpfen ihres Inhaltes in die Kratzwunden. Die intrauterine Ansteckung des Fötus durch die Mutter ist nicht ausgeschlossen, wie die weiter oben beschriebenen Beobachtungen von Al- brecht und von Spitz beweisen, gehört jedenfalls aber zu den Ausnahmen. Uebertragbarkeit der Recurrensspirochäten auf Tiere. Soweit bisher bekannt ist, sind die Affen, und zwar die schmal- nasigen, die einzigen Tiere, welche mit Recurrensspirochäten infiziert werden können. Obermeier selbst hat sofort nach der Entdeckung der Spirochäten In- fektionsversuche mit denselben an Hunden, Kaninchen und Meerschwein- chen angestellt, indem er ihnen defibriniertes Blut von Recurrenskranken in die Venen transfuudierte. Obwohl bei den Tieren hiernach Temperaturer- höhung eintrat, einige von ihnen sogar nach 4 — 10 Stunden zu Grunde gingen, so mussten doch die Resultate als negativ betrachtet werden, da eine Ver- mehrung der Spirochäten im Blute nicht stattfand und überhaupt keine für Rückfallfieber charakteristischen Erscheinungen eintraten. Ebensowenig koimte Heydexreich bei einer kleinen Hündin, der er 1 ccm defibriniertes Blut von mäßigem Spirochätengehalt in die Vene eingespritzt hatte und welche darauf mehrere Tage lang fieberte, die Spirocliäten im Blute wiederfinden, obwohl er dasselbe im Verlauf zweier Wochen zweimal täglich untersuchte. Ein Esel, dem Karlinski 2 ccm Recurrensblut in die Ohrvene eingeführt hatte, zeigte vorüliergehende (6 St.) Mattigkeit uud Appetitlosigkeit aber keine Spirochäten im Blut. Zu den gleichen negativen Resultaten führten auch die Ansteckungsversuche von Carter an Mäusen, Kaninchen, Schafen, Schweinen, von Karlinski an Katzen, Hunden, Kaninchen, Mäusen, Füchsen, Tauben, Hühnern, allerlei Hausgeflügel und Raubvögeln, von Gabritchewsky an Pferden und Gänsen u. s. w. Nachstehendes Verzeichnis mag zur Orientierung darüber dienen, welche Affenarten bisher von den verschiedenen Forschern mit Erfolg zu Recurrens- studien verwendet worden sind. Sämtliche gehören der Familie der Schmal- nasen (Catarrhinae) au uud innerhalb dieser folgenden Sippen: Kiickfallfieber. 99 Schlankaffeu: Semnopithecus entellus (I.) Meerkatzen: Cercopithecus ruber s. pirrlionatus (I.) Cercopithecus griseoviridis (IL, VII.] Cercocebus fuligiuosus (III.) Makaken: Macacns nemestriuus (L, IL, V., VI., VII.) Macacns radiatus (I.) Macacus erythraens (IL, V.) Macacns rhesus (V., VI., VII.) Macacus javanus (VI.) Cynomolgus s. Zati siuicus (IV., VI.) Hundsköpfe: Cynopithecus aethiops (IV.) Cyuoceplialus [?] (V.) Die römischen Zifiern bezeichnen die Autoren: I. Carter-Koch, IL MeTSCHXIKOFF, III. SOUDAKEWITCH, IV. TlCTIN, V. GaBRITCHEWSKY , VI. IvAXOFF, VII. Bardach. Die Infektion der Affen gelingt »mit Leiclitigkeit und Sicherheit« (Koch) schon bei subkutaner Applikation durch spirochätenhaltiges Blut von Menschen oder bereits infizierten Affen, ebenso mit der Milz der letzteren, solange sie noch Spirochäten enthält (Bardach). Nach einer lukubationsperiode von 2 — 4 Tagen erkranken die Tiere unter heftigem Fieber, welches wie bei recurreuskranken Menschen in kritischer Weise abföllt. Die Dauer des Aufalls schwankt in den meisten Fällen zwischen IY2 und 4 Tagen, kann aber auch nur wenige Stunden (6 Stunden, Tictin) betragen. In der Regel schließt die durch Impfung bei Affen hervor- gerufene Erkrankung mit einem Paroxysmus ab, jedoch sind ausnahms- weise auch Eückfälle beobachtet worden, so einmal von Gabritchewsky nach 5 Tagen, ein anderes Mal von Bardach nach 6 Tagen. Während der Anfälle ist das Verhalten der Spirochäten im Blute der Affen voll- kommen analog demjenigen, welches bei recurreuskranken Menschen gefunden wird. (Ueber den Verlauf der Spirochäteuinfektion bei Affen, die zuvor der Milz beraubt worden sind, sowie über wiederholte Impfungen ist im Bd. III dieses Werkes Kap. XIII Nr. 19 nachzusehen.) Litteratur. Albrecht, R., St.-Petersb. med. Woch., 1878. 1879, 1880; Dtsch. Arch. f. klin. Med., Bd. 29, 1881; St.-Petersb. med. Woch,, 1884. Afanassiefp, S., Centralbl. f. Bakt., Abt. I, Bd. 25, 1899. Bardach, Ann. Pasteur, vol. 13, 1899. Bashenoff, Hospitalzeit. Botkins (russ.), 1892. Bedniakowa, W. & Ryndowski, f., Wratsch (russ.), 1880. Birch-Hirschfeld, Dtsch. Arch. f. klin. Med., Bd. 13, 1874; Schmidts med. Jahrb., Bd. 116, 1875. Bliesener, lieber Febris recurrens. Dissert. Berlin 1873. Brieger, Charite-Ann., Bd. 6, 1881. Carter. Dtsch. med. Woch., 1879; Medico-chirurg. Transact., II. Ser. Bd. 45, 1880. 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Einem genaueren Studium ist dieser Mikroorganismus, so- wie die durch ihn hervorgerufene Erkrankung, außer von seilen des Entdeckers, auch noch von Gabritchewsky und von Cantacuzene unter- zogen worden*). Das Kraiikheitsbild. Nach Sacharoffs Beschreibung tritt auf ge- wissen Stationen der transkaukasischen Bahn alle Sommer eine Krank- heit auf, welcher fast alle Gänse erliegen (von den erkrankten sterben bis an 80^). Die kranken Gänse hören auf zu fressen, verharren in sitzender Stellung und verfallen in absolute Apathie. Die Körper- temperatur steigt auf 42,5^43°. Einige haben Durchfälle und so em- pfindliche Fußgelenke, das sie bei der geringsten Berührung schreien. Der Tod tritt nach einer Woche oder auch später au Erschöpfung ein. Vom Anfang der Krankheit an finden sich Spirochäten im Blute, selbst wenn die Gaus noch gesund zu sein scheint; sie vermehren sich im Laufe der Krankheit bis zur Knäuelbildung und verschwinden vor Ein- tritt des Todes. Bei der Autopsie findet man starke Abmagerung, fettige Degeneration des Herzens und der Leber, auf letzterer gelbliche liirse- korngroße Knötchen von käsiger Konsistenz, die Milz weich und unter dem Fingerdruek zergehend. Mikroskopisch sind weder in den Organen noch auch im Blut Mikroorganismen zu entdecken. Ueberimpfung der vSpirochäten auf gesunde Gänse erzeugt immer (8 Fälle) die Krankheit, und zwar nach 4 — 5 (einmal auch nach 10) Tagen. Gabritchewsky hat die Krankheit, welche er Spirochäten-Septi- kämie nennt, an mehr als 70 Gänsen durch Impfung reproduziert (nur einmal hat die Infektion nicht augeschlagen). Er beol)aclitete eine In- kubationszeit von 1 Y2 — 3 , im Mittel 2 Tagen. Die Krankheit selbst dauerte 4—5, nur in den schwersten Fällen 7 — 9 Tage. Vom Anbeginn der Erkrankung hören di« Tiere auf zu fressen; die Temperatur steigt auf 42 — 42,5°; es beginnt Durchfall, welcher auch nach Ablauf der In- fektion fortdauert; die ganze Zeit über sind die Schenkel heiß, die Knochen und Gelenke auf Druck schmerzhaft; gegen Ende der Krank- heit werden die Gänse so schwach, dass sie sich nicht mehr auf den Beinen halten können. Die Temperatur steigt meist vor dem Auftreten der Spirochäten im Blut, erreicht ihr Maximum im Anfang der Krank- heit, sinkt dann allmählich ab, hebt sich aber wieder etwas zum Ende hin und bleibt oft erhöht auch nach dem Schwinden der Spirochäten aus dem Blut. Gewöhnlich überleben die Gänse den Fieberprozess und *) Bei dem bisweilen als Spirochäten- resp. Spirillenerkrankung citierten Eückfallfieber der Pferde, welches Steel in Indien beobachtet hat, handelt es sich offenbar um eine Infektion mit Trypanosomen , wie schon aus der Abbildung der Parasiten (S. 168 bei Steel) hervorgeht. 102 A. Wladimiroflf, gehen erst in den nächsten Tagen nach dem Spirochätenschwund zu Grunde. Rückfälle kommen nicht vor. Cantacuzexe bezeichnet die Krankheit als Spirillose der Gränse. Er infizierte erwachsene Gänse subkutan mit einigen Tropfen spirochäten- haltigen Blutes und sah die große französische Rasse nach einer Inku- bation von durchschnittlich 3 Tagen erkranken, die kleinere russische — nach 2 Tagen. Vom Erscheinen bis zum Schwinden der Spirochäten vergehen durchschnittlich 5 Tage. Alte Gänse sterben 24 — 48 Stunden nach dem Verschwinden, junge häufiger mit Spirochäten im Blute. Je näher zum Ende, desto mehr verlieren die Tiere die Fresslust, bekommen Durchfälle, werden traurig und sitzen in halbkomatösem Zustande bis zum Tode. Nur Yio übersteht die Krankheit. Der Temperaturanstieg beginnt 12 Stunden nach der Infektion und hebt sich allmählich um IV2 — 2° (42,5 — 43) bis zum Erscheinen der Spirochäten im Blut; der Abfall beginnt etwas bevor die Spirochätenzahl im Blut ihr Maximum erreicht hat und sinkt lytisch vor dem Tode bis auf 1 — 2° unter die Norm. Immer tritt Hyperleukocytose ein, welche dann am stärksten ist, wann sich die meisten Spirochäten im Blute finden, und gegen den Tod hin schwindet. Hat der Exitus letalis am Ende der Lvsis stattgefunden, so bestehen die pathologischen Veränderungen in Fettdegeneration der Leber, Vergrößerung der Milz, welche bisweilen von kleinen gelben Lymphomen durchsetzt ist, ferner mitunter Exsudat im Pericardium, Hyperämie des Peritoneums ohne Exsudat und Hyperämie der Nieren. In iiiorphologisclier Beziehung zeigt die Spirochaete anserina die weitgehendste Aehulichkeit mit der Spirochaete Obermeieri. Einen Unter- schied in der Dicke konstatieren zu Avolleu, ist Avohl kaum möglich; deshalb gehen auch die Angaben der Autoren hierin auseinander. Die Länge beträgt nach Gabritchbwsky 10—20«, ist also durchschnittlich geringer als die der Recurrensfäden, Zahl und Durchmesser der Schraubeu- windungen sind auch hier großen Schwankungen unterworfen. Sakharoff hält den Körper seiner Spirochäten für weniger elastisch. Die Menge der Spirochäten im Blut ist gewöhnlich eine so unge- heure fcf. unser Photogramm), wie sie bei Recurrens kaum vorkommt. Schon vom zweiten Kraukheitstage an verschlingen sich die Fäden zu kleineren Geflechten und einige Zeit vor ihrem Verschwinden aus dem Blute bilden sie sogar dicht verfilzte Knäuel von 40 — 80 /< im Durch- messer. Die Eigenbeweguug ist vollkommen analog der der Recurrens- spirochäten. Im Beginn der Krankheit, während die Zahl der Spiro- chäten noch gering ist, sind letztere wegen ihrer lebhaften Beweglich- keit nicht immer leicht zu erkennen. Es bleibt zwar die Beweglich- keit, Avie Cantacuzene ausdrücklich hervorhebt, immer und überall die gleiche, aber die Fäden werden mit dem Fortschreiten des Krankheits- prozesses, dank ihrer zunehmenden Menge, immer sichtbarer, besonders wenn es zur Bildung von Knäueln kommt, aus denen die in lebhafter Bewegung befindlichen Enden hervorragen. Sacharoff hat an ein- zelnen freien S])irochäten auch eine Lokomotion ohne Drehuug um die Längsaxe und bei völliger Unbeweglichkeit der einzelnen Winduugen beobachtet; er glaubt daraus auf die Existenz unsichtbarer Geißeln an den beiden Enden schließen zu müssen. Kulturversuche sind mit den Gänsespirochäten von ihrem Entdecker angestellt worden, aber ohne Erfolg geblieben. Mau kann die Spiro- Eückfallfieber. 103 cMten 2 — 3 Woclieu lang lebeusfitliig erbalten, wenn man Blut, in dem sie reichlich vorhanden sind, zu gewöhnlicher Bouillon im Verhältnis von 1 zu 20—30 hinzusetzt. Färbung. Bei der Anfertigung von Blutpräparaten mahnt Sakharoff zur Vorsicht, da die Spirochäten leicht mechanisch zerst(3rt werden können. Die Aufnahme der Farbstoffe geschieht etwas schwerer als bei den Recurrensspirochäten. Gtabritchewsky benutzt eine zur Hälfte mit Wasser verdünnte ZiEHLSche Lösung. Für die Bearbeitung der Ge- webe, welche Gänsespirochäten enthalten, hat Cantacuzene nach vielen Versuchen folgende Methode als die beste erkannt. Die Organe werden in sehr kleinen Stücken durch schwache FLEMxMiNGSche Lösung 24 Stun- den laug fixiert, darauf ebensolange in Wasser ausgewaschen und nach dem Durchführen durch eine Serie von Alkoholbädern und durch Xylol in Paraffin eingebettet. Die Schnitte von 3 — 4u Dicke kommen zur Färbung auf 24 Stauden in ein Gemisch von 2 Teilen ZiEHLScher Fuchsin- lösung und 1 Teil neutral. Glycerin; statt des Fuchsins kann auch Mage^tarot dienen. Die Farbe wird schnell mit Wasser abgespült und der Ueberschuss mit Fließpapier abgesogen, worauf die Schnitte durch eine Reihe von möglichst wasserfreien Aetherbädern passieren müssen (Badezeit 4 — 6 Stunden). Das Einbetten geschieht mit in Aether ge- löstem Balsam. In den Präparaten kommt eine gute Differenzierung der Spirochäten von den sie enthaltenden Zellelementen zustande. Yerlialten der Spirochäten im Organismns. Wie wir gesehen haben, stimmen die Angaben der drei Forscher über den Moment des Auftretens von Spirochäten im Blute der erkrankten Gänse nicht ül)er- ein. AVährend Sacharoff Spirochäten schon zu einer Zeit gefunden hat, als die Gänse noch gesund erschienen, sahen die beiden anderen Beobachter dem Erscheinen der Spirochäten im Blut eine bedeutende Temperatursteigerung vorausgehen. Das Schwinden der Spirochäten fällt nicht mit dem lytischen Abfall der Temperatur zusammen, sondern kann sowohl vor als nach demselben stattfinden. Ueber die rapide Vermeh- rung der Spirochäten im Blut ist bereits berichtet; Cantacuzene hat in frisch entnommenem Blute die Spirochäten in Teilung begriffen gesehen. Eine Phagocytose findet nach ihm im Blute nicht statt. In der lukubationsperiode, IV2 — 2 Tage nach der Infektion, mithin zu einer Zeit, da das periphere Blut noch frei von Spirochäten ist, fand Gabritciiewsky die Darmgefäße stark injiziert und das Peritoneum be- deckt von einer dünuen, klebrigen, schleimigen Schicht aus Mikro- und Makrophagen. Diese Erscheinungen sind nur als Ausdruck einer In- toxikation aufzufassen, da auch hier keine Spirochäten anzutreffen sind. Dagegen finden sich diese bereits in der Leber und Milz, welche zwar nicht merklich vergrößert, aber blutreicher erscheinen. In beiden ge- nannten Organen liegen zu Beginn der Krankheit, wie Cantacuzene ge- zeigt hat, alle Spirochäten noch frei, allmählich werden sie aber immer mehr von den mononukleären Makrophagen inglobiert (die polyuukleären Mikrophagen bleiben ganz unbeteiligt) bis zuletzt kaum noch freie Spiro- chäten vorhanden sind. Im Knochenmark gehen dieselben Prozesse vor sich, aber weniger energisch. Eine ebenso ungleichmäßige Verteilung der Spirochäten im Organis- mus ist auch nach deren Schwinden aus dem Blute des peripheren Kreislaufes zu verzeichnen. Sie sind dann nur noch im Knochenmark 104 A. Wladimiroff, Eückfallfieber. (Gabritchewsky), im Blut der Papillen im Inneren der Flügelfederu und in der Perikardialflüssigkeit (Cantacuzexe) anzutreffen. Uel)ertragbarkeit auf andere Tiere. Sacharoff hat sieb davon tiberzeugt, dass aueb Enten für die Spirocbaete anserina empfänglicb sind, aber die Krankbeit bei ibnen leicbter verläuft als bei Gänsen. Noch leichter wird sie von Hühnern überstanden und endet gewöhn- lich mit Genesung. Tauben und Sperlinge sind immun. Gabritchewskt benutzte zu Infektiousversuchen Affen (2 Exemplare), Frösche, weiße Mäuse, Meerschweinchen, Kaninchen, Pferd, Maulesel; keine der genannten Tierarten erwies sich als zugänglich für die Ansteckung mit Gänsespirocbäten. Ebenso verhält sich offenbar auch der Mensch, wie aus dem Kesultat einer unbeabsichtigten Selbstiufektiou des letzt- genannten Forschers hervorgeht, der sich eine blutige Verletzung mit einer große Mengen von Gänsespirochäten enthaltenden Glaspipette zu- zog. Cantacuzexe konnte die Angabe Sakharoffs bestätigen, dass erwachsene Hühner für die Spirocbaete anserina wenig empfänglich sind; dagegen fand er sehr junge Küchel im Alter von 1 — 4 Wochen sehr empfindlich, denn sie fallen ausnahmslos, wenn man ihnen einige Tropfen Spirochätenblut unter die Haut spritzt. Die Inkul)atiou dauert bei ihnen 1 — 4 Tage. Die Spirochäten vermehren sich nach ihrem Auf- treten im Blute rapid, und die Tiere fallen nach 24 Stunden mit einer kolossalen Masse von Spirochäten in den Getaßen. Bei der Sektion findet man starke Kongestion des Peritoneums ohne Exsudat, die Leber hyperämisch, im Pericardium reichliches klares Exsudat, die Milz sehr vergrößert, derb nach kurzer, weich nach langer Inkubatiousdauer. Im Blut erweist sich eine Verringerung der Zahl der Polynuklearen und eine Vermehrung der Lymphocyten. Frisch entnommenes Blut wimmelt von Spirochäten, welche isoliert sind, aber, im hängenden Tropfen auf- aufbewahrt, sich in Knäuel verwickeln, die darauf in Körnchen zer- fallen. Man findet im frischen Blut auch sich teilende Spirochäten. In der PerikardialflUssigkeit sind ebenfalls viele Spirochäten vorhanden, wenn auch weniger als im Blut, desgleichen zahlreiche im Knochenmark, hier sogar viele in Teilung begriffen, aber niemals im Inneren von Phago- cyten. Kolossal viel Spirochäten finden sich in der Milz frei und be- weglich, nur selten eingeschlossen in Makrophagen mit bläschenförmigem Kern aber ohne Vakuolenbildung und nur schwer färbbar. Die Leber enthält die Spirochäten nur in den Gefäßen. Litteratiir. Cantacuzene, Ann. Pasteur, Bd. 13, 1899. Gabritchewsky, G., Arch. russ. de Path., Bd. o, 1898; Centralbl. f. Bakt, I.Abt., Bd. 23, 1898. Sacharoff, Ann. Pasteur, Bd. 5, 1891. Steel, The veter. journ., vol. 22, 1886. III. Die Staphylokokken. Von Prof. M. Neisser und Dr. A. Lipstein iu Frankfurt a. M. in Frankfurt a. M. GescMchtliches. Die Geschichte der Eutdeckimg- der Staphjiokokkeu fällt zum großen Teil mit der Geschichte der Eiterung überhaupt zusammen (siehe z. B. Steinh AUS 205 imd Kurt Müller 150] . Es ist hier nicht beabsichtigt, dem viel verschlungeneu Pfade dieser Entwicklung nachzugehen, von den Eitervibrionen Webers über die Coccobacteria septica Billroths zu dem Microsporum septicum von Klebs^^^, Aber so viele klangvolle Namen auch mit diesem Gegenstand verknüpft sind, so waren es doch erst die berühmten Arbeiten von Eobert Koch aus dem Jahre 1878 und 1880, welche auch hier neue Wege wiesen. Bereits 1880 züchtete PasteurI^s jn flüssigen Nährböden aus Eiter diesen Coccus, 1882 zeigte Ogston^'^ das konstante Vorkommen dieses Coccus, welchen er Staphylococcus (Traubencoccus) nannte. Becker ^'^ gelang dann 1883 die erste Reinkultur mittels der KocHSchen Methode. Aber erst die ausführlichen Untersuchungen von J. Rosenbach i*3 jni Jahre 1884 sicherten dem Staphylococcus seine Bedeutung als Wund- iufektions- und Osteomyelitiserreger. F. Krause, Passet & Garre lehrten weiterhin neue Arten und neue Eigenschaften kennen. Historisch inter- essant ist der Staphylococcus ferner noch dadurch, dass 1888 Richet & Hericourt an Staphylokokkeuhuuden die so wichtige Entdeckung der Immunitätsübertragung durch das Serum von Immuutieren (passive Immunität) machten. Für die Erkenntnis der Staphylokokkeupathogenese war weiterhin die Entdeckung des Leukocidins durch v. d. Velde22i (1894) von großer Bedeutung. Als Protot}^p für alle Staphylokokkenarten gilt gewöhnlich der Staphylococcus pyogenes aureus, der deshalb auch in folgendem die Basis der Darstellung bilden soll. 'o Morphologie und Färbung. Im hängenden Tropfen, in dem er übrigens eine besonders starke Molekularbewegung zeigt, sowie in gewöhnlicher Weise getärbt, erscheint der Staph. pyog. aur. im allgemeinen als kugelförmiges Gebilde. Bei 106 M. Neisser & A. Lipstein, schwacheu Färbungen sieht mau indessen diese Kugelform sieh in 2 Halbkugeln auflösen (Lüm?Eirr i^s^ Bumm, y. Lixgelsheim i33)^ ^as man nach Heydexreich^33 auch mittels der GrEA:Mfärbung darstellen kann, wenn man dieser Färbung eine kurze Vorbehandlung mit V2 — 1 proz. Essigsäure vorangehen lässt. Die Größe der einzelneu Kokken beträgt nach vielen übereinstimmenden Messungen 0,7 — 0,9/<. Nur Kocher & TavelIi^ geben 0,5 — 1,0, t/, Macet^i bis 1,2 ,u au*). Mit Eecht betont v. Lixgelsheim die Bedeutung des Nährbodens für die Größe der einzelnen Kokken; so geben mehrere Autoren (im Gegen- satz zu Kodet) au, dass die einzelnen Kokken in alten Kulturen größer seien als in jungen. Nach CouRMOXT^i goll die Temperatur insofern von Einfluss auf die Größe sein, als Staphylokokken bei Temperaturen gezüchtet, welche nahe der zulässigen oberen Grenze liegen, eine erhebliche Größe an- nehmen. Nach Matzüschita ^3* nimmt die Größe der Kokken mit dem Kochsalzgehalt des Nährbodens zu, ebenso nimmt nach Eaoul-Desloxg- CHAMPS die Größe der Kokken zu, wenn die Reaktion des Nährmediums ungünstig, also leicht sauer oder stark alkalisch ist. Die basischen Auiliufarbeu nimmt der Staphylococcus leicht an, er färbt sich außer mit den gebräuchlichen Farben gut mit Bismarckbraun, Malachitgrün, Chrysoidin u. s. w. Auch mit einzelnen sauren Farbstoffen färbt sich der Staphylo- coccus, so z. B. mit Aurantia (konzentrierte wässerige Lösung), leidlich mit Methyleosin und mit gelblichem Eosin. Lübbert, dem diese An- gaben eutnommen sind, hat außerdem noch eine große Reihe Farben, so z. B. Karminfarben, geprüft und sie für untauglich befunden. Färberiseh interessant ist die Thatsache, dass auch mit Hämatoxylin (Lübbert, v. Lixgel.sheem , Pappexhebi) eine Staphylokokkenfärbung zu erzielen ist. Nach Gram gefärbt, behält der Staphylococcus die Violettfärbung und eignet sich dadurch gut zu Doppelfärbungen. Eiter- präparate werden deshalb zweckmäßiger, statt nur mit Methylenblau, mit Gram- und nachfolgender Eosin- oder Fuchsinfärbung behandelt. Für Schnitte eignet sich gut die Vorfärbung mit Pikrokarmin und Nach- färbung nach Gram, oder aber erst Gram danu Karmin. Besonders geeignet sind für Schnitte auch die Färbungen nach Kühne 123^ oder Weigert 133 oder Nicolle^^. Feinere morphologische Details hat Babes^'^ angegebeu, welcher in älteren, stark pigmentierten Kulturen Kugeln findet, welche etwas größer als die Kokken sind uud sich mit Methylenblau nicht intensiv blau, sondern metrachroniatisch sclnvach rötlich färben. Er meint, dass diese Gebilde pigmenthaltig seien und hält sie auf Grund dieser Eigenschaft, sowie ihrer Färbung wegen, für Analoga der Kapseln. Weitere morphologische Einzelheiten hat dann Nai\;anishi mittels seiner Methode der Vitalfärbuug ermittelt. Mit Hilfe des gefärbten Objektträgers findet er die Staphylokokken als feine, fast kreisrunde Ringelchen, deren Mehrzahl durch eine Linie in 2 gleiche Abschnitte zerlegt wird. Diese Ringelchen sind die Zellmembranen, welche bei der Zweiteilung nicht mehr kreisrund bleiben, sondern länglich werden. Außer dieser stark entwickelten Zellmembran ist eine eigentliche Schleim- *) Das Volumen hat v. Lixgelsheim i'^3 auf ViToonoonoo cmm berechnet. Das spezifische Gewicht wurde von Almquist vergleichsweise bestimmt und gleich dem der Heubazillensporen gefunden. Die Staphylokokken. 107 kapsel in der Regel nicht vorbanden und nur selten sieht man feine Öchleimfäden. (Ueber Mucinprodnktion siebe später.) Lässt man, vom Rande des Präparates her, 1 proz. Kalilauge zufügen, so erhält man bei 2- oder Stägigen Kulturen nach 5 — 15 Minuten folgendes Bild des »Kernes«. Er i^st klein, kreisrund und liegt in der Mitte der Zelle, bei der Teilung sieht man ihn nahe der Scheidewand. Fast nie finden sich 2 Kerne in einer Zelle, welche nicht durch eine Scheidewand getrennt wären. Außer diesen Elementen fand Nakaxishi noch spärlich Individuen, welche vollständig gefärbt waren, also keine Differenzierung von Mem- bran und Kern erkennen ließen. Da K. diese Gebilde bei der unvoll- ständigen Teilung des Cytoplasmas auftreten sah, so hält er sie für Zellen^ welche sich nicht mehr weiter zu teilen vermögen. Besondere Färbemethoden hat dann neuerdings Unna 21« angegeben. Unna suchte auf färberischem Wege Hülle und Protoplasma zu differen- zieren, um auf diesem Wege zu neuen Einteilungsprinzipien der Staphy- lokokken zu gelangen. Er meint, dass das Protoplasma innerhalb der Hülle Teilungsprozesse durchläuft, an denen die Hülle keinen Auteil nimmt. Je nachdem nun schließlich 1, 2, 3, 4 oder 5 Generationen dieser unvollkommenen Teilung entstehen (also 1, 2, 4, 8, 16 Produkte), unterscheidet er 5 ; Stufen <' (Monaden, Dyaden u. s. w.). Die Dyaden- form ist die häufigste, die Monadenform die seltenste. Unna hält nun — und das ist ein sehr wesentlicher Punkt, welcher erst durch sehr vielfältige Untersuchungen wird entschieden werden können — die Höhe der Stufe für jede Art für konstant, derart, dass z. B. ein 3 stufiger Staphylococcus immer nur in der 3. Stufeuform auftritt. Seine Farbe- metboden sind folgende: Methylenblau-, Tannin-, Orangemethode (die wichtigste). Damit färbt sich die Hülle gewöhnlich gelb, der Inhalt blau. Zur Ergänzung dieser Methode dient die Methylenblautanuin- plus Vesuvin- plus Essigmethode. Hiermit findet U. auch Einzelindividuen, die er ihrer Größe nach als Riesencoccus bezeichnet (siehe Babp:s?). Mit einem weiteren Farbgemisch, dessen Bestandteile das Säurefuchsin und Pikrinsäure sind, färbt U. die Hülle scharf rot, den Inhalt schwach gelb. Damit soll sich auch ein Urteil über die Dicke der Hülle ge- winnen lassen, welche U. zu 0,1 bis 0,25 ^t angiebt (?). Schließlich wendet U. noch die Osmierung als 4. Methode an und findet auch hier Unterschiede in seinen einzelnen Typen. Fetthaltig sind indessen auch die mit Osmium sich schwarz färbenden Kokken nicht, wie die Färbung mit Alkannin, Sudan III oder Scharlach R ergiebt. Die neuen Ein- teilungsprinzipien von Unna haben bisher weitere Anerkennung noch nicht "gefunden. Die im diesseitigen Institute durch Herrn Dr. LoEBf*) angestellten Nachuntersuchungen haben nur so viel gezeigt, dass es bei diesen kleinen, sehr schwierig zu beobachtenden Einzelheiten erst im Laufe langer Zeit möglich sein wird, sich über die von Unna ange- gebenen Gesetzmäßigkeiten zu vergewissern. Von weiteren morphologischen Untersuchungen sei die Arbeit von Saul erwähnt, welcher über Schnitte durch sehr alte Staphylococcus- albuskolonieen berichtet. *: Die mit diesem Zeichen i bezeichneten Versuche sind in der bakteriologisch- hygienischen Abteilung des Kgl. Instituts für experim. Therapie zu Frankfurt a. M. ausgeführt und anderweitig nicht publiziert. 108 ^I- Neisser & A. Lipstein, Die Staphylokokken findet man im Eiter gewöhnlich zu kleinen Haufen gelag-ert, von denen man kleinste von 2 und 3 Stück bis zu Haufen von 9 und 10 Stück findet. Natürlich findet man auch Diplo- kokken, und Tetradenformen, ja auch kurze Ketten. Es ist deshalb auf Grund des mikroskopischen Präparates nicht immer zu entscheiden, ob ein Eiter ausschließlich Staphylokokken enthält, oder ob etwa Staphylo- kokken und eine Diplokokkenart oder dergleichen vergesellschaftet sind. Manchmal ist es sogar aus dem Präparate schwierig zu erkennen, ob Streptokokken neben den Staphylokokken vorhanden sind. Den besten Aufschluss über die Staphylokokkennatur einer fraglichen Reinkultur ergiebt der hängende Tropfen einer Bouillonkultur. Allgemeine Waclistuinsbedingungen. Das Temperaturoptimum des Staphylococcus liegt bei 24—28°, aber es findet selbst bei 42 und 43" manchmal noch Wachstum statt (Rodet, Lübbert), und andererseits wächst der Staphylococcus manch- mal noch bei 8 imd 9° (Lübbert), nach Rodet sogar bei 6°. Auch wir haben einmal üppiges Wachstum von Staphylococcus auf einer abszesshaltigen Kanin chenniere bei Eisschranktemperatur (etw^a 9°) ge- sehen. Die Konzentration des Nährbodens ist von geringem Belang, da er in Nährgelatinen mit 42 — 48 % Rohrzucker und anderseits in Nähr- lösungen, welche weniger als \% gelöste Stoffe enthielten, gezüchtet werden konnte (Lübbert). Indessen wird eine derartige Konzentration der Nährstoffe, dass 60 % Trockensubstanz vorhanden sind, schlecht ver- tragen (W(JLF2:53). Der freie Sauerstoff ist für das Wachstum des Staphylococcus nicht unbedingt erforderlich, da er auch in Wasserstoffatmosphäre wächst. In Kohlensäure-, StickoxyduD^s und Leuchtgasatmosphäre (C. Fränkel) findet kein Wachstum statt. Bezüglich der Nährstoffe ist der Staphylococcus nicht so anspruchslos wie manche anderen Bakterien. Er gedeiht zwar nach Raoul Des- LONGCHAMPS in alkalischeu Dekokten von Malz oder Heu, aber in eiweißfreien Nährböden wächst er nur kümmerlich und erst nach längerer Anpassung, wie R. De.slongchamps für die UsciiiNSKYsche Nährlösung und C. Fränkel für seine ei weiß- und schwefelfreie Nährlösung au- gegeben. Seinen Stickstoffbedarf vermag der Staphylococcus nach den Lübbert- schen Versuchen weder aus Ammon- noch aus Cyansalzen, noch aus Nitraten oder dem Asparagin zu decken. Auch Harnstoff wird von ihm nicht zerlegt. Als einfachste Stickstoffquelle fand Lübbert das Kreatin und als einfachsten Nährboden folgende Zusammensetzung: Mg SO4 0,1 ^ K;, PO4 0,1 % Na Gl 0,1^ Kreatin 0,3 % Der Peptongehalt ist indifferent, da einerseits in i)eptonfreien Nähr- böden (Cacace), anderseits in Peptonwasser mit einem Gehalt von 20 X Pepton (R. Deslongciiamps) gutes Wachstum stattfand. An Aschen- bestandteilen ist wenig erforderlich, vorteilhafter scheinen die Natron- Die Staphylokokken. 109 salze als die Kalisalze zu sein (Lübbert). Der Kochsalzg-elialt des Nähr- bodens kann in weiten Grenzen schwanken, da Matzusciuta 1=*^ gleich- mäßiges Wachstum bei sehr verschiedenem Kochsalzgehalt (bis zu 10^) fjiud. Die Reaktion des Nährbodens kann in weiten Grenzen schwanken, eine schwach alkalische ist die günstigste. Aber selbst im schwach saurem Urin findet noch Wachstum statt (Lübbert). Als Optimum fand Deelemaxx auf Grund von Zählungen einen Zusatz von 0,78 ccm Normal- sodalösung, bezw. 0,68 ccm Normalnatronlauge zu 100 ccm einer auf den Lackmusneutralpunkt eingestellten Gelatine. M. Neisser & Wechsberg^^^ gaben für Züchtung in Bouillon (behufs Hämolysinproduktion) als Opti- mum eine Alkalität von Vs derjenigen Menge Normalnatron- und Nor- nialkalilauge (ää) au, welche zur völligen Neutralisierung für Phenol- phthalein nötig wäre. v. Lixgelsheim giebt als Optimum die Menge von 5 — 15 ccm Normallauge pro Liter an. Bei 50 ccm findet noch üppiges Wachstum, bei 250 bis 350 kein Wachstum mehr statt. Nach Lübbert kann der Sodagehalt des Nährbodens bis auf 1,6^ steigen und erst bei einem Sodagehalt von 1,78 % sistiert das Wachstum. Empfindlicher ist der Staphylococcus gegen Säure, da er schon bei einem Gehalte von 30 ccm Normalsäure i)ro Liter nicht mehr gedeiht (v. Lixgel.sheim). Bei Phosphorsäure kann der Gehalt bis auf 0,15 % steigen. Bei einem Ge- halt von 0,1 % Salpetersäure oder 0,11 % Essigsäure oder 0,23 % Milchsäure tritt Wachstumhemmung auf (Lübbert). Nach Mexge- Kröxig wachsen aber Staphylokokken, wenn auch kümmerlich, in einer 0,4 proz. Bouillonmilchsäurelösung, erst bei 0,5^ tritt Entwickeluugs- hemmung ein. Wachstum auf verschiedenen Nährböden. In Bouillon findet lebhaftes Wachstum statt. Nach Zählungen von Wixterberg sind in 1 ccm einer eintägigen Bouillonkultur 0,5 — 85 Mil- lionen lebender Keime. Die Bouillon wird vollständig getrübt, manch- mal bildet sich ein dünnes Häutchen auf der Oberfläche, stets nach längerem Wachstum ein reichlicher schleimiger Bodensatz. Die Bouillou- kulturen haben einen starken kleisterartigen Geruch. Durch längeres Zentrifugieren (bei 3500 Umdrehungen pro Minute) findet keine voll- ständige Klärung statt. Will man ältere Bouillonkulturen durch Kerzen filtrieren, so ist vorherige Entfernung des Bodensatzes durch Zentri- fugieren oder Papierfiltration ratsam. In Bouillon, welcher Kaninchen- blut zugesetzt ist, findet durch das Wachstum der Staphylokokken Hämo- lyse statt. In 2 proz. Traubenzuckerbouillon findet nach Kayser besseres Wachstum statt, aber die Virulenz dieser Kokken ist geringer und ebenso auch ihre Hämolysinproduktion. Auch in Peptonwasser findet gutes Wachstum statt. In Milch tritt nach 1 — 8 Tagen Gerinnung auf. In Serum imd Ascites findet gutes Wachstum statt, nur wächst der Staphylococcus darin gelegentlich agglutiniert. Gutes Wachstum fanden Mexge & Kröxig auch im menschlichen Fruchtwasser, auch in Galle und Speichel findet Wachstum statt (R. Desloxchajips). In alkalischem Urin wächst der Staphylococcus leidlich, in leicht sauerem schlecht. In Lackmusmolke wächst der Staphylococcus gut unter Produktion von Alkali ' •'o. 110 M. Neisser & A. Lipstein, Im Gelatinesticli findet Waclistimi im Verlaufe des g-auzen Stiches statt. Nach weuig-en Tagen beginnt die von oben nach nuten zu fort- schreitende sackförmige Verflüssigung. Auf der Gehitineplatte entstehen zuerst — manchmal erst im Ver- laufe des 2. Tages — kleine gelbe Punkte im Centrum einer Verflüssi- gungszone. Im ausgebildeten Zustande — also je nach Wachstumsbe- dingungen und Wachstumsenergie nach 24 — 60 Stunden — sieht man in der Gelatineplatte kreisrunde, flache Dellen mit scharfen, manchmal erhaben erseheinendem Eande mit völlig klarem Inhalt, in deren Mitte die stecknadelkopfgroße gelbe Kolonie liegt. Auf dem schrägen Agar entsteht innerhalb 24 Stunden ein saftiger, schmieriger gelber Belag, dessen Eandpartie häufig weißlichere Töne zeigt. Nicht selten wächst der Staphylococcus , zumal wenn er frisch aus Eiter oder Blut oder Tonsillenabstrich auf der Agaroberfläche heraus- gezüchtet wird, innerhalb des ersten Tages in Form kleiner grauer Kolo- nieen, ähnlich manchen Streptokokken; erst am 2. Tage zeigt er dann reichlicheres Wachstum und Pigment. Wenn auf solchen Platten neben- her Streptokokken vorhanden sind, so führt das gelegentlich zu Irr- tümern und unreinen Kulturen. Setzt man zu einem flüssigen Agarröhrchen bei 40" 5 Tropfen Ka- nincheublut (was zuerst Eijkman als Modifikation der BEUERixcKplatten angab), und impft man auf die Oberfläche dieser bluthaltigen Agarplatte den Staphylococcus, so sieht man nach eintägigem Wachstum bei 37° um den Impfstrich eine breite helle Zone (Hämolyse) auftreten. Gleich- zeitig reichlich zugesetztes antitoxisches Serum retardiert das Auftreten dieser Zone nach Dr. NöGGERATiif; ebenso sieht man auf Agarplatten, denen man gekochtes Serum zugesetzt hat (Dr. LoEBf), eine helle Zone als Ausdruck der Wirkung des proteolytischen Fermentes auf- treten. Diese blut- bezw. eiweißhaltigen Nährböden sind deshalb be- sonders geeignet, um gute Hämolysin- bezw. Proteolysinbildner auf Luft- absitzplatten oder aus von Tonsillenabstricheu u. s. w. herauszuzüchten. Auf Glycerinagar ist das Wachstum nicht besser als auf gewöhnlichem Agar. Auch der Zusatz von Traubenzucker zum Agar bietet keine Vorteile. Vergärung des Traubenzuckers in hoher Schicht findet nicht statt. Auf erstarrtem LöFFLERSchen Ptinderblutserum wächst der Staphy- lococcus gut und nimmt allmählich einen intensiven Farbenton an. Manche Stämme verflüssigen das Serum, wenn auch sehr allmählich. Auf reinem erstarrtem Serum findet gutes Wachstum und allmähliche Farbstoifbildung statt. Besonders gute Nährböden sollen die festen Milchuährböden nach M. Kaskix^s sein Auf den STEFFExschen Sputumnährböden soll gutes Wachstum statt- finden, während andererseits Göbbel schlechtes Wachstum auf nativem sterilem Bronchialschleim konstatiert. Auf Speicheldrüsenuährböden fand Mayeü recht gutes, auf Miicinuährböden schlechtes Wachstum, Auf Pankrcasnährböden (Kotlar) findet schlechtes Wachstum statt. Auf der Kartoffel findet gutes Wachstum und besonders gute Farb- stoffproduktion statt, ebenso auf Beisnährböden^*'. Die Staphylokokken. Hl Antagonismus und Symbiose. Garre fand in dem gewölinliclien Bac. fluorescens putidus einen Antagonisten des Staplivlococcus, welche Angabe von Leweck bestätigt wurde. Auch ein Darmbakterium wirkte schädlich auf den Staphylo- coceus. lieber die antagonistische Wirkung des Bac. fiuorescens lique- faeiens sind die Meinungen verschieden, indem Leweck durch sein Wachstum keine Wachstumshemmung des Staphylococcus eintreten s^ah, während Frau Lydia Olitzki sie sehr ausgesprochen fand. Möglicher- Aveise handelte es sich um artverschiedene Fluorescensstämme. lieber die Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung ist noch nicht viel Sicheres bekannt, man wird in erster Linie an Reaktionsveränderungen des Nährbodens denken müssen. In dieses Gebiet fällt auch der von Döderlein beschriebene Antagonismus der »Scheidenbazillen« und der Staphylokokken. Auch über Wachstumsbegünstigung einiger Bakterien durch das Staphylokokkenwachstum liegen Angaben vor. So bestätigt Meunier die Angaben Grassbergers, wonach zumal Influenzabazillen in Gemein- schaft mit dem Staphylococcus besser wachsen sollen; auch filtrierte Staphylokokkeukultureu sollen ebenso wenn auch schwächer wirken. Dasselbe bestätigte A. Cantaxi juu. In einigen Versuchen haben wir uns davon nicht überzeugen können.*) Auch im Tierkörper scheint eine gewisse Symbiose des Staphylo- coccus vorzukommen. Ich (N.) habe Avenigstens in großen, manchmal weit auseinander liegenden Versuchsreihen das Auftreten von Stall- seuchen (zumal Kaniuchenbrustseuche) bei Kaninchen, die mit Staphylo- kokken geimpft waren, beobachtet, während die anderen Kaninchen verschont blieben. lieber eine ähnliche Erfahrung berichtet Sghepi- lewski. Abtötung. 1. Auf physikalischem Wege. lieber die Abtötung durch Wärme liegen merkwürdig verschiedene Angaben vor. So berichtet Ficker z. B., dass er im allgemeinen bei 2 — 3 stündiger Einwirkung von 52— 53° Abtötung erzielte, und nur ein- mal auch nach 4 stündiger Einwirkung dieser Temperatur noch Wachs- tum erhielt. Nach Sternkerg genügen bei 62° 10 Minuten, bei 80° IV2 Minuten. Wir fandenf, dass für 5 Stämme eine inständige Er- wärmung auf 60°, für einen 6. Stamm eine ^/^ stündige Einwirkung dieser Temperatur zur Abtötung genügte. Bei 70" genügte die Ein- wirkungsdauer von 5 Minuten. (Eine 24 stündige Agarkultur wurde in 3 ccm Bouillon aufgeschwemmt und exponiert, Abimpfuug mehrerer Tropfen in frische Bouillon.) V. LixGELSHEiM erhielt bei ganz ähnlicher Versuchsanordnung wesent- lich andere Resultate. Seinen 3 Stämmen gegenüber genügte die ein- stündige Einwirkung von 60° niemals zur Abtötung. Ein Stamm wurde erst durch 10 Minuten lange Erwärmung auf 80°, der 2. durch ein- *) Ghon & Preyss, Centralbl. f. Bakt., Bd. 32, S. 90 konnte die Angaben von Cantani ebenfalls nicht bestätigen, fanden aber ebenfalls eine merkwürdige Wachstumsbegünstigung des Influenzabacillus durch lebende und tote Staphylo- kokken. 112 M. Neisser & A. Lipstein, stimdig-e Erwärmimg auf 70°, der 3. durch eine i^stUndige Einwirkung- dieser Temperatur abgetötet. Aus allen diesen widersprechenden Resultaten, deren sich aus der Litteratur noch manche andere anführen ließen, folgt, dass der Staphylo- coccus gelegentlich recht wärmeresistent ist. Lübbert hat zuerst die sehr verschiedene Wärmeresistenz des Staphylococcus studiert und ge- funden, dass die Art der angewendeten Objekte von großer Bedeutung ist. So erlagen im Wasser aufgeschwemmte Kokken schon der 1/2 stün- digen Einwirkung von 50°, während an Seidenfäden augetrocknete Kulturen noch eiustündige Erwärmung auf 60° vertrugen. Von Be- deutung für die Abtötung ist^* — außer der besonderen Resistenz des Stammes — einmal die Konzentration, ferner das Milieu (ob in Wasser, Gelatine, Eiter eingehüllt) und schließlich der Umstand, ob es sich um »nasse« oder »trockene« Kokken handelt. Eine halb- bis eiustündige Einwirkung von — 80° scheint aber den Staphylococcus unter allen Bedingungen abzutöten. Gegen niedrige Temperaturen sind die Staphylokokken unempfind- lich. Es ist bisher keine niedrige Temperatur bekannt, durch deren Einwirkung der Staphylococcus in kürzerer Zeit mit Sicherheit abgetötet werden könnte. Auch mehrfaches Einfrieren bei 30° und Auftauen blieb in unseren Versuchenf ohne Erfolg. Ein Einfluss des galvanischen Stromes ist nach Prochownik & Späth nur unter bestimmten Versuchsbedingungen dann nachweisbar, wenn an der Anode durch Elektrolyse Chlor zur Wirkung gelangt. Nach den Versuchen von Thiele & Wolf, die sich allerdings nicht gerade auf den Staphylococcus beziehen, darf man auch von dem Gleich- und Wechselstrom keine nennenswerte Beeinflussung des Sta- phylococcus erwarten. Ueber die Wirkung der Röntgenstrahlen liegen verschiedene An- gaben vor, indem Rieder ihnen einen Einfluss zuschrieb, während Beck & Schultz, sowie Wittlin ihnen jeden Einfluss — auch auf die Pig- mentbildung — ■ absprechen. Der wachstumhemmende Einfluss des direkten Sonnenlichtes ist von vielen Autoren angegeben worden, aber nach Raspe vermag auch direktes Sonnenlicht den Staphylococcus nicht abzutöten. Andere Autoren haben freilich bei 3 — 5 stündiger Einwirkung des Sonnenlichtes Abtötung gefunden. Gegen Eintrocknung ist der Staphylococcus besonders resistent. In Kulturen hält er sich, ohne dass man ihn zu übertragen braucht, Wochen- und monatelang. Aber auch au Seidenfäden oder au Leiu- wandläppchen angetrocknet kann mau ihn längere Zeit konservieren. So brauchte R. Deslongchamps 110 Tage, um den Staphylococcus auf Papier nur durch Trocknung zu töten (bei Zimmertemperatur, 90 Tage bei ]>rutschrauktemperatur). In den Versuchen von Kirstein blieben Staphylokokken, die an Seidenfäden und Leinwandläppchen angetrocknet waren, 31/2 — 5 — 6 Monate und länger lebensfähig auch bei Trocknung über Chlorcalcium. Nach Hegler bliel)en die Staphylokokken in Eiter, der auf Mullstücke nusgcbreitet wnr, 56—100 Tage lebensfähig. Nach M. Neisser i^'> ist der Staphylococcus im Staub von einem derartigen Trockenheitsgrade, wie er dem schwebenden Zimmerstaube entspricht, lebensfähig und damit übertragbar. Natürlich ist der Staphylococcus auch in Form feinster Tröpfchen (Flügge) verspritzbar und hält sich in solchen feinsten Tröpfchen 8 — ^10 Tage (Kirstein) lebendig, und in Die Staphylokokken. 113 Form feinster Stäubclien verstäubt, stirbt er erst nacli 28 Tagen ab (Kirstein). In experimentell beerdigten Tierleichen blieb der Staphylococciis nach den Versuchen von E. Klein noch nach 4 Wochen, nicht aber nach 6 und 8 Wochen nachweisbar. 2. Abtötung durch chemische Mittel. In destilliertem Wasser scheint der Staphylococcus verhältnismäßig lange, nämlich 20 — 25 Tage (Beaehm, Meade Bolton) lebend zu bleiben und auch im gewöhnlichen Wasser ist er ziemlich lange haltbar, ehe er von Saprophyten überwuchert wird (siehe Gotschltch im ersten Band dieses Werkes). Den gewöhnlichen Desinfizientien gegenüber verhält sich der Sta- phylococcus im allgemeinen, vielleicht seiner Hülle wegen ziemlich resistent. Xachdem man aber immer mehr eingesehen hat, dass die verschiedenen Stoffe den verschiedenen Bakterien gegenüber in un- gleicher Weise wirken, ist es vielleicht angezeigt, einzelne der sehr vielen Data herauszugreifen, um die Wirksamkeit einiger Desinficientia speziell gegenüber dem Staphylococcus zu zeigen. Auf Vollständigkeit kann diese Zusammenstellung natürlich bei der sehr großen Zahl der gerade mit dem Staphylococcus angestellten Desinfektionsversuche keinen Anspruch machen. Es lassen sich ferner absolute Zahlen bei dem Staphylococcus nur mit großer Reserve wiedergeben, weil es gerade beim Staphylococcus besonders auf die Herstellung der Objekte an- kommt, da auch hier die Konzentration der Staphylokokken, das Alter der verwendeten Kultur, das Milieu (ob eiweißhaltig, ob alkalisch u. s. w.) und besonders der Trockeuheitsgrad — ganz abgesehen von der speziellen Eesistenz des Stammes — von Wichtigkeit sind. Was speziell den Trockenheitsgrad betrifft, so scheint, dass an Fäden an- getrocknete Staphylokokken eine besonders starke Resistenz haben. Zu alledem machen die verschiedenen Einwirkungstemperaturen eine Ver- gleichung häufig unmöglich, so wurden z. B. die zahlreichen^ Lübbert- schen Versuche alle bei Zimmertemperatur angestellt. Alle diese Punkte sind bei der Beurteilung der folgenden Resultate zu berück- sichtigen. Durch Salzsäure wird der Staphylococcus nach Kabrhel bei einem Gehalte von 0,19^ in 50 Minuten abgetötet, aber nicht bei Gegenwart von Eiweißkörpern. Ueber die abtötende Wirkung einiger organischen Säuren giebt die Zusammenstellung der ABBOxschen Resultate durch Nuttal Aufschluss. Danach erscheint die Oxalsäure als die wirksamste. Nach Menge- Krönig ist verhältnismäßig gut wirksam die Milchsäure, welche 2proz. innerhalb 3 Stunden, Iproz. innerhalb 6 Stunden abtötete, und bei 0,5^ entwicklungshemmend wirkt. Ueber die Entwicklungshem- mung durch verschiedene Säuren berichtete Fermi. Die entwicklungshemmende Wirkung der Edelmetalle, schon von V. Behring konstatiert, wurde von Beyer ebenfalls gefunden. Thiele & Wolf gaben dann eine Erklärung für dieses Verhalten, dass sie mit elektrolytischen Vorgängen und dadurch bedingter Lösung der Metalle in Verbindung brachten. Von Metallsalzen interessiert zumal das Sublimat, das noch in sehr starken Verdünnungen entwicklungshemmend wirkt. Anders steht es Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. III. 8 114 M. Neisser & A. Lipsteiu, mit der abtötenden Kraft des Sublimats. Entgegen manchen An- gaben, dass eine 0,1 proz. Lösung in verhältuismäßig schneller Zeit wirke, stehen z. B. die Angabe von Haxel, der für an Granaten ange- trocknete Staphylokokken eine 10 Minuten lange Einwirkung von Ipromill. Sublimat benötigte, und die Angabe von Ottaviaxo, der zu- folge eine Ipromill. Lösung erst in 3—5 Stunden, und wenn es sich um Eiter handelt, in 13 — 16 Stunden abtötete. Selbst eine 2promill. Lösung bedurfte 2 — 3 stundiger Einwirkung. Erwärmung besserte das Resultat merklich. Diesen Angaben möchten wir uns bis zu einem ge- wissen Grade anschließen, denn der eine von uns (X.) besaß einen Stamm, der V2 stündige Einwirkung von Ipromill. Sublimat ertrug. Gerade für die Sublimatwirkung übrigens sind das Milieu und der Trockenheitsgrad von großer Bedeutung. Von anderen Quecksilbersalzen seien das Hydrarg. oxycyanat. Grouvelles (Quecksilberoxyd plus Queck- silbercyanid), sowie die entsprechenden Pastillen erwähnt, deren Des- infektionskraft VON Sicherer untersucht und für recht beträchtlich be- funden hat. Interessant ist ferner die relativ gute Wirkung der Rhodanate, über die A. Möller berichtet hat*), und ebenfalls bemerkenswert die starke entwicklungshemmende Kraft einiger seltener Erden, wie Cer (Ceroui- trat hemmt 1:1000), Didym und Lanthan, w^elche Drossbach näher studiert hat. Erwähnt werde weiterhin der Ozon, der in trockenem Zustande nach Raxsüme & Foulertox ohne merkliche Wirkung ist, und das Wasserstoftsuperoxyd, das in Yspi'oz. Lösung eine Stunde, in Iproz. Lösung V4 — V2 Stunde, und in 2 proz. Lösung 74 Stunde Einwirkungs- dauer bedurfte, um nach Traugo rr die an Fäden schwach angetrockneten Staphylokokken abzutöten. Nach 0. Müller tötete das 3 proz. Wasser- stoffsuperoxyd aufgeschwemmte oder an Seidenfäden angetrocknete Sta- phylokokken in 2 Minuten ab. Neuerdings hat Beck Untersuchungen über die desinfizierende Wirkung der Peroxole (Wasserstoffsuperoxyd plus Alkohol plus Menthol oder Thymol oder dergl.) veröffentlicht und bei diesen Desinfizientien besonders gute Wirkung auch gegenüber dem Staphylococcus gefunden. Aus der Fettreihe sei zunächst das Chloroform erwähnt, dass nach Lossex in Form von feuchten Chloroformdämpfen die angetrockneten Staphylokokken in 20 Minuten abtötete. Dass das Jodoform keine staphylocide Kraft besitzt, ist seit v. Behrings Arbeiten sichergestellt (s. z. B. Heyn et Rovsixg). Der Methylalkohol ist als ein recht gutes Desinfektionsmittel für den Staphylococcus zu bezeichnen. Aus den Arbeiten von Epstein, Miner- viNi, Bertarelli und zumal nach Salzwedel & Elsner ist der ab- solute Alkohol völlig unwirksam, so dass trockene Fäden noch nach achttägigem Aufenthalte in absolutem Alkohol keimfähig bleiben, aber der 50 proz. Alkohol tötet an Seidenfäden angetrocknete Staphylokokken in 10 Minuten (Epstein), und Salzwedel et Elsner halten den 55 proz. Alkohol (Gewichtsprozente) für fast so wirksam, wie Ipromill. Sublimat, für ebenso gut wie 3 proz. Karbolsäure und besser als Iproz. Lysol und Iproz. Liquor Cresol. sapon. und 4proz. Lysoform. Geringe AI- *) Nach Versuchen von Dr. LoEBf wächst der nahe verwandte St. qiiadri- geminus sehr gut in einer 0.2 proz. Rhodau-Ammonlüsuug und bildet darin sehr reichlich Ferment. Die Staphylokokken. 115 kalisierung- und Erwärmung- des Alkohols soll vorteilhaft sein. Ent- wicklungshemmend wirkt der Alkohol schon hei 7 Volumprozent*). Wie wichtig auch beim Alkohol die Versuchsanorduung ist, geht aus der Angabe von Bertarelli hervor, der bei öOproz. Alkohol mehr als 12 Stunden zur Abtötung für nötig fand. Der Spir. sapon. offic. wirkt nach Hanel wesentlich besser auf an- getrocknete Staphylokokken als Sublimat. Außer dem Sublimat und dem Alkohol ist die Karbolsäure ein gutes Desinfektionsmittel für Staphylokokken : sie tötet in 1 proz. Lösung frisch angetrocknete Staphylokokken in etwa 35 Minuten, ältere Proben in 10 — 15 Minuten ab. Die 3 proz. Karbolsäure tötete in den Versuchen von Traugott in 2 — •21/2 Minuten**). Der Formaldehyd in wässriger Lösung ist ein stark entwicklungs- hemmendes Mittel; in einer Verdünnung 1 : 5000 lässt er keine Ent- wicklung des Staphylococcus zu (0. Hess). Seine abtötende Kraft ist dagegen auffallend gering- (F. Blum), so dass eine Iproz. Lösung erst in 55 Minuten, eine Ipromill. Lösung erst in 24 Stunden abtötet; und selbst eine 5 proz. Lösung braucht 30 — 35 Minuten Einwirkungsdauer. Auch Formalinkompositionen, wie Saligenin und Eugenoform'^3 wirken nicht besser. Auf die starke desinfektorische Kraft mancher Anilinfarben machte zuerst EoB. Koch, dann v. Behring & Boer aufmerksam; 1888 hatte dann Beck die starke entwicklungshemmende Wirkung des Methyl- violetts auf Staphylokokken erwiesen und 1890 Penzold sowie Stil- LiNG Untersuchungen darüber mitgeteilt. Nach Stilling tötet Methyl- violett 1 : 10000 zwischen 5 und 15 Minuten, 1 : 25000 in 15 Minuten, 1:50000 die Staphylokokken in einer Stunde ab. Neuerdings wurde von V. Drigalski & Coxraüi gelegentlich ihrer Typhusnährböden wieder auf die desinfektorische Kraft des Krystallvioletts (welches ein reines Methylviolett ist) hingewiesen. Im Anschluss daran kürzlich von Herrn Dr. NöGGERATHf angestellte Versuche ergaben die Thatsache, dass 8 Staphylokokkenstämme durch Kry stallviolett 1 : 100000 sicher in ihrer Entwicklung gehemmt wurden, während 1:1000000 noch bei einigen dieser Stämme die Entwicklung hemmte. Der Leukobase dieses Farbstoffes kommt eine etwa KX) mal geringere Wirksamkeit zu f. Methylenblau und Safranin in 2promill. Lösung wurden von Eraud & HuGOUNENQ unwirksam befunden. Ferner sei noch die Nukleinsäure erwähnt, welche in Ipromill. Lösung nach H. Kossel abtötet. Von Interesse ist schließlich noch das Gly- kogen, das in 2proz. Lösung entwicklungshemmend wirkt und in 10 proz. Lösung innerhalb 6 Stunden abtötet 209. Die menschliche Galle besitzt übrigens gar keine staphylocide Kraft, da sich der Staphylococcus in den Versuchen von E. Fränkel & F. Krause etwa 20—40 Tage darin lebendig erhielt. Pyocyanase soll nach Harrison den Staphylococcus auflösen, was um so bemerkenswerter wäre, als eine Auflösung des Staphylococcus auf besondere Schwierigkeiten stößt und z. B. nach dem LusTiGSchen Verfahren nicht gelingt. *) Nach einer neuen Angabe von Wirgin (Zeitschr. f. Hyg., Bd. 40, 1902) be- dingen bei 37° schon 6X Alkohol Waehstumshemmung, bei 25° 8^. **) Als gutes und praktisches Desinfektionsmittel gegenüber Staphylokokken hat Elsner (D. med. Wochenschr., 1902, S. 513) neuerdings das Karbollysoform in 5 proz. Lösung empfohlen, ebenso eine Mischung von Trikresol u. Lysoform. 8* 116 M. Neisser & A. Lipstein, Die Desinfektion kliustlich mit Staphylokokken infizierter AYunden ist von mehreren Autoren versucht worden, aber gewöhnlich mit nega- tivem Erfolge (s. z. B. Fabris). Yorkommen. Auf der menschlichen Haut sind Staphylokokken fast regelmäßig zu finden, zumal wenn man abgeschabte Partikel untersucht; es prävalieren die weißen Arten, aber auch gelbe Arten sind nicht selten. Inwieweit es sich hierbei jedesmal um die typischen pyogenen Staphylokokken handelt, ist nicht immer zu entscheiden. Vielfach findet mau Arten, die sich schon durch das Fehlen der Gelatinase von den typischen pyo- genen unterscheiden. Auch durch die Nichtproduktion des Hämolysins unterscheiden sich manche. Während so M. Keisser c^ Wechsberg aus einer großen Zahl von Eiterproben stets hämolysinbildeude Arten fanden, züchtete F. PRÖsCHERf von der Haut von Patienten mit inneren Krankheiten unter 7 Befunden von Aureus nur einmal einen starken, einmal einen mittelstarken, einmal einen schwachen Hämolysin- bildner, während die 4 übrigen Aureusstämme keine Spur Hämolysin produzierten. Eine gewisse Hämolysiubildung scheint indessen auch manchen dieser Stämme zuzukommen f, welche aber nur erkannt wird, wenn man diese Stämme auf Kaninchenblutplatten, wie oben beschrieben, ausstreicht (primäre Hämolysine?). In die Kulturfiltrate geht aber nichts von diesem Hämolysin über. Entsprechend seinem häufigen Vorkommen auf der Haut ist der Staphylococcus auch in Wunden häufig zu finden (s. z. B. Schenk & Lichtexstern); sehr häufig findet man gelbe Staphylokokken an Haaren. Der Aureus ist weiterhin ein häufiger Bewohner der normalen Mundhöhle, und findet sich deshalb auch im Speichel. Er ist ferner häufig auf der normalen Conjunctiva (Römer) und häufig auf der nor- malen Lidhaut und dem Ciliarrande. In der normalen Nase (0. Neu- maxn) finden sich fast regelmäßig Albi, erheblich seltener Aurei. Auf der normalen Urethra des Mannes und des Weibes soll Albus und Aureus nicht selten sein (Menge-Krönig), aber schon im Scheidengrunde selten. Schenk & Alsterlitz fanden allerdings die normale weibliche Urethra fast ausnahmslos frei von pathogenen Keimen. Auch im normalen Darminhalt (s. z. B. Lembke) ist er gefunden worden. In der normalen Galle hingegen ist er, wie die Angaben von E. Fränkel & F. Krause gegenüber der Angabe von Letienne be- weisen, nicht vorhanden. Außerhalb des menschlichen Körpers findet er sich selten (Lübbert) in Boden-, häufig in Badewasser, sonst in Wässern nicht sehr oft. In der Luft ist er nicht selten (Ullmann), zumal in Operations- und Krankensälen (BinaghiJ, sowie besonders reichlich in der Luft von Ställen. Im Fabrikstaub haben ihn Arens, im Schulstaube Cacace, im trockenen und feuchten Straßenstaube Matzuschita oft gefunden. Sicherlich ist auch bei diesen Staphylokokkenbefunden mancher gelbe Staphylococcus als der typische Aureus angesprochen worden, der von ihm verschieden ist. Denn es kommen auch in der Luft jene Aurei vor, die sich schon durch das Fehlen jedes Hämolysins im Filtrat vom typischen pyogenes unterscheiden (M. Neisser & Wechsberg). Aber trotz- dem muss man, zumal nach den Untersuchungen von Concornotti, au- Die Staphylokokken. 117 nehmen, dass auch der typische pyogeue Aureus und Albus in der Luft nicht selten zu linden sind. Von Nahrungsmitteln, in denen der Stapbylococcus gefunden worden ist, sei außer der Milch ein »giftiger Knetkäse« erwähnt, nach dessen Verfütterung auch bei Kaninchen Durchfall auftrat (Axel Holst). Lebensäufserungen. Der Stapbylococcus nimmt Sauerstoff auf und scheidet Kohlensäure aus, in gewöhnlicher Bouillon (Stagnitta-Balisteri), zumal aber nach Zugabe von Schwefel (Rubner), produziert er Schwefelwasserstoff, den man durch Bleipapier direkt nachweisen kann (siehe auch z. B. Morris). Ferner produziert er nach Lübbert Ammoniak. Seine reduzierende Thätigkeit ist beträchtlich: so vermag er Nitrate zu Nitriten zu redu- zieren (Eubner). Diese reduzierende Wirksamkeit ist leicht an allerhand Farbstoffen zu zeigen, z. B. mit Methylenblau (F. Müller). Nach Ver- suchen von Dr. NöGGERATUf wird bei Anwendung der Methode von M. Nelsser & Wechsberg 1^8 auch das Bordeauxrot (ein saurer Farb- stoff) vom Stapbylococcus reduziert und farblos. Eiweiß verwandelt er durch sein peptisches Ferment in Pepton, ebenso Leim. Näheres darüber ist in dem Abschnitt Ferment zu finden. Die Bouillon wird schon nach wenigen Tagen alkalischer, ebenso Lackmusmolke (Petrusctiky). Zu Titrierungen eignet sich als Indicator am besten Rosolsäure, oder auch Phenolphthalein. Kauemann brauchte so für 10 ccm 14tägige Bouillonkiiltur 1,0 "/lo Schwefelsäure, bezw. 1,8 7,0 Schwefelsäure, während das sterile KontrollriJhrchen 0,4 "/lo Schwefelsäure bedurfte. Laitinen übersättigte mit "/lo Säure und titrierte mit "/jo NAOH zurück und fand Zunahme der Alkalität von 10 (Kontrolle) auf 16 (4. Tag) bis 28 (24. Tag). Bei reichlichem Vorhandensein von Kohlehydraten (Milch- zucker, Rohrzucker, Traubenzucker) entstehen Milchsäure, Buttersäure, sowie Spuren von Ameisensäure. Die Säurebildung bei reichlicher An- wesenheit von Kohlehydraten kann so stark sein, dass nach Smith bei Gehalt von \% Milchzucker nach 12—14 Tagen durch die gebildete Säure das Absterben des Stapbylococcus erfolgt. Invertierung des Rohr- zuckers findet nicht statt. Aus Amylum, Glykogen und Agar werden saure Produkte erst nach Monaten und auch dann nur spurweise ge- bildet (Lübbert). Ueber die Produktion einer Mucinsubstanz durch den Stapbylococcus berichteten Charrin et Desgraz (vergleiche dazu die morphologischen Befunde von Nakanishi). Ueber die (sonst nicht beobachtete) Umwandlung des Zuckers in Alkohol, die nach sehr langer Züchtung in peptonhaltigen Nährböden aufgetreten sein soll, liegen An- gaben von HuGOUNENQ & DoYON vor; diese Umwandlung soll bei an- aeroben Bedingungen um das 8 fache vermehrt gewesen sein. Ueber das Fettzersetzungsvermögen des Stapbylococcus wird Ver- schiedenes berichtet. Während nach der älteren Angabe von Lübbert Fett vom Staphylococcus nicht zersetzt wird, berichtet Eijkmann über Fettverseifung, die er mit Hilfe seiner einfachen, aber feineren Methode (Modifikation der BEUERLXCK-Platte) beobachtet hat. Erwähnt werde schließlich noch die Angabe von Crisafulli, welcher Zersetzung der Hippursäure durch den Staphylococcas fand. 118 M. Neisser & A. Lipstein. Farbstoff bildung. Die Farl)stoffbildimg des Stapliylococcus findet nacli Beck & Schultz in jedem monocliromatisclien Liclite statt. Bei direkter Sonneubeliclitimg unterbleibt die Farbstoiifstotiproduktion, die dauernde Dunkelheit schädigt nach Angabe derselben Autoren die Farbstoffentsteliuug, so dass das difiuse Tageslicht die günstigste Bedingung darstellt. Auch Gaillahd-^' fand Beeinträclitigung der Pigmentbildung durch das direkte Licht. Die Wahl des Nährbodens ist verhältnismäßig belanglos; die beste Farbstort- produktion findet auf Kartotfeln oder Reismehlnährböden (Migula) statt. Von ausschlaggebender Bedeutung ist aber das Vorhandensein von freiem Sauerstoff", da unter Sauerstofi"abschluss kein Farbstoff gebildet wird, während andererseits in reiner Sauerstoffatmosphäre eine be- sonders reichliche Farbstoffproduktion stattfindet. Die günstigste Tem- peratur für die Pigmentbildung ist nach Wurtz 20 — 22°. Durch Zusatz von Autipyriu zum Nährboden (R. Deslongschamps) vermag man die Pigmentbildung zu unterdrücken. Der Staphylococcus gehört zu den chromoparen Bakterien (Beijerixck), also zu denjenigen Farbstoffbildnern, welche das Pigment als nutzloses Exkret ausscheiden. Es sammelt sich, dentritisch-krystalliuisch angeordnet, zwischen den Bakterieuzellen an und diffundiert, weil in Wasser unlöslich, nicht in den Nährboden. Der Farbstoff" gehört nach Zopf zu den Lipochromen, d. h. zu jenen fettähnlichen Farbstoffen, welche auf Papier Fettflecke machen, welche mit konzentrierter Schwefelsäure die Lipocyaninreaktion geben (der gelbe Farbstoff wird in blaue Krystalle verwandelt), welche die Acroleinreaktion geben und welche verseifbar sind (siehe Migula, Flügge, Lafar). Der Farbstoff ist nach den Untersuchungen von Schneider "3 leicht löslich in Alkohol, Aether, Schwefelkohlenstoff, Benzol, Chloroform, unlöslich in Wasser. Die goldgelbe Lösung wird durch Schwefelsäure, Salzsäure und Essigsäure nicht verändert, wohl aber durch Salpetersäure, mit welcher überschichtet die Lösung des Farbstoffes einen grünblauen Ring giebt. Bei der Spektraluntersuchung wurden bei F und zwischen F und G Absorptionstreifen gefunden, welche Angabe aber von Schneider ^'^ nicht bestätigt werden konnte. Der Farbstoff" wird am besten extrahiert, indem man die getrocknete (und gepulverte, v. Lingelsheim^s^j Kokkenmasse mit Eisessig in der Hitze behandelt und nachher mit Chloroform oder Aether ausschüttelt. Die Fermente. Die tryptische Eigenschaft des Staphylococcus wurde zuerst von Rosenbach festgestellt, weiterhin zumal von Claudio Permi studiert, der auch zuerst durch seine Thymolgelatinemethode ein quantitatives Arbeiten ermöglichte. Von der leimlösenden Eigenschaft des lebenden und wach- senden Staphylococcus überzeugt man sich leicht durch die Liipfuug auf Gelatine, während es schon schwieriger ist, die eiweißlöseude Wirkung des Staphylococcus zu konstatieren. Auf erstarrtem Löffler- serum tritt allerdinii-s bei einigen Stämmen allmählich eine ganz leichte Verdauung ein; viel leichter aber gelingt der Nachweis mit Hilfe der modifizierten BEUERiNCKplatten, indem man Serum dem flüssigen Agar zusetzt, dann aufkocht und auf dieser Platte nach der Erstarrung den Die Staphylokokken. 119 Stapliylococcus ausstreicht (Dr. LoEßf]. Man sielit dann nach eintägigem Wachstum bereits eine deutliche helle Zone um den Impfstrich. Setzt mau dem Agar statt Serumeiweiß Milch zu (Eijkmann^'^), so kaun man leicht nachweisen, dass auch Milcheiweiß verdaut wird. Bei einigen verwandten Arten sieht man zunächst dem Impfstriche eine helle Zone und peripher davon eine dunklere Zone auftreten (Dr. LoEßf), als Aus- druck dafür, dass außer der Kasease noch ein Labferment besteht, welches Aveiter dittundiert oder reichlicher vorhanden ist. lieber Fibrinlösuug durch den Staphylococcus liegen wenig sichere Angaben vor; Eietsch will mit gefällten Kulturen Fibrinolyse er- zielt haben. Durch die Einwirkung- der lebenden Staphylokokken auf Leim oder Eiweiß in wässeriger Lösung entstehen Protogelatoseu , Deutero- gelatosen und Spuren von Gelatiuepepton, bezw. Protoalbumosen , Deu- teroalbumosen und Spuren von Pepton (CacaceS"), außerdem Ammoniak. Eine weitergehende Zerlegung des Eiweißmoleküls als bis zum Pepton findet nach Lübbert nicht statt, während Emmerlixg bei Eiereiweiß- zersetzung auch Amine und fette Säuren entstehen sah. lieber die Bedingungen, unter denen das Ferment gebildet wird, ist nicht allzuviel bekannt. Nach Eosexbacii scheint es auch anaerob vor- zukommen, während die Versuche von Dr. LoEBf das Gegenteil ergaben. Nach diesen Versuchen f war auch eine dauernde Durchlüftung für die Bildung des Fermentes sehr vorteilhaft. Durch Zuckerzusatz zur Kultur lässt sich die Bildung des Fermentes beschränken und völlig hinanhalten, trotz ungestörtem Wachstum. Diese Wirkung des Zuckers ist nach Auerbach weder auf die Säurebildung, noch auf eine direkt antifermen- tative Wirkung des Zuckers zu beziehen, sondern vielmehr auf eine vollständige Aenderung des Staphylococcusstoftwechsels unter Zucker- einfiuss, die ihren Ausdruck in der Nichthildung des Fermentes findet (vergl. hierzu die entsprechenden Angaben von Kayser über verminderte Virulenz und Hämolysinproduktion). Für die Bildung und Wirkung dieser Fermente liegt das Optimum bei Brutschranktemperatur. Von weiteren Fermenten der Staphylokokken sei noch das Vorkommen von etwas diastatischem Ferment bei Staphylococcus cereus flavus (Fermi*''^), sowie ein fettverseifendes Ferment des Aureus (Eijkmann^s) erwähnt. Derselbe Autor konnte beim Aureus ein diastatisches Ferment nicht nachweisen. Auch Lab wird, wie erwähnt, von manchen Verwandten des Staphylo- coccus gebildet, nur ist es, wie aus neueren Untersuchungen von Dr. Loeb *) hervorgeht, in Gegenwart von tryptischem Ferment gelegentlich schwer nachzuweisen. Häufig eignet sich hierzu, Avie erwähnt, die Milchagar- platte. Die erwähnten Fermente des Staphylococcus sind nicht unlösbar mit der Bakterienzelle verbunden, wie die erwähnten Ditfusionszonen aut den Agarplatten beweisen. Gleichwohl gehen sie in die Filtrate in sehr verschiedener Menge über. Speziell das eigentlich eiweißverdauende Ferment scheint in den Filtrateu nicht vorzukommen, denn nach den Versuchen von Dr. Loebj zeigen MEiTsche Röhrchen (dünne IJöhrchen mit Serum gefüllt und vorsichtig erhitzt) keine Verdauung durch im übrigen wirksame Filtrate und ebensowenig trat eine Aufhellung- von Centralbl. f. Bakt.. 19()-2. Bd. 32, Nr. 1. 120 M. Neisser & A. Lipstein, vercliiuntem gekochtem Serum ein. Als Erklärung- hierfür kann man vielleicht annehmen, dass das in der Kultur gebildete proteoh'tische Ferment sofort an die abgestorbenen Individuen der Kultur veraukeii; wird. Anders als das eigentlich proteolytische Ferment verhält sich das kollolytische Ferment, d. h. das leimlösende Ferment, welches in das Kulturfiltrat sehr reichlich übergeht. In der Litteratur ist bisher zwischen proteolytischem und kollolytischem Fermente nicht unterschieden worden, da man im allgemeinen den Grad der Gelatineverflüssigung als Maßstab für das »tryptische Ferment« angesehen hat. Wir haben indes, zumal auf Grund der Versuche von Dr. Loeb f , Grund genug, das leim- lösende Ferment als von dem eiweißlösendem Ferment verschieden anzusehen. Die folgenden Mitteilungen beziehen sich auf das kollo- lytische Ferment, die Gelatinase, der Aurei, sowie auf das augen- scheinlich sehr nahe verwandte Ferment des Staphylococcus quadri- geminus, über welche Fermente Herr Dr. Loeb ausführliche Unter- suchungen augestellt hat. Zum Nachweis der Gelatinase in der liHrierten Kultur benutzt man eine 7 proz. Thymolgelatine (1 1 Wasser + 2 gr Thymol -\- 70 Gelatine, 1 Stunde gekocht, neutralisiert mit 10 ccm "^1 Natron-Kalilauge ää) nach Fermi am besten derart, dass man in eine Eeihe Eöhrchen je 2 ccm dieser Gelatine giebt und hierzu abgestufte Mengen des Filtrates. Die gut umgeschüttelten Eöhrchen kommen über Nacht zu den 37grädigen Thermostaten und am nächsten Morgen für etwa IY2 Stunden in den Eisschrank. Man liest dann ab, welche Eöhr- chen erstarrt und welche nicht mehr erstarrt sind. Diese Methode ist entschieden empfindlicher als die ursprünglich von 'Fermi angegebene. Die Gelatiuase ist gegen Hitze sehr empfindlich und geht schon bei 55 Grad und weniger zu Grunde (Fermi). Die Gelatiuase des Staphylo- coccus quadrigeminus ist schon am ersten Tage in der filtrierten Kultur nachweisbar und scheint am 4. Wachstumstage das Maximum erreicht zu haben. Im eingefrorenen Zustande oder unter Karbol (0,5 % ) ist es gut zu konservieren. Ein gutes Ferment ist noch in der Menge von 0,01 — 0,005 f bei der beschriebenen Versuchsanorduung nachweisbar. Alle untersuchten tierischen Blutsera enthalten einen sehr starken Anti- körper gegen dieses Ferment derart, dass bereits 1/500 — Vi 0000 (^cm des Serums gegen die komplett lösende Dosis des Fermentes völlig schützt. Dieser Antikörper der normalen Sera ist insofern nicht hitzebeständig, als ein verdünntes gekochtes Serum keinerlei schützende Kraft mehr zeigt. Aus besonderen Versuchen von Herrn Dr. LoEBf ging noch hervor, dass der schützende Eiweißkörper des Serums von der Gela- tinase nicht verdaut wurde. Dass aber lebende Staphylokokken ge- kochtes und ungekochtes Serum vermöge ihres proteolytischen Fermentes zu verdauen vermögen, wurde bereits erwähnt. Die immunisatorische Steigerung einer Antigelatinase ist bisher nie- mals f geglückt, augenscheinlich deshalb, weil der bereits normalerweise so überreichlich vorhandene Antikörper jede eingeführte Menge von Gelatinase sofort neutralisiert. Weiteres über die Antifermente ist im dritten Bande nachzulesen. Erwähnt werde schließlich noch, dass nach der KocHschen Methode zertrümmerte Kokken auch in großen Mengen in den Versuchen v. Lin- GEEsnEiMS eine Gelatinasewirkung nicht erkennen ließen. Ein Labferment lässt sich in der filtrierten Kultur l^ei dem Staphylo- coccus quadrigeminus nachweisen. Bei bestimmter Versuchsanordnung Die Staphylokokken. 121 lässt jedoch das gleiclizeitig- vorliaudeue tryptische Ferment das Lab- ferment nicht in Erscheinung treten, wie die Versuche von Herrn Dr. LoEB'^) gezeigt haben. / Das Hämolysin, Die hämolytischen Eigenschaften einiger Bakterien sind in neuerer Zeit genauer untersucht worden, seitdem R. KkausI^^**) die Gifte mancher Bakterienarteu, z. B. des Staphylococcus pyog. aur. als hämo- lytisch wirksam befunden hatte. Die hämolytischen Eigenschaften der Staphylokokkenfiltrate wurden dann genauer von M. Neisser & Wechsberg ^^^ untersucht. Von den hämolytischen Eigenschaften der lebenden Staphylokokken kann man sich leicht durch Züchtung der Staphylokokken in Kanincheu- blutbouillon überzeugen. Geeigneter aber ist die Anwendung der von EiJKMANX modifizierten BEUERiNCKscheu Platten, indem man zu einem Köhrcheu flüssigen 40grädigen Agars etwa fünf Tropfen steriles ge- waschenes Kauinchenblut hinzufügt und auf der Oberfläche dieser er- starrten Blutplatte den Staphylococcus ausstreicht. Der entstehende helle Hof zeigt die eingetretene Hämolyse an. Es ist dieses vielleicht die empfindlichste Methode, um die Hämolyse bei den Bakterien zu beob- achten. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass bei dieser Art der Untersuchung (primäre) Hämolysine zur Wirkung gelangen, welche in den Filtraten nicht nachweisbar sind. Zugleich eignet sich diese Methode — in Verbindung mit der auxanographischen Methode von Beijerixck — um qualitativ verschiedene Stoife mit Rücksicht darauf zu untersuchen, ob sie für die Hämolyse günstig oder hemmend (z. B. auch Antikörper) sind. Diese in den wachsenden Kulturen nachweisbaren Hämolysine hat neuerdings Lubenau studiert. Sie waren manchmal schon am ersten Tage nachweisbar, kamen bei allen pyogenen Aureis vor und wurden nur bei vereinzelten Albusstämmen vermisst. Das Filtrat der pyogenen Aurei und Albi enthält nach M. Neisser & Wechsberg stets ein Hämolysin, dessen Stärke allerdings bei den ver- schiedenen Stämmen um das Hundertfache variieren kann. Die empfind- lichste Blutart ist Kauinchenblut, von dem ein Tropfen durch 0,05 ccm eines guten Staphylokokkenfiltrates komplett gelöst wird. Die Methode der Untersuchung ist einfach: In eine Reihe Röhrchen kommen fallende Mengen des Giftes, dazu physiologische Kochsalzlösung bis zu 2 ccm und 1 Tropfen frisches gewaschenes Kauinchenblut. Die Röhrchen kommen für 2 Stunden in den Thermostaten und über Kacht in den Eisschrauk. Zur Kultur eignet sich am besten eine gewöhnliche Fleischwasserpepton- bouillou, deren Neutralisierungsgrad früher angegeben ist. (Traubenzucker- zusatz bedingt nach Kayseu Verminderung der Hämolysinproduktion.) So untersucht ist das Hämolysin zuerst am 3. oder 4. Tage (bei Durch- lüftung zeitiger f) nachweisbar. Das Maximum scheint zwischen dem 9. und 14. Tage zu liegen. Eine direkte Beziehung der Hämolysin- *) 1. c. **) Die erste Angabe über Hämolyse durch Bakterien stammt von R. Koch "3, welcher sie auf Blutplatten des Choleravibrios 1884 beobachtete. H. Bitter26 machte weitere Untersuchungen darüber, v. d. Velde beschrieb dann 1894 die Zerstörung der Hämatoblasten des Knochenmarkes und die der roten Blutkörper- chen durch das Staphylotoxin. Ehrlich 56 entdeckte 1898 das Tetanolysin und Kraus beschrieb 1900 die Lösung verschiedener Blutarten durch verschiedene Bakteriengifte. 122 M. Neisser & A. Lipstein, Produktion zur Virulenz besteht nielit. So besitzen wir jetzt einen Stanun, welcher nach wie vor virulent ist, aber seine Hämoly8in})rocluktion im Laufe von IY2 Jahren vollständig- eingebüßt hat. Die Konservierung des fertigen Hämolysins erfolgt entweder durch Einfrieren oder durch Versetzen mit 0,5 proz. Karbol und Aufbewahrung im Eisschrank. Durch 20 Minuten lauge Erhitzung auf 56° wird das Hämolysin vollständig zerstört und eine Eeaktivierung gelingt bisher auf keine Weise. Dass auch im Tierkörper eine Auflösung der roten Blutkörperchen durch das Staphylotoxin erfolgt, hat neuerdings R. KKAis^i^a nachgewiesen. Dieses Hämolysin besitzt analog dem Diphtheriegift (Euklicii^'''^'') imd dem Tetanolysin (Mausen i^s*) eine haptophore und eine toxophore Gruppe, welch letztere labiler ist und damit zur Entstehung von Toxoiden Ver- anlassung giebt. Normalerweise besitzen viele Sera einen Antikörper, aus welchem Grunde die als Indicator verwendeten Blutkörperchen durch Waschen von ihrem Serum zu befreien sind. Durch Immunisierung lässt sich leicht ein künstliches Antitoxin hervorrufen (s. Bd. d. Immunitätsl.} Das Leukocidiü. V. D. Velde entdeckte 1894 im Exsudate von Kaninchen, welche intrapleural mit Staphylokokken geimpft waren, einen Stoff, der für Kaninchenleukocyten deletäre Eigenschaften besaß. Dieser Stoff, dessen Menge keinen direkten Maßstab für die Virulenz abgab, wurde durch Erhitzung auf 57° zerstört. Dieselbe Substanz fand sich auch in Sta- phylokokkenkulturen. Unter dem Einfluss dieses Leukocidius erleiden die Leukocyten eine Degeneration, welche sich als blasige Degeneration mit schließlichem Kernverlust dokumentiert. Bail hat die v. d. Velde- schen Versuche in vollem Umfange bestätigt, ebenso auch v. Lingels- heim, der verschiedene Leukocytenarten untersuchte und die vom Frosch völlig unempfindlich, die von Mäusen und Meerschweinen sehr wenig, die eines jungen Hundes mäßig empfindlich und die von Kaninchen am empfindlichsten fand. (Inwieweit übrigens bei diesen Versuchen die etwaigen Antikörper des anhafteudeu normalen Serums mit in Rechnung zu ziehen sind, ist nicht recht ersichtlich.] M. Neisseü & Wechsberg gaben dann mit ihrer bioskopischen Methode i-^® einen einfachen Weg an, um ohne die schwierigere mikroskopische Beobachtung vergleichende Be- stimmungen des Leukocidins zu machen. Die Reduktion von zugesetztem Methylenblau war dal)ei der Maßstab der Integrität der Leukocyten, das Aufhören dieser Reduktion das Zeichen für die Leukocytenschädigung. Auf diese Weise untersucht waren gelegentlich noch 0,0075 ccm der Staphylokokkenfiltrate stark leukocid. Auch das Leukocidin war etwa vom 4. Tage an nachweisbar, die Inaktivierungstemperatur lag bei 50° (20 Minuten lang), eine Reaktivierung gelang nicht. Ein gewisser Zu- sammenhang zwischen Hämolysin und Leukocidin war insofern vor- handen, als es bisher nicht gelungen ist, bei einem Stamme, der kein Hämolysin gel)ildet hatte, das Leukocidin nachzuweisen. Indessen geht die Leukocidinproduktion durchaus nicht Hand in Hand mit der Hämo- losinproduktion und kann sogar fehlen, während die letztere vorhanden ist. Aus diesem Grunde und zumal auch deslialb, weil es nicht gelang durch Leukocyten das Hämolysin zu absorbieren, kamen M. Neisser & Weciisi'.kkm; zu dem Schluss, dass das Leukocidin und das Hämolysin zwei durciiaus voneinander verschiedene Gifte seien. (lieber Autileuko- cidin siehe Bd. d. Immunitätsl.) Die Staphylokokken. 123 Anderweitige giftige Bestandteile der Filtrate. Das die Staphylokokkenfiltrate auch auf andere Zeilen als Blut- korpercheu schädigend einzuwirken vermögen, hatte schon v. d. Velde an den Ganglienzellen des Sympathicus beobachtet. So ruft die Ein- spritzung der filtrierten Kulturen eigentümliche Kieren^eräuderuugen her- vor, welche von LEVADini^iJ g-enauer beschrieben worden sind. Es han- delt sich hierbei um herdförmige Veränderungen in der Nierenrinde ohne Beteiligung der Marksubstanz oder der Papille, die sich im wesentlichen als Koagulationsuekrose der Epithelien der Tubuli contorti dokumentieren. Bemerkenswerth ist der Befund von hyalinen Oylindern in den Harn- kanälchen. Da sich in den Harukanälchen und zumal in den peri- tubulären Bäumen massenhaft zerfallene Leukocyten fanden, so erklärten sowohl Levaditi^^^ wie M. Neisser & Wechsbekg diese nephrotoxische Wirkung der Staphylokokkenfiltrate als Infarktwirkungen, als deren Ursache der Untergang der Leukocyten durch das Leukocidiu anzusehen sei. Trotz der für diese Nierenschädigung ausreichenden Erklärung versuchten M. Neisser & Wechsberg, zumal im Hinblick auf ander- w^eitige mehr diffuse Veränderungen, auf verschiedene Weise zu eruieren, ob außerdem etwa noch ein besonderes Nephrotoxin in dem Staphylo- kokkenfiltrate nachweisbar wäre, ohne indessen zu einem positiven Re- sultate zu gelangen. Eine weitere wichtige GiftAvirkung ist die Wirkung auf das Unter- hautzellgewebe der Versuchstiere. Schon von mehreren Autoren, zumal auch von v. LiNGELSHEiiM ist die Entstehung von harten Infiltraten und Nekrotisierungen nach der Einspritzung giftiger Staphylokokkenfiltrate beschrieben worden. M. Neisseu & Wechsberg bekamen gelegentlich schon nach Einspritzung von 0,2 ccm Gift Infiltrate bis zu Handteller- größe : dieses Infiltrat "induriert sich in wenigen Tagen , und es ent- steht gewöhnlich lokaler Haarausfall, nicht selten eine circumskripte beträchtliche Hautnekrose. Genauere Untersuchungen über dieses »Unter- hautzellgift« liegen noch nicht vor. Nur soviel sei hier bemerkt, dass inaktivierte (56°) Gifte ohne lokale Wirkung sind, dass das Antilysin- serum auch gegen diese Infiltrate schützt, dass man auch aktiv gegen diese Infiltrate immunisieren kann. Ferner sei noch die Fieberwirkung der Staphylokokkenfiltrate er- wähnt, über welche auch noch nichts Genaueres bekannt ist. Ferner ist von mehreren Autoren (z. B. Mosny & Marcano, S. Wolf) die Ansicht vertreten w^orden, dass die löslichen Gifte der Staphylo- kokken auf die Darmschleimhaut in dem Sinne schädigend einwirken, dass nach intravenöser Einverleibung dieser Toxine Durchgängigkeit der Darmwand für Bakterien eintritt, iluch wir haben letzthin bei der Sektion eines durch Toxin getöteten Kaninchens deutliche Blutungen in der Darmschleimhaut konstatiert. Mau wird in diesen Fällen ebenfalls zunächst an Embolieen durch abgetötete Leukocyten (oder Erythrocyten- stromata) denken müssen und damit die Möglichkeit einer Darmpassage der Bakterien zugeben können. Schließlich werde die Wirkung auf das zentrale Nervensystem erwähnt. Herr Dr. Sander hat hierüber Unter- suchungen angestellt, welche ergaben, dass »sich bei zwei durch Staphylotoxin getöteten Kaninchen ebenfalls bereits deutliche akute Zellveränderungen (akute Zellerkrankung nach Nissl) vorfanden, wenn auch weniger ausgesprochen als bei Infektion mit lebenden Kokken«. 124 M. Neisser & A. Lipstein, Eine akute Myelitis aber, wie sie Claude durch Toxine liervorg-erufen haben will, entstand niemals. LevaditiI^s machte histologische Blutuntersuchuugen nach Toxin- einspritzung und fand jedesmal eine Mastzellen-Leukocytose. Vielfache Angaben über fraktionierte Ausfällungen der Staphylo- kokkenfiltrate liegen vor (z. B. Brieger & Fräxkel, Christmas, Buchner u. s. w.), über welche ausführlich und kritisch Petersex & V. Lingelsiieim berichten. Soviel scheint aus diesen Untersuchungen, sowie aus den Angaben von Brazzola und einigen eigenen Versuchen f hervorzugehen, dass die alkoholunlöslichen Auteile, sowie die Fällungen mit Ammonium- oder Maguesiumsulfat die wesentlich giftigen Filtrat- anteile enthalten. So gelingt es z. B. auf diese Weise fast das gesamte Hämolysin niederzuschlagen. Die Gifte der abgetöteten Staphylokokkenleiber. Trotz der sehr zahlreichen Versuche mit abgetöteten Staphylokokken ist noch nicht viel Sicheres über die Giftwirkung der abgetöteten Sta- phylokokkenleiber bekannt. Soviel ist sicher, dass man bei Anwendung von Kulturen, die durch Hitze sterilisiert waren, sehr großer Mengen bedarf, um ül3erhaupt Wirkungen zu erzielen. Und inwiefern Versuche, welche mit solchen Mengen angestellt w^urden, mit der Wirkung ungleich geringerer Mengen lebender Kokken verglichen werden können, darüber besitzen wir noch keinerlei Anhaltspunkte. Jedenfalls spielen bei diesen großen Dosen abgetöteter Kulturen auch allerhand mechanische Momente eine Rolle. Mit größeren Mengen abgetöteter Kulturen kann man bei subkutaner Einspritzung Infiltrationen und öfters auch Eiterung hervor- rufen. (Letztere ist übrigens gewöhnlich nicht steril, sondern enthält Staphylococcus aureus, der wohl von der Haut her in den Locus minoris resistentiae einwandert.) Eine positive Chemotaxis gegenüber den Leukocyten ist jedenfalls vorhanden, und diese Eigenschaft der toten Leiber scheint dem Staphylo- coccus vielleicht in höherem Maße zuzukommen, als anderen Bakterien- arten, mit deren toten Leibern Buchner ja ebenfalls Eiterung hervor- zurufen vermochte. Eibbert erzeugte ferner mit abgetöteten Kulturen Niereninfarkte, aber mit so großen Mengen, dass man an die Mitbeteiligung der me- chanischen Verstopfung denken muss. V. Lingelsheim konnte Meerschweine durch interperitoneale Ein- spritzungen von toten Agarkulturen töten, aber nur, wenn er die Sub- stanz von 3 — 6 Agarkulturen verwandte (ein Gramm Trockensubstanz dieser toten Kulturen entsprach 3380 bis 3750 -f- Meerschweinen). Der Tod trat nnter Kollapserscheinungen mit starker Temperaturerniedrigung ein. Ueber Amylo'iderzeuguug siehe später. V. Lingelsheim zertrümmerte lebende Staphylokokken nach der KocHSchen Methode und fand sie etwa eben so giftig, bezw. so wenig giftig, wie die toten Agarkulturen. Die Virulenzunterschiede der ein- zelnen Kulturen waren bei dieser Art der Untersuchung verschwunden. Leukocidin war fast gar nicht nachweisbar, kollolytisches Ferment über- haupt nicht vorhanden. Die Staphylokokken. 125 Erzeugung von Amyloid. Von verscbiedeueu Seiten ist die Angabe gemacht worden, dass sicli künstlich Amyloidentartung der inneren Organe oder die Vorstufe dieser Entartung durch längerdauernde Eiterung künstlich hervorrufen ließe. Auch für den Staphylococcus als speziellen Eitererreger liegen derartige Angaben vor. So hatte Davidsohn außer bei Kaninchen und Mäusen auch bei Hühnern amyloide Entartungen durch subkutane Einspritzungen lebender Bouillonkulturen (0,3 — 25 ccm) erhalten, bei Meerschweinchen und Katzen aber nichts erzielt. Lubarsch berichtet in den »Ergebnissen, 1898« ausführlich über die Erzeugung von Amyloid durch Staphylococcus und führt auch eigene Versuche an. Nach ihm ist es bei Hühnern am leichtesten hervorzurufen, dann bei Mäusen, Kaninchen und Hunden, Ebenso gelang es auch Schepilewsky bei Kaninchen und Mäusen Amyloid oder dessen Vorstufe, zumal in der Milz durch subkutane Einspritzung kleinerer Mengen lebender Kultur hervorzurufen. Auch mit sehr großen Mengen abgetöteter Kultur gelang dies öfters, zumal wenn die Kulturen durch Chloroform abgetötet waren. Es entstanden aber fast immer Abszesse, welche meistens auch lebende Staphylokokken enthielten. Nur in ganz vereinzelten Fällen wurde Amyloid ohne nachweisbare Eiterung erzielt. Der Tierversuch mit lebenden Staphylokokken. Das klassische Versuchstier für den Staphylococcus ist das Kaninchen, die klassische Art der Applikation die intravenöse Einspritzung. Man erhält im allgemeinen die besten Resultate, wenn man, wie schon Kroxacher hervorhebt, und wie wir durchaus bestätigen können, Bouillonkulturen zur Einspritzung benutzt, — weil man augenscheinlich auf diese Weise die Wirkung der bereits gebildeten Giftstoffe mit der Wirkung der lebenden Staphylokokken kombiniert. Dagegen können wir der Angabe von Ribbert, wonach Fortzüchtung in Bouilloukultur für die Virulenzerhaltung besonders vorteilhaft sei, nicht vollständig beistimmen, da wir auch bei reiner Agarübertragung jahrelange Virulenz- erhaltung gesehen haben. In ihrer Tiervirulenz schwanken die verschiedenen Stämme ungemein, ohne dass daraus ein Rückschluss auf die Menschenpathogenität möglich ist. Auch die Ferment- und Giftbilduug geht nicht direkt parallel mit der Virulenz, ja die Giftbildung kann fast völlig verloren gehen, wie uns ein Stamm gezeigt hat, ohne dass eine Virulenzabschwächung zu bemerken ist. Die Virulenz kann durch Tierpassage gesteigert werden, wie schon Terni hervorgehoben hat. Terxi erzeugte subkutane Abszesse, züchtete jedesmal den Staphylococcus frisch heraus und erhöhte so die Virulenz. Dasselbe gelang Burginsky. v. d. Velde benutzte zur Virulenz- steigerung die Brusthöhle, indem er größere Mengen einspritzte, und aus dem toten Tier frisch züchtete, v. Lingelsheim hält die intra- muskuläre Einspritzung, von der schon Burginsky hervorhebt, dass sie bei unvirulenteu Kulturen leichter zur Abszessbilduug führe, als die subkutane Einspritzung, für die beste Methode der Virulenzsteigeruug. So gelang ihm durch acht solcher Passagen eine derartige Virulenz- erhöhung, dass die tödliche Minimaldose von 5 ccm auf 1/100 ccm sank. Dass übrigens die Virulenz für die verschiedeneu Tierarten nicht parallel 126 M. Neisser & A. Lipstein, steigt, zeigte v. Lingelsheim gerade an clies^eni Stamme, dessen Virulenz für Kauincheu zwar um das 500 fache, für Mäuse aber sehr viel weniger und für Meerscliweiue gar nicht gestiegen war. (Abweichend von diesen Befunden ist die Angabe von Rodet, uach welcher durch Tierpassage eine Viruleuzabschwächuug eintritt.) Ein leidlicher virulenter Stamm tötet bei Injektion von 1/10 ccm ein- tägiger Bouillonkultur ein mittelgroßes Kaninchen in 4 bis 8 Tagen. Manche Individuen erweisen sich allerdings als bedeutend widerstands- fähiger oder als ganz refraktär. Unter Fieber und allmählichem Verfall tritt der Tod ein. Bei einer genauen Sektion findet man fast ausnahmslos Abszesse, die am häufigsten in Nieren und Herz lokalisiert sind. Die Nierenabszesse sitzen gewöhnlich, wenn auch nicht ausschließlich, in der Rinde, auch Nierenbeckenvereiteruugeu tindet man. Ueber streifen- förmige Verkalkung dieser Abszesse berichtet Ribbert. Nicht selten findet man bei diesen Tieren auch eitrige Erkrankungen der Gelenke, die aber gewöhnlich nicht vom Knochen ausgehen. Bei anderen Sektionen findet man eine auftallend geringe Beteiligung von Herz und Nieren, die sogar vollständig fehlen kann. Aber gewöhnlich wird man dann eine Gelenkerkrankuug nachweisen können; diese Gelenkerkrankung kann ebensowohl das Hüftgelenk, wie ein Fußwurzelgelenk oder ein anderes Gelenk betreffen. Merkwürdig ist die nicht allzu seltene Abszessbildung an der Berührungsstelle von Rippenknorpel und knöcherner Rippe, die wir zumal an den unteren Rippen l^eobachtet haben. Gelegentlich findet man, namentlich bei Verwendung sehr virulenter Kulturen (s. Wurtz S. 86) nach 1 — 2 Tagen eine Endocarditis auf Mitral- und Trikuspidalklappe. Dasselbe erreicht man nach Ribbert bei Verwendung von Kartofi'elkultureu , wobei die mitinjizierten Stärke- körnchen die primäre Schädigung setzen ; und bei Verletzung der Herz- klappen durch Katlieterisation von der Vene aus erzeugten Okth & WYssoKowrrscii'^ mit Staphylococcus ebenfalls ulzeröse Endocarditis. Auch Rückenmarksatfektiouen kann man durch intravenöse Ein- spritzung von lebenden Staphylokokken hervorrufen. So beschrieben Thoilot & Masselin (s. bei Würtz) Veränderungen der Axenc3iinder der grauen und weißen Substanz, während die peripheren Nerven intakt waren. Hociie hat dann experimentell herdförmige Myelitis zu erzeugen versucht, aber es gelang ihm nur dann, herdförmige Rückenmarks- veränderungen hervorzurufen, wenn er die Staphylokokken gleichzeitig mit Lycopodium in die Blutbahn injizierte. Für Gehiruveränderungen sind die erwähnten Versuche von Herrn Dr. Sander beweisend, der uns seine Versuchsresultate freundlichst zur Verfügung gestellt hat. Dr. Sander fand bei unseren durch intravenöse Injektion "lebender Kokken getöteten Kaninchen stets Veränderungen im Gehirn, auch bei Tieren, welche schon innerhalb 48 Stunden starben. Staphylokokken wurden dagegen weder histologisch noch durch uns kulturell gefunden. Die Hirnveränderungen betrafen hauptsächlich Ver- änderungen in den Ganglienzellen und zeigten die sogenannte akute Zellerkrankung nach Ni^ssl: Schwellung des Zcllleibes, Zerfall der Granula, Verflüssigung des Kernes. Die Schwere der Zellerkrankung entsprach ungefähr der Dauer und der Schwere der Infektion. Besonders schwer waren auch stets die motorischen Kerngebiete im Hirnstannne betroffen. Veränderungen an den Gefäßen oder herdartige Erkrankungen waren in keinem Falle vorhanden. Die Staphylokokken. 127 Die experimentelle Erzeug-ung- eines Hirnabszesses ist übrigens weder Leudet uoeli Wuirrz23* Fayeran. ref. Baums;. Jahresb.. 1S96. — f« Fermi. Centralbl. f. Bakt.. 1890. Bd. 7. — f* Ders., Arch. f. Hvg.. 181V2. 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Pfeiffer (nach Mitteilung von Frosch & KoLLE in Flügges Mikroorganismen, 3. Auflage, Bd. 2, S. 154) aus dem Sputum leichter fieberhafter Bronchitiden, wo er in enormen Mengen zu finden war. E. Pfeiffer nannte ihn Micrococcus catarrhalis. Weiterhin züchtete ihn Buttermilch aus Keuchhustensputum und gab an, dass er mit dem von seinem Lehrer Ritter beschriebenen Keuchhustendiplo- coccus identisch sei. Schließlich haben Ghon & H. Pfeiffer ihn in 140 Fällen von Erkrankungen der Luftwege 81 mal gefunden. Sie be- trachten ihn als häufigen Saprophyten, der aber auch gelegentlich akute oder subakute Veränderungen zu setzen vermag. Er macht dann in- fluenzaähnliche Krankheitsbilder. Ferner ist er nicht selten in Gemein- schaft mit dem lufluenzabacillus und dem Pneumococcus vorhanden. Aus brouchopneumonischen Herden eines 14 Monate alten Kindes züch- tete ihn Bernheim; auch R. Pfeiffer hatte ihn bereits bei Broncho- pneumonieen kleiner Kinder gefunden. Ich selbst habe ihn bei der Untersuchung von etwa 16 Keuchhusten- sputis in allen Stadien fast konstant (zum Teil in Gemeinschaft mit dem lufluenzabacillus) gefunden, habe ihn ferner aus dem Munde eines Masernfalles, zweier Diphtheriefälle und eines Scharlachfalles (bei letz- terem in Gemeinschaft mit dem lufluenzabacillus) gefunden. Am l)esten wächst der Coccus auf Blutagar (R. Pfeiffer), aber auch gut auf den anderen gewöhnlichen Nährböden (nach Buttermilch soll er auf Ge- latine nicht wachsen). Gelatine wird nicht verflüssigt. Ein Hämolysin für Kaninchen-, Meerschweinchen- oder Ziegenblut konnte ich nicht konstatieren. Am ersten Tage können kleine Kolonieen auf Blutagar an Influenzakolonieen erinnern, aber am zweiten Tage werden die Kolonieen undurchsichtig und nehmen schließlich häufig einen gelblichen Farbenton an, so dass auf den ersten Blick Verwechslungen mit Staphylo- kokken vorkommen könuen. Die Kolonieen haften auf dem Agar recht fest und lassen sich nicht so leicht wie z. B. Staphylokokkeukolonieen abheben. In Bouillon tritt häufig am ersten Tage kein deutliches Wachstum auf, aber am zweiten Tage entsteht Trübung und Bodensatz. Die Kulturen auf festen Nährböden müssen alle 3—5 Tage umgestochen Averden, um fortpflanzungslahig zu bleiben ; in Bouillonkultur bleiben sie länger haltbar. Eine Tierpathogcnität ist kaum konstatierbar. Nur Kirchner sah einmal ein Meerschweinchen bei intrapleuraler Injektion sterben und ich erzielte unter zahlreichen Tierversuchen an Mäusen, Meerschweinchen und Die Staphylokokken. 147 Ivauiucheu mir einmal bei iutraperitonealer Eiuspritzung- von 0,4 com Bouillonkultur Sepsis mit Befund in allen Organen. Die »disponierende« oder ätiologische Bedeutung dieses Coccus, der so häufig bei influenza- artigen Erkrankungen und bei Keuchhusten gefunden wurde, bedart noch der Aufklärung. Sein verhältnismäßig häufiges Vorkommen in der Nase und dem Rachen fordert dazu auf, bei der Diagnose >Meningo- kokken« vorsichtig zu sein, wenn es sich um die Untersuchung von Nasen- oder Rachensekret handelt. Litteratiir. Bernheim, Ref. Jahrb. f. Kinderheilkunde, 1901. Buttermilch, Berl. klin. Wochenschrift, 1899, S. 367. Ghon & H. Pfeiffer, Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 44, Heft 3 n. 4. Kirchner, M., Zeitschr. f. Hyg., Bd. 9. Seifert, Volkmanns klin. Vortrüge, Nr. 240. Anmerkung des Herausgebers. Der Micrococcus Melitensis wird in einem besonderen Kapitel ;>Maltafieber« von Professor Babes beschrieben werden. 10* 150 A. Neisser & W. Scholtz, Entdeckung des Gonococcus. Dieses unsichere Suchen und Tasten wurde mit einem Schlage anders, als Neisser im Jaln-e 1879 die von Weigert und Koch begründete bak- teriologische Technik in richtiger Erkenntnis ihrer Bedeutung auch zur Untersuchung der gonorrhoischen Sekrete heranzog und auf diese Weise den Gonococcus entdeckte. Neisser 15 beschränkte sich in seiner ersten Publikation (»lieber eine der Gonorrhoe eigentümliche neue Kokkenform«, 1879) darauf, das regelmäßige und alleinige Vorkommen der Gonokokken in allen frischeren Fällen von Haruröhrentripper bei Männern und Frauen und allen gonorrhoischen Augenblennorrhöen festzustellen und die Form und charakteristischen Eigenschaften des neuen Coccus zu beschreiben. Neisser stützte sich dabei auf 35 Fälle von männlichem Harnröhren- tripper, 9 Untersuchungen virulenter Scheidenausflüsse, 2 Ophthalmoblen- norrhöen bei Erwachsenen und 7 bei Neugeborenen. Die gefundenen Kokken beschrieb Neisser als Diplokokken, deren einander zugekehrte Seiten in der Eegel abgeflacht seien, so dass oo, Biskuit- oder Semmelformen entstünden. Als charakteristisch für den neuen Coccus hob Neisser schon in dieser vorläufigen Mitteilung das eigenartige Lagerungsverhältnis der Kokken zu den Leukocyten und den Epithelzellen hervor, während die spärlicheren freien Kokken meist in Gruppen zu vieren, achten, zwölfen u. s. w. angetrotfen und Ketten nicht gebildet würden. Neisser betonte, dass das regelmäßige Vorkommen seines Coccus in allen untersuchten Gonorrhoefällen, das stete Fehleu der Kokken in allen nicht gonorrhoischen Eiterungen sowie die Eigentümlichkeiten der gefundenen Kokken, welche dieselben von allen bisher bekannten Bak- terien unterschieden, in hohem Maße für ihre ätiologische Natur sprächen, dass aber der endgültige Beweis hierfür erst durch die weitere Forschung, speziell durch Reinzüchtung des Gonococcus und erfolgreiche Ver- impfung der Reinkulturen geführt werden könne. Die folgenden drei Jahre brachten nichts wesentlich Neues. Die große Mehrzahl der Nachprüfungen (Bokai, Aufrecht, Weiss, Haab, Hirschberg, Krause u. a.) ergab eine vollständige oder wenigstens nahezu vollständige Bestätigung der NEissERschen Angaben und nur eine kleine Anzahl von Autoren verhielt sich dem Gonococcus gegen- über ablehnend, bestritt sein regelmäßiges und alleiniges Vorkommen in gonorrhoischen Sekreten und sprach ihm jede Spezifität und charak- teristischen Eigenschaften ab. Der Grund für diese widersprechenden Angaben lag einmal darin, dass der Gonococcus von diesen Forschern offenbar mit gewöhnlichen Eiterkokken verwechselt worden war und ferner in der Beobachtung, dass die Gonokokken in manchen alten Scheidenausflüsseu , chronischen Urethralsekreten und Urethralf äden, welche man nach der vielfach gültigen Ansicht Nöggeraths ^^ meist als echte gonorrhoische Sekrete betrachtete, vcrmisst wurden, während anderer- seits manche Lochialsekrctc , welche nachweislich eine Ophthalmo- blennorrhoea neonatorum hervorgerufen hatten, frei von Gonokokken gefunden Avurden (Sattler & SchirmerI^). Was speziell den letzten Punkt betrifft, so war man vor Neisser auch klinisch geneigt einen nicht unbedeutenden Teil der Ophthalmoblennorrhöcn der Neugeborenen — nach Cei)Ergc)LI) etwa Y3, nach Crede sogar mehr als die Hälfte — Gonorrhoe. 151 auf die reizeudeu Eigenschaften des Locliialsekretes gesunder, nicht gonorrhoischer Mütter zurückzuführen. Auch das Auftreten von Vaginitis gonorrhoica hei kleinen Mädchen in Krankenhäusern, wofür sich keine Ansteckungsquelle finden ließ (Tischexdorf), suchte man gegen die ätiologische Bedeutung des G-ono- coccus ins Feld zu führen. Diesen meist fehlerhaften oder wenig heweiskräftigen Beobachtungen wurden bald von Zweifel ^^^ Oppexheimer i9, KronerSo^ Welander^i, Leopold & Wessel22 u. a. eine größere Zahl exakter und sorgfältiger Untersuchungen gegenübergestellt, welche bewiesen, dass alle Eiterungen und Sekrete, welclie Gonokokken enthielten, infektiös seien und sich ihrerseits (Ophthalmobleunorrhöen!) stets auch wieder auf eine Infektion mit gonokokkeuhaltigem Sekret zurückführen ließen, während Sekrete, speziell Lochien, welche bei wiederholter peinlichster Untersuchung Gonokokken vermissen ließen, sich auch im Experiment, d. h. bei Ver- impfung auf Auge und Harnröhre, stets als nicht infektiös erwiesen. Im übrigen herrschten nocli über einige morphologische Eigenschaften des Gonococcus Meinungsverschiedenheiten. Einige Forscher, wie Häab 23 und Arxixg^^, glaubten, dass die Kokken nicht auf sondern in den Epithelzellen lägen und sich daselbst vermehrten und Bockhart 25 war sogar der Ansicht, dass auch innerhalb der Kerne Gonokokken vorkämen. Auch diese von Neissers Beschreibung abweichenden Darstellungen haben sich späterhin als irrig ergeben, und beruhten teils auf fehler- haftem Mikroskopieren, teils auf irrtümlichen Beobachtungen, speziell in BocKHARTS Fall nach der Ansicht Arxixgs wahrscheinlich auf einer Verwechslung mit Mastzellen. Nelsser selbst beschrieb in einer zweiten Arbeit 26 die morphologischen Charakteristika, den Teilungsmodus der Gonokokken und ihre Lagerung im Eiter noch eingehender und l)erichtete ferner auch über Züchtungs- versuche, welche er inzwischen angestellt hatte. Bei einigen der auf Peptongelatine augelegten Kulturen hielt es Neisser dabei nach dem mikroskopischen Aussehen der gewachsenen Kokken für wahr- scheinlich, dass ihm die Züchtung des Gonococcus gelungen sei, be- tonte aber, dass der Beweis hierfür nicht erbracht sei, da Ueberim- pfungen der Kulturen auf den Menschen nicht vorgenommen werden konnten. Auch von anderen Autoren wie Bokai27, Leistikow28, Krause 29, Oppexiieimer, Sterxberg^o, Chamerox^i und Bockhart wurde teil- weise schon vor, teilweise bald nach dieser NEissERschen Publikation über erfolgreiche Züchtung des Gonococcus berichtet; da dieselben aber weder untereinander übereinstimmten, noch durch positive Ueberimpfungen erhärtet waren, wurden sie bereits damals mit Recht für unbewiesen und folsch angesehen. Dies gilt bei den mangelhaften Angaben auch von den Versuchen Bokais, obwohl dieser Autor über drei angeblich erfolg- reiche Inokulationen seiner Kulturen (welche Generation?) berichtet hat, und ebenso kann der scheinbar positiven Uebertragung einer Kultur von Bockhart auf einen Paralytiker kein Wert beigemessen werden, da von Bockhart ül)er schnell aufgetretene gouokokkenhaltige Abszesse in den Niereu berichtet wurde und die Kokken, wie schon oben erwähnt, großenteils innerhalb der Kerne gefunden wurden. 152 A. Neisser & W. Scholtz, Beweis der ätiologischen Bedeutung des Gonococcus durch Kultur und Ueb erimpf ung. Es bleibt so das große und für die Gonokokkenfrage eutsclieideude Verdienst von BuMM 32 als erster den Gonococcus auf koagulier- tem menschlichem Blutserum sicher reingezüchtet und durch einwandsfreie erfolgreiche Uebertragung späterer Genera- tionen der Eeinkultureu auf die menschliche Urethra die Spezifität und die ätiologische Rolle des Gonococcus außer allen Zweifel gestellt zu haben. Morphologie des Gonococcus. Bezüglich des Vorkommens und des morphologischen Ver- haltens des Gonococcus im gonorrhoischen Eiter, ist das Wich- tigste bereits von Neisser in seinen beiden ersten Publikationen be- schrieben worden und diese ursprünglichen NfiissERSchen Angaben haben durch die späteren Veröffentlichungen vollinhaltliche Bestätigung ge- funden und nur wenig Zusätze erhalten. I. Form und Gröfse des Gonococcus. Neisser beschrieb den Gonococcus als einen Diplococcus, Avelcher sich gewöhnlich in oo, Biskuit-, Semmel- oder Kafif'eebohnenform findet. Dabei entspricht das junge Kokkenpaar mehr der Form einer Acht, das ältere mehr der Form einer Kaffeebohne, wie dieses schon von Neisser an der Hand der Schilderung des Teilungsmodus klargestellt wurde. Der einzelne Coccus streckt sich erst etwas in die Länge, erhält in der Mitte dann eine Einschnürung und auf diese Weise entsteht zunächst ein Diplokokkenpaar in Achterform. Indem sich nun jeder Coccus des Paares in der Eichtung einer Axe, welche senkrecht zur Längs- axe des Diplococcus steht, ausdehnt, und die einander zugewandten Seiten des Coccus abgeflacht werden, entstehen die charakteristischen Semmel- oder Kafifeebohnenformen. Die weitere Teilung geht dann in der Weise vor sich, dass sich der Spalt zwischen den beiden Kokken mehr oval gestaltet und damit eine Einschnürung jedes Coccus in der Mitte angebahnt wird. Durch Vervollständigung dieser Einschnürung entsteht schließlich aus jedem Coccus ein Kokkenpaar, so dass am Schluss der Teilungsphase 4 Kokken, resp. 2 Kokkenpaare dicht neben- einander liegen. Auch die weitere Teilung geht immer nach diesem gleichen Schema vor sich, und da dieses immer nur in einer Ebene ge- schieht, so kommt es zu flächenhaftem Ausbreiten der Kokken, und es entstehen gewöhnlich Gruppen, welche sich durch 2 oder 4 teilen lassen. Die flächenhafte Ausbreitung tritt besonders auf den Epithelien in charak- teristischer Weise hervor, auf denen die Kokken gleichsam wie Pflaster- steine dicht nebeneinander lagern. Die am meisten charakteristische Form der Gonokokken ist im Eiter die Semmel- oder Kaffeebohnenform, welche dem Gonococcus fast allein eigentümlich ist und seine Unterscheidung von anderen Kokken im Eiter meist ohne Aveiteres ermöglicht. Diese Form ist aber auch die häufigste im gonorrhoischen Eiter, was zweifellos darauf zurückzuführen ist, dass die übrigen Phasen der Teilung viel schneller durchlaufen und nicht solange festgehalten werden. Gonorrhoe. 153 Die Größe des eiuzelueu Coccus, wie des Kokkenpaares wechselt natürlich ehenfalls nach der Entwickluugsphase, in welcher sich die Kokken augenblicklich befinden. Die ausgebildeten semmeltormigen Diplo- kokken haben nach Messungen von Bumm von Pol zu Pol eine Länge von 1,6 LI, während ihre Breite in der Mitte 0,8 /.i beträgt. Sehr kleine junge Diplokokken mit nur leicht angedeutetem Zwischenspalt messen nach demselben Autor dagegen nur 0,8 /< in der Länge und 0,6 in der Breite. Auf jeden einzelnen Pilzkörper kommen dabei Vio? ^^^f ^^^ Spalt 2/io (161' angegebenen Maße. Dass dabei ebenso wie bei allen an- deren Bakterien die Art der Fixierung und Färbung einen Einfluss auf die Größenverhältuisse hat, ist selbstverständlich. Schwach gefärbte Gonokokken erscheinen stets etwas kleiner als stark tingierte und eben- so führt Alkoholbehandlung speziell bei Schnittpräparaten durch Schrum- pfung zur Verkleinerung der Kokken. Für diagnostische Zwecke ist mit Größenmessungen natürlich nichts anzufangen. Es ist aber empfehlens- wert, in unsicheren Fällen das fragliche Kokkenpräparat in schneller Folge mit einem sicheren Gonokokkenpräparat zu vergleichen; dadurch bekommt man fast instinktiv einen sicheren Eindruck über die Natur des zur Diagnose stehenden Präparats. II. Intracelluläre Lagerung in Eitei'körperchen. Neben der Form der einzelnen Diplokokken und der schon erwähnten Lagerungen auf den EpitheKen ist für den Gonococcus die Lagerung innerhalb von Eiterkörperchen besonders charakteristisch. Während Neisser ursprünglich glaubte, dass die Kokken den Eiterkörperchen nur anhefteten und ihnen aufgelagert seien, wies Haab^s zuerst darauf hin, dass die Kokken in dem Zellenleib selbst gelegen seien. Alle späteren Untersuchungen haben diese Ansicht von Haab durchaus be- stätigt. Untersucht man mit Hilfe von Immersionvergrößeruugen go- norrhoischen Eiter im hängenden Tropfen oder im gefärbten Präparat, so sieht man, dass die Kokken überall die Grenzen des Proto- plasmaleibes der Leukocyten genau respektieren, dieselben nie über- schreiten und auch den Ausbuchtungen des Leukocyteuleibes oft sehr genau folgen, wie dieses schon von Leistikow" & Bumm beschrieben worden ist. Bei Vorfärbung des Protoplasmaleibes mit Eosin und -Nach- färben der Kokken und Kerne mit Methylenblau (oder bei Fuchsin- färbung) tritt die intracelluläre Ladung sehr deutlich hervor. Am schönsten lässt sie sich aber demonstrieren, wenn man nach den Angaben von Plat()3^ eine vitale Färbung des frischen gonorrhoischen Eiters mit Neu- tralrot vornimmt. Alle innerhalb der Zellen im Granuloplasma ge- legeneu Kokken erscheinen dann leuchtend rot tingiert, während alle extracellulären Gonokokken ungefärbt bleiben. Die Ursache dieser vitalen Färbung der intracellulären Kokken ohne Färbung der extra- cellulären findet nach Plato in dem Stoffwechsel der Zellen selbst ihre Erklärung. Bisweilen sind einzelne Leukocyten vollkommen mit Gonokokken vollgepfropft, so dass man die Zahl der Kokken, welche jedes einzelne Eiterkörperchen einschließt, nur schätzen kann. Derartige Eiterkörper- chen sind dann oft größer als die normalen, gleichsam gequollen, und scheinen bisweilen durch die enorme Anfüllung mit Kokken direkt geplatzt zu sein. Im gefärbten Ausstrichpräparat sind der- artige geplatzte Eiterzellen, welche dann ihren Inhalt in die Umgebung 154 A. Neisser & W. Scholtz, ausgestreut habeu, gar nicht selten. Hier ist das Platzen jed(X'h wesent- lich auf das mechanische Moment des Ausstreichens und Eintrockneus zurückzuführen. Aber auch im hängenden Tropfen und bei Anwendung der vitalen Färbung mit Neutralrot lassen sich vereinzelte derartige ge- platzte Zellen finden. Besonders bei Anwendung der vitalen Färbung nach Plato kann man auch das Platzen einzelner, mit Kokken voll- gepfropfter Leukocyten durch leichte mechanische Einwirkung — schwachen Druck auf das Deckglas — in höchst anschaulicher Weise demonstrieren. Sowie hierdurch die Zellen platzen und die intracellulär gelagerten Kokken in die Umgebung geleert werden, entfärben sie sich sofort, wie dies in dem Wesen der vitalen Färbung begründet liegt. Die Zahl der Mikrokokken, welche eine Zelle bis zum Bersten füllen, hat BuMM auf 2 — 300 geschätzt, dabei aber wohl etwas zu hoch gegriifen; immerhin mögen 100 Kokken bisweilen in dem Leukocyten enthalten sein. Stets liegen die Kokken aber nur in dem Protoplasma der Eiter- körperchen und eine Einwanderung in den Zellkern kommt nie vor. Kleine Einkerbungen am Rande des Kernes werden dagegen nicht selten durch die Kokken erzeugt. Kokken, welche dem Kern dicht anliegen, scheinen in diesem Falle den Kern durch mechanischen Druck einzu- buchten, oder durch ihren Stoffwechsel zu usurieren. Jedenfalls findet man besonders bei starker Anfüllung der Eiterkörperchen mit Gono- kokken am Rand der Kerne nicht selten kleine, halbkugelige Einbuch- tungen, in welche ein Diplokokkenpaar in der Weise hineinragt, dass ein feiner, heller Spalt Kern und Kokken scharf voneinander trennt. Die Menge der intracellulär gelagerten Gonokokken im Verhältnis zu den extracellulär bleibenden ist nicht nur in den einzelnen Gonor- rhoefällen verschieden, sondern variiert sowohl nach dem Stadium, in welchem sich die Gonorrhoe befindet, als auch nach der Art der Ent- nahme des Eiters. Im allerersten Stadium des Trippers, solange der Ausfluss schleimig und noch nicht eitrig ist, findet man gewöhnlich erst wenig Gonokokken innerhalb von Eiterkörperchen. Dagegen sind die in diesem Stadium ziemlich zahlreichen Epithelien großenteils mit Gono- kokken bepflastert; in dem Scldeim des Sekretes finden sich reichlich freie Gonokokken. Mit der Zunahme der Eitersekretion nimmt dann auch die Zahl der intracellulär gelagerten Gonokokken mehr und mehr zu, und zur Zeit des rein -eitrigen Ausflusses findet sich der weitaus größte Teil der Gonokokken innerhalb der Eiterkörperchen. Mit dem Nachlass der Eitersekretion werden die extrncellulären Gonokokken wieder zahlreicher, und ebenso liegen auch in dem schleimig- eitrigen Sekret chronischer Gonorrhöen imd in den schleimigen Urinfilamenteu die Gonokokken nicht selten vorwiegend außerhalb der Zelle. Auch die freiliegenden Gonokokken finden sich meist in Häufchen; einzelne Diplokokken triff't man nur selten an. Das Zustandekommen und die Ursache der intracellulären Gono- kokkenlagerung im akuten Stadium ist noch immer strittig. Ob die Gonokokken dabei aktiv in die Zellen eindringen oder ob sie rein passiv durch Pliagocytose aufgenommen werden, ist vielfach disku- tiert worden, und ebenso ist es noch zweifelhaft, ob eine Vermehrung der Gonokokken innerhalb der Zellen stattfindet. Schließlich gehen die Ansichten auch darin noch auseinander, ob die Aufnahme oder das Eindringen der Gonokokken in die Eiterzellen vornelnnlich schon in der Tiefe der Schleimhaut statthat oder hauptsächlich erst auf der Ober- Gonorrhoe. 155 fläche derselben. Bockiiart war der Meiuimg, dass die Gonokokken innerhalb der Sehleimhaut aktiv in die Wanderzellen eindringen iind nun mit Hilfe dieser an die Oberfläche geschafft und unschädlich ge- macht werden. Bumm ^^ vertritt dagegen die Ansicht, dass das Eindringen der Gonokokken in die Leukocyten erst im Sekret selbst außerhalb des Gewebes vor sich gehe. Allerdings gelaug es ihm nicht, diesen Vorgang der Einwanderung der Gonokokken in den Protoplasmakörper der Zellen au frischem, mit Gonokokken-Reinkulturen versetzten Eiter zu beobachten. Eine passive Aufnahme der Gonokokken durch die Thätigkeit der Leukocyten selbst, also eine echte Phagocytose, hielt Bumm besonders deswegen für unwahrscheinlich, weil andere nicht pathogene Diplokokken, auch wenn sie zahlreich in frischem Eiter vorhanden sind, von den Leuko- cyten nicht aufgenommen würden, und man nicht annehmen könne, dass sich das Zellprotoplasma verschiedenen Mikroorganismen gegenüber ge- wissermaßen wählerisch verhalte. Neuere Untersuchungen von Orgel 34»^ GuiARD^s, V. Crippa36, Pezzoli^^, Scholtz 38 Laxz 39 uud Hekz '^ haben jedenfalls gezeigt, dass die Aufnahme der Gonokokken in die Leuko- cyten vornehmlich erst in dem freien Sekret auf der Oberfläche der Schleimhaut statthat, da in solchem Sekret, welches man nach dem Urinieren, also nach Entfernung des außerhalb des Gewebes in der Harnröhre befindlichen Eiters, durch Abkratzen von der Schleimhaut oder durch starkes Ausdrücken der Harnröhre gewinnt, die Gonokokken fast ausschließlich frei in Häufchen oder in Rasen auf den Epithelien gefunden werden, während in dem eitrigen Ausfluss des betreffenden kranken die Gonokokken fast ausschließlich intracellulär gelagert waren. Hiermit stimmen auch die histologischen Befunde an Schnitten gonor- rhoischer Schleimhäute überein. Während auch hierbei in dem Eiter auf der Schleimhaut massenhaft intracelluläre Gonokokken gefunden werden, sind gonokokkenhaltige Leukocyten im Gewebe selbst selten. Was das Zustandekommen der iutracellulären Lagerung be- trifft, so wird man von einer Einwanderung der Gonokokken in die Eiterkörperchen, wie dieses Bumm und Bockhart annehmen, wohl nicht sprechen können, da dem Gonococeus jede Eigenbewegung fehlt. Man könnte höchstens ein Hineinwuchern der Gonokokken in die Eiter- körperehen für möglich halten, doch sind für diese Annahme keinerlei Grundlagen vorhanden. Für eine echte Phagocytose sprechen da- gegen folgende Punkte: 1. Auch in frischem mit Ascitesbouillon ver- dünnten und mit Gonokokken vermischtem menschlichen Eiter kann man eine Aufnahme der Gonokokken durch die Leukocyten beobachten (SciiOLTz). 2. Aufschwemmung lebender wie toter Gonokokken, welche man in die Bauchhöhle von Meerschweinchen nach vorheriger Anregung einer Leukocytose injiziert, werden innerhalb ganz kurzer Zeit, oft schon nach wenigen Minuten, fast sämtlich von den Eiterkörperchen aufgefressen (Scholtz, Plato). 3. Gerade Körper, welche durch die Phagocytose in die Eiterzellen aufgenommen worden sind, pflegen sich, wie die Gonokokken, bei Anwendung der vitalen Färbung mit Neutralrot zu färben (Plato). Auffallend bleibt es, dass sich Gonokokken und Eiterzellen gegen- seitig so wenig schädigen ; das morphologische wie das biologische Ver- halten der Gonokokken wird durch die Phagocytose kaum alteriert. Auch für eine Vermehrung der Gonokokken innerhalb der Eiter- körperchen, wie dieses von Bumm, Kiefer, Henke ^^ u. a. angenommen wurde, sprechen keinerlei zwingende Gründe; es wäre jedenfalls auf- 156 A. Neisser & W. Scholtz, fallend, wenn bei einer starken intraeellulären Vermehrung" der Gono- kokken die Eiterkörperclien so wenig geschädigt würden, wie dieses in der That der Fall ist. Die Bedeutung der Phagocytose für den Verlauf der Gonorrhoe ist, wie dies schon von Jadassohn betont worden ist, kaum allzuhoch anzuschlagen und wohl nur darin zu sehen, dass durch dieselbe eine große Anzahl Gonokokken gefangen gehalten und dadurch für den Organismus und die Ausbreitung des Prozesses unschädlich gemacht wird, wenn auch eine direkte Vernichtung der Infektionserreger nicht eintritt. Auch klinisch ist in dem Verlauf der Gonorrhöen mit vorwiegend intracellulär gelagerten Gonokokken im Ausfluss und solchen mit reich- lich freien Gonokokken kein wesentlicher Unterschied nachweisbar ; die Beobachtungen von Podres 42 und Dkobny 42'\ nach denen Gonorrhöen mit größtenteils extracellulären Gonokokken im allgemeinen einen ungünstigen Verlauf nehmen sollen, haben keine Bestätigung gefunden. III. Färbemethoden, Im Ausstrichpräparat von gonorrhoischem Eiter färbt sich der Gonococcus sehr leicht und gut mit allen gebräuchlichen Anilinfarben. Die schönsten und deutlichsten Bilder gewinnt man mit Löfflers Methylenblau, welches die Kokken außergewöhnlich stark tingiert, das Protoplasma der Zellen dagegen fast ungefärbt lässt, so dass sich die Kokken sehr scharf und kontrastreich abheben. Auch Fuchsin und Gentianaviolett fingieren den Gonococcus schnell und gut, überfärben aber leicht Kern und Protoplasma der Zellen. Für die Praxis ist es, wie dies Neisser zuerst empfohlen hat, im allgemeinen am besten und ein- fachsten, den zu untersuchenden Eifer einfach auf dem Objektträger auszustreichen, nach Fixierung und Färbung der Präparate abzutrocknen und direkt ohne Deckglas mit Immensionsöl zu untersuchen. Man hat sich vielfach bemüht, Färbeverfahren ausfindig zu machen, durch welche die Gonokokken in spezifischer oder wenigstens besonders deutlicher Weise tingiert würden, um auf diese Weise das Auffinden vereinzelter Gonokokken im Sekret zu erleichtern und die Diagnose »Gonococcus« im Einzelfalle noch mehr zu sichern. Hierher gehören: die nachträgliche Entfärbung und Differenzierung der Präparate mit Alkohol (Pony, Eschbaum ^^3) oder verdünnter Essig- säure (Schütz -i^: 5 Tropfen acid. acet. dil., auf 20 ccm aqua dest.), sowie die Vorbehandlung der Präparate mit Essigsäure (Lanz). Alle diese Verfahren bezwecken eine möglichst starke Entfärbung der Kerne, während die Gonokokken den Farbstoff intensiver festhalten und daher isoliert tingiert l)leiben. Dasselbe erreicht man in einfacher Weise dadurch, dass man die Präparate anstatt mit Wasser mit Iproz. Kochsalzlösung abspült (Plato). Ferner hat man Doppelf ärbuugen angewandt, um die Gonokokken deutlicher hervortreten zu lassen. So eignet sich eine Vorfärbuug mit Eosin zur Tinktion des Protoplasmas und Nachfärbung mit IMcthylen- blau für Kerne und Bakterien sehr gut, um die intracelluläre Lagerung der Gonokokken zu demonstrieren (C. Fränkkl). Anstatt nach ein- ander mit Eosin und Methvlenblau zu färben, kann man natürlich auch ein geeignetes Gemisch von Eosin und Methylenblau wie bei der Fär- bung der Malariaparasiten anwenden (Klein). Gonorrhoe. 157 Die folgenden Färbeverfaliren (v. Sehlen^^, Lenhartz46, Pick & Jakobsohn ^", Schäffer^^ und Lanz^ö) mit zwei verschiedeneu basi- schen Farbstoffen hintereinander, resp. deren Mischungen, bezwecken ebenfalls im wesentlichen, die Gonokokken dem Zellkern gegenüber deut- licher und kontrastreicher hervortreten zu lassen, so dass auch Kokken, welche vom Kern optisch gedeckt sind, sichtbar werden und das Auffinden vereinzelter Gonokokken erleichtert wird. v. Sehlen färbt mit einem Gemisch von Karbolfuchsin und Methylengrüu, Lehnhaiitz mit einem solchen von Dahlia und Methylengrün. Pick & Jakobsohn empfehlen folgende Mischung: 20 ccm Wasser mit 15 Tropfen Karbolfuchsin und 8 Tropfen konz. alk. Methylenblau. Zur Tinktion genügt eine Einwirkung von V2 Minute. Hierbei werden die Gonokokken intensiv dunkelblau bis schwarz gefärbt, die Kerne hellblau, das Protoplasma rötlich. Ganz ähnlich, vielleicht noch kontrastreicher fällt die Färbung bei Anwendung der LANzschen Methode aus. Dieselbe wird in der Weise ausgeführt, dass eine gesättigte Fuchsinlösung in 2proz. Karbolwasser und eine gleiche Thioninlösung im Verhältnis 1 : 4 ex tempore gemischt werden und mit diesem Gemisch das Präparat Y4 bis Y2 Minute ge- färbt wird. Die ScHÄFFEiiSche Methode wird im Gegensatz zu diesem Verfahren zweizeitig ausgeführt, indem zunächst in einer stark verdünnten Karbol- fuchsiulösung (1 : 20) 10 bis 20 Sekunden vorgefärbt wird und dann eine Nachfärbung und Differenzierung mit einer Iproz. Aethyleudiamin- lösuug, der einige Tropfen Methylenblau bis zur hellblauen Färbung der Lösung zugesetzt werden, folgt. Die Färbung der Präparate ist auch bei diesem Verfahren sehr ähnlich derjenigen der PiCK-JAKOBSOHNSchen und der LANzschen Methode. Bei Anwendung all dieser Verfahren ist darauf zu achten, dass die Präparate dünn und gleichmäßig ausgestrichen sind, da sonst die Färbung ungleichmäßig und unbefriedigend ausfällt. Einen großen praktischen Wert haben diese Doppelfärbungen überhaupt nicht. Die Demonstration von Gonokokken und die Auffindung vereinzelter Gono- kokken gelingt mit Hilfe derselben wohl hie und da besser und leichter. Eine differential-diagnostische Bedeutung kommt ihnen je- doch nicht zu. Ebenso hat die von Plato^s^ Uhma^o und Richter ^o angegebene vitale Färbung des Gonococcus im nicht fixierten Eiter- präparat keinen differential-diagnostischen und praktischen Wert, sondern ist nur von wissenschaftlichem Interesse. IV. Differential-diagnostische Färbung. Von differenzial-diagnostischer Bedeutung ist allein die Gram sehe Methode, deren Wert für die Unterscheidung des Gonococcus von all den anderen in der gesunden Urethra und im Vulvovaginal- Tractus angetroffenen Diplokokken zuerst von Rouxsi erkannt und betont worden ist. Allen ^2, Wendt^s, Steinschneider & Galewski^-^, Heimann 5''^, Hoggess, Kral^^^ Kiefer ^^^ Human von den Bergh^^ und Scholtz 60 sind entschieden für den Wert der GRAMScheu Färbung ein- getreten, während Bumm, Fürbringer, Poney, Toüten und Caneya 158 A. Neisser & W. Scholtz, die GRAMSche Methode zu diaguostischen Zwecken nicht für hinreichend hielten. Darüber kann heute allerdings kein Zweifel mehr herrschen, dass sich der Gonococcus in der Reinkultur bei richtiger Ausführung des GRAMSchen Verfahrens schnell, sicher und vollständig entfärbt; und ebenso verhält er sich im Eiter akuter Gonorrhöen, voraus- gesetzt, dass die Präparate ordentlich hergestellt sind, d. h. das Sekret dünn und gleichmäßig ausgestrichen worden ist, was am besten durch Ausziehen zwischen zwei Objektträgern oder Deckgläsern geschieht. Nicht ganz so präzise tritt die Entfärbung der Gonokokken bisweilen an Präparaten von schleimigen, eitrigen Flocken ein. Es beruht dieses wohl darauf, dass das gleichmäßig dünne Anstreichen solcher Filamente bisweilen unmöglich ist, und die Farbflüssigkeiten durch den Schleim oifenbar nicht so leicht und gleichmäßig zu den eingehüllten Bestandteilen dringen können. Ebenso fällt die GRAMSche Färbung bei Präparaten von Urinsedimenten bei Gonorrhoe des hinteren Urethral- abschnittes nicht immer vollständig befriedigend aus, da die zerfallenen und geschrumpften Eiterkörperchen sich bisweilen schlecht entfärben auch das Protoplasma sich leicht stärker fingiert, die Gonokokken da- gegen die Kontrastfarbe oft nur ungenügend annehmen. Dieser Umstand beeinträchtigt aber den Wert der GRAMschen Methode kaum, da man es solchen Präparaten an den Niederschlägen und der ungleichmäßigen Färbung aller Bestandteile des Sekretes, speziell der Kerne und des Schleimes ohne weiteres ansieht, dass die Färbung nicht einwandsfrei gelungen ist, und der Ausfall der GRAMschen Färbung in dem vor- liegenden Falle demnach nicht als völlig beweisend angesehen werden darf. Mit solchen Präparaten ist dann gewöhnlich nicht mehr viel zu machen, denn auch nach vollständiger Entfärbung mit salzsaurem Alko- hol u. s. w. fällt die nochmals vorgenommene Färbung nach Gram meist ebensowenig befriedigend wie zuerst aus. Es ist daher ratsam, in solchen immerhin seltenen Fällen vollständig neue Präparate herzustellen und nach Gram zu behandeln. Nach vielerlei Versuchen und Berücksichtigung aller angegebenen Verbesserungen der GRAMschen Methode für Gonokokkenpräpa- rate führen wir die Färbung jetzt folgendermaßen aus: Vor allem sind gut getrocknete, dünn und gleichmäßig ausge- strichene Präparate herzustellen und gute Farblösungen zu ge- brauchen. Die Anilinwasser-Gentianaviolettlösung stellt mau am besten in der Weise her, dass eine Suspension von 3 Teilen Anilinöl in 100 Teilen warmen Wassers nach kräftigem Schütteln klar filtriert und nun lO^'^ kon- zentrierte alkalische Gentianaviolettlösung hinzugefügt wird. Diese Farb- lösung hält sich jedoch keinesfalls länger als 8 Tage gebrauchsfähig. Gleich gute Resultate wie mit der Färbung mit Anilinwasser-Gentiana- violett erzielt man nach den Untersuchungen von Czaplewski^^ Avelche wir durchaus bestätigen können, auch mit Karbolgentianaviolett (lOproz. konz. alk. Gentianaviolettlösung in 272pi'Oz. Karbollösung), und diese Farblösung hat besonders für den Praktiker den Vorteil, dass sie mehrere Monate unverändert haltbar bleibt. Zur Entfärbung soll nur absoluter Alkohol gebraucht werden, was besonders von Weinrich^s betont worden ist. Gleich Kiefer sind auch wir zur Ueberzeugung gelangt, dass eine Einwirkung der Färbelösung wie der Jod-Jodkalilösung von 1/2 — 1 Minuute Gonorrhoe. 159 völlig genügt und eine längere Färbung keine besseren Resultate giebt, dass im Gegenteil die Präparate sich dann mitunter schwerer und ungleichmäßiger entfärben. Die Entfärbung mit absolutem Alkohol muss so lange fortgesetzt werden, als Farbwolken von den Präparaten aufsteigen. Bei Färbung von Gonokokkenkulturen genügen hierzu in der Regel 15 — 20 Sekunden, bei dünn ausgestrichenen Präparaten von Eiter 20 — 30 Sekunden und bei Präparaten von Flocken ist gewöhnlich eine etwas längere Alkohol- einwirkung, etwa 1 Minute, erforderlich. Durch genügend große Menge des angewandten Alkohols resp. genügender Erneuerung desselben hat man darauf zu sehen, dass die Entfärbung auch wirklich unter der Einwirkung von absolutem Alkohol geschieht. Weinrich legt außerdem noch besonderen Wert darauf, dass jede Wasserspülung zwischen den einzelneu Färbeetappen unterbleibt. Gewöhnlich will man den Gonococcus bei Anwendung der Gram- schen Methode zu diagnostischen Zwecken nicht nur entfärben, sondern ihn durch geeignete Nachfärbung in einer Kontrastfarbe wieder sichtbar machen. Am meisten Verwendung finden dabei dünne Fuchsin- lösungen, Bismarckbraun und Safranin. Während Steinschnei- der u. a. hierfür Bismarckbraun am meisten empfehlen, ziehen Wert- heim und Schultz entschieden die Xachfärbung mit dünner Fuchsinlösung vor. Sicherlich giebt letztere kontrastreichere Bilder, und wenn mau genügend verdünnte Fuchsinlösung (1 Teil einer Iproz. Fuchsinlösung auf 15 — 20 Teile Wasser) nur 10 — 20 Sekunden einwirken lässt, ist auch eine Ueberfärbung nicht zu fürchten. Während aus den bisherigen xlusführungen hervorgeht, dass die Ent- färbung der Gonokokken bei Anwendung der GiiAMschen Methode nicht nur in Präparaten von Reinkulturen und im gonorrhoischen Eiter stets prompt erfolgt, sondern auch in Präparaten von mehr schleimigen Flocken in der Regel mit genügender Sicherheit eintritt, Avird der dilfe- rential-diagnostische Wert des GRAMSchen Verfahrens dem Gonococcus gegenüber dadurch etwas beeinträchtigt, dass derselbe nicht der ein- zige Diplococcus ist, welcher sich nach Gram entfärbt. Freilich in der männlichen Urethra kommen nach den sorgfältigen Unter- suchungen von Steinschneider & Galewski^^ nur höchst selten, in etwa 4^ der Fälle, derartige Diplokokken vor und dieselben unter- scheiden sich in Form und Lagerung noch wesentlich von den Gonokokken. Anders steht es aber bei Sekreten, welche an- deren Schleimhäuten (Mund, Nase, Rectum, Vagina u. s. w.) entstammen. Da ist die Bakterienflora eine viel mannigfaltigere, und auch nach Gram sich entfärbende Diplokokken sind nicht so selten. Derjenige Diplococcus, welcher in Form, Lagerung und tinktoriellem Verhalten dem Gonococcus am meisten gleicht, ist jedenfalls der Meningo- coccus intracellularis ; Weichselbaum), dessen Unterscheidung von dem Gonococcus oft daher auch nur kulturell mit Sicherheit möglich ist. Im Sekret, z. B. dem Nasensekret, sowie in der Cerebrospinalflüssigkeit bei der epidemischen Cerebralmeningitis liegt der ^Meningococcus, wie der Gonococcus im gonorrhoischen Eiter fast ausschließlich innerhalb der Leukocyten und bei Anw^endung der GRAMSchen Methode giebt er seine Farbe ebenfalls ziemlich schnell ab, wenn die Entfärbung auch nicht ganz so leicht und vollständig wie bei dem Gonococcus eintritt. Dagegen gedeiht der Meniugococcus zum Unterschied vom Gonococcus sehr 160 A. Neisser & W. Sclioltz, gut auf gewölnilicliem Grlycerinag-ar und bildet hier eiueu eiubeit- liclieu grauweißen Kaseu (Weichselbaum ^^^ Jägerei, Kiefeü^s, Fük- BRIXGER66, C. FrÄXKEL^'). Das Yorkommeu des Meuiugococcus in der Urethra oder der Coujunctiva ist bisher allerdings noch nicht beschrieben worden. Da er aber im Mund- und Naseuselvret nicht selten in großen Mengen ent- halten ist, wird man bei der nahen Beziehung zwischen Nasenhöhle und Bindehautsack bei zweifelhaften eitrigen Konjunktivitideu auch an ihn denken müssen (Kruckexbkrg). Kkuckexberg^s hat dann noch einen Diplococcus bei einer relativ leichten Conjunctivitis beschrieben, welcher morphologisch und auch in seinem Verhalten der GRAMSchen Methode gegenüber vom Gonococcus absolut nicht zu unterscheiden war. Dagegen zeigt er kulturell und in der Eesistenz gegen Temperaturen geringe Aljweichungen vom Ver- halten des Gonococcus, so dass ihn Kruckexberg nicht als echten Gonococcus, sondern als einen neuen Pseudogonococcus aufgefasst hat. Dagegen stand Morax^Q nicht an, diese Pseudogonokokken von Kruckexberg für echte Gonokokken zu halten. Aehnlich hat Urbahx'** bei einer eitrigen Conjunctivitis einen Diplococcus beschrieben, der in allem dem Gonococcus glich, aber auf Glycerinagar und anderen für Gonokokkenkulturen als nicht geeignet geltenden Nährböden wuchs. Trotzdem hat er diese Diplokokken für echte Gonokokken erklärt, zumal es ihm gelungen ist, auch Gonokokken auf Glycerinagar zu züchten. Er hält hiernach auch die These für widerlegt, nach welcher das Ausbleiben jeder Entwicklung auf Agar, Bouillon und den anderen gewöhnlichen Bakteriennährböden geradezu spezifisch für den Gonococcus Neisser ist. (Siehe näheres unter Kultur des Gonococcus.) V. Gonokokken im Gewebe. Ueber das tinktorielle Verhalten des Gonococcus im Schnitt genügen nach diesen ausführlichen Darlegungen wenige Worte. Da es im Schnitt vor allem darauf ankommt, die Gonokokken von den Kernen möglichst zu differenzieren, so ist eine gründliche Färbung der Gono- kokken und eine vorsichtige Entfärbung des Gewebes bei der Behand- lung des Schnittes mit Alkohol das Wesentlichste. Es eignen sich daher zur Darstellung der Gonokokken im Gewebe nur intensiv färbende Anilinfarben; nach Bümm lässt meist schon Fuchsin und Methylenblau vollständig im Stich, ganz unbrauchbar ist Bismarckbraun , und auch die Tinktion mit Avässerigen IMethyl- und Geutianaviolettlösungen fällt oft ungenügend und inkonstant aus . Das beste Eesultat erhielt Bumm32 bei der Färbung mit starken Lösungen von Methylviolett in Toluidin- oder Anilinwasser (ca. V2 Stunde) und vorsichtiger Entfärlmug und Differenzierung in Alkohol, so dass die Kokken noch vollständig tingiert sind, die Kerne aber bereits eine Nuance heller erscheinen. Aehnlich spricht sich Toutox aus, welcher mit der BuMMSchen Methode und mit der Karbolmethylen- blaufärbung KüiiXEs die besten Eesultate erhielt. Empfehlenswert ist es, dabei dem Alkohol etwas Methylenblau zuzusetzen, wie dieses auch Kühne für diffizilere Objekte empfohlen hat. Die Gonokokken lieben sich l)ei der KüiiXESchen Färbung ^1 sehr deutlich von dem blassen, ver- schwommenen Gewebe ab. Will man gleichzeitig die Gewebe gut tingiert haben, so empfiehlt Toutox ^2 ^{q Anwendung folgender Färbung: Gonorrhoe. 161 Färben in Karbolfucbsin 10 — 15 Minuten, Entfärbung in Ale. abs. bis zur makroskopisch deutlichen Differenzierung der Gewebe, Bergamottöl — Kanadabalsam. Auch Jadassohn^3 empfiehlt zur Darstellung der Kokken allein die KüHNESche Methode oder Färbuug in Boraxmethylenblau mit fol- gender Entfärbung in absolutem Alkohol (bei starker Ueberfärbung mit etwas HCl) am meisten. Bastian^'* und Herbst loben ferner die Fär- bung in Thymiaulösung mit und ohne Differenzierung in ganz schwacher Essigsäurelösung; Jadassohn, Herbst und Finger empfehlen schließlich noch folgende Methode: Boraxmethylenblau nach Sali 3—5 Minuten, Entfärbung in destilliertem Wasser mit wenigen Tropfen Essig- säure 1 — 2 Minuten, kurzes Abspülen in Ale. abs., Xylol, Kanadabalsam. Vörner'^^ hat schließlich in letzter Zeit wieder das Thionin zur Färbung von Gonokokken in Schnitten empfohlen. Welche Methode man auch anwenden mag, die Hauptsache ist stets, dass man bei der Entfärbung vorsichtig ist und die Entwässerung mög- lichst beschleunigt. Es ist daher oft gut, nach Jadassohns Vorschlägen die Schnitte nach nur momentanem Aufenthalt in Ale. abs. in die von Weigert angegebenen Mischungen von 1 Teil Ale. abs. und 4 Teilen Xylol zu bringen, in welchen dieselbe auch noch bei relativ reichlichem Wassergehalt aufgehellt werden. Die Doppelfärbungen nach Pick & Jakobsohn, Schäffer, Lanz u.s.w. eignen sich für Schnitte nicht. Kultur des Gonococcus. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass Bumm zum ersten Male die Züchtung des Gonococcus in durchaus zuverlässiger Weise gelungen ist, die Mitteilungen von Bokat, Bockhart, Leistikow, Krause und anderen iVutoren, welche bereits vor Bumm über erfolg- reiche Züchtung der Gonokokken berichten, dagegen nicht als einwands- frei betrachtet werden können. I. Art des Nährbodens. Bumm 32, 76 (1885) benutzte zur Züchtung des Gonococcus Mischungen von Rinder- und Hammelserum mit menschlichem Blutserum, w^elche bis zum Gelatinieren erhitzt wurden. Je weicher und feuchter der Nähr- boden noch war, um so besser war das Wachstum der Gonokokken. Dieselben wuchsen nur bei Temperaturen von 30 — 38° C und bildeten nach 36 — 38 Stunden kleine graue, durchscheinende Kolonieen, welche sehr leicht wieder eingingen, selbst wenn sie stets nach wenigen Tagen auf neue Nährböden überimpft wurden. Auf anderen Nährböden, speziell Bouillon und Gelatine, erfolgt auch bei Brut- temperatur kein Wachstum. Die Kokken selbst zeigten in der Kultur sehr bald Degenerationsformen, doch konnte man an den jungen Kokken am Rande der Kolonieen den nach Neisser beschriebenen Teilungsmodus sehr schön beobachten. Handliuch. der pathogenen Mikroorganismen. 111. 11 162 A. Neisser & W. Scholtz, UeberimpfuDg- einer Kultur der zweiten Generation auf die gesunde Harnröhre einer Frau rief eine typische Urethralg'onorrhoe herAor. War durch die BuMMschen ZUchtungsversuche nun auch die ätio- logische Bedeutung des Gonococcus außer allem Zweifel gestellt, so war in diagnostischer und biologischer Hinsicht durch dieses Kultur- verfahren doch nicht besonders viel erreicht, da das Wachstum des Gono- coccus auf dem BuMMSchen Nährboden noch ein sehr unzuverlässiges war. Ein bedeutender Fortschritt wurde in dieser Beziehung erst durch Wertheim" (1891) erzielt. Wertheim benutzte zur Züchtung des Gonococcus die von Hueppe angegebene Mischung von Agar und Blutserum und wandte dabei das Plattenverfahren an. Diese Methode hatte allerdings bereits ein Jahr nach der BuMMschen Pul)likation Bockiiart zur Kulti\1erung der Gono- kokken angewandt, doch hatte Bockhart den Wert dieser Methode nicht erkannt und seine Kulturen auch nicht durch Uebertragung auf den Menschen verifiziert. Wertheim hat dagegen mit Hilfe der erwähnten Kultur- methode die Biologie des Gonococcus bereits sehr gründlich und eingehend studiert und der von ihm angegebene Nähr- boden steht noch heute ganz unbestritten als der beste, ja als der einzig brauchbare da. Die Darstellung des WERTHEiMSchen Serumagars erfolgt im einzelnen am besten in folgender Weise: Will man das Plattenverfahren zur Isolierung und Züchtung der Gonokokken in Anwendung bringen, so impft man zunächst ein Reagenz- röhrchen mit wenigen Kubikcentimetern flüssigen menschlichen Blut- serums mit dem gonorrhoischen Eiter, stellt dann in der üblichen Weise in zwei weiteren Röhrcheu Verdünnungen her, erwärmt die geimpften Röhrchen im Wasserbade schnell auf 39—40°, vermischt sie mit ge- wöhnlichem 2proz., verflüssigten und ebenfalls auf 40° C abgekühlten Agar und gießt nun die einzelnen Röhrcheu rasch zu Platten aus. Will man dagegen das Ausstrichverfahren anwenden, so lässt man das in gleicher Weise hergestellte Serum-Agargemisch in Röhrchen schräg ei-starren und streicht das Impfmaterial dann in der gewöhnlichen Weise auf der Oberfläche aus. Die günstigste Mischung sowohl für Platten wie für schräg erstarrte Röhrchen erg-abeu 2 — 3 Teile Fleischwasser-Pepton-Agar mit einem Teil Serum. Diese Mischung bietet für die Gonokokken nicht nur die besten Wachstumsbediugungen, sondern lässt auch ein vorzügliches Erstarren zu. Die Untersuchungen von Steinschneider, Menge und Kiefer haben später ergeben, dass an Stelle des menschlichen Blutserums auch andere seröse Flüssigkeiten des Menschen, speziell Hy dr o cel eninhalt, Cystenflüss'igkeit und Ascites- und Hydrothoraxflüssigkeit, mit Erfolg angewendet werden können. Da diese Flüssigkeiten meist viel leichter als Blutserum beschafl't werden können, bietet ihre Ver- wendung große Vorteile. Allerdings haben derartige Flüssigkeiten keine so konstante Zusammensetzung wie das Blutserum; speziell ihr Eiweiß- gehalt schwankt nicht unerheblich, aber auch bei genügendem Eiweiß- gehalt konmit es bisweilen vor, dass sich einzelne derartige Flüssigkeiten aus unbekannten Ursachen weniger gut als andere für Gonokokken- kultureu eignen. Man muss eine solche Flüssigkeit daher immer erst auf ihre Brauchbarkeit zu Gonokokkenzüchtungen prüfen, ehe man sie Gonorrhoe. 163 in toto zu Gonokokkennälirböden verarbeitet und diese zu diagnostischen und biologischen Zwecken verwendet (Sciioltz). Mannigfach sind die Versuche gewesen, das WERTHEiMSche Kulturverfahren zu verbessern und zu vereinfachen. Zunächst hat Kiefer ^^ empfohlen, den Agargehalt des Fleischwasser- Pepton-Agars, welches mit dem Serum gemischt werden soll, auf 3 — 4^ zu erhöhen, um eine bessere Konsistenz des Nährbodens zu erzielen. Im allgemeinen genügt die Festigkeit des WERTHEiMschen Nährbodens aber vollständig, und seine größere Feuchtigkeit begünstigt entschieden das Wachstum der Gonokokken, während der KiEFERSche Agar im Brut- schrank leicht zu trocken und dadurch für Gouokokkenkulturen un- brauchbar wird. Dagegen wendet mau nach dem Vorschlage von Kiefer an Stelle des Plattengusses jetzt fast allgemein das Ausstrichverfahren an, da die Gonokokken in der Tiefe des Nährbodens nicht nur schlechter wachsen und die Kolonieen schwerer als Gonokokkenkolonieen zu er- kennen sind, sondern die Temperatur von 39 — 40° C, welcher die Gonokokken beim Plattenguss, wenn auch nur kurze Zeit, ausgesetzt werden müssen, die Gonokokken nicht selten schon merklich schädigt. Nur ist es meist empfehlenswert, an Stelle von Platten und Petri- schalen, wie es Kiefer that, Eöhrchen mit schräg erstarrtem Serum- agar zu verwenden, da die Platten ohne besondere Vorsichtsmaßregeln auf der Oberfläche leicht zu trocken werden. Bisweilen ist es auch vorteilliaft, nach den Angaben von Schäffer '^^ den Fleischwasseragar durch Milzagar zu ersetzen, welcher im übrigen in gleicher Weise wie der Fleischwasseragar hergestellt und dann mit Serum vermischt wird. Auf derartigem Serum-Milzagar wachsen die Gonokokken in der That oft noch etwas üppiger, gehen dafür allerdings auch rascher zu Grunde. Die vielfachen Bemühungen, einen brauchbaren Ersatz für die oft schwer zu beschaffende seröse Exsudatflüssigkeit vom Menschen zu fin- den, haben bis heute noch kein voll befriedigendes Resultat ergeben. Schon Wertheim hatte versucht, das menschliche Serum durch tieri- sches zu ersetzen, musste sich aber davon überzeugen, dass das Wachs- tum der Gonokokken dann ein völlig ungenügendes ist. Auch wenn man die tierischen Seren nach dem Vorschlag von Steinschneider^** vorher durch Erhitzen auf 55'^ ihrer baktericiden Wirkung beraubt, er- hält man kaum bessere Resultate (Sciioltz). Abel^i hat ferner das PfeifferscIic Blutagar zur Gonokokkeukultur empfohlen. Dieser Nährboden hat jedenfalls den großen Vorteil, jeder- zeit sofort leicht herstellbar zu sein; aber auch auf ihm ist das Wachs- tum der Gonokokken spärlich und unzuverlässig und nur bei relativ reichem Gehalt des Impfmaterials an Gonokokken und fast völliger Ab- wesenheit fremder Keime kann man auf positive Resultate rechnen. Zur Verifizierung von Gonokokken durch die Kultur in Fällen gonor- rhoischer Komplikationen (Arthritis, Abszesse u. s. w.), in denen es sich meist um Reinkulturen von Gonokokken handelt, w4rd dieser Nährboden daher bisweilen mit Erfolg benutzt werden können; zum Nachweis ver- einzelter Gonokokken in der Harnröhre und zur Züchtung von Massen- kulturen von Gonokokken ist er nicht verwendbar. Als ganz unzuverlässig hat sich leider Harnagar (ein Teil Harn auf zwei Teile Agar) erwiesen, auf welchem Finger ^^ in einigen Fällen Gonokokken zu züchten vermochte. 11* 164 A. Neisser & W. Scholtz, Da scliou Finger zugab, dass sich der Haruagar uiir zur Kultivierung beim Vorhandenseiu reicblicber Gonokokken im Impfmaterial eigne, Weiterzüchtungen der Gonokokken in höheren Generationen in der Regel aber überhaupt nicht zulasse, und Hedian diese Beobachtungen bestätigte, so ist wohl die Annahme berechtigt, dass der FiNGERsche Urinagar überhaupt erst durch das aufgestrichene eitrig -seröse Material zu einem Gonokokkennährboden wird. Jedenfalls hat sich der Harn- agar bei den Nachprüfungen von Kiefer, Schäffeh, Steinschneider u. a. als ungeeignet zur Gonokokkenzüchtung erwiesen und andererseits gelingt es durch etwas Aufstreichen von Serum und Eiter auch auf ge- wöhnlichem Agar gelegentlich einzelne Gonokokkenkolonieen zu erhalten. Ja wenn wir gerade recht gutes menschliches Blutserum, Ascites u.s. w. zur Verfügung hatten, so erhielten wir auf gewöhnlichem Agar, auf welchen kurz vorher 2 — 3 Tropfen des betreffenden Serums oder des Ascites aufgestrichen worden waren, sowohl von gonorrhoischem Eiter wie von Gonokokkenreinkulturen häufig fast ebenso üppige Kulturen wie auf dem Aseites-Agargemisch. Bei diesem Verfahren wird natür- lich außerordentlich an Ascites u. s. w. gespart (Scholtz). Ebensowenig hat sich das von Schrötter & Winklek^^ schon 1890 empfohlene Kibitzeiagar für Gonokokkenzüchtungen bewährt und auch Eidotteragar (Steinschneider*^, 1897) bildet nach Steinschneiders eigenen Angaben keinen vollwertigen Ersatz für den WERTiiEiMschen Nährboden. Auch das von Christmas *^ (1899) warm empfohlene koagulierte Kaninchenserum sowie das »sang gelose« von M. See^^ (Kaninchenblut mit Agar gemischt) scheint kein brauchbarer Gonokokkennährboden zu sein und hat sich uns jedenfalls nicht bewährt. Etwas zuverlässiger und wegen seiner leichten Herstellung für manche Fälle empfehlenswert ist dagegen der von Wassermann*^ angegebene Schwein eserum-Nutroseagar. Der wesentlichste Vorteil dieses Nährbodens liegt nach Wassermann darin, dass die Gerinnungsfähigkeit des Serums durch Nutrosezusatz auf£:ehoben wird und infolgedessen das Serum nun beliebig lange durch Kochen sterilisiert werden kann. Im einzelnen wird der Nährboden in folgender Weise hergestellt (Wasser- mann 1898 S. 300—301) : »Man gebe in ein ErlenmeyerscIics Kölb- chen 15 ccm möglichst hämoglobinfreies Schweineserum, verdünne dieses mit 30 — 35 ccm Wasser, füge 2 — 3 ccm Glycerin und endlich 0,8—0,9 gr, also ca. 2% Nutrosc hinzu. Nun wird durch Umschütteln das Ganze möglichst gleichmäßig verteilt und über der freien Flamme unter stetem Umschütteln zum Kochen erhitzt. Die vorher trübe Flüssigkeit klärt sich beim Kochen und kann nun beliebig lange zwecks Sterilisie- ruug erhitzt werden. Bei frischem Serum genügt hierzu im allgemeinen eine Sterilisierung von 20 Minuten.« Zur Herstellung von Platten oder schräg erstarrten Eöhrchen genügt es dann, das sterilisierte Serum mit gleichen Teilen von gewöhnlichem, 2proz. Peptonagar zu vermischen. Im allgemeinen ist es ratsamer, den so zubereiteten Schwciueserum-Nutroseagar zu Platten auszugießen, da schräg erstarrte llöhrchen wegen der geringen Festigkeit dieses Nähr- bodens leicht zusammenfließen. So brauchbar der Nährboden für manche Fälle auch ist, mit dem WERniEiMSchen Serumagar kann er hinsichtlich der Sicherheit und Ueppigkeit des Gonokokkenwachstums nicht konkurrieren. Gonorrhoe, 165 Die von van Nissen ^^ (1898) zur Gonokokkeuzüchtung- empfohlenen Nährböden bedürfen keiner besonderen Erwähnung-, da es sich in den Kulturen van Nissens sicher nicht um Gonokokken gehandelt hat. Schließlich hat Thalmann *'-* im Jahre 1900 noch Untersuchungen über die »Züchtung der Gonokokken auf einfachen Nährböden« mitgeteilt, welche entschieden beachtenswert sind, eine Bestätigung aber bisher noch nicht gefunden haben. Während man vor Thalmann auf die feinere Reaktion der Nährböden nicht allzugroßes Gewicht gelegt hatte, da der Gonococcus anf Sernmagar bei schwach saurer und schwach alkalischer Reaktion fast gleich gut gedeiht, betont Thalmann die Wichtigkeit eines ganz bestimmten Sänreg'rades für das gute Wachstum des Gonococcus, besonders auf einfachem Fleischwasseragar. Das beste Wachstum erzielte Thalmann, wenn er saures Fleischwasser- agar, welches nach den Angaben von Weise hergestellt worden war, mit 23 der zur Neutralisierung (Phenolphtalein!) nötigen Natronlösung versetzte. Dieser Nährboden eignet sich nach THALMANNschen Angaben beson- ders zu diagnostischen Zwecken, d. h. zur Züchtung der Gonokokken aus gonorrhoischem Eiter, während er sich zur Weit er Züchtung nur in beschränktem Maße als brauchbar erwies. Zu letzterem Zwecke empfiehlt Thalmann eine Mischung von gleichen Teilen Schweine- serum und 2 3 neutralisierter Fleischwasserbouillon, welche durch Er- hitzen auf 70" in Platten oder Röhrchen zum Erstarren gebracht wird. Auf diesem koaguliertem Fleischwasser- Schweineserum sollen die Gonokokkenkolonieen bereits nach 16 Stunden makroskopisch sicht- bar sein. Leider haben die Angaben von Thalmann bisher nur von einem Autor Ströhmberg eine scheinbare Bestätigung gefunden. Ströhmberg hat den THALMANN'schen Nährboden bei der Untersuchung der Sekrete Prostituierter angewandt, und es ist ihm dabei nach seinen Angaben gelungen, nicht nur bei allen Prostituierten, bei welchen mikroskopisch Gonokokken gefunden, dieselben auch auf dem TnALMANNSchen Nähr- boden zu kultivieren, sondern mit Hilfe desselben auch bei 68 Prosti- tuierten, bei welchen mikroskopisch zur Zeit keine Gonokokken zu finden waren und bei 27 Prostituierten, bei welchen die mikroskopische Kontrolle überhaupt niemals Gonokokken ergeben hatte, noch Gono- kokken nachzuweisen. Wir selbst haben bei wiederholten Versuchen auf Fleischwasseragar, welcher genau nach den TuALMANNSchen Angaben neutralisiert worden war, wohl gelegentlich ein kümmerliches Wachstum der Gonokokken beobachtet, halten ihn aber zur Verwendung in diagnostischer Beziehung und zur Fortzüchtung von Gonokokkenkulturen für vollkommen un- brauchbar. Ferner ist stets zu bedenken, dass beim Ausstrich von eitrigen Sekreten auf gewöhnliches Agar stets etwas Eiweiß auf den- selben mit übertragen wird und er dadurch für das Wachstum von Gonokokken in der ersten, ja wie Schäffer & Steinschneider ge- zeigt haben, mitunter sogar für die zweite Generation brauchbar werden kann, da auch auf das zweite Röhrchen immer noch genug unkoaguliertes Eiweiß durch die mit ausgestrichenen Eiterspuren übertragen wird. Auch Thalmann betonte ja, dass Gonokokken auf seinem Nährboden wesent- lich in der ersten Generation wachsen, Fortzüchtungen auf ihm aber sclnvierig sind. Die Angaben von Ströhjiberg erscheinen jedenfalls ganz unwahrscheinlich. 166 A. Neisser & W. Scholtz, Jüngst bat Baermann'jo in der NEissERScheu Klinik die Angaben von Thalmann einer sebr eingebenden und grUndlicben Prüfung unter- zogen. Auch Baermann kommt zu dem Schluss, dass der Thalmann- scbe Näbrboden vor gewöbnlicbem Agar nicbts voraus bat und wie dieser nur durcb das mitübertragene eitrige Sekret zu einem »Gonokken- uäbrboden« wird. All den erwäbnten festen Näbrböden entspreeben nach gleicben Prin- zipien hergestellte flüssige Substrate, bezüglich deren Brauchbarkeit die bei der Besprechung der festen Nährmedien gemachten Bemerkungen mutatis mutandis in gleicher Weise zutreffen. Dem Wertiieim sehen Serumagar entspricht eine aus zwei bis drei Teilen Fleischwasserbouillon und einem Teil Blut- serum (Ascites, Pleuritisflüssigkeit u. s. w.) zusammengesetzte Serumbouillon, welche wieder als der zuverlässigste und beste aller flüssigen Nährböden zu gelten hat. Auch hier kann das Wachstum noch begünstigt werden , wenn man nach Schäfeer die Fleischwasserbouillon durch Milzbouillon ersetzt. Dem WASSERJiAXNScben Schw^eineserum-Nutroseagar entspricht eine analog hergestellte Schweineserum-Nutrosebouillon, dem Thal- MANXSchen 2/3 neutralisierten Fleischwasseragar eine Bouillon von gleicher Reaktion. Für einzelne Zwecke, speziell Züchtung der Gonokokken aus dem Blut oder dem serösen resp. serös-eitrigeu Inhalt von Gelenken u. s. w. sind kleine Modifikationen des Züchtungsverfahrens am Platze. Da es in solchen Fällen natürlich darauf ankommt, möglichst viel der betreffenden Substanzen zu verimpfen, um möglichst viele Keime zu erhalten, und es anderseits erforderlich ist, das Blut u. s. w. ge- nügend zu verdünnen, um seine baktericide Wirkung aufzubeben, so ist es dass Zweckmäßigste, das Blut und derartige seröse oder serös- eitrige Flüssigkeit direkt mit entsprechenden Mengen (2 — 3 Teilen) verflüssigten Agars bei 40° C zu mischen und zu Platten auszugießen oder das Impfmaterial einfach mit der dreifachen Menge Bouillon zu vermischen. Die flüssigen Nährmedien wird man natürlich nur dann verwenden, wenn das Impfmaterial, z. B. Blut, außer Gonokokken ver- mutlich keine fremden Keime enthält. Im großen und ganzen gilt auch heute noch der Satz, dass der Gonococcus zum Wachstum auf künstlichen Nährböden unkoaguliertes Eiweiß nötig hat und auf den gebräuchlichen Bakterieunährböden, speziell Agar, Glycerinagar, LÖFPLERSchen Blutserum, Gelatine und Bouillon für gewöhnlich gar keine Entwicklung erfolgt. Bisweilen vermag der Gonococcus allerdings auch auf gewöhnlichem Agar kümmerlich zu gedeihen. Fast stets ist dies aber erst bei höheren Generationen der Fall. Schon Wertuheim bat dies betont und in letz- terer Zeit haben Urbahn und Wildbolz ^i diese Thatsache an einer großen Versuchsreihe überzeugend nachgewiesen. Es gelang Wildbolz sogar fast alle Gonokokkenstämme, welche er geprüft hat, schließlich auch auf gewöhnlichem Agar zur Entwicklung zu bringen. Die Züch- tung glückte auf demselben aber stets erst in höheren Generationen und einige Male sogar erst in der 50. — 60. Generation. Das Wachstum war zudem stets kümmerlich und die Kulturen gingen bald wieder ein. Die Angaben von Wildbolz sind kürzlich von Baermann bestätigt worden. Gonorrhoe. 167 Auf all den besprochenen für GonokokkenzUchtnngen brauchbaren Nährböden wachsen die Gonokokken stets am üppigsten und reich- lichsten bei Luftzutritt, doch findet auch unter anaeroben Bedin- gungen eine geringe Entwicklung statt. Charakteristische chemische Umsetzungen werden in den ver- schiedenen Nährböden durch das Wachstum der Gonokokken nicht beobachtet. In flüssigen Nährböden tritt eine leichte Säurebildung ein; Zucker wird durch den Gonococcus nicht vergoren, Harn nicht zersetzt. II. Temperatur. Auch auf den besten Nährböden gedeiht der Gonococcus nur inner- halb enger Temperaturgrenzen. Unter 30" C erfolgt keine Entwick- lung und ebenso hört jedes Wachstum bei Temperaturen über 38,5 bis 39° C auf. Das Temperaturoptimum liegt bei 36—37° C. Wertheim 92 hat allerdings wiederholt behauptet, dass die Gono- kokken noch über 40° gut wachsen, aber diese Angabe hat keinerlei Bestätigung gefunden. III. Aussehen der Kultur. Bei der Temperatur von 36 — 37° C wachsen die Gonokokken auf Serumagar nach 16 — 20 Stunden zu mikroskopisch sichtbaren Kolonieeu aus, welche nach etwa 24 Stunden die Größe eines kleinen Stecknadel- knopfes erreicht haben und sich dann gewöhnlich nicht mehr erheblich vergrößern. Die ausgebildeten Kolonieen sind leicht grau gefärbt, durch- schimmernd und von eigentümlich zähschleimiger Konsistenz. Sie bleiben in der Eegel rund und scharf kouturiert und benachbarte Kolonieeu fließen nicht zusammen, sondern berühren sich nur eben, so dass der Nährboden bei reichlicher Impfung oft ein geriffeltes oder chagriniertes Aussehen erhält, welches Kiefer — bei durchfallendem Lichte — mit »gesprungenem Eise« verglichen hat. Nur ganz aus- nahmsweise beobachtet man bei besonders üppigem Wachstum eine stärkere Färbung der Kolonieen und ein Zusammenfließen derselben zu einem grauweißem Rasen. In der Eegel gleichen die einzelnen Gonokokkenkolonieen am meisten solchen von Streptokokken oder Pneumokokken; nur sind die Gono- kokkenkolonieen meist etwas größer, haben gewöhnlich mehr Farbe, sind weniger durchscheinend und unterscheiden sich hierdurch sowie durch ihre zähe, klebrige Konsistenz oft schon makroskopisch hinreichend von jenen. Auch bei der Betrachtung mit schwacher Vergrößerung bieten die Kolonieen nicht viel Charakteristisches. Die tiefliegenden sind scharf umgrenzt, von leicht körnigem gleichmäßigem Aussehen und bräunlicher Farbe. Die oberflächlichen haben mehr wellige oder zackige Grenzen und eine zarte vorgeschobene Randzone. Wo tiefliegende Kolonieen an die Oberfläche gelangen und sich nun auf dem Agar ausbreiten, be- kommt das Centrum ebenso wie bei anderen Bakterienkolouieeu das be- kannte nabelartige Aussehen. Flüssige Nährmedien, speziell Ascites-Bouillon, werden nicht diffus getrübt, sondern die Gonokokken entwickeln sich zunächst an der Oberfläche der Ascites-Bouillon und bilden hier nach 24 — 48 Stunden eine feine, krümelige Schicht, welche bei leichtem Schütteln, 5 — 6 Tage 168 A. Neisser & W. Scholtz, nach der Impfung aber anch spontan in Form kleiner Flocken und Krümel zu Boden sinkt. Die weitere Entwicklung hört nach dem spon- tanen Niedertjillen der 01)erflUchenkultur auf, doch halten sich die Gono- kokken in Ascites-Bouillon noch lange entwicklungsfähig. Die Impfung der flüssigen Nährmedien mit Gonokokken muss immer reichlich sein, und das Impfmaterial ist am besten im Niveau der Flüssigkeit am Eande des Glases zu yerreibeu, so daß sich von hier aus die Oberflächeuentwicklung entfalten kann. IV. Mikroskopisches Verhalten der Gonokokkenkultur. Im hängenden Tropfen einer Gonokokkenbouillonkultur findet man die Gonokokken stets in kleineren oder größereu Häufchen. Die Kokken liegen innerhalb dieser Häufchen sein- dicht aneinander und Diplokokken sind nicht deutlich zu unterscheiden. Auch bei starkem Schütteln bleiben diese Häufchen bestehen und lösen sich nicht in Kokkenpaare auf Ebenso verhalten sich Gonokokkenaufschwemmungen von festen Nähr- böden. Auch hier »kleben« die Gonokokken fest in Haufen aneinander und es gelingt kaum, isolierte Diplokokken in der charakteristischen Kaffeebohnenform zu erhalten. Eine Eigenbewegung haben die Gonokokken nicht. Recht charakteristisch für die Art der Entwicklung des Gonococcus sind Klatschpräparate. In jungen, nicht über 20 Stunden alten Kolonieen findet man hierbei größtenteils schön geformte semmelförmige Diplo- kokken, während in alten Kolonieen, schon solchen von 24^ — 36 Stunden, im Centrum reichlich Degenerationsformen auftreten, w^as für ein sehr schnelles Absterben des Gonococcus nach anfänglich üppiger Ent- wicklung spricht. Die Degenerationsformen dokumentieren sich an- fangs meist in Aufquellung und ungleichmäßiger Färbung der Kokken, und bald zeigen sich nur noch schwach gefärbte ziemlich gleichmäßig körnige Massen, in welchen Kokkenformen überhaupt nicht mehr zu erkennen sind. Am Eand solcher Kolonieen, wo die Proliferation noch intensiv ist, finden sich dagegen wiederum gut fingierte typische Semmel- und Kaflfeebohnenformeu, an denen der Teilungsmodus des Gonococcus oft gut zu verfolgen ist. Entsprechende Bilder gewinnt man in Aus- strichpräparaten von Gonokokkenreinkulturen, nur liegen hier natürlich junge schöne Diplokokken und alte degenerierte Formen wild durch- einander. Diese schnelle Degeneration der Kokken, welche, wie erwähnt, bereits nach 20 — 24 Stunden beginnt, ist in hohem Maße charakteristisch für den Gonococcus. Auch in der Reinkultur färben sich die »jungen« Gonokokken leicht und gut mit den gebräuchlichen Anilinfarben; am schönsten werden sie auch in der Kultur durch das LÖFFLERSche Methylenblau tingiert. Bei Anwendung der GRAMSchen Methode entfärben sich Präparate von Gonokokkenreinkulturen schnell und präcise, wie dieses bereits bei der Färbung der Gonokokken besprochen wurde. V. Lebensfähigkeit der Gonokokken. Gewöhnlich verlieren Gonokokken auch unter den günstigsten Kultur- bedingungen bereits nach 8 — 10 Tagen ihre Lebensfähigkeit und nur bei ganz besonderer Vorsicht gelingt es, sie 2 — 3 Wochen und selbst länger cutwicklungsfäliig zu erhalten. Gonorrhoe. 169 Dagegen ist es l)ei rechtzeitiger Uebertragung des Gonococcus nicht schwer, ihn bis in hohe Generationen hinein dauernd lebensfähig und virulent zu erhalten. Vor allen Dingen ist hierzu nötig, die Kulturen vor Austrocknung zu bewahren, da hiergegen der Gonococcus außer- ordentlich empfindlich ist. Nicht nur in der Kultur, sondern auch im Eiter tritt diese Empfindlichkeit des Gonococcus gegen Aus- trocknung zu Tage. In Eiter, welcher nur ganz kurze Zeit vollständig ausgetrocknet wird, erweisen sich die Gonokokken stets als abgetötet. Auf der Haut, an Wäsche und Gebrauchsgegenständen tritt eiue voll- ständige Eintrocknung des Eiters natürlich nicht so schnell ein und daher kann sich der Gonococcus au Wäschestücken, welche mit gonorrhoischem Eiter beschmutzt sind, einige Stunden lang lebensfähig erhalten, wie dies von Sciiäffer & Steinschneider auch nach- gewiesen worden ist. Immerhin ist eine Uebertragung der Gonorrhoe durch derartige Kleidungsstücke kaum jemals vorgekommen. Im feuchten Zustande, speziell im warmen Wasser (Badewasser!) kann er sich dagegen mehr als 24 Stunden lebensfähig und iufektionstüchtig erhalten. Ebenso sind die Gonokokken gegen Temperatureinflüsse sehr wenig widerstandsfähig. Nach den übereinstimmenden Untersuchungen von Kiefer, Schäffer, Steinschneider, Finger und Scholtz wird der Gonococcus bereits durch eine Temperatur von 40 — 41° nach einigen Stunden abgetötet, auch wenn die Temperatur ganz allmählich ansteigt (Scholtz). Die abweichenden Angaben von Weritieim, dass der Gonococcus nicht nur bei Temperaturen von 39—40" und darüber gut gedeiht, sondern auch Temperaturen bis zu 42° ohne Schaden ver- trägt, haben keinerlei Bestätigung gefunden. Im menschlichen Organismus wirken Temperaturerhöhungen aller- dings nicht so deletär auf den Gonococcus wie in der Kultur, denn auch bei mehrtägigem annähernd konstanten Fieber von 40° und darüber geht der Gonococcus nicht völlig zu Grunde. Immerhin lässt sich auch am Menschen oft zeigen, dass die hohen Temperaturen einen hemmen- den Einfluss auf das Wachstum der Gonokokken haben. Bei hohem Fieber verschwindet der Ausfluss bei einer Urethralgonorrhoe gewöhn- lich fast vollkommen und ferner haben wir sowohl bei Urethral- gonorrhöen wie bei einer gonorrhoischen Metastase (Hautabszess) nach- weisen können, dass während des hohen Fiebers die Kulturen weit spärlicher angingen als zur Zeit normaler Temperaturen. Schließlich hat Finger 93 gezeigt, dass bei hohem Fieber künstliche Impfungen der Harnröhre mit Gonokokken resultatlos zu verlaufen pflegen. Niedere Temperaturen verträgt der Gonococcus etwas besser und pflegt bei Zimmertemperatur erst nach 24 — 36 Stunden einzugehen. Chemische Abtötungsmittel. Relativ wenig widerstandsfähig ist der Gonococcus auch chemischen Mitteln, speziell unsern Antiseptica gegenüber. Nach den Untersuchungen von Sciiäffer & Steinschneider 9^' y^i^i ([q^ NEissERschen Klinik zu Breslau lässt sich für die verschiedeneu Desinfizientien in der Kon- zentration, in welcher sie in der Urethra Anwendung finden können, hinsichtlich ihres baktericideu Wertes Gonokokken gegenüber folgende Tabelle aufstellen: 170 A. Neisser & W. Scholtz. Name des Mittels Konzentration Einwirkung 5 Min. durch 10 Min. Argentum nitricuin 1 1: 1000 1: 4000 0 spärlich 0 0 Argentamin 1: 2000 1: 4000 0 0 0 0 Argonin IV" Proz. spUrl. Kolonieen 0 Protargol ! 1/4 Proz. 1 Proz. ziemlich reichlich spärlich einzelne Kol. 0 Sublimat mit Kochsalz 1 : 10 1 1 : 10000 1 : 20000 einige Kolonieen 1—2 Kol. 4-5 Kol. Hydrargyrum oxycyanatum Kali hypermanganicum 1 1: 3000 1: 1000 1: 2000 0 reichlich ;> 0 reichlich Zinkum sulfuricum 1: 400 reichlich reichlich Ammonium sulfoichthyolicum i / 1 Proz. 2 Proz. mehrere Kol. 4-5 Kol. IKol. 0 Resorcin 1 2 Proz. 4 Proz. ziemlich reichlich wenig wenig 0 Relativ am wirkungsvollsten sind also die Silber salze und ihre kunstgerechte Anwendung ist daher in der Therapie auch von den größten Erfolgen begleitet. Nicht unwichtig ist hierbei, dass auch die in der Urethra sich bildenden Silberalbuminate in hohem Grade ent- wicklungshemmend auf die Gonokokken wirken. Derartige Silberver- bindungeu bleiben aber noch viele Stunden lang nach einer Einspritzung mit Argentum nitricum oder Protargol u. s. w. in der Urethra zurück; und speziell nach einer prolongierten Injektion findet man derartige Silberverbindungen noch 12 — 15 Stunden später im Harnröhreusekret. Neben einfachen Untersuchungen über die AViderstandsfähigkeit des Gonococcus chemischen Mitteln gegenüber, hat mau auch versucht, die Verhältuisse des Gonococcus im Gewebe bei diesen Eesistenzprüfungen möglichst genau nachzuahmen, um ihnen auf diese Weise einen größeren Wert für die Therapie beimessen zu können. Maßgebend war dabei einmal der Umstand, dass die Gewebsflüssigkeiten Eiweiß und Kochsalz enthalten, welche mit manchen Desinficientien , z. B. Sublimat und Argentum nitricum, unlösliche Verbindungen eingehen, wodurch die- selben zum Teil unwirksam werden, und anderseits die Thatsache, dass die Gonokokken nicht nur oberflächlich auf der Schleimhaut wuchern, sondern auch zwischen die Epithellagen der Schleimhaut und manchmal sogar m die obersten Bindegewebsschichten einzudringen pflegen. So haben speziell Schäffer & Steixschxeiüer Desinfektionsversuche mit den angeführten Mitteln Gonokokken gegenüber angestellt, welche in Ascitesbouillon, also einer dem Gewebssaft durchaus entsprechenden Flüssigkeit, suspendiert resp. gewachsen waren und gefunden, dass unter diesen Verhältnissen Desintizieutien wie Sublimat und Argentum nitricum, welche mit dem Kochsalz oder Eiweiß Verbindungen eingehen, Gono- kokken gegenüber eine weit geringere antiseptische Wirkung entfalteten als bei Aufschwemmungen der Gonokokken in Wasser, und das Argentum nitricum unter solchen Umständen von andern Silberpräparaten, wie Argentamin, Argonin, und Protargol übertroften wurde, sofern man die- jenigen Konzentrationen der Medikamente vergleicht, in welchen die- selben bei der Behandlung der Gonorrhoe Anwendung finden. Auch die in obiger Tabelle angegebenen Zahlen beziehen sich auf Versuche mit Ascitesbouillonkulturen. Gonorrhoe. 171 Ueberschichtete man hmgegen Serumagar für 5 — 10 Miunteu mit LösuDgeii von Argentum nitricum, Sublimat, Argeutamin, Karbolsäure u. s. w. in den augeführten Konzentrationen, entfernte dann das Desinficieus, spülte den Nährboden mit sterilem Wasser ab und beimpfte ihn dann mit Gonokokken, so war die nährbodenverschlechternde Wirkung in dem Versuch mit Argentum nitricum und Sublimat am meisten aus- gesprochen, während die Lösungen, welche mit Kochsalz und Eiweiß keine Niederschläge gaben, sicli hierbei als weniger wirksam erwiesen. ScHÄFFEE, Finger, Casper und Schoetz haben ferner festzustellen versucht, wieweit Lösungen der verschiedenen in der Gouorrhoetherapie zur Anwendung kommenden Antiseptica, speziell der Silbersalze, in die Tiefe der Gewebe in wirksamer Form einzudringen vermögen. Sciiäffer^ö legte zu diesem Zwecke Nieren- und Leberstücken, welche Tieren frisch excidiert waren, für eine bestimmte Zeit in die betreffenden Lösungen (Argentum nitricum und Argeutamin), fertigte sodann Schnitte an, schwärzte das in ihnen enthaltene Silber am Licht und ermittelte auf diese Weise, wieweit die Silberlösung in das Gewebe eingedrungen war. Es ergab sich, dass unter diesen Umständen das Ar gen t am in in der That eine weit größere Tiefenwirkung entfaltete als das Argentum nitricum, welches sich dadurch, dass es mit dem Kochsalz und Eiweiß unlösliche Verbindungen eingeht, gewissermaßen selbst den Weg in die Tiefe ver- legt. Natürlich können diese Versuche nicht ohne weiteres auf die lebende Schleimhaut übertragen werden. Casper 98 und Fixger ^^ haben dann die Tiefenwirkung des Argentum nitricum an der Haruröhrensclileimhaut des Hundes in vivo festzu- stellen versucht. Sie injizierten Hunden in die Urethra 2 proz. Argen- tumlösung und stellten dann in gleicher Weise wie Schäffer an Schnitten der Harnröhre mikroskopisch fest, dass das Medikament bei dieser Versuchsanordnung nicht nur bis in die untersten Epithellagen, sondern bisweilen (Casper) sogar bis in -die oberflächlichen Schichten des Bindegewebes einzudringen vermochte. Doch handelt es sich dabei um Lösungen, welche schon direkt ätzend wirken und bei der Behand- lung der akuten Gonorrhoe des Mannes kommt das Argentum nitricum nur in etwa 50 — 100 mal schwächerer Konzentration zur Anwendung. Große therapeutische Schlüsse können aus diesen Versuchen also nicht gezogen werden. Schließlich hat Scholtz ^s in der Breslauer Klinik an Patienten mit frischer Gonorrhoe in folgender Weise Versuche über die Tiefenwirkung der therapeutisch wichtigsten Antigonorrhoica angestellt. Patienten mit akuter Gonorrhoe machten in der üblichen Weise eine Injektion mit dem beti'effenden Mittel (Protargol 1 — 3^, Argentum nitricum und Argeu- tamin 1:3000 u. s. w.) und ließen die Lösung 20 — 30 Minuten in der Harnröhre. Nach Herauslassen der Einspritzung und vorsichtigem Aus- spülen der Urethra zur Beseitigung der noch zurückgebliebenen Reste des Medikamentes wurden nun mittels einer Oese oder eines kleinen Löffels vorsichtig die oberflächlichen Lagen des Schleimhautepithels ab- geschabt und das so gewonnene Material zur Hälfte mikroskopisch unter- sucht, zur Hälfte kulturell verarbeitet. Fand man in dem mikroskopisch untersuchten Teil mehr oder weniger reichlich Gonokokken, während die Kulturen vollständig oder nahezu steril blieben, so konnte man an- nehmen, dass die mikroskopisch nachweisbaren Gonokokken durch das eingespritzte Medikament größtenteils abgetötet worden waren, zumal Gonokokkenkulturen aus gewöhnlichem gonokokkenhaltigen Eiter nie 172 A. Neisser & W. Scholtz, fehlschlagen, selbst weuu Gonokokken mikroskopisch nur ganz spärlich nachweisbar sind. Diese Versuche ergaben jedenfalls so viel, dass auch die günstigsten Silberpräparate (Protargol) in der Konzentration, in welcher wir sie in der Harnröhre anwenden können, doch nur die oberflächlich auf der Schleimhaut gelegenen Gonokokken schnell und sicher abzutöten vermögen, während die Medikamente innerhalb der Epithelschichten der Schleimhaut offenbar nur noch eine entwicklungs- hemmende Wirkung zu entfalten vermögen. Damit stimmen ja auch die klinischen Beobachtungen völlig überein, welche täglich zeigen, dass auch nach einigen möglichst kräftig wirkenden antibakteriellen Injektionen nur die Wucherung der Gonokokken nachlässt und dieselben daher in den Eiterpräparaten nicht mehr nachgewiesen werden können, in der Tiefe dagegen stets noch entwicklungsfähige Gonokokken vor- handen sind, Avelche, wie dies Jadassohx i**^ treffend ausgedrückt hat, durch möglichst häufig wiederholte und lang fortgesetzte Injektionen gewissermaßen ausgehungert werden müssen. Praktische Bedeutung des Gonokokkennachweises. In praktischer Hinsicht liegt die Bedeutung des Gonokokkennach- weises darin, dass es nur auf Gnmd desselben unter allen Umständen erlaubt ist, die Diagnose »Gonorrhoe« mit voller Sicherheit zu stellen und die Infektiosität des Prozesses zu beweisen. Freilich gelingt es, wie schon erAvähnt, in älteren Tripperfällen nicht immer so ohne weiteres wie im akuten Stadium der Krankheit die Gonokokken zu finden. Bei einiger üebung und Geduld, bei Beherrschung der verschiedeneu Färbemethoden, deren Bedeutung wir ja ausführlich dargelegt haben, vor allem bei richtiger Anwendung des GRAMSchen Verfahrens, wird es allerdings auch unter ungünstigen Verhältnissen, also in Sekreten, in denen nur noch wenige Gonokokken, aber viele andere Bakterien vor- handen sind, meist noch gelingen, die Gonokokken in den Präparaten mikroskopisch nachzuweisen. Ge)vöhnlich ist es bei der Untersuchung von Sekreten chronischer Gonorrhöen vorteilhaft, sich erst mit schwacher Vergrößerung die eitrigen Stellen des Präparates, nach Neüberger speziell die alveolären Drüsenausgüsse, aufzusuchen, da sich hier noch am ehesten Gonokokken finden werden. In den Fällen, in denen dieses Vorgehen jedoch nicht zum Ziele führt, müssen wir dann die sogenannten P,rovokationsverfahren anwenden, welche den Zweck verfolgen, ein- mal in der Tiefe der Drüsen sitzende Gonokokken rein mechanisch an die Oberfläche zu bringen, und ferner durch die der Reizung folgende Hyperämie und seröse Durchtränkung der Schleimhäute, welche eine Ver- besserung des Nährbodens bewirken sollen, gewissermaßen abgekapselte oder latente Gonokokkenherde zu neuer Wucherung anzuregen. Die Methoden der Provokation, welche man hierzu anwendet, bestehen einmal in Injektionen chemisch reizender Mittel und ferner in mechanischer Expression und Reizung der Schleimhäute und können hier nicht näher beschrieben werden (vergl. die Arbeiten von Neisser, Jadassühn, Schultz u. a.). Jedenfalls gelingt es bei sachgemäßer Anwendung des Provokationsverfahrens verbunden mit eingehender mikroskopischer Untersuchung mit vollkommen genügender Sicherheit im Einzelfalle festzustellen, ob eine Urethritis gonorrhoisch und demnach noch infektiös ist. Dieses haben am überzeugendsten die Resultate von Neisser, Gonorrhoe. 173 TouTON, LöwENHARDT, ScHOLTZ 11. a. bei der Frage des Ehekonsenses darg'etban. Das Kultur verfahren kann im allgemeinen für die Frage, ob eine Uretbritis nocb als gonorrboiscb anzusehen ist, entbehrt werden, wenn man bei seiner Anwendung in der Regel auch etwas rascher als auf rein mikroskopischem Wege zum Ziele gelangt, wie dieses speziell ScHOLTZ^oi nachgewiesen hat. Die Annahme von Wertheim u. a., dass die Gonokokken bei chronischen Glonorrhöen infolge hochgradiger Degeneration nicht mehr färbbar und daher mikroskopisch nicht mehr nachweisbar wohl aber noch lebensfähig und übertragbar sein könnten, erscheint uns durchaus unbegründet, da einerseits in Präparaten akuter wie chronischer Gonorrhöen Degenerationsformen der Gonokokken über- haupt nur selten und jedenfalls nicht hochgradiger Art zu finden sind und anderseits unserer Erfahrung- nach Gonokokkenkulturen, in welchen mikroskopisch absolut keine Kokkenforraen sondern nur noch Detritus gefunden werden, auch nicht mehr überimpf bar sind. Hinsichtlich der Verifikation der Gonokokken haben wir uns bei der- artigen diagnostischen Kulturen darauf beschränkt nachzuweisen, dass die fraglichen Kolonieeu die wesentlichsten Charakteristika der Gono- kokken (Aussehen der Kolonie, Form der Kokken, Bildung von Degene- rationsformen, Entfärbung nach Gram) aufwiesen und derartige Kolonieen nur auf den Röhrchen mit Ascitesagar u. s. w. nicht aber auf den Kontroll- röhrchen mit gewöhnlichem Agar gewachsen waren. Auf die Darstellung exakter Reinkulturen haben wir dagegen in der Regel verzichtet. Von außerordentlich großem Wert und unentbehrlich ist dagegen die Heranziehung der Kulturmethode in Fällen, in denen es sich darum han- delt festzustellen, dass bestimmte extragenitale Atfektionen auf den Gono- coccus zurückzuführen sind. So ist z. B. bei Augenafiektionen und ebenso bei Mening-itis cerebrospinalis der Meningococcus iutracellularis von dem Gonococcus nur durch das Kulturverfahren mit Sicherheit zu unterscheiden, wie dies bereits erwähnt wurde. Aber auch bei Rektal - afiektiouen (Rektalgonorrhoe!) und bei der Vulvovaginitis kleiner Mädchen ist die Diagnose »Gonococcus« mikroskopisch bisweilen nicht mit vollster Sicherheit zu stellen. In manchen gerichtlichen Fällen dieser Art wird die Heranziehung des Kulturverfahrens daher geboten erscheinen (Koplik 102^ Bosc^os^ Neisserio4^ Steinschneider u. a.). Pathogene Eigenschaften. Der Gonococcus ist ausschließlich für den Menschen infektiös und es ist bisher noch nicht geluugen, eine wirklicli gonorrhoische Infektion bei Tieren hervorzurufen. Weder bei der Injektion in das Peritoneum, noch bei subkutaner Einspritzung, noch bei Einimpfung auf die Urethra oder die Conjunctiva kommt es beim Tier zu einer nennenswerten Ver- mehrung der Gonokokken, einem aktiven Eindringen derselben in die Gewebe und einer durch die Lebensäußerung der Gonokokken be- dingten pathogenen Wirkung. In den Experimenten von Wertheim, welcher Agar und Gonokokken in die Bauchhöhle von Mäusen brachte und hierdurch eine lokalisierte Peritonitis hervorrief, handelt es sich sicher nicht um eine echte Infektion. Die Versuche von Heller 105^ welcher bei jungen Kaninchen durch Ein- impfung von Gonokokken eine Ophthalmoblenorrlioe beobachtet haben wollte, haben keinerlei Bestätigung gefunden, und nur bei sehr reichlicher 174 A. Neisser & W. Sclioltz, EiuimpfuDg von Gonokokkeu iu das Peritoneum ist bisweilen eine leichte Vermehrung der Gonokokken und selbst eine Verschleppung in andere Organe nachgewiesen worden. Aber auch in solchen Fällen musste die pathogene Wirkung der Gonokokken allein oder vorwiegend auf die ein- geimpften Gonokokken bezogen werden. Die geringe Vermehrung der Keime fand wahrscheinlich überhaupt erst iu der Agoue oder nach dem Tode des Tieres statt und die Verschleppung der Gonokokken in andere Organe war yielleicht rein passiv durch die Leukocyten verursacht. Dagegen enthalten Gonokokkenkulturen Giftstoffe, welche auch auf den Organismus von Tieren, speziell Meerschweinchen, Mäusen, Kaninchen und Ziegen einigermaßen charakteristisch zu wirken ver- mögen. Allerdings bedarf es stets relativ großer Mengen dieser Gift- stoffe um einen Effekt zu erzielen. Meerschweinchen sterben nach intra- peritonealer Einspritzung von 5 — 10 ccm üppiger Bouillonkulturen oder Aufschwemmung von Serumagarkulturen nach anfänglicher Temperatur- erhöhung oder bei sehr hohen Dosen unter baldigem Tempera turabfall innerhalb von 20 — 36 Stunden. Aehnlich verhalten sich Mäuse bei Dosen von V2 — 1 ccm Serumbouillonkultureu, und in ähnlicher Weise — wenn auch nicht so prompt — reagieren Kaninchen bei intravenöser oder intraperitonealer Injektion. Bei subkutaner Einspritzung bilden sich bei Kaninchen bisweilen mehr oder weniger ausgesprochene Infil- trate, welche in den nächsten Tagen zu einer leichten Nekrose oder Abszedierung an dieser Stelle führen können. Bei Injektion nicht tödlicher Dosen beobachtet man besonders bei Kaninchen — nach Christmas auch liei Ziegen — Temperaturerhöhungen und Gewichtsabnahme. Doch ist der Verlauf beider nach den Unter- suchungen von Schultz nicht so charakteristisch wie dieses von Christmas angegeben wurde (vergl. Schäffer, Nikolayseniöö^ Wasser- mann, Christmas, Schultz). Andere charakteristische Krankheits- erscheinungen werden gewöhnlich nicht beobachtet und die Angaben von Motschanoff i'^^, dass Meerschweinchen und Mäuse bestimmte Ner- vensymptome nach Gonokokkenimpfung zeigen sollen, haben bisher keine Bestätigung gefunden. Die bei den Tieren wirksamen Giftstoffe sind nach den Untersuchungen der meisten Autoren (Nikolaysex, Wassermann, Scholtz) iu den Gonokokkeuleibern selbst enthalten. Es handelt sich also um ein Bakterienprotein, und echte Toxine scheint der Gonococcus nicht zu produzieren. Die Annahme solcher in den Filtraten vorhandener Toxine (Christmas) findet wohl darin ihre Erklärung, dass der Gonococcus, wie bereits erwähnt, in den Kulturen außerordentlich schnell abstirbt und aufgelöst wird, so dass die in ihm enthaltenen Giftstoffe naturgemäß auch in Filtraten von Serumbouillonkulturen, welche erst 24 Stunden alt sind, bereits gefunden werden müssen. Nikolaysen hat das in den Gonokokkeuleibern enthaltene Gift, durch Trocknen und Verreil)en der Gonokokken, auch in trockner konzentrierter Form dargestellt uud dabei gefunden, dass die Dosis letalis minima des trocknen Giftes für Mäuse 0,01 g beträgt. Die Giftstoffe des Gonococcus vertragen wie die meisten Bakterien- proteine höhere Temperaturen ziemlich gut, und sell)st beim I>hitzeu auf 100° verlieren sie erst nach längerer Zeit ihre Wirksamkeit. Eine Immunisierung gegen diese Giftstoffe ist bei Tieren nicht oder nur sehr schwer und nur in geringem Grade zu erreichen. Nur Christmas und seine Schüler haben über derartige Immunisierung Gonorrhoe. 175 berichtet. Dieselbe gelang ilmen diircli laug fortgesetzte Injektionen steigender Giftmengeu bei Kaninchen und besonders bei Ziegen, und durch Vorbehandlung mit dem Serum derartig immunisierter Tiere konnten diese Autoreu auch eine passive Immunisierung bei Kaninchen erzielen. Eine Bestätigung haben diese Untersuchungen von anderer Seite jedoch noch nicht gefunden. Die Giftstoffe, welche der Gouococcus enthält, wirken nicht nur auf Tiere, sondern rufen auch beim Menschen charakteristische Erscheinungen hervor. Bei subkutanen Injektionen der Giftstoffe beobachtete Wertheim an der Injektionsstelle erysipclartige Rötung und Schwellung, und Wassermann konstatierte dabei mäßige Temperatursteigerungen mit mehr oder weniger ausgesprochenen Glieder- und Muskelschmerzen. BuMM und Steinschneider sahen dagegen derartige Injektionen völlig symptomlos verlaufen. Injektionen des Giftstoffes in die Urethra rufen nach den Beobachtungen von Kraus & Grüzs^**^, Schäffer, Schultz und Christmas nach 6 — 12 Stunden eine mäßige eitrige Sekretion hervor, welche spätestens nach 24 — 48 Stunden wieder vorübergegangen zu sein pflegt. Doch tritt eine derartige Eiterung auch nach Einspritzung anderer abgetöteter Bakterienkulturen, z. B. Staphylokokken, Colibazilleu u. s. w. auf und ist für den Gouococcus mithin keine spezifische (Kraus & Grozs, Schultz). Eine allgemeine Immunität gegen diese Giftstoffe tritt bei Menschen dabei nicht auf, wie dies die WASSERMANNSchen Versuche gezeigt haben und auch aus klinischen Beobachtungen von gonorrhoischen Allgemein- infektionen geschlossen werden darf. Bei dem Menschen sind vornehmlich die Schleimhäute für den Gouococcus empfänglich, doch differiert die Empfänglichkeit der einzel- nen Schleimhäute nicht nur in hohem Maße, sondern sie ist auch in den verschiedenen Lebensaltern eine verschieden große. Fast mit absoluter Sicherheit und Regelmäßigkeit haftet die Infektion an der Urethral- schleimhaut und bei ihr besteht auch keine sehr große Differenz in den verschiedenen Lebensaltern. Dann folgt die Conjunctiva, welche in der Kindheit ganz außerordentlich leicht infiziert wird, während ihre Empfänglichkeit mit zunehmenden Alter offenbar nachlässt, da trotz reichlicher Infektionsgelegcnheit eine Ophthalmoblennorrhoe bei Er- wachseneu nur selten beoljachtet wird. Beim Weibe sind dann die Schleimhäute der Vagina, der Cervix, des Uterus und der Tuben sehr empfänglich, doch wechselt ihre Disposition mit dem Lebensalter in hohem Maße. Beim Kind erkrankt die Vaginalschleimhaut fast regelmäßig, beim erwachsenen Mädchen schon seltener und bei Frauen, welche geboren haben, fast nie mehr. Dagegen erkrankt die Schleimhaut des Uterus und seiner Adnexe im Kindesalter nur selten (Gassmann lo»), während bei der Frau die Cervikal- und Uterusschleimhäute ganz außerordentlich leicht infiziert werden. Zum Teil kann die seltene Erkrankung des Uterus beim Kind allerdings auch darin seinen Grund haben, dass die Cervix beim unreifen Mädchen noch fest geschlossen ist. Ziemlich empfänglich scheint auch die Schleimhaut des Rectums zu sein. Infektionen derselben beobachtet man hauptsächlich bei Frauen, was zweifellos darauf zurückzuführen ist, dass der aus der Vagina aus- fließende gonorrhoische Eiter hier leichter als beim Manne mit der Rektalschleimhaut in Berührung kommen kann. Nach den Untersuchungen von JuLLiENiiö ixnd Baer^ii scheint die Rektalgonorrhoe bei gonorrhoischen 176 A. Neisser & W. Scholtz, Frauen sogar recht häufig zu sein und soll etwa in einem Drittel aller Gonorrhoefälle vorkommen. Jedenfalls verläuft die Rektals'onorrhoe der Frauen oft symptomlos und wird daher häufig nur durch eine genaue Untersuchung aufgedeckt. Immerhin erscheint es nach den Beobach- tungen der meisten Autoren noch zweifelhaft, ob die Erkrankungen wirklich in einem so hohen Prozentsatz, wie es speziell Baer angegeben hat, aufzutreten pflegen. Weniger empfänglich ist beim Manne und Weibe die Schleimhaut der Blase und eine gonorrhoische Entzündung derselben gehört zu den Seltenheiten. Fälle derart sind von Wertheim ^^^^ Barlowi^^^ Audry^i^, Krogius^i^, Rovsing ii*^, Bierhoff i'", Heller ^^^ und Jadassohnii^ be- schrieben worden. Ganz außerordentlich selten, gewissermaßen Kuriositäten, sind gonor- rhoische Erkrankungen der Nasen- und Mundschleimhaut und des Thränensackes. Gonorrhoische Erkrankungen der Mundschleim- häute sind zuerst vonRosixSKi^^o jj^j Neugeborenen durch den kulturellen Nachweis des Gonococcus ein wandsfrei festgestellt worden. Später ist dann auch von JesioxerI^i bei einer Erwachsenen eine gonorrhoische Stomatitis kulturell festgestellt worden und auch die Fälle von Käst ^-^, C0LOMBIN1123 u. a., welche klinisch ähnlich wie diejenigen von Rosinski verliefen und bei welchen mikroskopisch typische Gonokokken nachzu- weisen waren, können wohl als eiuwandsfrei angesehen werden. Bei der Erkrankung all dieser Schleimhäute findet die Wucherung der Gonokokken wesentlich auf der Schleimhaut und zwischen den Epithellageru derselben statt, doch kommt es den Untersuchungen von BuMM und Finger zufolge im Verlauf der Erkrankung fast regelmäßig auch zu einem Eindringen der Gonokokken in die obersten Schichten des submucösen Bindegewebes. Allerdings handelte es sich bei den Versuchen von Fixger 124 um dekrepide, moribunde Personen, deren Gewebe sehr wohl dem Eindringen der Gonokokken einen geringeren Widerstand entgegensetzen können, als dies bei gesunden Männern der Fall sein dürfte, und auch die Befunde von Bumm, welche sich zudem nur auf die Konjunktiven von Neugeborenen beziehen, haben keine allgemeine Bestätigung gefunden. Durch die Lebensthätigkeit der Gonokokken und die Wirkung ihrer Giftstoffe kommt es dabei zu einer starken Erweiterung und serösen Durch tränkuug der Schleimhaut, sowie einer reichlichen Auswanderung von Eiterkörperchen. Durch das Eindringen der Gonokokken zwischen die Epithelzellen, durch die seröse Exsudation, und vor allem durch die Emigration der Leukocyten w^ird die Verbindung der Epithelzellen ge- lockert, dieselben auseinander geworfen und an manchen Stellen das Epithel vollständig abgehoben. Mit dem Nachlassen der Entzündung kommt es dann zu einem Ersatz des geschädigten oder zu Grunde ge- gangenen Epithels. Dabei greift speziell in der Urethra eine aus- gesprochene Metaplasie des Epithels Platz, indem sich das cylindrische Epithel in ein mehr kubisches und sogar plattenförmiges umwandelt (Finger). Im submucösen Bindegewebe findet sich starke Gefäß- erweiterung, seröse Durchtränkung und eine hochgradige Infiltration mit Rundzellen und polynukleären Leukocyten. Mit Umwandlung des Cylinderepithels in ein mehr j)lattenförmiges nimmt nach den Untersuchungen speziell von Finger die Wucherung der Gonokokken nicht nur ab, sondern sie beschränkt sich wesentlich auf die Oberfläche des Plattcnepithels und nur in der Umgebung der Gonorrhoe. 177 Drüsen und Krypten blcil)t die Wucherung aucli in der Tiefe bestehen. Schließlich finden sich die Gonokokken nur noch an derartig-en verein- zelten Stellen. Der g-onorrhoische Prozess bleibt auf einzelue derartige Herde beschränkt und die Gonorrhoe ist damit in das chronische Stadium getreten. Es ist noch recht zweifelhaft, worauf das Chrouischwerden der Gonorrhoe eigentlich zurückzuführen ist, worauf es beruht, dass die Gonokokken schUeß- lich nicht mehr stärker wuchern und keine intensivere Entzündungserschei- nungen mehr hervorrufen. Drei Ursachen können im allgemeinen hierfür in Betracht kommen: 1. eine Virulenzabschwächung des Gonococcus, 2. eine Immunität des Körpers gegen den Infektionserreger, 3. eine Veränderung der befallenen Schleimhäute, gewissermaßen eine Verschlechterung des Nährbodens, welche eine stärkere Wucherung des Gonococcus unmöglich macht. Eine Virulenzabschwächung der Gonokokken in chronischen Gonorrhöen lässt sich zunächst nicht nachweisen. Gonokokken aus chronischen Gonorrhöen erweisen sich im Experiment als ebenso infektiös wie solche aus akuten (J ADASSOHN ^25 und Wertheim 126]^ uiid auch natürUche gonorrhoische Infektionen verlaufen in ganz gleicher Weise, mag die Infektionsquelle mm eine akute oder chronische Gonorrhoe gewesen sein. Die Behauptung, dass Infektionen von chronischen Gonorrhöen von vornherein chronisch verlaufende Gonorrhöen hervorrufen, ist wesentlich von Gynäkologen (z. B. Sänger) behauptet Avorden. Dabei handelt es sich aber sicher meist um Beobachtungsfehler, wie dies von Neisser und Jadassohn wiederholt betont worden ist. Es beruht dies einmal darauf, dass auch eine akute Gonorrhoe der Urethra von den Frauen oft genug gar nicht bemerkt oder beachtet Avird und hat ferner darin seinen Grund, dass durch eine chronische Gonorrhoe des Mannes bei der Frau ge- wöhnlich zuerst nur die Cervix infiziert wird, da erst bei der Ejakulation geringe Mengen infektiösen Materials übertragen werden. Eine Erkrankung der Cervix verläuft aber bekanntlich zunächst fast stets beinahe symptomlos, gleichgiltig ob die Infektion durch eine akute oder chronische Gonorrhoe be- wirkt wurde. Allerdings kommen — wenn auch recht selten — beim Manne wie bei der Frau Gonorrhöen vor, welche in der That von Anfang an ohne stärkere Entzündungserscheinungen, also gewissermaßen chronisch, verlaufen; aber es ist dies nicht auf die Art der Infektionsquelle, sondern auf die indi- viduelle Disposition der Urethra zurückzuführen (Neisser, Jadassohn). Eine Immunisierung des Körpers gegen Gonokokken findet bekanntlich absolut nicht statt. Selbst wiederholte Gonorrhöen und gonorrhoische All- gemeininfektion schützen in keiner Weise vor neuer Ansteckung. Eiue lokale Veränderung der Schleimhaut in dem Sinne einer lokalen Verschlechterung des Nährbodens scheint in geringem Grade bei der chronischen Gonorrhoe zwar vorzuliegen, völlig unempfänglich wird die Schleimhaut dabei aber durchaus nicht für den Gonococcus. Impft man Leute mit chronischer Gonorrhoe, in deren Sekrete Gonokokken noch nachweisbar sind, mit gonor- rhoischem Eiter fremder Provenienz oder mit Gonokokkenkulturen — selbst den umgeimpften eignen Gonokokken — so resultiert fast regelmäßig eine akute Gonorrhoe, die Patienten sind, wie man sich ausdrückt, »superinfiziert« wor- den. Eine geringe Verschlechterung der Urethralschleimhaut als Nährboden lässt sich dabei allerdings bisweilen erkennen, denn diese Superinfektionen verlaufen gewöhnhch etwas milder und schneller, gewissermaßen abortiv und Handbucli der pathogenen Mikroorganismen. HI. X2 178 A. Keisser & W. Scholtz, die Infektion selbst haftet nicht so sicher wie bei normalen Schleimhäuten. Mit diesen experimentellen Feststellungen, welche wir wesentlich Wertheim, Fixger und Jadassohx verdanken, stimmen auch die klinischen Thatsacheu gut überein. Ein Mann mit einer chronischen Gonorrhoe heiratet, er infiziert seine Frau, und dieselbe erkrankt an einer akuten Gonorrhoe. Eine Virulenzabschwächung des Gonococcus war in dem chronischen Stadium der Gonorrhoe also nicht eingetreten. Sobald die akute Gonorrhoe bei der Frau ausgebrochen ist, wird der Mann meist durch dieselbe reinfiziert, resp. superiufiziert. Auch er erkraukt an einer akuten Gonorrhoe. Für die umgezüchteten eignen Gonokokken ist seine Urethralschleimhaut also gewöhnlich voll empfänglich und nur bisweilen bleibt diese Reinfektion aus, da die Infektion mit den umgezüchteten Gono- kokken ebenso wie im Experiment auf eiuer derartig chronisch erkrankten Schleimhaut doch nicht so sicher haftet, wie auf einer normalen Urethra. AVir werden nach alledem zur Erklärung der chronischen Gonorrhoe einmal die Veränderung der Schleimhaut, welche dem Wachstum der Gono- kokken weniger günstig als eine normale Schleimhaut ist, heranziehen, und ferner eine Abschwächung der Wachstumsenergie des Gonococcus in chronischen Fällen supponieren müssen, welche allerdings bei Uebertragung des Gonococcus auf einen neuen günstigen Nährboden sofort wieder beseitigt ist. Um diese Verhältnisse anzudeuten, bedient man sich gewöhnlich des Ausdruckes einer »gegenseitigen Angewöhnung zwischen Schleim- haut und Gonococcus«. Natürlich dürfen als chronische Gonorrhöen überhaupt nur solche Er- krankungen bezeichnet werden, bei welchen Gonokokken wirklich noch vorhanden sind; dies ist aber durchaus nicht bei allen chronischen Urethritiden der Fall. Im Gegenteil die große Mehrzahl jener äußerst chronischen Harn- röhrenentzündungeu , welche sich klinisch noch durch die bekannten Urin- filamente oder höchstens des Morgens gelegentlich durch einen kleinen schleimig- eitrigen Sekrettropfen bemerkbar machen, ist nicht mehr auf die unmittelbare Wirkung von Gonokokken zurückzuführen. Derartige postgonorrhoische, nicht mehr infektiöse Urethritiden werden lediglich durch die hochgradigen, oft irreparabelen Veränderungen der Harnröhrenschleimhaut bedingt, welche als Folgen der verschleppten oder wiederholten Gonorrhöen zurückgeblieben sind. Zweifellos wird die Ausheilung dieser Schleimhautveränderungen wesentlich dadurch erschwert, dass die erkrankten Stellen schon durch den Harnstrahl und durch Erektionen fortwährend von neuem gereizt werden, und dann scheinen auch Bakterien verschiedener Art, welche an diesen pathologischen Stellen der Schleimhaut sich anzusiedeln und hier reichlich zu wuchern vermögen, imstande zu sein, die Erkrankung zu erhalten, ja gelegentlich zu steigern (Scholtz). In welcher Weise eine erfolgreiche Untersuchung auf Gonokokken in solchen Fällen vorgenommen werden muss, ist bereits oben besprochen worden und es genügt hier nochmals darauf hinzuweisen, dass solche Untersuchungen zwar eine gewisse Sachkenntnis erfordern, die Resultate dann aber durchaus befriedigend sind. Ueberall, wo die Schleimhaut Ausstülpungen trägt oder Drüsengänge in dieselbe münden, setzt sich auch der gonoiTboische Prozess in diesen Drüsenausführungsgängen fort. Speziell erkrankten in dieser Weise die Ausfülirungsgänge der LiTTKEscheu und CowPERSchen Drüsen, in der pars i)osterior der Urethra die Ausführungsgänge der Prostata, und beim Weibe die Aiisführungsgänge der Bak riioMNischen Drüsen. Auch hierbei siedelt sieh der Gonococcus wesentlich auf und in dem Epithel der Gonorrhoe. 179 Drüsengänge an. Speziell bei der Prostata und den BARTHOLixisclien Drüsen kommt es dabei nicht selten dm'ch Verstopfung des Aus- fUlirungsganges zu einer starken Eiteransammlung in dem Drüsengange und dadurch oft zu ziemlich bedeutender Ausdehnung desselben. Die gonorrhoischen Abszesse der Prostata und BARTiiOLiNischen Drüsen sind also in der Regel Pseudoabszesse, wie dieses speziell von Jadassohx127 nachgewiesen wurde, und nur selten handelt es sich um eine wirkliche Vereiterung der Drüsensubstanz selbst. Auch bei der Epididymitis gonorrhoica müssen wir eine Ent- stehung per contiguitatera annehmen. Wir müssen uns vorstellen, dass der Gonococcus ähnlich wie bei den übrigen Drüsenausführungs- gängen in das Vas deferens eindringt, sich hier allmählich ausbreitet und auf diese Weise schließlich bis in den Nebenhoden gelangt. Dass dabei im Samenstrang klinisch häufig keine Krankheitserscheinungen nachweisbar sind, lässt sich aus den anatomischen Verhältnissen wohl genügend erklären. Immerhin muss man auch die Möglichkeit in Be- tracht ziehen, dass die Verschleppung der Gonokokken nach dem Neben- hoden auch auf andere Weise durch uns unbekannte Kräfte innerhalb des Samenstranges erfolgen kann und auch eine Verschleppung auf anderem Wege — durch die Lymph- oder Blutbahnen — nicht ausge- schlossen ist. Dagegen dürfen wir es nach den vorliegenden Unter- suchungen wohl als sicher annehmen, dass die Epididymitis in der That stets durch verschleppte Gonokokken selbst verursacht wird, mithin eine wirkliche gonorrhoische Entzündung darstellt und andere Bakterien (Orchicoccus von Eraud & d'Arlhac), zirkulierende Gono- kokkentoxine oder andere Ursachen hierbei keine Rolle spielen. Dass der Beweis hierfür das Auffinden von Gonokokken im Nebenhoden so selten gelungen und meist nur bei vereiterten Epididymitiden erbracht worden ist (Routier128^ Grozs^^o^ Collaxi^o^ ColombixiI'^i, Hartuxg i32 und Wittte'33)^ liat vornehmlich darin seinen Grund, dass Punktionen von Epididymitiden besonders im Beginn der Erkrankung überhaupt sehr selten ausgeführt worden sind. Schließlich kommen beim weiblichen Geschlecht auch die Er- krankungen der inneren Genitalien und ihrer xidnexe speziell der Tuben, Ovarien und des Peritoneums wesentlich durch Ausbreitung des gonorrhoischen Prozesses per contiguitatem zustande. Wie beim Manne am äußeren Schließmuskel, so findet der Gonococcus beim Weibe am inneren Muttermund zunächst eine Barriere, welche er aber früher oder später — gewöhnlich gelegentlich der Menstruation, eines Exzesses oder während des Puerperium — überschreitet und nun in das Cavum uteri eindringt. Vom Uterus gelangt der Gonococcus durch die Tubenostien weiter auf die Schleimhaut der Tuben. In den Tuben kommt es dabei gewöhnlich zu stärkeren Eiteransammlungen, so dass dieselben oft wahre Eitersäcke darstellen und durch gelegentlichen Austritt dieses gonokokken- haltigen Eiters durch das Ostium abdominale auf das Bauchfell entstehen Entzündungen des Peritoneums selbst. Wenn solche Peritonitiden dem- nach auch mit Recht als wirklich gonorrhoisch zu betrachten sind, so findet der Gonococcus auf dem Peritoneum offenbar doch keine günstigen Wachstumsbedingungen, da derartige gonorrhoische Bauchfellentzündungen sich nicht auszubreiten und unter Verdickungen und Verklebuugen der infizierten Peritonealstellen bald abzuheilen pflegen. Freilich kann sich durch erneuten Austritt gonorrhoischen Eiters das Spiel dabei öfters wiederholen. 12* 180 A. Neisser & W. Scholtz, Wie die verdienst vollen üntersuclnmgen von Wertheim aber weiter gezeigt halten, bleibt das Wacbstnm des Gonococcus in den Tuben nicht auf die Schleimbaut beschränkt, sondern derselbe durchwuchert schließlich die ganze Wand der Tuben und dringt auch in die Ovarien ein. Auch auf diesem Wege können mithin gonorrhoische Erkrankungen und Abszedierungen der Ovarien und Entzündungen des Peritonealüber- zuges der Adnexe entstehen. Endlich hat Wekitieim auch nachgewiesen, dass der Gonococcus vom Uterus durch die Lymphspalten direkt in die Parametrieu eindringen und Entzündungen derselben veranlassen kann. Freilich bleibt bei all diesen Erkrankungen der Adnexe der Gono- coccus nicht immer der alleinige Erreger, sondern ziemlich häufig treten Sekundärinfektionen hauptsächlich mit Staphylokokken und Strepto- kokken hinzu, welche dann das Krankheitsbild in der mannigfachsten Weise variieren kijnnen, aber das ist durch die Untersuchungen von Wertiieim zuerst einwandsfrei festgelegt und durch zahlreiche weitere Beobachtungen bestätigt worden, dass der Gonococcus auch alleine all diese Erkrankungen verursachen kann und die anderen Bakterien ge- wöhnlich nur Sekundärinfektionen darstellen. Während der Gonococcus in erster Linie als reiner Schleimhaut- parasit zu gelten hat, und nur gelegentlich tiefer in das submucöse Bindegewebe eindringt, kann er in Ausnahmefällen auf dem Wege der Lymph- und Blutbahn auch in entferntere Körperteile verschleppt werden und zu metastatischen Erkrankungen führen. In seiner pathogeneu Wirkung tritt er dann auf dieselbe Stufe wie der Staphylo- coccus und andere pyämische Eitererreger. Die Verschleppung des Gonococcus auf dem Wege der Lymphbahn ist sichergestellt durch den Nachweis des Gonococcus in eitrigen Inguinaldrüsen (Colombixi i34^ Mysingi^s] und im Blut ist der Nach- weis des Gonococcus Tiiayer & Blumer i^fi^ Ahmanx^^^^ Ungeri^s ^ud Prochaska 139 einwandsfrei durch die Kultur gelungen, und Wertheim fand Gonokokken in einem thrombosierten Blutgefäß der Blase. AVie pyämische Eitererreger so siedelt sich auch der Gonococcus, einmal durch den Blutstrom verschleppt, mit Vorliebe an gewissen Prädilektionsstellen an. Diese Lieblingslokalisationen sind beim Gono- coccus ähnlich wie bei anderen pyämischen Eitererregern die Synovial- membran der Gelenke und Sehnenscheiden, die Herzklappen, in seltenern Fällen die serösen Häute und das Unterhautzellgewebe. Die Erkrankungen an diesen Stellen sind ganz ähnlich wie bei andern Eitererregern. In den Gelenken handelt es sich wesentlich um seröse oder eitrige Ergüsse, wobei der Gonococcus wahrscheinlich in der Synovialmembran selbst wuchert und zu eitrigen Einschmelzungen dieser und der Knochenenden und dadurch zu adhäsiven Entzün- dungen und Ankylosen führen kann, während auf den Herzklappen wesentlich verruköse Auflagerungen, seltener Ulzerationen mit ihren Folgen hervorgerufen werden und im L^nterhautzellgewebe blutig-eitrige Abszesse entstehen. Die gonorrhoischen Arthritiden, welche bekanntlich nicht gerade selten sind, kommen im Anschluss an Gonorrhoe der Urethra sowohl bei Männern wie Frauen vor und sind in seltenen Fällen (PaulsenI^i) auch im Verlauf von Ophthalmoblennorrhoea neonatorum beobachtet Avorden. Ob für die Verbreitung der Gonokokken im Gesamtorganismus ein besonders hoher Virulenzgrad derselben (Balzer 1^2] oder besondere anatomische Verhältnisse der Urethra (Finger 1*3) anzuschuldigen Gonorrhoe. 181 sind, erscheint sehr zweifelhaft, nud wir Averden uns vorläufig wohl damit beg'nüg-eu müssen, eine eigene »Disposition« der betreffenden Patienten anzunehmen. Hierfür spricht auch die Beobachtung, dass die Arthritiden mit jedem Aufflackern der Genitalerkrankung ebenfalls zu exazerbieren pflegen. Uebrigens ist dies auch ein Beweis für die Wichtigkeit der Behandlung der Genitalerkrankung als solcher in Fällen von gonor- rhoischer Allgemeininfektion. (Vergi. IV. Internat. Dermat. Kongress zu Paris 1900.) In der Pegel pflegen gonorrhoische Metastasen beim Manne erst im Anschluss an eine gonorrhoische Erkrankung des hinteren Urethral- abschnittes aufzutreten, doch kommen sie bisweilen auch bei reiner Gonorrhoea anterior vor. Nach den neueren Untersuchungen, besonders von Nasse & Pind- FLEiscii 1^^, YouNG ^^^ und Bauk i^f' scheinen fast alle Gelenkerkrankungen im Verlauf von Gonorrhöen auf die Einwanderung von Gonokokken selbst in die Gelenke zurückzuführen zu sein. Zirkulierende Gonokokken- gifte kann mau höchstens noch für die leichten rheumatischen Gelenk- schmerzen und flüchtige Gelenkschwellungen verantwortlich machen, und auch die Bedeutung der Misch- und Sekimdärinfektionen bei gonor- rhoischen Arthritiden hat eine wesentliche Einschränkung erfahren. Nachdem bereits von Respighi, Hock, E. Neisser, Hausiialter, Griffün, Jundell, Colombini, Bordoni - Uffreduzzi , Mercier & Meteucer, Fixger & Schlagexhufer, Schultz u. a. (Litteratur bei Bexneckei^^) kulturell bei gonorrhoischen Arthritiden Gonokokken nach- gewiesen worden waren, ist durch eine große Untersuchungsreihe von RiXDFLEiscii & Nasse, sowie von Baur der Beweis geliefert worden, dass bei geeignetem Vorgehen etwa in zwei Drittel der Fälle in den erkrankten Gelenken Gonokokken gefunden werden. Rixdfleiscu & Nasse fanden unter 30 Fällen gonorrhoischer Arthritis 19 mal kulturell Gonokokken, und Baur bei 27 gonorrhoisch erkrankten Gelenken eben- falls 19 mal. Die Hauptsache ist, dass die befallenen Gelenke frisch untersucht werden, da die Gonokokken in den Gelenkexsudaten offenbar rasch absterben und höchstens noch in der Synovialmembran längere Zeit weiterwuchern. Baur hat Gonokokken nie später als 6 Tage nach dem Auftreten der Arthritis gefunden. Untersucht man die Gelenke so zeitig, so findet man die Gonokokken auch in der Pegel in Peinkultur und nur selten neben denselben noch andere Eiterkokken, noch seltener Staphylokokken und Streptokokken allein. Baur fand überhaupt nur ein einziges Mal neben den Gonokokken auch Staphylo- kokken. Es berechtigen diese Untersuchungen wohl zu der An- nahme, dass alle oder fast alle ausgesprochenen Arthritiden im Verlaufe von Gonorrhöen ausschließlich durch Gono- kokken selbst erzeugt werden, andere Eitererreger in der Pegel nur als Sekundärinfektion hinzutreten und auf zirku- lierende Toxine höchstens ganz flüchtige Gelenkschwellungen bezogen werden dürfen. Ganz ähnlich wie bei den gonorrhoischen Arthritiden liegen die Verhältnisse bei den gonorrhoischen Entzündungen der Sehnenscheiden und Schleimbeutel, in denen von Juxdell ^^s, Seifert 1*9^ Aiimanx1-''0 u.a. Gonokokken kulturell nachgewiesen worden. Vielfach diskutiert ist das Vorkommen und die Häufigkeit echter gonorrhoischer Endokarditiden. Seit von Lexharz isi, Thayer & 182 A. Neisser & W. Scholtz, Blumer, sowie Unger Gonokokken kulturell in den Klappenauflagerungen nachgewiesen worden sind, steht das Vorkommen wirklich gonorrhoischer Klappenerkrankungeu außer allem Zweifel und wir dürfen jetzt auch die Fälle, von Leyden, Finger, Dauber & Borst, Michaelis, Cara- GEORGiADES, SiGHEiM u. a., in denen der Gonokokkeuuachweis nur mikroskopisch geführt werden konnte, ebenfalls als zweifellos echt gonor- rhoischer Natur ansprechen. Ja auf Grund der klinischen Beobachtungen dürfen wir jetzt an- nehmen, dass Herzklappenerkrankungen durch Gonokokken gar nicht so sehr selten vorkommen, aber häufig benigne verlaufen. Auch Entzündungen der serösen Häute, speziell der Pleura, infolge von Gonokokkenmetastasen dürften nach den klinischen Beobachtungen (DucREY, Finger, Perrin, Rosenthal, Hansen u. a.) nicht ganz so selten sein, wie dies nach dem bereits erwähnten seltenen Nachweis der Gonokokken in solchen Fällen scheinen könnte. Durch kulturelle Untersuchungen von Lang^^^^ Horwitz^^^^ Bujwid's-Ij Scholtz und Hansen ^^s ist ferner auch das Vorkommen metastatischer, gonorrhoischer Abszesse im Unterhautbinde- gewebe sichergestellt worden, und von Finger, Ghon & Schlagen- iiUFER ist eine eitrige Periostitis, von UllmannIsö schließlich eine eitrige Osteomyelitis durch den Nachweis der Gonokokken in Ptcin- kultur als gonorrhoische Metastase erkannt worden. Nach den klinischen Beobachtungen dürfte es endlich als wahr- scheinlich gelten, dass auch eine Iritis durch Metastasierung der Gono- kokken entstehen kann, wenn der strikte bakteriologische Beweis hierfür auch noch fehlt. Die prozentuale Häufigkeit gonorrhoischer Metastasen ist schwer festzustellen und beträgt nach der umfassenden Statistik Neis- SERsis^ welche sich auf die Gesamtbevölkerung Breslaus aufbaute, 0,7^ aller zur ärztlichen Kenntnis gelangten Gonorrhoefälle. Am häufigsten werden die Gelenke und Sehnenscheiden ergriffen, dann folgen die Herzklappen und weit seltener finden sich Metastasen an den serösen Häuten und im Unterhautzellgewebe. Während diese Erkrankungen als sicher gonorrhoisch durch den kulturellen Nachweis des Gonococcus festgestellt sind, ist es bei ein- zelnen anderen Aöektionen speziell Erkrankungen der Haut und des Nervensystems noch recht unsicher, inwieweit der Gonococcus als die unmittelbare Ursache aufzufassen ist. Die im Zusammenhang mit der Gonorrhoe beobachteten Hautex- antheme kommen bald in Form einfacher Erytheme, bald in Form von urtikariellen und knotenartigen Ausschlägen vor, bald stellen sie P)lutungen und Blasen er uptionen, bald eigenartige Hyper- keratosen dar. Ihr Zusammenhang mit der Gonorrhoe wird vornehmlich durch ihr Auftreten zugleich oder im Anschluss an eine Gonorrhoe und zwar meist zusammen mit gonorrhoischen Allgemeininfektioueu dar- gethan und tritt oft dadurch' besonders deutlich in Erscheinung, dass die Hautcruptionen bei jedem Auffiackern der allgemeinen Infektion ebenfalls zuzunehmen pflegen. Welcher Art dabei die ätiologische Beziehung zwischen dei; Gonorrlioe und den beschriebenen Exanthemen ist, ist noch sehr zweifelhaft. In manchen Fällen dürfte es sich dabei zum Teil um echte Metastasen Gonorrhoe. 183 des Krankheitserregers in die Haut handeln. Hierfür spricht besonders die Beobachtung von Scholtz, welcher aus zwei Effloreszenzen eines knoten- und knötchenförmigen gonorrhoischen Exanthems zwei Haut- abszesse entstehen sah, in welchen Gonokokken kulturell nachgewiesen werden konnten. In anderen Fällen dürfte die Annahme von BuschkeI^^, dass die gonorrhoischen Exantheme durch die zirkulierenden Gift- stoffe des Gonococcus hervorgerufen werden, mithin toxische Ex- antheme darstellen, zutreffend sein. Bisweilen dürfte schließlich nicht die Gonorrhoe und der Gonococcus als solcher, sondern die Gen italer krankung an sich reflektorisch die Hauterscheinung bedingen, wie dies besonders von Levin und Finger vertreten worden ist. Bei den Erkrankungen des Nervensystems, welche während oder im Anschluss an eine Gonorrhoe beobachtet werden, hat man zwischen lokalisierten Formen gonorrhoischer Nervenerkrankungen und all- gemeinen funktionellen Neurosen zu unterscheiden. Nur erstere können in einen direkten Zusammenhang mit der Gonorrhoe und dem Gonococcus gebracht werden, während letztere nur eine Folgeerscheinung der Genitalerkrankung als solcher darstellen und daher hier nicht näher besprochen zu werden brauchen. Eulenburci ^^^ unterscheidet bei den lokalisierten Formen gonorrhoischer Nervenerkrankung: 1. Neuralgische Affektionen, besonders Ischias. 2. Muskelathrophieen und atrophische Lähmungen und 3. Neuritiden und Myelitiden im engereu Sinne. Für die Selbständigkeit dieser Erkrankungen und ihren ätiologischen Zusammenhang mit der Gonorrhoe spricht ihr Auftreten bei noch be- stehender oder im Anschluss an frisch abgelaufene Urethralgonorrhoe, ferner besonders ihr gleichzeitiges Vorkommen zusammen mit anderen gonorrhoischen Metastasen und schließlich gewisse symptomatische Eigentümlichkeiten der betreffenden Nervenaflektion selbst. In letzterer Hinsicht ist besonders zu erwähnen, dass die neuralgischen Erkran- kungen mit Vorliebe in der Form von Ischias oder als Achillodynie auf- treten und sich die Muskelatrophieen und atrophischen Lähmungen vor- zugsweise an die gonorrhoischen Gelenke anschließen. Für alle diese Nervenerkrankungen ist der Gonococcus selbst als ätiologisches Moment noch nie mit Sicherheit nachgewiesen worden. Immerhin ist die Möglichkeit, dass es sich auch hier zum Teil um echte gonorrhoische Metastasen handelt, nicht von der Hand zu weisen. In anderen Fällen mag es sich auch um T oxin Wirkung handeln. Diese Auffassung ist besonders durch die Versuche von Wassermann an sich selbst und die Experimente von Moltschanoff, welcher bei Injektion von Gonokokkentoxin bei Mäusen Paresen und Lähmungen der Extremitäten beobachtet und pathologisch anatomisch bei solchen Tieren Veränderungen an den Zellen der Rückenmarks- wurzeln und hinteren Stränge nachweisen konnte, wahrscheinlich ge- macht. Eine Bestätigung haben diese Versuche allerdings noch nicht gefunden. Bisweilen mögen die Nervenerkrankungen auch nur eine Fortleitung des EntzUudungsprozesses von den Gelenken und Genital- organen darstellen. 184 A. Neisser & W. Scholtz, Bedeutung der Gonorrhoe als Volksseuche und Prophylaxe. Die Bedeutiiug- der Gonorrhoe als Yolksseuclie beruht einmal in ihrer kolossalen Verbreitung, sodann in den maunig-fachen lokalen Komplikationen und Metastasen in entfernte Körperregionen, sowie in der oft sclnveren Heilbarkeit uud langen Infektiosität verschleppter Fälle. Genaue Ziflern über die Verbreitung der Gonorrhoe lassen sich natürlich nur schwer fest aufstellen, da dieselbe nicht nur in den ver- schiedenen Bevölkerungsschichten uud Gesellschaftsklassen sehr differiert, sondern eiu großer Teil der Erkrankungen gewöhnlich gar nicht zur Kenntnis der Aerzte kommt. Im deutschen Heere beträgt die Zahl der g-onorrhoischen Leute im Jahre 15 — 17 %o der Kopfstärke und steigt im österreichischen und französischen Heere sogar auf ?> % . Unter den Studenten, Kaufleuten u. s. w. beträgt die Verbreitung der Gonorrhoe nach Aufzeichnungen einzelner Krankenkassen jährlich zu 10 % bis 25 _^ und ähnlich ist es in anderen Bevölkerungsschichten. Kach einer Statistik Neissers, welche sich auf die ganze Civil- bevölkerung Breslaus ausdehnte, betrug die Zahl der gonorrhoischen Erkrankungen während des Jahres 1896 9 %o der Einwohnerzahl. Aber diese Zahl bleibt natürlich weit hinter den wirklichen Werten zurück, da ja ein großer Teil der Erkrankungen gar nicht zur Kenntnis der Aerzte gelangt und sich bei Aufstellung der Statistik auch nur etwa 80^ der Breslauer Aerzte beteiligt hatten. Am schwierigsten ist es, ein Urteil über die Verbreitung der Gonorrhoe beim weiblichen Ge- schlecht zu erlangen, da die frischen Erkrankungen bei den geringen Beschwerden von den Frauen oft gar nicht beachtet und behandelt werden und im chronischen Stadium die weibliche Gonorrhoe selbst von kundigen Aerzten oft nur schwer zu diagnostizieren ist. Den besten Maß- stab giebt hier noch die Verbreitung der gonorrhoischen Augeneut- zündung der Neugeborenen, welche vor Einführung des CREDESchen Verfahrens in den Gebäraustalten 10-14^ der Geburten betrug, denn die Zahl der Ophthalmoblenuorrhöen entspricht natürlich der Zahl der gonorrhoischen Mütter. Ebenso schwer wie über die Verbreitung der Gonorrhoe im all- gemeinen ist das Urteil über die Häufigkeit der gonorrhoischen Komplikationen. Auch hier giebt die erwähnte NEissERSche Statistik noch die besten Anhaltspunkte. Nach dieser verlaufen rund 30^ aller Gonorrhöen mit lokalen oder allgemeinen Komplikationen. In circa 10^ der Fälle handelt es sich dabei um Erkrankungen der Blase, in circa 9^ um Epididymitiden, in circa 1,5^^' um Erkrankungen der Adnexe, und in 0,7 ^ um Metastasen. In welch erschreckender Weise die Gonorrhoe und ihre Komplika- tionen die Morbiditätsziffer in den Krankenhäusern beeinflusst, zeigt am besten die jüngst von Sciiaper^''" mitgeteilte Statistik aus der König- lichen Charite. Danach schwankt der Prozentsatz der gonorrhoischen Erkrankungen auf der chirurgischen Abteiluug zwischen 3 — 20 % und überstieg bisweilen auf der gynäkologischen Station 30 % . Mit der Erkenntnis der Bedeutung der Gonorrhoe für das ganze Volk hat man natürlich auch mehr und mehr versucht die Seuche durch prophylaktische Maßnahmen zu bekämpfen. Es ist bekannt, wie segensreich in dieser Beziehung die allgemeine Einführung des Crede- & Gonorrhoe. 185 sehen Verfahrens der Ophthalmobleunorrhoea neonatorum gegenüber ge- wirkt hat. Während früher die Zahl der Augenhlennorrhöen der Neu- geboreneu in einzelnen Gebäranstalteu 10 — 14 % der Geburten betrug, gehört heute die Ophthalmoblennorrhoea neonatorum dank der Crede- scheu Methode zu den Seltenheiten. Dass durch entsprechende prophy- laktische Einträufeluugen in die Fossa uavicularis nach dem Coitus, wie es von Blokusewskiiöi, Frank ^^^^ NeisserIss^ v. Marschalko'ö'^ u. a. empfohlen worden ist, gegenüber der Urethralgonorrhoe des Mannes ähnliche Erfolge zu erzielen sein würden, steht nach den Experimenten von Blokusewski, Frank und Welaxder i*'^ wohl außer Zweifel. Die Schwierigkeit besteht hier nur darin, diese Methode allgemein im Publikum einzuführen. AVie wenig heutzutage noch die in Reglementierung und Unter- suchung der Prostituierten bestehenden prophylaktischen MaG nahmen von selten des Staates nützen, haben die Verhandlungen der Brüssler Konferenz zur Bekämpfung der venerischen Krankheiten zur Genüge gezeigt. Anderseits ist es aber auch fraglos, dass durch eine gut ge- eitete Eeglementierung und genaue Untersuchung der Pro- stituierten auf Gonokokken die Ausbreitung der Gonorrhoe eben- falls wirksam bekämpft werden könnte. Schließlich bildet einerseits eine Aufklärung des Volkes über die Bedeutung und die Gefahren der Gonorrhoe und anderseits eine rationelle und sorgfältige Behandlung des frischen Trippers, noch ehe es zu hartnäckigen bisweilen selbst un- heilbaren Komplikationen gekommen ist, eine der besten prophylaktischen Maßregeln gegen die Ausbreitung der Gonorrhoe als Volkseuche. Ein erfreulicher Fortschritt in den prophylaktischen Bestrebungen der Gonorrhoe und überhaupt den venerischen Erkrankungen gegenüber ist in den letzten zwei Jahren durch Gründung der »Societe inter- nationale de prophylaxie sanitaire et morale« sowie der »Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechts- krankheiten« gemacht worden. Sollte es besonders der deutschen Gesellschaft gelingen, den Staat und große Volksschichten für ihre Be- strebungen zu gewinnen, so dürfte eine ganz erhebliche Abnahme der Verbreitung von Gonorrhoe und Syphilis zweifellos zu erwarten sein. Litteratur. i HuxTER, Ow the venereal Disease, 17Hü. — - Balfour, Dissertatio de gonorrhoea virulenta, Edimbourg 1767. — 3 Bell, On gonorrhoea virul. and vener. disease, 1793. — * Herxaudez, Essai analj'tique sur la uon identite des virus gonorrheique et syphilitique, Toulon 1812. — f' Fournier, Dictionnaire de medecine et de Chirurgie pratiques. — 6 Laxglebert , Traite theorique et pratique des maladies veneriennes, Paris 1804. — "? 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Diplococciis pueiimoniae und andere bei eutzüudliclien Luugeiiaffektioneu gefundene Bakterien. Von A. Weichselbaum in Wiea. I. Begriff und Einteilung der Pneumonie. Die Bezeichuimg Pneumonie gebrauche ich in der vorliegenden Abhandhing bh>ß für die akute Entzündung der Lunge, von welcher aber verschiedene Arten oder Formen unterschieden werden können. Bei der Einteilung der Pneumonie ist man bisher von verschiedenen Standpunkten ausgegangen, vom klinischen, anatomischen, beziehungs- weise histologischen, und vom bakteriologischen Standpunkte aus oder von mehreren dieser Standpunkte zugleich. Wenn wir bloß die neuesten Autoren und die von ihnen getrofifene Einteilung berücksichtigen wollen, so ist anzuführen, dass FinklerI drei Formen von Pneumonieen unterscheidet: die fibrinöse Pneumonie, die akute Bronchopneumonie und die akute zeilige Pneumonie. Bei der ersteren, die meistens lobär und meistens auch primär auf- tritt, kommen verschiedene Anomaliceu vor, welche wieder mit besonderen Namen (rudimentäre, seröse, rekurrierende und rezidivierende, toxämische, Spitzen-, Wander-, Greisen-, Trinkerpneumonie u. s. w.) belegt werden. Die akute Bronchopneumonie tritt lobulär auf, daher auch Lobulär- pnenmonie genannt, und geht stets von einer Bronchitis aus, während die akute zellige Pneumonie in multiplen, aber nicht mit den Grenzen der Lobuli zusammenfallenden Herden auftreten und nicht von einer Bron- chitis, sondern von Blut- und Lymphgefäßen aus entstehen und durch ein vorwiegend zelliges Exsudat unter Beteiligung des interstitiellen Gewebes ausgezeichnet sein soll. Die Aufstellung einer zelligen Pneumonie ist aber nicht gerecht- fertigt, weil sie doch nichts anderes als eine Lobulär- oder Broncho- pneumonie darstellt — Finkler hebt selbst hervor, dass bei Masern und Keuchhusten eine Vermischung der zelligeu Pneumonie mit der eigentlichen Bronchopneumonie stattfinde — und weil auch das Exsudat in jenen Fällen, die Fixkler hierher rechnet, so bei der Influenza- und Masernpneumonie, nicht immer ein zelliges zu sein pflegt. Aufrecht 2 unterscheidet noch mehr Formen von Pneumonie, näm- lich die krupöse, katarrhalische, atypische, hypostatische Pneumonie, 190 A. Weichselbaum, die Schluckpneumouie, desquamative und sypliilitisclie Piienmouie. Seine Ansicht, dass die Schluckpneumonie von der katarrhalisclieu Pneumonie zu trennen sei, weil bei letzterer der Prozess in der Brouchialwand be- ginne, welche hochgradig- hyperämisch sei, und erst später auf die Alveolen übergreife, während bei der Schluckpneumonie hauptsächlich nur die Alveolen ergriffen seien, ist nicht begründet, weil auch bei der Schluckpneumonie, wie Aufrecht selbst zugiebt, »die feineren Bronchien wohl ausnahmslos beteiligt sind«, und ein Unterschied in dem Grade der Hyperämie der Schleimhaut der Bronchien bei den zwei genannten Formen weder besteht, noch, wenn er wirklich bestünde, eine Trennung derselben rechtfertigen würde. Zur atypischen Pneumonie rechnet Aufrecht alle jene Fälle, welche von Finkler als Anomalieen der »fibrinösen Pneumonie« bezeichnet wurden und teils unter den oben angeführten, teils noch unter anderen Namen unter den Klinikern bekannt sind. Da sie sich von den übrigen Formen der Pneumonie nicht scharf abgrenzen lassen, dürfte es sich kaum empfehlen, aus ihnen eine besondere Form der Pneumonie zu machen. Das gleiche gilt auch von der hypostatischen Pneumonie, während die desquamative und syphilitische Pneumonie als mehr chronische Lungen- entzündungen überhaupt hier außer Betracht bleiben sollen. Die angeführten Beispiele dürften schon genügen, um darzuthuu, wie schwer es ist, von den geläutigen Standpunkten aus, vom klinischen, anatomischen oder histologischen Standpunkte, eine präzise Einteilung der Pneumonie vorzunehmen, während bei einer Einteilung nach der Art des Krankheitserregers Formen von Pneumonie zusammengeworfen oder voneinander getrennt würden, welche sonst wenig, beziehungs- weise sehr viel Gemeinsames haben, abgesehen, dass die bakteriologischen Verhältnisse noch nicht nach allen Richtungen in unbestrittener Weise klargelegt sind. Bei dieser Sachlage erscheint es daher noch immer am zweck- mäßigsten, die Pneumonie vom rein anatomischen Standpunkte aus in folgende vier Formen einzuteilen: 1. in die Lobärpneumonie, 2. in die Lobulär- oder Bronchopneumonie, 3. in die akute interstitielle Pneumonie und 4. in die metastastische Herdpneumonie. Die Lobärpneumonie pflegt einen ganzen Lappen oder den größten Teil desselben, häufig eine noch größere Partie der Lunge auf einmal zu ergreifen und produziert gewöhnlich ein fibrinöses Exsudat, weshalb sie sich in der Regel mit dem deckt, was andere Autoren als fibrinöse oder krupöse Pneumonie bezeichnen. Die Lobulärpneumonie bildet multiple, anfangs ganz kleine, ein oder mehrere Lobuli umfassende Herde, die aber zusammenfließen und dann einen ganzen Lappen oder noch mehr einnehmen können. Aus diesem Grunde ist die Grenze zwischen Lol)är- und Lobulärpneumonie nicht immer scharf zu ziehen, was besonders für Pneumonicen des Kindesalters gilt. Zur Lobulärpneumonie gehört sowohl die katar- rhalische P]ieumonie, das ist jene Form, welche aus einer Bronchitis hervorgeht (Bronchopneumoniej, als auch die Schluck- oder Aspi- rationspneumonie. Die akute interstitielle Pneumonie und die metastatische Herdpneumonie sind selten; erstere betrifft vorwiegend die Lymph- gefäße des interstitiellen Bindegewebes, kann sich aber auch mit einer Ent- Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 191 ztiüduüg der Alveolen kombinieren, und letztere entsteht nach Embolie von Arterieuästen oder Kapilhiren durch Bakterieu, wobei größere, keil- förmige oder kleinere, rundliche Herde gebildet werden. Hier muss auch noch über die Bedeutung der Bezeichnung: pri- märe und sekundäre Pneumonie gesprochen werden. Unter ersterer wollen wir jene Pneumonie verstehen, welche, gleichgiltig ob sie allein oder im Verlaufe einer anderen Krankheit auftritt, von keinem anderen Krankheitsprozess abhängig ist, während die sekundäre Pneumonie jene ist, welche nicht nur im Verlaufe einer anderen Krankheit auftritt, sondern direkt von ihr abhängig ist. In diesem Sinne können die Lobär- und Lobulärpneumonieen sowohl primäre als sekundäre sein, während die zwei anderen Formen von Pneumonie immer sekundärer Natur sind. Litteratur. 1 Finkler, Die akuten Lungenentzündungen als Infektionskrankheiten. Wies- baden 1891. — 2 Aufrecht, Die Lungenentzündungen in Nothnagels spez. Path. u. Ther., Wien 1899. II. GescMchtliches über die Aetiologie der Pneumonie. Nachdem die alte Anschauung: »Frigus unica pneumoniae causa« schon von Skoda und seinen Schülern bekämpft worden war, hatte Jürgensen bloß auf Grund seiner klinischen Beobachtungen geradezu die Behaup- tung aufgestellt, dass die krupöse Pneumonie eine Infektionskrankheit sei. Bald wurden auch Befunde von Mikroorganismen bei der genannten Krankheit gemeldet, die von verschiedenen Untersuchern gemacht worden waren. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass einer oder der andere der letzteren schon wirklich solche Organismen gesehen hatte, welche in dem betreffenden Falle eine ätiologische Rolle bei der Pneumonie gespielt hatten; aber eine Beweiskraft kann diesen Befunden nicht zu- geschrieben werden, da nicht nur die hierbei angewendete mikro- skopische Untersuchungsmethodik noch eine ziemlich unvollkommene war, sondern weil entweder gar kein Versuch zur Reinzüchtuug der gefundenen Bakterien unternommen oder ein solcher Versuch in ganz unzulänglicher, Täuschungen durchaus nicht ausschließender Weise ge- macht worden war. Der erste Befund rührt von Klebs ^ her, welcher 1873 nicht nur im Bronchialinhalte und in der Hirnventrikelflüssigkeit mehrerer Fälle von Pneumonie Bakterien, die er Monadineu nannte, gefunden, sondern auch über Uebertragungsversuche mit Kulturen dieser Organismen auf Kanin- chen berichtet hat. Ihm folgte Eberth2, welcher in einem Falle von Pneumonie mit Meningitis im Exsudate dieser Prozesse »ellipsoide Coccen« nachwies. Mittelst einer durch ihn bereits sehr vervollkommneten, mikroskopischen Untersuchungsmethode fand Koch ^ bei einer Pneumonie in den Lungen- alveolen und in den Nierenkapillaren kettenförmige Kokken, welche er auch in Photogrammen abbildete. Bald darauf stellte C. Friedländer ^ auf Grund von mikroskopischen Untersuchungen die Behauptung auf, dass bei Pneumonie im Exsudat konstant Kokken zu finden seien, während Günther^ und Leyden^ auch in dem einem Pneumoniker intra vitam durch Punktion entnommenen Lungensafte Kokken nachweisen konnten. 192 A. Weichselbanm, Wiclitiger war eine zweite Mitteiluug- C. Friedländers im Jahre 1883, dass die von ihm bei Pneumonie gefundenen Kokken rund oder elliptisch und von einer färbharen Kapsel umgeben seien, und dass er dieselben auch reiuzüchteu konnte, wobei bei Zimmertemperatur auf Gelatine charakteristische, nageiförmige Kulturen entstanden, welche nach Uebertraguug auf Mäuse Pleuritis und pneumonische Herde hervorriefen, während von Kaninchen gar keine, von Meerschweinchen und Hunden nur ein Teil erkrankte. So bedeutsam diese Mitteilung an und fUr sich war, so ungünstig wurde sie in ihren Folgen für die Untersuchungen der späteren Forscher. Ein böser Zufall hatte es nämlich gefügt, dass Friedläxder in mehreren Fällen mikroskopisch zwar jene Kokken gesehen hatte, welche offenbar mit dem Diplococcus pneumoniae identisch waren und daher von ihm auch richtig beschrieben wurden, aber in seinen bloß mit Gelatine an- gestellten Kulturversuchen niemals aufgingen, dass aber in einem seiner Fälle eine mit dem Bacillus pneumoniae identische Species vorhanden war, welche er auch in seinen Kultur versuchen erhielt und zwar als charakteristische »Nagelkultar«. Hierdurch entstand nicht nur bei ihm die irrige Vorstellung, dass die Lobärpneumonie durch eine einzige Bakterienart und zwar durch Kapselkokken erzeugt würde, welche in künstlichen Kulturen schon bei Zimmertemperatur gedeihen und auf Gelatine nageiförmige Kulturen bilden, sondern diese Anschauung setzte sich auch bei den fol2,'enden Forschern fest. Bald nach der eben erwähnten Arbeit Friedläxders berichtete Talamox*, allerdings unbeeinflusst von letzterer, dass er bei Pneumonie mikroskopisch am häufigsten lanzettförmige Kokken finden, aber nicht rein kultivieren konnte; nur zweimal gelang ihm eine Reinkultur imd zwar auf einem flüssigen Nährboden, welche nur bei Kaninchen eine Erkrankung (Pleuritis, Pericarditis, Pneumonie) hervorrief, nicht aber bei Meerschweinchen und Hunden. In zwei Fällen von Pneumonie er- hielt er nach seiner Angabe einen anderen Coccus, welcher durch seine kettenförmige Anordnung vom vorigen sich unterschied, aber bei Kanin- chen die gleichen Veränderungen hervorrief. Er ließ es unentschieden, ob dieser Coccus eine besondere Species darstellte oder nicht. Auch bezüglich Talamüns ist es sehr wahrscheinlich, dass er meistens oder vielleicht immer den Diplococcus pneumoniae mikroskopisch ge- sehen und ihn vielleicht auch ein oder zweimal als Reinkultur erhalten hatte; ob auch der andere Coccus mit dem Diplococcus pneumoniae oder aber mit dem Streptococcus pyogenes identisch war, lässt sich nicht einmal mit Wahrscheinlichkeit entscheiden. Da Talamon selbst über die Natur der zwei Kokkenarten sich nicht bestimmt äußerte, und es auch bezüglich der ersten Art durchaus nicht sicher ist, ob Talamox sie je in Wirklichkeit rein in seinen Kulturen erhalten hatte, die nämlich stets in flüssigen Nährböden augelegt und nicht genauer beschrieben worden waren, so ist man nicht berechtigt, ihn, wie es manche französische Autoren thun, als den Entdecker des Erregers der Pneumonie hinzustellen. Im Jahre 1883 sowie im darauffolgenden Jahre berichteten Salvkjli ^, beziehungsweise Salvioli & Zäslein'"^ i\\)QY jln-e Untersuchungen bei Pneumonie; sie hatten mikroskopisch ovoidc Kokken gefunden, aber in ihren Kulturen in Fleiscli brühe nicht allein Kokken, sondern mitunter auch Stäbchen und Fäden erhalten. Selbstverständlich konnten diese Resultate keine Entscheidung in der Frage nach der Aetiologie der Pneu- monie bringen. Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 193 Das gleiche gilt auch für die Kiilturvcrsuche von Babes^^ und von Afaxassieff 12 im Jahre 1884, da die beiden nur mit Gelatine gearbeitet und hierbei ganz ditferente Kulturen erhalten hatten. Im selben Jahre teilte A. Fränkel ^^ auf dem Kongresse für innere Medizin mit, dass er in drei Fällen von Pneumonie auf erstarrtem Blut- serum bei Bruttemperatur Kulturen erhalten hatte, welche aus solchen spindelförmigen Kokken bestanden, wie er sie wiederholt im pneumonischen Exsudate gesehen hatte. Die Kulturen erwiesen sich im Gegensatz zu den Eesultaten Friedländers gerade bei Kaninchen sehr wirksam. In den beiden ersten Fällen war auf Gelatine nichts aufge- gangen, während aber im dritten Falle ein nageiförmiges Wachstum entstand, das in den späteren Generationen wieder verschwand. Die von ihm gesehenen Kokken hatten zwar stets eine Kapsel, aber er legte darauf keinen Wert, weil die Kapsel nicht immer vorhanden sei, und weil sie auch einem anderen Coccus zukomme, welcher, wie schon Pasteur*) beschrieben hatte, im Blute jener Kaninchen sich finde, die nach Verimpfung von Speichel an sogenannter Sputumseptikämie zu Grunde gehen; bei Züchtung dieses Coccus durch mehrere Generationen in Kalbsbouillon nehme seine Wachstumsenergie so zu, dass dann bei Uebertragung auf Gelatine auch auf dieser ein unter Umständen deut- lich nageiförmiges Wachstum sich einstelle, weshalb der nageiförmige Typus der Pneumoniekulturen nur der Ausdruck einer besonders ent- wickelten Wachstumsenergie sei. Aus diesen Untersuchungen ist zu entnehmen, dass A. Fränkel da- mals schon den Diplococcus pneumoniae nicht bloß mikroskopisch ge- funden, sondern auch in Kulturen erhalten hatte, dass aber letztere nicht immer, wenigstens nicht in seinem dritten Falle von Pneumonie und bei den Untersuchungen über Sputumseptikämie, Reinkulturen waren, weshalb auch seine Schlüsse bezüglich der Natur des Pneumonieerregers keine ganz richtigen sein konnten. Friedländer i* betonte damals die große Wahrscheinlichkeit, dass es verschiedene Erreger der Pneu- monie gebe. Die im Jahre 1885 erschienenen Arbeiten von Platonoav i^, Dresch- feld i*', Lebashoff^^ und Sternberg 1^ brachten durchaus keinen Fort- schritt in der Erkenntnis der Aetiologie der Pneumonie; denn die von Platonow und Lebasiioff auf Gelatine erhaltenen Kulturen waren nichts weniger als Reinkulturen, während Dreschfeld berichtet, dass er in einem Falle eine Kultur auf Gelatine anlegte, wobei außer einem Streptococcus noch ein mit dem FRiEDLÄXDERschen Pneumonie- coccus höchst ähnlicher oder identischer Mikroorganismus gefunden wurde, und Sternberg selbst es bloß als höchst wahrscheinlich be- zeichnet, dass der seinerzeit von ihm, sowie von Pasteur im Mund- speichel eines Kindes experimentell nachgewiesene Coccus mit dem Pneumoniecoccus Friedländers identisch sei, ohne hierfür eine andere Thatsache als Beweis anzuführen als die, dass er durch Injektion von pneumonischem Sputum bei Kaninchen dieselbe Krankheit (Sputum- septikämie] erzeugen konnte, wie mit gewöhnlichem Speichel. Hierbei muss übrigens bemerkt werden, dass schon vorher Griffini & Cambria ^^ *) Pasteur (Compt. rend., t. 92) hatte im Jahre 1881 nach Uebertragung des von einem wutkranken Kinde, später auch von an Bronchopneumonie gestorbenen Kindern und von gesunden Personen stammenden Speichels auf Kaninchen im Blute der letzteren Bakterien gefunden, die er als achterförmige Stäbchen beschrieb. Handbucli der pathogenen Mikroorganismen. III. ]^3 194 A. Weichselbaum, und dann Klein 20 durch subkutane Injektion von pneumonischem Sputum bei Mäusen und Kaninclien Septikämie erzeugen und im Blute der Versuchstiere zu zweien oder in Ketten angeordnete, von einer hyalinen Zone umgebene Kokken finden konnten. Die ebenfalls im Jahre 1885 erschienene Arbeit von Foa & Rattone 21 handelt großenteils von Tierversuchen mit einer Reinkultur des »Fried- LÄNDERschen Coccus« und berichtet nur über einen Fall von Pneumonie mit Abszessbildung, in welchem aus dem pneumonischen Exsudate der »Fried- iJvNDERsche Coccus«, aus dem Abszessinhalt aber ein die Gelatine verflüssigen- der und gelb verfärbender Coccus kultiviert wurde. Erst das Jahr 1886 brachte die Frage von der Aetiologie der Pneu- monie zur Entscheidung und zwar durch die ganz unabhängig vonein- ander entstandenen Arbeiten von A. Fränkel und von mir. A. Fränkel 22 hatte seit seiner Mitteilung auf dem III. Kongresse für innere Medizin einen 4. Fall von Pneumonie untersucht und hierbei eine Kultur erhalten, welche mit der seines 1. Falles völlig überein- stimmte. Es war auf erstarrtem Rinderblutserum bei Bruttemperatur ein schleimiger, gramveißer, fast durchsichtiger Belag entstanden, und bei Tierversuchen erwiesen sich die Kulturen als virulent für Kaninchen und Mäuse. Er hatte ferner durch Uebertragung seines eigenen Speichels, sowie des Speichels von anderen gesunden Personen und von Pneu- monikern auf Kaninchen bei diesen sehr häufig Septikämie erzeugen und im Blute dieser Tiere Kapselkokken finden können, welche ähnliche Kulturen lieferten wie das pneumonische Exsudat, weshalb er es als sehr wahrscheinlich erklärte, dass der Coccus der Sputumseptikämie auch die Ursache der krupösen Pneumonie sei, um so mehr, als er in 2 Fällen von Empyem nach Pneumonie den gleichen Coccus kultivieren konnte. In einem Nachtrage zu seiner oben citierten Arbeit berichtete er über einen 5. Fall und in einer späteren Arbeit 23 über 3 weitere Fälle von Pneumonie, in welchen er die gleichen Kulturresultate erzielte wie früher. Nur in einem von den zuletzt erwähnten Fällen missglückte der Kulturversuch, und bezüglich des 3. Falles seiner ersten Unter- suchungsreihe sprach er jetzt die Meinung aus, dass es sich hierbei um keine Pneumouiekokken gehandelt hatte. Es bleiben also im ganzen 6 Fälle von krupöser Pneumonie, in welchen er die gleichen Kulturen erhalten hatte, und auf diese gestützt, stellte er die Behaup- tung auf, dass der von ihm kultivierte Coccus der gewöhnliche Erreger der krupösen Pneumonie sei, während er den ätiologiscben Zusammen- hang des FRiKDLÄNDERSchen Coccus mit der krupösen Pneumonie iu- solange bezweifeln zu müssen erklärte, als es nicht gelinge, letzteren in Gestalt zahlreicher Einzelkolonieen bei kompletter Abwesenheit des ersteren zu isolieren. Meine Untersuchungen über Pneumonie hatte ich bald nach dem Er- scheinen der Arbeit Friedländers begonnen. Im Vertrauen auf die Angaben des letzteren l)ediente ich mich bei meinen ersten Kulturver- suchen auch nur der Gelatine; da sich aber auf derselben niemals Wachstum einstellte, so lag es nahe, die Ursache des Misserfolges in dem Umstände zu vermuten, dass der Erreger der Pneumonie nicht bei Zimmertemperatur, sondern erst bei Bruttemperatur gedeihe. Ich züch- tete daher weiterhin auch auf Agar und bei Bruttemperatur und hatte von jetzt an den erwünschten Erfolg. Da man mit Rücksicht auf den Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 195 Befund FßiEDLÄNDERS an die Möglichkeit denken musste, dass es ver- schiedene Erreger der Pneumonie gebe, so beabsichtigte ich, diese Frage an einem möglichst großen Material zu entscheiden, weshalb ich erst im Mai 1886 mit dem Resultate meiner Untersuchungen in einem Vortrage in der k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien an die Oeffent- lichkeit trat (die ausführliche Publikation erschien im Oktober desselben Jahres 24). Der Vorteil des großen Materials bewährte sich auch that- sächlich, weil es mir dadurch möglich geworden war, nicht nur mit Bestimmtheit zu behaupten, dass es mehrere Erreger der Pneumonie gebe, sondern auch die Zweifel A. Fränkels, welchem nur 6 Fälle zur Verfügung gestanden hatten, bezüglich der ätiologischen Bedeutung des »FRiEDLÄNDERSchen Coccus« zu beseitigen. Meine Schlussfolgerungen gingen also dahin, dass 1. das pneumonische Virus kein einheitliches ist, und auch die soge- nannte krupöse Pneumonie oder Lobärpneumonie durch mehrere Arten von Bakterien hervorgerufen werden kann, zu denen der Diplococcus pneumoniae (identisch mit dem Coccus der Sputum- septikämie), der Bacillus pneumoniae (identisch mit dem von Friedländer in seineu Nagelkulturen erhaltenen Bakterium), der Streptococcus pneumoniae (identisch mit dem Streptococcus pyo- genes) und der Staphylococcus pyogenes gehören, und 2. dass der Diplococcus pneumoniae bei weitem der häufigste Krank- heitserreger ist, dass er aber gleich den anderen ebengeuaunten Bakterien auch bei den sekundären Lungenentzündungen und bei den akuten Brouchopneumonieen gefunden werden könne. In den folgenden Jahren wurden die von A. Fränkel und mir er- hobenen Befunde von einer Reihe von üntersuchern (Gamaleia, Netter, MoNTi, Welch, Fixkler u. a.) bestätigt; außerdem lehrten, wie in den späteren Kapiteln auseinandergesetzt werden wird, weitere, teils von mir, teils von anderen Autoren ausgeführte Untersuchungen, dass der Diplococcus pneumoniae auch bei verschiedenen anderen Kraukheits- prozessen eine ätiologische Rolle spielen könne. Nur gegen meine Be- hauptung, dass die Aetiologie der krupösen Pneumonie keine einheit- liche sei, bestand noch durch längere Zeit eine heftige Opposition, und namentlich A. Fränkel war es, welcher, obwohl er in seinen allerersten Arbeiten noch die Möglichkeit der Existenz mehrerer Erreger der kru- pösen Pneumonie zugestanden hatte, später einzig und allein den Diplo- coccus pneumoniae als Ursache gelten lassen wollte. Auch heute giebt es noch Autoren, namentlich Kliniker, welche sich von der Vorstellung, dass der Charakter der krupösen Pneumonie mit Naturnotwendigkeit eine einheitliche Aetiologie verlange, nicht trennen können, oder die Spezifität des Virus der krupösen Pneumonie durch die Annahme zu retten suchen, dass wenigstens die typische , krupöse Pneumonie immer nur durch den Diplococcus pneumoniae hervorgerufen werde. Wir werden in den folgenden Kapiteln sehen, dass auch diese letzte Etappe, in welche sich die Anhänger der Spezifität des pneumonischen Virus zurückziehen mussten, unhaltbar geworden ist, und die krupöse Pneu- monie in ätiologischer Beziehung ebensowenig eine Sonderstellung ein- nimmt, wie manche andere Prozesse (z. B. Meningitis cerebro-spinalis, Endocarditis, Osteomyelitis u. s. w.), denen man früher auch einen spezifisch-ätiologischen Charakter aufprägen wollte. 13* 196 A. Weichselbaum, Litteratur. 1 Klebs, Arch. f. exper. Pathol., Bd. 4. — 2 Eberth, Deutsches Arch. f. klin. Med., Bd. 28. — ^ Koch, Mitt. a. d. kais. Gesundheitsamte, Bd. 1. — * C. Fried- LÄJs'DER, Virch. Arch., Bd. 87. — 5 Günther, Deutsche med. Woch. , 1882. — 6 Leyden, ebd., 1882. — ^ C Friedländer, Fortschr. d. Med., Bd. 1. — ^ Talamon, Progres med., 1883. — 9 Salvioli, Arch. per le scienze med., vol. 3, 1884. — 10 Salvioli & Zäslein, Centralbl. f. d. med. Wissensch., 1883. — " Babes, Or- vosi hetilap, 1884. — ^- Afanassieff, Societe de biol, seance du 21. Mai 1884. — 13 A. Fräkkel, Verhandl. d. III. Kongr. f. inn. Med., 1884. — ii C. Friedländer, ebd., 1884. — i^ Platonow, Mitt. aus d. med. Klin. zu Würzburg. Herausgegeben von Gerhardt & Müller, Bd. 1, 1885. — ig Dreschfeld, Fortschr. d. Med., 1885. — 17 Lebashoff, ref. in: The Lancet, 1886. — is Sternberg, ref. in: Centralbl. f. klin. Med., 1885 und Centralbl. f. Bakt., Bd. 12, 1892. — w Griffini & Cambria, Giorn. Internat, di scienze med., t. 4, 1882. — 20 Klein, Centralbl. f. d. med. Wiss., 1884. — 21 FoÄ & Rattone, Arch. ital. de biologie, t. 6, 1884 e Gazz. degli ospe- dali, 1885. — 22 A. Fränkel, Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 10, 1886. — 23 Ders., Deutsche med. Woch., 1886. — 24 Weichselbaum, Med. Jahrbücher, Wien 1886. III. Die Erreger der Pneumonie. Wie scliou im gescliichtlicbeu Teile erwähnt wurde, ist die Aetio- logie der Pueumouie keine einheitliche, und zwar kann jede Form von Pneumonie durch mehrere Arten von Mikroorganismen hervor- gerufen werden, und diese sind wieder solche, welche nicht nur Pneu- monie, sondern auch andere Entzündungen verursachen können; es be- steht also weder eine einheitliche Aetiologie der Pneumonie, noch eine Spezifität ihrer Erreger. Weiter ist hinzuzufügen, dass unter Umständen bei der Entstehung jeder einzelnen Form der Pneumonie nicht bloß ein Erreger thätig ist, sondern zwei oder mehrere Mikroorganismen zusammenwirken (Misch- infektion), oder dass im Verlaufe der Pneumonie noch andere Bakterien in der entzündeten Lunge sich ansiedeln, welche die Entzündung zu unterhalten imstande sind (Sekundär Infektion). Unter den eine ur- sächliche Rolle spielenden Bakterien ist aber eines, welches am häufig- sten bei der Lobärpneumouie gefunden wird, und da letztere schlechtweg als Pneumonie bezeichnet zu werden pflegt, so kann das betreffende Bakterium bis zu einem gewissen Grade auch als Pneumonieerreger YMT t^oxrjv gelten; es ist dies der Diplococcus pneumoniae. Außer dem genannten Bakterium können aber noch folgende Bak- terien eine akute Lungenentzündung hervorrufen: 1. Streptococcus pyogenes, 2. Staphylococcus » 3. Bacillus pneumoniae, 4. » influenzae, 5. » pestis, 6. » diphtheriae, 7. » typhi, 8. » coli, 9. Micrococcus catarrhalis. Die eben angeführten Bakterien können, wie Streptococcus, B. pneu- moniae, B. pestis sowohl eine primäre als eine sekundäre Pneumonie erzeugen, während die anderen in der Regel nur die Erreger von sekun- dären Pneumonieen sind. Diplococcus pneiimoniae und andere u. s. w. 197 Endlich werden in der Litteratur noch einzehie Mikroorganismen als Erreger von akuten Lungenentzündungen angeführt, ohne dass aber diese Rolle als bewiesen angesehen werden kann; wir werden noch später auf sie zu sprechen kommen. Da der D. pn. bei der akuten Lungenentzündung die hervorragendste Rolle spielt, während die übrigen der vorher angeführten Bakterien viel häufiger zu anderen Krankheitsprozessen in ursächliche Beziehungen treten und daher bei diesen eingehend abgehandelt werden, so wird hier nur ihr Verhältnis zur Pneumonie erörtert, während der D. pn. im folgenden nach allen Richtungen hin besprochen werden soll. IV. Diplococcus pneumoniae. 1. Nomenklatur und Morphologie. Im Laufe der Zeit sind für den D. pn. verschiedene Bezeichnungen vorgeschlagen oder gebraucht worden, wobei einmal der Fundort, ein andermal die Form oder Anordnung der Kokken bestimmend war. Die verschiedenen Bezeichnungen lauten: Microbe septicemique du salive (Pasteue), Coccus lanceole (Talamon), Diplococcus pneumo- niae (Weichselbaum), Pueumococcus (Feänkel, Fol), Diplococcus lanceolatus s. lanceolatus capsulatus (Fol und Bordoni-Uffreduzzi), Streptococcus lanceolatus Pasteuri (Gamaleia) , Micrococcus Pasteuri (Sternberg), Micrococcus pneumoniae crouposae (Sternberg), Bacterium pneumoniae (Migula), Pneumoniecoccus. Einzelne Autoren wollten das genannte Bakterium überhaupt nicht zu den Kokken, sondern zu den Bazillen rechnen und dies auch in der Bezeichnung zum Ausdruck bringen. Da wir aber heute weder bei dem vorliegenden Bakterium, noch bei den übrigen Bakterienarten im- stande sind, für die Bezeichnung derselben das gleiche, rein natur- historische Prinzip konsequent zur Anwendung zu bringen, welches für die Terminologie der höherstehenden und besser gekannten Ordnungen im Pflanzenreiche maßgebend geworden ist, so ziehe ich es vorläufig vor, die Bezeichnung: Diplococcus pneumoniae zu gebrauchen, weil hier- durch einerseits auf'die häufigste Erscheinungsform und andererseits auf den häufigsten Fundort des vorliegenden Bakteriums hingewiesen wird. Ich rechne letzteres nicht zu den Bazillen, weil ich finde, dass ovale oder lanzettförmige Gebilde — und in dieser Form erscheint ja unser Bakterium — der Kugelform näherstehen als der Stäbchenform, und ich nenne es Diplococcus und nicht Streptococcus, weil wir es viel häufiger zu zweien als in Ketten angeordnet finden. Bevor wir auf die Morphologie des genannten Bakteriums näher eingehen, müssen wir noch bemerken, dass es bei letzterem in gleicher Weise wie bei vielen anderen Bakterien typische und atypische Formen der einzelnen Individuen und ihrer Verbände giebt; die Frage, ob aus dieser Verschiedenheit der Form auf das Bestehen von Variationen, Varietäten oder Arten des D. pn. geschlossen werden darf, soll vorläufig noch nicht erörtert werden. Die typische Form des Eiuzeliudividuums ist bei dem D. pn. die längliche, und die typische Form der Verbände ist die Anordnung zu zweien (Diplokokken). Hierbei erscheinen aber die Individuen nicht selten lanzettförmig oder kerzenflammenähnlich, und zwar können dann 198 A .Weichselbaum, die zugespitzten Enden der Diplokokken voneinander abgewendet oder einander zugeweuc/et sein. Ferner ordnen sich die Diplokokken nicht selten in Längsreihen oder Ketten an, die aber bei dem typischen D. pn. niemals so lange werden wie bei dem Streptococcus pyogenes. Eine weitere Eigentümlichkeit des typischen D. pn. ist das Vor- kommen einer sogenannten Kapsel, d. h. man sieht den Coccus von einer relativ breiten Hülle umgeben, welche bei Färbung mit basischen Anilinfarben schwächer tiugiert erscheint als der Coccus. Sind die Kokken zu zweien angeordnet, so zeigt nicht jedes Individuum für sieh eine Hülle, sondern der Diplococcus ist von einer einzigen Kapsel umschlossen. Selbst w^enn die Diplokokken kurze Ketten bilden, so kann die Kette von einer einzigen Hülle umgeben sein, welche höch- stens an den Verbindungsstellen der Kokkenpaare leichte JEinschnürungen aufweist. Ich halte die Kapselbildung nicht etwa wie Pane^ für einen Dege- uerationszustand, sondern vielmehr für den Ausdruck einer sehr kräftigen und typischen Entwicklung des D. pn. und zwar deshalb, weil man sie unter Verhältnissen, unter denen der genannte Coccus, wie man wohl mit Recht annehmen kann, am besten sich entwickelt, viel häufiger an- trifft als unter weniger günstigen Lebensverhältnissen. Man sieht näm- lich die Kapselbildung bei der Züchtung des D. pn. auf künstlichen Nährböden gewöhnlich nicht, ebenso nicht bei jenen Pneumoniekokken *), welche im menschlichen Organismus außerhalb von Krankheitsherden, also im saprophytischen Zustande, angetroffen werden, aber häufig auch nicht an solchen Stellen von Krankheitsherden, an welchen der Prozess nicht mehr ganz frisch ist. Auf künstlichen Nährböden kommt es gewöhnlich nur dann zur Kapselbildung, wenn das Substrat für die Entwicklung des D. pn. sehr günstig ist. So haben A. Schmidt 2, sowie Grawitz & Steffen =^ angegeben, dass bei Züchtung auf sterilisiertem, pneumonischem Sputum, und nach Gilbert & Fournier^ auch bei Kultivierung in flüssigem, defibriniertem Blute (oder Serum) von Menschen und Tieren (Hunden, Kaninchen) Kapselbilduug zu beobachten sei; ich konnte eine solche Beobachtung allerdings nur ausnahmsweise und bloß in den ersten Generationen machen, bei einzelnen Stämmen des D. pn. übrigens auch auf anderen Nährböden. Eigenbewegung oder Bildung von Geißeln ist bisher nicht kon- statiert worden, ebensowenig Bildung von Dauer formen. Emmerich ^ glaubte zwar, dass Dauerformen, wenn auch nur in äußerst geringer Zahl, gebildet w^erden; aber auch er konnte sie mikroskopisch nicht nachweisen. Die Vermehrung des D. pn. geschieht also, wie es scheint, ausschließlich durch Teilung, und zwar findet diese immer in querer Richtung statt. Stolz" hat zwar behauptet, dass auch eine Teilung in der Längsrichtung vorkomme, oder dass von einem Endcoccus einer Kette zw'ei ganz getrennte Ketten ausgehen, und selbst eclite Verzwei- gungen vorkommen können, aber diese Behauptung ist bisher von keiner Seite bestätigt worden. Was die Atypie in der Form der einzelnen Individuen, sowie ihrer Verbände betrifft, so l)esteht sie darin, dass die einzelnen Kokken mehr weniger ausgesprochen rund sind, und dass sie vorwiegend oder aus- schließlich lange Ketten bilden, Avobei es auch vorkommen kann, dass Ich werde diese Bezeichnung der Kürze halber öfter statt D. pn. gebrauchen. Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 199 in einer und derselben Kette längliche und runde Kokken nebenein- ander vorhanden sind; gewöhnlich fehlt bei den atypischen Formen auch die Kapselbildung. Die beschriebenen Formen findet man im all- gemeinen unter solchen Verhältnissen, von denen man annehmen kann, dass sie für die normale Entwickelung des D. pn. weniger günstig sind, also an jenen Stellen des menschlichen Organismus, an welchen der D. pn. bloß saprophytisch lebt, ferner in künstlichen Kulturen, besonders auf minder geeigneten Nährböden oder in späteren Generationen, in welchen bereits eine Anpassung an die saprophytische Lebensweise statt- gefunden hat, freilich mitunter auch bei Erkrankungen, von denen man nicht immer behaupten kann, dass bei ihnen die Verhältnisse für die Entwicklung des D. pn. ungünstig gewesen wären. Als Degenerationserscheinung kann man jene Abweichungen bezeichnen, welche in einer außerordentlichen Kleinheit oder in einer schlechten Färbbarkeit der Kokken oder darin bestehen, dass einzelne Kokken wie aufgequollen, stäbchenartig oder kolbig aussehen. Sie sind dann zu beobachten, wenn die Lebensverhältnisse für den D. pn. sehr ungünstig geworden sind, also bei längerer Dauer von Krankheits- prozessen oder in sehr ungeeigneten, künstlichen Nährsubstraten. Ueber die Agglutination des D. pn. sind erst in neuester Zeit Untersuchungen angestellt worden, und zwar von Bezan^on & Griffon^, Huber 8 und Neufeld 9. Erstere berücksichtigten namentlich die serodiaguostische Unter- suchung der durch den D. pn. bei dem Menschen verursachten Affek- tionen und geben hierfür folgende Methoden an : Es wird dem betref- fenden Kranken soviel Blut entnommen, dass mau aus demselben min- destens 1 — 2 ccm Serum erhält, welches zugleich frei von Hämoglobin sein muss. Dasselbe wird dann mit einer solchen Kultur des D. pn. geimpft, welche noch keine Kettenbildung zeigt, und hierauf in den Brutschrank gebracht. Es kann nun die Agglutination schon makro- skopisch sich geltend machen, indem die Flüssigkeit nach 15 Stunden einen deutlichen Niederschlag zeigt; trübt sie sich aber, so werden ge- färbte Trockenpräparate hergestellt und mikroskopisch auf das Vor- handensein von Agglutination untersucht. Die genannten Autoreu beobachteten Agglutination im Serum von ganz oder teilweise immunisierten Tieren, ferner konstant bei typischer Pneumonie des Menschen, manchmal schon am 3. oder 4. Tage der Krankheit, meist erst kurz vor der Krisis; sie verschwand aber wieder nach mehreren Wochen. Auch bei anderen durch den D. pn. verursach- ten Krankheiten fiel die Agglutinationsprobe positiv aus, mit Ausnahme von 6 Fällen ; sie war aber auch in mehreren Fällen positiv, in welchen der D. pn. nicht sicher nachgewiesen worden war. In manchen Labo- ratoriumskulturen trat Agglutination nicht auf, immer dagegen in Kul- turen, welche direkt von Kranken stammten. Huber wies darauf hin, dass im Blutserum von Pneumonikern der D. pn. durch sein Wachstum einen fest zusammengeballten, beim Schütteln sich nicht auflösenden Niederschlag oder eine aus zahllosen, anscheinend durch Verklebung der Kapseln der Kokken entstandene Membran bildet, während im norma- len Serum bloß eine gleichmäßige Trübung sich zeigt. Aus den Unter- suchungen Neufelds geht hervor, dass die Agglutination des D. pn. in ganz eigenartiger Weise verläuft. Bringt man nämlich die Pneumonie- kokken, z. B. eine Fleischbrühekultur derselben, mit einem unverdünn- ten, agglutinierenden Serum, z. B. mit einem Serum von immunisierten 200 . A. Weichselbaum, Kaninchen oder von einem Pneumouierekonvaleszenteu, zu gleichen Tei- len zusammen, so tritt sogleich eine starke Qnellung- sämtlicher Kokken ein und dann erst allmählich eine Häufchenbildung-. Wenn aber auf die Pneumoniekokken ein 4 — 8 fach verdünntes Serum einwirkt, so ist die Quellung viel schwächer, allein die Kokken vereinigen sich nun zu außerordentlich langen und vielfach verschlungenen Ketten, Die stärk- sten Serumarteu agglutinierten in dieser Weise selbst die 50 — 60fache Menge einer Fleischbrühekultur, und zwar auch abgetötete Kokken, während normales Serum, mit Ausnahme von Einderserum, ganz wir- kungslos bleibt. Schließlich besteht noch eine Besonderheit darin, dass von Hause aus avirulente oder erst später avirulent gewordene Stämme des D. pu. nicht agglutiniert wurden. Bezüglich des Verhaltens zur GEAMSchen Färbungsmethode ist her- vorzuheben, dass der D. pn. bei dieser Methode stets gefärbt bleibt, dass er also GfiAM-positiv ist. Litteratur. 1 Pake, Centralbl. f. Bakt., Bd. 24. — 2 Schiiidt, Centralbl. f. inn. Med., Bd. 14, 1893. — 3 Grawitz & Steffen, Berl. klin. Wocli., 1894. — * Gilbert & Fournier, Compt. rend. d. la soc. d. biol., 1896. — ^' Emmerich, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 17, 1894. — 6 Stolz, Centralbl. f. Bakt., Bd. 24. — "' BEZANgoN & Griffon, Ann. de l'inst. Pasteiir, t. 14. — « Huber, Centralbl. f. inn. Med., 1902. — 9 Neufeld. Zeit- scbrift f. Hyg., Bd. 40, 1902. 2, Kulturelles Verhalten. Das Verhalten des D. pn. bei der künstlichen Züchtung kann auch wieder ein typisches oder ein atypisches sein. Wir wollen zunächst ersteres besprechen: Zu demselben gehört zunächst, dass der D. pn. zwar auf den ge- bräuchlichen Nährböden wächst, aber nur bei Brutteniperatur und im allgemeinen nicht üppig*. Die Temperaturgrenzen sind 25° und 42", das Optimum ca. 37° C. Er wächst sowohl aerob als anaerob, und auf festen Nährböden im Innern derselben besser als auf der Oberfläche. Im allgemeinen sehen die Kulturen ähnlich aus wie jene des Strepto- coccus pyogeues, nur sind sie noch zarter. Auf Agarplatten können die tiefer liegenden Kolonieen mit freiem Auge kaum gesehen werden ; unter dem Mikroskope erscheinen sie hell- gelb bis braun und feingekörut. Die oberflächlichen Kolonieen werden dagegen größer, erreichen durchschnittlich die Größe jeuer des Strepto- coccus, nur sind sie meistens noch durchscheinender; unter dem Mikroskope kann man ein dicht und feiugekörutes Centrum und einen sehr blassen Hof unterscheiden, welcher am Rande bei mittelstarker Vergrößerung kurze oder mittellange, konzentrisch angeordnete Ketten, aber gewöhnlich ohne deutliche Schlingen- und Kankenbildung erkennen lässt. Auf Gelatineplatten (die bei Verwendung einer 15proz. Gelatine und bei einer 24° C nicht viel übersteigenden Temperatur noch fest bleiben) sind, die Kolonieen auch sehr klein, unter dem Mikroskope hell- bis dunkelgrau, feingekörnt oder wie aus Linien (Ketten) und Punkten zusammengesetzt. In Stichkulturen in Agar findet auf der Oberfläche kaum ein Wachstum statt; im Impfstiche selbst l)ildet sich bei reichlicher Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 201 Aussaat ein baiidartig-er StreifcD. Eine älmliclie Beschaffenheit zeigen die Stichkiüturen in löproz. Gehitine bei 24° C. Auf schiefem Agar oder Blutserum bildet sich, namentlich bei spärlicher Aussaat, ein kaum sichtbarer, wie aus kleinsten Tautröpf- chen zusammengesetzter Ueberzug:. In Fleischbrühe, sowie in flüssigem Serum entsteht ein meist recht spärliches, lockeres, weißes Sediment, während die übrige Flüssig- keit mehr weniger getrübt bleibt ; bei der mikroskopischen Untersuchung des Sedimentes bemerkt man nur kurze, gerade Ketten. Auf Kartoffeln bildet sich ein so dünner und in der Farbe von jener der Kartoffel so wenig abweichender Ueberzug, dass man ihn kaum wahrnimmt; erst wenn man abstreift und das Abgestreifte mikroskopisch untersucht, konstatiert man, dass ein Wachstum stattgefunden hatte. In Milch findet auch ein Wachstum statt, wobei es meist zur Ge- rinnung der erstereu kommt. Das Wachstum auf den eben angeführten Nährböden ist, wie schon früher gesagt wurde, im allgemeinen kein sehr kräftiges; in manchen Fällen gelingt die künstliche Kultivierung überhaupt nicht oder nur auf solchen Nährböden, welche in ihrer Zusammensetzung jeuer der tieri- schen oder menschlichen Gewebssäfte am nächsten stehen, also auf menschlichem oder tierischem Blutserum oder Serumagar. Das Miss- lingen oder das schlechte Gelingen der künstlichen Kultivierung auf den gewöhnlichen Nährböden kann, abgesehen von einer ungeeigneten Reaktion der letzteren, von dem schlechten Nährwerte gewisser Sorten des käuflichen Peptons oder der wachstumshemmenden Wirkung der verwendeten Fleischsorte, auch darin liegen, dass der betreffende Stamm des D. pn. wegen seines hochentwickelten Parasitismus sich schlecht oder gar nicht an den künstlichen Nährboden anpassen kann, oder dass er bereits in dem Krankheitsherde, aus welchem er gezüchtet wird, eine Abschwächung erfahren hat. Man hat auch verschiedene Modifikationen der gewöhnlichen Nähr- böden behufs Erzielung einer sicheren oder besseren Kultur vorgeschlagen. So gilt, und zwar mit Eecht, ein Zusatz von 4 — Q% Glycerin oder von IV2 — ^% Traubenzucker als wachstumbefördernd. GuARNiERi ^ empfahl als besonders geeignet folgenden Nährboden : 950 Fleischiufus, 5 Kochsalz, 25^ — 30 Peptonum siccum, 40 — 60 Gela- tine, 3 — 4 Agar und 50 Wasser mit möglichst vollständiger Neutrali- sation. ScLAVO 2 hatte die Kultivierung in frisch gelegten und noch nicht befruchteten Eiern, Schmidt ^ sowie Geawitz & Steffen ^ ^^f sterili- siertem, pneumonischem Sputum, Mosny ^ auf Kauinchenblutserum, Gilbert &F0UENIER6 in defibriniertem Blute von Menschen und Tieren empfohlen. Nach letzteren Autoren wird bei Verwendung von defibriniertem und durch Erhitzen geronnenem Blute der chokoladefarbige Nährboden grünlich und später isabellgelb, und da diese Veränderung bei Kultivierung anderer Bakterien nicht eintrete, komme dem erwähnten Nährboden auch eine differentialdiaguostische Bedeutung zu. E. Fränkel & Eeiche ^ erklären Blutagar (4^ Glycerin, 2% Agar und 1% bei 14° R gesättigte Soda- lösung, bestrichen mit Leichen- oder Kaninchenblut) für sehr geeignet, ebenso Levy & Steinmetz S; auch ich kann die gute Eignung dieses Nährbodens bestätigen. Bezancon & Griffon ^ wollen gefunden haben, dass bei Züchtung auf dem Blutserum von Tieren die Kulturen um so besser ausfallen, je jünger das Tier war; ebenso wachse der D. pn. im Serum von Menschen, welche mit einer durch den genannten Coccus 202 A. Weichselbaum, verursacliteu Krauklieit behaftet sind, besser als im Serum vou ge- simdeu Menschen. Carkot & Fournierio empfahlen als Nährboden Gehirnsubstanz von Menschen oder Kaninchen; sie wird durch ein feines Sieb gepresst, hierauf mit Fleischbrühe oder physiologischer Koch- salzlösung Übergossen und nach stattgefundener Mazeration Kochsalz, eventuell auch Pepton und Zucker, und wenn man einen festen Nähr- boden haben will, schließlich Agar hinzugesetzt. Nach den Erfahrungen, die in meinem Institute gemacht wurden, kann ich das menschliche Blutserum (1 Serum und 2 Agar) als den besten und verlässlichsten Nährboden bezeichnen ; es bilden sich auf demselben (bei Strichkulturen) mitunter auffallend große Kolonieen von viskoser Beschaifenheit, in denen die Kokken auch eine deutliche Kap- sel haben können. Da man bei Züchtung des D. pn. aus Krankheitsprodukten im vor- hinein nicht wissen kann, ob die Kultur leicht oder schwer angeht, so ist es ratsam, nebst den gebräuchlichen Nährböden immer auch mensch- liches Serumagar zu verwenden, desgleichen bei der Fortzüchtung. Von Wichtigkeit ist auch die Reaktion des Nährbodens, und zwar wird von den meisten Autoren eine schwach alkalische Reaktion verlangt; Nissen ^i giebt 10 — 12 ccm Normalnatronlauge pro Liter an. Sonderbarerweise wird aber von einigen Autoreu eine saure (Bioxdi ^2) oder wenigstens eine ganz neutrale (Guarnieri 1. c.) als die zuträglichste bezeichnet. Thatsache ist es, dass der D. pn. in Kulturen selbst Säure erzeugt und zwar nach Nissen 30 — 40 ccm Normalsäure pro Liter Fleisch- brühe; die Säure ist vorwiegend Milchsäure (nach Würtz & Mosny^^ aber Ameisensäure) und soll sich nach Patella i^ auch in der pneu- monischen Lunge bilden und die Ursache des schnellen Absterbens des D. pn. in der Lunge, sowie auch in den Kulturen sein. Was die Atypie im kulturellen Verhalten des D. pn. betrifft, so besteht sie darin, dass der genannte Coccus unter Umständen auch unter 24" C, also bei Zimmertemperatur wächst, dass ferner seine Kul- turen etwas üppiger werden, und dass in Fleischbrühe ein stärkeres Sedi- ment sich bildet, während die Flüssigkeit mehr Aveniger klar bleibt. Im Sedimente findet man dann mikroskopisch lange, verschlungene Ketten, also ähnliche Verbände wie bei der Züchtung des Streptococcus pyo- genes, wie überhaupt die atypischen Kulturen des D. pn., in welchen die Kokken gewöhnlich rund und in Ketten angeordnet sind, eine große Aehnlichkeit mit den Kulturen des vorigen aufweisen. Zur Atypie ge- hört auch das Nichtauftreten von Säure und von Gerinnung in der Milch. FAwrrzKY^s giebt an, dass er dreimal die Bildung eines ziegelroten Pigmentes beobachtete; es bleibt aber dahingestellt, ob es sich in diesem Falle wirklich um den D. pn. handelte. Litteratur. 1 GuARNiERi, Atti deir accad. med. di Roma, vol. 4, 1888. — 2 Sclavo, Ri- vista d'igiene etc., 1894. — ^ Schmidt, Centralbl. f. inn. Med., Bd. 14, 1893. — * GiiAwiTZ & Steffen, Berl. klin. Woch., 1894. — '' Mosny, ref. in Baumgartens Jahresber., 1895. — 6 Gilbert & Fournier, Compt. rend. de la soc. d. biol., 1896. — 7 E. Fränkel & Reiche, Z. f. klin. Med., Bd. 25, 1894. — « Levy & Steinmetz, Arch. f. exper. Fathol., Bd. 37, 1896. — '' Bezan^-on & Griffon, Compt. rend. de la soc. de biol, 1898. — lo Carnot & Fournier, Arch. de med. exp6r., t. 12, 1900. — n Nissen, Fortschr. d. Med., 1891. — 12 Biondi, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 2, 1887. — 13 Würtz & Mosny, Sem. med., 1894. — 1* Patella, Atti d. R. accad. med. di Roma 1889. — ^'> Fawitzky, Deutsches Arch. f. klin. Med., 1892. Diplococcus pneumoniae und andere u. s. \v. 203 3. Lebensfähigkeit und Eesistenz. Der D. pu. pflegt iu kUustlicben Kulturen ziemlich rasch abzu- sterben ; auch in den Krankheitsherden, in welchen er vorkommt, kann die gleiche Erscheinung häufig beobachtet werden. Dass als Ursache hiervon die starke Säurebildung angesehen wird, wurde schon früher angegeben; in den Krankheitsherden spielen gewiss auch nocli andere Faktoren eine Rolle. Will mau daher den D. pu. in künstlichen Kulturen lebend erhalten, so muss er in kurzen Intervallen auf neue und zweckmäßige Nährljöden übertragen werden. Die Länge der Pau- sen, innerhalb welcher diese Uebertragung noch gelingt, kann aber sehr verschieden sein; im allgemeinen wird sie um so kürzer sein, je dürf- tiger die Kultur gediehen ist. In manchen Fällen gelingt es überhaupt nicht, eine zweite Generation zu erhalten. Man hat daher verschiedene Mittel ausfindig zu machen gesucht, durch welche eine Fortzüchtung auch innerhalb längerer Intervalle möglich sein solle. So empfahlen Wüktz & Mosxy \ da sie in der Säurebildung die Ur- sache des raschen Abstcrbens sahen, den Zusatz von kohlensaurem Kalk zu den Kulturen, wodurch letztere 1 — 6 Monate lebensfähig bleiben sollen. Emmerich 2 behauptet, dass man den D. pn. durch viele Monate lebensfähig erhalten könne, wenn man ihn in IV2 1 Fleischbrühe durch einige Tage bei Bruttemperatur züchtet, dann bei gewöhnlicher Tempe- ratur im Dunkeln aufbewahrt und zur Uebertragung nicht eine Oese voll, sondern den ganzen Bodensatz verwendet. Er meint nämlich, dass im letzteren Dauerformen, aber nur in sehr spärlicher Zahl, entstehen. Levy & Steinmetz 3 empfehlen die Anlegung von hohen Stich- kulturen, andere Autoren (Grawitz & Steffen 4, Bunzel - Federn s, MosNY^, Gilbert & Fournier 7, Carnot & Fournier^) die Verwendung solcher Nährböden, auf welchen überhaupt die Züchtung des D. pn. am besten gelingen soll, also von pneumonischem Sputum, menschlicher Ascitesflüssigkeit, Kaninchenserum, Eiern u. s. w. Im allgemeinen ist es richtig, dass die Benützung solcher Nährböden, welche für die Kultivierung überhaupt am geeignetsten sind, am ehesten noch die Dauer der Ueberimpf barkeit zu verlängern vermag, also die Verwendung von menschlichem Serumagar; auch die Aufbewahrung der Kulturen im Eisschranke trägt zu dieser Verlängerung bei, sowie die Uebertragung sehr großer Mengen nach der Methode Emmerichs eben- falls einen Erfolg begünstigen wird. Allein absolut sicher und in jedem Falle wirken diese Mittel doch nicht, und es wird daher, wenigstens in einer Anzahl von Fällen, nichts anderes übrig bleiben, als in sehr kurzen Intervallen, nach je 2—3 Tagen, die Ueberimpfung vorzunehmen. Während, wie wir zuvor gesehen haben, die Lebensfähigkeit des D. pn. in Kulturen im allgemeinen eine ziemlich kurze ist, erweist sie sich außerhalb von Kulturen, namentlich im Sputum und im Blute, als be- deutend länger (Guarnieri^, Bordoni-Uffreduzzi^o, Ottolenghi ^i, Sp(^lverini ^2) nii^ zwar sowohl bei Einwirkung von Fäulnis als von Kälte, Sonnenlicht und Eintrocknung ; die größere Resistenz im Sputum gegenüber der Eintrocknung dürfte dadurch zu erklären sein, dass die eintrocknenden Eiweißkörper des letzteren gewissermaßen eine Schutz- hülle für die Kokken bilden (Bordoni-Uffreduzzi). Das diffuse Sonnen- licht ist selbstverständlich weniger schädlich als das direkte ; so vertrugen in den Versuchen von Bordoni-Uffreduzzi die Pneumoniekokken eine bei diffusem Lichte erfolgende Eintrocknung bis zu 55 Tagen. 204 A. Weichselbaum. Ob die Schnelligkeit der Eintrocknung oder die Temperatur während der letzteren eine Holle spielt, muss noch unentschieden bleiben, da die in dieser Beziehung erhaltenen Resultate einander widersprechen (Guar- NiEEi [1. c], Patella i3\ was aber vielleicht wieder davon herrührt, dass die Resistenz der verschiedenen Stämme des D. pn. gegenüber Eintrock- nung innerhalb ziemlich weiter Grenzen schwankt (Kruse & PaxsiniI^]. Das eine scheint aber jedenfalls sicher zu sein, dass die Pneumonie- kokken in einer Anzahl von Fällen die Eintrocknung so gut vertragen, dass sie im lebenden Zustande durch die Luft verschleppt werden können (Germanoi^). Gegenüber der Hitze ist der Pneumoniecoccus wenig widerstands- fähig; so wird er schon durch eine Temperatur von 52° C nach 10 Mi- nuten langer Einwirkung getötet (Sternberg ^^j. Litteratur. 1 WÜRTZ & MosNY, Sem. med., 1894. — 2 Emmerich, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 17, 1894. — 3 Lew & Steinmetz, Arch. f. exper. Path., Bd. 37, 1896. — * Grawitz & Steffen, Berl. klin. Woch., 1894. — 5 Bunzel-Federn, Arch. f. Hyg., Bd. 20, 1894. — 6 MosxY, ref. in Baumgartens Jahresber., 1895. — "' Gilbert & Fournier, Compt. rend. de la soc. de biol., 1896. — s Carnot & Fournier, Arch. de med. exper., t. 12, 1900. — 8 GuARNiERi, Atti d. R. accad. med. di Roma, 1888. — 10 Bordoni- Uffreduzzi, Arch. p. 1. sc. med., 1. 15, 1891. — 11 Ottolenghi, Centralbl. f. Bakt, Bd. 25. — ^ Spolverini, Ann. d'igiene sperim., 1899. — i^ Patella, Atti d. R. accad. med. di Roma, 1889. — i* Kruse & Pansini, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 11. — i-' Germano, ebd., Bd. 26. — 16 Sternberg, Centralbl. f. Bakt., Bd. 12, 1891. 4. Virulenz, Toxinbildung und Tierpathogenität des Diplococcus pneumoniae. Zwischen Lebensfähigkeit und Virulenz des D. pn. besteht ein ge- wisser Parallelismus: sowie erstere in den künstlichen Kulturen bald erlischt, so auch letztere, und zwar noch rascher als erstere; sowie ferner die Vitalität des D. pn. im Blute und im Sputum eine viel länger dauernde ist als in Kulturen, so verhält es sich auch mit der Virulenz. Diese erhielt sich z. B. im Sputum in den Versuchen von Ottolenghi ^ bis zu 65, die Vitalität allerdings noch etwas länger, nämlich bis über 83 Tage. Auch innerhalb des durch den D. pn. infizierten Organismus besteht eine Kongruenz zwischen Virulenz und Vitalität, indem nämlich beide während des Verlaufes der Krankheit allmählich abnehmen, oder richtiger gesagt, an den Stellen des ältesten Stadiums des Krankheits- prozesses sind sowohl Vitalität als Virulenz geringer als an den Stellen der frischeren Stadien. Die Virulenz und die Dauer derselben kann endlich bei den ver- schiedenen Stämmen des D. pn. ebenso innerhalb weiter Grenzen schwan- ken wie die Vitalität. Behufs Konservierung der Virulenz sind auch im allgemeinen ähn- liche Mittel angegeben worden wie zur Erhaltung der Lebensfähigkeit, nämlich Züchtung in solchen Nährsubstraten, welche für das Wachstum am günstigsten sind, also auf pneumonischem Sputum, auf Blutagar, in defil)riniertem, flüssigem Blute, in Ascitesflüssigkeit, Kaninchenserum, auf Eiern u. dergl. Foa^ empfiehlt, frisch aufgefangenes Blut von Kanin- chen, welche an einer durch den D. pn. verursachten Scptikämie zu Grunde gegangen waren, durch 24 Stunden bei Bruttemperatur und dann an einem kühlen, dunklen Orte aufzubewahren ; hierbei erhalte sich die Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 205 Virulenz bis zu 60 Tagen. Einen älmliclien Erfolg erzielte Sclavo^ durch Aufbewahrung der Milz eines nach Infektion mit D. pn. zu Grunde gegangenen Tieres in einer größeren Quantität von Glycerin an einem dunklen Orte. Die eben angegebenen Mittel lassen aber häutig im Stiche, nament- lich wenn es sich darum handelt, eine abgeschwächte oder verloren ge- gangene Virulenz zu erhöhen, beziehungsweise wiederherzustellen; für diesen Zweck eignet sich noch am besten die wiederholte Passage des Pneumoniecoccus durch den Organismus sehr empfänglicher Tiere. Die Virulenz des D. pn. kann auch künstlich abgeschwächt werden und zwar auf verschiedene Weise: durch Züchtung bei einer Temperatur über 39° (A. Fräxkel 1. c.) oder auf wenig geeigneten Nährsubstraten oder auf solchen, auf denen es zur reichlichen Säure- bildung kommt, wie namentlich in der Milch u. s. w., ebenso durch Ueber- tragung des D. pn. auf künstlich immunisierte Tiere. lieber dieToxiubilduug des D.pn. ist bisher noch recht wenig Siche- res bekannt, obwohl es nicht an diesbezüglichen Untersuchungen gefehlt hatte. Nachdem Lucatello* nachgewiesen, dass abgetötete Kulturen des D. pn. pyogen wirken, hatten verschiedene Autoren und durch ver- schiedene Methoden versucht, das spezifische Toxin des D. pn. oder dessen giftige Produkte überhaupt darzustellen. G. & F. Klemperer^ ge- wannen ein »Toxalbumin« in Gestalt eines amorphen Pulvers. Boxardi^ meint, dass der D. pn. außer den von ihm dargestellten Basen auch fluchtige Fettsäuren, Milchsäure, Pepton und wahrscheinlich Ammoniak produziere, und dass die Vergiftung durch alle diese Substanzen zusam- men erfolge. Carnot & Fournier ^ erhielten teils durch Dialyse , teils durch Fällung ein »Toxin«, welches nach ihrer Meinung vielleicht nur einen Teil der löslichen Produkte des D. pn. darstellt, aber schon in kleinen Dosen deutlich anatomische Veränderungen hervorruft, welche den durch lebende Pneumoniekokken erzeugten sehr ähnlich sein können. Griffith^ will aus dem Harne von Pneumonikern eine giftige Base er- halten haben. Auch Andreini ^ will einen basischen Körper gewonnen haben; aber er ist selbst sehr skeptisch nicht nur gegenüber den von anderen, sondern auch gegenüber den von ihm erhalteneu Resultaten, und kommt zu dem Schlüsse, dass es bisher weder bei dem Pneumonie- coccus noch bei den übrigen Bakterien gelungen sei, die Toxine als chemisch reine Produkte zu gewinnen. In neuester Zeit neigt man der Ansicht zu, dass das spezifische Toxin des D. pn. an die lebende Bakterienzelle mehr weniger fest gebunden ist und daher zu den Endotoxinen gehört. Was die Tierpathogeuität des D. pn. betriift, so erweisen sieh für die Infektion mit letzterem eine Anzahl von Tieren als empfänglich. Am meisten empfänglich sind Kaninchen und Mäuse, viel weniger da- gegen Meerschweinchen, Ratten, Hunde, Katzen und Schafe, und ganz refraktär Hühner und Tauben; ferner sind junge Tiere mehr empfäng- lieh als ältere. Schließlich hängt die Wirkimg der Infektion mit dem D. pn. selbstverständlich auch noch von der Virulenz und der Menge der einverleibten Kokken ab, ebenso von der Art der Inokulation. Eyke & Washbourn^o fanden beispielsweise, dass von den auf Blutagar ge- zogenen Kulturen 0,000,001 Oese (die Oese wog etwa 0,4 mg) Mäuse in 4 Tagen und 0,000,001 Oese = 200 Keime Kaninchen stets, und 0,000,000,1 Oese nicht selten innerhalb 30 Stunden töteten. Die Art der Einver- leibung hat insofern einen Einfluss, als bei Injektion der Kokken in die 206 A. Weichselbaum, großen Körperhölilen oder ins Blut die Wirkuug im allgemeinen eine intensivere und raschere zu ^ein pflegt als bei subkutaner oder kutaner Infektion. Die Wirkung des einverleibten D. pn. besteht bei sehr empfänglichen Tieren und Benützung von virulentem Material in einer Septikämie ohne deutliche Lokalveränderuugen, während durch weniger virulente Kokken oder bei weniger empfänglichen Tieren ausgeprägte Lokal- prozesse erzeugt werden. Bei der Septikämie, wie sie bei Kaninchen und Mäusen nach sub- kutaner Infektion aufzutreten und in 1—3 Tagen unter starkem Fieber die Tiere zu töten pflegt, bemerkt man an der Injektionsstelle entweder gar keine Veränderung oder bloß ein seröses Exsudat, dagegen in typi- schen Fällen einen deutlichen und auffallend festen Milztumor; die Derbheit des Milztumor rührt nach FoX^' von Gerinnungen in den Milz- venen her. Sowohl im Blute als in der Milz findet man zahlreiche ty2)i- sche Pneumoniekokken, d. h. längliche, meist zu zweien angeordnete und meist kapseltragende Kokken. In atypischen Fällen ist der Milz- tumor minder deutlich und weicher, und die Kokken im Blute und in der Milz können weniger zahlreich sein; auch sind sie nicht typisch, sondern rundlich, ohne Kapsel und können auch längere Ketten bilden. Das Bild der Septikämie kann bei Kaninchen und Mäusen auch durch Injektion des D. pn. in die Pleura- oder Bauchhöhle oder in die Trachea oder durch Inhalation von Pneumoniekokken erzeugt werden; nur zeigen bei der intrathorazischen Infektion auch die Lungen gewöhn- lich Veränderungen, nämlich Hyperämie oder Verdichtung (Splenisation) ihrer Substanz; eine typische Hepatisation pflegt aber hierbei nicht zu entstehen. Wenn mau Kaninchen und Mäusen abgeschwächte oder minder empfänglichen Tieren virulente Pneumoniekokken subkutan oder in die großen Körperhölilen injiziert, so entsteht nur lokal eine Ent- zündung, die aber ein sehr fibriureiches Exsudat liefern kann; der Tod tritt, wenn überhaupt, meist erst nach mehreren Tagen ein. Bei In- jektion in die Pleurahöhle pflegt nicht selten neben Pleuritis auch eine mehr minder ausgeprägte Hepatisation der Lungen zu entstehen; diese kann mitunter auch bei subkutaner oder endotrachealer oder intraperi- tonealer Injektion erzeugt werden. In den lokalen Entzündungsherden findet man typische oder atypische Pneumokokken in mehr minder großer Zahl, während im Blute und in der gewöhnlich nicht geschwolle- nen Milz keine oder nur spärliche Pneumoniekokken nachzuweisen sind. Litteratur. 1 Ottolenghi, Centralbl. f. Bakt., Bd. 25. — 2 FoÄ, Ztschr. f. Hyg., Bd. 15, 1893. — 3 SCLAVO, Ann. Pastenr, t. 7, 1S93. — * Lucatello, Eif. med., 1887. — ^ G. & F. Klemperer, Berl. klin. Woch., 189L — 6 Bonardi, Riv. gen. di clin. med., 1899. — '7 Carnot & FouRNiER, Arch. de med. exp6r., t. 12, 190O. — « Griffith, Compt. rend., 1. 113. — 9 Andreini, Centralbl. f. Bakt., Bd. 23. — 10 eyre & Washbourn, Joiirn. of Path. and Bact, vol. 5. — " FoA , Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 15, 1893 u. Bd. 17, 1895. 5. Varietäten oder Arten des Diplococcus pneumoniae. Wir haben bereits in den vorigen Kapiteln gehört, dass der D. pn. bezüglich seiner Form und Anordnung, seines Wachstums in küust- liclien Kulturen, seiner Lebensfähigkeit und Virulenz und seiner Wir- kung im tierischen Organismus teils ein typisches, teils ein atypisches Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 207 Verhalten zeigen kann, wobei das letztere wieder eine nicht geringe Mannigfaltigkeit darbietet. Die atypischen Repräsentanten des D. pn. haben aber trotz ihrer Mannigfaltigkeit zumeist das gemeinsam, dass die Kokken rund, ohne Kapsel sind und Neigung zur Kettenbildung zeigen, dass sie in künstlichen Kulturen etwas besser wachsen, und zwar schon bei Temperaturen unter 24^', und dass sie in letzteren auch lebens- fähiger, aber weniger virulent sind als der typische D. pn. Sie finden sich teils als Saprophyten auf den mit der Außenwelt in Verbindung stehenden Schleimhäuten des menschlichen Organismus, teils bei verschiedenen Krankheitsprozessen, zum Teil bei solchen, welche in ihrem Charakter und Verlaufe von jenen abweichen, in denen der typische D. pn. gefunden zu werden pflegt. Es entsteht nun die Frage, ob die atypischen Pneumoniekokken als Varietäten, distinkte und nicht distiukte, oder gar als besondere Arten anzusehen sind. Einige Autoren waren (oder sind) der Ansicht, dass die von ihnen gefundenen, atypischen Pneumoniekokken als scharf voneinander zu trennende Varietäten oder sogar als besondere Arten aufzufassen seien. So unterschied Fol (1. c.j zwei selbständige Varietäten, von welchen er die eine Pneumococcus und die andere Meningococcus nannte; ersterer erzeugt bei subkutaner Injektion an der Impfstelle Oedem, auch Oedem im Mediastinum, aber nur eine geringradige Septikämie mit einem weichen Milztumor und tötet in 24 Stunden, während der zweite keine lokalen Veränderungen, sondern hochgradige Septikämie mit einem harten Milztumor (infolge von Fibriugerinnung in den Milzvenen) hervor- ruft und in 3 Tagen tötet. Auf Grund der eben angeführten Merkmale bezeichnete Foa den Pneumococcus auch als toxische oder ödematogene und den Meningococcus als septische oder fibrinogene Varietät. Von letzterer trennte er noch eine Abart, den Streptococcus lanceolatus, welcher sich in Kulturen und im Tierkörper durch Bildung langer Ketten charakterisierte. Während Foi. anfangs der Ansicht war, dass sein Pneumo- und Meningococcus ineinander nicht übergehen können, fand er später, dass sie nicht nur oft in ein und demselben Organe nebeneinander vorkommen, sondern dass auch eine ganze Reihe von Uebergängen zwischen ihnen bestehe. Banti^ stellte 4 Arten auf, von welcher jede eine ganz bestimmte Form von Pneumonieepidemie erzeugen sollte. BoNOME^, welcher bei einer kleinen Epidemie von Meningitis cerebro- spinalis einen Kapselcoccus gefunden hatte, stellte denselben, nament- lich wegen gewisser Eigentümlichkeiten in den Kulturen und beim Tier- versuche, als eine besondere Species mit dem Namen Streptococcus meningitidis hin. Auch noch andere Autoren (Nikiforoff 3, Kruse & Pansini^, Ort- ners, Levy & Steinmetz 6, Emmerich^ u. s. w.) fanden in diesen oder jenen Fällen Kokken, welche mehr weniger von dem typischen D. pn. abwichen ; Kruse & Pansini beschrieben sogar 84 Spielarten. Fast alle diese Autoren sind aber der Ansicht, dass es sich hierbei nicht um distinkte, unwandelbare Varietäten handelt; sie konnten nämlich nicht nur alle Uebergänge zwischen den einzelnen Varietäten konstatieren, sondern diese auch ineinander überführen. Man beobachtete nämlich, dass gewisse Varietäten, insbesondere die durch Bildung langer Ketten charakterisierten, bei Uebertragung auf minder günstige Nährböden sich bildeten und hierbei auch an Virulenz abnahmen; gelang es aber 208 A. Weichselbanm, dann, letztere wieder herzustellen, so kehrten auch die alten morpho- logischen Eigenschaften zurück (Kruse & PAxsmi). Da die Varietäten des D. pn. alle Uebergaugsformen vom tj'^pischen D. pn. zum typi- schen Streptococcus pyogenes zeigen, so ist ihre Abgrenzung vom Streptococcus pyogenes mit den uns bis jetzt zu Gebote stehenden Be- helfen recht schwer, wenn nicht unmöglich. Die von mancher Seite empfohlene Uebertragung auf Mäuse, wobei, wenn es sich um eine nicht ganz avirulente Varietät des D. pn. handelt, im Körper des eben krepierten Tieres stets Diplokokken mit deutlicher Kapsel zu finden sein sollen, kann nicht als allgemein verlässlich bezeichnet werden, und die Prüfung der Agglutination wird, wenigstens nach den Untersuchungen Neufelds ^, bei den wenig oder gar nicht virulenten Varietäten versagen. Vielleicht wird es später nach Auffindung exakter Methoden möglich sein, einerseits den D. pn. in allen Fällen sicher vom Streptococcus pyo- genes zu unterscheiden und andererseits die Frage zu lösen, ob der D. pn. distinkte Varietäten bildet oder nicht. Litteratur. 1 Banti, Arch. di anat. norm, et path.. t. 5, 1890 n. Lo Sperim., 1890. — 2 BoNOME, Arch. p. 1. scienze med., t. 13 u. Centralbl. f. Bakt., Bd. 7. — 3 Niki- FOROFF, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 8, 1889. — 4 Kruse & Pansini, ebd., Bd. 11. — 5 Ortner, Die Lungentuberkulose als Mischinfektion. Wien u. Leipzig 1893. — 6 Levy & Steinmetz, Arch. f. exper. Pathol., Bd. 37, 1896. — ^ Emmerich, Zeit- schrift f. Hyg., Bd. 17. ~ 8 Neufeld, ebd., Bd. 40, 1902. 6. Vorkommen des Diplococcus pneumoniae in der Umgebung des Menschen und im normalen Organismus desselben, Wie wir später hören werden, kann bei den durch den D. pn. ver- ursachten Affektionen des Menschen, insbesondere bei der Pneumonie, der genannte Coccus durch verschiedene Exkrete, namentlich durch das Sputum, nach außen gelangen; da aber, wie wir schon früher gezeigt haben, dieses Bakterium außerhalb des Organismus sich eine gewisse Zeit lebensfähig erhalten kann, so ist wohl anzunehmen, dass es sich auch in unserer Umgebung vorfindet. Es liegen nur bisher wenige Unter- suchungen vor, in denen das Vorkommen des D. pn. in der Außenwelt direkt nachgewiesen werden konnte; eine solche Untersuchung ist bei- spielsweise von Netter 1 angestellt worden, welcher den genannten Coccus im Staube der Wand eines Krankenzimmers nachzuweisen vermochte. Wenn nun feststeht, dass der D. pn. in unserer Umgebung sich vor- findet, so liegt die weitere Annahme nahe, dass er auch auf jenen Schleimhäuten und in jenen Organen des gesunden Menschen vorkom- men Averde, welche mit der Außenwelt in Verbindung stehen. Diese Annahme ist auch thatsächlich durch eine Reihe von Untersuchungen bestätigt worden. Schon die früher angeführte Thatsache, dass der Coccus der sogen. Sputuraseptikämie, d. i. der durch Uebertragung eines normalen Mund- speichels auf Kaninchen nicht selten zu erzeugenden Erkrankung, iden- tisch ist mit dem D. pn., l)eweist das Vorkommen des letzteren in der Mundhöhle gesunder Menschen. Es ist aber durch eine Anzahl von Forschern (v. Besser 2, Gasparixi^, Cuenod^, Bezaxqox & Griffini s, Oertzen^ u. s. w.) auch das Vorkommen auf anderen normalen Schleim- häuten, so der Nasen- und Kacheuhöhle, des Bindehautsackes, der tieferen Luftwege, festgestellt worden. Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 209 Ueber die Häufigkeit dieses Vorkommeus köunen wir freilich uoeli keine sicheren Angaben machen. Bezüglich der Mundhöhle wird aller- dings angegeben (Bezaxcox & Grib^fixi), dass der D. pu. ein konstanter Bewohner derselben sei, und es ist auch, obwohl der Speichel nur in einer beschränkten Zahl von Fällen bei Kaninchen Sputumseptikämie zu erzeugen vermag, kaum zu zweifeln, dass der D. pu. recht häufig in der Mund- und Kacheuhöhle vorkommt. Bezüglich der übrigen Schleim- häute und namentlich bezüglich der Lungen gehen die bisherigen Unter- suchungsresultate noch auseinander. So hat eine Anzahl von Autoren (ich^, Babes^, Claisse^ u. a.) in den gesunden Lungen des Menschen (und auch der Tiere) überhaupt keine oder nur sehr spärliche Bakterien gefunden, während Dürck'** z. B. unter 13 Fällen 12 mal in der normalen menschlichen Lunge den D. pn. nachweisen konnte. In der jüngsten Zeit fand Quensel'i in den gesunden Lungen von Tieren zwar häufig Bak- terien, aber meist nur in ganz geringer Menge, und Paul '2 betont, dass durch die Atmung zwar ein Teil der sowohl in der Außenluft als im Respirationstrakte befindlichen Bakterien bis in die Alveolen einzudringen vermag, aber unter normalen Verhältnissen daselbst fast ganz beseitigt wird, so dass die gesunden Lungen meist keimfrei oder annähernd keim- frei gefunden werden. Es scheint also aus den bisherigen Unter- suchungen hervorzugehen, dass auch im Respirationstrakte, selbst in den größeren und mittleren Bronchien gesunder Individuen, der D. pn. häufig vorkommen kann, dagegen die gesunden Lungen unter normalen Verhältnissen in den meisten Fällen von ihm frei l)leiben, während unter abnormen Verhältnissen, z. B. bei gleichzeitigem Eindringen von gröberen Staubpartikelchen (Dürck), eine Ansiedelung des D. pn. in der Lunge ermöglicht oder begünstigt werden dürfte. Es ist selbstverständlich, dass der D. pu. mit dem Speichel auch in den Magen und Darm gelangt; doch besitzen wir über sein Vorkommen daselbst unter normalen Ver- hältnissen keine direkten oder sicheren Angaben. ^o^ Litteratiir. 1 Netter, Compt. rend. de la soc. de biol, 1897. — 2 y. Besser, Zieglers Beitr. z. path. Anat., Bd. 6, 1889. — 3 Gaspariki, ref. im Centralbl. f. Bakt., 1894. — 4 Cuenod, Sem. med., 1895. — 5 BEZANgoN & Griffini, ref. in Baumgartens Jahresber., 1898. — 6 Oertzen. Kliu. Monatsbl. f. Augenheilkunde, Bd. 37. — ' Weichselbaum. Med. Jahrb., Wien 1886. — « Babes, cit. nach Quensel in Ztschr. f. Hyg., Bd. 40, 1902. — 9 Claisse, These de Paris, 1893. — i" Dürck, Deutsches Arch. f. klin. Med., Bd. 58 (1897). — u Quensel, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 40, 1902. — 1^ Paul, ebd., Bd. 40, 1902. 7. Vorkommen des Diplococcus pneumoniae in der Lunge bei der Lobär- und Lobulärpneumonie. Misch- und Sekundärinfektion. Die bereits im geschichtlichen Teile angeführte Behauptung, dass der D. pn. der häufigste Erreger der Lobärpneumonie ist, stützt sich zum Teile auch auf die Thatsache des außerordentlich häufigen Vorkommens des genannten Bakteriums bei der erwähnten Form von Lungenentzündung. Ich konnte ihn seinerzeit unter den 129 von mir untersuchten Pneumonieen 94 mal nachweisen, und zwar waren unter diesen Lungenentzündungen 80 Fälle von Lobärpneumonie. Damals hatte ich auch darauf hingewiesen, dass der D. pn. am reichlichsten in den Anfangsstadien des Prozesses in der entzündeten Lunge zu finden Handtuch der pathogenen Mikroorganismen. III. J^^ 210 ■^- Weichselbaum, ist, daher am reicliliclisten an jenen Stellen, an welchen die Entzün- dung noch am frischesten ist, also namentlich an den Grenzen einer fortschreitenden Pneumonie oder in der nächsten Umgebnug-, falls diese im Zustande eines akuten, entzündlichen Oedems sich befindet, wäh- rend er an jenen Stellen, in welchen der Prozess älter oder bereits in Rückbildung begriö'en ist, viel spärlicher vorkomme oder ganz fehlen könne. Ebenso hatte ich angegeben, dass zu Beginn des Prozesses, bezw. an den Stellen des jüngsten Stadiums, die Kokken typisch ge- staltet und gewöhnlich von einer deutlichen Kapsel umgeben sind, während sie später nicht nur spärlicher werden, sondern ihre Kapsel verlieren, kleiner werden, sich schlecht färben und schließlich nicht mehr nachzuweisen sind. Einen solchen Befund habe ich seither immer und immer machen können, sowie er auch von anderen Seiten bestätigt wurde. Die Kokken kommen teils in den Alveolen und Bronchioli, teils in den kleinen Lymph- und Blutgefäßen der entzündeten Partieen vor, und zwar häufig frei, nicht selten aber auch innerhalb von Leukocyten. Durch die Lymphbahnen gelangen sie gewöhnlich in die Pleura, die bei Lobärpneumonie wohl immer in Entzündung gerät, weiters auch in die benachbarten Lymphdrüsen; anderseits können die Kokken von den Lymph- und Blutgefäßen in die allgemeine Zirkulation gelangen und durch diese in verschiedene Organe verschleppt werden, in welchen sie dann sekundäre Erkrankungen hervorzurufen im- stande sind. Indem wir auf letztere noch später zu sprechen kommen werden, wollen wir jetzt nur das Hineingelangen der Kokken in die allgemeine Blutmasse ins Auge fassen, wo sie von vielen Untersuchern (von mir^, Orthenberger2, Guarnieri^, Holt & Prudden*, Banti^, Belfanti^, Pernice & Alessi ^, Boulay®, Leyden & Goldscheider^, Casati'o, Nazari^i, Sello12^ Holst ^^^ Pane^-^, Silvestrini & Ser- TOL115, Baduel 'ß, Berghinz 1^, Prochaska^^, A. Fhänkel^^ u. a.) gefunden werden konnten, teils schon iutra vitam, teils nach dem Tode und in letzterem Falle sowohl im Herzblute als im Blute ver- schiedener Organe. Ist die Menge der Kokken im Blute keine ge- ringe, so kann man mit Recht von einer Septikämie sprechen (Nazari, Pernice & Alessi, Boulay u. s. w.), welche mit der bei Mäusen und Kaninchen künstlich zu erzeugenden Septikämie in eine Parallele ge- stellt werden kann. Der Uebertritt von Pneumoniekokken ins Blut scheint ziemlich häufig vorzukommen; wenigstens wird dies von den meisten Untersuchern behauptet. A. Fränkel, welcher hierüber sehr zahlreiche Untersuchungen angestellt, konnte, wie er kürzlich mitteilte, in 20 % der Fälle im Blute von Pneumouikern intra vitam den D. pn. nachweisen, glaubt aber, dass letzterer in jedem Falle von Pneumonie im Blute vorhanden sei. Freilich wird es nur in einer gewissen Zahl von Fällen zu einer solchen Vermehrung der Kokken im Blute kommen, dass ihr Nachweis gelingt. Um letzteren möglichst zu sichern, schlagen die neueren Untersucher, besonders für den Nachweis intra vitam, vor, größere Mengen von Blut (4 — 5 ccm) hierzu zu verwenden. Den meisten Autoren ist der Nachweis nur in schweren Fällen von Pneumonie ge- lungen, weshalb sie ihm eine prognostisch schlechte Bedeutung zu- schreiben. Im Einklänge mit dem häufigen Uebertritte des D. pn. in das zirku- lierende Blut steht die Thatsache, dass derselbe auch in der Galle, Diplococciis pneumoniae und andere u. s. w. 211 im Harne imd in der Milch nachgewiesen werden konnte (Perxice & Alessi, Foa & Bordoni-Uffreduzzi2o, Bozzolo^ij; auch in Tier- versuchen war es möglich, ihn in der Milch nachzuweisen. Weiter steht hiermit im Einklänge der Uebergang des D. pn. aus dem Blute pneumonisch erkrankter Schwangerer auf den Fötus, wie er von mehreren Autoren (Fol & Bordoxi - Uffreduzzi, Netter 22^ Levy23, Vrn24, Czemetschka25j Delestee26) festgestellt werden konnte. Durch diesen Uebertritt entsteht bei dem Fötus entweder eine Allgemeiniufektion ohne irgend eine Lokalisatiou, oder aber, was bisher viel häufiger kon- statiert wurde, eine Entzündung der Lunge, bezw. auch der Pleura, des Perikards, Peritoneum, der Meningen. Von praktisch und diagnostisch wichtiger Bedeutung ist das fast regelmäßige Auftreten des D. pn. im Sputum der Pneumoniker, eine Erscheinung, welche schon lange bekannt ist und teils durch Ueber- impfung des Sputums auf Kaninchen, teils mikroskopisch oder kultu- rell nachgewiesen wurde. So fand, um nur einige Beispiele anzu- führen, Wolf 27 unter 70 Fällen von Pneumonie den D. pn. im Sputum 66mal, Netter 28 in 75^ seiner Fälle und v. Weismayr29 unter 39 Fällen 34 mal Wolf traf ihn in frischen Fällen fast ausschließ- lich und in reichlicher Menge, desgleichen v. Weismayr; Netter fand ihn auch noch bei Kekonvaleszenten nach Pneumonie und zwar in 60 % der Fälle, während er ihn im Speichel gesunder Personen nur in 15^ der Fälle konstatieren konnte. Bemerkenswert ist, dass der genannte Autor den D. pn. in den ersten Wochen nach der Pneu- monie weniger virulent fand als später oder sogar ganz unwirksam, was zum Teile einerseits mit den Untersuchungen jener Autoren (Pa- tella, 1. c, u. a.), welche eiue Abnahme der Virulenz des D. pn. schon während des Verlaufes der Pneumonie konstatierten, anderseits mit der schon oben angedeuteten Thatsache übereinstimmt, dass in der pneumonischen Lunge an den Stellen der älteren Stadien der Entzündung die Kokken in Degeneration begriöen sind. Eine Ausnahme hiervon macht die Mitteilung Marchiafavas & Bigxamis^o, welche bei einer allerdings atypischen Pneumonie, einer sog. Wanderpneumonie, den D. pn. im Sputum noch am 18. Tage der Krankheit sehr virulent fanden, aber vielleicht nur eine scheinbare Ausnahme, weil das Sputum von den frischesten Teilen der Pneumonie gestammt haben konnte. Wie wir wissen, kann eine Lobärpneumonie nicht selten während des Verlaufes einer anderen Infektionskrankheit entstehen; man darf aber dann nicht ohne weiteres annehmen, dass sie in einem solchen Falle durch den Erreger des anderen, primären Krankheitsprozesses hervorgerufen worden sein müsse. Ich hatte schon seinerzeit (1. c.) bei Lobärpneumonieen, die im Ver- laufe von Phlegmone oder Lymphangioitis aufgetreten waren, also bei Prozessen, bei denen der Strept. pyog. gefunden wurde, nicht den zu- letzt genannten Erreger, sondern den D. pn. nachweisen können. Einen gleichen Befund haben später verschiedene, andere Autoren erhoben, d. h. sie haben, wie z. B. Hajek^i, Roger 32^ im Verlaufe von Erysipel, oder Karltxski ^3, im Verlaufe von Typhus abdominalis, oder Strelitz ^^, Flexner35, im Verlaufe von Diphtherie, oder ich 36, Prior'^^ Jaccoud38j Kruse, Paxsint & Pasquale39, Lew*«, Heitler^i, im Verlaufe von Influenza eiue Lobärpneumonie beobachtet, bei welcher nicht der Erreger der anderen, primären Infektionskrankheit, sondern der D. pn. gefunden wurde; allerdings zeigte letzterer in manchen dieser Fälle ein mehr 14* 212 A. Weichselbanm, weniger atypisches Yerlialteu imd die Pueumouie selbst gewisse klinische Anomalieen. Es können also im Verlaufe von verschiedenen Infektions- krankheiten Lobärpneumonieen entstehen, welche ausschließlich auf Eechnung des D. pn. zu setzen und daher als primäre zu bezeich- nen sind. An einer anderen Stelle haben wir gehört, dass es Lobärpneumonieen giebt, die durch gewisse klinische Anomalieen charakterisiert sind und von den Klinikern mit verschiedenen Namen belegt oder schlechtweg als atypische Pneumonieen bezeichnet werden; in manchen Fällen wird auch ein endemisches oder epidemisches Auftreten derselben beobachtet. Da bei ihnen auch der anatomische Befund von dem gewöhnlichen abweichen kann, so ist es begreiflich, dass manche Kliniker diese Pneumonieen von der typischen Lobärpneumonie, welche sie als genuine, fibrinöse Pneumonie zu bezeichnen pflegen, trennen wollen und (wie z. B. Aufrecht ^2 in seiner kürzlich erschienenen Mono- graphie) der Meinung sind, dass sie nicht durch den D. pn. , sondern durch andere Mikroorganismen hervorgerufen werden. Diese Ansicht wird allerdings nicht von allen Klinikern geteilt. So war schon vor der Entdeckung des D. pn. von Jansen 43 behauptet worden, das die »asthe- nische« und die »genuine« Pneumonie durch ein und dasselbe Virus ver- anlasst werden. Auch Finkler, welcher sich um das klinische und ätiologische Studium der Pneumonie so verdient gemacht hat, ist nicht für eine Abtrennung der atypischen Pneumonie von der typischen, kru- pösen Lungenentzündung, weil alle Uebergänge von der einen zu der anderen vorkommen, weil beide Formen in Epidemieen sich vermischen und bei beiden der D. pn. vorkommt. Es liegen auch in der Litteratur eine Eeihe von Beobachtungen vor, denen zufolge bei verschiedeneu Formen von atypischer Pneumonie aus- schließlich der D. pn. nachgewiesen wurde, so unter anderen von Tiz- zoNi & MiRCOLi-15 bei »Wanderpneumonie«, von Roger ^6 bei atypischer Lungenentzündung im Verlaufe von Erysipel, von Banti*' und von Düflocq48 bei biliöser Pneumonie, von Mader''^ bei »intermittierender«, von Vanni & Gabbi^o^ von Enderlex^i, Lanz^^^ Maleschini ^3 und V. KuTSCHERA^-* bei endemischer und epidemischer Pneumonie u. s. w. Auch ich habe im Verlaufe der Jahre wiederholt bei atypischen Pneumonieen nur den D. pn. nachweisen können, der allerdings in man- chen Fällen, namentlich morphologisch und kulturell, gewisse Ab- weichungen zeigte. In nicht wenigen Fällen von atypischer Lobärpneu- monie werden zwar auch andere Bakterien, wie der Strept. pyogenes, Bacillus pneumoniae entweder allein oder nebst dem D. pn. gefunden, aber es ist sichergestellt, dass auch der D. pn. und zwar für sich allein der Erreger einer solchen Pneumonie sein kann. Der atypische Verlauf könnte in solchen Fällen, wie Finkler bemerkt, durch eine größere Virulenz des D. pn. oder durch eine anomale Reaktion des infi- zierten Organismus bedingt sein. Auch von der bei den Negern nicht selten vorkommenden Pneu- monie glaubte man, dass sie eine andere Aetiologie habe, als die Pneumonie der Weißen; Kolle^'' und Marchoüx^*' fanden aber auch bei der ersteren den D. pn., obwohl sie oft ein atypisches Verhalten zeigte — sie kam häufig mit Pericarditis oder Meningitis oder Peritonitis kombiniert vor — oder sogar epidemisch aufgetreten war. Wenn auch in jenen Fällen, in welchen eine primäre Lobärpneumonie durch den D. pn. verursacht wird, dieser zumeist allein vorkommt, Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 213 SO giebt es clocli g-ewisse Fälle, in welcheu man neben ihm noch andere Bakterien, und zwar den Streptococens oder Staphylocoecns pyo- geues findet, welche entweder zugleich mit dem D. pn. oder erst später aufgetreten sind; es liegt dann eine Mischinfektion, bezw. eine Sekimdärinfektion vor. Inwieweit hierdurch der Charakter der Pneumonie, ihr Verlauf und ihr Ausgang beeinflusst werden kann, lässt sich auf Grund der bisher vorliegenden Beobachtungen noch nicht mit voller Sicherheit entscheiden. Von mehreren Forschern wird angenommen, dass die sekundäre In- fektion durch die zuvor genannten Eiterkokken, insbesondere durch den Staphylocoecns, den Ausgang der Pneumonie in Eiterung oder Gangrän verursache oder wenigstens begünstige. Dies mag auch thatsächlich für eine Anzahl von Fällen zutrefteu; aber einerseits werden Fälle be- obachtet, in denen die Pneumonie trotz der Anwesenheit der genannten Kokken einen solchen Ausgang nicht nimmt, und anderseits giebt es wieder Fälle, in welchen trotz eingetretener Eiterung nur der D. pn. aufgefunden werden kann (Zenker", Gkiffon^*). Auch die Ansicht Leichtensterns^9^ (Jass die Lobärpneumonie infolge Mischiufektion einen atypisch - asthenischen Charakter annehme, bedarf noch der Be- stätigung. Ich hatte bei meinen Untersuchungen über die Aetiologie der Lungen- entzündung (1. c.) bereits den Nachweis geliefert, dass der D. pn. auch bei der Lobulärpneumonie sich finden kann, und zwar waren unter den damals von mir untersuchten 129 Fällen von Luugenentzündung 5 Lobulärpneumonieen mit diesem Befunde. Seitdem ist eine Reihe von Untersucheru (Massalongo^o, H. Neumann 6i, Queissner62, Banti^^, NETTER^'i, Kreibich^^, CoMBA^ß U.S.W.) ZU dem gleichen Resultate ge- kommen. Sie haben zwar in nicht wenigen Fällen von Lobulärpneumonie auch andere pathogene Bakterien gefunden und zwar entweder immer nur je eine Art oder zwei oder mehrere Arten, aber in der relativen Mehrzahl der Lobulärpneumonieen doch den D. pn. allein oder in Kombination mit anderen pathogenen Bakterien. Nur MosNY^^ undPEARCE^s kamen zu teilweise anderen Resultaten. Ersterer behauptete nämlich, dass der Streptococcus pj'ogenes der aus- schließliche Erreger der gewöhnlichen »Bronchopneumonie« sei, weil er ihn bei dieser niemals vermisste; er fügte aber hinzu, dass er bei der pseudolobären Bronchopneumonie, welche sich auch anatomisch der krupösen Lobärpneumonie nähere, stets den D. pn. nachweisen konnte. Auch Pearce, welcher 128 Fälle von Bronchopneumonie untersucht hatte, und zwar 82 bei Kindern, die an Infektionskrankheiten, und 46 bei Kindern, die an nichtinfektiösen Krankheiten litten, fand wenigstens in der ersten Kategorie von Fällen den Strept. pyog. viel häufiger als den D. pn. Jedenfalls geht aus den bisherigen Untersuchungen hervor, dass der D. pn., wenn auch nicht so häufig wie bei der Lobärpneumonie, doch im allgemeinen recht oft bei der Lobulärpueumonie gefunden werden kann, dass er aber bei der letztgenannten Form von Lungenentzündung viel häufiger mit anderen pathogenen Bakterien sich kombiniert als bei der Lobärpneumonie. Was die Species der übrigen Bakterien betriift, welche noch bei der Lobulärpueumonie, teils allein, teils in Gesellschaft mit anderen, vor- kommen, so werden wir sie noch später genauer besprechen und hier 214 A. Weichselbaum, mir kurz aüfülireu, dass unter ihnen der Streptococcus und Stapliylo- coccus pyo^enes am häufigsten vertreten ist, und dass außer diesen noch Bacillus influenzae, Bacillus diphtheriae, Bacillus pneumoniae, Bacillus typhi abdominalis, Bacillus coli, Bacillus pestis und Micrococcus catarrhalis nebst einigen anderen Bakterien gefunden werden können. Ob der anatomische oder klinische Charakter der Lobulärpueu- monie von der Bakterienart beeinflusst wird und in welcher Weise, darüber lassen sich nur wenige bestimmte Angaben machen. Indem wir hier nur den D. pn. berücksichtigen — das Verhältnis der übrigen Erreger der Lobulärpneumonie wird später besprochen — können wir auf Grund der Untersuchungen Kreibiciis behaupten, dass der genannte Coceus sowohl bei der Bronchopneumonie (katarrhalischen Pneumonie) als bei der Aspirationspneumonie gefunden werden kann, ja Kreibich meint sogar, dass letztere gewöhnlich durch das genannte Bakterium hervorgerufen wird. Dag-egeu ergab sich dem erwähnten Autor zufolge in Bezug auf die Beschaffenheit des Exsudates bei der Aspirationspneumonie kein Unterschied, ob der D. pn. allein oder vereint mit anderen Bakterien vorkam, sowie auch in dieser Beziehung kein Unterschied zwischen den durch den D. pn. und den durch den Strepto- coccus pyogenes hervorgerufenen Lobulärpneumonieen wahrgenommen werden konnte. Auch Netter (1. c.) konnte bestimmte Beziehungen zwischen dem Bakterienbefunde und der anatomischen Form der Lobulär- pneumonie, ob letztere nämlich kleinere oder größere, isolierte oder kon- fluierende Herde bildet, nicht auffinden. Kreibich glaubt aber, dass bei jenen Aspirationspneumonieen, welche nach dem plötzlichen Eindringen großer Mengen infektiösen Materials in die Lungen entstehen, das Ex- sudat hämorrhagisch zu sein i^flegt. In einem Falle, in welchem die Lobulärpneumonie den Ausgang in Eiterung genommen hatte und nebst dem D. pn. der Staphylococcus pyogenes aureus vorhanden war, nimmt Kreibich an, dass durch letzteren die Eiterung erzeugt worden sei, während er den Ausgang der Aspirationspneumonie in Gangrän durch die Annahme erklärt, dass in den aspirierten Massen nebst ent- zündungserregenden Bakterien, z. B. dem D. pn., auch solche (wahr- scheinlich Anaerobier) vorhanden seien, welche Nekrose und weiterhin faulige Zersetzung der entzündeten Lungenpartieen zu bewirken vermögen. Wir dürfen übrigens nicht vergessen, dass die Beschaffenheit des Exsudates, bezw. die Art des Ausganges der Lobulärpneumonie, in ähn- licher Weise wie bei der Lobärpneumonie nicht allein von der Art des Erregers, sondern auch von dessen Virulenz und der Art der Reaktion des erkrankten Organismus abhängen kann. Litteratur. 1 Weichselbaum, Med. Jahrbücher, Wien 1886. — 2 Orthenberger, Münch. med. 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Wenn aber an der Pneumonie nebst dem zuletzt genannten Coccus noch andere Bakterien beteiligt sind, so können auch sie bei der Entstehung der Komplikationen neben dem D. pn. mitwirken oder, was wohl sehr selten vorkommt, sie können allein den komplizierenden Prozess hervorrufen, oder es finden sich end- lich bei diesem ganz andere Bakterien als in der pneumonischen Lunge. Unter den Komplikationen steht an Häufigkeit obenan die Pleuritis, welche bei der Lobärpneumonie wohl immer, bei der Lobulärpneumonie wenigstens sehr oft beobachtet Avird und dadurch entsteht, dass der Erreger der Pneumonie durch die Lymphbahnen direkt in die Pleura gelaugt. Zumeist findet sich hierbei nur ein spärliches, rein fibrinöses Ex- sudat; mitunter ist aber das Exsudat reichlicher und dann serös-fibrinös oder fibriuös-eiterig oder reineiterig. Gleichgiltig , ob das Exsudat diese oder jene Beschaffenheit hat, findet man in demselben den Erreger der Lungenentzündung, also am häufigsten den D. pn. und zwar allein, viel seltener im Vereine mit anderen Bakterien, speziell mit dem Strept. oder Stapliyl. pyogenes (Renvers 1, Jakowski'^ u. a.), und am seltensten sind jene Fälle, in welchen bei der metapneumonischen Pleuritis bloß der Strept. oder Staphyl. pyogenes oder beide zusammen gefunden werden (Sello^). 216 A. Weichselbaum, Netter 4 beobachtete auch Fälle, in welchen er im Exsudate einer metapneumonischen Pleuritis nach der Krise der Pneumonie gar keine Bakterien, sowohl durch Kultur als durch das Tierexperiment, nach- weisen konnte; er nahm an, dass der Erreger dieser Pleuritis, der D. pn., während der Krise abgestorben war. In jenen Fällen, in welchen nur ein spärliches Exsudat produziert wird, bildet sich die Pleuritis zugleich mit der Pneumonie zurück. Wenn aber das Exsudat reichlicher vorhanden und serös-fibrinös oder eiteriger Natur ist, so kann die Pleuritis verschieden lange Zeit die Pneumonie überdauern und dann einen mehr selbständigen Charakter annehmen. Es können auch mitunter die Symptome der vorausgegangenen Lungen- entzündung so wenig in die Erscheinung geti'eten sein, dass sie über- sehen wurden, und dann hat es den Anschein, als würde die Pleuritis primär entstanden sein. Nach den Beobachtungen der meisten Autoren (Netter 5, Kenveks, 1. c, Levy^ u. a.) hat die durch den D. pn. hervorgerufene Pleuritis eine ausgesprochene Tendenz zur Heilung, während dies bei der durch Mischinfektion mit Streptococcus oder Staphylococcus pyogenes oder bei der durch eine dieser Kokkenarten allein entstandenen Pleuritis gewöhn- lich nicht der Fall ist. Selbst wenn die durch den Pneumoniecoccus erzeugte Pleuritis einen mehr chronischen Verlauf nimmt, kann die Prognose noch immer eine ziemlich günstige bleiben; das Exsudat bricht auch nicht selten in die Lunge durch und kann dann durch die Bronchien entleert werden (Netter 1. c). Nichtsdestoweniger empfehlen manche Kliniker (Lekoy 1. c, Vierordt'), namentlich mit Rücksicht auf die Möglichkeit eines chronischen Verlaufes, für eine möglichst frühe und vollständige Entleerung des Exsudates zu sorgen. Fast ebenso häufig wie Pleuritis findet man bei Pneumonie, auch bei der Lobärpneumonie, eine Bronchitis von verschiedener In- und Extensität; das Exsudat ist zumeist ein schleimig- eiteriges oder ein eiteriges, selten ein krupöses. Auch die bronchialen Lymphdrüsen sind bei Pneumonie, ins- besondere bei Lobärpneumonie, sehr häufig- affiziert, indem sie mehr weniger angeschwollen und hyperämisch erscheinen. Es existieren nur über das Vorkommen des D. pn. in solchen Lymphdrüsen fast gar keine Untersuchungen, obwohl kaum gezweifelt werden darf, dass auch in ihnen der D. pn. sich finden dürfte, da er dorthin von der pneumoni- schen Lunge aus durch die Lymphwege leicht gelangen kann. An die Affektion der bronchialen Lymphdrüsen schließt sich eine andere Veränderung an, welche ebenfalls häufig bei Pneumonie, ins- besondere der Lobärpneumonie, zu beobachten ist und wahrscheinlich in gleicher Weise, d. h. auf lymphogenem Wege, entstehen dürfte, aber ebenfalls bisher wenig Beachtung gefunden hat. Man findet nämlich, wie ich seiner Zeit*» beschrieben hatte, gar nicht selten das lockere Bindegewebe im Mediastinum, Jugulum, in den Schlüsselbeingrubeu, zwischen Speiseröhre und Halswirbelsäule oder zwischen ersterer und Trachea, aber auch das submucöse Bindegewebe an den Gaimienbögen, in der Umgebung der Tonsillen, am Zungeugrunde, weichem Gaumen, Pharynx, ja selbst in der Conjunctiva bulbi im Zustande eines akuten Oedems, ja in einzelnen Fällen hat das Exsudat sogar einen fibrinösen Charakter angenommen (Phlegmone); an allen diesen Stellen konnte ich den D. pn. nachweisen. Die Veränderungen erinnern in ihrer Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 217 Beschafieuheit sehr an jene, welche nach subkutaner Einverleibung des D. p. bei Kaninchen in der Umgebung der Injektionsstelle zu entstehen pflegen. Außer den bisher angeführten Affektionen giebt es noch eine große Zahl von Prozessen, welche als Komplikation einer Pneumonie auftreten können; sie stellen sämtlich akute Entzündungen dar, die fast in jedem Organe oder Gewebe entstehen können und ein seröses, fibrinöses, eiteriges oder ein gemischtes Exsudat liefern. Häufig ist nur ein komplizierender Prozess vorhanden, mitunter aber auch zwei oder mehrere, die dann entweder eine und dieselbe Entstehungsquelle haben, nämlich von der Pneumonie aus auf hämatogenem Wege erzeugt werden, oder von denen der eine im Gefolge des anderen sich entwickelt. Sie können in jedem Stadium der Pneumonie, aber auch erst nach der- selben auftreten und haben mehr weniger das gemein, dass sie im all- gemeinen ebenfalls eine Neigung zu einem relativ raschen und günstigen Verlaufe zeigen. Freilich tritt diese Eigenschaft mitunter nur sehr im- deutlich oder gar nicht hervor. Bezüglich der in diesen Prozessen vorkommenden Bakterien gilt das- selbe, was früher bezüglich der Pneumonie gesagt wurde, d. h. es finden sich hierbei gewöhnlich dieselben Bakterien wie in der Pneumonie, da- her, wenn es sich um Komplikationen der Lobärpneumonie handelt, in der Kegel der D. pn. und zwar allein, seltener schon im Vereine mit dem Streptococcus oder Staphylococcus pyogenes, und noch seltener kommen letztere ohne den D. pn. vor, jede Art für sich oder beide zu- sammen. Die Anwesenheit der zuletzt genannten Kokken pflegt den Prozess gewöhnlich im ungünstigen Sinne zu beeinflussen. Zu den häufigeren Komplikationen gehören: Endocarditis, Peri- carditis und Meningitis. Was die Endocarditis betrifft, so war schon in der vorbakteriellen Zeit nicht nur bekannt, dass im Verlaufe von Pneumonie eine Endo- carditis auftreten könne, sondern man hatte auch erstere als Ursache der letzteren hingestellt. Später hatten verschiedene Autoren in Fällen von Endocarditis bei Pneumonie in den Vegetationen der ersteren auch Bak- terien gefunden, aber dieselben entweder nicht genauer beschrieben und bloß angenommen, dass sie dieselben seien, wie die in der pneumonischen Limge vorhandenen (Oslers, Bozzolo^o, Colomiatti^i), oder sie zwar genauer beschrieben und nach ihrem Aussehen für Pneumoniekokken erklärt (Netter 12^ Roustani^, Lanceraux & BezanconI^), aber keine Kulturen angelegt, so dass noch der endgiltige Beweis der Identität dieser Kokken mit dem D. pn. ausständig blieb. Diesen Beweis konnte ich '5 erbringen, indem ich in vier Fällen von Endocarditis bei Pneu- monie in beiden Prozessen den D. pn. nicht nur mikroskopisch, sondern auch kulturell nachweisen und seine Eigenschaften auch durch das Tier- experiment festzustellen in der Lage war. Seitdem sind von verschiedenen anderen Forschern (Guarxieri i^, Gabbi &Püritzi^, Claisseis, Brunner '9, Czemetschka2o, Kerschen- STEINER21, Sello22 ^ a.) Fälle beschrieben worden, in welchen im Verlaufe von Lobärpneumonie eine Endocarditis entstanden war und bei letzterer der D. pn. nachgewiesen werden konnte. In den meisten dieser Fälle bestanden neben Endocarditis noch andere Komplikationen und zwar am häufigsten Meningitis. Die Endocarditis pneumonica kann jede Klappe befallen und geht gewöhnlich mit ausgedehnter Nekrose 218 A. Weichselbaum, des Klappengewel)es und Produktion auffallend großer Vegetationen einher, welche, wie ich auch schon seiner Zeit hervorgehoben hatte, nicht selten durch ein mißfärbig grünliches Aussehen auffallen. Kerschensteixer behauptet auch, dass bei der Endocarditis pueu- monica der Krankheitsverlauf ein viel rascherer sei und seltener Infarkte und metastische Abszesse entstehen, als bei der durch den Strept. pyog. erzeugten Form ; auch Xetter will letztere Beobachtung gemacht haben, während ich diese Angaben nicht bestätigen kann, wohl aber eine andere Angabe der genannten Autoren, nämlich das sehr häufige Vor- kommen von Meningitis, weshalb es nicht unwahrscheinlich ist, dass diese in solchen Fällen erst im Gefolge der Endocarditis, also durch Einschwemmung des D. pn. von den Klappenvegetatiouen in die Hirn- hautgefäße, entsteht. In einem der von mir untersuchten Fälle war zu- erst eine Embolie der A. fossae Sylvii entstanden, an welche sich weiterhin einerseits eine Encephalitis, andererseits eine Meningitis anschloss. Was die Pericarditis als Komplikation der Pneumonie betrifft, so liegen hierüber außer meinen Angaben ^3 noch von anderen Autoren (Braxti24^ Vanni & Gabbi25, Lance & Kanthack ^e, Schabad^? u. a.) Mitteilungen vor. Lance & Kanthack behaupten, dass die Pericarditis die häufigste Komplikation der Lobärpneumonie sei, was wohl nicht richtig ist, da die Pleuritis jedenfalls an Häufigkeit voransteht. Da- gegen konnte ich schon bei meinen ersten Untersuchungen über den D. pn. (1. c.) konstatieren, dass dieser bei Pneumonie im Herzbeutel viel häufiger sich ansiedelt, als man nach der oberflächlichen Untersuchung des letzteren vermuten würde. Ich konnte ihn nämlich aus dem Serum des Herzbeutels unter 14 Fällen 7 mal durch Kultivierung gewinnen, ob- wohl die Flüssigkeit noch ungetrübt erschien, und nur einzelne Ekchy- mosen im Perikard wahrzunehmen waren. Offenbar gelangt der Pneu- moniecoccus, respektive der jeweilige Erreger der Pneumonie, auf dem Lymphwege nicht nur leicht in die Pleura, sondern weiterhin auch in den Herzbeutel und in das Peritoneum. Nur kommt es auf den zuletzt genannten serösen Häuten häufig nicht zur Entwicklung einer ganz manifesten Entzündung, da entweder der Prozess mit der Ptückbildung der Pneumonie zurückgeht, oder früher der Exitus letalis eintritt. Eine Pericarditis kann sich auch an eine im Verlaufe einer Pneumonie ent- standene Endocarditis anschließen. Ueber die bei ihr zu findenden Bakterien sowie über die Beschaffenheit des Exsudates gilt dasselbe, was schon oben bei der Pleuritis bemerkt worden war. Die Meningitis tritt zu gewissen Zeiten ziemlich häufig als Kompli- kation der Lobärpneumonie auf. Sie ergreift nicht bloß die inneren Hirnhäute der Konvexität und der Basis des Gehirns, sondern setzt sich auch, wenigstens in den schwereren Fällen — und diese sind es ja, welche wir zumeist bei den Sektionen zu Gesicht bekommen — auf die inneren Bückenmarkshäute fort. Was das Vorkommen des D. pn. l)ei dieser Komplikation betrifft, so giebt schon Ei5ER'rii2^ an, ellipsoide Kokken gefunden zu haben, welche wahrscheinlich mit dem D. pn. identisch waren. Ob auch Lkbashoff^s, welcher in 11 Fällen von krupöser Pneumonie in der Flüssigkeit der Hirnventrikel die gleichen Kokken wie im Lungensafte gefunden haben wollte und dieselben mit dem »FRiEDLÄNDERSchen Pneumoniecoccus« identifizierte, den D. pn. vor sich hatte, muss dahingestellt bleiben. Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 219 Dagegen gelang- es 1886 A. Fkänkel^o, aus dem Exsudate einer im Verlaufe von krupöser Pneumonie aufgetretenen Meningitis cerebro- spinalis den D. pn. rein zu züchten. Ich hatte schon vorher Gelegenheit, in 2 Fällen von Meningitis bei Lobärpneumonie den D. pu. in beiden Prozessen nachzuweisen, machte aber über diesen Befund erst anlässlich meiner Arbeit über die Aetio- logie der Pneumonie (1. c.) Mitteilung, wobei ich zugleich hervorhob, dass in diesen Fällen der D. pn. wahrscheinlich von den Neben- höhlen der Nase, in welchen gleichfalls eine durch ihn verursachte Entzündung bestanden hatte, durch die Lymphgefäße in die inneren Hirnhäute gelangt war. Sehr bald nach der Mitteilung A. Feänkels berichteten Foa & Bordoxi-Uffreduzzi^i, dass sie in 2 Fällen von Meningitis bei krupöser Pneumonie eine Kokkenart kultiviert hatten, welche nach ihrer Be- schreibung offenbar mit dem D. pn. identisch war. Seit den eben angeführten Untersuchungen, in welchen es gelungen war, bei der im Verlaufe von Pneumonie auftretenden Meningitis mit Sicherheit den D. pn. nachzuweisen, sind im Verlaufe der Zeit noch eine Reihe von Arbeiten erschienen, welche zu dem gleichen Resultate gekommen waren, so von Netter 32^ von mir ^3, von GIuarnieri •^*, Gabbi & PuRiTz35. MoNTi^e, Levi^^^ Czemetschka^^, Sello39, Brüdie, Rogers & Hamiltou^o ^^, a. ; bezüglich der drei zuletzt genannten Autoren soll noch erwähnt werden, dass sie auch bei Kaffern Fälle von Meningitis bei Pneumonie zu untersuchen Gelegenheit hatten. Obwohl bei der pneumonischen Meningitis in der Regel nur der D. pn. zu finden ist, so können in seltenen Fällen nebst ihm auch Eiter- kokken vorkommen (Moxti). Ueber die Art der Entstehung der Meningitis bei Pneumonie habe ich schon oben angeführt, dass der D. pn. von den Nebenhöhlen der Nase aus, welche, wie wir später noch hören werden, nicht selten bei Pneumonie von Entzündung befallen werden, durch die Lymphbahnen in die inneren Hirnhäute gelangen kann; aber auch von der Paukenhöhle aus, die ebenfalls bei Pneumonie durch den D. pn. infiziert werden kann, ist eine Ausbreitung auf dem Lymphwege möglich. In anderen Fällen wird aber der D. pn. auf dem Blutwege, und zwar in Fällen, in welchen nebst der Pneumonie eine Endocarditis vorhanden ist, von den Vegetationen der letzteren aus in die Hirnhäute gelangen können. Das Exsudat der Meningitis ist ein fibrinöses, fibrinös-eiteriges oder rein eiteriges. Levi behauptet, dass das Exsudat auch ein seröses sein könne, und dass die meuingitischen Symptome bei Pneumonie wahr- scheinlich auf eine seröse Meningitis zurückzuführen seien, welche eine abgeschwächte Infektion darstelle, eine Behauptung, die aber noch einer näheren Prüfung bedarf. Von den übrigen bisher noch nicht besprocheneu Komplikationen der Pneumonie ist die Arthritis und Periarthritis besonders häufig beschrieben worden. Ich^i hatte zuerst (1888) in einem Falle von Pneumonie mit pleuritischem Exsudate bei der Sektion nicht nur eine eitrige Arthritis und Periarthritis gefunden, sondern auch im Exsudate der genannten Prozesse den D. pu. nachgewiesen. Seitdem sind von einer Reihe von Autoren (OrtiMAXn & Samter ^2, MoNTi43j Belfanti-*-^, Gabbi & PuRiTz^s^ Macaigne & Chipault-*6, Schwartz47^ Pique & Veillon^^, Brunxer^^, Vogelius^**, Schabad^i, 220 A. Weichselbaum, MaRCANTOXIÜ S2^ FeRJ^ET & LoMAIN^'^S^ DUFLOCQ^*, FOURNIER & COUR- MONT^^, Feisterer ^6 ^^ ,«; ^y.) Fälle raitg-eteilt worden, in welchen bei Pneumonie 1, 2 oder selbst mehr Gelenke, bezw. das periartikuläre Gewebe, von Entzündung- befallen waren, und im Exsudate der D. pn. nachgewiesen werden konnte. Hierbei handelte es sich entweder nm größere Gelenke, und zwar am häutigsten um das Schult er gelenk, oder es war ein kleines Ge- lenk, wie das Sternokleidoklavikular-Gelenk, Sitz der Entzündung. In einigen der betreffenden Fälle bestanden gleichzeitig noch andere Kompli- kationen, wie Endocarditis, Pericarditis , Peritonitis, Meningitis u. s. w. In den Fällen, in welchen eine Endocarditis vorhanden war, spielte offenbar diese die Vermittlerin zwischen der Pneumonie und der Arthritis. Von einigen Autoren (Duflocq, Marcantonio) wird auch angegeben, dass der akuten Arthritis bereits eine chronische Entzündung- oder ein Trauma vorausgegangen sei. Die pneumonische xVrthritis kann sowohl zu Beginn als im weiteren Verlaufe der Pneumonie entstehen oder aber erst in der Rekonvaleszenz nach der Pneumonie hervortreten; am häufigsten fällt jedoch ihr Beginn mit dem Höhestadium der Pneumonie zusammen (Pfisterer). Das Exsudat ist meist eiteriger Natur, kann aber auch fibrinös oder bloß serös sein. Die Prognose ist an und für sich keine ungünstige, da im Falle des günstigen Ausganges der Pneu- monie gewöhnlich eine leidliche Wiederherstellung der Funktion des betreffenden Gelenkes erfolgt (Vogelius). Es giebt noch eine Zahl von akuten Entzündungen, die während einer Pneumonie auftreten können, und bei welchen der D. pn. eine ursächliche Rolle spielt. Durchaus nicht selten ist eine akute Entzün- dung der Nebenhöhlen der Nase in Form eines serösen, schleimigen oder eiterigen Katarrhs oder einer phlegmonösen Entzündung; sie ist insofern von Bedeutung, weil die Entzündung, wie wir schon früher gehört hatten, vermittelst der Lymphwege auf die inneren Hirnhäute übergreifen kann. Aehnliches gilt von einer anderen Komplikation der Pneumonie, nämlich von der akuten Entzündung der Paukenhöhle, worauf ebenfalls schon von mir hingewiesen worden war (1. c). Ebenso hatte ich seinerzeit ^^ auf eine vorher nicht beachtete Lokalisation des D. pn. im Verlaufe einer Pneumonie, nämlich in der Schleimhaut des Uterus, aufmerksam ge- macht, eine Beobachtung, die inzwischen auch von anderen Untersuchern bestätigt und in neuester Zeit von Straboskiadis^s in meinem Institute an einem größeren Untersuchungsmateriale nachgeprüft wurde. Hierbei zeigte es sich, dass namentlich bei Schwangeren und Wöchnerinnen, falls sie an einer Lobärpneumonie erkrankt sind, gar nicht so selten der Uterus durch den D. pn. auf hämatogenem Wege infiziert wird und hierdurch eine Endometritis entsteht, welche bei Wöchnerinnen gewölmlich einen krupös-diphtheritischen Charakter zeigt, während sie außerhalb des Wochenbettes bloß in Form eines Katarrhs aufzutreten pflegt. Czemetsc'HKA-^^ 1)eobachtete bei einer au Pneumonie erkrankten Puerpera außer Endocarditis und Meningitis auch eine durch den D. pn. verursachte Metrolymphangoitis. Eine weitere Komplikation der Pneumonie kann eine Nephritis sein. Rein parenchymatöse Veränderungen geringen Grades, wie trübe Schwellung, beginnende fettige Degeneration, kommen bei Pneumonie Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 221 wolil immer oder fast immer vor; weniger häufig sind intensivere Ver- änderungen, namentlich solche, welche in anatomischer und klinischer Beziehung eine ausgesprochene Nephritis darstellen. Faulhaber 6ö hat hierüber eingehende Untersuchungen angestellt und unter 35 Fällen von krupöser Pneumonie 22 mal den D. pn. in den Nieren kulturell und mikroskopisch nachgewiesen. Die Kokken lagen zumeist in kleinen Blutgefäßen, doch konnten sie auch im Kapsel- raume der Glomeruli und in den Harnkanälchen, sowie in den klein- zelligen Infiltraten gefunden werden. Freilich war die Zahl der Kokken nur in einem Teile dieser Fälle eine größere. In 20 Fällen (von 35) war es bereits zu intensiveren, parenchymatösen Veränderungen, sowie zur Bildung kleiner Ruudzellenherde im interstitiellen Gewebe gekommen. Bei Faulhaber findet sich auch die Anführung jener Autoreu, welche vor ihm die Nieren bei Pneumonie auf das Vorkommen von Pneumonie- kokken untersucht hatten; fast keiner derselben hatte aber den D. pn. kulturell in einwandfreier Art nachgewiesen. Von neueren Untersuchern sind E. Fränkel & Reiche '^o ^^ erwähnen, welche unter 26 Fällen 22 mal Pneumoniekokken in den Nieren bei krupöser Pneumonie nachweisen konnten ; auch sie fanden die Kokken zumeist nur in den Blutgefäßen und bloß in spärlicher Menge. De Michele*52 behauptet, dass bei Kindern die durch den D. pn. erzeugte Pneumonie stets mit Nephritis kompliziert sei, welche denselben Erreger habe, wie erstere, aber wegen der häufig nicht cha- rakteristischen Symptome leicht verkannt wird. Kleinmann 63 konnte in einem Falle von Nephritis pneumonica den D. pn. sogar im Urin nachweisen. Schon früher haben wir gehört, dass der D. pn. im Verlaufe der Pneumonie nicht nur sehr leicht in die Pleura, sondern wahrscheinlich auch in das Perikard und in das Peritoneum gelangt, nur dass es auf den beiden letztgenannten Membranen gewöhnlich zu keiner aus- geprägten Entzündung zu kommen pflegt. Ich (1. c.) habe gar nicht selten in Leichen von Personen, die an Pneumonie verstorben waren, bei sehr genauer Untersuchung der Serosa der Leber oder Milz ganz zarte Fibrinauflagerungen auf dieser gefunden und in ihnen den D. pn. nach- weisen können, mitunter aber auch Fälle mit deutlich entwickelter, allge- meiner Peritonitis beobachtet. Auch in der Litteratur sind noch einzelne Fälle augeführt (Vanni & Gabbi 6^, Schabad^s^ Cassaet^^)^ iu welchen die Peritonitis deutlich entwickelt war. Ebenso existieren einzelne Beobachtungen über das Vorkommen des D. pn. bei einer im Verlaufe einer Pneumonie entstandenen Enteritis (Weichselbaum '5^, Massalongo^s); Galliard''^ beobachtete sogar eine Gastroenteritis im Verlaufe einer Lobärpneumonie und machte erstere in ihrer Entstehung von letzterer abhängig, ohne aber hierfür den bak- teriologischen Beweis zu erbringen. Als durch den D. pn. erzeugte Komplikationen im Verlaufe von Pneu- monie sind schließlich noch zu erwähnen die embolische Retino- chorioiditis (Fränkel'o^ Peters^i), bezw. die Glaskörper- eiterung und die Panophthalmitis, ferner Parotitis (Testi^^^ Doup- LAY^3j^ Thyreoiditis, bezw. Strumitis (Brunner ^4, Lanz^^), Orchitis (Prioleau^ö), Osteomyelitis (K. Müller^^) und Phlegmone, bezw. Abszessbildung in der Haut, im subkutanen oder submuskulären Bindegewebe (Ortmann & Samter ^^^ Guarnieri^s, TestiS**, Netter ^i, BiGNAMi82j Bergonzini 83, Mery^i, Zuber ^5, Roger 86). 222 A. Weichselbaum, Bezüglich der Osteomyelitis ist zu bemerken, dass bei Pneu- monie im Knochenmarke ziemlich oft der D. pn. gefunden werden kann, was icli schon bei der Naturforscherversammlung in Wien 1894 kurz erwähnte ; ich ^^ konnte nämlich bei verschiedenen Infektionskrank- heiten, und darunter auch bei krujjöser Pneumonie, im rot gewordenen Knocheumarke des Oberschenkels durch Kultur die bakteriellen Erreger der Grundkrankheit oder jene einer etwaigen Sekundärinfektion nach- weisen und erhielt bei der krupöseu Pneumonie etwa in der Hälfte der untersuchten Fälle mehr oder minder zahlreiche Kolonieen des D. pu. In den Fällen mit positivem Kesultate zeigte sich an den betreffenden Stellen des Oberschenkels das Fettmark in rotes Mark umgewandelt, während in den Fällen mit negativem Resultate das Fettmark ganz oder nahezu ganz unverändert geblieben war; in den ersterwähnten Fällen fanden sich an den Epiphysen des Femur häufig auch zarte, kleine Osteophyten. Kürzlich berichtete E. FränkelSs über einen insofern ähnlichen Befund, als er in einigen Fällen von Pneumonie aas dem Mark der Wirbel durch Kultur Kolonieen des D. pn. erhielt; auch in Schnitten konnten von ihm Pneumoniekokken gefunden werden und überdies ent- zündliche Veränderungen und Nekrose. Es scheint also bei Pneumonie nicht selten eine Ansiedelung von Pneumoniekokken im Marke gewisser Knochen stattzufinden, in deren Gefolge leichte, entzündliche Veränderungen sich ausbilden, die aber bald wieder zurückgehen und nur selten jenen hohen Grad erreichen, welcher dann als manifeste Osteomyelitis erkannt wird. Bezüglich der Phlegmone und Abszessbildung in der Haut ist schließlich noch zu bemerken, dass es in einem der oben angeführten Fälle zur Abszedierung an verschiedenen Stellen der Haut gekommen war (Testi), und dass in mehreren Fällen die Phlegmone, bezw. die Abszessbildung, nach subkutaner Einspritzung von Koffein oder Kampher, und zwar an den Stellen der Injektion, aufgetreten war (Netter, Bi(4- NAMi, Mery, Zuber), durch die Injektion also eine Disposition für die Ansiedlung des während der Pneumonie im Blute kreisenden D. pn. an den verletzten Stellen der Haut geschaffen worden war. Litteratur. 1 Ren VERS, Charite-Annalen, Bd, 14, 1889. — - Jakowski, ref. in Baumgartens Jahresb., 1892. — 3 Sello, Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 36. — 4 Netter, Bull, et mem. d. 1. soc. med. d. hop., 1892. — 5 Ders., ibid., 1889 et 189Ü. — 6 Levy, Arch. f. exper. Path. n. Pharmak., Bd. 27, 1890. — " Vierokdt, Deutsches Arch. f. klin. Med., Bd. 64. — 8 Weichselbaum, Med. Jahrb., Wien 1886. — o Osler, Arch. of med., New York 1881. — lo Bozzolo, Giorn. di med. di Torino, 1882. — 11 Colomiatti, ibid., 1882. — 12 Netter, Arch. de phys. norm, et path., t 8, 1886; Arch. gen. de med., 1887. — i^ Roustan, Progr. med., 1886. — i^ Lanceraux & Bezanqon, Arch. gen. de med., 1886. — i5 Weichselbaum, Zieglers Beitr. z. path. Anat., Bd. 4, 1889. — le Guaunieri, Atti della R. accad. med. di Roma, 1888. — " Gabbi & PuRiTZ, Centralbl. f. Bakt., Bd. 8. 1890. — is Clalsse, Arch. de med. exper., 1891. — w Brunner, Correspondenzbl. f. Schweizer Aerzte, Bd. 22, 1892. 20 Czemetschka, Prager med. Woch., 1894. — 21 Kekschensteiner, Münch. med. Woch., 1897. — 22 Sello, Zeitschr. f. klin. Med.. Bd. 36. — 23 Weichselbaum, Med. Jahrbücher, Wien 1886. — 24 Banti, Deutsche med. Wochenschr.. 1888. — 25 Vanni & Gabbi, Rif. med., 1889. — 20 Lance &• Kanthack, ref. in Baumgartens Jahresber., 18%. — 27 Schabad, Centralbl. f. Bakt., Bd. 19, 1896. — 2« Eber rn, Deutsches Arch. f. klin. Med., Bd. 28. — 29 Lebashoff, ref. in The Lancet, 1886. — '■''(> A. Fränkel, Deutsche med. Woch., 1886. — ^i f qa & Bordoni-Uffreduzzi, ebd. — 32 Netter, Arch. gen. de med., 1887. — 33 Weichselbaum, Fortschr. d. Med., 1887 u. Wiener klin. Woch., 1888. ^ 34 Guarnieri, Atti della R. accad. med. Diplococciis pneumoniae und andere u. s. w. 223 di Roma, 1888. — 35 Gabbi & Puritz, Centralbl. f. Bakt., Bd. 8, 1890. — 36 Monti, Rif. med., 1889. — 37 Levi, Arch. de med. exper. — 3S Czemetschka, Prager med. Woch-, 1894. — 39 Sello, Z. f. klin. Med., Bd. 36, 1899. — *« Brodie, Rogers & Hamilton, Brit. med. jonrn., vol. 2, 1898. — 4i Weichselbaum, Wien. klin. Woch., 1888. — 42 Ortmann &"Samter, Virch. Arch., Bd. 120. — « Monti, Rif. med., 1889. — « Belfanti, Gazz. d. osped., 1889. - «5 Gabbi & Puritz, Centr. f. Bakt., 1890. — 46 Macaigne & Chipault, Rev. de med., 1891. — 4^ Schwartz, Gazz. d. hop., 1891. — 48 PicQUE & Veillon, Arch. de med. exper., 1891. — 49 Brunner, Corre- spondenzbl. f. Schweizer Aerzte, Bd. 22, 1892. — so Vogelius, Hospitals Tidende, 1895 und Arch. de med. exper., t. 8, 1896. — si Schabad, Centralbl. f. Bakt, Bd. 19, 1896. — 52 Marcantonio, Rif. med., vol. 12, 1896. — 53 Fernet & Lomain, Gazz. d. hop., 1896. — 54 DuFLOCQ, ref. in Baumgartens Jahresber., 1897. — 55 Pqurnier & CouRMONT, Rev. de med., 1. 17. — 56 Pfisterer, Jahrb. d. Kinderheilk., 3. Folge, 5. Bd. — 57 Weichselbaum, Med. Jahrbücher, Wien 1886 u. Wiener klin. Woch., 1888. — 58 Straboskiadis, Monatsschr. f. Geburtshilfe, 1903. — 59 Czemetschka, Prager med. Woch., 1894. — 6o Faulhaber, Zieglers Beiträge, Bd. 10, 1891. — 61 E. Fränkel & Reiche, Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 25, 1894. — 62 de Michele, Morgagni, 1896. — 63 Kleinmann, ref. in Baumg. Jahresber., 1898. — 64 Vanni & Gabbi, Rif. med., 1898. — 65 Schabad, Centr. f. Bakt., Bd. 19, 1896. — 66 Cassaet, ref. in Baumgartens Jahresber., 1896. — 67 Weichselbaum, Wien. klin. Woch., 1890. — 68 Massalongo, ref. in Baumgartens Jahresber., 1890. — 69 Galliard, Sem. med., 1896. — ™ Fränkel, Arch. f. Ophthalm., Bd. 48. — 'i Peters, Klin. Monatsbl. f. Angenheilk., 1901. — ''^ Testi, ref. in Baumgartens Jahresb., 1889. — ■^3 DuPLAY, ebd., 1891. — ''4 Brunner, Correspondenzbl. f. Schweizer Aerzte, Bd. 22, 1892. — ''5 Lanz, Deutsche med. Woch., 1893. — "6 Prioleau, Sem. med., 1894. — "■' K. Müller, ref. in Baumgartens Jahresber., 1893. — "S Ortmann & Samter, Virch. Arch., Bd. 70. — "'^ Guarnieri, Atti d. R. accad. di Roma, 1888. — so Testi, ref. in Baumgartens Jahresber., 1889. — si Netter, Bull, et mem. d. 1. soc. med. d. hop., 1892. — 82 BiGNAMi, ref. in Baumgartens Jahresber., 1892. — 83 Bergonzini, ebd. 1892. — 84 Mery, Compt. rend. d. 1. soc. d. biol., 1896. — 85 Zuber, ebd., 1896. — 86 Roger, Münch. med. Woch., 1900. — • 87 Weichselbaum, Verhandl. d. Ges. deutscher Naturf., 66. Vers, zu Wien 1894. — ss f. Fränkel, Münch. med. Wochen- schrift, 1902. 9. Vorkommen des Diplococcus pneumoniae bei extrapulmonalen, von keiner Pneumonie abhängigen Krankheitsprozessen. Der D. pn. kommt nicht nur, wie mau zuerst geglaubt hatte, bloß bei der Pueumonie oder jeueu Prozessen vor, welche die Pneumonie komplizieren können, sondern er kann bei Entzündungen der verschie- densten Organe und Gewebe gefunden werden, die ohne allen Zusammen- hang mit einer Pneumonie aufgetreten waren. Diese Entzündungen sind wohl immer akuter Natur; bezüglich mehrerer (Otitis, Pleuritis) wird auch behauptet, dass sie in analoger Weise wie die Pneumonie rasch und günstig ablaufen, also an und für sich keine schlechte Prognose oder wenigstens eine günstigere Prognose geben, als jene Entzündungen, welche durch andere Bakterien , z. B. durch den Streptococcus oder Staphylococcus pyogenes, verursacht werden. Doch sind über diesen Punkt die Akten noch nicht geschlossen. In anatomischer Beziehung haben sie, soweit wir nach den bis- herigen Untersuchungen urteilen dürfen, in der Regel kein spezifisches Gepräge, da das Exsudat serös, fibrinös, eiterig und selbst hämorrhagisch sein kann; doch sind auch in dieser Beziehung noch weitere Unter- suchungen erforderlich. Die betreffende, durch den D. pn. verursachte Entzündung kann ent- weder bloß ein Organ befallen, oder sie veranlasst noch sekundäre Entzündungen, welche dann entweder per continuitatem, bezw. auf dem Lymphwege, oder hämatogen entstehen können. Ebenso sind auch Fälle bekannt, in welchen die durch den D. pn. bedingte Entzündung 224 A. Weichselbanm, von vorulierein zwei oder mehrere Organe, bezw. Gewebe, zu gleicher Zeit befiel, oder in denen sich an eine primäre Entzündung ein septi- kämischer Zustand angeschlossen hatte. Endlich giebt es nicht wenige Fälle, in welchen der D. pn. einerseits eine Misch- oder Sekundärinfek- tion veranlasst, andererseits sich während des Verlaufes einer durch ihn bedingten Entzündung noch mit anderen pathogenen Bakterien ver- gesellschaftet. Was nun die Lokalisation der durch den D. pn. verursachten extra- pulmonären Entzündungen betrifft, so giebt es nur wenige Orgaue und Gewebe, in welchen solche Entzündungen noch nicht aufgefunden wurden. Beobachtet wurden bisher folgende Prozesse: Bronchitis, Pleuritis, Rhinitis, Otitis media, Meningitis, Endocarditis, Pericarditis, Strumitis, Tonsillitis, Pulpitis und Peridentitis, Enteritis, luflammatio herniae incarceratae, Peritonitis, Cy- stitis, Prostatitis, Epididymitis, Orchitis, Salpingitis, Con- junctivitis, Ceratitis und andere Entzündungen des Auges, Ar- thritis, Osteomyelitis, Tendovaginitis, Septikämie und Pyämie. Unter den hier aufgezählten Prozessen scheint die Meningitis und die Otitis am häufigsten beobachtet, bezw. beschrieben w^orden zu sein; bezüglich der Häufigkeit der übrigen primär durch den Pneumonie- coccus hervorgerufenen Entzündungen können vv^ir noch keine näheren Angaben machen, weil die hierüber vorliegenden Untersuchungen noch zu dürftig sind. Von Netter i rührt allerdings aus dem Jahre 1890 eine Häufigkeitsskala her, die aber nur auf gewisse Krankheiten Rück- sicht nimmt. Nach dieser Tabelle beträgt bei Erwachsenen die relative Häufigkeit der durch den D. pn. erzeugten Krankheiten und zwar: der Lobärpneumonie 65,95^ » Bronchopneumonie ) -\^fi,^o/ » Bronchitis capillaris ( ' ^ » Meningitis 13,00 ^ « Pleuritis 8,53;^ » Otitis 2,44^ » Endocarditis 1,22 f^ » Hepatitis suppurativa 1,22 ^ Dagegen wurden bei Kindern in den ersten Jahren unter 31 Sek- tionen von den durch den D. pn. primär verursachten Krankheiten ge- funden : Otitis media 29 mal Bronchopneumonia 12 » Meningitis 2 » Lobärpneumonie 1 » Pleuritis 1 » Pericarditis 1 » Da die primäre, durch den D. pn. verursachte Meningitis noch an einer anderen Stelle dieses Handbuches eine eingehende Besprechung finden wird, so soll sie hier nicht weiter in Betracht gezogen werden. Unter den anderen oben angeführten Entzündungen ist zunächst bezüglich der Otitis media anzuführen, dass die ersten Untersuchungen über das Vorkommen des D. pn. bei dem genannten Prozesse von Zaufal2 und von Netter-^ herrühren. Letztgenannter Autor betonte die große Häufigkeit der Otitis im Säuglingsalter gegenüber der relativen Selten- heit bei Erwachsenen. Auch soll bei der primären Otitis media der Diplococcns pneumoniae und andere n. s. w. 225 D. pu. viel häufiger der Erreger sein als andere Bakterien, z. B. die Eiterkokken, womit freilich die ausgedehnten Untersuchungen Greens^ aus der neuesten Zeit nicht übereinstimmen, da dieser Autor gerade das umgekehrte Verhältnis vorfand; übrigens wurden öfters neben dem D. pn. noch andere Bakterien, speziell der Streptococcus oder Staphylococcus pyogenes, gefunden (Bordoni-Uffreduzzi & Gradexigo^, Levy & SciiRADER*5). Anderseits wurde und wird Otitis media nicht selten auch bei verschiedenen Infektionskrankheiten (von der Pneumonie abgesehen) beobachtet und zwar besonders häufig bei Influenza (Levy^, Scheibe^, Zaufal, Condamin^); in diesen Fällen kann die Otitis primär durch den Erreger der Grundkrankheit, z. B. den Influenzabacillus, verursacht und der vorgefundene D. pn. bloß auf eine Sekuudärinfektion zurück- zubeziehen sein, oder das letztgenannte Bakterium ist zwar der primäre Erreger der Otitis, aber seine Ansiedlung war durch die Gruudkrank- heit begünstigt worden. Sowohl in diesen Fällen als in jenen, in wel- chen die Otitis ganz ohne Zusammenhang mit einer anderen Krankheit auftritt, dürfte der D. pn. wohl immer aus der Rachenhöhle, bezw. aus der Tulia Eustachii, stammen und seine Einwanderung durch bestimmte Momente begünstigt worden sein, die bei den mit Entzündung des Pharynx oder der Nasenhöhle einhergehenden Infektionskrankheiten darin bestehen werden, dass der etwa im Exsudate dieser Entzün- dungen bereits vorhandene D. pn. leicht per continuitatem in die Tuba und in die Paukenhöhle gelangen kann. Während man bei den durch andere Bakterien hervorgerufenen Otitiden die Prognose in Bezug auf Dauer und Ausgang des Prozesses gewöhnlich als minder günstig hinstellt, wird bezüglich der durch den D. pn. verursachten Otitis be- hauptet, dass die Entzündung in verhältnismäßig kurzer Zeit zu heilen pflegt (Scheibe, Chambers i*'). Doch wird anderseits wieder hervor- gehoben, dass die Pneumoniekokken- Otitis sich gerne mit Meningitis kompliziert oder durch Uebertritt des D. pn. in die Blutbalm zur Pneu- monie, Pleuritis und anderen Prozessen führen kann (Netter"). Ueber das Vorkommen und die Bedeutung des D. pn. bei Bron- chitis liegen bis nun bloß wenige Untersuchungen vor. v. Besser war der erste, welcher bei Bronchitis ohne gleichzeitige Erkrankung der Lunge den D. pn. nachweisen konnte. Eingehendere Untersuchungen wurden von Ritchie*) in meinem Institute ausgeführt, welche lehrten, dass der D. pn. ein besonders häufiger Erreger der primären Bronchitis ist, wobei er sich aber nicht selten mit anderen Bakterien, namentlich dem Strept. pyog., verbindet. H. Bkuns^^ gab an, in einem Falle von chronischer Bronchitis den D. pn. durch Kultur erhalten zu haben, welcher allerdings im Tierversuche nur eine mäßige Virulenz aufwies. Prochaskai* berichtete kürzlich über 4 Fälle von akuter Bronchitis, in welchen nicht nur im Sputum, sondern auch im Blute der D. pn. nachgewiesen werden konnte; auch der klinische Verlauf war hierbei ein schwerer, und in einem dieser Fälle, in welchem das Blut mit Pneumoniekokken gewissermaßen überschwemmt war, kam es selbst zum Tode. Auch Fälle von endemischer Pneumokokken-Grippe wurden neuestens beschrieben (Luzzato^s, SchtschegolewI^)^ welche in kli- nischer Beziehung der Influenza glich. Luzzato fand hierbei weder im Nasensekrete noch im Sputum Influenzabazillen, wohl aber große Mengen *) Join-n. of pathol. and bakteriology, vol. 7, 1901. Handtuch der pathogenen Mikroorganismen. HI. 15 226 A. Weichselbaum, vom D. pu., manchmal sogar in Reinkultur. Er Ijeobachtete diese Fälle (18; nur bei Kindern unter 3 Jahren; 5 Fälle verliefen letal. Das Vorkommen des D. pn. bei primärer Pleuritis ist von einer Reihe von Autoreu und zwar zuerst (1888) von Seraffini^^ und ganz unabhängig von ihm auch von mir^^ dann von Netteres, Jakuwski^o, Ludwig "Ferdixald Prinz v. Bayern 21^ Pansini22j Aschoff^s, Viee- ordt24, Schkanin25 \\, a. nachgewiesen worden. Unter den in der Litteratur mitgeteilten Fällen von »primärer« Pneu- moniekokken-Pleuritis mögen allerdings manche sein, denen eine Pneu- monie vorausgegangen war, ohne dass aber letztere erkannt wurde, sowie anderseits vielleicht in einem oder dem anderen Falle von sog. metapneumonischer Pleuritis nur eine primäre Rippenfellentzündung be- standen haben mochte. Jedenfalls steht aber fest, dass es Fälle von primärer Pleuritis giebt, bei welchen der D. pn. allein gefunden wird, wenn auch A. Fränkel ursprünglich behauptete, dass das ausschließ- liche Vorkommen des genannten Coccus immer auf eine vorausgegangene Pneumonie deutet; ja nach den Beobachtungen einzelner Autoreu werden sogar die meisten Fälle von primärer, nicht tuberkulöser Pleuritis durch den D. pn. verursacht (Jakowski, Pansini, Schkanin). Schkanin konnte in 38 Fällen von primärer Pleuritis bei Säuglingen 20mal den D. pn. allein und in den meisten übrigen Fällen den genannten Coccus neben anderen Bakterien vorfinden. Das Exsudat bei der primären Pneumoniekokken-Pleuritis hat sehr häufig eiterigen Charakter; doch sind auch Fälle beobachtet worden, in welchen es rein serös oder serös-fibriuös, bezw. serös-eiterig war. Was den Verlauf der genannten Form von primärer Pleuritis betrifft, so soll derselbe in gleicher Weise wie bei der metapneumonischen Pleuritis ein günstigerer sein, als bei den durch andere pathogene Bakterien ver- ursachten Rippenfellentzündungen. Neben dem D. pn. können im pleuritischen Exsudate mitunter noch andere pathogene Bakterien wie Streptococcus oder Staphylococcus P3'0genes oder selbst der Tuberkelbacillus gefunden werden; von Michaelis 26 wird sogar behauptet, dass in jenen Fällen, in welchen bei tuberkulöser Pleuritis neben den Tuberkelbazillen noch andere Bak- terien vorkommen, diese gewöhnlich Pneumoniekokken seien. Schließ- lich ist noch zu erwähnen, dass in Fällen von Pleuritis bei Influenza, also von sekundärer, aber nicht metapneumonischer Pleuritis, ebenfalls der D. pn. entweder allein oder nebst anderen pathogeneu Bakterien gefunden werden konnte (Levy2', Pfeiffer 28), und dass ferner die Pneumoniekokken-Pleuritis auch zu anderen nichtpneumonischen, aber durch den D. pn. verursachten Prozessen wie Meningitis, Perito- nitis u. s. w. hinzutreten kann. Was die durch den D. pu. verursachte, aber außer Zusammenhang mit einer Pneumonie stehende Peritonitis betrifft, so wurden die ersten Beobachtungen hierüber von mir 29 publiziert. Die seit dieser Zeit vou anderen Autoren (Banti^o^ Galliarü^i, Babes & Oprescu32, Charrin & Veillon^^^, Arnozan & Cassaet^^, Brauet 35j KiRJnssoN^e, Flexner^^, CaS.SAET^S, HA(iENBACII-BURKHARDT39, BrUN^O^ WiELING^^ MeNETRIER^2 u. s. w.) mitgeteilten Beobachtungen betrafen teils Fälle, in welchen die Peritonitis allein vorhanden war, teils solche, in denen nebst der Peri- tonitis noch andere durch den D. pn. verursachte Entzündungen, wie Pleuritis, Meningitis, Enteritis, bestanden hatten und dalier an die Mög- lichkeit gedacht werden muss, dass die Peritonitis in diesen Fällen erst Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 227 infolg-e der anderen Entzündungen entstanden war, was besonders für die Fälle mit gleichzeitiger Enteritis gilt. Das Exsudat war in den mitgeteilten Beobaclitung:en entweder serös oder, und zwar am häufigsten, serös-eiterig-, bezw. rein eiterig*. Her- vorzuheben ist auch noch, dass sowohl in den von mir beobachteten Fällen, als in dem Falle Baxtis ein ulzerierendes Mag-enkarzinom, bezw. ein Ulcus chronicum des Magens, bestanden und ich schon damals die Meinung ausgesprochen hatte, dass von diesen Ulzerationen aus der D. pn. in die Bauchhöhle eingedrungen sein dürfte; den Beweis für die Richtigkeit dieser Ansicht konnte Ghox erbringen, indem er in mehreren in meinem Institute obduzierten Fällen von primärer, durch den D. pn. verursachter Peritonitis bei gleichzeitig bestehendem ulze- rierendem Magenkrebs in dem Gewebe des letzteren die Pneumonie- kokken auffinden und bis zur Serosa verfolgen konnte. Cassaet hatte die Prognose bei der durch den D. pn. erzeugten Peritonitis als eine sehr ungünstige bezeichnet, da nach seiner Beobach- tung 75 X starben; Brault, Hagenbach -Burkhardt & Brun stellen aber die Prognose bei frühzeitiger Vornahme einer Laparotomie günstiger, indem von 14 Patienten 11 genasen. Ich konnte seiner Zeit nicht nur den vollen Beweis für das Vor- kommen einer durch den D. pn. verursachten und im Verlaufe einer Pneumonie auftretenden Endocarditis erbringen, sondern ich^s hatte auch Gelegenheit, Fälle von primärer ebenfalls durch den D. pn. her- vorgerufener Endocarditis zu untersuchen, welche dieselben ana- tomischen Eigentümlichkeiten aufwies wie die Endocarditis pueumonica, was ich auch noch später wiederholt bestätigt fand. Von den Autoren, die nach mir Mitteilungen über primäre, durch den D. pn. verursachte Endocarditis machten (Lesage & Pineau^^, Harbitz^^, Roemheld'**^, Henke ^^ u. s. w.), hatte Harbitz in ähnlicher Weise, wie es schon bezüglich der Endocarditis pneumonica von anderen Autoren behauptet worden war, den Satz aufgestellt, dass die bei der ersterwähnten Form von Endocarditis auftretenden Infarkte niemals ver- eitern; diese Behauptung kann ich aber bezüglich keiner der beiden Formen von Endocarditis bestätigen. Zu erwähnen ist noch, dass auch bei der primären, durch den Pneu- moniecoccus erzeugten Endocarditis häufig Komplikationen und zwar mit Pericarditis, Pleuritis, Peritonitis, Meningitis vorkommen, und dass dann bei allen diesen Prozessen der D. pn. gefunden werden kann. Was die übrigen eingangs dieses Kapitels angeführten Prozesse betriift, bei welchen, obwohl sie außer Zusammenhang mit einer Pneu- monie aufgetreten waren, der D. pn. nachgewiesen werden konnte, so liegen hierüber, abgesehen von den Augenafifektionen, nur sehr spär- liche Beobachtungen vor, von denen einige hier augeführt werden sollen, nämlich über Pericarditis von Barbacci^*, de Beurmann & Grif- F0N-*9, über Rhinitis fibrinosa von Abel ^^^ über Tonsillitis, bezw. über eine an Diphtherie erinnernde Form von Angina, von Gabbi^^, Jaccoud52^ Badüel53^ d'Espine^^, A. u. V. Vedel^^ Cheathamss, ttijer Pulpitis und Peridentitis von Schreier"^ über Strumitis (in deren Verlauf es zur Pneumonie kam) von Heddaeus^^, über Enteritis (hämorrhagische, diphtheritische und phlegmonöse Form) von Babes & Oprescü^^^ Flenner^^o, Marchiafava & BiGNAMi*^!, über Cystitis von Bastianelli62^ über Salpingitis von Zweifel^Sj Frommel^^, Witte^-^, über Epididymitis von Wittens, Wieling**^, über Orchitis von 15* 228 A. Weichselbaum, Prioleau^^, über Prostatitis tou Guillox^^, über IiiflauiDiatio beruiae incarceratae aou Schloffer 'O (im Bnichwasser war D. pu.; später kam es zur Pneumouie), über Arthritis von Bulloche^^ (in späterem Verbiufe entstand Pneumonie), Widal & Lesne^^^ ^i^qy Osteo- myelitis von Lanxeloxgue ^=^, über Tendovaginitis von Hextschel'^*, über Pyämie von Netteres (nach einer Verletzung- entstand ein Abszess am Unterschenkel, dann Endocarditis und Infarkte in den Lungen) und über Septikämie von Eixaldi^^. Was schließlich das Vorkommen des D. pn. bei Augen affektiouen betrifft, so spielt er insbesonders bei der Conjunctivitis und bei der Ceratitis sehr häufig eine ätiologische Rolle. Bezüglich des erstgenannten Prozesses ist zu bemerken, dass der D. pn. am häufigsten eine katarrhalische Conjunctivitis hervorzurufen pflegt, welche sowohl sporadisch als epidemisch auftreten kann und in letzterem Falle das Kindesalter (Schulkinder, aber auch Neugeborene) bevorzugt (Morax"', Parinaud ^s, Guasparini ^^, Axexfeld^o, Gifford^^, Weichselbaum & Adler ^■-, Brecht ^^^ Jünius^^, Hauenschild ^^^ Groe- xuw^ö u. a.). Zumeist ist bei der Conjunctivitis der D. pn. allein vorhanden; manchmal findet man aber neben ihm noch den Staphylo- coccus pyogenes oder den Xerosebacillus. Bei der epidemischen Conjunctivitis pflegt häufig ein Schnupfen vorauszugehen; die Entzündung der Bindehaut selbst ist gewöhnlich eine gutartige, und die Hornhaut bleibt intakt. Als charakteristisch für Pneumoniekokken-Conjunctivitis werden von Axexfeld sowie von Juxius ein leichtes, rosafarbenes Lidödem, kleine Blutungen in der Conjunctiva bulbi, der einseitige Beginn der Entzündung und ein oft jäher, »kritischer« Abfall der Erscheinungen angegeben; doch kommen nicht wenige Fälle vor, in welchen das klinische Bild weniger typisch ist, und die Dia- gnose erst durch die bakteriologische Untersuchung gemacht werden kann. Bei der nicht epidemischen Conjunctivitis kann der Prozess unter Umständen auch in einer schwereren Form, nämlich als krupöse Ent- zündung, auftreten (Wagxer^?, Comba^^, Schtschegolew^s, Dexig^", Pes^') und dadurch eine Aehnlichkeit mit einer durch den Diphtherie- bacillus oder den Gonococcus hervorgerufeneu Conjunctivitis entstehen. In einigen Fällen konnte die Entstehung der Conjunctivitis auf direkte Uebertragung des D. pn. von Personen, welche an einer durch den ge- nannten Coccus verursachten Krankheit litten, zurückgeführt werden, 80 bei einem Arzte, welchem bei der Operation eines den D. pn. ent- haltenden pleuritisclien Exsudates ein Tropfen des letzteren in das Auge gelangte, und ferner bei einer Wärterin, welche ein mit einer Pneumonie- kokken-Conjunctivitis behaftetes Kind pflegte; das Inkubationsstadium betrug in diesen Fällen 3 — 7 Tage (Halle 92). Was die Ceratitis betrifft, so wird bei der eiterigen Form derselben, besonders aber bei Ulcus serpens, sehr häufig der D. pn. als alleiniger Krankheitserreger gefunden, seltener in Begleitung der Eiterkokken (Gasparixi^', Basso94^ Guaita95, Uhthoff & AxENFELD^e, Secoxdi^', CuEXOD^^, Bach & Neumaxn^ö u. a.). Schließt sich an die Ceratitis eine Panophthalmie an, so kann auch bei letzterer der Pneumoniecoccus nachgewiesen werden; des- gleichen fand er sich bei einer Panophthalmie, die nach einer Verletzung der Hornhaut aufgetreten war (Mündler ^o*^). Schließlich spielt der D. pn. auch bei Dacryocystitis sehr oft eine ätiologische Rolle (Uhthoff & Axexfeld, Parinaud, Cuenod). Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 229 Litteratur. 1 Netter, Compt. rend. de la soc. de biol., 1890. — - Zaufal, Prag. med. Wochenschr. , 1887, 1888, 1889 u. 1890. — 3 Netter, Compt. rend. de l'acad. de sc, 1890. — 4 Green, Journ. of the Boston soc. of the med. sc, vol. 3. — 5 Bordoni-Uffreduzzi & Gradenigo, Centralbl. f. Bakt., Bd. 7, 1890. — 6 Levy & Schrader, Arch. f. exper. Path., Bd. 26. — ■? Levy, Berl. klin. Wochenschr., 1890. — « Scheibe, Centralbl. f. Bakt., Bd. 8, 1890. — 9 Condamin. Lyon med., 1892. — 10 Chambers, ref. in Baumg. 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Ich hatte bereits bei meinen ersten Untersuchimg-en über die Aetio- logie der Lung-enentzündung ^ Gelegenheit, Fälle von krupöser Lobär- pneumonie zu beobachten, in welchen ausschließlich der Streptococcus pyogenes mikroskopisch und kulturell gefunden wurde; ich gebrauchte damals noch die vorläufige Bezeichnung: Streptococcus pneumoniae, weil man mit Kücksicht auf die zu jener Zeit zur Verfügung stehenden, unvollkommenen Unterscheidungsmittel zwei gleichgeformte, aber bei verschiedenen Prozessen gefundene Bakterien nicht ohne weiteres unter- einander identifizieren wollte und deshalb auch noch den Streptococcus erjsipelatis vom Streptococcus pyogenes trennte. Jetzt unterliegt es aber keinem Zweifel mehr, dass der Streptococcus pneumoniae mit dem Streptococcus pyogenes zu identifizieren ist. Vielleicht handelt es sich auch bei dem von Talamon in zwei Fällen von krupöser Pneumonie gefundenen Kettencoccus um den Streptococcus pyogenes. Später konnte ich noch wiederholt bei Lobärpneumonie, bezw. bei Pneumonieeu, welche man nicht zu den lobulären oder katarrhalischen rechnen durfte, den Streptoccoccus pyogenes als alleinige Bakterieuart nachweisen. Auch eine Anzahl anderer Autoreu haben gleiche Befunde ver- zeichnet, so H. ]Sieumann2, Lucatello^, Finkler ^, Wassermann s, Harbitz^, Filaretow^ u. s. w. Finkler behauptet sogar, dass die durch den Streptococcus pyogenes hervorgerufene Lungenentzündung' eine Pneumonie sui generis darstelle, indem sie einen besonderen ana- tomischen Charakter besitze, durch welchen sie sich einerseits von der krupösen Pneumonie und andererseits von der Bronchopneumonie unter- scheide. Sie trete nämlich in multiplen Herden auf, welche nirgends oder bloß stellenweise über die Schnittfläche prominieren, etwas röter gefärbt seien als das normale Lungengewebe und graue Stelleu ein- gestreut enthalten und mikroskopisch ein vorwiegend zelliges Exsudat aufweisen ; aus letzterem Grunde nannte er die Streptokokkeupueumouie auch z eil ige Pneumonie. Finkler rechnet auch die sogenannte Influenzapneumonie sowie die Masernpneumonie hierher. Bezüglich der ersteren giebt er aber an, dass sie zwar auch herdförmig auftrete, aber die Herde seien aus kleineu Lobulärpueumouieen zusammengesetzt; ferner finde er nicht selten neben dem Streptococcus pyogenes noch den Staphylococcus pyogenes. Von anderen Autoren wurde hervorgehoben, dass die Streptokokken- pneumonie auch in klinischer Beziehung ein besonderes Verhalten zeige, sowohl in Bezug auf Temperaturkurve als auf die Dauer des Pro- zesses und auf die Allgemeinerscheinungen, welche auffallend schwer zu sein pflegen. Die Franzosen bezeichnen die Streptokokkenpneumonie als Pneumonie infectieuse. Auf Grund meiner Erfahrungen, soweit sie sich auf den anatomi- schen Befund erstrecken, kann ich zwar bestätigen, dass in mehreren Fällen, in welchen ich bei einer Pneumonie ausschließlich den Strepto- coccus pyogenes vorfand, die Lungenentzündung insofern eigenartig- war, als sie sich nicht über einen ganzen Lappen oder über einen noch größeren Abschnitt der Lunge erstreckte, sondern einen oder mehrere Herde bildete, die eine ziemlich glatte Schnittfläche zeigten und durch Diplococeus pneumoniae nnd andere u. s. w. 231 ihre Größe, häufig auch durch ihren Sitz — sie saßen nämlich nicht in den hinteren, unteren Lungenpartieen — von den gewöhnlichen lobulär- pneumonischen Herden sich unterscheiden ließen. Anderseits beobachtete ich aber wieder Fälle, in welchen die Streptokokkenpneumonie sich anatomisch von der typischen Lobärpneumonie gar nicht unterschied. Freilich muss hierbei bemerkt Averden, dass man bei manchen Pneumo- nieen und zwar gerade bei solchen, die vom klinischen Staudpunkte zu den atypischen gerechnet werden können, Kokken findet, welche nicht dem typischen D. pn. entsprechen, sondern in ihrem mikroskopischen und kulturellen Verhalten sich sehr dem Streptococcus pyogenes nähern, so dass dann die Entscheidung, ob eine Streptokokken- oder eine Diplo- kokkenpneumonie vorliegt, schon recht schwer fallen kann. Von mehreren Autoren {Finkler s, RibbertQ, Vaillard i", Beini^, Maragliano 12 U.S.W.) wurde angegeben, dass sie den Streptococcus pyo- genes bei der sogenannten lufluenza-Pneumonie gefunden hatten. Da aber diese Angaben aus einer Zeit stammen, in welcher man noch nicht den Influeuzabacillus kannte, so ist es recht gut möglich, sogar sehr wahrscheinlich, dass in allen diesen Fällen der Streptococcus erst sekundär zu der durch den Influeuzabacillus hervorgerufenen Lungen- entzündung hinzugekommen war, und dass daher die besonderen Eigen- tümlichkeiten, welche z. B. nach der Angabe Finklers diese Form von Lungenentzündung auszeichnen, nicht auf Eechnung des Strepto- coccus, sondern des Influeuzabacillus zu setzen wären. Jedenfalls müssen noch weitere, sehr genaue Untersuchungen ge- pflogen werden, um mit voller Sicherheit zu entscheiden, ob und welche anatomische und klinische Eigentümlichkeiten der ausschließlich durch den Streptococcus pyogenes erzeugten Pneumonie zukommen. Ich hatte seiner Zeit den Streptococcus pyogenes auch bei akuter Lobulär Pneumonie in einer Anzahl von Fällen nachgewiesen; des- gleichen fand ihn A. Fränkel^^ zu derselben Zeit in einem Falle von Lobulärpneumouie (bei Diphtherie). Es folgten dann von verschiedeneu Seiten Mitteilungen, denen zu- folge bei Lobulärpneumonie (Bronchopneumonie) in einer gewissen An- zahl von Fällen der Streptococcus pyogenes als Erreger dieser Krank- heit entweder allein oder in Begleitung von anderen Bakterien (von D. pn., Staphylococcus pyogenes u. s. w.) aufgefunden werden konnte (Guarnieri 1^, H. Neumann i5j Queissner^^, Mosny^^, Netter ^^^ Krei- BICH19, PeARCE20j CoMBA 21, LeWIN 22 u. a.). Nach den meisten Beobachtungen war aber, wie schon an einer an- deren Stelle angeführt wurde, der Streptococcus pyogenes bei den ge- nannten Krankheiten viel seltener zu finden, als der D. pn. ; nur Mosny and Pearce kamen zu anderen Resultaten, und der erstgenannte Autor bezeichnet den Streptococcus pyogenes sogar als den ausschließlichen Erreger der Bronchopneumonie der Kinder. In den Fällen, in welchen man bei Lobulärpneumonie den Strepto- coccus pyogenes findet, kann die Lungenentzündung entweder allein oder im Verlaufe von anderen (infektiösen oder nicht infektiösen) Prozessen aufgetreten sein; sie kann ferner primär oder sekundär entstanden sein. Die Natur einer gleichzeitig vorhandenen Infektionskrankheit scheint auf das Vorkommen des Streptococcus pyogenes bei der Lobulär- pneumonie nur insofern von Einfluss zu sein, als bei solchen Infektions- kraukheiteu, bei denen der Streptococcus pyogenes, sei es als Erreger oder als Ausdruck einer Sekundärinfektion, vorkommt, wie z. B. bei 232 A. Weichselbaum, Erysipel, Phleg-moue, Diphtherie, Influenza , Scharlach u. s. w. , dieser Coccus auch bei der im Verlaufe dieser Infektionskrankheit entstehen- den Lobulärpneumouie sich relativ häufig findet. Dass in Bezug- auf das anatomische Verhalten der Lobulär- pneumouie den bisherigen Untersuchungen zufolge kein Unterschied zu bestehen scheint, ob die Entzündung durch den Streptococcus pyogeues oder durch den D. pn. hervorgerufen wird, wurde bereits an anderer Stelle angeführt. Der Streptococcus pyogeues kann schließlich noch bei zwei anderen Formen von Lungenentzündungen gefunden werden, nämlich bei der akuten, interstitiellen Pneumonie, wie ich schon bei meinen ersten Untersuchungen über die Aetiologie der Lungenentzündung mit- geteilt hatte, und dann bei der metastatischen Herdpneumonie. Erstere ist gewissermaßen eine Lymphangioitis der Lunge, während letztere metastatisch bei sehr häufig durch den Streptococcus pyogeues verursachten Entzündungen entstellt, weshalb es nicht zu verwundern ist, dass dieser Coccus bei den genannten Formen von Lungenentzündung angetroffen werden kann. Wie häufig er aber bei diesen Arten von Lungenentzündung vorkommt, bezw. ob etwa der Staphylococcus pyogeues ihn hierbei au Häufigkeit des Vorkommens übertrifft, darüber können wir noch keine bestimmten Angaben machen. Sowohl bei der Lobärpneumonie als bei der Lobulärpneumonie und ebenso bei der metastatischen Herdpneumonie kann, wie ich ebenfalls schon seiner Zeit angegeben hatte, auch der Staphylo- coccus pyogeues (aureus und albus) gefunden werden. Bei der Lobärpneumonie dürfte er, als alleiniger Erreger, zwar nur recht selten vorkommen; ich traf ihn bloß in einem Falle von Lobärpneumonie, die im Verlaufe von Typhus abdominalis aufgetreten war. Etwas häufiger kann er bei der genannten Form von Lungen- eutzündung, wie ich schon an einer anderen Stelle anführte, neben dem D. pn. als Ausdruck einer Sekundär Infektion beobachtet werden, in welchem Falle er möglicherweise den Ausgang der Ent- zündung in Eiterung oder Gangrän begünstigt. Noch etwas häufiger wird er bei der Lobulärpneumonie ge- troffen, aber dann zumeist auch nicht allein, sondern in Begleitung von anderen pathogenen Bakterien, insbesondere von D. pn. oder Streptococcus pyogenes (H. Neumann, Queissner, Banti^s^ Netter, Kreibich, Pearce, Comba); auch hier scheint er den Ausgang der Entzündung in Eiterung oder Gangrän zu begünstigen (Kreibich). Was schließlich sein Vorkommen bei der metastatischen Herd- pneumonie betrifft, so hängt dies damit zusammen, dass jene Prozesse, die erfahrungsgemäß zu der genannten Form von Lungenentzündung führen können, sehr häufig durch ihn verursacht werden. Litteratur. 1 Weichselbaum, Med. Jahrb. Wien 1886. — 2 H. Neumann, Berl. kliu. Wochenschr., 188(5. — :* Lucatello, ref. im Centralbl. f. Bakt, Bd. 8, 1890. — 4 Finkler, Die akuten Lungenentzündunseii als Infektionskrankheiten. Wiesbaden 1891. — fi Wassermann, Dtsch. med. Wochensch., 1893. — ''' Harbitz, ref. in Baumg. Jahrber., 1895. — ^ Filaretow, ebd., 1898. — § Finkler, Dtsch. med. Wochenschr., 1890. — o Ribbert, ebd., 1890. — w Vaillard, Bull. d. 1. soc. d. höp., 1890. — 11 Bein, Ztschr. f. klin. Med., Bd. 7, 1890. — 12 Maragliano, Eif. med., 1890. — i3 A. Fränkel, Charite-Annalen, 1880. — i* Guarnieri, Bollet. d. Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 233 E. accad. di Roma, 1886—87. — i5 h. Neumann, Jahrb. f. Kinderheilk., Bd. 30, 1889. — 16 QuELSSNER, ebd., Bd. 30, 1889. — " Mosny, Etüde sur la broncho- pneumonie, These, Paris 1891 u. La med. mod., 1891. — is Netter, Arch. de med. exper., 1892. — ^ Kreibich, Beitr. z. klin. Med. u. Chir., 13. Heft. Wien u. Leipzig, 1896. — 20 Pearce, Boston med. and surg. journ., 1897. — 21 Comba, La broncopneumonite nei bambini. Milano 1897. — 22 Lewin, ref. in Baumgartena Jahresber. 1898. — 23 Banti, Lo Sperim., 1890. V. Vorkommen des Bacillus pneumoniae bei der Pneumonie. Aus dem gescliiclitliclien Teile ist zu eutuehmen, dass zwar Fribd- LÄNDER der erste war, welcher deu Bacillus pneumoniae aus dem pneu- monischen Exsudate herauszüchtete, dass er ihn aber nicht erkannte, da er der Meinung- war, er hätte in den Kulturen denselben »Coccus« vor sich, welchen er wiederholt in Deckglaspräparaten vom Exsudaten verschiedener Pneumonieen gesehen hatte, und der offenbar mit dem D. pn. identisch war. Die Aufklärung dieses Irrtums geschah durch mich, wobei ich zu- gleich den Beweis erbrachte, dass der Bacillus pneumoniae zwar sicher bei der Pneumonie, sowohl bei der Lobär- als bei der Lobulärpneu- monie und bei der akuten interstitiellen Pneumonie als Erreger vor- kommen könne, aber im ganzen recht selten, da ich ihn damals unter 129 Lungenentzündungen nur 9 mal antraf und zwar 2 mal nebst dem Streptococcus pyogenes und Imal neben dem D. pn. Meine Behauptung, dass der Bacillus pneumoniae der ausschließ- liche Erreger der Lobärpneumonie sein könne, wurde zwar, obwohl sie sich auf ganz einwandfreie Untersuchungen stützte — in einem Falle von Lobärpneumonie konnte ich das genannte Bakterium bereits am zweiten Tage der Erkrankung aus dem der Lunge des Kranken entnommenen Safte als alleinige Bakterienart kultivieren — von ver- schiedenen Autoreu bestritten und hierbei höchstens zugegeben, dass der Bacillus pneumoniae bei einer durch den D. pn. hervorgerufenen Lobär- pneumonie sekundär auftreten könne. Der Zweifel anderer Autoren rührte einerseits von der bei diesen feststehenden Ansicht her, dass die Lobärpneumonie nur eine einheitliche Aetiologie haben könne, und andererseits von dem Umstände, dass diese Autoren kein reichliches und mannigfaches Material zur Untersuchung hatten. Inzwischen sahen sich aber viele Autoren genötigt, die Ansicht von der einheitlichen Aetiologie der krupösen Pneumonie fallen zu lassen, und andererseits sind von mehreren Seiten (Marchand 1, Eppixger2, Galvagni^, Howard'*, Philippi^) auch Fälle mitgeteilt worden, in welchen bei Lobärpneumonie der Bacillus pneumoniae ebenfalls als alleiniger Erreger nachgewiesen werden konnte. Mir selbst sind seit meinen ersten Untersuchungen fast in jedem Jahre einige Fälle von Lobärpneumonie untergekommen, in welchen auch bei der minutiösesten Untersuchung bloß der Bacillus pneumoniae gefunden werden konnte. Da diese Pneumonieen in ana- tomischer Beziehung etwas sehr Charakteristisches haben, indem die von der Schnittfläche abstreifbare Flüssigkeit eine auffallend viscide oder schleimige Beschaffenheit zeigt, so wurden wir immer schon durch diesen Umstand aufmerksam gemacht und nahmen deshalb eine genaue bakteriologische Untersuchung vor, die dann immer nur den Bacillus pneumoniae ergab. Die eigentümliche Beschaffenheit des Exsudates ist 234 A. Weichselbaum, dadurch bedingt, dass in demselben uugehenre Mengen von Pneumonie- bazilleu enthalten sind, deren Kapseln meist gut entwickelt sind und be- kanntlich eine schleimige Beschatfenheit haben. Mitunter erweist sich auch bei den durch den D. pn. verursachten Pneumonieen das Exsudat stark viscös, was nicht wundernehmen darf, da auch die Kapsel dieses Coccus eine schleimige Beschatfenheit besitzt. Aber niemals fand ich bei diesen Pneumonieen ein so stark schleimiges, rotzähnliches Exsudat, wie bei den durch den Bacillus pneumoniae verursachten Lungenentzündungen und zwar vielleicht deshalb, weil im ersteren Falle die Menge der Kokken niemals eine so große ist und auch die Kapsel häufig keine so mächtige Entwickelung zeigt, wie im letzteren Falle. Auch die Schnittfläche der pneumonischen Partieen sieht in letzterem Falle etwas anders aus, indem sie nicht so deutlich körnig erscheint, was damit zusammenhängen dürfte, dass in den Alveolen das fibrinöse Exsudat gegenüber den zahllosen Bazillen in den Hintergrund tritt. Der Bacillus pneumoniae kommt, wie ich schon oben angeführt habe, und auch aus den Untersuchungen der späteren Untersucher (Netter ß, Mandry^, Etienne^, Bonardi^, Wright ife Mallory 10^ CoMBA^i, Smith'2) zu entnehmen ist, noch bei der Lobulär pueumonie vor und zwar, wie es scheint, etwas häufiger als bei der Lobärpneumonie, ist aber dann nicht selten mit jenen anderen Bakterien vergesellschaftet, welche man sonst bei der Lobulärpneumonie anzutreffen pflegt. Bei den durch den Bacillus pneumoniae verursachten Lungen- entzündungen kann es auch zum Uebertritte der Bazillen ins Blut und hierdurch zur Entwickelung einer Öeptikämie kommen. Vielleicht hängt damit, wenigstens teilweise, die Malignität zusammen, welche, wie Netter und ich konstatieren konnten, die durch den Bacillus pneumoniae hervorgerufenen Lungenentzündungen häufig aufzuweisen pflegen. Litteratur. 1 Marchand, Sitzungsber. d. Ges. z. Beförderung d. ges. Naturw. in Marburg, 1893. — 2 Eppinger, in Lubarschs Ergebnisse d. allg. Path., 3. Jahrg., 1896. — 3 Galvagni, Arch. ital. di clin. med., 1890. — ^ Howard, ref. in Baumgartens Jahresber., 1898. — 5 Philippi, Münch. med. Wocb., 1902. — 6 Netter, Compt. rend. d. 1. soc. de biol., 1888 u. Bull. d. 1. soc. d. höp. de Paris, 1897. — "? Man- dry, Fortschr. d. Med., 1890. — « Etienne, Arch. de med. exp^r., 1895. — o Bonardi, II Morgagni, 1895. — "' Wright & Mallory, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 20, 1895. — 11 CoMBA, Lo Sperim., 1896. — 12 Smith, ref. in Baumgartens Jahresber., 1898. VI. Das Vorkommen anderer, bisher noch nicht angeführter Bakterien bei Pneumonie. Es kommen hier zunächst der Micrococcus catarrhalis und folgende Bazillen in Betracht: B. influenzae, B. diphtheriac, B. typhi abdominalis, B. coli, B. pestis und B. mallei. Unter den genannten Bakterien besteht mit Bezug auf ihr Verhältnis zur Lungenentzündung insofern eine Ucbereinstimmung, als sie, vom Typhusbacillus abgesehen, fast immer nur bei Lobulärpneumonieen auftreten und sich hierbei häufig mit anderen pathogenen Bakterien verbinden. Der Micrococcus catarrhalis, von welchem schon Frosch & Kolle^ auf Grund mündlicher Mitteilungen R. Pfeiffers und eigener Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 235 Beobaehtungeu berichteten, dass er von ihnen bei fieberhaften Bronchi- tiden und bei Bronchopneumonie von Kindern gefunden worden war, ist neuerdings von Ghon & H. Pfeiffer 2 an einem großen Materiale ein- gehendst studiert worden, so daß wir jetzt über sein morphologisches und biologisches Verhalten genau unterrichtet sind. Er gleicht in der Form dem Gonococcus, nur ist er meist etwas größer; er entfärbt sich ebenso wie dieser nach Gram und liegt auch häufig innerhalb von Zellen. Auf Agar sind die oberflächlichen Kolonieen anfangs klein und weißgrau, zeigen aber mikroskopisch eine charakteristische, grobe Granulierung und einen wie angefressen aussehenden Rand. Später erreichen sie einen Durchmesser von 3 — 4 mm, ihr Centrum wird mehr erhaben und oft bräunlich, der Rand dagegen steil abfallend, gebuchtet, graii und transparent. Beim Abstreifen zeigen sie eine mörtelartige Konsistenz. Auf Gelatine erfolgt bei Zimmertemperatur erst nach 5 — 6 Tagen ein kümmerliches Wachstum, welches in Stichkulturen ebenso wie in Agar- Stichkulturen bloß die oberflächlichen Partieen einnimmt. In Fleischbrühe bildet sich bei ganz ruhigem Stehen sehr oft eine Kahmhaut, auf Kartoffeln ein zarter, in der Farbe vom Nährboden wenig abstechender Belag, und in der Milch findet zwar Wachstum, aber keine Gerinnung statt. Am üppigsten wird die Vegetation auf Serumagar ; bei strenger Anaerobiose erfolgt gar kein Wachstum. Die Lebensfähigkeit ist anfangs mitunter gering, wird aber später größer, sowie auch das Wachstum in den späteren Generationen stärker wird. Die Resistenz gegen höhere Temperatur ist sehr gering, gegen Eintrocknung aber ziemlich bedeutend. Für Kaninchen ist der Coccus fast gar nicht, für weiße Mäuse und Meer- schweinchen nur im mäßigen Grade pathogen. Er kommt in den Luftwegen des Menschen, insbesonders von Kindern vor, und zwar im allgemeinen nicht sehr oft, am häufigsten bei akuter Bronchitis, weniger häufig bei Bronchopneumonie; hiebei ist er aber selten allein, sondern zumeist in Gesellschaft anderer Entzündungserreger vorhanden, nämlich des Dipl. pneum., des Influeuza- bacillus, Strept. und Staph. pyog. und das Bac. pneum. Die durch ihn verursachten Krankheitserscheinungen gleichen sehr jenen der Influenza, geben aber im allgemeinen keine schlechte Prognose. In der Litteratur liegen sonst keine weiteren Mitteilungen über den M. catarrhalis vor außer von Petruschky3, welcher ihn bei einer im Verlaufe eines Abdominaltyphus entstandenen krupösen Pneumonie nicht nur in der Lunge, sondern in allen Organen fand. Auch in dem von Bernheim ^ mitgeteilten Falle, in welchem dieser bei einer Broncho- pneumonie Kokken fand, die er als Verwandte des Dipl. intracellularis meningitidis bezeichnete, dürfte es sich um den M. catarrhalis gehandelt haben. Der B. influenzae wurde zuerst von E. Pfeiffer^ und später von mir 6 bei der sogenannten Influenzapneumonie nachgewiesen. Letztere tritt stets als eine Lobulärpneumouie auf, deren Exsudat häufig sehr reich au Eiterkörperchen und arm an Fibrin ist; sie führt auch nicht selten zur Vereiterung oder aber zur Induration des Lungen- gewebes, weshalb ihr Verlauf ein sehr protrahierter sein kann. Anderer- seits giebt es aber Fälle von Influenza-Lobulärpneumonie , in welchen das Exsudat stellenweise auch fibrinös oder serös oder selbst hämorr- hagisch ist (EiCHTER^, Lindenthal *]. 236 A. Weichselbanm, Wenn es auch keinem Zweifel unterliegt, dass der Influeuzabacillus allein die Lobulärpneumonie verursachen kann, so stößt man doch nicht selten im pneumonischen Exsudate neben dem Influenzabacillus auf andere Bakterien, insbesondere auf den D. pn. oder den Strepto- coccus pyog. Ob und welchen Einfluss aber diese Beimengung auf das anatomische und klinische Verhalten der Lobnlärpneumonie nimmt, lässt sich vorläufig nicht mit Bestimmtheit angeben. Das Sputum ist bei der reinen Influenza - Lobulärpneumonie sehr häufig nicht rostfarbig, sondern schaumig-eiterig (Beck 9, Wassermann ioj_ Freilich kann bei der Influenza auch eine durch den D. pn. verursachte Lobärpneumonie auftreten, in welchem Falle das Sputum rostfarbig sein wird; andererseits besteht die Möglichkeit, dass in dem Exsudate einer solchen Pneumonie sich sekundär der Influenzabacillus ansiedelt {Bäumler ii). Im Verlaufe einer Diphtherie kann ebenfalls sowohl eine Lobulär- als eine Lobärpneumonie entstehen, und zwar erstere viel häufiger als letztere. Während aber bei der Lobärpneumonie in der Kegel nur der D. pn. oder der Str. p. gefunden wird, kann man bei der Lobulärpneu- monie außer diesen Kokken noch den Staph. pyogenes oder den B. pneum. oder endlich den Diphtheriebacillns antreffen, wobei die ge- nannten Bakterien entweder allein oder zusammen vorkommen (PrUDDEN & N0RTHRUP12^ StRELITZ ^3^ MOSNY 1*^ FrOSCH ^^^ KUTSCHER ^6, Belfanti^^, Myais^ Ortmann & Samter i^). Da mehrere Autoren (Frosch, Kutscher, Belfanti) einige Male auch den Diphtheriebacillns allein vorfanden, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass in einer gewissen, wahrscheinlich nur geringen Anzahl von Fällen die bei Diphtherie auf- tretende Lobulärpneumonie ausschließlich auf Eeclmung des Diph- theriebacillus kommt, was auch dadurch bestätigt wird, dass Flexner & Anderson^o bei Kaninchen durch intratracheale Injektion von Diph- theriebazillen eine Pneumonie zu erzeugen vermochten. Ob die durch den Diphtheriebacillus allein hervorgerufene Pneumonie ein hauptsäch- lich fibrinöses und hämorrhagisches Exsudat zeigt, wie es Belfanti behauptet, muss noch nachgeprüft werden. Auch im Verlaufe des Abdominaltyphus kann es, und zwar sehr häufig, zur Entwickelung einer Lobulärpneumonie kommen, oder aber, jedoch seltener, zu einer Lobärpneumonie. Im Exsudate beider Formen von Lungenentzündung konnten bisher von verschiedenen Untersuchern (FoA & Bordoni-Uffreduzzi^i, Chantemesse & Widal22j Arustamoff23, Karli>ski24^ A. Fränkel25, Stühlern26, Dieudonne^^^ Jehle28) Typhusbazillen nachgewiesen werden, aber zumeist neben den gewöhn- lichen Pneumonieerregern, nämlich neben dem D. pn., Streptococcus oder Staph. pyogenes. Ob in jenen wenigen Fällen, in welchen der Typhus- bacillus allein gefunden wurde oder wird, derselbe wirklich als der ausschließliche Erreger der Pneumonie angesehen werden kann, muss noch dahingestellt bleiben, obwohl die Möglichkeit a priori nicht abzu- leugnen ist. Vorläufig haben sich aber einige Autoren, wie KarliSski, Stühlern, dahin ausgesprochen, dass in den betreffenden Fällen der Haupterreger der Pneumonie, der kurzlebige D. pn., durch den Typhus- bacillus verdrängt worden sei. Zu erwähnen ist noch, dass in neuerer Zeit mehrere Untersucher (Stühlern, Dieudünne, Edel 29, Jehle) bei Typhuskranken, welche zugleich an Pneumonie litten, auch im Sputum derselben Typhusbazillen nachweisen konnten; das Sputum zeigte dann stets eine hämorrhagische Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 237 Bescbaffeiilieit und enthielt die Typliusbazilleu bis zu 7 Wochen nach dem Krankheitsbeginue (Dieüdünne). Derliacillus coli wurde sowohl bei Lobärpneumonie als bei Lobu- lärpneumouie gefunden. Bei dem erstgenannten Prozesse konnte ihn Kreibich''ö iu einem Falle als einziges Bakterium, sowohl in Schnitten als kulturell, nachweisen; da die Lungenentzündung in diesem Falle noch in einem sehr frühen Stadium sich befand, kann auch nicht an- genommen werden, dass etwa ein anderes Bakterium vorher vorhanden gewesen, aber bereits zu Grunde gegangen wäre; auch gelang es dem genannten Autor, durch intratracheale und intrathorazische Einverleibung- des B. coli bei Tieren Pneumonie zu erzeugen, weshalb kaum zu zweifeln ist, dass das genannte Bakterium auch beim Menschen der Erreger einer Lobärpneumonie sein kann. Häufiger ist das Vorkommen des B. coli bei Lobulärpneumouie, über welches von mehreren Seiten Mitteilungen vorliegen, so von Fischer & Levy^i, die bei inkarzerierten Hernien entstandene Lobulär- pneumonieen zu untersuchen Gelegenheit hatten, von Dukante32, Schmidt & Aschopf33, Rexard-5^, Kreibich (1. c). Der B. coli kann hierbei in Reinkultur oder in Verbindung mit anderen Pneumonieerregern vorge- funden werden. Bei der Pest kommt es, wie zuerst Childe^s und später Albrecht & Ghon36 sowie Wtssokowitsch & Zabolotny^' nachgewiesen haben, wenn auch nicht sehr häufig, zur Entstehung von Lungenentzündungen, bei welchen der Pestbacillus eine sehr wichtige Rolle spielt. Von diesen Entzündungen unterscheiden Albrecht & Ghon eine primäre und eine sekundäre Pestpueumonie und von letzterer wieder eine Aspirations- und eine metastatisch- embolische Pneumonie. Nach un- serem Einteilungsprinzipe gehört die primäre Pestpueumonie sowie die Aspirations-Pestpueumonie zur Lobulärpueumonie und die metastatisch- embolische Pestpueumonie zur metastatischen Herdpneumonie. Bei der primären sowie bei der metastatisch-embolischen Pestpueu- monie kann sich der Pestbacillus in Reinkultur vorfinden, während bei der sekundären Pest-Aspirationspneumonie neben dem Pestbacillus noch verschiedene andere Bakterien, darunter die Eiterkokken und der D. pn. , vorhanden zu sein pflegen. Doch auch bei den beiden erstge- nannten Formen konnten Albrecht & Ghon sowie Wyssoko^vitsch & Zabolotny einige Male neben dem Pestbacillus noch eine andere Bak- terienart, nämlich den D. pn., nachweisen. Die Pestpneumonieen sind histologisch und anatomisch dadurch aus- gezeichnet, dass das Exsudat größtenteils sehr arm an Fibrin, dagegen reich an roten Blutkörperchen und polynukleären Leukocyten ist, und die Septa der Alveolen eine sehr ausgeprägte Koagulationsnekrose aufweisen; dementsprechend zeigen die pneumonischen Herde keine deutlich körnige Schnittfläche, aber ein gelbrotes Kolorit, und die metastatischen Herde sind von einem hämorrhagischem Hofe umgeben. Ueberdies ist die Zahl der Pestbazillen in den Herden eine außer- ordentlich große (Albrecht & Gh(jn, Dürck^^). Auch das Sputum bei Pestpueumonie enthält zahlreiche Pestbazillen, welche in ähnlicher Weise wie die Typhusbazillen bei dem sogenannten Pneumotyphus lange Zeit, selbst bis zu 48 Tagen (Gotschlich^ö), im Sputum erscheinen können. Andererseits tritt das blutig gefärbte und pestbazillenhaltige Sputum schon zu einer Zeit auf, in welcher noch 238 A. Weichselbaum, keine deutlichen physikalischen Veränderungen an den Lungen nach- weisbar sind. Zu bemerken ist noch , dass bei der Pest unter Umständen auch eine ausschließlich durch den D. p. verursachte Lobärpneumonie auf- treten kann, welche dann auch das ihr sonst zukommende Verhalten zeigt. Au das Vorkommen des Pestbacillus bei Pneumonie ist noch das Vorkommen des Bacillus mallei in den Lungenherden anzuschließen, welche beider Rotzkrankheit auftreten können. Diese Herde können entweder als Lobulärpneumonie oder als metastatische Herdpneumonie aufgefasst werden, mit einem Exsudate, welches vorwiegend aus poly- nukleären Leukocyten besteht, deren Kerne aber rasch zerfallen; die Herde sind stets von einem hämorrhagischen Hofe umgeben. Die Zahl der in ihnen nachweisbaren Rotzbazillen ist aber gewöhnlich eine geringe. Schließlich sollen hier noch jene Bakterienbefunde bei Pneumonie erwähnt werden, welche entweder ganz vereinzelt geblieben sind, oder bei welchen es sich um Bakterien handelte, deren pathogene Bedeutung noch nicht sichergestellt ist. Hierher Igehört der Fund von Lübarsch & Tsutsüi*^, welche bei einer Pleuropneumonie eines Xeugeborenen sowohl in der pneumonischen als in der gesunden Lunge (und in andern Orgauen) den Bacillus enteritidis Gärtner nachweisen konnten. Weiteres hatte Klein ^^ angegeben, dass er bei einer Pneumonie- Epidemie in vier untersuchten Fällen einen Bacillus auffand, der noch bei keinem anderen pathologischen Prozesse beobachtet worden war, mit welchem er aber bei Aften eine Pneumonie erzeugen konnte. Endlich ist noch anzuführen, dass mehrere Autoren (Delamarre & Descazals'*^^ Descazals^^, Gilbert & Fournier^^^ Dupuy*^, Sicard-^^) beobachtet haben wollen, dass die sogen. Psittacosis, eine mitunter bei frisch aus den Tropen importierten Papageien epidemisch auftretende Krankheit, auf den Menschen übertragbar sei und bei diesem unter dem Bilde einer gewöhnlich mit Bronchitis und Bronchopneumonie einher- gehendeu schweren Allgemeininfektion verläuft, als deren p]rreger ein Bacillus angesehen wird, welchen Nocard^^ bei den erkrankten Papa- geien finden konnte. In Paris und Umgebung waren, wie Dupuy an- giebt, von 1892 bis 1898 siebzig Fälle von Psittacosis des Menschen mit einer Mortalität von 34, 28^ vorgekommen. Der für spezifisch gehaltene Bacillus konnte aber bei den erkrankten Menschen nicht immer nachgewiesen werden; andererseits behauptete Maleschini ^s, welcher in Florenz eine bösartige Pueumonie-Epidemie beobachtete, deren Entstehung man mit einer ebenfalls als Psittacosis bezeichneten Erkrankung mehrerer aus Amerika importierter Papageien in Zusammen- hang brachte, in den Lungen und im Blute der erkrankten Menschen den D. pn. nachgewiesen zu haben. Aus diesen Mitteilungen geht her- vor, dass über die Aetiologie der sogen. Psittacosis und über ihre Uebcrtragbarkeit auf den Menschen noch viele Unklarheit besteht. Litteratur. 1 Frosch & Kolle, in Flügge: Die Mikroorganismen, 3. Aufl., J896. — - Ghon & H. Pfeiffer, Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 44, 1901. — ^ Petruschky, Zeitschr- f. Hyg. , Bd. 36. — * Bernheim, Dtsch. med. Wochenschr. , 1900. — 5 R. Pfeiffer, Dtsch. med. Wochenschr., 1892 und Ztschr. f. Hyg., Bd. 13, 1893. — •■' Weichselbaum, Wien. klin. Wochenschr., 1892. — " Richter, ebd., 1894. — Diplococcus iineumoniae und andere u. s. w. 239 8 Lindenthal, ebd., 1897. — '■> Beck, Charite-Annalen, 1892. — lo Wassermann, Dtsch. med. Wochenschr., 1893. — " Bäumler, Münch. med. Wochenschr. , 1894. — 12 Prudden & NORTHRUP, ref. im Centralbl. f. Bakt., Bd. 7, 1890. — i3 Strelitz, Arch. f. Kinderheilk., Bd. 13, 1891. — « Mosny, ref. im Centralbl. f. Bakt, Bd. 13, 1893. — 15 Frosch, Ztschr. f. Hyg., Bd. 13. — ^'^ Kutscher, ebd., Bd. 18. — 1- Belfanti, Lo Sperim., 1895. — i« Mya, II Poliklin. , 1895. — » Ortmann & Samter, Virch. Arch., Bd. 70. — 20 Flexner & Andersohn, Johns Hopk. Hosp. Bull, 1898. — 21 FoA & BoRDO^^-UFFREDUzzI, Rif. med., 1887. — 22 Chantemesse & WiDAL, Arch. d. phys. norm, et path., 1887. — 23 Arustamoff, Centralbl. f. Bakt, Bd. 6 u. 7, 1887. — 24 Karlinski, Fortschr. d. Med., 1889. — 2.5 a. Fränkel, Dtsch. med. Wochenschr., 1899. — 26 Stühlern, Centralbl. f. Bakt., Bd. 27, 1900. — 27 DiEUDONNE, ebd., Bd. 30. 1901. — 28 Jehle, Wien. klin. Wochenschr., 1902. — 29 Edel, Fortschr. d. Med., 1901. — ^ Khelbich, Beitr. z. klin. Med. u. Chir., Heft 13, Wien u. Leipzig 189ö. — »i Fischer & Levy, Dtsch. Ztschr. f. Chir., Bd. 32. — 32 Durante, cit nach Kreibich. — 33 Schjhdt & Aschoff, Die Pyelonephritis u. s.w. Jena 1893. — 34 Renard, Contribution ä r<5tnde des broncho- pnenm. infect d'orig. intest chez l'enfant These. Paris 1892. — 35 Childe, Brit med. journ., 1897. — 36 Albrecht & Ghon, Denkschriften der mathematisch- naturwissenschaftl. Klasse d. Kais. Akad. d. Wissensch. in Wien, Bd. 66, 1898. — 3" Wyssokowitsch & Zabolotny, Ann. de l'instit Past., vol. 11. — 38 Dürck, Verhandl. d. dtsch. path. Ges., 4. Tagung in Hamburg 1901. Berlin 1902. — 39 Gotschlich, Ztschr. f. Hyg., Bd. 32. — 40 Lubarsch & Tsutsui, Virch. Arch., Bd. 23. — 41 Klein, Centralbl. f. Bakt., 1898. — 42 Delamarre & Descazals, Gazz. d. hop., 1896. — 43 Descazals, ibid., 1896. — ** Gilbert & Fournier, ref. in Baumgartens Jahresber., 1896. — 45 Dupuy, Progres med., 1896. — 46 Sicard, Compt rend. d. 1. soc. d. biol.. 1898. — 4t Nocard. ref. in Baumgartens Jahresber., 1897. — 48 Maleschini, Lo Sperim., 1895 u. 1896. VII. Entstehungsart der Lobärpneumonie. Wir müssen hierbei zunächst zwei Möglichkeiten unterscheiden: entweder entsteht die Lobärpneumonie unabhängig von einer anderen Krankheit, also primär, oder ihre Entstehung ist eine sekundäre, d. h. sie wird durch eine andere Krankheit verursacht. Der zweite Modus dürfte zwar recht selten vorkommen, seheint aber sichergestellt zu sein. Er besteht darin, dass der Erreger der primären Krankheit, die nur wieder eine mikroparasitäre sein kann, auf dem Blutwege in die Lunge gelangt und daselbst eine Lobärpneumonie verursacht. Eine solche hämatogene Entstehung dürfte anzunehmen sein in jenen Fällen, in welchen z.B. im Verlaufe eines Erysipels, einer Phlegmone, einer Osteomyelitis, eines akuten Gelenkrheumatismus u. s. ^x. eine Lobärpneu- monie sich entwickelt und bei derselben die gleichen Bakterien (Strepto- coccus oder Staphylococcus pyogenes) zu finden sind wie bei den vor- genannten Prozessen. Auch in jenen Fällen von Lobärpneumonie bei Typhus, in welchen nur Typhusbazillen zu finden sind, müsste eine hämatogene Entstehung angenommen werden, wenn man nicht der Meinung ist, dass es sich hierbei doch nur um eine primäre, durch den D. pn. verursachte Pneumonie handelt, bei welcher aber dieser Coccus später durch den Typhusbacillus verdrängt worden ist. Desgleichen kann in dem von Boulloche 1 beobachteten Falle von einer sekundären (hämatogeneu; Entstehung der Lobärpneumonie gesprochen werden, in welchem letztere nach einer akuten Arthritis entstanden war, und in beiden Prozessen der D. pn. aufgefunden werden konnte. Viel häufiger und daher auch viel wichtiger ist die erste Art der Entstehung, welche man als primäre bezeichnet. Doch auch über diesen Modus bestehen noch viele Unklarheiten und Meinungsver- schiedenheiten. 240 A. Weichselbaum, In dem einen Punkte dürften zwar nahezu alle übereinstimmen, dass bei der primären Lobärpneumonie der Erreger aus der Atemluft stammt und inhaliert wird; über die weiteren Vorgänge aber gehen die An- sichten auseinander. Einige wenige stellen sich vor, dass die inhalierten Pneumonie- erreger zunächst nicht in der Lunge sich ansiedeln, sondern in das Blut gelangen, sich daselbst vermehren, also zuerst eine Allgemeininfektion verursachen, und dann erst in der Lunge sich lokalisieren; letzteres Moment werde klinisch durch den Schüttelfrost markiert. Eine solche Anschauung wurde bereits von Jükgensen und in neuester Zeit auch von N. Schultze2 vertreten. Die Möglichkeit einer solchen Entstehung lässt sich vorläufig niclit vollständig leugnen, sondern könnte für jene Fälle zugegeben werden, in welchen zu gleicher Zeit mit der Pneumonie oder etwas vorher eine Entzündung in anderen Organen, wie Endocarditis , Meningitis u. s. w. aufgetreten war. In diesen Fällen wäre der Erreger zwar zuerst inhaliert worden, aber die Pneumonie eigentlich auf hämatogenem Wege oder gar erst sekundär entstanden. Ja, es wäre sogar denkbar, dass der Pneumonieerreger, wie z. B. bei der durch Typhusbazillen verursachten Pneumonie, gar nicht durch Inhalation, sondern auf anderen Wegen in den Organismus gelangte und sich in diesem oder in jenem Organe, darunter auch in der Lunge, sogleich oder später ansiedelte. Jeden- falls wird diese Entstehungsart, wenn überhaupt, nur ausnahmsweise vorkommen. Eine weitere Ansicht geht dahin , dass der inhalierte Pneumonie- erreger sich zunächst auch niclit in der Lunge ansiedelt, sondern in den bronchialen Lymphdrüsen, und erst von hier aus auf retrogradem Wege die Lunge invadiert (Buttersack 3) ; es ist dies eine Anschauung, welche bekanntlich von einigen Autoren auch bezüglich des Erregers der Lungentuberkulose vertreten wird. Zu Gunsten derselben könnte die Thatsache geltend gemacht werden, dass man bei der Lobärpneumonie immer auch die bronchialen Lymphdrüsen verändert findet; freilich ist es viel wahrscheinlicher, dass diese Veränderung erst sekundär entsteht. Noch eine andere Ansicht besteht in der Annahme, dass die in- halierten Pneumonieerreger zunächst nur in die Bronchialäste gelangen und erst bei starken Hustenstößen in die Alveolen getrieben werden (Meltzer*). Diese Anschauung wäre aber nur dann zulässig, wenn feststünde, dass so feine korpuskulare Elemente, wie es die Bakterien sind, nicht mit einem Male bis in die Alveolen gelangen könnten; auch steht der erwähnten Anschauung die Thatsache entgegen, dass die Lobärpneumonie sehr häufig ohne eine vorausgehende Bronchitis auftritt. Dass aber Bakterien, und daher auch jene, welche wir als Erreger der Lobärpneumonie kennen gelernt haben, falls sie in der Atemluft vorhanden sind, mit dieser wirklich direkt bis in die Lungenalveolen gelangen können, das gebt aus zahlreichen und von verschiedenen Autoren angestellten Versuchen mit Bestimmtheit hervor. Von diesen sind namentlich die von Nenninger^ in der jüngsten Zeit ausgeführten Experimente sehr überzeugend, in denen man Tiere in ganz unge- zwungener Stellung den Spray von einer Aufschwemmung einer Kultur des Micrococcus prodigiosus einatmen ließ und 1/2 Stunde später die Tiere tötete und von der Basis der Lungen, in welcher nur Alveolen und feinere Bronchialäste vorhanden sind, Kulturen anlegte, wobei sehr zahlreiche Koloniecn des genannten Coccus aufgingen. Diplococciis pneumoniae und andere u. s. w. 241 Nach der am meisten verbreiteten Ansicht über die primäre Ent- stehung- der Lobärpneumonie nimmt man daher an, dass die Erreger derselben immer nur mittelst der Atemluft in die Lungen gelangen, aber erst dann eine Pneumonie erzeugen können, wenn sie unter Mit- wirkung gewisser Faktoren, die man vorläufig als Disposition be- zeichnen muss, sich in der Lunge nicht nur lebend erhalten, sondern auch vermehren. Die Mitwirkung gewisser Faktoren muss man deshalb annehmen, weil die Pneumonieerreger infolge ihrer häufigen oder perma- nenten Anwesenheit in der Atemluft sehr oft oder fort und fort in die Lungen gelangen, während die Pneumonie doch nur bei bestimmten Anlässen oder in bestimmten Zeiten zu entstehen pflegt. Die Faktoren, auf welche es hierbei ankommt, und die Art und Weise, wie sie wirken, kennen wir aber noch sehr wenig. Da man, trotz des sehr häufigen Hineiugelangeus von Pneumonieerregern in die Lungenalveoleu , in denselben, wie ich^, Babes'^, Claisse® u. a. nach- wiesen, entweder gar keine oder nur sehr spärliche Bakterien findet, und auch Qüensel» in neuester Zeit in den gesunden Lungen von Tieren zwar häufig Bakterien, aber nur in ganz geringer Menge nach- weisen konnte, so muss man mit Paul^o annehmen, dass die in die Lungenalveoleu eindringenden Pneumonieerreger unter normalen Ver- hältnissen durch die baktericide Thätigkeit der Lungen vernichtet werden, dass es aber Verhältnisse giebt, durch welche die baktericide Thätig- keit aufgehoben oder sehr abgeschwächt wird. Zu diesen dürften wahrscheinlich gewisse, rasch auftretende Zirkulationsstörungen ge- hören, wie sie durch eine intensive, allgemeine Erkältung oder durch Einatmung sehr kalter Luft gesetzt werden können. Der frühere Satz: »Frigus unica pneumoniae causa« ist ja sicherlich nicht durch einfache Spekulation, sondern auf Grund sehr zahl- reicher Erfahrungen entstanden; auch diesbezügliche Tierversuclie sprechen zu Gunsten dieser Annahme. So fand Lipari^i, dass nach Injektion von pneumonischem Sputum oder pneumoniekokken- haltigem Exsudate in die Trachea von Meerschweinchen und Kaninchen nur dann eine Lifektion derselben entstand, wenn kurz vor- oder nach- her die Tiere einer Erkältung ausgesetzt worden waren, und Fischl^^ beobachtete, dass bei intravenöser Injektion des D. pn. Tiere, welche ab- gekühlt wurden, viel sicherer oder schwerer erkrankten als nicht abgekühlte. Auch solche intensivere Zirkulationsstörungen, wie sie durch trau- matische Einwirkung auf den Thorax oder die Lungen selbst entstehen, scheinen eine ähnliche Rolle zu spielen. Beispiele von sogenannter traumatischer oder Kontusiouspueumonie liegen mehrere in der Litteratur vor. Ich selbst habe zwei solche Fälle beobachtet und in meiner Arbeit über die Aetiologie der Lungenentzündungen (1. c.) mitgeteilt. Ferner verweise ich auf die Beobachtungen von Lucatello^s, Minossi i^, Bergmann 1^ u. a. Bemerkenswert ist auch, dass die Pneumonie in diesen Fällen auf jener Seite entstand, auf welche das Trauma ein- gewirkt hatte. Zu den Beispielen einer traumatischen Entstehung kann auch die Beobachtung Beins i^^ von dem Auftreten einer Pneumonie nach einer Ammoniakvergiftung gerechnet werden, weil hierbei das Gift auch durch Inhalation in die Lungen gelangt war und letztere direkt geschädigt hatte. Dieser Beobachtung sind die Tierversuche Gamaleias^^ zur Seite zu stellen, in denen jene Tiere, denen vor der Einverleibung des Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. III. \Q 242 A. Weichselbaum, D. pn. Tartarus stibiatus iu die Trachea injiziert worden war, an Pneu- monie erlvrankten , die Kontrolltiere, denen nur Brechweinstein iu die Trachea eingespritzt wurde, gesund blieben. Ob jene Fälle, in welchen nach einem Sturz ins Wasser eine Pneu- monie entsteht — und solche Beobachtungen liegen ebenfalls mehrere vor — auch dadurch zu erklären sind, dass das eingedrungene Wasser, wie A. FiiÄxKEL ^8 annimmt, die Alveolarepithelien mechanisch schädigt, oder ob hierbei nicht die plötzliche Abkühlung eine Rolle spielt, soll dahingestellt bleiben. Gewiss dürfte es noch eine Reihe anderer Momente geben, welche die baktericide Thätigkeit der Lungen beeiuÜussen und nach Zeit und Person wechseln können, die sich aber dermalen noch unserer genaueren Kenntnis entziehen. Eine Andeutung solcher Momente kann in den Ex- perimenten von LöwY & Richter 19 erblickt werden, in denen jene Tiere, welche mit dem 2 — 3 fachen der tödlich wirkenden Dosis einer D. pn.- Kultur infiziert wurden, am Leben blieben, wenn bei ihnen vorher durch Injektion von Gewebssäften oder von Spermin eine künstliche Leuko- cytose erzeugt worden war. Die Faktoren, welche bei der Vermehrung der in die Lunge ein- gedrungenen Pneumonieerreger eine Rolle spielen, dürfen aber nicht bloß in Verhältnissen des Organismus gesucht werden, sondern können auch in den Bakterien selbst, d. h. in dem höheren oder geringeren Grade ihrer Virulenz liegen. Dass die Virulenz des einerseits in unserer Umgebung, andrerseits in den normalen Luftwegen schon vorhandenen D. pn. sehr variieren kann, darüber dürfte wohl kein Zweifel bestehen. Uebrigens haben auch die direkt über diesen Punkt von Netter 20 an- gestellten Untersuchungen ergeben, dass der im Mundspeichel gesunder Personen vorhandene D. pn. in jeuer Zeit die größte Virulenz aufwies, in welcher die meisten Todesfälle an Pneumonie vorkamen. Wir wissen allerdings nicht, von welchen Verhältnissen die Virulenz des in der Luft und in den Luftwegen vorhandenen D. pn. abhängig ist; aber es ist klar, dass ein sehr virulenter D. pn. nach dem Eindringen in die Lungenalveolen viel schwieriger vernichtet werden kann als ein wenig virulenter. Was die Erfahrungsthatsache betrifft, dass die primäre Lobärpneumonie zu gewissen Zeiten viel häufiger auftritt als zu andern, so kann dieselbe in mehrfacher Weise erklärt werden. Da diese Zeiten sich dadurch auszeichnen — im gemäßigten Klima sind es die Monate März und April — dass bei einem darchschnittlich niedrigen Temperaturstande große und rasche Temperaturschwankungen, namentlich zwischen Tag und Nacht, vorkommen, so kann man sich vorstellen, dass hierdurch besonders leicht Anlass zu plötzlichen Er- kältungen gegeben ist, also zu einem Zustande, welcher, wie wir früher gehört haben, die baktericiden Eigenschaften der Lunge stark beeinflussen kann. Andererseits kommen in diesen Zeiten, wahrscheinlich aus einem ähnlichen (Jrunde, sehr häufig Katarrhe der Luftwege vor, also Prozesse, bei welchen auf der erkrankten Schleimhaut eine sehr reichliche Ver- mehrung der Pneumonieerreger vor sich geht, so dass dieselben viel häufiger und in viel größeren Mengen mit dem Luftstrome in die Lungenalveolen gelangen können. Ob überdies in diesen Zeiten durch uns ganz unbekannte meteoro- logische Einflüsse die Virulenz des D. pn. eine Steigerung erfahren kann, können wir nicht angeben. Es wäre al)er denkbar, dass wegen des häufigeren Vorkommens von Katarrhen der Luftwege und weiterhin auch Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 243 von Limgenentzündimgen in diesen Zeiten die Virulenz der bei diesen Prozessen in lebhafte Vermehrung geratenden Pneumonieerreger zu- nimmt, da wir ja wissen, dass abgeschwächte Bakterien, wenn sie sich im Organismus eines empfänglichen Individuums vermehren, häufig zu- gleich eine Zunahme ihrer Virulenz erfahren. Wir haben bisher immer angenommen, dass die Erreger der Lobär- pneumonie mit der Atemluft in die Lungen gelangen. Diese Annahme erscheint deshalb berechtigt, weil, wie wir schon in einem früheren Kapitel dargethan haben, der D. pu. einerseits sehr häufig oder viel- leicht konstant in den oberen Luftwegen des menschlichen Organismus vorhanden ist, und anderseits sich auch sehr häufig in der uns umgeben- den Luft vorfinden dürfte. Während ersteres aus vielfachen Unter- suchungen hervorgeht, spricht für letzteres die Erwägung, dass mit dem Speichel und den sonstigen Sekreten der Luftwege der D. pn. fort und fort in die Außenwelt gelaugt uud sich daselbst eine gewisse Zeit lebenfähig erhalten kann. Da er auch durch Austrocknung nicht so- gleich vernichtet wird, so kann er, an festen Staubpartikelchen haftend, eingeatmet werden. Andererseits kann er aber sowohl in die eigene als in eine fremde Inspirationsluft von den Luftwegen aus gelangen, und zwar durch die beim Husten, Niesen, Sprechen u. s. w. stattfindende Zerstäubung des in letzteren befindlichen Sekretes. Da aber in den oberen Luftwegen nicht bloß der D. pn., sondern auch jene Bakterien vorzukommen pflegen, welche wir früher ebenfalls als Erreger der Lobär- pneumonie kennengelernt haben, so gilt für die Möglichkeit ihres Ein- dringens in die Lungen mit der Inspirationsluft das gleiche wie für den D. pn. Daraus erklärt sich auch ungezwungen die Thatsache, dass die Aetiologie der Lobärpneumonie keine einheitliche ist, wobei nur der eine Umstand, dass nämlich bei der Lobärpneumonie der D. pn. ungemein viel häufiger sich findet, als die übrigen Pneumonieerreger, vorläufig un- aufgeklärt bleibt, außer man nimmt an, dass der D. pn. aus uns unbe- kannten Ursachen im Lungengewebe viel besser gedeiht als die übrigen in Frage kommenden Bakterien. Diese Annahme würde auch im Ein- klänge mit der von den meisten Autoren festgestellten Thatsache stehen, dass bei der Lobärpneumonie ebenftüls der D. pn. am häufigsten an- getroffen wird, und andererseits eine Analogie in der Thatsache finden, dass wieder bei akuten Entzündungen in anderen Organen und Ge- weben die übrigen Bakterien viel häufiger vorkommen als der D. pn. Litteratur. 1 BouLLOCHE, ref. in Baumgartens Jahresber., 1891. — 2 Schultze, Arch. de scienc. biol. de St. Petersbourg, t. 8. — 3 Buttersack, Ztschr. f. kün. Med., Bd. 29. — 4 Meltzer, Med. Monatsschr., 1889. — & Nenninger. Ztschr. f. Hyg., Bd. 38, 1901. — ß Weichselbaum, Med. Jahrb., Wien 1886. — i Babes, cit. nach Quensel in Ztschr. f. Hyg., Bd. 40, 1902. — s Claisse. These de Paris, 1893. — 9 Quexsel, Ztschr. f. Hyg., Bd. 40, 1902. — lo Paul, ebd., Bd. 40, 1902. — u Lipari, II Morgagni, 1888. — ^- Fischl, Ztschr. f. Heilk. , Bd. 18. — ^^ Lucatello, ref. im Centralbl. f. Bakt. . Bd. 8, 1890. — « Mixossi, Rif. med., 1890. — i5 Beügmann, lieber einen Fall von traumat. krup. Pneum. Inaug.-Diss., München, 1900. — IC Bein, Charite-Annalen, 1895. — i"? Gamaleia, Ann. de l'Inst. Past., 1889. — 18 A. Fränkel, Deutsche med. Woch., Vereinsbeil., Nr. 32, 1896. — lo Löwy & Richter, Deutsche med. Woch., 1895. — 20 Netter, Rev. d'hyg., 1889. 16* 244 A. Weichselbaum, VIII. Entstehungsart der Lobulärpneumonie sowie der akuten interstitiellen und der metastatischen Herd- pneumonie. Auch bei der Entstehung- der Lobulärpneumonie sind zwei Mög- lichkeiten zu unterscheiden: entweder erfolgt die Entstehung unabhängig von einer anderen Krankheit, also primär, oder die Lobulärpneumonie entwickelt sich in direkter Abhängigkeit von einer anderen Krankheit, also sekundär. Die primäre Entstehung- ist bei der Lobulärpneumonie viel seltener als bei der Lobärpneumonie und erfolgt vielleicht niemals, wie bei letzterer, durch einfache Inhalation der Krankheitserreger, d. h. durch Eindringen der letzteren in die Lungenalveoleu mit der Inspirationsluft allein, sondern nur durch Aspiration von Flüssigkeiten oder Fremd- körpern, in welchen die Entzündungserreger vorhanden sind. Hierzu ist aber notwendig, dass solche Flüssigkeiten, beziehungsweise Fremd- körper, in den Larynx oder in die tieferen Luftwege gelangen, was in der Regel nur geschehen kann bei Lähmung der Stimmbänder, be- ziehungsweise bei gewaltsamer Aufhebung des Verschlusses der Stimm- ritze oder aber bei solchen Krankheitsprozessen (Eiterungen, Ulzerationen) in den Luftwegen und in deren Umgebung, bei welchen Flüssigkeiten mit Entzündung erregenden Bakterien in das Lumen der Luftwege sich entleeren. Da aber in letzterem Falle die Entstehung der Lobulär- pneumonie bereits von einer anderen Krankheit abhängig-, also eine sekundäre ist, so haben wir bloß mit der ersteren Möglichkeit zu rechnen. Dieselbe wird gegeben sein beim Erbrechen oder bei der künstlichen Fütterung bewusstloser oder mit einer Lähmung der Stimm- bänder behafteter Personen, bei dem sogenannten Verschlucken (Ein- dringen von kleinen Fremdkörpern während einer tiefen Inspiration), ebenso bei Ertrinkenden und bei der intrauterinen Atmung eines Neu- geborenen, also unter Verhältnissen, in welchen während der Inspiration statt Luft Flüssigkeit eindringt. In den ersteren Fällen wird die aspirierte Substanz der Inhalt der oberen Verdauungswege allein oder mit letzterem gemischte Nahrung sein, also zumeist eine Flüssigkeit, in welcher neben verschiedenen saprophy tischen Mikroorganismen jene Bakterien vorhanden sind, die wir als Erreger der Lobulärpneumonie kennengelernt haben. Aber auch bei Ertrinkenden — selbstverständlich kommen hier nur solche Fälle in Betracht, in welchen Ertrinkende wieder gerettet wurden — wird die aspirierte Flüssigkeit, da der ErtrinkungsÜüssigkeit Mundiuhalt sich beimengt, die gleichen Bakterien enthalten können, und was den Inhalt der Uterushöhle betrifft, welcher bei einer intrauterinen Atmung aspiriert wird, so können auch in diesem, wie wir Avissen, dieselben Bakterien vorhanden sein. Es ist also genügend aufgeklärt, warum unter den früher angeführten Verhältnissen eine Lungenentzündung entsteht, und woher die Erreger derselben kommen. Wenn wir bei der Aspirations- Lobulärpneumonie nicht alle jene Bakterien zusammen vorfinden, welche in der aspirierten Flüssigkeit enthalten waren, so mag dies darin liegen, dass die einen Bakterien als Saprophyten im Lungengewebe sich nicht vermehren konnten, oder die anderen wegen ihrer geringeren Menge oder Virulenz von den übrigen Bakterien überwuchert wurden. DiplococcTis pneumoniae und andere u. s. w. 245 Das SO häufige Vorwiegen des D. pn. bei der Lobulärpneumonie wurde schon früher durch die Annahme einer besonderen Affinität des- selben zum Luugengewebe zu erklären versucht. Was die Thatsache betrifft, dass es bei der Aspiration der vor- erwähnten Flüssigkeiten in der Regel zu einer Lungenentzündung kommt, während bei der einfachen Inhalation, durch welche ja auch fort und fort Entzündungserreger in die Lungenalveolen gelangen, nur unter ge- wissen Umständen eine Pneumonie entsteht, dann aber keine Lobulär-, sondern eine Lobärpneumonie, so ist zunächst zu bedenken, dass mit den aspirierten Flüssigkeiten auf einmal viel größere Mengen von Ent- zündung erregenden Bakterien in die Lungenalveolen eindringen als bei der Inhalation, und überdies auch Substanzen hineingelangen, welche das Lungengewebe direkt schädigen können; ebenso ist es möglich, dass die Virulenz einer bestimmten, in der Flüssigkeit enthalteneu Bak- terienart durch die gleichzeitige Anwesenheit anderer Bakterienarten bedeutend gesteigert wird. Es ist daher- nicht widersinnig, anzunehmen, dass durch die angeführten Momente die Wirkung der baktcricideu Fähig- keit der Lunge sehr bedeutend beeinträchtigt werden kann, und es daher viel leichter zu einer Vermehrung bestimmter Bakterien und da- durch zur Entzündung kommt als nach der einfachen Inhalation. Viel schwieriger ist aber die Erklärung, weshalb in dem einen Falle eine lobäre und in dem anderen Falle eine lobuläre Pneumonie ent- steht; es scheint, dass bei der Aspiration die Flüssigkeit vorwiegend nur in bestimmte Luugenpartieen gelangt — gewöhnlich findet man ja bloß die hinteren und unteren Lungenpartieen ergriffen — während bei der Inhalation eine mehr gleichmäßige und diffuse Verteilung der Ent- züudungserreger stattfinden und eine Vermehrung derselben nur dort eintreten dürfte, wo infolge lokaler Veränderungen, z. B. Zirkulations- störungen, die baktericide Fähigkeit des Lungengewebes verloren ge- gangen war. W. Müller ^ ist der Ansicht, dass die weitere Verbreitung der durch Inhalation eingedrungenen Entzündungserreger innerhalb des infizierten Luugenlappens in den interalveolären und interlobulären Lymphspalten und Lymphgefäßen erfolge, und die Entzündung deshalb eine lobäre Form erhalte. Was die sekundäre und viel häufigere Entstehung der Lobulär- pneumonie betrifft, so kann sie wieder mehrfacher Art sein. Sie kann erstens, wie schon früher bemerkt worden war, durch Aspiration veranlasst werden, wenn nämlich bei pathologischen Prozessen (Eiterungen, ülzera- tionen) in den Luftwegen oder in deren Umgebung (Lymphdrüsen, Pharynx, Oesophagus u. s. w.) Entzündung erregende Flüssigkeiten (Eiter, Jauche] in das Lumen der Luftwege gelangen. In diesen Flüssigkeiten pflegen gewöhnlich jene Bakterieuarten vorhanden zu sein, denen wir auch in den lobulärpneumonischen Herden begegnen können. Finden sich in der aspirierten Flüssigkeit auch fäulniserregende Mikroorganismen, so nimmt das Exsudat der Lobulärpneumonie bald einen jauchigen Charakter an; das gleiche gilt auch für die primäre Aspirations-Lobulärpneumonie. Ein anderer Modus besteht darin, dass die Lobulärpneumonie im Anschlüsse an eine Entzündung der feineren Bronchialäste sich ent- wickelt (Bronchopneumonie), sei es dadurch, dass die Entzündung der letzteren per contiuuitatem auf die Lungenalveolen übergreift, oder dass das in den Bronchialästen enthaltene, flüssige Exsudat aspiriert wird. Auch dieser Modus, welcher vielleicht der häufigste bei der Entstehung der Lobulärpneumonie überhaupt ist, lässt sich mit den an anderer 246 A. Weichselbaum, Stelle g'eschilderten , bakteriologüscheu Befunden der Lobulärpnenmouie leicht in Einklniig- bringen. Im Exsudate der Bronchitis können näm- lich nicht nur die Eiterkokken, der D. pn., Bac. pneum. oder der Micr. catarrhalis vorhanden sein, sondern bei gewissen Krankheiten auch der B. influenzae, B. diphtheriae, B. typhi abdominalis, B. pestis und Bac. mallei; es ist daher klar, dass die genannten Bakterien imstande sein werden, auf die zuvor geschilderte Art in die LuDgeualveolen zu ge- lang'en und daselbst eine Entzündung hervorzurufen, welche unter diesen Umständen aus den schon früher angegebenen Gründen auch viel leichter eintreten wird, als wenn die betreffenden Bakterien bloß auf dem Wege der Inhalation in die Alveolen eingedrungen sein würden. Es ist auch leicht verständlich, warum bei dieser Art der Infektion eine Lobulär- und nicht eine Lobärpneumonie entsteht, da die Bakterien zunächst nur in die zu den erkrankten Bronchialästen gehörenden Lungenpartieen gelangen, und die Bronchitis ihren Sitz entweder überhaupt nur in den hinteren oder unteren Lungenpartieen hat oder wenigstens dort am stärksten ent- wickelt zu sein pflegt. Ebenso darf es uns nicht wundern, dass wir auch bei den auf die eben angegebene Weise entstehenden Lobulärpneumonieen häufig mehrere Bakterienarteu vorfinden, da diese schon im Exsudate der Bronchitis vorhanden sein können. Wenn wir bei den im Verlaufe gewisser Infektionskrankheiten, wie Abdominaltyphus, Diphtherie, Pest, auftretenden Lobulärpneumonieen das eine Mal die Erreger der Grundkrankheit, das andere Mal ganz andere Bakterien, wie den D. pn. oder die Eiterkokken oder beide Kategorieen von Bakterien nebeneinander vorfinden, so liegt dies darin begründet, dass die der Lobulärpneumonie vorausgehende Bronchitis bei den genannten Krankheiten einmal durch den Erreger der letzteren, das andere Mal durch die gewöhnlichen Erreger der Bronchitis, das ist durch die nor- maler Weise schon in den Luftwegen vorhandenen, pathogenen Bakterien oder aber durch beide Kategorieen von Mikroorganismen hervorgerufen werden kann. Der bakteriologische Befund der im Anschlüsse an eine Bronchitis entstehenden Lobulärpneumonie spiegelt also den Befund der ersteren wieder. Ein dritter Modus der Entstehung der Lobulärpneumonie besteht darin, dass die Erreger der letzteren auf dem Blut- oder Lymphwege in die Lungen gelangen. Dieser Modus scheint, wenn überhaupt, nur recht selten vorzukommen. Man könnte eine hämatogene Entstehung annehmen bei den im Verlaufe des Abdominaltyphus auftretenden Lobulärpneu- monieen, obwohl es viel wahrscheinlicher ist, dass letztere von einer Bronchitis aus entstehen. Auch bezüglich der zu inkarzerierten Hernien nicht selten hinzutretenden Lobulärpneumonie wird nach dem Vorgange Güssenbauers angenommen, dass sie auf hämatogenem (embolischem) Wege entstellt. So erklären Fischer & Levy 2 in den von ihnen beob- achteten Fällen das Zustandekommen der Lol)ulärpnenmonie, in deren Exsudate sie den B. coli fanden, durch Einwanderung dieses Bacillus vom Darme aus auf hämatogenem Wege. Die sog. primäre Pestpneumonie, welche stets eine Lobulärpneumonie ist, dürfte sich wohl immer aus einer Testbronchitis entwickeln; aber in jenen Fällen, in welchen eine deutliche Affektion (primärer Bubo) der Br(mchialdrüsen vorhanden ist, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass eine gleichzeitig vorhandene Pneumonie auf lymphogenem Wege, d. i. durch Einwanderung von Pestbazilleu aus den erkrankten Bronchial- Diplococcns pneumoniae nnd andere ii. s. w. 247 driisen, entstandeu ist, während die Aspiratioiis-Pestpuenmouie durch Aspiration von Jauche entsteht, welche aus dem nekrotischen Zerfall der Tonsillen oder Zungenbalgdrüsen resultiert. Was schließlich die Entstehung- der akuten interstitiellen Pneu- monie und der metastatischen Herdpneumouie betrifft, so können wir uns bezüglich derselben kurz fassen, da der Vorgang hierbei ein leicht verständlicher ist. Bei der erstgenannten Form von Lungenentzündung, welche sich gewöhnlich an eine Pleuritis anschließt, gelangen die Entzündungs- erreger der letzteren, also am häutigsten der D. pn. oder der Strept. pyog., von der Pleura aus in die in den interlobulären Septa verlaufen- den Lymphgefäße und verbreiten sich in denselben weiter und können schließlich sogar in die Lungenalveolen gelangen, während bei der zweiten Form von Lungenentzündung die Erreger derselben, am häufigsten der Staph. oder Strept. pyog,, von einem bereits an einer anderen Stelle bestehenden Entzündungsherde auf dem Blutwege, zumeist mit kleinen Thrombenpartikelchen , die von einer Thrombophlebitis oder Endocarditis stammen, in die Aeste der Art. pulmonalis oder in die Luugenkapillaren verschleppt werden und zunächst meist, je nachdem hierdurch eine Embolie der ersteren oder der letzteren entsteht, hämor- rhagische Infarkte oder mikroskopisch kleine Nekroseherde verursachen, welche dann weiterhin sich in Entzündungsherde mit folgender Ver- eiterung umwandeln. Litteratur. 1 W. Müller, cit. nach Pässler, Münch. med. Woch., 1901. — - Fischer & Lew, Deutsche Zeitschr. f. Chir., Bd. 32. IX. Endemisclies und epidemisches Auftreten der Pneumonie und epidemisches Auftreten der Pneumo- kokken-Conjunctivitis. In der Litteratur, namentlich in der älteren, liegen eine Reihe von Mitteilungen über das gehäufte Auftreten der Pneumonie vor, wobei die Häufung sich zumeist in gewissen Häusern oder Anstalten (Kasernen, Krankenhäusern, Gefängnissen u. s. w.) bemerkbar machte (Bruce, Suhth, Wagner, Ad. Müller, Bielenski, Kühn, Knoevexagel, Flindt, Kerschensteiner, JaxssexI]. Aus der neueren Zeit verdient ein Be- richt v. Kutscheras 2 über das endemische und epidemische Auftreten der Pneumonie in Eisenerz und Vordernberg in Steiermark hervor- gehoben zu werden. Diesem Berichte zufolge kommen in den genannten Orten schon seit vielen Jahren fast jährlich Pneumonie-Epidemieen von ungewöhnlicher Bösartigkeit vor, welche ihren Höhepunkt im Mai zu erreichen pflegen; die Sterblichkeitsziffer beträgt im Durchschnitte von 11 Jahren 135,5 auf 10000 Bewohner. In manchen Jahren erreicht die Epidemie eine größere Ausdehnung, indem sie auch auf benachbarte und selbst weiter entfernte Gegenden übergreift. Die bedeutendste Epidemie aus der neueren Zeit herrschte 1885 und zwar mit 372 Er- krankungen. Befallen werden namentlich Hüttenarbeiter, welche bei dem Erz- und Bergbau auf dem Erzberge beschäftigt sind. Was den Charakter der Pneumonie in den bisher beobachteten Epidemieen betrifft, so war derselbe entweder der gewöhnliche, typische, 248 A. Weichselbaum, oder er glich melir dem Bilde der sog. asthenischen oder biliösen Pneu- monie, oder er zeichnete sich dadurch aus, dass die Lungeuerkrankung von verschiedenen Komplikationen (Nephritis, Meningitis u. s. w.) be- gleitet war. Auch in anatomischer Beziehung handelte es sich entweder um eine ganz typische Lobärpneumonie, oder es zeigten die ergritfenen Lungenpartieen insofern gewisse Anomalieen, als sie nicht einen ganzen Lappen einnahmen oder gar nur Herde bildeten, und auch ihre Schnitt- fläche der charakteristischen Körnung entbehrte. Dagegen wiesen die Erkrankungen insofern eine Uebereinstimmung auf, als sie meistens eine auffallende Koutagiosität erkennen ließen, wobei die Uebertragung nicht nur durch die Erkrankten, sondern auch durch gesundbleibende Zwischenpersonen oder durch Effekten (Wäsche, Kleider u. s. w.) er- folgte. Wegen des eigentümlichen und vom gewöhnlichen Bilde in ver- schiedenen Punkten abweichenden Verhaltens sind oder waren manche Autoren der Ansicht, dass die epidemisch, bezw. endemisch auftretende Form von Pneumonie durch ein anderes Virus hervorgerufen werde als die typische Lobärpneumonie, und dass eine Koutagiosität nur der ersteren zukomme. Wir haben schon an einer anderen Stelle auseinandergesetzt, dass wir durchaus keinen Grund zur Annahme haben, die sog. atypische Pneumonie werde durch andere Bakterien als die gewöhnlichen Pneu- monieerreger hervorgerufen; das gleiche gilt für die endemische oder epidemische Form der Pneumonie, da auch bei dieser — es liegen allerdings bisher nicht viele Untersuchungen vor — der D. pn. nach- gewiesen werden konnte (Lanz^, Maleschini*, v. Kutschera)*) Auch die Behauptung, dass der gewöhnlichen Lobärpneumonie im Gegensatze zu der epidemischen Form keine Koutagiosität zukomme, muss als eine unerwiesene bezeichnet werden. Wenn es feststeht, dass die typische Lobärpneumonie, wenigstens in den meisten Fällen, durch den D. pn. hervorgerufen wird, wie soll nuu der Beweis erbracht werden, dass der schuldtragende D. pn. nicht von der Außenwelt, also nicht von einem anderen Individuum, direkt oder indirekt stammte, sondern i m m e r und ausschließlich im Organismus des Kranken vorhanden gewesen war? Wenn auch bei den sporadisch auftretenden Lungenentzündungen die Entstehung durch Uebertragung sich nicht so deutlich ausprägt wie etwa bei Blattern, Scharlach, die ja in der Regel epidemisch auftreten, sich auch nicht mit solcher Sicherheit nachweisen lässt, wie bei den letztgenannten Krankheiten, so kann man doch nicht ohne weiteres be- haupten, die Pneumonie sei überhaupt nicht tibertragbar. Da sie durch bestimmte Bakterien hervorgerufen wird, von denen feststeht, dass sie zwar in unseren Luftwegen vorhanden sein können, dorthin aber wenig- stens zum Teile von der Außenwelt kommen, dass sie anderseits wieder aus unseren Körperhöhlen in die Außenwelt gelangen können, 80 muss man auch zugeben, dass die Pneumonie übertragbar ist. Der Grund, weshalb unter gewissen Verhältnissen die Pneumonie gehäuft auftritt und dann auch den kontagiösen Charakter mehr her- vortreten lässt, entzieht sich allerdings vorläufig noch unserer Erkenntnis, *) In einem Falle von endemischer Pneumonie am Erzberge wurden bei der von Eppinger vorgenommenen bakteriologischen Untersuchung in den Lungen- alveoleu »unglaublich« viele Pneumoniekokken gefunden. Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 249 kann aber vielleicht darin liegeu, dass in gewissen Zeiten entweder die Virulenz des D. pn. (oder anderer Pnenmonieerreger) zunimmt, oder dass jene Momente, welche die Vermehrung der in die Lunge eingedrungenen Bakterien ermöglichen, also z. B. die Gelegenheit zu Erkältungen oder zur Entstehung von Bronchitiden, eine Häufung erfahren. Etwas Aehnliches müssen wir auch annehmen für die Erklärung der Thatsache, dass die durch den D. pn. hervorgerufene Conjunctivitis zu gewissen Zeiten und an gewissen Orten epidemisch auftritt, d. h. wir müssen annehmen, dass der D. pn., welcher schon normaler Weise auf der Bindehaut des Auges und auf der Nasenschleimhaut, aber mit ganz geringer oder selbst mangelnder Virulenz vegetiert, durch uns un- bekannte Momente eine Steigerung seiner Virulenz erfährt und deshalb sowohl in der Nasenhöhle in eine lebhafte Wucherung gerät \md hier- durch zur Entstehung einer akuten Coryza führt, als auch im Binde- hautsacke das gleiche Verhalten annimmt und zur Enstehung einer akuten Conjunctivitis Veranlassung giebt. Litteratur. 1 Bruce, Smith, Wagner, Ad. Müller, Bielenski, Kühn, Knoevenagel, Flindt, Kerschensteiner, Jenssen, citiert nach Finkler: Die akuten Lungen- entzündungen als Infektionskrankheiten, Wiesbaden 1891. — 2 v. Kutschera. Das österr. Sanitätswesen, Beilage, 1899. — 3 Lanz, Deutsche med. Woch., 1893. — 4 Maleschini, Lg Sperim., 1895 u. 1896, X. Entstellungsart der Komplikationen der Pneumonie sowie der unabhängig von letzterer durch den Diplo- coccus pneumoniae erzeugten Prozesse. Was die Komplikationen der Lobärpneumonie (und der Lobulär- pneumonie) betrifft, so entstehen sie teils auf lymphogenem Wege, wie die Entzündung der Pleura, des Perikard, des Peritoneum, oder per continuitatem , wie die Bronchitis und die sich an letztere etwa an- schließenden Entzündungen in den oberen Luftwegen, incl. der Entzün- dung in den Nebenhöhlen der Nase und in der Paukenhöhle, oder aber auf hämatogenem Wege. Die letzte Entstehungsart muss für die meisten der übrigen hier noch nicht aufgezählten Komplikationen angenommen werden; diese sind somit als metastati sehe Entzündungen aufzufassen, und man kann deshalb in solchen Fällen, wenn die Entzündungen eitrigen Charakter haben, auch von einer Pneumoniekokken-Pyämie sprechen. Bezüglich der Entstehungsart der durch den D. pn. verursachten, aber von einer Pneumonie unabhängigen Krankheitsprozesse können dermalen wohl nur Vermutungen aufgestellt werden. Für die Entzündungen jener Schleimhäute, auf welchen schon nor- maler Weise der D. pn. gefunden werden kann (Schleimhaut der Luft- wege und der Verdauungsorgane, Bindehaut des Auges), muss man an- nehmen, dass ihre Entstehung noch von der Mitwirkung besonderer Hilfsursachen abhängig ist, wie wir dies ja auch bezüglich der Lungen- entzündung anzunehmen genötigt sind; ob diese Hilfsursachen in einer Steigerung der Virulenz des D. pn. oder in gewissen anatomischen Ver- änderungen der betreffenden Schleimhäute oder in beiden zu suchen sind, muss unentschieden bleiben. 250 A. Weichselbaum, Für die EntzUndungeu an jenen Orten, welche in der Nähe der vorher erwähnten Schleimhäute liegen, wie z. B. für die Entzündung der Paukenhöhle, der Pleura, des Peritoneums, muss man annehmen, dass die auf den ersterwähnten Schleimhäuten schon in der Norm vorhan- handeneu Pneumoniekokken auf irgend eine Weise an die letztgenannten Orte gekommen waren. So kann der D. pn. in die Paukenhöhle, wie wir schon gehört haben, aus dem Pharynx durch die Tuba Eustachii, auf die Pleura von der Lunge aus, auf das Peritoneum vom Magen oder Darmkanal aus gelangt sein. In einigen in der Litteratur vorliegenden Fällen von primärer Peritonitis bestanden Ulzerationen im Magen, in welchen sogar der D. pn. nachgewiesen werden konnte, weshalb die Annahme nicht gezwungen erscheint, dass diese Ulzerationen die Bahn gebildet hatten, auf welcher der D. pn. in das Peritoneum gelangte. Freilich dürfte auch diese Einwanderung noch nicht zum Zustande- kommen der betreffenden Entzündungen genügt haben, sondern es ist wahrscheinlich, dass auch hier noch eine uns unbekannte Hilfsursache mitgewirkt hatte. Was endlich die Entzündungen jener Organe betrifft, welche in größerer Entfernung von den Oertlichkeiten des normalen Vorkommens des D. pn. liegen, wie die Endocarditis, Osteomyelitis, Arthritis u. s. w., so ist die Entstehungsart derselben noch dunkler; für sie muss man annehmen, dass der D. pn. entweder von irgend einem Orte seines normalen Vorkommens, etwa von den Luftwegen aus, durch die Lungen ins Blut gelangte und durch letzteres an jene Stelle verschleppt wurde, wo später die Entzündung auftrat, und hier unter dem Einflüsse sogenannter disponierender Momente sich vermehren konnte, oder dass er von einem bereits bestehenden, aber unscheinbaren oder unentdeckt gebliebenen Entzündungsherde den Weg in die allgemeine Blutbahn ge- funden hatte. Zu den Entzündungen, welche sich der Entdeckung leicht entziehen und doch den Ausgangspunkt für sekundäre Prozesse bilden können, scheint die Tonsillitis zu gehören; wenigstens sprechen eine Reihe von Beobachtungen aus der letzteren Zeit zu Gunsten dieser An- sicht. Dass eventuell auch eine Bronchitis eine ähnliche Rolle spielen könnte, geht aus den an anderer Stelle bereits mitgeteilten Beobach- tungen Prochaskas hervor. XI. Zusammenfassung der Schlüsse über die Aetiologie der Pneumonie im allgemeinen und über die pathogene Wirkung des Diplococcus pneumoniae im besonderen. Die Aetiologie der Pneumonie, auch der primären Lobärpneumonie oder der sog. genuinen, fibrinösen Pneumonie, ist keine einheitliche. Als Erreger der Lungenentzündung können alle jene Bakterieuarten auftreten, welche auch in anderen Orgauen Entzündungen hervorzurufen imstande sind, wobei in dem Einzelfalle entweder nur eine dieser Arten thätig ist oder aber zwei und selbst mehrere dieser Arten zusammen- wirken können. Der häufigste Erreger der primären Lobärpneumonie ist der D. pn. Viel weniger häufig kommt der Streptococcus pyogenes und der Bacillus pneumoniae als Erreger vor; doch unterliegt es keinem Zweifel, dass jede dieser beiden Arten für sich allein eine primäre Lobärpneumonie erzeugen kann. Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 251 Die atypische Form der Lobärpneumonie wird im allgemeinen durch dieselben Bakterien verursacht wie die typische Form; das gleiche gilt für die endemische und epidemische Form der Pneumonie. Die Erreger der Lobulärpneumonie sind viel mannigfaltiger und auch viel häufiger untereinander kombiniert als jene der Lobärpneumonie; doch Ubertrilft unter ihnen der D. pn. gleichfalls die übrigen an Häufig- keit, oder er gehört wenigstens zu den häufigeren Erregern dieser Form von Lungenentzündung. Die Lobärpneumonie pflegt höchstwahrscheinlich in der Weise zu entstehen, dass ihre Erreger, welche schon normaler Weise in den Luft- wegen des Menschen oder in seiner Umgebung vorkommen, mit der Atemluft nicht nur in die Lung-enalveolen eindringen, sondern sich da- selbst durch die Mitwirkung gewisser Faktoren (Virulenzsteigerung der Bakterien, Verlust der baktericiden Fähigkeit der Lunge) stark ver- mehren und rasch weiterverbreiten. Die Lobulärpneumonie entsteht gewöhnlich durch Aspiration von irgendwie in die Luftwege hineingelangendeu, Entzündung erregenden Substanzen oder durch Uebergreifen einer Bronchitis auf die Luugen- alveolen. Der klinische und anatomische Charakter der Lungenentzündungen wird nur zum Teile von der Art des Erregers derselben bestimmt; es scheinen daher auf diesen Charakter noch andere uns unbekannte Mo- mente einen Einlluss zu nehmen. Die Komplikationen der Pneumonie können durch Verschleppung- ihrer Erreger auf dem Lymph- oder Blutwege entstehen. Der D. pn. kann auch unabhängig von einer Pneumonie, aber viel seltener, Entzündungen in den verschiedensten Organen und Geweben ver- ursachen, entweder an Orten, woselbst er schon normaler Weise vorkommt, oder auch an anderen, hiervon mehr weniger entfernten Orten, wohin er auf uns zum Teile noch unbekannten Wegen gelangt. Mehrere dieser Entzündungen pflegen ebenso rasch und günstig zu verlaufen, wie die durch den D. pn. verursachte Pneumonie. XII. Bakteriologische Diagnostik der Pneumonie und der sonstigen durch den Diplococcus pneumoniae er- zeugten Krankheitsprozesse. Was die bakteriologische Diagnostik der Lobär- und Lobiilär- pneumonle während des Lebens betrifft, so giebt es für dieselbe folgende Wege. 1. Die bakteriologische Untersuchung des Sputums. Dieselbe kann sowohl durch Anfertigung von Deckglaspräparateu als durch Anlegung von Kulturen geschehen. In beiden Fällen sollen nur solche Teile des Sputums zur Untersuchung genommen werden, welche möglichst frei von Speichel sind. Man kann auch, namentlich behufs Anlegung von Kulturen, kleine Partikelchen des Sputums wiederholt mit sterilem Wasser waschen, um den anhängenden Speichel möglichst zu entfernen. Die Färbung der Deckglaspräparate geschieht in der gewöhnlichen Weise. Am meisten empfiehlt sich aber, zweierlei Färbungen vorzu- nehmen, indem man ein Präparat zur Darstellung der Kapseln mit Karbolfuchsin (mit oder ohne Erhitzung) färbt und mittelst raschen 252 A. Weichselbaum, Durch zielieus durch Alkohol entsprechend entfärbt, und ein zweites Präparat nach Gram behandelt und mit wässerigem Fuchsin nachfärbt, wobei mau übrigens gleichfalls eine Kapselfärbung durch Fuchsin er- zielen kann. War man imstande, den anhaftenden Speichel zu entfernen, und liegt eine bloß durch den D. pn. verursachte Lungenentzündung vor, so wird man nicht nur den genannten Coccus mit und ohne Kapsel in seiner charakteristischen Lanzettform und zu zweien angeordnet sehen, sondern ihn häufig nahezu ausschließlich oder doch vorwiegend und nicht selten sogar in sehr großer Menge vorfinden ; selbstverständlich sind die betreffenden Kokken auch GRAM-positiv. In einem solchen Falle kann man, wenigstens mit großer Wahrscheinlichkeit, auf eine durch den D. pn. verursachte Pneumonie schließen, eine Wahrscheinlichkeit, die noch größer wird, wenn wiederholte Untersuchungen das gleiche Resultat ergeben. Findet man aber in den Deckglaspräparaten neben dem D. pn. noch andere Kokken, so muss diesen ein besonderes Augenmerk zugewendet werden. Sind dieselben in Ketten oder in Häufchen angeordnet, so können sie aus dem Speichel stammen; man muss daher noch ein zweites, möglichst speichelfreies Präparat herstellen. Bleibt in den speichelfreien Präparaten der Befund derselbe, und erweisen sich die Strepto- oder Staphylokokken als GRAM-positiv, so kann eine Lobär- pneumonie mit Misch-, beziehungsweise Sekundärinfektion oder aber eine Lobulärpneumonie vorliegen. In Fällen, in welchen es sich um eine nur durch den Streptococcus pyogenes verursachte Pneumonie handelt, können im Sputumpräparate ausschließlich Kettenkokken und zwar in sehr großen Mengen ange- troffen werden; dieser Befund ist insofern praktisch nicht rnnvichtig, weil, wie schon an einer anderen Stelle angeführt worden war, die durch den Streptococcus pyogeues verursachte Pneumonie häufig gewisse Abweichungen in ihrem Verlaufe zeigt, und in einem solchen Falle da- her die Prognose in Bezug auf die Dauer und den Ausgang des Pro- zesses vorsichtiger gestellt werden muss. Wenn es sich um eine durch den Bacillus pneumoniae ver- ursachte Lungenentzündung handelt, so kann man im Sputum nicht nur den genannten Bacillus mit deutlicher Kapsel, sondern gewöhnlich in sehr großen Mengen vorfinden, so dass seine Erkennung keiner Schwierigkeit unterliegt; selbstverständlich muss er sich als Gram- negativ erweisen. Beim Auffinden derartiger Bazillen ist zwar auch an die Möglichkeit des Bestehens eines S kl er o ms in den Luftwegen (Larynx, Trachea) zu denken; aber abgesehen davon, dass schon die klinische Untersuchung Anhaltspunkte nach der einen oder anderen Richtung ergeben wird, werden sich bei einem Sklerom im Sputum kaum mehrere Tage hintereinander größere Mengen derartiger Bazillen finden. Da die durch den Bacillus pneumoniae hervorgerufene Pneumonie häufig einen schlimmen Verlauf nimmt, ist der Kachweis des genannten Bacillus im Sputum prognostisch wichtig. Eine besondere Aufmerksamkeit verdient das Vorkommen von In- fluenzabazillen im Sputum, wie dieses bei der Influenza-Lobulärpneumonie konstatiert werden kann. Zu beachten in dieser Beziehung ist zunächst, dass das Sputum bei letzterem Prozesse häufig nicht rostfarbig, sondern schaumig-eitrig ist. Ferner pflegen bei reiner Influenza-Lobulärpneumonie die Influenzabazilleu nicht bloß ausschließlich, sondern gewöhnlich in Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 253 sehr großen Mengen vorhanden zu sein, wobei sie entweder frei in kleineren und größeren Haufen oder aber innerhalb von Eiterkörperchen liegen. Für ihre Erkennung sind außerdem noch die außerordentliche Kleinheit der Bazillen sowie das Gram -negative Verhalten derselben maßgebend. Nicht selten findet man aber neben den Influenzabazillen noch Pneumoniekokken, Streptokokken und Staphylokokken, welche entweder aus dem Exsudate der Pneumonie stammen, wenn diese das Produkt einer Misch- oder Sekundärinfektion darstellt, oder aus den Bronchien. Wenn der D. pn. überwiegt, so kann eine durch diesen hervorgerufene Lobulärpneumonie vorliegen, zu welcher eine Sekundär- infektion mit Influenzabazillen hinzugetreten war. Sowohl bei den im Verlaufe der Pest als des Abdominaltyphus auf- tretenden Lungenentzündungen pflegt das Sputum eine blutige Beschaff'en- heit zu zeigen. Bei der Pest sind ferner meist durch ihre große Menge und bipolare Färbung auffallende Pestbazillen, beim Abdominaltyphus kurze Bazillen vorhanden, welche zwar ebenso wie die Pestbazillen GRAM-negativ sind, sonst aber nichts Charakteristisches haben, weshalb zur Feststellung der Diagnose die Anlegung von Kulturen not- wendig ist. Kulturen sind auch erforderlich bei Verdacht auf das Vorhandensein des Micr. catarrhalis sowie überhaupt in allen jenen Fällen, in welchen die früher aufgezählten Bakterien aus irgend einem Grunde nicht sicher erkannt werden können, wenn also die Pneumoniekokken nicht in ihrer typischen Lauzettform und ohne Kapsel erscheinen, wenn der Streptococcus keine deutlichen Ketten bildet, der Bacillus pneumoniae ohne Kapsel erscheint, der Influenzabacillus oder der Pestbacillus nur in geringer Menge auftritt, oder wenn die Differentialdiagnose von großer, praktischer Bedeutung ist. Bei Verdacht auf Dipl. pu., Micr. catarrh. und B. infl. sind nebst den gewöhnlichen Nährböden noch Serumagar, bezw. Blutagar zu benützen. Behufs Unterscheidung des D. pn. vom Strept. pyog. in Kulturen em- pfahl kürzlich Hiss^ die Verwendung von flüssigem Serunmährboden, entweder 1 Rindersernm, 2 Aq. dest. und 0,1 Sodiumhydroxyd oder 1 Rinder- serum, 2 Aq. dest. und 1 Inulin, in welchen nur der D. pn., nicht aber der Strept. p. Säure erzeugen und ein festes, gelblichweißes Coagulum bilden soll. Das Kulturverfahren wird übrigens in gewissen Fällen noch durch das Tierexperiment zu ergänzen sein, wie z. B. bei der Unterscheidung eines atypischen, dem Streptococcus pj^ogenes sehr ähnlichen Peumonie- coccus vom echten Streptococcus pyogenes, oder bei der Feststellung der Diagnose auf Pestpneumonie. Freilich wird im erstereu Falle der Tierversuch auch nicht immer zum erwünschten Ziele führen, da es nicht richtig ist, dass, wie manche Autoren behaupten, der echte D. pn. nach Uebertragung auf Mäuse im Organismus der letzteren stets in typischer Form erscheint und sich dadurch zuverlässlich vom Strepto- coccus pyogenes unterscheiden lasse. 2. Die bakteriologische Untersuchung der mittelst einer PRAVATZSchen Spritze aus der erkrankten Lunge aspirierten Flüssigkeit. Dieses Verfahren ist zwar, wenn es mit den nötigen Vorsichtsmaßregeln ausgeführt wird, unschädlich, führt aber nicht sicher zum Ziele, da es nicht immer gelingt, aus der erkrankten Lungenpartie flüssiges Exsudat zu extrahieren. Ist dies aber gelungen, so wird die betrefiende Flüssig- keit in analoger Weise wie das Sputum teils in Deckglaspräparaten, 25-4 A. Weichselbanm, teils kulturell, teils tierexperimeutell untersucht und aucli in analoger Weise beurteilt. Die Beurteilung- wird in der Eegel viel leichter und sicherer sein, weil hier die accidentellen Bakterien des Sputums nicht störend wirken. Im allgemeinen wird man aber selten sich veranlasst finden, zu dieser Untersuchungsmethode seine Zuflucht zu nehmen. 3. Die bakteriologische Untersuchung des Blutes durch Anlegung von Kulturen. Dieselbe ist nur dann augezeigt, wenn die beiden früheren Methoden zu keinem Ziele führen oder nicht angewendet werden kön- nen, und zweitens zur Beantwortung der Frage, ob die Pneumonie- erreger bereits in das Blut übergegangen sind. Zu diesem Behufe soll nicht etwa die durch Einstechen in die Haut gewonnene, geringe Blutmenge, sondern stets ein größeres Quantum ver- wendet werden, wie man es durch eine Venaesektion oder Venaepunktiou erhält. Ferner empfiehlt es sich, neben Strichkulturen in PETKischen Schalen auch Kulturen in Fleischbrühe anzulegen, wobei das Blut in entsprechend große Mengen von Fleischbrühe zu bringen ist (Pro- CHASKA^). Die Feststellung des Ueberganges der Pueuraonieerreger ins Blut ist prognostisch wichtig, weil in solchen Fällen nach den Er- fahrungen vieler Kliniker der Verlauf der Krankheit ein minder günstiger oder ein geradezu ungünstiger zu sein pflegt. Es ist selbstverständlich, dass man mit den aus dem Blute erhaltenen Kulturen, wenn nötig, auch Tierversuche anzustellen hat. Auch kann das Blut selbst zu einem Tierexperimente benützt werden. 4. Die serodiagnostische Untersuchung des Blutes nach den im Kapitel IV, 1 von Bezancon & Gkiffon, von Hüber und von Neu- feld angegebenen Methoden. Inwieweit man aber aus den Resultaten dieser Methoden diagnostisch verwertbare Schlüsse ziehen darf, lässt sich aus den bisher vorliegenden, noch zu spärlichen Untersuchungen nicht beantworten. Immerhin giebt Huber selbst an, dass die Aggluti- nationsreaktiou frühestens am fünften Tage der Pneumonie und nach Bezaxcox & GrRiFFON meistcus erst kurz vor der Krisis eintritt. Auch beobachteten die zuletzt genannten Autoren die Reaktion einige Male in Fällen, in welchen keine durch den D. pn. hervorgerufene Affektion vorgelegen war. Bezüglich der bakteriologischen Diagnostik der sonstigen durch den D. pn. erzeugten Krankheitsprozesse intra Titaiii ist folgendes zu bemerken. Was zuerst die Meningitis betrifft, so wird hierüber in dem be- sonderen über Meningitis handelnden Abschnitte dieses Handbuches die Rede sein. Bezüglich der Pleuritis ist anzuführen, dass bei derselben die bakteriologische Untersuchung des durch eine Probepuuktion ent- leerten Exsudates rasch zum Ziele führen kann. Die Untersuchung selbst sowie die Beurteilung geschieht nach den bereits früher bei der Pneumonie angegebenen Grundsätzen. In analoger Weise kann man auch bei der bakteriologischen Unter- suchung der Peritonitis, Arthritis oder von Hautabszessen vor- gehen. Bei der Bronchitis ist das Sputum als Untersuch imgsobjekt zu verwenden und in ähnlicher Weise wie das Sputum bei der Pneumonie zu behandeln. Diplococcus pneumoniae und andere u. s. w. 255 Für die bakteriologische Diagnostik der Endocarditis kann mir die kulturelle Untersuchung- des lilutes herangezogen werden, eventuell auch die serodiagnostische Untersuchung desselben. Die Otitis ist nur dann einer bakteriologischen Untersuchung zu- gänglich, wenn bereits eine Perforation des Trommelfells eingetreten oder eine Paracentese des letzteren indiziert ist; es wird dann das sich entleerende Exsudat nach den schon früher angegebenen Regeln unter- sucht und beurteilt. Bei der Cystitis kann der mittelst eines sterilisierten Katheters nach thuulichster Desinfektion der Urethralmündung in einem sterili- sierten Gefäße aufgefangene Urin zur Untersuchung verwendet werden, welche aber nur in Anlegung von Kulturen bestehen kann. Was endlich die Conjunctivitis und Ceratitis betrifft, so ist das Exsudat der betreffenden Prozesse nach vorsichtiger Desinfektion der Lidränder mit sterilen Instrumenten zu entnehmen und teils in Deck- glaspräparaten, teils kulturell zu untersuchen. Litteratur. 1 Hiss. ref. Centralbl. f. Bakt., Bd. 31, I. Abt., 1902. — 2 Prochaska, Centralbl. f. inn. Med., 190O. VI. Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer bei aknter Meningitis gefundener Miliroorganismen. Von A. Weichselbaum in Wien. I. BegriflF und Einteilung der akuten Meningitis. Unter dem Begriffe akuter Meningitis sollen hier alle jene Formen von Hirnhautentzündung subsumiert werden, welche akut einsetzen und nicht tuberkulöser oder syphilitischer Natur sind, gleichgiltig ob die Innern Hirnhäute bloß teilweise oder in ihrer ganzen Ausdehnung er- kranken, oder ob sich die Entzündung auch auf die Innern Rückenmarks- häute fortsetzt. Was die Einteilung dieser Formen von Meningitis betrifft, so ist sie bisher von verschiedenen Standpunkten aus vorgenommen worden. Mau hat sie nach der Beschaffenheit des Exsudates in eitrige und in einfache, d. i. seröse, Meningitiden und nach der Ausbreitung des Exsudates in umschriebene und in diffuse, beziehungsweise cerebrospinale, Meningitiden eingeteilt. Ferner wurde die Ursache und der Ausgaugsort der Entzündung als Einteilungsprinzip benutzt; so unterscheidet J. Schultze^ von diesem Gesichtspunkte aus mehrere Gruppen von Meningitis, nämlich trau- matische Meningitis, Meningitis nach entzündlichen Erkrankungen be- nachbarter Organe, bei allgemeinen Infektionskrankheiten und bei Infektionskrankheiten mit entfernter Lokalisierung, bei Intoxikationen, Stoffwechselerkrankungen und nach sonstigen Schädlichkeiten. Weiters hat man nach der Art des Auftretens von epidemischer und nicht epidemischer Meningitis gesprochen, und in der patho- logischen Anatomie endlich pflegt man eine primäre (idioi)athische) und eine sekundäre Meningitis zu unterscheiden. Eine Einteilung nach der Beschaffenheit oder Ausbreitung des Exsu- dates vorzunehmen, ist nicht empfehlenswert, weil sowohl in einem und demselben Falle das Exsudat je nach dem Stadium des Prozesses in seiner Beschaffenheit und Ausbreitung wechseln kann, als auch bei ganz gleicher Entstchuugsart je nach der Intensität der Entzündung das Exsudat einmal serös -fibrinös, ein andermal fibrinös, fibrinös -eiterig oder rein Meningokokken mit besonderer Berücksichtigang anderer u. s. w. 257 eiterig werden' kann, imd ferner die Eutzüudimg" einmal mehr umscliriebeu bleiben, ein anderes Mal die Hirn- und Rückenmarksliänte in ihrer gan- zen Ausdehnung befallen kann. Auch gegen die Einteilung nach der Ursache und dem Ausgangs- punkte der Entzündung ist manches einzuwenden, namentlich, dass man in nicht wenigen Fällen weder die Ursache noch den Ausgangspunkt des Prozesses mit Sicherheit anzugeben vermag. Schultze, Avelcher dieses Einteilungsprinzip anwandte, brachte die epidemische Meningitis cerebrospinalis in der Gruppe der »Meningitiden bei allgemeinen Infek- tionskrankheiten« unter, was aber doch unverständlich ist. Ebenso unzutrefieud ist die Einteilung der Meningitis in eine epidemische und nicht epidemische, weil es, wie wir später hören, zwei ursächlich verschiedene Formen von Meningitis giebt, welche epide- misch auftreten können, und weil ebendieselben wieder auch ganz ver- einzelt, das ist außerhalb von Epidemieen, beobachtet werden können. Was die Einteilung der Meningitis in eine primäre und eine sekun- däre betrifft, Avobei man unter letzterer jene begreift, welclie mit einem bereits bestehenden Krankheitsprozesse ursächlich zusammenhängt, wäh- rend die primäre Form ganz selbständig, das ist ohne Einflussnahme irgend einer andern Krankheit, entsteht, so würde sich diese Einteihmg zwar für viele Fälle konsequent durchführen lassen, aber doch nicht für alle. Abgesehen davon, dass in manchen Fällen es unentschieden bleiben müsste, ob eine im Verlaufe einer anderen Krankheit auftretende Meningitis mit letzterer in einem ursächlichen Zusammenhange steht oder nicht, würde man jede scheinbar primäre Meningitis, falls es z. B. bei der Sektion gelingt, als Ausgangspunkt des Prozesses eine Entzündung der Nasenhöhle oder der Nebenhöhle derselben oder des Mittelohres nachzuweisen, also Affektionen, welche der klinischen Beobachtung sich vielleicht entzogen hatten, zu einer sekundären stempeln müssen, ob- wohl sie im übrigen das gleiche Verhalten und den gleichen Erreger aufwies wie eine Avirklich primäre Meningitis, d. h. wie jene Form, bei welcher es nicht gelingt, einen Ausgangspunkt des Prozesses aufzufinden. Auf diese Weise müssten im übrigen ganz gleichartige Fälle von Menin- gitis künstlich voneinander getrennt werden. Es wird sich daher, wenigstens für unsere Zwecke, noch am ehesten empfehlen, von einer strikten Einteilung abzusehen und bloß die verschiedenen Erreger der Meningitis und die verschiedenen Entstehungsarten der letzteren zu besprechen. Das schließt selbst- verständlich nicht aus, dass wir uns der Bezeichnung : sporadisch und epidemisch, primär und sekundär doch auch bedienen und zwar in Fällen, in welchen wir über Publikationen anderer Autoren berichten oder in Fällen, in welchen durch den Gebrauch dieser Bezeichnung kein Missverständnis entstehen kann. Litteratur. 1 Fr. Schultze, das Kapitel Meningitis in Nothnagels spec. Pathologie u. Therapie, Wien 1901. II. Geschichtliches über die Aetiologie der Meningitis. Ueber die Aetiologie der Meningitis besitzen wir erst seit jener Zeit genauere Kenntnisse, in welcher die Lehre von den Mikroorganismen festen Fuß zu fassen begann. Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. 111. ]^7 258 A. Weichselbaum, Als erster, welcher bei Meniug-itis Mikroorganismen gefunden hatte, ist Kleb>; i anzuführen, indem er 1875 in 2 Fällen von Meningitis cerebrospinalis — in einem Falle war zugleich eine Pneumonie vor- handen — im Exsudate zahlreiche : Monadinen'<, das ist Mikrokokkeu, nachweisen konnte. Ihm folgte Eberth^, welcher 1880 im Exsudate einer zu einer Pneumonie hinzugetretenen Meningitis ellipsoide Kokken (wahrscheinlich Diplococcus pneumoniae) auffand. Gaucher 3 will bei einer Meningitis epidemica nicht nur im Exsudate der Hirnhäute, sondern auch während des Lebens im Blute und Urin zahlreiche Kokken gefunden haben, Avelche er aber nicht näher beschreibt. Auch Ughetti-1 behauptet, in einem Falle von Meningitis nicht bloß im Exsudate, sondern auch im Blute Kokken beobachtet zu haben, die aber in ihrer Form nichts Besonderes darboten. Dagegen beschrieb 1883 v. Leyden^ einen Fall von »primärer, sporadischer Cerebrospinalmeningitis«, in deren Exsudate er viele Kokken von ovaler Form und hier und da auch kurze Ketten bemerkte. Er hielt sie trotz ihrer sonstigen Aehnlichkeit mit den von Klebs bei Pneumonie beobachteten Kokken für verschieden von diesen, da sie etwas größer und oval gewesen sein sollen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass es sich in diesem Falle auch um den Diplococcus pneumoniae gehan- delt hatte. Eine andere iVrt von Kokken dürfte vielleicht von Marchiafava & Celli einerseits und von Leichtexstern andererseits gesehen worden sein. Erstere*^ geben nämlich an, dass sie 1884 in 2 Fällen von epi- demischer M. c. sp. Mikrokokken im Protoplasma von Leukocyten und von Endothelien gefunden hatten, während Leichtexstern^ ein Jahr später zur Zeit einer Epidemie von M. c. sp. in Köln in 9 Todesfällen im meningitischen Exsudate spärliche »Herde« von Kokken, meist Mono-, seltener Diplokokken, vorfand, welche teils innerhalb von Eiterkörper- chen, teils außerhalb derselben lagen. Die von ihm auf Gelatine und Agar angelegten Kulturen ergaben aber sehr verschiedene Formen von Mikrobien, nämlich verschieden gestaltete Bazillen und Kokken; er schrieb bloß letzteren, die aber auch teils als große, teils als sehr kleine Kokken auftraten, eine größere Bedeutung bei. Mit Kücksicht auf die intracelluläre Lagerung der von den eben genannten Autoren beobachteten Kokken ist die Möglichkeit nicht aus- geschlossen, dass es sich hierbei um den später von mir aufgefundenen Diplococcus intracellularis meniugitidis gehandelt hatte, obwohl dersell)e innerhalb von Endothelien, wie es Marchiafava & Celli angaben, niemals vorkommt. Krause 8 fand 1884 in einem Falle, in welchem im Verlaufe einer eiterigen Coxitis eine eiterige Meningitis aufgetreten war, im Exsudate beider Prozesse, sowohl mikroskopisch als auch kulturell, den Strepto- coccus pyogenes. Die Meningitis soll zwar in diesem Falle nach der Meinung Krauses nicht mit der Coxitis im Zusammenhang gestanden sein; allein ein anderer Ausgangspunkt konnte auch nicht aufgefunden werden. Sexger 9 berichtete, in 5 Fällen von Meningitis bei Pneumonie im Exsudate der Hirnhäute Kokken mit gefärbten »Hüllen« gefunden zu haben; möglicherweise handelte es sich um den Diplococcus pneumoniae, obwohl die von Senger erhaltenen Kulturen schon bei 20" sehr üppig auf Gelatine wuchsen und nur für Mäuse pathogen waren. Meningokokken mit besonderer Berücksiclitigung anderer u. s. w. 259 A. Fränkel^o machte im Frlüijahre 1886 eine Mitteilung über einen Fall von M. c. sp. bei gleichzeitiger Pneumonie, in welchem er aus dem Exsudate der Hirnhäute dieselbe Kokkenart kultivieren konnte, die er schon in mehreren Fällen von krupöser Pneumonie gewonnen hatte, und welche mit der von mir als Diplococcus pneumoniae bezeichneten Bak- terienart identisch ist. Später ^^ berichtete er noch über einen Fall von Meningitis bei beginnender Pneumonie, in welchem er die gleiche Kokken- art züchten konnte. Diese beiden Mitteilungen A. Fräxkels sind die ersten, in welchen der exakte Beweis für die ätiologische Rolle einer bestimmten Bakterienart und zwar des Dipl. pneum. bei Meningitis er- bracht wurde, freilich für eine Meningitis, welche erst im Verlaufe einer krupösen Pneumonie aufgetreten war*). Auch ich hatte schon im Jahre 1884 zwei Fälle von Meningitis bei krupöser Pneumonie untersucht und hierbei nicht bloß im pneumonischen, sondern auch im meningitischen Exsudate Kapselkokken gefunden, welche sich bei der Kultivierung als der Dipl. pneum. erwiesen, diesen Befund aber erst in meiner 1886 erschieneneu Arbeit: »lieber die Aetiologie der akuten Lungen- und Rippenfellentzündung« (Medizin. Jahrbücher, Wien 1886) mitgeteilt. Damals aber wies ich schon auf einen bestimmten Modus der Entstehung der Meningitis hin, indem ich mit Rücksicht auf die Thatsache, dass in den beiden eben erwähnten Fällen eine Ent- zündung der Nebenhöhlen der Nase bestanden hatte, und im Exsudate derselben ebenfalls der Dipl. pneum. nachzuweisen war, die Ansicht aussprach, dass dieser Coccus von den Nebenhöhlen der Nase aus, ins- besouders vom Siebbeinlabyrinthe, durch die Lymphbahnen in die inneren Hirnhäute verschleppt worden war; dieser Entstehungsmodus konnte später durch eine Reihe von Beobachtungen anderer Autoren bestätigt werden. Bald nach der ersten Mitteilung A. Fräxkels berichteten Foa & Bordoxi-Uffreduzzi i2j dass sie während einer Epidemie von M. c. sp. nicht nur in zwei mit einer Pneumonie komplizierten Fällen, sondern auch in zwei Fällen primärer M. c. sp. aus dem meuingitischen Exsu- date eine Kokkenart kultivieren konnten, welche offenbar mit dem Dipl. pneum. identisch war, und dass durch deren subdurale Einverleibung bei einem Kaninchen »eine Meningitis endocranica totalis und Hyperämie der Spinalmeuingen« (nebst Aligemeininfektion mit Milzschwellung) er- zeugt wurde. Die Ansicht, dass in den betreffenden Fällen der Dipl. pneum. die Ursache der M. c. sp. epidemica Avar, wurde in zwei späteren Arbeiten ^3 der genannten Autoren mit noch größerer Bestimmtheit aus- gesprochen. Im Jahre 1886 erschien auch eine Publikation von Banti i4, in wel- cher er über einen Fall von eiteriger Meningitis berichtet, in deren Exsudate der Staphylococcus pyogenes aureus und albus, sowie der Streptococcus pyogenes nachgewiesen wurden; da aber zugleich Ge- schwüre im Dünndarm vorhanden waren, so ist es nicht ausgeschlossen, dass die Meningitis in diesem Falle erst sekundär entstanden war. Dasselbe Jahr, sowie das folgende (1886 und 1887) brachten ferner die Mitteilungen Netters 1'^ über seine bakteriologischen Untersuchungen bei Meningitis, denen zufolge er sowohl bei sekundärer Meningitis (im *) In seiner 2. Mitteilung erwähnt Fränkel kurz eines Falles von Meningitis, welche während eines Puerperalprozesses entstanden war, und bei welcher überall der Streptococcus pyogenes gefunden wurde. 17* 260 A. Weichselbaum, Verlaufe vou Pueumonie oder Eudocarditis), als auch in einem Falle von primärer M. c. sp. im Exsudate derselbeu längliche Diplokokken mit ge- färbten und ungefärbten Kapseln gefunden hatte, die er zAvar anfangs nicht kultivierte, deren Identität mit dem Dipl. pneum. er aber durch Tierexperimente zu beweisen suchte; schließlich konnte er sich in einem Falle auch durch Kulturversuche überzeugen, dass die von ihm gefun- denen Kokken wirklich Pneumoniekokken waren. Im Jahre 1887 erschien auch von mir eine Arbeit: »Ueber die Aetiologie der akuten Meningitis cerebrospinalis« ^^. In dieser berichtete ich zunächst über einen Fall von sekundärer (mit Endocarditis kompli- zierter) und über einen Fall von primärer M. c. sp., in welchen als Krankheitserreger der Dipl. pneum. uiclit nur mikroskopisch, sondern auch kulturell nachgewiesen und seine Pathogenität überdies durch Tier- experimente dargethan wurde. Weiterhin berichtete ich in dieser Arbeit über sechs Fälle vou M. c. sp., in welchen eine vom Dipl. pneum. ganz verschiedene Kokkenart auf- gefunden werden konnte, die ich Diplococcus intracellularis menin- gitidis nannte und als Ursache der in den erwähnten sechs Fällen beobachteten Meningitis hinstellte. Auf Grund meiner Untersuchungen und mit Berücksichtigung der Litteratur sprach ich mich zugleich über die Aetiologie der M. c. sp. im allgemeinen dahin aus, dass wir vor- läufig zwei verschiedene Arten von Bakterien kennen, welche eine pri- märe, akute M. c. sp. veranlassen können, nämlich den Dipl. pneum. und den Dipl. intracellularis meningitidis. »Ob auch die epidemische M. c. sp.«, fügte ich hinzu, »durch eine der beiden Bakterienarten ver- ursacht werde, lasse sich freilich noch nicht mit Sicherheit beantworten, da die bisherigen, verwertbaren Untersuchungen bloß sporadische Fälle von M. c. sp. betrafen.« Bezüglich des Dipl. pneum. lag zwar damals schon eine Angabe von Fol & Bordoni-Uffreduzzi vor, derzufolge sie diesen Coccus während einer »Epidemie« von M. c. sp. gefunden hatten; da es aber nur zwei sichere Fälle von primärer M. waren, in welchen dieser Befund gemacht worden war, und die Autoren über die Größe der »Epidemie« keinerlei Angaben gemacht hatten, so konnte man noch immer zweifeln, ob es sieh bei den erwähnten Beobachtungen wirklich um eine epidemische Form von M. c. sp. gehandelt hatte. Auch bezüglich der Frage, ob jene Fälle, in welchen ich den Dipl. intrac. men. nachweisen konnte, bereits einer Epidemie angehörten, oder ob sie noch als sporadische Fälle auf- zufassen seien, glaubte ich mich damals recht vorsichtig ausdrücken zu S(dlen. Ich hatte zwar in meiner Arbeit ausdrücklich angeführt, dass im Jahre 1886, in welchem einer meiner sechs Fälle zur Sektion ge- kommen war, in Wien »sowohl im allgemeinen Krankenhause als auch außerhalb der Spitäler einzelne Fälle von M. c. sp. vorkamen und in Mailberg in Kiederösterreich sogar eine größere Epidemie herrschte«; aber bei der Unmöglichkeit einer mathematisch genauen Angabe der Zahl von Krankheitsfällen, welche sich an einem Orte innerhalb eines Jahres ereignen müssen, damit man bereits von einer Epidemie spre- chen kann, glaubte ich damals meine Beobachtungen vorsichtshalber als sporadische Fälle auffassen zu sollen. Später erfuhr ich aller- dings, dass im Jahre 1885, in welchem drei meiner Fälle zur Sektion gekommen waren, auch in einem Kinderspitale Wiens sieben Fälle von M. c. sp. beobachtet worden waren, weshalb ich jetzt der Ansicht bin, dass man die in dem Zeiträume von 1885 — 1887 in Wien vorgekommenen Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer u. s. w. 261 Erkraukmigeu au M. c. sp. mit demselben Eeclite einer Epidemie zuzählen kann, wie es später Jäger ^^ bezüg-licli der in der Garnison in Stuttgart in den Jahren 1893 und 1894 vorg-ekommenen Erkrankungen an M. c. sp. gethan hatte. Ich glaube dies deshalb hervorheben zu sollen, weil von manchen Seiten behauptet wird, erst Jäger habe den Reweis erbracht, dass der Dipl. iutrac. men. der Erreger der epidemischen M. c. sp. sei, ja Heubner^s bezüglich meiner Person sich sogar dahin aussprach, dass ich mich »über die Beziehungen des Dipl. intrac. zur eigentlichen Genickstarre noch sehr unsicher« geäußert habe. Noch im Jahre 1887 erfolgte eine Bestätigung meiner Untersuchungen über den Dipl. intrac. men. und zwar durch Golüschmidt'^, welcher den genannten Coccus in einem Falle von M. c. sp. bei der Sektion nicht nur mikroskopisch nachweisen, sondern auch rein kultivieren konnte, und bei seinen Untersuchungen bezüglich des morphologischen, kul- turellen und tierpathogenen Verhaltens des Dipl. intrac. im wesentlichen zu denselben Resultaten wie ich gelangte. In demselben Jahre erschien auch eine Arbeit von H. Neumann & Schäfper2o, aus welcher hervorgeht, dass sie bei primärer Meningitis, resp. M. c. sp., Imal den Dipl. pueum. , Imal den Strept. pyog. und Imal eine dem Typhusbacillus ähnliche, aber von ihm doch sicher unterscheidbare Bazillenart nachweisen konnten. Im folgenden Jahre teilte ich 21 mit, dass ich den Dipl. intrac. men. noch in drei weiteren Fällen von M. c. sp. auffinden konnte, wobei er das gleiche Verhalten zeigte wie in den vorher von mir beob- achteten Krankheitsfällen. In derselben Arbeit berichtete ich auch über sechs Fälle von Meningitis, in welchen ich aber nicht den Dipl. intrac, sondern den Dipl. pneum. mikroskopisch, kulturell und tierexperimentell nachzuweisen in der Lage war. Vier dieser Fälle betrafen eine primäre M. c. sp., während es sich bei den zwei übrigen oder wenigstens bei einem derselben um eine sekundäre Meningitis gehandelt hatte; bei der ersteren Kategorie von Meningitis konnte ich auch dreimal den Aus- gangspunkt der Entzündung, beziehungsweise die Eintrittspforte des Erregers derselben, nachweisen und zwar in einer relativ geringgradigen Entzündung der Paukenhöhle oder der Nebenhöhlen der Nase. Damals äußerte ich die Ansicht, dass der Dipl. pneum. der häufigste Erreger der idiopathischen M. c. sp. zu sein scheine, und dass auch die epidemische Form der letzteren in einem Teile der Fälle durch den genannten Coccus verursacht werde, erklärte es aber für nicht un- wahrscheinlich, dass auch der Dipl. intrac. Epidemieen von M. c. sp. hervorrufen könne. Im selben Jahre (1888) erschien eine Arbeit von Guarnieri22, iu welcher unter anderem die Bemerkung vorkommt, dass er in zwei Fällen von M. c. sp. (ohne irgend welche Komplikationen) im Exsudate gono- kokkenähnliche , innerhalb von Leukocyten gelegene Diplokokken vor- fand, die er mit den von Marchiafava & Celli als »microorganisrai gonococchiformi« und mit den von mir als Dipl. intrac. beschriebenen Kokken in eine Parallele brachte; da aber seine mit diesen Kokken an- gestellten Kultur- und Tierversuche negativ ausfielen, so erklärte er es nicht für wahrscheinlich, dass sie mit dem Dipl. intrac. identisch waren. Auch in einer im folgenden Jahre erschienenen Arbeit Netters^s wird des Dipl. intrac. Erwähnung gemacht, indem der Verfasser anführt, dass er unter 25 Fällen von teils primärer, teils sekundärer Meningitis 262 A. Weichselbaum, zweim;il einen intracelhilar gelegenen Diplocoecus antraf, welchen er trotz missglückter Kulturversucbe für den Dipl. intrac. hielt. Die um diese Zeit von mehreren Autoren publizierten Untersuchungen über das Vorkommen des Dipl. pneuni. bei Meningitis wollen wir hier nicht mehr besonders anführen, da wir auf dieselben noch in einem späteren Abschnitte zurückkommen werden. Dagegen soll hier über die im Jahre 1890 erschienene Arbeit Bonomes 24 referiert werden, weil der genannte Autor bei Meningitis einen besonderen Krankheitserreger gefunden haben wollte. Er konnte nämlich während einer 17 Krankheits- fälle umfassenden Epidemie von M. c. sp. bei fünf Sektionen sowohl im Exsudate der Hirnhäute als in den gleichzeitig vorhandenen hämorrha- gischen Herden der Lunge runde oder ovale, zu zweien oder in kurzen Ketten angeordnete, GRAM-positive Kokken nachweisen, welche er wegen gewisser Eigentümlichkeiten in den Kulturen und in den Tierversuchen weder mit dem Dipl. pneum., noch mit dem Strept. pyogenes identi- fizierte, sondern als eine besondere Bakterienart hinstellte und Strepto- coccus der Meningitis cerebrospinalis epidemica nannte. Bordoni-Uffreduzzi25 wies in einem Eeferate über die eben er- wähnte Arbeit darauf hin, dass die von Bonome angegebenen Differenzen zwischen seinem »Streptococcus« und dem Dipl. pneum. nicht berechtigen, ersteren als eine neue Bakterienart zu bezeichnen, sondern dass derselbe, sowie der Dipl. intrac. meningitidis, sehr wahrscheinlich als Varietäten des Dipl. pneum. aufzufassen sind. So sehr nun Bordoni-Uffreduzzi bezüglich des »Streptococcus« Bonomes mit seiner Behauptung im Hechte war, ebensosehr^ war er aber bezüglich des Dipl. intrac. im Unrechte, da zwischen letzterem und dem Dipl. pneum., wie Bordoni-Uffreduzzi aus meiner früher citierteu Arbeit leicht hätte entnehmen können, weder in morphologischer noch in kultureller oder tierexperimenteller Beziehung irgend welche Aehnlichkeit besteht. Anders steht es dagegen mit jenen Kokken, welche Fol & Bordoni- Uffreduzzi bei M. c. sp. gefunden hatten, und von denen FoA^e lange Zeit hindurch der Meinung war, dass sie eine selbständige Varietät des Dipl. pneum. darstellen, weshalb er sie auch als Meningococcus bezeichnete ; von diesem hatte er noch eine Abart getrennt, den Strepto- coccus lanceolatus, welcher die Tendenz zur Kettenbildung mit dem Streptococcus Bonomes gemeinsam hat. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass, wie noch an einer anderen Stelle auseinandergesetzt werden wird, der Meningococcus sowie der Streptococcus lanceolatus Foas nichts anderes darstellen als einen atypischen Dipl. pneum. Während ich die sonstigen in der ersten Hälfte der neunziger Jahre publizierten Arbeiten, soweit sie nur das Vorkommen des Dipl. pneum. in vereinzelten Fällen von Meningitis zum Gegenstande haben, hier übergehe, will ich l)loß jeuer Untersuchungen gedenken, welche sich auf die Aetiologie der epidemischen M. c. sp. beziehen; es sind folgende : Flexner & Barker 27 berichten im Jahre 1893, dass sie während einer Epidemie von M. c. sp., welche 120 Krankheitsfälle umfnsste, bei zwei Sektionen den Dipl. pneum. nachweisen konnten. Malesciiini28(1894) hatte 13 Fälle von Meningitis, darunter acht Fälle von primärer Meningitis, untersucht und stets den Dipl. pneum. (in zwei Varietäten) gefunden. Auch rANiEX.SKi29 (1895) konnte bei einer in der Garnison in Karls- ruhe ausgebrochenen Epidemie von M. c. sp. in sechs Fällen einen Meningokokken mit besonderer Berücksielitigang anderer u. s. w. 263 Coccus findeu, welcher dem Dipl. pneum. mindestens so nahesteht, dass er, nach der Ansicht des Autors, nur für eine Modifikation desselben gehalten werden konnte; der Unterschied bestand nämlich nur darin, dass die Wachstumsfähigkeit und Virulenz dieses Coccus geringer war als jene des typischen Dipl. pneum. QuADU^*' (1895) teilt mit, dass er bei einer Epidemie von M. c. sp. in Sassari in acht Fällen aus dem Blute während des Lebens und aus dem meningitischeu Exsudate post mortem den Dipl. pneum. in Rein- kulturen züchtete; in einem Falle traf er diesen Coccus auch im Exsu- date einer die Meningitis komplizierenden Otitis media, Arthritis des Schultergelenkes und Periarthritis des Kniegelenkes, sowie viermal im Harne und einmal in den Faeces. Auch RiGHi^i (1895) behauptet, während einer Epidemie von M. c. sp. den Dipl. pneum. nicht bloß im meningitischen Exsudate, sondern auch in den Faeces und im Harne nachgewiesen zu haben. Während in den zuletzt angeführten Arbeiten nur vom Dipl. pneum. als Erreger der M. c. sp. die Rede war, folgen nun eine Reihe von Arbeiten, welche das Vorkommen des Dipl. intrac. bei der genannten Krankheit betreffen. Die erste derselben stammt von Jäger 32 aus dem Jahre 1895. Der- selbe hatte während einer Epidemie in mehreren Garnisonen Württem- bergs in 14 Fällen bakteriologische Untersuchungen gemacht, und zwar stammte das Material (meningitisches Exsudat, Hirnventrikelflüssigkeit) von 12 Sektionen; außerdem hatte er von einem Falle auch die Peyek- schen Plaques, von einem weiteren Falle das Nasensekret und von zwei später in Genesung ausgegangenen Fällen das pneumonische Sputum, sowie von einem dieser Fälle auch das Harnsediment untersucht. In allen diesen Fällen will er in den eben genannten pathologischen Produkten den Dipl. intrac. men. nachgewiesen haben, wobei freilich in mehreren Fällen der Nachweis erst durch das Kulturverfahren gelungen war. Jägers Angaben über das morphologische und biologische Verhalten wichen in wesentlichen Punkten von den von mir, sowie von Gold- schmidt seiner Zeit erhaltenen Resultaten ab. Die wichtigeren Diffe- renzen bestanden in der Angabe Jägers, dass der von ihm gefundene Coccus eine Kapsel besaß und auch im Zellkerne vorkam, dass er im Exsudate und in Kulturen nach Gram gefärbt blieb, in Gewebsschnitten aber sich entfärbte, dass er in Kulturen zweimal lauge Ketten von 20 — 30 Exemplaren bildete, und dass er viel leichter fortzuzüchten war als der Dipl. pneum. Die Untersuchungen Jägers muss ich in verschiedenen Punkten für unvollständig erklären, weil in denselben im Gegensatze zu meinen Befunden nichts über die verschiedene Größe und verschiedene Fär- bungsintensität der Kokken gesagt wird, weil ferner seine Angaben über das kulturelle Verhalten sich bloß auf die Beschreibung von Glycerin-Agarkulturen beschränken, und weil schließlich seine Tierver- suche, wie er sich selbst ausdrückt, »nach Zahl und Auswahl der Tiere wie des lufektionsmodus dürftig sind«. Sein Untersuchungsmaterial und seine Untersuchuugsmethodik erscheinen mir in manchen Punkten nicht einwandfrei, da einerseits das Material (Gehirnteile und Rücken- mark) ihm erst nach den Sektionen (selbst aus größereu Entfernun- gen) zugeschickt wurde (in einem Falle war die übersendete Hirn- ventrikelflüssigkeit schon stark in Fäulnis übergegangen!), abgesehen davon, dass das von ihm zur Untersuchung verwendete Sputum und 264 A. Weicliselbanm, Havnsedimeut schon an und für sich keine sehr geeigneten Objekte waren, und weil andererseits sämtliche Kulturen durch Ausstreichen des Exsudates auf Glycerinagar in Eprouvetten hergestellt worden waren. Bezüglich des regelmäßigen Vorkommens des Dipl. intrac. im Nasen- sekrete beruft sich JÄGEii noch auf die Untersuchungen von Sciierer '■^^, welcher behauptet, in 18 Fällen von M. c. sp. im Nasensekrete der Kranken den genannten Coccus teils mikroskopisch, teils kulturell nach- gewiesen zu haben, ohne dass er aber bei der Färbung der Ausstrich- präparate die GßAMsche Methode anwandte, und ohne dass er die Kul- turen näher beschreibt. Henke '^^ hatte einen jener Fälle von M. c. sp., von welchen Jäger Untersuchuugsmaterial erhalten hatte, selbst obduziert und auch bakteri- ologisch untersucht. Während nun Jäger behauptet, dass er in der ihm von diesem Falle zugesandten Gehirnventrikelflüssigkeit, welche aber schon »stark in Fäulnis übergegangen war«, in Zellresten noch den Dipl. intrac. finden konnte, giebt Henke an, dass er in dem betretfenden Falle, welchen er schon während der Sektion untersuchte, mikroskopisch und kulturell ausschließlich den Dipl. pueum. (eine atypische Form des- selben) vorfand. Auch in drei weiteren Fällen von primärer M. c. sp. vermochte er nur den Dipl. pneum. (typische Form] nachzuweisen. Während vor der früher citierten Arbeit Jägers der Dipl. intrac. fiist keine Beachtung gefunden hatte oder höchstens als eine Varietät des Dipl. pneum. augesehen wurde, änderte sich nachher die Sachlage inso- fern, als namentlich die Kliniker von jetzt au der bakteriologischen Untersuchung der M. c. sp. eine größere Aufmerksamkeit zuwandten, zu welcher insbesonders durch die in Uebung gekommene Lumbalpunktion häufig Gelegenheit geboten wurde. Es erschienen daher schon in den nächsten Jahren eine Reihe von Arbeiten über diesen Gegenstand, die größtenteils von Klinikern herrührten. Leider hatten sich viele von ihnen fast nur au die Angaben Jägers gehalten, und da sie sich überdies bei ihren Untersuchungen zumeist auf die durch Lumbalpunktion gewonnene Flüssigkeit beschränkten oder beschränken mussten, also auf ein Objekt, welches beim Kulturverfahren schon an und für sich zu Täuschungen leicht führen kann, und sich auch einer ungeeigneten und unverläss- lichen Züchtungsmethode bedienten , so kam es , dass sich falsche und einander widersprechende Eesidtate mehr und mehr häuften, und hierdurch eine große Verwirrung in der Lehre vom Dipl. intrac. ent- stand. Es kann hier nicht auf die einzelneu diesbezüglichen Arbeiten näher eingegangen werden, sondern es genügt anzuführen, dass zwar in sehr vielen der mitgeteilten Fälle von M. c. sp. der Dipl. intrac. thatsächlich vorhanden war uud von den Beobachtern auch in den Ausstrichpräparateu vom meuiugitischen Exsudate oder der Lumbai- flüssigkeit richtig wahrgenommen und beschrieben worden war, dass aber in den Kulturversuchen sehr häufig ganz andere Bakterien ge- wonnen wurden. (Siehe die Arbeiten von Heübners^^ Holdheim =^'', Willy Müllers^, Urban^s, Kamen ^9, G. Mayer ^o, Hünermann-h, Grad WOHL ^^ u. a.) Gefördert wurden diese falschen Resultate einerseits noch durch den Umstand, dass der Di})!, intrac, wie wir noch später hören werden, in den ersten Generationen auf dem von den meisten Untersuchern aus- schließlich verwendeten einfachen Agar oder Glycerinagar häufig nicht wächst oder in den pathologischen Produkten sogar schon abgestorben sein kann, während viele fremde Keime auf den genannten Nährböden Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer u. s. w. 265 leicht fortkommen künueu, und andrerseits durch die Thatsache, dass die Prüfung- der in den einzelnen Fällen gewonnenen Kulturen auf ihre Echtheit sehr häuhg nur durch Vergleich mit den von Jäger bei seinen Untersuchungen erhaltenen Kulturen erfolgte, die aber auch nicht, wie schon früher gesagt wurde, vom Dipl. intrac. stammten. Diesen Arbeiten steht aber eine Anzahl von Publikationen gegenüber, deren Verfasser (Kiefer 43, Kister ^4, KiscHExsKy*5, Wilms'^s, Cüuxcil- MAX, Mallory & Wright^^, Bassoe^s^ Herrick49, Hirsch^o^ Fabersi, Bonhoff ^2 ^ ^^ j ]^q[ [i^^en Untersuchungen über den Dipl. intrac. zu den- selben Eesultaten gekommen waren, wie ich und Goldscilmidt erhalten hatten. Ihre Untersuchungen sind nicht nur in ausführlicher Weise und mit verlässlichen Methoden angestellt worden, sondern zum Teile auch an einem sehr großen und einwandfreien Material; letzteres gilt beson- ders für die Untersuchungen von Coüxcilmax, Mallory & Wright, welche während einer großen Epidemie in Boston (mit 111 Erkrankungen) das Material von 35 Leichen und die LumbalpunktionsflUssigkeit von 55 Kranken benutzen konnten, und von Faber, welcher bei einer 60 Erkrankungen umfassenden Epidemie in Kopenhagen ebenfalls so- wohl Lumbalpunktions- als Sektionsmaterial zu untersuchen in der Lage war. Ich selbst hatte, nachdem die Arbeiten Jägers und jener Autoren, welche sich auf die Untersuchungen des letzteren stützten, erschienen waren, zwei meiner Assistenten, nämlich Albrecht und Ghon, veran- lasst, in allen uns zugänglichen Fällen von M. c. sp. eingehende Unter- suchungen anzustellen, um einerseits die Richtigkeit der Angaben der eben erwähnten Autoren zu prüfen, und andrerseits die Kenntnis der Biologie des Dipl. intrac. zu vervollständigen. In ihrer 1901 erschienenen Arbeit 53 konnten sie an der Hand von 30 obduzierten Fällen, von welchen mehrere einer großen Epidemie in Trifail (1898) entstammten, nicht nur die Richtigkeit meiner und Goldschmidts Beschreibung des Dipl. intrac. bestätigen, sondern auch die Unrichtigkeit verschiedener Angaben Jägers und seiner Anhänger darthun. Außerdem brachten ihre Untersuchungen noch eine Reihe von neuen, wichtigen Einzelheiten be- treffs der Biologie des Dipl. intrac. Zu erwähnen ist noch, dass Netter ^^ 1898 während einer kleinen Meningitis-Epidemie in Paris Kokken fand, welche erst nach wieder- holten Passagen durch weiße Ratten die Form eines typischen Dipl. pneum. annahmen und von ihm als eine Varietät des letzteren bezeichnet wurden, dass er al)er mehrmals auch, besonders wenn das Exsudat dick und alt war, gonokokkenartig innerhalb von Leukocyten gelagerte Kokken sah, welche er mit dem Dipl. intrac. identifizierte, aber doch nur für eine degenerierte Form des Dipl. pneum. hielt. Was schließlich die seltener vorkommenden Erreger der Meningitis betriift, so werden wir das Historische bei der Besprechung der ein- zelnen derselben einflechten. Litteratur. 1 Klebs, Arch. f. exper. Path., Bd. 4. — 2 Eberth, Deutsches Arch. f. klin. Med., Bd. 29. — 3 Gauchek, Gazz. med. de Paris, 1881. — * Ughetti, Giorn. d. soc. ital. d'ig., 1883. — 5 v. Leyden, Centralbl. f. klin. 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Wenn darauf hingewiesen wird, dass chemische Agentien eine ätiologische Rolle spielen können, so lässt sich diese Möglichkeit a priori allerdings nicht in Abrede stellen, und in Fällen, in welchen beispiels- weise zu therapeutischen Zwecken in die Schädel- oder Eückenmarks- höhle eine chemisch reizende Flüssigkeit, wie etwa eine Jodlösung, ein- gespritzt wird, muss thatsächlich zugegeben werden, dass hierdurch eine Entzündung hervorgerufen werden kann. Allein diese Entstehungsart ist eine ganz exzeptionelle und wird daher von uns nicht weiter in Betracht gezogen. Es wird ferner behauptet, dass durch eine hochgradige Alkohol- vergiftung eine akute (seröse) Meningitis entstehen könne; allein die hierüber vorliegenden Untersuchungen sind nicht derart, dass man sie als vollkommen beweisend bezeichnen könnte. Selbst von nicht chemisch wirkenden Noxen, wie von der luso- tatiou, Erkältung, Ueberanstrenguug wird behauptet, dass sie imstande seien, eine Hirnhautentzündung hervorzurufen. Bezüglich der Insolation wird die Behauptung nicht bloß auf bestimmte Beobachtungen gestützt, sondern auch durch den Hinweis begründet, dass die genannte Noxe erfahrungsgemäß eine Dermatitis der Kopfhaut zu erzeugen ver- mag und daher auch eine Entzündung der Hirnhäute im Gefolge haben könne. Dieser Hinweis kann aber nicht genügen, sondern es müsste in jenen Fällen, welche man auf eine Insolation bezieht, das meningeale Exsudat doch auch bakteriologisch untersucht werden, weil die Inso- Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer n. s. w. 267 latiou möglicherweise nur eiu dispouieveudes Moment bildet, durch welches die Ausiedluug und Vermehrung* von etwa durch die Blut- oder Lymph- halmen in die Innern Hirnhäute gelangenden pathogenen Mikroorganismen begünstigt wird. Erst die konstante Abwesenheit von Bakterien im meniugitischen Exsudate bei solchen Fällen würde für die Entstehung der Meningitis durch Insolation sprechen. JSIoch zweifelhafter ist die ätiologische Bedeutung der Erkältung und der Ueberanstrengung ; dieselben können höchstens als Disposition, nicht aber als eigentliche Ursache wirken. Auch die Frage ist aufgeworfen worden, ob eine Meningitis dadurch entstehen könne, dass die Toxine der bakteriellen Erreger einer andern Krankheit allein in die Hirnhäute transportiert werden, ob also z. B. die bei Pneumonie, Influenza, Typhus u. s. w. entstehende Meningitis bloß durch die Toxine dieser Bakterien hervorgerufen werden könne. Diese Frage muss aber, wenigstens vorläufig, verneint werden; bisher sind nämlich keine derartigen Fälle in unzweifelhafter Weise sichergestellt worden. Was nun die Natur der Mikroorganismen betrifft, welche bei der Meningitis eine ätiologische Eolle spielen, so kann schon aus dem In- halte des vorigen Kapitels entnommen werden, dass bisher mehrere Bakterien arten bei der Meningitis nachgewiesen werden konnten. Es unterliegt auch gegenwärtig nicht dem geringsten Zweifel, dass die Aetiologie der Meningitis insofern keine einheitliche ist, als verschie- dene Bakterien arten die Rolle von Erregern dieser Krankheit spielen können, ohne dass aber den einzelnen dieser Arten klinisch oder ana- tomisch ganz dififerente Formen von Meningitis entsprechen. Bezüglich der epidemischen Form der M. c. sp. wird zwar noch von einer Anzahl von Autoren die Ansicht vertreten, dass sie nur durch eine einzige Art von Mikroorganismen erzeugt wird; doch kann diese Ansicht, wie wir noch später sehen, durchaus nicht als bewiesen betrachtet werden. Es verhält sich also die Meningitis ätiologisch ebenso wie viele andere akute Entzündungen, indem sie nämlich durch ver- schiedene Arten von Mikroorganismen hervorgerufen werden kann. Diese sind folgende: 1. Micrococcus meningitidis cerebrospinalis (Diplococcus iutracellularis meningitidis). 2. Diplococcus pneumoniae. 3. Streptococcus pyogenes. 4. Staphylococcus pyogenes. 5. Bacillus influenzae. 6. » pneumoniae. 7. " typhi abdominalis. 8. » coli communis. 9. » mallei. 10. » pestis. Hierzu kommen noch einige recht seltene, weiter unten anzuführende Meningitiserreger. 268 ■ A. Weichselbaum, IV. Micrococcus meningitidis cerebrospinalis (Diplococcus intracellularis meningitidis). 1. Morphologie. In morphologischer Beziehung zeigt der genannte Coccus viel Aehn- lichkeit mit dem Gonococcus. Er tritt nämlich in der Regel als Diplo- coccus oder in Tetradeu auf, wobei aber diese Verbände sieh wieder zu kleinern und größern Häufchen gruppieren können. In diesen Verbän- den sieht man die sonst runden Kokken an den Berührungsflächen häufig mehr weniger deutlich abgeplattet, wodurch sie die Form von Halbkugeln oder Katfeebohnen erhalten. Die Größe der einzelnen Kokken kann in einem und demselben Präparate ziemlich stark variieren, des- gleichen die Intensität der Färbbarkeit, so dass man in tingierten Prä- paraten, gleichgiltig ob diese aus pathologischen Produkten oder aus selbst nur 24 Stunden alten Kulturen angefertigt wurden, neben Kokken von normaler Größe und Färbungsintensität viel kleinere und viel größere, schlecht gefärbte Kokken, nicht selten auch mit undeutlichen Konturen, sehen kann; letztere werden als Degenerationsformen angesehen. Sie scheinen, wenigstens in den pathologischen Produkten, häufiger vorzu- kommen als beim Gonococcus; in Kulturen nimmt aber ihre Zahl mit dem Alter der ersteren ebenso zu, wie dies beim Gonococcus der Fall ist. Eine weitere Aehnlichkeit mit letzterem besteht noch darin, dass unser Coccus in den Exsudaten häufig innerhalb von Zellen (meist Leukocyten) liegt, obwohl man auch extracellulär gelagerte Kokken, ein- mal reichlicher, einmal spärlicher, finden kann. Die Teilung der Kokken erfolgt in zwei aufeinander senkrechten Dichtungen, weshalb unser Coccus zur Gattung Micrococcus zurechnen ist. Aus diesem Grunde haben Albrech r & Ghun ^ vorgeschlagen, den eben beschriebenen und von mir seinerzeit als Diplococcus intra- cellularis meningitidis bezeichneten Coccus in Hinkunft Micrococcus meningitidis cerebrospinalis zu nennen, wogegen nichts einzuwenden ist. Hingegen ist es ungerechtfertigt, denselben, wie es beispielsweise Eich- HORS r 2 vorgeschlagen hat, und wie es auch thatsächlich manche Autoren zu thuu pflegen, schlechtweg als Meningococcus zu bezeichnen, weil es, wie wir zuvor gehört haben, noch mehrere Kokkenarten giebt, welche eine Meningitis zu erzeugen vermögen und daher ebenfalls den Anspruch auf diese Bezeichnung erheben könnten. Desgleichen ist die von Lehmann & Neumann ^ gebrauchte Bezeich- nung Streptococcus lauceolatus nicht gerechtfertigt, weil unser Coccus niemals wirklich Ketten bildet. Man kann zwar in Kulturpräparaten wie bei andern zur Gattung Micrococcus gehörenden Arten hie und da mehrere Kokken in einer Reihe hintereinander liegen sehen ; diese Lage- rung ist aber nur als eine zufällige, erst bei der Anfertigung des Aus- strichpräparates entstandene anzusehen. Davon, dass unser Coccus keine wahren Ketten bildet, kann man sich auch bei Untersuchung von Prä- paraten aus Fleischbrühckulturen überzeugen, in welchen bekanntlich die zur Gattung Streptococcus gehörenden Arten die Kettenbildung am deutlichsten hervortreten lassen. Sporenbildung und Eigenbewegung sind bisher an dem M. m.*) nicht beobachtet worden. *) Von jetzt an wird immer diese Abkürzung statt Micrococcus meningitidis gebraucht. Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer u. s. w. 269 Unser Coccus lässt sich im allgemeinen leicht färben, nur wird er bei der Anwendung der GRAMSchen Methode stets entfärbt, gleichgiltig, ob es sich um Präparate aus Exsudaten oder aus Kulturen oder um Schnittpräparate handelt. Von diesem Punkte abgesehen, stimmen nahezu alle Autoren, welche über den M. m. berichtet haben, in ihrer Darstellung der Morphologie desselben, soweit er in patho- logischen Produkten vorkommt, mit unserer überein, während bezüglich des morphologischen Verhaltens in Kulturen niclit unerhebliche Difte- renzen in der Darstellung bestehen, auf welche wir später zu sprechen kommen. 2. Kulturelles Verhalten. Der M. m. gedeiht nur bei Bruttemperatur, oder genauer ausgedrückt, bei einer Temperatur, welche mindestens über 25" C liegt. Das Opti- mum ist eine Temperatur von 36--37'\ während die obere Wachstums- grenze bei 42" C liegt (Albrecht & Ghon''). Auf Agarplatten ent- stehen innerhalb 24 Stunden bis zu 2 mm oder etwas darüber im Durch- messer haltende, wenig erhabene, graue bis grauweiße Kolonieen mit glatten oder wellig begrenzten Rändern. In den folgenden Tagen werden die Kolonieen noch etwas größer; auch ihr Centrum wird etwas promi- nenter und hebt sich dann von der mehr durchscheinenden Peripherie deutlich ab und nimmt schließlich nicht selten eine namentlich im durch- fallenden Lichte hervortretende Braunfärbung an. Bei schwacher Vergrößerung erscheinen die oberflächlichen Kolonieen anfangs gleichmäßig feiugranuliert oder selbst nahezu strukturlos und in lichter, gelblich-bräunlicher Farbe, während die Ränder steil aljfallend sind; später bemerkt man aber im Centrum mitunter bröcklige, dunk- lere Auflagerungen. Die tiefliegenden Kolonieen zeigen nichts Charakte- ristisches (Albrecht & Ghon). Auf Blutagarplatten, und noch mehr auf Serumagar, ist das Wachstum üppiger, indem schon nach 24 Stunden 3 — 4 mm oder noch mehr im Durchmesser haltende Kolonieen entstehen, welche so viscös aussehen, wie die Kolonieen des Bacillus pneumoniae und bei der mikro- skopischen Untersuchung mitunter so reichliche, bröcklige Auflagerungen erkennen lassen, dass sie, wenigstens die kleineren, von Kolonieen des Gonococcus nicht zu unterscheiden sind. Die Ueppigkeit des Wachs- tums wird übrigens auch noch durch Succulenz des Nährbodens be- günstigt (Albrecht & Ghon). Auf schiefem Agar bildet sich ein ziemlich üppiger, grauer, glän- zender Rasen, dessen Rand sehr häufig wellig begrenzt und durch- scheinend ist. Aeltere Kulturen zeigen desgleichen oft eine gelbbräuuliche Färbung und eine gleichzeitige Bräunung des Agars (Albrecht & Ghon). In Agar-Stichkulturen ist das Wachstum am deutlichsten auf der Oberfläche, wo ein grauer, wellig begrenzter, nicht selten bis zur Wand der Eprouvette reichender Rasen entsteht, welcher sich später im Centrum gleichfalls häutig bräunt; im Impfstich ist nur in den obersten Partieen ein nach der Tiefe zu rasch abnehmendes Wachstum zu bemerken (Albrecht & Ghon). Der Zusatz von Glycerin zum Agar fördert nicht das Wachstum, und ein Zusatz von b% Glycerin verschlechtert es sogar, während der Zusatz von 2—b% Traubenzucker wachstumverbessernd wirkt (Al- brecht & Ghon); auch das LöFFLERSche Agar erweist sich als ein guter Nährboden. 270 A. Weichselbaum, In Fleischbrühe entsteht leichte Trübung- und ein allmählich zu- nehmender Bodensatz, während an der Oberfläche bei ruhigem Stehen*) ein mehr minder deutliches Häutchen sich bildet, von welchem sich leicht Bröckelchen ablösen und niedersinken; zugleich macht sich ein süßlicher Geruch bemerkbar (Albrecht & Ghon). Auf Kartoffeln entsteht, aber nicht immer, ein zarter, später meist gelblichbrauu gefärbter Easen. Das Misslingen der Kultur scheint von der Reaktion der Kartoffeln unabhängig zu sein. In Milch findet deutliches Wachstum statt, ohne dass es aber zur Gerinnung kommt. In Peptonwasser und in eiweißfreien Nährböden ist das Wachstum nur ein kümmerliches. Was die Reaktion des Nährbodens betrifft, so ist die neutrale die zuträglichste ; bei Zusatz von 3 % Normalnatronlauge oder 2 % Normal- salzsäure findet kein Wachstum mehr statt. Auch ein stärkerer Zusatz von Kochsalz wirkt ungünstig (Albkecht & Ghon). Bezüglich des Verhältnisses zum Sauerstoff muss der M. m. zu den Aerobiern gezählt werden; bei vollständigem Sauerstoffabschlusse findet gar kein Wachstum statt. Zum Schlüsse muss noch bemerkt werden, dass in nicht sehr selte- nen Fällen die Versuche der Züchtung des M. m. aus dem meningiti- schen Exsudate fehlschlagen, namentlich wenn man hierzu nicht Serum- agar benutzt; aber selbst auf letzterem kann das Wachstum mitunter ausbleiben. Der Grund hiervon mag in den betreffenden Fällen darin liegen, dass in dem Züchtungsmaterial der M. m. bereits abgestorben war oder stark degeneriert ist, oder dass er überhaupt aus unbekannten Gründen die Fähigkeit, auf unseren Nährsubstraten zu gedeihen, ver- loren hat; Aehnliches können wir bekanntlich auch bei anderen pathogenen Mikroorganismen, so beim Dipl. pneum., beobachten. 3. Lebensfähigkeit und Eesistenz; Virulenz und Tierpathogenität; Immunisierung und Agglutination; Variabilität. Im allgemeinen ist die Lebensfähigkeit des M. m. in künstlichen Kulturen eine recht geringe. Es kann vorkommen, dass seine Züchtung in der 1. Generation noch gelingt, dagegen die Fortzüchtung schon in der 2. Generation, besonders wenn man hierzu einen minder geeigneten Nährboden benutzt, fehlschlägt. Aber auch sonst pflegt er in den ersten Generationen rasch abzusterben, so dass man, falls man bei den Fort- zUchtungsversuchen reüssieren will, täglich oder jeden zweiten Tag überimpfen muss. Später gelingt die Weiterzüchtung zwar etwas leichter, doch auch nur, falls man nicht besondere Vorsichtsmaßregeln beobachtet, innerhalb kleiner Zeitintervalle. BoNHOFP^ konnte Fleischbrühekulturen, wenn er stets dem Häutchen Partikelchen entnahm und dafür sorgte, dass diese, wenigstens zum Teile, auf der Oberfläche der Flüssigkeit liegen blieben, und er die Ueberimpfung beiläufig jeden 4. Tag vornahm, bis zur 77. Generation fortzüchten. *) Dass ich bei meinen ersten Kulturversuchen die Hautbildung nicht be- obachtete, rührt offenbar davon her, dass ich damals auf den Einfluss des ruhigen Stehens nicht geachtet hatte. Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer u. s. w. 271 Bewalirt mau die Kulturen immer bei Bruttemperatur und schützt sie vor Austrocknuag-, so kann es geliugeu, dieselben auch auf einfachem Agar durch viele Wochen lebensfähig zu erhalten; Albeecht & Ghox*' konnten bei dieser Aufbewahrung einen Stamm in der 76. Generation noch nach 185 Tagen weiterimpfeu. Dagegen gehen die Kulturen, wenn sie bei Zimmertemperatur auf- bewahrt werden, meist schon nach wenigen Tagen, und talls sie bei einer Temperatur von 0" oder 5° C belassen werden, in noch kürzerer Zeit zu Grunde. Eine Temperatur von 65° C vernichtet Kulturaufschwem- raungen nach Y2 Stunde, von 80° C nach einigen Minuten und von 100° sofort (Albrecht & Giion). Gegen Austrocknung zeigt der M. m. ebenfalls nur eine sehr geringe Widerstandsfähigkeit. Councilman, Malloey & Wright^ beobachteten, dass Blutserumkulturen, an Papier angetrocknet und dem Sonnenlichte ausgesetzt oder im Thermostaten bei 37° C belassen, nach 24 Stunden abgestorben waren. Auch in den Versuchen von Albkecht & Ghon erwiesen sich an Deckgläschen angetrocknete Kulturaufschwemmungen, gleichgiltig, ob sie bei Brut- oder Zimmertemperatur aufbewahrt wurden, nach 24 Stunden schon abgestorben. Bei Aufbewahrung von Blutserumkultnren, die an Papier angetrocknet waren, in einem dunklen Eaume und bei Zimmertemperatur waren nach Councilman, Mallory & Wright die Kokken nach 60 Stunden noch lebend, nach 72 Stimden aber abgestorben; Formaldehyd tötete sie schon in einer Verdünnung von 1:22500, und Karbolsäure ver- hinderte in einer Verdünnung von 1 : 800 ihre Entwicklung. Die Virulenz, beziehungsweise die Tierpathogeuität, des M. m. ist im allgemeinen auch eine geringe; überdies bestehen noch Unter- schiede in dieser Beziehung bei den einzelnen Stämmen des M. m. Relativ am meisten empfänglich sind weiße Mäuse; doch bleibt eine subkutane Infektion auch bei ihnen erfolglos*). Nach intrapleuraler oder intraperitonealer Einverleibung pflegen die Tiere, falls die ein- gespritzte Kulturmenge nicht zu gering ist — nach Bonhoff muss das Quantum für die intraperitoneale Einverleibung mindestens Yio einer Blutserumkultur betragen — innerhalb 24 bis 48 Stunden zu verenden. Bei der Sektion findet mau in der Brust- bezw. in der Bauchhöhle ein mehr oder minder reichliches, viscides Exsudat mit einer ebenfalls wech- selnden Menge von intra- und extracellulären Kokken, unter denen oft sehr ausgeprägte Degenerationsformen vorkommen. Außerdem ist häufig ein akuter Tumor der Milz vorhanden, wobei man dann auch in letzterer, sowie im Blute Kokken finden kann. Erfolgt der Tod erst spät, so können die in der Bauchhöhle vorhandenen Kokken schon sehr spärlich sein oder ganz fehlen. In einer Anzahl von Fällen kommt es überhaupt nicht zum Tode, aber die Mäuse zeigen mehr weniger schwere Krank- heitserscheinungen; sie sitzen zusammengekauert mit gekrümmtem Rücken oder liegen platt auf dem Bauche mit geschlossenen Augen und weit auseinandergespreizten Hinterbeinen, atmen mühsam und werden von Zittern oder Konvulsionen befallen. Tötet man die Tiere, nachdem sie sich wieder erholten, so ist der anatomische und bakteriologische Be- *) Nur KiscHENSKY (Centralbl. f. allgem. Pathologie, Bd. 7) giebt an. dass eine weiße Maus, welcher er eine Kultur in das Unterhautbindegewebe und in die Muskulatur eingespritzt hatte, zu Grunde ging, und dass er in der Flüssigkeit des an der Injektionsstelle und in den Hirnhäuten entstandenen Oedems mikro- skopisch den M. m. nachweisen konnte. 272 A. Weichselbaum, fuud gewöhnlich negativ. Es giebt schließlich Fälle, in welchen die Mäuse gar nicht reagieren. Meerschweinchen sind schon weniger empfänglich als weiße Mänse, am ehesten noch jüngere Tiere; bei diesen entsteht nach iutraperitonealer Injektion auch eine Peritonitis mit viscidem Exsudate. Wenn die Tiere erst nach längerer Zeit krepieren, ist der Sektionsbefnnd gewöhnlich ein negativer. Albrecht & Ghon konnten aber einmal ein junges Meerschweinchen sogar durch subkutane Infektion töten, wobei nur lokal ein Oedem entstand, und nur in diesem Kokken nachzuweisen waren. Sie konnten ferner Meerschweinchen auch durch subdurale Ein- verleibung infizieren, wobei letztere innerhalb 24 Stunden verendeten nnd starke Injektion nebst Oedem der Hirnhäute und reichliche Kokken au der Injektionsstelle zeigten. Bei Kaninchen bleiben die Infektionsversnche gewöhnlich erfolg- los; nur bei subduraler Einverleibung erzielte ich einmal einen Erfolg, wobei in den entzündeten Hirnhäuten und in einem gleichzeitig vorhan- denen encephalitischen Herde der M. m. mikroskopisch und kulturell nachgewiesen werden konnte. Boxhoff beobachtete ferner bei intravenöser Einverleibung, wenn er zum Behufe von Immunisierung mit der Dosis allmählich stieg, an der Impfstelle häufig Abszesse oder Hautnekrose, wobei in den Eiterzellen »unregelmäßig gestaltete Eeste« von Kokken zu sehen waren, während Kulturen steril blieben. Aber alle diese Tiere starben schließlich an Kachexie, bevor die künstliche Immunität einen höheren Grad erreicht hatte. Doch schützte das Serum solcher Kaninchen in einer Menge von 0,25 ccm weiße Mäuse gegen die intraperitoneale Einverleibung der le- talen Minimaldosis. Albrecht & Ghox konnten durch entsprechende Vorbehandlung von Kaninchen ein Serum gewinnen, welches selbst in höheren Verdünnungen den M. m. agglutinierte, während das Serum von normalen Kaninchen oder anderen Tieren dies nicht vermochte. Bei Hunden gelang es mir nach subduraler Infektion dreimal, eine akute Pachy- und Leptomeningitis nebst Encephalitis zu erzeugen, wo- bei in den Krankheitsprodukten zweimal der M. m. mikroskopisch und kulturell nachgewiesen wurde. Bei einer Ziege konnten Councilman und seine Mitarbeiter durch Injektion einer Kultur in den Spinalkanal eine Meningitis erzeugen, in deren Exsudate der M. m. nachzuweisen war, während in einem gleichen Versuche von Albrecht & Ghon das Tier zwar unter Krämpfen ver- endete, aber bei der Sektion im Rückenmark und in seinen Häuten weder anatomische Veränderungen noch Bakterien aufgefunden wurden. Albrecht & Ghon konnten auch durch abgetötete Kulturen weiße Mäuse bei intraperitonealer Einverleibung töten und zwar unter ähn- lichen Krankheitserscheinungen wie durch Einverleibung von lebenden Kulturen. Aus der bisherigen Darstellung der morphologischen und biologischen Eigenschaften des M. m. geht hervor, dass derselbe eine gut charak- terisierte Species bildet, welche in Bezug auf ihr morphologisches und kulturelles Verhalten dem Gonococcus am nächsten steht. Alle jene Autoren, von welchen wir im historischen Teile ange- geben hatten, dass sie zu ähnlichen Resultaten gekommen waren wie Meuingokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer u. s. w. 273 ' ich und Goldschmidt, konnten aiicli konstatieren, dass die zuvor be- schriebenen morphologischen und kulturellen Eigenschaften des M. m. in allen von ihnen untersuchten Fällen stets die gleichen vs^aren, und dass sie auch bei längerer Fortzüchtung der Kulturen sich nicht änderten. Albrecht & Guon hatten mehrere der von ihnen gewonnenen Kultur- stämme selbst durch 2 bis 4 Jahre fortgezUchtet , ohne hierbei die ge- ringste Aenderung der Eigenschaften wahrzunehmen, außer dass solche Kulturen, welche etwa in den allerersten Generationen noch dürftig gewachsen waren, später ein besseres Wachstum zeigten; diese Ver- besserung ging aber nie so weit, dass das Wachstum auch auf einfachem Agar ein auffallend üppiges wurde oder gar schon bei Zimmertemperatur erfolgte. Auch in Bezug auf die Virulenz der Kulturen zeigten sich in den einzelnen Fällen nur geringe Diöerenzeu. Wir können also sagen, dass der M. m. eine auffallend große Kon- stanz seiner morphologischen und biologischen Eigenschaften aufweist. Wie schon im historischen Teile angeführt wurde, hatte Jäger bei seinen ersten Untersuchungen ^ über M. c. sp. Kulturen gewonnen, deren Verhalten in mehreren wesentlichen Punkten von der oben gegebenen Beschreibung abweicht. Sie zeigten nämlich in 2 Fällen Bildung langer Ketten, waren GRAM-positiv, ließen sich relativ leicht fortziichten und waren im getrockneten Zustande lange haltbar. Später'^ erweiterte oder modifizierte er seine Angaben über die Kulturen des M. m. dahin, dass sie gegenüber der GuAMSchen Methode eine Mittelstellung einnehmen, d. h. dass die Kokken einmal GRAM-positiv, einmal GRAM-negativ sind, oder dass in einem und demselben Präparate Gram- positive und GRAM-uegative Kokken vorhanden sein können, dass die Kulturen zuerst nur bei 37°, später auch bei 22° gedeihen, dass sie anfangs meist ebenso zart wachsen wie die Kulturen des Dipl. pneum., mit jeder »Um- züchtung« aber üppiger werden und dann vom Staphylococcus pyogenes albus schwer zu unterscheiden sind, dass sie auf LöFFLERSchem Agar am üppigsten wachsen, in Fleischbrühe kein Häutchen bilden, auf Agar und Glycerinagar später häufig ein Konfluieren der Kolonieen zeigen und etwas dickere, bläulich- milchweiße Auflagerungen formieren, auf Gelatineplatten punktförmige, gelb- liche Kolonieen bilden und auf Kartoffeln nur bei Bruttemperatur und zwar ein unsichtbares Wachstum zeigen. Bezüglich der Resistenz der Kokken giebt Jäger noch an, dass sie in eingetrockneten Kulturen bis zu 96 Tagen lebens- fähig bleiben, und dass sie nach seiner und Germanos^o Untersuchungen in ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Eintrocknung nur von den Sporen der Milz- brand-, Rauschbrand- und Tetanusbazillen übertroffen Averden. Desgleichen weichen die von Heubner und allen übrigen unter dem Ein- flüsse der JÄGERschen Untersuchungen gestandenen Autoren gewonnenen und angeblich vom M. m. stammenden Kulturen in ihrem Verhalten von unserer obigen Beschreibung ab; aber sie stimmen auch untereinander in ihrem Ver- halten nicht überein. HetjbnerII beschreibt nicht nur Kettenbildung seiner Kokken und ungleichmäßiges Verhalten gegenüber der GRAMSchen Methode, sondern seine Agarkulturen nahmen eine graugelbe, zuweilen auch lehmgelbe Farbe und einen lackartigen Glanz au und zeigten dadurch nach seiner Auf- fassung ein Verhalten, welches der Staphylococcus pyogenes darzubieten pflegt. Willy Müller ^^ beobachtete bei seinen Kulturen eine Verflüssigung und Trübung der Gelatine. Urban13 giebt an, dass die von ihm bei M. c. sp. gezüchteten Kulturen schon bei 19 — 20° C wuchsen und zwar in Gelatine längs des ganzen Impf- Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. III. 18 274 A. Weichselbaum, Stiches, und auf Kartoffeln bei saurer Reaktion einen ziemlich üppigen, grau- weißen, bei alkalischer Reaktion einen weniger üppigen, mehr trockenen, bräunlichgelben Belag bildeten; die Kokken zeigten im hängenden Tropfen sogar Eigenbeweguug. Kamex^-* führt an, dass die in einem Falle von M. c. sp. erhaltenen Kulturen auf Kartoffeln, Gelatine und in Fleischbrühe schon bei 18", wenn auch sehr kümmerlich, gediehen und selbst bei Luftabschluss, wenu auch etwas verzögert, wuchsen. HüNERMANN ^^ giebt ebenfalls au, dass die von ihm erhaltene Kultur des M. m. schon bei Zimmertemperatur wuchs, ferner dass sie die Gelatine ver- tlüssigte und auf Glycerinagar ein an eine Kultur des Staph. pyog. er- innerndes Aussehen darbot. Dem ist noch hinzuzufügen, dass die eben angeführten Autoren auch in der Angabe über das Verhalten ihrer Kulturen zur GRxVMschen Methode von unserer obigen Darstellung ebenso abweichen wie Jäger. Desgleichen besteht bezüglich der Virulenz dieser Kulturen eine Differenz von unseren Angaben insofern, als erstere entweder für Tiere gar nicht pathogen waren oder andere Wirkungen erzeugten, als wir sie oben beschrieben haben. Die Thatsache, dass, wie wir eben gehört haben, die Angaben einer An- zahl von Autoren über das Verhalten der von ihnen bei M. c. sp. gewonnenen Kulturen nicht nur vou unserer obigen Darstellung, sondern auch untereinander differieren, und die Angabe, dass selbst in einem uud demselben Falle das Verhalten der gewonnenen Kultur in ihren weiteren Generationen sich nicht unwesentlich änderte, haben zu mehreren Erklärungsversucheu Veranlassung gegeben. Jäger ^6, welcher selbst die »ganz außerordentlich großen Unter- schiede« in den Angaben der früher citierten Autoren konstatiert, die sogar, wie er meint, bezweifeln lassen könnten, ob man die kultivierten Mikro- organismen noch als eine »einheitliche Gruppe« auffassen dürfe, erklärt diese Thatsache durch eine »allmähliche Anpassung an dem Parasiten ursprünglich nicht zusagende Existenzbedingungen«. Diese Erklärung ist aber nicht zutreffend, da in den diesl)ezüglichen Be- obachtungen von einer allmählichen Veränderung der Eigenschaften der Kulturen zumeist nicht die Rede ist; die mitgeteilten Beobachtungen lassen vielmehr darauf schließen, dass die beschriebenen Eigenschaften schon in den ersten Generationen der Kulturen vorhanden wären. Uebrigens würde eine solche »Anpassung«, dass eine Kokkenart, welche anfangs GR^ui-negativ war und keine Kettenbilduug aufwies, anfangs bei Zimmertemperatur uud bei Luft- abschluss absolut nicht wuchs, sehr geringe Resistenz zeigte und nur für be- stimmte Tiere pathogen war, später aber GRAM-positiv wird und eine aus- gesprochene Tendenz zur Ketteubildung zeigt, schon bei Zimmertemperatur und bei Luftabschluss wächst und zwar auf alleu gebräuchlichen Nährböden uud sogar die Gelatine verflüssigt, zugleich große Resistenz erlangt und auch für andere Tiere pathogen Avird, keine Analogie bei den uns bisher bekannt gewordenen Bakterien finden. Pfaundler'^ glaubt annehmen zu sollen, dass die M. c. sp. von Diplo- kokken verursacht wird, Avelche verschiedene, aber nahe verwandte Arten darstellen, die unter sich eine wohlumschriebene Gruppe bilden, und dass aus dieser Gruppe zwei besonders scharf gezeichnete Typen hervorragen, zwischen denen sich Uebergaugsformen einreihen. Der eine Typus, welchen er den WEiciiSELBAU^sischen Typus nennt, sei charakterisiert durch: Doppelbohnen- form der Kokken bei wechselnder Größe derselben, Bildung von Tetraden, selten kurzen Ketten, Entfärl)ung nach Gram, tautropfenartiges Wachstum auf Agar, relativ gutes AVachstum auf Serum, Unvermögen auf Gelatine, Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer u. s. w. 275 Fleischbrühe, Milch imd Kartoffeln zu wachsen und beschränkte Ueberimpf- barkeit, besonders auf Ag'ar. Der zweite Typus, welchen er den Heubxer- schen heißt, ist charakterisiert durch: Doppelbohnenform der Kokken, Bildung von Ketten und traubenförmigen Gruppen, Färbbarkeit nach Gram, ziemlich üppiges Wachstum auf Agar mit blassgelber Farbe, Wachstum auf Gelatine, Fleischbrühe und Kartoffeln. Dieser Annahme gegenüber ist aber zu bemerken, dass erstens in den zwei aufgestellten Typen durchaus nicht alle jene Eigentümlichkeiten be- rücksichtigt sind, welche die früher erwähnten Autoren an ihren Kulturen be- obachtet hatten, dass man daher konsequenterweise noch mehr als zwei Typen aufstellen müsste; ferner dass die Unterschiede zwischen den beschriebenen Kulturen viel zu bedeutend sind, als dass man hier noch von nahe ver- wandten Arten sprechen könnte, welche unter sich eine Gruppe bilden. Das gleiche ist zu bemerken gegenüber dem von Hunter & Nutall ^^ eingenommenen Standpunkte, welche die von ihnen bei M. c. sp. gezüchteten Kokken ebenfalls in zwei, aber von den PFAUNDLERSchen verschiedenen Typen unterbringen wollen. Für die großen Differenzen in den Eigenschaften der von den ver- schiedeneu Autoren bei M. c. sp. erhaltenen Kulturen dürfte es wohl nur eine Erklärung geben, nämlich die, dass es sich hierbei nicht um Rein- kulturen des M. m., sondern um Kulturen handelte, welche ganz oder zum Teile von fremden Keimen und zwar von Verunreinigungen stammten. Das Hineingelangen von solchen in die Kulturen ist nicht erstaunlich, wenn man erwägt, dass in den betreffenden Fällen, Avie schon im historischen Teile angeführt wurde, einerseits das Züchtungsmaterial, nämlich nicht frische Leichenteile oder Lumbalpunktionsflüssigkeit, ein solches war, welches leicht Verunreinigungen enthalten konnte, und andererseits zur Kultivierung keine verlässliche Methode verwendet wurde. *) Es liegen somit bis nun keine Thatsachen vor, welche uns zur Annahme berechtigen würden, dass dem M. m. keine Konstanz seiner morphologischen und biologischen Eigenschaften, sondern im Gegenteile eine sehr große Variabilität zukomme. 4. Vorkommen des Micrococcus meningitidis cerebrospinalis bei Meningitis und ihren Komplikationen. Misch- u. Sekundärinfektion. Das Vorkommen des genannten Coccns bei Meningitis muss im all- gemeinen als ein häufiges bezeichnet werden; es ist aber bisher nur bei jener Form konstatiert worden, welche man als primäre oder idiopathische Meningitis zu bezeichnen pflegt, obwohl diese Bezeich- nung nicht immer eine ganz zutreffende war, da in manchen dieser Fälle noch ein zweiter, wenn auch in klinischer Beziehung nicht sehr hervortretender Prozess, nämlich eine akute Entzündung der Nasenhöhle oder der Nebenhöhlen derselben oder des Mittelohres, bestanden hatte und der Meningitis wahrscheinlich vorausgegangen war. Die Fälle von Meningitis, in welchen der M. m. bisher gefunden wurde, waren ferner *) Die Methode bestand nach dem Vorgange Heubners darin, dass dem Kondenswasser einer Agareprouvette eine geringe Menge der Lumbalpunktions- flüssigkeit zugesetzt und ersteres nach 12— 24 stündigem Stehen im Brutofen durch *»' Neigen über die Agarfläche verteilt wurde. Jäger ging bei seinen späteren Unter- aachungen der Lumbalpunktionsflüssigkeit mitunter so vor, dass er sie zur An- reicherung in den Brutschrank fatellte und erst dann Kultirren anlegte. 18* 276 A. Weichselbaum, stets solche, in denen die Entzündung- nicht nur die Hirn- sondern auch die Kückenmarkhäute ergriffen hatte, in welchen also eine Meningitis cerebrospinalis Aorhanden war. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass diese Form von Meningitis bloß dem M. m. zukomme, da auch durch andere Erreger verursachte Formen von Meningitis sich häutig nicht auf die Hirnhäute beschränken, sondern zugleich die Rücken- markshäute ergreifen. Endlich ist zu bemerken, dass die Fälle, in welcher der M. m. gefunden wurde, entweder sporadische Erkrankungen waren, die untereinander gar nicht zusammenhingen, oder einer Epidemie, einer kleinem oder größern, augehörten. Aber auch daraus darf nicht ge- schlossen werden, dass jene Form von M. c. sp., welche epidemisch auftreten kann, ausschließlich durch den M. m. erzeugt Averde; wir kommen später noch darauf zurück. In Bezug- auf die Beschaffenheit des Exsudates unterscheidet sich die durch den M. m. hervorgerufene Form von jMeningitis durchaus nicht von andern Formen der akuten Meningitis; das Exsudat ist gewöhnlich ein fibrinöses, fibrinös-eiteriges oder rein eiteriges. Dagegen muss her- vorgehoben werden, dass bei der durch den M. m. verursachten Form von Meningitis die Entzündung nicht selten auf die Hirnsubstanz über- greift und in dieser sogar zur Abszessbildung führen kann. Auch was den Verlauf und den Ausgang der Krankheit betrifft, ist als charakteristisch hervorzuheben, dass ersterer nicht immer ein akuter ist, sondern aijch ein subakuter und selbst exquisit chronischer, aber mitunter von Exacerbationen unterbrochener sein kann, und dass Fälle von Heilung durchaus nicht zu den großen Seltenheiten gehören. Tritt der Tod erst in einem spätem Stadium der Krankheit ein, so er- scheint das meuingitische Exsudat meistens nicht nur spärlicher, sondern in Verfettung begriffen oder derber; doch kann auch noch in einem solchen Stadium eitriges Exsudat gefunden werden, Avenn nämlich die Entzündung Nachschübe gemacht hatte. Die Menge der im Exsudate vorhandenen Kokken ist eine sehr wechselnde. Im allgemeinen kann man sagen, dass dieselbe um so größer ist, je frischer der Prozess und je reichlicher und eiterähnlicher das Exsudat ist. Doch sind die Fälle als selten zu bezeichnen, in wel- chen mau in den meisten Leukocyten des Exsudates Kokken findet, wobei erstere dann ganz vollgepfropft erscheinen können. Viel häufiger ereignet es sich, dass man Mühe hat, die Kokken zu finden, oder dass man selbst mehrere Präparate durchmustern muss, bis man auf sie stößt. Sind sie recht spärlich vorhanden, so kann es vorkommen, dass sie sich auch nicht mehr gut färben lassen. Von den relativ häufigeren Komplikationen der durch den M. m. verursachten Form von Meningitis sind außer der Encephalitis anzu- führen : 1. akute katarrhalische Entzündung der Nasenhöhle, 2. akute katarrhalische Entzündung der Nebenhöhlen der Nase, 3. akute katarrhalische Entzündung des Mittelohres, 4. akute Bronchitis imd akute Lobulärpneumonie, 5. akute Arthritis und 6. akute Entzündung des Bulbus (Meningitis-Ophthalmie). Im allgemeinen scheinen die angeführten Komplikationen nicht sehr häufig zu sein. Meningokokken mit besonderer Berücksiclitigung anderer u. s. w. 277 Was mm die Frage betriift, ob der M. m. bei den genaunteu Kompli- kationen gefunden werden kann, und ob also letztere durch ihn verur- sacht werden, so ist die akute Rhinitis jene Komplikation, bei welcher der M. m. bisher angeblich am häufigsten gefunden wurde, und zwar liegen hierüber Angaben vor von Scherer i^, Heubxer-FinkelsteinIs^ Huber 19, Nolen^o, Councilmann, Mallory & Wright'-i, Schiff 22, Eyster23j d'Astros & Engelhardt 24, Albrecht & Ghon 25. Mit Aus- nahme der beiden letzteren Autoren geben aber alle übrigen entweder au, den M. m. bloß durch mikroskopische Untersuchung nachgewiesen zu haben, oder sie sprechen sich nicht darüber aus, ob sie auch Kultur- versuche gemacht hatten, oder sie beschreiben die von ihnen erhaltenen Kulturen nicht genauer, so dass es schon deshalb zweifelhaft bleibt, ob in den betretenden Fällen thatsächlich der M. m. im Sekrete der Rhi- nitis vorhanden war. Dieser Zweifel wird aber noch durch die That- sache bestärkt, dass, wie Ghox & H. Pfeiffer*) nachgewiesen haben, sowohl bei der Rhinitis als bei der Entzündung der Nebenhöhlen der Nase eine Kokkenart, nämlich der Micrococcus catarrhalis Pfeiffer, vorkommen kann, welcher sich morphologisch gar nicht und auch kul- turell nur durch sehr sorgfältige Untersuchungen von M. m. unterscheiden lässt. Dagegen haben Albrecht & Ghox während einer großen Epi- demie von M. c. sp. in Trifail in einer Anzahl von Fällen im Exsudate der gleichzeitig vorhanden gewesenen Rhinitis nicht nur mikroskopisch gonokokkenähnliche, GRAM-negative Mikroorganismen, einmal sog:ar wie in einer Reinkultur, nachgewiesen, sondern in einem Falle auch Kulturen erhalten, welche mit Sicherheit als dem M. m. angehörig erkannt wurden. Wir können daher zwar sagen, dass es sicherlich Fälle giebt, in welchen eine bei M. c. sp. vorkommende Rhinitis durch den M. m. ver- ursacht wird; aber über die Häufigkeit dieser Fälle dürfen wir so lange keinen bestimmten Ausspruch thun, als nicht zahlreiche, ganz exakte, unter Berücksichtiguug der von Albrecht & Giion hervorge- hobenen Momente angestellte Untersuchungen vorliegen. Ueber die akute Entzündung der Nebenhöhlen der Nase bei der durch den M. m. hervorgerufenen Form von Meningitis liegen eben- falls keine beweisenden Befunde vor. Ich hatte bei meinen ersten Unter- suchungen 26 iu einem Falle im eitrigen Exsudate der Nebenhöhlen der Nase in den Leukocyten ebenso aussehende Kokken beobachtet, wie sie in demselben Fälle im meniugitischen Exsudate vorhanden waren. Da aber neben denselben noch viele andere Bakterien vorhanden waren, und ich aus diesem Grunde eine Kultivierung der ersteren unterließ, und da auch Albrecht & Ghox bei ihren Untersuchungen im Exsudate der Nebenhöhlen (Kieferhöhle) zwar GRAM-negative Kokken vom Typus des Gonococcus mikroskopisch fanden, aber keine Kulturen des M. m. er- hielten, so muss die Frage, ob und wie oft die bei M. c. sp. thatsäch- lich vorkommende Entzündung der Nebenhöhlen der Nase durch den M. m. verursacht wird, bis auf weiteres unentschieden bleiben. Etwas Aehnliches gilt für die akute Entzündung des Mittel- ohres. In den hierüber vorliegenden Mitteilungen von Frohmaxn27, CouNCiLMAN, Mallory & Wright2s, Schiff 29, v. Stein ^0, Gradwohl 3i kommt nur die Angabe vor, dass die betreffenden Autoren im Eiter des Prozesses den M. m. mikroskopisch nachgewiesen hatten, oder *) Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 44, 1901. 278 A. Weichselbaum, es heißt, dass sie den M. m. g-efiindeu hatten, ohne dass aber ersicht- lich ist, wie der Nachweis erfolgte. Was die akute Bronchitis und die Lobulärpneumonie betrifft, so gehören sie jedenfalls zu den relativ häutigeren Komplikationen, lieber den bakteriologischen Befund bei der ersteren liegt die Angabe von Albrecht & Ghon^s vor, der zufolge sie im Bronchialsekrete zwar ziemlich oft Kokken vom Typus des M. m., aber nie in besonders reich- licher Menge, mikroskopisch nachweisen konnten ; Kulturen des genann- ten Coccus vermochten sie aber nicht zu erhalten. Ueber die bakteriologische Untersuchung der Lobulärpneumonie haben wir Mitteilungen von Kischensky^^^ A. Fränkel^^j G. Mayer 35, CouNciLMAN, Mallory & Wrigiit^ö, Albrecht & Ghon". Mit Ausnahme der beiden letztgenannten behaupten alle übrigen, bei diesem Prozesse in einer Anzahl von Fällen den M. m. entweder allein oder in Gesell- schaft des Dipl. pneum. oder Streptococcus pyog., jedoch nur mikro- skopisch, nachgewiesen zu haben, während Albreciit & Ghon ent- weder den Dipl. pneum. allein, mikroskopisch und kulturell, nachweisen konnten oder, aber selten, neben diesem noch andere Bakterien fanden, unter welchen in vereinzelten Fällen auch sehr spärliche Gram -negative Kokken waren. Jäger ^s -yyin auch im pneumonischen Sputum von zwei Meningitiskranken den M. m. gesehen haben. Da somit der angebliche Nachweis des M. m. bei der Lobulär- pneumonie bisher nur mikroskopisch geschehen ist und daher schon aus diesem Grunde nicht als beweiskräftig angesehen werden kann, und überdies, wie Ghox & H. Pfeiffer gefunden hatten, bei Bronchitis und Lobulärpneumonie der Micrococcns catarrhalis vorkommen kann, wel- cher vom M. m. sogar kulturell schwer zu unterscheiden ist, abgesehen, dass in den Luftwegen auch noch andere dem M. m. morphologisch und tinktoriell ähnliche Kokkenformen angetroffen werden können, so muss es vorläutig noch dahingestellt bleiben, ob die die M. c. sp. komplizierende Lobulärpneumonie wirklich durch den M. m. verur- sacht wird. Bemerkt soll noch werden, dass Councilman und seine Mitarbeiter in den von ihnen untersuchten Fällen von M. c. sp. epidemica zweimal eine Lobärpneumonie beobachteten, in welcher ausschließlich der Dipl. pneum. mikroskopisch und kulturell nachgewiesen werden konnte. Ueber die akute Arthritis als Komplikation der durch den M. m. verursachten Form von Meningitis liegen nur spärliche bakteriologische Untersuchungen vor und zwar von Froj^z^^j Couxcilman, Mallory & Wright^o und Osler ^i. Osler und Fronz hatten im Exsudate der Gelenkentzündung mikro- skopisch Kokken gefunden, welche sie für den M. m. hielten, während Cüuncilmax und seine Mitarbeiter, die während des Lebens in sechs Fällen Gelenksaffektionen beobachteten, in dem einen zur Sektion ge- kommenen Falle in dem betreffenden Gelenke nichts mehr finden konnten. Es müssen daher weitere Untersuchungen abgewartet werden, bis man über die Aetiologie dieser Komplikation ein ganz sicheres Urteil ge- winnen kann. Was schließlich die akuten Entzündungen des Augapfels (Meningitis -Ophthalmie) betrifft, so weit sie bei der durch den M. m. verursachten Meningitisform beobachtet wurden, so sind in zwei Fällen bakteriologische Untersuchungen gemacht worden und zwar von Stephen- son42 lind von Wintersteiner ^3. im ersteren Falle handelte es sich Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung- anderer n. s. w. 279 um eine eitrige Panophtlialmitis, in deren Eiter nebst andern Bakterien angeblich auch der M. m. gefunden wurde, wälirend im zweiten, selir sorgfältig untersuchten Falle eine Iridocyclitis bestand und in Schnitt- präparaten innerhalb von Eiterkörperchen liegende, sich gegenseitig ab- plattende, GRAM-negative Kokken nachgewiesen wurden; da im letzteren Falle im meningitischen Exsudate der M. m. mikroskopisch und kulturell in ganz einwandfreier Weise konstatiert worden war, so kann auch die in den Schnittpräparaten des Bulbus aufgefundene Kokkenart mit ziem- licher Sicherheit als die gleiche Species augesehen werden. Bezüglich anderer Komplikationen, welche bei der durch den M. m. verursachten Form von Meningitis beobachtet wurden, ist noch zu bemerken, das Coüncilman und seine Mitarbeiter^-* in einem Falle von eitriger Tonsillitis den M. m. mikroskopisch und kulturell nachweisen konnten, und dass Jäger ^^ angiebt, er habe in einem Falle von kom- plizierender Pericarditis und Nephritis aus der Flüssigkeit des Herz- beutels und aus der Kiere den M. m. gezüchtet. Albrecht & Ghox konnten in einem der von ihnen untersuchten Fälle von M. c. sp., in welchem zugleich eine Pericarditis vorhanden war, in dem Exsudate der letzteren bloß den Staph. pyog. nachweisen.*) Was die Frage anbetrifft, ob der M. m. bei der durch ihn erzeugten Meningitis außer im Exsudate der letzteren (und der etwaigen Kompli- kationen) noch im Blute und in den Innern Organen und in ge- wissen Exkreten vorkommen könne, so wird dieses Vorkommen von einigen Untersuchern behauptet, während andere einen solchen Befund trotz ihrer darauf gerichteten Untersuchungen nicht erheben konnten. So behauptet Osler*^^ den genannten Coccus einmal im Blute, Eisenrath47 einmal in den Nieren, und Jäger^^ einmal in den PEYERschen Plaques und Solitärfollikeln und zweimal im Urin nachge- wiesen zu haben; da aber die genannten Autoren teils ihren Befund nicht genauer beschrieben, teils die von ihnen erhaltenen Kulturen, wie z. B. im Falle Eisenraths, in welchem die betreffende Kultur auch auf Gela- tine wuchs, sicherlich nicht dem M. m. entstammten, so können ihre Be- hauptungen nicht als erwiesen augesehen werden. Es muss auch hervorgehoben werden, dass weder C(juncilmax und seine Mitarbeiter noch Albrecht & Ghon, also jene Autoren, welche in dieser Beziehung die ausgedehntesten und verlässlichsten Untersuchungen angestellt hatten, aus dem Blute oder den inneren Organen je einmal den M. m. durch Kultur gewinnen konnten. Damit soll aber nicht gesagt sein , dass der M. m. überhaupt nicht ins Blut übertreten könne; die Beobachtungen jener Autoren, welche bei Arthritis im Verlaufe einer M. c. sp. den M. m. nachgewiesen zu haben behaupten, sowie die Beobachtung Winter- steiners, welcher bei einer Meniugitis-Ophthalmie, die er für eine meta- statische hält, den genannten Coccus aufflmd, würden sogar dafür sprechen, dass ein solcher Uebertritt gelegentlich vorkommt**). *i Zu erwähnen ist noch, dass Netter (Bull, et Mem. d. 1. soc. med. d. hup. de Paris 1898, 22. juillet) in einem bei einer Meningitis nach Lumbalpunktion ober- halb dem Kreuzbeine entstandenen Abszesse nebst feinen Bazillen noch den M. m. mikroskopisch und kulturell nachgewiesen haben will. **) Kürzlich wurde von Salomon (Berl. klin. Woch., 1902) ein Fall von »Meningo- kokkenseptikämie« mitgeteilt, in welchem aus dem Blute der betreffenden Patien- tin der M. m. gezüchtet wurde, während er in der Lumbalpunktionsflüssigkeit bloß mikroskopisch nachgewiesen werden konnte. 280 A. Weichselbaum, Auch die Möglichkeit einer placeutareu Uehertragiing- des M. m. von einer an Meningitis leidenden Schwangeren auf den Fötus lässt sich nicht ausschließen, wenn auch eine diesbezügliche Beobachtung Gradwohls ^'J, derzufolge bei einem Fötus, des^sen Mutter an einer durch den M. m. verursachten Meningitis gelitten hatte, ebenfalls eine Menin- gitis und im Exsudate derselben der M. m. vorhanden war, aus verschie- denen Gründen nicht als beweisend angesehen werden kann. Wir haben uns noch mit der Frage der Misch- und Sekundär- infektion bei der durch den M. m. verursachten Meningitis zu be- schäftigen. Das Vorkommen einer solchen ist von einer Anzahl von Untersuchern behauptet worden. Schon Jäger hatte in seiner ersten Arbeit angegeben, dass er drei- mal eine Mischinfektion und zwar mit dem Dipl. pneum., dem Strept. pyog. und mit einem Kapselbacillus beobachtet hatte; seine Angaben sind aber nicht beweisend. Nicht ganz sicher scheinen auch die diesbezüglichen Angaben von mehreren anderen Autoren zu sein, und zwar von Heübner^", Holdheim 51, Lenhartz^^^ Frohmanx^^ ^^j Netter ^^, welche Miscli- infektionen des M. m. mit Tuberkelbazillen, von G. Mayer ^^ und Pfaundler56, welche Mischinfektionen des M. m. mit dem Dipl. pneum., dem Strept. und Staph. pyog. beobachtet haben wollen, aber niemals die genannten Bakterien im meningitischen Exsudate nebeneinander mikroskopisch nachzuweisen imstande waren. Dagegen kann das Vorkommen von Mischiufektiouen in den von Councilmax und seinen Mitarbeitern untersuchten Fällen als gesichert angenommen werden. Sie beobachteten, abgesehen davon, dass in zwei ihrer Fälle eine ausschließlich durch den Dipl. pneum. verursachte Lo- bärpneumonie vorhanden war, siebenmal Mischinfektion des M. m. mit dem Dipl. pneum. und einmal überdies noch mit dem Bac. pneum.; auch wurden terminale Sekimdärinfektionen mit dem Strept. und Staph. pyog. gelegentlich beobachtet. Ob auch die Mitteilung Kröxigs ^^ über Mischinfektion des M. m. einerseits mit Staph. pyog. aur. und andrer- seits mit dem Dipl. pneum. und die Mitteilung Oslers ^^ über Misch- infektiou des M. m. einerseits mit dem Bac. coli, Bac. lactis aerogenes und Staph. pyog. alb. im meniugitischeu Exsudate und andrerseits mit dem Dipl. pneum., Staph. pyog. aur. und Bac. coli in den Lungen als vollkommen beweiskräftig angesehen werden können, soll dahingestellt bleiben. Dass Albrecht & Giiox in den lobulärpueumonischen Herden bei M. c. sp. entweder den Dipl. pneum. allein oder untermengt mit andern Bakterien vorgefunden hatten, wurde schon früher angegeben. 5. Das anderweitige Vorkommen des Micrococcus meningitidis cerebrospinalis, lieber dieses Vorkommen liegt nur eine beschränkte Anzahl von Be- obachtungen vor. Was zunächst das Vorkommen des M. m. bei Krankheiten betrifft, welche nicht im Verlaufe einer M. c. sp. entstanden sind, so kommen in Betracht: 1. die akute Rhinitis, 2. die Bronchitis und Lobulär- pneumonie und 3. die akute Conjunctivitis. Bei der akuten Ehinitis vermochte Kiefer ^^ in einem ihn selbst betrefienden Falle — er hatte nämlich bei seinen Untersuchungen über , Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung nnderer u. s. w. 281 den M. m. eine eitrige Rhiuitis acquiriert — den genannten Coccus mikroskopisch und kulturell in ganz einwandfreier Art nachzuweisen; andere sichere Fälle sind bisher nicht bekannt geworden. Bei Bronchitis hatten Jundell^o, Ritchik6i ^^^^[ Neu.sser62 Kok- ken gefunden, welche sie mit dem M. m. identifizierten; da ihnen aber nicht" bekannt war, dass bei dem genannten Prozesse nicht selten der Micrococcus catarrlialis vorkommt, welcher sich vom M. m. morpho- logisch gar nicht und auch kulturell nur sehr schwer difierenzieren lässt, so kann ihren Befunden keine Beweiskraft zuerkannt werden. Ueber das Vorkommen des M. m. bei Lobulärpueumonie liegt eine Mitteilung von Bernheim^^ vor, d. h. der genannte Autor fand mikroskopisch und kulturell Kokken, deren Identität mit dem M. m. er zwar nicht mit aller Bestimmtheit, aber doch mit grußer Wahrschein- lichkeit annimmt. Er glaubte auch, dass der zuerst von R. Pfeiffer beschriebene Micrococcus catarrhalis mit dem M. m. identisch ist. Nach der von Bernheim gegebenen Beschreibung seiner Kulturen unterliegt es aber keinem Zweifel, dass in seinem Falle nicht der M. m., sondern der M. catarrhalis vorhanden war. Was die akute Conjunctivitis betrifft, so haben bei derselben zu- erst C. Fräxkel6* in drei Fällen, und später Hagluxü^^ in einem Falle Kokken gefunden, welche sie für den M. m. erklärten. Das morphologische und kulturelle Verhalten derselben weicht aber in meh- reren Aves'entlicheu Punkten von jenem ab, welches wir oben als charakte- ristisch für den M. m. hingestellt haben, weshalb es sich in den erwähnten Fällen nicht um letzteren gehandelt haben konnte. Es bleibt nun noch die Frage zu erörtern, ob der M. m. nicht schon im normalen Organismus oder gar in der Außenwelt vorkommt. Die Thatsache, dass bei der M. c. sp. ziemlich häufig eine Ent- zündung der Nasenhöhle vorhanden ist, in deren Sekrete mehrere Beob- achter den M. m. gefunden haben wollten, führte zur Vorstellung, dass die Nasenhöhle nicht nur die Eintrittspforte für den Erreger der M. c. sp. bilden, sondern dass sie denselben vielleicht auch schon normaler Weise beherbergen dürfte. Diese Vorstellung veranlasste Untersuchungen der Nasenhöhle gesunder, beziehungsweise nicht an Meningitis erkrankter, Personen durch mehrere Autoren und zwar durch Sciierer ^e, Heubner- Slavyk67, Schiffes |^,nd durch Albrecht & GHON^f. Die Genannten behaupten auch, in einigen der von ihnen untersuchten Fällen den M. m. gefunden zu haben; aber bezüglich der Beweiskraft dieser Behauptung gilt dasselbe, was schon früher bezüglich des Vorkommens des genannten Coccus bei der die M. c. sp. komplizierenden Rhinitis gesagt wurde, oder mit anderen Worten, bloß Albreciit & Ghox konnten einmal während einer großen Epidemie von M. c. sp. in der Nasenhöhle eines nicht an dieser Krankheit leidenden Mannes, dessen Kind aber tags vorher an M. c. sp. verstorben war, mit aller Sicherheit den M. m. nach- weisen, während die Angaben der übrigen Autoren als unbewiesen an- gesehen werden müssen. Ueber das Vorkommen des M. m. in der Außenwelt liegt nur eine Mitteilung Jägers ^^ vor, welcher denselben zweimal im Fußboden von Kasernen gefunden haben will. Abgesehen davon, dass die Art dieses Nachweises gar nicht näher beschrieben wird, ist es schon wegen der sehr geringen Resistenz des M. m. gegen Eintrocknung ganz ausge- schlossen, dass Jäger in den betreffenden Fällen wirklich den M. m. vor sich gehabt hatte. Wenn der genannte Coccus jemals in der 282 A. Weichselbaum, I Außemvelt im lel)eusfahigeu Zustande angetrofifeu werden sollte, so könnte es wohl nur an feuchten und dunklen Orten sein, wo er gegen Austrocknuug und Licht geschützt ist. Zum Schlüsse soll noch bemerkt werden, dass man bei einer Er- krankung der Pferde, welche die Bornasche Krankheit genannt und von einer Seite Siedamgrotzky & Schlegel '^i) als eine Leptomeningitis und von einer andern Seite (Johne ^2^ Ostertag'^^) als eine Erkrankung des Gehirnes und Rückenmarkes selbst angesehen wird, eine Kokken- aii; gefunden hatte, welche man mit dem M. m. identifizierte; später wurde diese Ansicht wieder fallen gelassen, und wohl mit Recht. Diese Kokken waren übrigens in verschiedener Weise beschrieben wor- den, aber weder nach der einen noch nach der andern Beschreibung stimmte ihr Verhalten mit jenem des M. m. überein. Litteratur. 1 H. Albrecht & Ghon, Wiener klin. Woch., 1901. — 2 Eichhorst, Artikel über Meningitis cerebrospinalis in Deutsche Klinik von Leyden & Klemperer, Bd. 2, 44. Lief., Wien 1902. — ^ Lehmann & Neumann, Atlas u. Grundriss der Bakteriologie, 2. Aufl., München 1899. — * Albrecht & Ghon, 1. c. — ^ Bonhoff, Münch. med. Woch., 1901. — c Albrecht & Ghon, 1. c. — '' Councilman, Mallory & Wright, Epidemie cerebrospinal meningitis and its relation to other tbrms of meningitis, Boston 1898. — s Jäger, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 19, 1895. — f> Ders., Deutsche med. Woch., 1899 u. Die Cerebrospinalmeningitis als Heeresseuche, Berlin 1901. — i»» Germano, Zeitsch. f. Hyg.. Bd. 24 u. 26, 1897. — 11 Heubner, Deutsche med. Woch., 1898 u. Jahrb. f. Kinderheilk., N. F., Bd. 94. — 12 Willy Müller, Deutsche med. Woch., 1897. — i3 Urban, Wiener med. Woch., 1897. — 14 Kamen, Centralbl. f. Bakt., Bd. 24. — i5 Hünermann, Zeitsch. f. klin. Med., Bd. 35. — IG Jäger, Die Cerebrospinalmeningitis als Heeresseuche, Berlin 1901. — " Scherer, Centralbl. f. Bakt, Bd. 17. — 1^ Heubner-Finkelstein. Deutsche med. Woch., 1896. — w Huber, ebd., 1897, Vereinsbeil., S. 79. — 20 Nolen, Eef. in Baumgartens Jahresber., 1897. — 21 Councilman, Mallory & Wright, Epidemie cerebrospinal meningitis and its relation to other forms of meningitis, Boston 1898. — 22 Schiff, Centralbl. f. inn. Med., 1898. — 23 Eyster, Journ. of the Americ. med Assoc., 1899. — 24 d'Astros & Engelhardt, Ref in Baumgartens Jahresber., 1900. — 25 Albrecht & Ghon, Wiener klin. Woch., 1901. — 26 Weichselbaum, Fortschr. d. Med., 1887. — 27 Frohmann, Deutsche med. Woch., 1897, Vereinsbeil., S. 107. — 2s Councilman, Mallory & Wright, 1. c. — 29 Schiff, 1. c. — 3o y. Stein, Zeitschr. f. Ohrenheilk., Bd. 32. — »i Gradwohl. Philadelphia monthly med. journ., 1899. — ^2 Albrecht & Ghon, 1. c. — 33 KiscHENSKY, Centralbl. f. Bakt., Bd. 7. — 34 a. Fränkel, Diskussion zum Vor- trag Heubners, Deutsche med. Woch., 1897, Vereinsbeil., S. 109. — 35 (j. Mayer, Münch. med. Woch., 1898. — 3fi Councilman, Mallory & Wright, 1. c. — 3'' Albrecht & Ghon, 1. c. — 38 Jäger. Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 19. — 39 Fronz, Wiener klin. Woch., 1897. — ^o Councilman, Mallory" & Wright, 1. c. — 41 Osler, Boston med. and surg. iourn. vol. 139, 1899 u. Brit. med. journ., 1899. — 42 Stephen SON, Ref in Baumgartens Jahresber., 1900. — 43 Winter.steiner, Wiener klin. Woch., 1901. — 44 Councilman, Mallory & Wright, 1. c. — 45 Jäger, Deutsche med. Woch., 1899. — 4r, Osler, 1. c. — 47 Eisenrath, Ref. in Baum- gartens Jahresber., 1899. — 48 Jäger, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 19, 1895 u. Deutsche med. Woch., 1899. — 49 Gradwohl, 1. c. — •'^9 Heubner, Deutsche med. Woch., 1897. — 51 Holdheim, ebd., 1896. — ^2 Lenhartz, Verhandlungen des 15. Kongr. f. inn. Med., 1897. — »3 Frohmann, 1. c. — ^4 Netter, Bull, et Mem. d. 1. soc. med. d. höp. de Paris, 1898. — 55 G. May'er, Verhandl. d. 15. Kongr. f. inn. Med. 1897. — 5f, Pfaundler, Beitr. z. klin. Med. u. Cbir., Wien, Brau- müller, 1899. — 57 Kr()N1g, Diskussion zu einem Vortrage Stadelmanns im Verein f. inn. Med., Deutsche med. Woch., 1899, Vereinsbeil., Nr. 29. — 58 Osler, I.e. — 5!j Kiefer, Berliner klin. Woch., 1896. — ™ Jundell, Ref in Baum- gartens Jahresber., 1898. — r.i Ritchie, The journ. of Path. and Bact. 1900. — 62 Neusser, Wiener klin. Woch., 1901. — fi3"BERNHEiM, Deutsche med. Woch., 1<)00. — fi4 C. Fränkel, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf, Bd. 31, 1899. — ('■' Haglund, Ref. im Centralbl. f. Bakt, Bd. 29. — f'« Scherer, 1. c. — ''' Heubner-Slavy-^k, Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer u. s. w. 283 Deutsche med. Woch., 1896, Vereinsbeil., S. 109. — f>8 Schiff, 1. c. — '"■'J Albrecht & Ghon, 1. c. — ™ JÄGER, Deutsche med. Woch., 1899. — ■?! Siedamgrotzky & Schlegel, Arch. f. wiss. u. prakt. Tierheilk., Bd. 22. — "- Johne, Deutsche Zeit- schrift f. Tiermed., Bd. 22. — -3 Ostertag. Berl. tierärztl. Woch., 190Ü. V. Das Vorkommen des Diplococcus pneumoniae bei Meningitis. Der Diplococcus pneumoniae gehört, sowie der Micrococcus me- ningitidis cerebrospinalis zu den häufigeren Erregern der Meningitis; nur findet er sich zum Unterschiede von dem letzteren nicht nur bei der primären, sondern auch bei der sekundären Meningitis, und zwar in letzterem Falle gewöhnlich bei jener Form, welche im Verlaufe einer Lobärpneumonie entsteht. Da dieses letztere Vorkommen schon in dem Abschnitte über Aetiologie der Pneumonie (p. 194) abgehandelt wurde, so haben wir uns hier nur mit dem Vorkommen des Diplococcus pneumoniae in den anderen Fällen von Meningitis, und zwar zunächst bei der primären Form der letzteren zu beschäftigen. Wie aus der Geschichte der Aetiologie der Meningitis (IL Ka- pitel) zu entnehmen ist, waren FoA & Bordoxi-Uffreduzzi ^ die ersten, welche den Diploc. pneum. bei primärer Meningitis cer. spin., und zwar während einer kleinen Epidemie, nicht nur mikroskopisch, sondern auch kulturell nachgewiesen hatten. Dieser Beobachtung folgten dann bald die Mitteilungen von Netter 2, von mir 3, von Neumaxn & Schäffer^, von GuARXiERi^, M0XT16, TizzoNi & MIRCOLI^ Ortmanx'^, Baxti^, Boxome'o, Holst & PruddexI', Klemperer's, Zörkexdörfer", vax Herweudex i-i, Flexner & Barker 15, Savai^, Maleschixii^, Grasset 1^, Paxiexski19, Qüadu2o, R1GH121, Henke 22 u. a. Mehrere dieser Mittei- lungen, wie die von Bonome, Flexxer & Parker, Sava, Maleschixi, Paxienski, Quadu, Eighi und Netter betrafen Fälle aus Epidemieen von Meningitis c. sp. Der Dipl. pneum. kommt bei der primären M. c. sp. sowohl in typischer als atypischer Form vor. Letztere wird sogar ziemlich oft beobachtet, und zwar äußert sich die Atypie am häufigsten in der Bildung von mitunter sehr laugen Ketten, sowohl in den Exsudaten, insbesonders der Hirnventrikel, als in Kulturen, wobei aber die Kokken rund oder länglich sind und entweder eine Kapsel haben oder ohne eine solche vorkommen können. Doch auch andere Abweichungen von dem typischen Verhalten des Dipl. pneum. sind beol)achtet worden, weshalb mehrere Autoren den von ihnen bei M. c. sp. gefundenen Coc- cus als eine besondere Varietät des Dipl. pneum. beschrieben und be- zeichneten. So hatte Fol, wie schon in dem Abschnitte über Aetiologie der Pneumonie angeführt worden war, den von ihm bei M. c. sp. gefundenen Coccus als Meningoccocus bezeichnet und als charakteristisch für ihn angegeben, dass er im Tierversuche bei subkutaner Injektion keine ört- lichen Veränderungen, sondern eine hochgradige Septikämie mit einem harten Milztumor hervorrufe und das Tier in ca. 3 Tagen töte. Von dieser Varietät trennte er noch eine Abart, den Streptococcus lance- 0 latus, welcher in Kulturen und im Organismus der Tiere Ketten bildet und Tiere in 18 — 20 Stunden tötet. Später gab aber Foa zu, dass zwischen seinem Meningococcus und dem Pneumoniecoccus keine scharfe Abgrenzung bestehe. 284 A. Weichselbaum, BoNOME war noch weiter ge^aug-en, indem er die während einer Meningitis-Epidemie gefundenen Kokken sogar als eine besondere Species auffasste und als Streptococcus der M. c. sp. epidemica bezeich- nete; sie unterschieden sich vom typischen Dipl. pneum. dadurch, dass sie nicht in Blutserum wuchsen und bei Mäusen keine intensive Septikämie erzeugten; im übrigen hatten sie eine runde oder ovale Form und waren zu zweien und in kurzen Ketten augeordnet. Bei der durch den Dipl. pneum. hervorgerufenen Meningitis findet man nicht selten noch eine akute Entzündung der Nebenhöhlen der Nase oder der Paukenhöhle, in deren Exsudat ebenfalls der Dipl. pneum. nachgewiesen werden kann. Gewöhnlich geht diese Entzündung der Meningitis voraus, und letztere entsteht dann durch Verschleppung des Dipl. pneum. von den genannten Schleimhäuten mittelst der zu den Subarachuoidalräumeu führenden Lymphbahnen ; nichtsdestoweniger wird diese Form von Meningitis gewöhnlich doch als primäre aufgefaßt. Sowie bei der durch den Dipl. pneum. verursachten Form von Lobär- pneumonie der Entzündungserreger nicht selten in das Blut übergeht, so dürfte dies auch ))ei der primären Pneumoniekokkeu-Meningitis der Fall sein, obwohl hierüber bisher nur sehr spärliche Beobachtungen vorliegen. Quadu behauptet, in seinen Fällen den Dipl. pneum. nicht bloß im Blute sondern auch, ebenso wie Kighi, im Harne und in den Faeces nachgewiesen zu haben; Klempeker fand ihn im Inhalte von Herpesbläschen. Auch ein Fall von intrauteriner Uebertragung des Dipl. pneum. auf den Fötus (während einer Meningitis) wird in der Litteratur angeführt, indem van Herwerden bei einem neugeborenen Kinde einer an M. c. sp. erkrankten Frau nicht nur die gleiche Krank- heit konstatierte, sondern bei der Sektion dieses Kindes im meningitischen Exsudate auch den Dipl. pneum. auffand. Was das Vorkommen des Dipl. pneum. bei der sekundären Menin- gitis betrifft, so ist es nicht immer leicht zu entscheiden, ob der neben der Meningitis vorhandene Entzüudungsprozeß die primäre Erkrankung ist oder aber die erstere, oder ob nicht etwa beide zu gleicher Zeit ent- standen sind. Zu der sekundären Meningitis können die Fälle von Netter 23^ A. Fränkel24 und Ellerhoest^^^ sowie von Ortmann & Samter 26 gerechnet werden; in allen diesen Fällen Avar eine durch den Dipl. pneum. verursachte Meningitis nach Fraktur der Schädelbasis ent- standen, d. h. dadurch, dass von der Mund- oder Nasenhöhle aus der Dipl. pneum. nach der Frakturstelle verschleppt wurde, woselbst er sich nicht nur vermehrte, sondern weiterhin auch die Hirnhäute infizierte. Auch ein weiterer Fall von Ortmann & Samter gehört hieher, in welchem nämlich nach Operation eines exulzerierten Sarkom der Nasen- höhle eine durch den Dipl. pneum. verursachte Meningitis aufgetreten war; der genannte Coccus konnte schon vor der Operation in der Nasen- höhle nachgewiesen werden. Fälle von Pneumoniekokken-Meningitis sind aber auch bei gleich- zeitigem Bestehen von Endocarditis (Rendu & Bulloche^^) oder von Pleuritis (Bonome^s) oder von Peritonitis (Barbacci^o) oder von Endocarditis und Peritonitis (Bakbacci 1. c.) oder von Enteritis, Peritonitis und Pleuritis (Babes & Oprescu^o) beobachtet worden. In dem von Bonome beschriebenen Falle wurde eine dem typischen Dipl. pneum. zwar in vielen Punkten sehr ähnliche Kokkenart aufge- funden, welche aber auch auf Kartoffeln wuchs und auf Gelatine und Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer u. s. w. 285 in Fleischbrühe sogar besser gedieh als auf Agar ; Bonomc nannte sie Pseudodiplococcus pnenmouiae. Misch- oder Sekundär-Infektionen bei der durch den Dipl. pneum. verursachten Meningitis sind bisher nur sehr selten beobachtet worden und zwar, wenn wir von der schon früher besprocheneu Kom- bination des Dipl. pneum. mit dem Micrococcus men. c. sp. absehen, vonMoNTi3i, Netter (1. c.) und von Paniexski (1. c); dieselben fanden als 2. Bakterienart den Staphylococcus pyogenes, nur war in dem von Panienski beschriebenen Falle der Dipl. pneum. wahrscheinlich schon abgestorben. Was noch die Frage betrifft, ob der Pneumoniekokkeu-Meniugitis ein eigenartiger anatomischer und klinischer Charakter zukommt, so sind wir gegenwärtig nicht imstande, eine präzise Antwort zu geben. Netter 32 hatte zwar behauptet, dass die eben genannte Meningitis durch eine besondere Beschaffenheit des Exsudates charakterisiert sei, und dass ferner in ähnlicher Weise wie bei anderen durch den Dipl. pneum. er- zeugten Entzündungen die Schwere des Prozesses eine geringere und auch der Verlauf ein kürzerer sei. In letzterer Beziehung besitze ich keine maßgebenden Erfahrungen; nur das eine scheint sicher zu sein, dass, wie schon an einer anderen Stelle hervorgehoben wurde, der durch den Microc. men. c. sp. erzeugte Prozess viel mehr Tendenz zur Chroni- zität zeigt als die Pneumoniekokken-Meuingitis. Ob, wie von einer Seite behauptet wird, bei ersterer auch häufiger Heilungen vorkommen, muss aber vorläufig noch unentschieden bleiben, bis nicht zahlreichere und verlässlichere Untersuchungen vorliegen. Bezüglich der Beschaffenheit des Exsudates konnte ich bisher keinen Unterschied zwischen den eben genannten Formen von Meningitis wahr- nehmen. Auch die Frage, ob die sog. primäre M. c. sp. häufiger durch den Micrococcus men. c. sp. oder durch den Dipl. pneum. hervorgerufen wird, lässt sich dermalen noch nicht mit Bestimmtheit beantworten. Marchal33 hat zwar auf Grund einer Zusammenstellung berechnet, dass bei der sporadischen und epidemischen M. c. sp. zusammengenommen der M. m. in 69,2 X, der Dipl. pneum. in 20,8^ und andere Bakterien in 10 X der Fälle vertreten Avaren,während bei der primären spora- dischen M. c. sp. allein der M. m. in 50,5 X, der Dipl. pneum. in etwas über 42 ^ und andere Bakterien in etwas über 1 % der Fälle, und bei der epidemischen M. c. sp. allein der M. m. in 73,4^', der Dipl. pneum. in etwas über 16 % und andere Bakterien in 10,5 % der Fälle vorkamen. Es ist aber klar, dass diese Berechnungen nur einen vor- läufigen Wert besitzen, und dass erst aus einer viel größeren Reihe von Untersuchungen richtige Schlüsse gezogen werden können. Litteratur. 1 FOA & Bordoni-Uffreduzzi, Deutsche med. Woch., 1886. — - Netter, Arch. gen. de med., 1887; France med.. 1889; Arch. de med. exper., 1890; BuU. et Mem. d. 1. soc. med. d. hup. d. Paris, 13. et 20. mai et 22. juillet 1898; ibid., 1899. 3 Weichselbaum, Fortschr. d. Med., 1887 n. Wiener klin. Woch., 1888. — * Neu- mann & ScHÄFFER, Virch. Arch., Bd. 109, 1887. — 5 Guarnieri, Atti d. E. accad. med. di Eoma, 1888. — c Monti, Eif. med., 1888. — ' Tizzoni & Mircüli, Eivista Clin., 1888. — Ortmann, Arch. f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 24, 1888. — ^ Banti, Lo Sperim., 1889. — w Bonome, Arch. p. 1. scienze med. vol. 63 u. Zieglers Beitr. z. path. Anat., Bd. 8. — " Holst & Prudden, Proc. of New York Path. Soc, 1890. — 1- Klemperer, Berl. klin. Woch., 1893. — i3 Zörkendorfer. Prager med. Woch., 1893. — 14 VAN Herwerden, Eef. in Baumgartens Jahresber., 1893. — i^ Flexner 286 A. Weichselbaum, & Barkek, Bnll. of John Hopkins Hosp., 1893. — le Sava, Die epidem. Cere- brospinalmeningitis in Griechenland (griechisch), Athen 1893. — i' Maleschixi, Lo Sperim., 1894. — i« Grasset, La Sem. med., 1894. — w Panienski, Deutsche militärärztl. Zeitschr., 1895. — -o Quadü, Riforma med., 1895. — ^i Kkjhi, ibid., 1895. — -- Henke, Arb. a. d. path.-anat. Inst, zu Tübingen, Bd. 2, Braunschweig 1896. — -^3 Nettek. Sem. med., 1890. — 24 A. Fhänkel, Wiener klin. Woch., 189U. — -5 Ellerhorst. Ref. in Baumgartens Jahresber., 1890. — -^' Ortmann & Samter, Virch. Arch.. Bd. 120, 1890. — ^^ Rendu & Bulloche, Gazz. d. hup.. 1891. — 28 Bonome, Centralbl. f. Bakt., Bd. 4., 1888. — 20 Barbacci, Lo Sperim., 1892. — 30 Babes & Oprescu, Ann. d. Tinst. de path. et bact., Bukarest 1893. — ai Monti, Rif. med., 1889. — 3^ Netter, Arch. de med. exper., 1890. — 33 Marchal, üeber die bakteriologische Aetiologie der Men. cer. spin. Diss., Strassburg 1901. VI. Das Vorkommen des Streptococcus pyogenes und des Staphylococcus pyogenes bei Meningitis. Ueber das Vorkommen des Streptocoeciis pyogenes bei nn- zweifelhaft primärer Meningitis liegen bisher nur sehr spärliclie Mit- teilungen vor, welche überdies nicht ganz eindeutig >sind; das gleiche gilt bezüglich des Staphylococcus pyogenes. Im II. Kapitel (Geschichtliches über die Aetiologie der Meningitis) sind bereits die diesbezüglichen Mitteilungen Krauses, Bantis-. sowie Neu- manns & ScHÄFFERS erwähnt worden. Außer diesen sind noch Publi- kationen von MiRCOLii, Rendu2 sowie von Josias & Netter 3 anzu- führen. MiRCOLi giebt an, dass er in einer unter Kindern aufgetreteneu Meningitis-Epidemie bei der Sektion einen serösen Erguss in die Hirn- ventrikeln konstatieren und aus diesem eine große Menge von Strepto- kokken und Staphylokokken kultivieren konnte, woraus er dann schloss, dass die genannten Kokken die Erreger der Meningitis gewesen seien. Da aber aus diesem Befunde durchaus nicht hervorgeht, dass in den betreffenden Fällen thatsächlich eine Meningitis bestanden hatte, so ist auch die Schlussfolgerung anzufechten. Rendu führt an, dass er in einem Falle von typischer M. c. sp. einen Coccus kultivierte, welcher in allen seinen Eigenschaften dem Streptococcus pyogenes glich; er bildete kurze Ketten von 5 — 6 Gliedern, färbte sich nach Gram, wuchs auf Gelatine und war zwar nicht für Mäuse, wohl aber für Kaninchen pathogen. Nütter bemerkte anlässlich der Mitteilung dieses Falles, dass er seihst aus seiner Erfahrung mir 2 gleiche Fälle kenne. Diesen Angaben gegenüber ist aber darauf auf- merksam zu machen, dass, Avie schon an einer anderen Stelle erwähnt worden war, bei primärer M. c. sp. eine Varietät des Dipl. ]ineum. ge- funden werden kann, welche große Aehulichkeit mit dem Strept. pyog. besitzt; es müsste daher in Zukunft in analogen Fällen sehr genau und mit allen Hilfsmitteln untersucht werden, ob der gefundene Coccus that- sächlich ein echter Strept. pyog. ist oder nicht. Ferner haben Josias & Netter ^ über einen im Verlaufe der Pariser Epidemie von M. c. sp. (aus dem Jahre 1898) aufgetretenen Fall von anscheinend primärer Meningitis berichtet, in welchem der Staph. pyog.. aur. allein nachgewiesen wurde. Doch aucli diese Beobachtung ist nicht vollständig beweisend, weil die Meningitis bloß als eine an- scheinend primäre bezeichnet wurde, und weil ferner die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, dass in dem betreffendem Falle, welcher einen längeren Verlauf genommen hatte, der eigentliche Erreger, sei es der Dipl. pneum. oder der Microc. m. c. sp., bereits abgestorben war. Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer u. s. w. 287 Aus alledem geht hervor, dass wir die Frage nach dem Vorkommen des Strept. und Staph. pyog'cnes bei unzweifelhaft primärer Meningitis als eine noch nicht ganz sieher entschiedene hinstellen müssen. Dagegen können die genannten Bakterien bei der sekundären Meningitis ziemlich häufig augetrotfen werden und zwar entweder die eine oder die andere Species oder beide zusammen oder in Gesell- schaft mit den schon früher angeführten Meningitis-Erregern oder anderen*) pathogenen Bakterien. Es handelt sich hierbei gewöhnlich um solche Fälle von sekundärer Meningitis, in welchen der Primärpozess durch die eine oder andere der oben genannten Kokkenarten hervorgerufen wurde, oder zum Primärprozesse eine Sekundärinfektion mit diesen Bakterien hinzugetreten war. Hierher gehören die Fälle von Meningitis nach Otitis media (Le Gendre & Beaussenat-^, Kirchners u. a.), nach Tonsillitis (Beck^), nach Erysipelas faciei (Patoir^), nach Pneumonie (Josias & Netter 1. c), Endocarditis, Pyämie, nach Verletzungen am Schädel u. s. w. Auch bezüglich der durch die sog. Eiterkokkeu verursachten Menin- gitis muss bemerkt Averden, dass wir, wenigstens auf Grund der bisher vorliegenden Untersuchungen, nicht behaupten können, es käme ihr ein spezifisch anatomischer oder klinischer Charakter zu. Litteratur. 1 MiRCOLi, II Policlinico, 1894. — - Eendu, La Sem. med., 1899. — 3 JosiAS & Netter, Kef. in Bauuigartens Jahresber., 1899. — ^ l^, Gendre & Beaussenat, La Sem. med., 1892. — 5 Kirchner, Berl. klin. Wocb., 1893. — o Beck, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 15, 1893. — '^ Patoir, Ref. in Baumgartens Jahresber., 1897. VII. Das Vorkommen des Bacillus pneumoniae und des Bacillus coli communis bei Meningitis. Der Bacillus pneumoniae ist bisher nur bei sekundärer Me- ningitis aufgefunden worden, und zwar liegen Mitteilungen hierüber vor von Netter 1, Mills 2, CanoxS, Dmochowski^, Etienne^ Chiari«, HoNL^, HoNL & Pesina^, Brunxer^, JasniggerI" und Sachs ^i. In den meisten Fällen war der Ausgangspunkt der Meningitis eine Ent- zündung des Mittelohrs oder der Nebenhöhlen der Nase gewesen; in den übrigen Fällen hatte eine Pneumonie oder eine Entzündung der Harn- oder Geschlechtsorgane, bez. eine Pyämie, bestanden. Dem ist noch hinzuzufügen, dass in einem erst vor kurzem in meinem Institute zur Beobachtung gekommenen Falle als Primärprozess eine eiterige Tonsillitis konstatiert wurde. Bemerkenswert ist noch, dass in zwei der früher angeführten Fälle (Dmochowski, Sachs) außer der Meningitis noch ein Hirnabszess vorgefunden, und dass in einem anderen Falle (HoNL et Pesixa) nebst dem B. pneumoniae noch der Bac. pyocyaneus nachgewiesen werden konnte; in allen übrigen Fällen war aber das erstgenannte Bakterium der ausschließliche Erreger der Meningitis "und des Primärprozesses. *) CouNCiLMAN und seine Mitarbeiter erwähnen eines Falles, in welchem neben dem Staph. pyog. der Bac. pyocyaneus gefunden wurde. 288 A. Weichselbaum, Was das Exsudat bei der durch den B. pueum. verursaebteu Menin- gitis betrifi't, so hatte schon Netter hervorg-ehoben, dass dasselbe eine viscöse Beschati'enheit habe; diese Beobachtung konnte in einem der von Sachs in meinem Institute untersuchten Fälle bestätigt werden. Auch der Bacillus coli communis scheint nur bei sekundärer Meningitis vorzukommen, lieber dieses Vorkommen finden sich die ersten Angaben bei Macaigne^^ zusammengestellt, nur sind dieselben nicht durchwegs beweisend. Von späteren Mitteilungen sollen hier nur die von Howard 13, Stern i^, Scherer i5, Heubxer'^ und Goldreich ^^ angeführt werden. Relativ häufig wurde die durch den B. coli hervor- gerufene Meningitis bei Säuglingen beobachtet; in einem von Gold- reich beschriebenen Falle handelte es sich sogar um ein 2 Tage altes Kind. Als Primärprozess kommen Entzündungen des Mittelohrs Scherer), der Gallenwege (Stern), der Eespirationsorgane (Goldreich), des Ver- dauungstraktes (Heubner), der Harnwege u. s. w. in Betracht. In dem GoLDREiCHScheu Falle war durch Aspiration von Fruchtwasser zuerst eine Bronchitis und von dieser aus erst eine Meningitis entstanden, während die Otitis, welche bei Säuglingen relativ oft den Ausgangspunkt einer sog. Coli-Meningitis bildet, nach Scherer durch Eindringen von häutig durch B. coli verunreinigtem Badewasser in die Mundhöhle und den äußeren Gehörgang herbeigeführt werden soll. In einem in meinem Institute von Ghon & R. Müller untersuchten Falle von Coli-Meningitis war der Ausgangspunkt eine Nabeleiterung (bei einem 9 Tage alten Kinde] ge- wesen. Litteratur. 1 Netter, France med.. 1889 u. Arch. de med. exper., 1890. — - Mills, Eef. im Centralbl. f. Bakt, Bd. 12, 1892. — 3 Canox, Deutsche med. Woch., 1893. — 4 Dmochowski, Centralbl. f. Bakt., Bd. 15, 1891. — 5 Etienxe, Arch. de med. exper., 1895. — 6 Chxari, Prager med. Woch., 1895. — ? Honl, Lubarsch & Ostertags Ergebnisse d. allg. Path. u. s. \v., 1896. — § Honl & Pesixa, ibid., 1896. — 9 Brunner, Münch. med. Woch., 1896. — lo Jasnigger, Centralbl. f. Bakt., Bd. 30, 1901. — 11 Sachs, Wiener klin. Woch., 1901 u. Zeitschr. f. Heilk., 1902. — 1- Macaigne, Le bact. coli commune, son role dans la pathologie, These. Paris 1892. — 13 Howard, Bull, of Johns Hopkins Hosp.. 1892. — n Stern, Deutsche med. Woch., 1893. — is Scherer, Jahrb. f. Kinderheilk., Bd. 39, 1895. — 1^' Heubner, Berl. klin. Woch., 1895, S. 594. — i' Goldreich, Jahrb. f. Kinder- heilkunde, 1902. VIII. Das Vorkommen des Bacillus influenzae, des Bacillus typhi abdominalis, des Bacillus mallei und des Bacillus pestis bei Meningitis. Den genannten Bazillen ist bezüglich ihres Verhältnisses zur Menin- gitis gemeinsam, dass sie bisher nur bei sekundärer Meningitis gefunden wurden, und zwar nur bei solchen MeuiDgitiden, welche im Verlaufe der durch die betreffende Bazillenart erzeugten Grundkrankheit aufgetreten waren. Ueber das Vorkommen des Bacillus influenzae bei Meningitis liegt bereits eine Reihe von Arbeiten vor, und zwar von A. Pfuhl \ A. Pfuhl & Walter 2, Nauwerk^, Högerstedt^, HAEDKE^ E. Frän- kel^, Slaw'YK^, Meüniers, Judson S. Bury^, Gioelli & Zuiolia^% Peuckerii, Langer 12^ Trailescui^ und Ghon^^. Freilich sind unter Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer u. s. w. 289 diesen Autoren einige, deren Beobachtungen, wie Giion erst kürzlieh darg-ethan hat, durchaus nicht als einwandfrei oder direkt als unrichtig bezeichnet werden müssen. Zu diesen gehört vor allem Pfuhl (bezw. Pfuhl & Walter), von welchem gerade die ersten und die meisten Beobachtungen über »Influenzameuingitis« herrühren; Pfuhl will ja die Intluenzabazillen sogar in Ganglienzellen (und in Pleuraschw^arten) ge- sehen haben! Aber auch die Beobachtungen von Nauw^erk und von JuDSON S. BuRY können nicht als beweisend augesehen werden. In jenen in der Litteratur beschriebeneu Fällen, in welchen die Untersuchungen in einwandfreier Weise geführt worden waren, fanden sich die Influenzabazillen im meniugitischen Exsudate entweder aus- schließlich, oder es waren neben ihnen noch andere Bakterien vorhanden, und zwar der Streptococcus und Staphylococcus pyogenes oder ein atypischer Diplococcus pneumoniae oder Fäulnisbakterien. In den betreflenden Fällen von Meningitis dürfte wohl immer eine Influenza- erkraukung und zwar die respiratorische Form derselben bestanden haben oder vorausgegangen sein, in deren Verlauf es dann zu einer Entzündung der Hirnhäute kam, w^obei als eigentlicher Ausgangspunkt der letzteren ein entzündlicher Prozess der Paukenhöhle oder der Nasen- höhle, bezw. der Nebenhöhlen derselben, oder der Lungen nachgewiesen werden konnte; auch bei den zuletzt genannten Prozessen fanden sich die Influeuzabazillen entweder allein oder in Gesellschaft mit jenen Bakterien, die auch im Exsudate der Meningitis vorgefunden worden waren. In anatomischer Beziehung zeigt die Influenzameningitis nichts Spezifisches; dagegen soll hervorgehoben werden, dass in dem von Laxger mitgeteilten Falle die Meningitis zur Ausheilung gekommen war. Auch über das Vorkommen des Bacillus typhi abdominalis bei Meningitis liegt eine stattliche Reihe von Arbeiten vor, und zwar von BALpis, Kamen 16, Fernet", Vincent i^ Hintzei^, Monsi & Carbone^o, Honl2i, Stühlen 22, Daddi23, Tictine24, Netter 25, Ohlmacher26, Boden 27, Hofmann 28 u. a. Gegen die älteren dieser Arbeiten, wie z. B. gegen die von Roux (Lyon med. 1880], könnte vielleicht der Einwand erhoben werden, dass in den ihnen zu Grunde liegenden Fällen die Identifizierung der gefun- denen Bazillen mit dem Typhusbacillus nicht in vollständig beweisender Art geschehen war; allein gegen die neueren Arbeiten lässt sich dieser Einwand nicht mehr aufrechterhalten. In den meisten der mitgeteilten Fälle war eiue ganz ausgesprochene Meningitis mit eiterigem Exsudate vorhanden, ebenso in einem Falle, welcher in meinem Institute einer genauen bakteriologischen Untersuchung unterzogen worden war. Nur in einigen Fällen, wie bei Tictine, Boden und Hofmann, hatte bloß eine »seröse« Meningitis bestanden, gegen deren Existenz übrigens, na- mentlich in dem Falle von Boden, einige Zweifel erhoben werden können; auch die Auffassung des letztgenannten Autors, dass die von ihm beobachtete '>Meniugitis« eine initiale Lokalisation des Typhus- bacillus darstellte, ist sehr anfechtbar. In den Fällen von Netter und von Boden wurde aus der Menin- gitis nebst dem Typhusbacillus noch der Staphylococcus pyog. aur. kultiviert. Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. III. 19 290 A. Weichselbaum, Sehr selten kommt eiue durch den Bacillus mall ei verursachte Meningitis vor; ein solcher Fall wurde von Tedesciii^ö beschrieben, und auch ich hatte Gelegenheit, eine Rotz-Meningitis zu untersuchen. Ueber das Vorkommen des Bacillus pestis bubonicae bei Menin- gitis haben zuerst Albrecht & Ghon^o berichtet, und zwar handelte es sich um einen Fall von Bubonenpest mit metastatischen Lungenabszesseu, in welchem der Tod erst relativ spät eingetreten war; das meniiigitische Exsudat hatte eiterigen Charakter. Weiter berichtete die deutsche Pestkommission ^i über drei obduzierte Fälle von Meningitis bei Bubonenpest, in welchen aber in den inneren Hirnhäuten bloß eine »sulzige«, bezw. »gelblich-trübe«, Flüssigkeit vor- gefunden wurde, während in den Seitenveutrikeln eine seröse, gelbliche, klare Flüssigkeit angesammelt war. Aus dieser Beschreibung erhellt daher nicht mit voller Sicherheit, ob in den betreffenden Fällen wirklich eine Meningitis vorgelegen war, weshalb es auch noch dahingestellt bleiben muss, ob bei der durch den Pestbacillus verursachten Meningitis das Exsudat auch ein einfach »seröses« sein kann. Litteratur. ♦ 1 A.Pfuhl, Berl. klin. Woch., 1892; Deutsche med. Woeh., 1895; Deutsche militärärztl. Woch.. 1895; Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., 1897. — 2 A. Pfuhl & Walter, Deutsche med. Woch., 1896. — 3 Nauwerck, ebd., 1895. — * Högerstedt, St. Petersburger med. Woch., 1895. — 5 Haedke, Münch. med. Woch., 1897. — f' E. Fränkel, Zeitschr. f. Hj^g. u. Inf., 1898. — ^ Slawyk, Zeitschr. f. Hyg.. 1899. — 8 Meunier, Kef. in Sem. med., 1900. — 9 Judson S. Bury, Brit. med. journ., 1900. — w Gioelli & Zirolia, Ee£ im Centralbl. f. path. Anat., 1901. — 11 Peucker, Prager med. Woch., 1901. — 12 Langer, Jahrb. f. Kinderheilk., 1901. — 1'^ Trailescu, Ref in d. Münch. med. Woch.. 1902. — 1* Ghox, Wiener klin. Woch., 1902. — 15 Balp, Riv. gen. ital, 1890. — le Kamen, Internat, klin. Rundsch., 1890. — 17 Fernet, Bull, et Mem. d. 1. soc. med. d. hOp. de Paris 1891. — 1« Vin- cent, Mercredi med., 1892. — w Hintze, Centralbl. f. Bakt., Bd. 14, 1893. — 20 MoNSi & Carbone, Riforma med., 1893. — 21 Honl, Ref. im Centralbl. f Bakt., Bd. 14, 1893. — 22 Stühlen, Berl. klin. Woch., 1894. — 23 Daddi, Lo Sperim., 1894. — 24 Tictine, Arch. de med. exper., 1894. — 25 Netter, Bull, et m6m. d. 1. soc. med. d. hop. de Paris 1898. — 26 Ohlmacher, Bull, of the Ohio Hosp., 1898. 2' Boden, Münch. med. Woch., 1899. — 2s Hofmann, Deutsche med. Woch., 1900. — 29 Tedeschi, Virch. Arch., Bd. 130. — 30 Albrecht & Ghon, Denkschriften d. math. naturw. Klasse d. Akad. d. Wissensch. in Wien, Bd. 66, 1898. — 3i Bericht d. deutschen Pestkommission, Arb. a. d. kais. Gesundheitsamt. Bd. 16, 1899. IX. Das Vorkommen anderer, seltener oder nicht näher bestimmter Bakterien bei Meningitis. Hierher gehören zunächst der Micrococcus tetrageuus, welcher von Bezan^ün^ in einem Falle von eiteriger, auf den Sulcus Kolando und die Fossa Sylvii lokalisierter Meningitis, und der Bacillus pyo- cyaneus, welcher von Kussel^ bei einer im Anschlüsse an Otitis und Empyem der Highmorshöhle entstandenen Meningitis nachgewiesen wor- den war; das letztgenannte Bakterium konnte auch bei einer nach Nabeleiterung aufgetretenen Meningitis eines in meinem Institute ob- duzierten, 11 Tage alten Kindes von Ghon & R. Müller nachgewiesen werden. Weiters ist anzuführen der Bacillus der Gasphlegmone (E. Fränkel) oder des Gasbrandes (Hitscilaiann & Lindenthal), Avelchen Hitschmann & Lindenthal 3 in meinem Institute bei einer nach Schädel- Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer u. s. w. 291 fmktur eutstandeueu, eitri£>-en Meningitis als alleinig-eu Eutzündimgs- erreger nachzuweisen in der Lage waren. Ein anderes, in Größe und Form dem Influenzabacillus selir ähn- liches, obligates Anaer obion konnte erst kürzlich in meinem Institute von Ghon & Sachs im Exsudate einer nach Otitis media aufgetretenen Meningitis aufgefunden werden. Ferner kommt hier in Betracht die schon im IL Kapitel citierte Mit- teilung von Neumann & Schäffer über eine von ihnen bei primärer Meningitis nachgewiesene, dem Typhusbacillus sehr ähnliche, aber von demselben (sowie vom Bac. coli) sicher uuterscheidbare Bazillenart sowie die Mitteilung von Vincenzi^, welcher bei einer im Anschlüsse au Otitis media entstandenen Meningitis einen Coccus fand, der zwar mikro- skopisch dem Dipl. pneuni. glich, aber kulturell sich dadurch unter- schied, dass er schon bei 5" C gedieh, dass er auf Gelatine flache, bläu- lichweiße Kolouieen, in Fleischbrühe eine weiße, fettige Haut, auf Agar einen dünnen, weißlichen Ueberzug und auf Kartoffeln einen schmutzig- weißen, später rostfarbigen Käsen bildete und Milch zur Gerinnung brachte. Was dagegen die xingabe Züpniks ^ betrifft, dass er in einem Falle von Meningitis c. sp. in der Lumbalpunktionsflüssigkeit und bei der Sektion im meningitischen Exsudate gonokokkenähnliche, GRAM-negative Kokken gefunden hatte, welche auf keinem der von ihm benützten Nähr- böden wuchsen, weshalb er sie zwar zur Gruppe des Micrococcus men. c. sp. rechnete, aber doch als eine von diesem verschiedene, selbstän- dige Art auffasste, so ist zu bemerken, dass der von Zupnik gefundene Coccus trotz des negativen Kulturresultates mit dem M. m. identisch gewesen sein kann, weil dieser unter Umständen thatsächlich auf unseren künstlichen Nährböden nicht wächst. Es sind auch von einigen Autoreu (Engel- Reimers*^, Polozoff^) Fälle von Meningitis bei Gonorrhoe beschrieben worden, woraus die Möglichkeit des Vorkommens des Gono coccus bei Meningitis abgeleitet wurde; bisher liegen aber keine beweisenden, bakteriologischen Unter- suchungen vor. CouNCiLMAN und seine Mitarl)eiterS erwähnen einen Fall von Menin- gitis, in welchem der Bacillus anthracis der Krankheitserreger war; allein dieser Auffassung gegenüber ist zu bemerken, dass die durch den genannten Bacillus in den Hirnhäuten verursachten Veränderungen ge- wöhnlich nicht als Meningitis bezeichnet zu werden pflegen. Was schließlich die Befunde von Mircoli" und von Stadelmann ^^ betrifft, von denen ersterer in einem Falle von M. c. sp. aus dem Gehirne und Rückenmarke eine als Bacillus aerogeues meningitidis be- zeichnete Bakterienart kultivierte, und der letztere in einem Falle von eiteriger Meningitis einen aus der Lumbalpunktionsflüssigkeit gezüchteten Bacillus als den Krankheitserreger ansprach, so können dieselben wohl nicht als beweiskräftig angesehen werden. Litteratur. 1 BEZANg.ON, Sem. med., 1898. — 2 Rössel, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 16. — 3 Hitschmann & Lindenthal, Sitzgsber. d. kais. Akad. d. Wiss. in Wien, Bd. 103, 1899. — 4 ViNCENzi, Centralbl. f. Bakt., Bd. 27. — & Zupnik, D. med. Woch., 1899. — 6 Engel-Reimers, Ref. in Baumgartens Jahresber., 1892. — " Polozofp, ebd., 1892. — 8 Councilman, Mallory & Wright, Epidemie cerebrospinal meningitis and its relation to other forras of meningitis, Boston 1898. — '^ Mircoli, Eef. im Centralbl. f. Bakt., Bd. 12, 1892. — w Stadelmann. Deutsche med. Woch., 1899. 19* 292 A. Weichselbanm, X. Eingangspforten der Erreger der Meningitis und Ent- stehungsart der letzteren sowie ihrer Komplikationen. Was die Frage nach den Eingangspforten der Meningitis-Erreger betrifft, so kommt hierbei nur die sogenannte primäre Meningitis in Betracht, bei welcher, wie wir früher gehört haben, vornehmlich zwei Arten von Erregern eine Rolle spielen , der Microc. meu. c. sp. und der Dipl. pneum. Von letzterem wissen wir, dass er, wie es im Abschnitte über die Aetiologie der Pneumonie auseinandergesetzt wurde, schon unter normalen Verhältnissen sehr häufig oder vielleicht konstant in der Mund-, Rachen- und Nasenhöhle vorkommt, während wir von ersterem auf Grund der bisherigen Untersuchungen zwar nicht ganz das gleiche behaupten können, aber wenigstens die Möglichkeit des gelegentlichen Vorkommens dieses Coccus in der Nasen- und Rachenhöhle zugeben müssen. Da ferner die klinische Erfahrung lehrt, dass der primären Menin- gitis häufig eine akute Entzündung der Nasenhöhle vorausgeht, und die anatomische Untersuchung in mehreren Fällen von primärer Menin- gitis das Vorhandensein einer akuten Rhinitis gezeigt hat, welche man auf die Einwirkung des Dipl. pneum., bezw. des M. m., beziehen konnte, so erscheint die Annahme gerechtfertigt, dass die Nasenhöhle nicht nur eine Eingangspforte der genannten Erreger der Meningitis darstellt, sondern dass letztere auch in einen ursächlichen Zusammenhange mit einer durch den Dipl. pneum. oder M. m. hervorgerufenen Rhinitis ge- bracht werden könne. Diesen Zusammenhang kann man sich weiterhin so vorstellen, dass die Erreger des Rhinitis auf dem Wege der die Lymphgefäße der Nasenschleimhaut und jene der Piaischeide des N. olfactorius verbindenden Lymphbahnen in die inneren Hirnhäute ver- schleppt werden und sich daselbst vermehren. Die klinische und anatomische Beobachtung lehrt ferner, dass bei der sogenannten primären Meningitis nicht selten auch gleichzeitig eine recente Entzündung der Nebenhöhlen der Nase oder der Paukenhöhle besteht; auch zwischen dieser und der Meningitis kann in analoger Weise ein ursächlicher Zusammenhang angenommen werden, indem nämlich die Erreger der erstgenannten Entzündung, welche wieder der Dipl. pneum. oder der M. m. sein können, auf dem Lymphwege, der aller- dings noch nicht genau erforscht ist, in die Öubarachnoidalräume trans- portiert werden können. Auch ein Transport durch die Blutgefäße ist nicht auszuschließen, da z. B. zwischen den Venennetzen der Schleim- haut der Stirnhöhlen und jenen der Dura mater venöse Verbindungen bestehen. Schließlich können noch die normaler Weise in der oberen Wand der Paukenhöhle oder zwischen den Zellen des Processus mastoi- deus und der hinteren Schädelgrube vorkommenden Knochenlücken bei der Verschlepi)ung der erwähnten Entzündungserreger insoferne eine begünstigende Rolle spielen, als durch sie die Lymphgefäße der Mittel- ohrschleimhaut direkt mit dem Subduralraume in Verbindung gebracht werden. Die Entstehung der Entzündung der Nebenhöhlen der Nase oder der Paukenhöhle wäre selbstverständlich durch die Annahme zu erklären, dass die in Frage kommenden Entzündungserreger von der Nasen- oder Rachen höhle aus durch die bestehenden, normalen Kommunikations- wege in die erst genannten Höhlen gelangen. Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer u. s. w. 293 Wie oft auf die eben g-eschilderte Weise die sogenannte primäre Meningitis zustande Icommt, lässt sich vorläufig nicht einmal annähernd bestimmen. Jedenfalls muss gegenwärtig noch die Möglichkeit offenge- lassen werden, dass die gedachten Entzündungserreger auch auf anderen Wegen, also z. B. dadurch, dass sie durch Inhalation in die Lunge und weiterhin ins Blut gelangen, in die inneren Hirnhäute gebracht werden. So wie bei vielen anderen Infektionskrankheiten wird auch bei der Meningitis das bloße Hineingelangen von Entzündungserregern in die Hirnhäute gewöhnlich nicht genügen, um eine Entzündung hervorzurufen, sondern es müssen noch andere Hilfsursachen hinzutreten, welche man als Disposition bezeichnet; über dieselben sind wir aber noch wenig unterrichtet. Sicher scheint es zu sein, dass Traumen verschiedener Art hierbei eine Eolle spielen können. Handelt es sich um schwere Traumen, wie Fraktur, Stich-, Hieb- oder Schusswuuden des Schädels, so ist es uns leicht verständlich, dass die normaler Weise in der Nasen- und Rachen- höhle vorhandenen pathogeuen Bakterien an den verletzten Stellen sich vermehren und hierdurch eine Entzündung der letzteren verursachen können und weiterliiu von diesen Stellen per continuitatem oder durch Vermittlung der Lymph- oder Blutbahneu in die inneren Hirnhäute zu gelangen vermögen. Solche Beobachtungen liegen bezüglich der Infektion durch den Dipl. pneum. bereits vor, und ich verweise in dieser Beziehung auf die schon an einer anderen Stelle mitgeteilten Beobachtungen von Netter, A. Fränkel, Ellerhorst, Ortmann & Samter. Allein in den Fällen von der eben erwähnten Art muss man schon mehr von einer sekundären als primären Meningitis sprechen, nament- lich wenn an der Stelle der Verletzung eine ganz manifeste Entzün- dung sich entwickelt und die Meningitis sich nicht unmittelbar an das Trauma angeschlossen hat. Es können aber auch leichtere Traumen, wie Kontusionen des Schädels (durch Schlag, Stoß, Sturz) eine disponierende Rolle spielen in der Art, dass die von der Nasenhöhle aus an die Stelle der Ver- letzung gelangenden Entzündungserreger sich daselbst viel leichter zu vermehren imstande sind, als an ganz normalen Stellen, und dass sie von da aus, falls das Trauma nicht schon die Hirnhäute selbst auch betroffen hatte, in letztere und zwar in reichlicher Menge verschleppt werden können. Zu Gunsten dieser Ansicht können auch eine Reihe von klinischen Beobachtungen und Erfahrungen herangezogen werden. Es würde ferner unseren bisherigen Erfahrungen über die Verhält- nisse, unter welchen eine Vermehrung von pathogenen Bakterien im Organismus stattfinden kann, nicht widersprechen, anzunehmen, dass noch andere Noxen, wie Insolation, Erkältungen oder Alkoho- lismus, ein disponierendes Moment bei der Entstehung der Meningitis bilden, weil durch sie mehr oder minder bedeutende Zirkulations- störungen in den inneren Hirnhäuten gesetzt werden können, wodurch wieder die Vermehrung von dorthin gelangenden Bakterien begünstigt werden kann. Bei den bisher geschilderten Entstehungsarten ist von der Annahme ausgegangen worden, dass die Erreger der Meningitis immer oder sehr häufig oder wenigstens zeitweise in der Nasen- und Rachenhöhle sich aufhalten. Es entsteht nun die Frage, ob diese Erreger nicht schon in unserer Umgebung sich vorfinden und somit von dieser aus in die Nasen- oder Racheuhöhle gelangen können. 294 A. Weichselbaiim, Bezüglich des Dipl. pneum. wissen wir, dass er sich thatsäclilicli in unserer Umgebung- eine Zeit lang lebensfähig erhalten kann, und da er bis zu einem gewissen Grade der Austrocknung widersteht, auch mit eingeatmeten Staubpartikelchen in die Nasenhöhle gelangen kann, während der Microc. men. c. sp. infolge seiner geringen Wider- standsfähigkeit nur unter ganz besonderen Verhältnissen und wahrschein- lich auch dann nur ganz kurze Zeit außerhalb unseres Körpers zu existieren vermag, und da er durch Austrocknung zu Grunde geht, nicht mittels der Luft in die Nasenhöhle gelangen kann. Auf diese Weise scheinen der Infektion mit dem M. m. viel engere Grenzen gesetzt zu sein, als jener mit dem Di])l. pneum., außer wir nehmen in analoger Weise wie bei dem ebenfalls sehr wenig resistenten Influenzabacillus an, dass der M. m. auf der Schleimhaut des Kespirationstraktes, speziell auf jener der Nasenhöhle, saprophy tisch zu existieren vermag; zur Entschei- dung dieser Frage sind aber noch weitere Untersuchungen notwendig. Was die Entstehungsart der sekundären Meningitis betrifft, so sind die hierbei eine Rolle spielenden Verhältnisse besser gekannt und auch leichter verständlich. Im allgemeinen kann man sagen, dass die sekun- däre Meningitis auf diese Weise zustande kommt, dass eine irgendwo bestehende primäre Entzündung entweder per continuitatem oder auf lymphogenem oder auf hämatogenem Wege sich auf die inneren Hirnhäute fortpflanzt. Die Entstehung per continuitatem wird möglich sein bei Hirn- abszessen oder Entzündungen der Dura mater. Die lymphogene Ent- stehung kann beobachtet werden bei Entzündungen der Weichteile oder Knochen des Schädels, bezw. bei Entzündungen in der Schädelhöhle und in den sonstigen Höhlen des Kopfes. In letzterer Beziehung ist zunächst die akute oder chronische Entzündung des Mittel oh rs zu nennen, weil von hier aus ziemlich häufig die Entzündungserreger auf lymphogenem Wege in die inneren Hirnhäute verschleppt werden und zwar unter Ver- mittlung jener Bahnen, welche wir schon früher skizziert haben. Weiter kommt in Betracht die Entzündung der Nebenhöhlen der Nase, von welchen die Ausbreitung der Entzündung in ähnlicher Weise erfolgen kann, wie wir es schon bei der primären Meningitis ange- geben haben. Trotz dieser Gleichheit in der Ausbreitung der Entzün- dung pflegt man aber doch von einer sekundären Meningitis zu sprechen, wenn die primäre Entzündung bereits eine gewisse Zeit ge- dauert hat und als ein mehr selbständiger Prozess hervorgetreten ist. Auch Entzündungen in der Orbita können, wenn auch selten, auf lymphogenem Wege zu einer Meningitis führen. Bei den bisher angeführten Entzündungen ist eine Ausbreitung auch per continuitatem möglich, wenn nämlich der Prozess, wie es bei einem mehr chronischem Verlaufe vorkommen kann, von den Weichteileu der genannten Höhlen zunächst auf die Knochenwandungen derselben und weiterhin auf die Dura mater und schließlich auf die inneren Hirnhäute übergreift. Von sonstigen Entzündungen im Bereiche des Schädels wären noch die Tonsillitis, das Erysipel, die Phlegmone, der Karbunkel, die Periostitis und Osteomyelitis zu nennen, welche auf lymphoge- nem Wege eine sekundäre Meningitis verursachen können, aber viel seltener als die früher angeführten Prozesse. Was die hämatogen e Entstehung der sekundären Meningitis be- trifft, so kann dieselbe mitunter schon bei den zuvor aufgezählten Ent- Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer u. s. w. 295 züuduDgeu beobachtet werden, und zwar gewöhnlich in der Weise, dass im Bereiche des primären Entzündungsherdes eine Thrombophlebitis sich entwickelt, welche dann den gleichen Prozess in einem der Sinns (Sinns transversus, Sinus caroticus u. s. w.) der Dura mater und schließlich eine Meningitis nach sich zieht. Eine hämatogene Entstehung muss aber auch für viele jener Fälle angenommen werden, in welchen eine Meningitis im Verlaufe eines nicht auf den Schädel lokalisierten Prozesses sich entwickelt. Einen solchen Prozess stellt zunächst die Pneumonie und die Endocarditis dar. Bei ersterer kann die Meningitis allerdings auch in anderer Weise entstehen, nämlich dadurch, dass sich an die Pneumonie zunächst eine Entzündung der Paukenhöhle oder der Nebenhöhlen der Nase anschließt, und diese erst in einer schon früher besprochenen Weise zur Meningitis fuhrt; in den übrigen Fällen von Meningitis bei Pneumonie wird man wohl eine hämatogene Entstehungsart der ersteren annehmen müssen. Die gleiche Entstehung ist für die im Verlaufe einer Endocarditis auftretende Meningitis anzunehmen, insbesondere in jenen Fällen, in welchen zu- nächst eine Embolie einer Hirnarterie, zumeist der A. fossae Sylvii, und dann erst die Meningitis sich ausbildet; desgleichen ist sie anzunehmen für die im Verlaufe einer Pyämie auftretende Meningitis. Auch bei Typhus abdominalis und Pest wird die genannte Entstehungsart Gel- tung haben: nur bei der Influenza-Meningitis wird wieder die lympho- gene Entstehung häufiger in Betracht kommen, weil der Ausgangspunkt dieser Meningitis gewöhnlich eine Entzündung der Paukenhöhle oder der Nasenhöhle, bezw. der Nebenhöhlen derselben, zu sein pflegt. Hinzuzufügen ist noch, dass die sekundäre Meningitis nicht immer durch die ursprünglichen Erreger der Grundkraukheit, sondern mitunter durch solche Bakterien erzeugt wird, welche erst während des Verlaufes des Primärprozesses auf dem Wege der Sekundärinfektion in die erkrankten Gewebe gelangten, und dass ferner auch bei der Entstehung der sekundären Meningitis außer der Einschleppung der Mikroorga- nismen noch disponierende Momente wirksam sein können. Was die Entstehungsart der Komplikationen der Meningitis be- trifft, so ist zunächst zu unterscheiden, ob letztere durch den Erreger der Meningitis oder durch andere Bakterien hervorgerufen werden. In ersterem Falle kommen bei der durch den Microc. men. c. sp. erzeugten Form von Meningitis die Rhinitis (incl. der Entzündung der Neben- höhlen der Nase), die Otitis media, die Arthritis, die Bronchitis und die Pneumonie in Betracht. Die beiden erstgenannten Prozesse stellen aber, wie wir schon früher gehört haben, gewöhnlich keine sekundären Komplikationen, sondern den Ausgangspunkt der Meningitis dar, obwohl es, wie schon Council- MAN und seine Mitarbeiter betonen, nicht ausgeschlossen ist, dass sie in dem einen oder anderen Falle erst nach der Meningitis entstehen; in letzterem Falle könnte dann auch eine Verschleppung der Erreger der Meningitis auf lymphogenem Wege, nur in umgekehrter Richtung, an- genommen werden. Die Entstehung der Arthritis wird wohl immer auf hämatogeuem Wege erfolgen, und was die Pneumonie und Bronchitis betrifft, so ist es noch fraglich, ob dieselben wirklich durch den M. m. hervor- gerufen werden; würde letzteres der Fall sein, so könnte dieser Coccus entweder von den entzündeten Hirnhäuten aus auf hämatogenem Wege 296 A. Weicliselbauin, oder von seinem ursprünglichem Aufeutlialtsnrte, der Nasenhöhle, durch Inhalation in die Bronchien und Lungen gelaugt sein. Ist aber die Bronchitis und Pneumonie als Ausdruck einer Sekun- därinfektiou durch die gewöhnlichen Pueumonieerreger aufzufassen, so werden letztere wohl immer oder fast immer aus den oberen Luftwegen durch Inhalation in die Lunge gelangt sein, woselbst sie sich infolge der vielleicht durch die Grundkrankheit herabgesetzten, baktericiden Fähig- keit des Luugengewebes zu vermehren imstande waren. Bezüglich anderer durch Sekundärinfektion erzeugten Kompli- kationen, die ja im allgemeinen recht selten sind, Avird zu vermuten sein, dass das Eindringen der die Sekundäriufektion verursachenden Bakterien wahrscheinlich durch ähnliche Momente veranlasst oder be- günstigt wird, wie sie für die Sekundäriufektiouen bei anderen Infek- tionskrankheiten angenommen zu werden pflegen. Die bisherigen Bemerkungen gelten im großen und ganzen auch für die Entstehungsart der sowohl bei der Pneumoniekokkeu- Menin- gitis als bei der sekundären Meningitis vorkommenden Komplikationen. XI. Uebertragbarkeit und epidemisches Auftreten der Meningitis. Hiebei kommt selbstverständlich nur die sog. primäre Meningitis, also jene Form in Betracht, welche gewöhnlich (oder vielleicht immer) durch den Microc. men. c. sp. oder durch den Dipl. pneum. verursacht wird. Für die Uebertragbarkeit dieser Krankheit sind zwei Fragen von Wichtigkeit: 1. in welcher Weise gelangen die eben erwähnten Bakterien aus dem erkrankten Körper nach außen, und 2. können sie sich in der Außenwelt lebensfähig erhalten oder sich sogar vermehren? Bezüglich des 1. Punktes ist für den M. m. zu wiederholen, dass er bisher in einwandfreier Weise nur in einem Exkrete nachgewiesen werden konnte, nämlich im Sekrete der Nasenhöhle, und zwar nicht bloß bei Meningitiskranken, sondern auch bei Personen, die frei von dieser Krankheit waren. Daraus folgt, dass der genannte Coccus nur mit dem erwähnten Sekrete nach außen gelangen kann. Da wir aber nicht wissen, ob der M. m. häufig oder gar konstant in der Nasenhöhle gesunder Menschen vorkommt, so können wir auch nichts Bestimmtes über die Häufigkeit aussagen, mit welcher er in die Außenwelt gelangt. Was die 2. Frage betrifft, so dürfen wir auf Grund der bisherigen, einwandfreien Untersuchungen behaupten, dass der M. m. in der Außen- welt sich keinesfalls vermehren kann, dass er aber auch nicht längere Zeit sich lebensfähig zu erhalten vermag, vielleicht am ehesten noch an feuchten und dunklen Orten, und dass er im eingetrockneten Zustande nicht übertragungsfähig ist. Daraus folgt, dass die Uebertraguug und Ausbreitung der durch" den M. m. verursachten Meningitis an ziemlich eng gezogene Grenzen gebunden sein wird. Ihre Uebertraguug auf andere Personen wird also nur durch das nicht eingetrocknete Nasensekret Meningitiskranker oder anderer Personen, falls es den betreffenden Coccus enthält, bezw. nur durch solche Objekte (Sacktücher und andere Wäschestücke, Kleider u. s. w.) möglich sein, welche durch ein derartiges Sekret verunreinigt sind. Da wir ferner bis nun für den M. m. keine anderen Eingangspforten als die Nasenhöhle kennen, so müssen wir bezüglich seiner Ueber- Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer u. s. w. 297 tragimg' noch aunelimen, dass das ihn enthaltende Sekret direkt oder durch Vermittlung- geeigneter Vehikel mit der Nasenhöhle anderer Personen in Kontakt kommen müsse. Eine Uehertragung mit Luftstäub- chen ist ausgeschlossen, dagegen eine Uehertragung durch feinste Se- krettröpfchen, wie sie durch Verstcäubung des Nasensekretes heim Niesen, Schnauben, Husten und dergleichen entstehen können, ganz gut möglich. Etwas anders liegen die Verhältnisse bei der durch den Dipl. pneum. verursachten Form von Meningitis. Erstens kommt dieser Coccus schon normaler Weise im Sekrete der Mundhöhle und der oberen Luftwege vor und gelangt daher auch sehr häufig in unsere Umgebung, und zweitens kann er sich in der Außenwelt zwar auch nicht vermehren, aber selbst im eingetrocknetem Zustande eine gewisse Zeit lebensfähig erhalten. Es würde also dem Gesagten zufolge die Uehertragung der durch den Dipl. pneum. verursachten Meningitis viel leichter und häufiger erfolgen müssen, als jene der durch den M. m. verursachten Form. Ob es sich aber in Wirklichkeit auch so verhält, vermögen wir vor- läufig nicht anzugeben, da wir nicht einmal über die Häufigkeit des Vorkommens der durch den Dipl. pneum. und der durch den M. m. verursachten primären Meningitis überhaupt genauer unterrichtet sind. Uebrigens kommt für die Entstehung der beiden genannten Formen noch ein anderer Modus in Betracht. Da die Erreger derselben, insbesonders der Dipl. pneum., schon normaler Weise in der Nasenhöhle vorhanden sind oder vorhanden sein können, so folgt daraus, dass die erwähnten beiden Formen von Meningitis auch entstehen können, ohne dass vorher eine Uehertragung des Kraukheitskeimes stattgefunden hatte, eine Entstehungsart, welche man Auto Infektion nennen kann. Freilich sind wir auch darüber noch völlig im unklaren, ob diese Art von In- fektion oder die Infektion durch Uehertragung die häufigere ist. Nur die Frage, warum trotz der für eine Infektion unseres Organis- mus mit dem Dipl. pneum. anscheinend so günstigen Verhältnisse viel häufiger eine Pneumonie als eine Meningitis entsteht, können wir beant- worten und zwar mit dem Hinweise, dass der Dipl. pneum. viel leichter in die Lungen gelangen kann, als in die inneren Hirnhäute, und dass er in ersteren vielleicht auch eher die Bedingungen für seiue Vermehrung findet als in letzteren. Was nun das epidemische Auftreten der Meningitis betriff"t, so haben wir von demselben zwar erst seit Beginn des vorigen Jahrhunderts Kenntnis; aber nichtsdestoweniger dürfen wir nicht glauben, dass diese Krankheit nicht auch schon in früherer Zeit Epidemieen gebildet hatte. Bezüglich des Verhaltens der Meningitis-Epidemieen im vorigen Jahr- hunderte unterscheidet Hirsch ^ vier Perioden. In der 1. Periode, welche von 1805 bis 1830 reicht, trat die Krankheit sowohl in Europa als auch in Nordamerika auf In der 2. Periode, von 1835 — 1850, bildete die Meningitis in den Vereinigten Staaten Nord- amerikas sowie in Europa (in Frankreich, Italien und Dänemark) und in Algier große Epidemieen, erreichte aber in der nächsten von 1854 — 1875 sich erstreckenden Periode die größte Ausdehnung, da sie sich nun über den größten Teil von Europa und die benachbarten Provinzen Vorder- asiens, über die Vereinigten Staaten und einige Gegenden Südamerikas und Afrikas ausbreitete. In der 4. Periode, welche von 1873 bis jetzt reicht, hat die Krankheit zwar nicht mehr ihre frühere Heftigkeit gezeigt, aber sich in Europa anscheinend überall eingebürgert, was vielleicht nur daher rührt, dass sie jetzt besser als früher erkannt wird. Immer- 298 A. Weichselbaiim, hin hat es auch in dieser Zeit wiederholt ii-rößere Epidemieen gegeben, so 1885 in Köln, 1887 und 1888 in Dalmatreu, 1889 in Norwegen, 1890 in Schweden, 1898 in Kopenhagen, in Steiermark. Auch in den Ver- einigten Staaten Nordamerikas herrschten seit den siebziger Jahren wieder- holt größere Epidemieen, so in New York, Chicago, Brooklin, Boston. Die Meningitis-Epidemieen unterscheiden sich von anderen Epidemieen dadurch, dass bei ihnen die Zahl der Erkrankungen nicht allmählich zu- nimmt bis zu dem Höhepunkte der Epidemie und auch nicht allmählich abnimmt, dass aber im Verlaufe der Epidemie Intermissionen auftreten können, indem die Erkrankungen für kürzere oder längere Zeit voll- ständig aufhören, um später von neuem aufzutreten, eine Erschei- nung, die sich sogar einige Male wiederholen kann. Ferner ist auch die Dauer der Epidemie und die Zahl der Erkrankungen während der- selben eine sehr wechselnde; mitunter erstreckt sich die Dauer bis zu einem Jahre und darüber, ein andermal bloß auf einige Wochen. Dagegen kann man auch bei den Meningitis-Epidemieen in ähnlicher Weise wie bei anderen epidemischen Krankheiten eine örtliche und noch deutlicher eine zeitliche Disposition erkennen. In Bezug auf erstere zeigt aber die epidemische Meningitis wieder die Eigentümlichkeit, dass sie sich nicht wie von einem Centrum nach allen Eichtungen hin ausbreitet, sondern ihre Ausbreitung erfolgt sprung- weise, und die Krankheit erscheint dann in Orten, welche mitunter weit voneinander entfernt und durch keinerlei Verkehrswege verbunden sind. In den betreffenden Orten tritt die Krankheit entweder an verschiedenen Punkten auf oder beschränkt sich auf bestimmte Lokalitäten und Häuser, wie Kasernen, Gefängnisse, Erziehungsanstalten und dgl. Was die zeitliche Disposition betrifft, so drückt sich dieselbe darin aus, dass die Epidemieen meistens im Winter oder Frühjahre aufzutreten pflegen und sich bloß mit einzelnen Erkrankungsfällen in den Sommer hinein erstrecken. Die epidemische Meningitis bevorzugt das kindliche und jugendliche Alter, aber auch bestimmte Bevölkerungsschichteu, unter denen das Militär und namentlich die Rekruten in erster Linie stehen; dabei kann aber die früher erwähnte Eigentümlichkeit aufrechtbleiben, indem sich die Krankheit auf bestimmte Häuserkomplexe (Kasernen, Arbeits- und Waisenhäuser, Pensionate und dgl.) konzentriert. In anatomischer Beziehung zeigt die epidemische Meningitis nichts Charakteristisches; man findet zwar in der Regel Hirn- und Rückenmarks- häute zugleich ergriffen, aber nicht immer, während anderseits auch bei einer sekundären Meningitis Hirn- und Rückenmarkshäute affiziert sein können. Eine Meningitis cerebro-spinalis gehört also noch nicht un- bedingt zu jener Form von Meningitis, welche epidemisch auftreten kann. Ferner ist zu betonen, dass jene Meningitisform, welche man als epidemisch zu bezeichnen pflegt, nicht selten auch sporadisch auftritt, bezw. in Form von solchen Einzelerkrankungeu, die durch größere Zeitintervalle voneinander getrennt sind und auch keinen örtlichen Zu- sammenhang miteinander haben. Ebenso ist nochmals zu betonen, dass die epidemische Meningitis keine einheitliche Aetiologie besitzt, indem sie sowohl durch den Dipl. pneum. als durch den Microc. men. c. sp. hervorgerufen werden kann. Allerdings wird dies von manchen Autoren, insbesonders von Jäger, bestritten und behauptet, dass nur die durch den M. m. hervor- gerufene Meningitis wirkliche Epidemieen l)ilden könne. Diesen Behaup- Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer u. s. w. 299 tuugen stellt aber die unbestreitbare Thatsache g-egenUber, dass in mebrereu und selbst i;rößeren Meniugitis-Epidemieeu der Dipl. pueum. als ausschließlicher Krankheitserreger gefunden wurde. Solche Epidemieen sind unter anderen von Fo) & Bordüni-Uffke- Bvzzi', Boxome3, Flexner & Barker ^, Qüadü 5, Paxiexski*5 und mir^, beschrieben worden, wx)bei noch bemerkt Averden muss, dass mehrere der eben angeführten Autoren ihre diesbezüglichen Untersuchungen in aller Exaktheit durchgeführt haben. Zum Schlüsse ist die Frage zu beantworten, ob und in welcher Weise das früher geschilderte Verhalten der Meningitis-Epidemieeu durch die Eigenschaften der beiden Erreger der epidemischen M. c. sp. erklärt werden kann. Das Fehlen eines allmählichen An- und Abschwellens der Epidemieen sowie das sprungweise Auftreten der Erkrankungen an voneinander weit entfernten Orten deutet auf Krankheitserreger, welche in ihrer Ver- breitung vom menschlichen Verkehr ganz unabhängig sind und gewisser- maßen autochthon auftreten können. Das trifft aber sowohl auf den Dipl. pneum. als wahrscheinlich auch auf den M. m. zu. Ersterer findet sich schon normaler Weise in der Nasenhöhle des Menschen, was bis zu eiuem gewissen Grade vielleicht auch für den M. m. gilt, und es bedarf dann nur noch gewisser »disponierender« Momente, um die pathogene Wirksamkeit dieser Kokken anzufachen, bezw. um zu bewirken, dass dieselben, sei es nach vorgängiger Erzeugung einer Entzündung der Nasenhöhle oder deren Nebenhöhlen oder der Paukenhöhle oder auch ohne eine solche, in die Hirnhäute eindringen und in diesen sich ver- mehren können. Wenn wir auch diese Momente nicht genauer anzugeben vermögen, so widerspricht es doch nicht unseren sonstigen Erfahrungen bei anderen Infektionskrankheiten anzunehmen, dass die betreffenden Momente einer- seits in einer gelegentlichen Steigerung der Virulenz der genannten Erreger, anderseits in gewissen Veränderungen in den inneren Hirn- häuten liegen dürften, welche wieder durch äußere oder innere Ursachen erzeugt werden können. Auf die Möglichkeit einer gelegentlichen Steigerung der Virulenz des Dipl. pneum. ist schon im Abschnitte über die Aetiologie der Pneumonie hingewiesen worden, eine Möglichkeit, welche auch bezüglich des M. m. besteht, und was jene Veränderungen in den Hirnhäuten betrifft, welche die Vermehrung der in letztere etwa eingedrungenen Bakterien begünstigt, so haben wir schon in dem Kapitel über die Entstehungsart der Meningitis erwähnt, dass verschie- dene Noxen (Traumen, Insolation, Erkältung) solche Veränderungen auszulösen imstande sein dürften. Die Thatsache, dass die Meningitis-Epidemieen vorwiegend im Winter und Frühjahre aufzutreten pflegen, kann durch die weitere Annahme erklärt werden, dass in dieser Jahreszeit einerseits mehr Gelegenheit zu Erkältungen oder zur Entstehung von Entzündungen der Nasenhöhle und Paukenhöhle gegeben ist, durch welche Entzündung eine Virulenz- steigerung oder eine stärkere Vermehrung der Meningitis-Erreger bewirkt werden kann, anderseits die wenn auch beschränkte Uebertragbarkeit der letzteren wegen des längeren Aufenthaltes der Menschen in ge- schlossenen Lokalitäten mehr zur Geltung kommt. Die zuletzt genannten Verhältnisse können es auch erklären, warum die Krankheit gewisse Lo- kalitäten bevorzugt und zwar iusbesouders solche, in denen viele Personen zusammengedrängt sind, also Kasernen, Gefängnisse, Waisenhäuser und 300 A. Weichselbaum, dgl. Die BeA'oi'zugimg des Militärs uud nameutlich der Eekruten dürfte einerseits aucli in den besonderen Wobnuugsverliältuissen, anderseits in der zum Teil ungewohnten Beschäftigung dieser Personen begründet sein, welche entweder Aulass zu häufigen Erkältungen giebt oder in anderer Weise die Disposition zur Meningitis erhöht. Die Beobachtung schließlich, dass während des Herrscheus von Meningitis-Epidemien Wärter uud Aerzte nur selten von der Krankheit ergrifien werden, kann ihre Erklärung in der beschränkten Uebertrag- barkeit, insbesonders des M. m., finden. Wir sehen also, dass die epidemiologischen Erfahrungen mit der Biologie des Dipl. pneum. und des M. m. durchaus nicht im Widerspruche stehen. Litteratur. 1 Hirsch, Die Meningitis cerebrospinalis vom histor.-geograph. u. patholog.- therapeut. Standpunkt, Berlin 1866 u. Handbuch d. histor.-geograph. Pathologie, Stuttgart 1886. — - FoA & Bohdoni-Uffreduzzi, Deutsche med. Woch., 1886 u. Giorn. d. E. accad. di med., 1886. — 5 Bonome, Zieglers Beitr. z. path. Anat., Bd. 8. — 4 Flexxer k Barker. Americ. journ. of the med sc. 1894. — ^ Quadu, Rif. med., 1895. — f' Paxiexski, Deutsche militärärztl. Zeitschr., 1895. — ^ Weichsel- baum, Epidemiologie, in Weyls Handb. d. Hyg., Bd. 9, Jena 1899. XII. Bakteriologisctie Diagnostik der Meningitis. Was die bakteriologische Feststellung der Meningitis am Leben- de n betrifft, so besitzen wir häufig in der durch Quincke eingeführten Lumbalpunktion ein sehr wertvolles Hilfsmittel ; allerdings muss diese, wenn sich die bakteriologische Untersuchung auch auf die Anlegung von Kulturen erstreckt, mit besonderer Sorgfalt ausgeführt werden. Bezüglich der eigentlichen Technik der Lumbalpunktion kann auf die klinischen Handbücher verwiesen werden; hier ist nur zu betonen, dass einerseits die Haut möglichst vollkommen desinfiziert und andrerseits die Punktionsnadel sicher sterilisiert werden soll. Die durch die Punktion entleerte Flüssigkeit lässt man entweder in einem Spitz- glase sedimentieren, oder sie wird zentrifugiert. Hat man auf diese Weise ein Sediment erhalten, so wird es zunächst ohne weitere Vorbe- handlung einfach mikroskopisch untersucht. Findet mau hierbei mehr weniger reichliche Eiterkörperchen, so kann auf Meningitis geschlossen werden, während das Fehlen dieser Zellen noch nicht mit Sicherheit gegen Meningitis sprechen würde. Der wichtigste Akt der ganzen Untersuchung ist aber der Nachweis von spezifischen Mikroorganismen iu dem Sedimente. Zu diesem Zwecke werden, wenn Verdacht auf eine tuberkulöse Meningitis besteht, in der bekannten Weise Ausstrichpräparate angefertigt und entsprechend gefärbt. Ferner werden in jedem Falle Ausstrichpräparate behufs Nachweises von sonstigen Äleningitis-Erregern nach Gram gefärbt und mit verdünntem, wässerigem Fuchsin nachge- färbt. Bei dieser Behandlung werden alle GRAM-positiven Meningitis- Erreger (Dipl. pneum., Strept. und Staph. pyog.) violett, die Gram- negativen Meningitis-Erreger (Microc. men. c. sp., Bac. pneum., B. coli comm. , B. typhi abdom. , B. influenzae, B. pestis) rot gefärbt. Im übrigen ist für die Differential-Diagnose der wichtigeren und häu- figeren Meningitis-Erreger, nämlich des Dipl. pneum. und des M. m., noch zu beachten, dass letzterer zumeist innerhalb von Leukocyten liegt, sehr häufig in Form von Diplo- oder Tetrakokken auftritt, wobei sich die Kokken gegenseitig abplatten und mitunter auch ungleiche Größe Meningokokken mit besonderer Berücksichtigung anderer n. s. w. 301 lind Fävburig-sintensität zeigen, während der Dipl. pneiim. sehr häufig extracelhilär liegt, länglich oder rundlich ist, sogar eine deutliche Kapsel haben kann und nicht nur zu zweien, sondern auch in kurzen, ja selbst längeren Ketten auftreten kann. Die Unterscheidung zwischen ihm und dem M. m. wird daher in sehr vielen Fällen schon durch die Untersuchung von Ausstrichpräparaten gemacht werden können. Wenn die Untersuchung der nach Gram gefärbten Präparate lehrt, dass Gram- negative Bakterien vorhanden sind, so ist es zu empfehlen, jetzt noch weitere Ausstrichpräparate zu machen und sie mit den für die betref- fenden Bakterienarten passendsten Färbungsmethoden zu behandeln. Es kommen aber nicht selten Fälle vor, wo die Menge der Bakterien eine sehr spärliche ist, so dass mitunter eine größere Zahl von Prä- paraten in der genauesten Weise durchgemustert werden muss, bis man auf vereinzelte Mikroorganismen stößt, wobei dann die sichere Erkennung derselben mit großen Schwierigkeiten verbunden sein kann. In diesen, sowie überhaupt in allen jenen Fällen, in welchen eine ganz zweifellose Sicherstellung der Art der vorhandenen Bakterien erforderlich ist, muss man zur Kultivierung schreiten. Zu dieser müssen, da sowohl der Dipl. pneum. als der M. m. in der ersten Generation mitunter auf einfachem Agar gar nicht wächst, nebst letzterem immer auch Serum agar und mit Eücksicht auf etwa vorhan- dene luflueuzabazillen auch Blutagar verwendet werden, u. zw. sind hier- bei stets Plattenkulturen anzulegen, wobei es sich empfiehlt, die zu be- nützenden Nährböden in Petrische Schalen zu gießen und auf erstere nach ihrem Erstarren die Punktionsflüssigkeit mit einer Spatel in mehreren getrennten Strichen aufzutragen. Auf diese Weise erhält man, wenig- stens in den letzten Strichen, isolierte Kolonien, welche man nicht nur mit schwächern Linsensystemen bequem untersuchen kann, sondern von denen sich auch in sicherer Weise abimpfen lässt. Der weitere Vor- gang besteht wie bei allen Kulturversuchen in der Prüfung der erhal- tenen Kulturen auf verschiedenen Nährböden, Avodurch dann nicht nur eine sichere Unterscheidung des M. m. von andern pathogeuen Bakterien (auf Grund des im IV. Kapitel beschriebenen kulturellen Verhaltens), sondern überhaupt die genauere Bestimmung der jeweilig vorhandenen Mikroorganismen möglich sein wird. Waren in den Ausstrichpräparaten mikroskopisch gar keine Bak- terien nachzuweisen, so muss die Untersuchung der etwa erhaltenen Kulturen um so sorgfältiger durchgeführt w^erden, weil dann der Ver- dacht entsteht, dass die gewonnenen Kulturen vielleicht nur Verun- reinigungen entsprechen. Wenn sowohl die mikroskopische als die kulturelle Untersuchung negativ ausgefallen ist, darf man vorläufig noch keinen bestimmten Schluss ziehen, sondern muss die Lumbalpunktion wiederholen. Da der negative Ausfall der kulturellen Untersuchung in manchen Fällen dadurch bedingt sein kann, dass die betreffenden Meningitis-Er- reger bereits sehr abgeschwächt waren oder aus irgend einem andern Grunde auf den künstlichen Nährböden nicht wuchsen, so kann noch das Tierexperiment herangezogen werden, wobei dieses selbstver- ständlich jenen Arten von Meningitis-Erregern angepasst werden muss, auf deren Vorhandensein man Verdacht hat. Außer der Lumbalpunktionsflüssigkeit steht für die bakteriologische Diagnostik der Meningitis am Lebenden nur selten noch ein anderes, geeignetes Objekt zur Verfügung. So könnte eine Untersuchung des 302 A. Weichselbaiim, Meningokokken mit besond. Berücks. anderer u.s.w. Blutes vorgeuommeu werden, da bei gewissen Meuingitideu die Erreger der letzteren auch im Blute vorhanden sein können. Wenn Komplikationen bestehen, deren Exsudat einer Untersuchung zugänglich ist, wie z. B. Rhinitis, Otitis media, Arthritis, Pneumonie, so könnte die Untersuchung auch auf diese ausgedehnt werden, wobei das Exsudat eventuell durch eine Punktion zu entnehmen wäre; bei Pneu- monie könnte auch das Sputum verwendet werden. Bei allen diesen Untersuchungen müsste man mit denselben Kauteleu wie bei der Unter- suchung der Lumbalpunktionsflüssigkeit vorgehen und auch bei der Deu- tung der Befunde sehr vorsichtig sein. Was die bakteriologische Untersuchung post mortem betrifft, so wird zunächst der anatomische Befund darüber Aufschluss geben, ob eine tuberkulöse oder nicht tuberkulöse Meningitis vorliegt. Bei der l)akteriologischen Untersuchung der letzteren empfiehlt es sich dann vor allem jene Stellen der Meningitis zu benützen, an welchen das Ex- sudat am reichlichsten und frischesten ist; recht geeignet pflegt die Flüssigkeit in den Hiruventrikelu zu sein, namentlich wenn sie deut- liche Fibrin- oder Eiterflocken enthält. Im übrigen wird man in ähn- licher Weise vorgehen wie bei der Untersuchung der Lumbalpunktions- flüssigkeit am Lebenden. Ist der Prozess schon älteren Datums, dann kann das Exsudat sehr spärlich und arm an Bakterien sein, oder die letzteren können bereits degeneriert oder gar abgestorben sein, so dass das Resultat der mikroskopischen und kulturellen Untersuchung häufig ein negatives ist. In solchen Fällen kann man noch an das Tierexperi- ment appellieren. Für die bakteriologische Untersuchung etwa vorhandener Kompli- kationen gelten selbstverständlich dieselben Grundsätze wie für die Unter- suchung der Meningitis selbst. VII. Streptokokken. Von Prof. Dr. V. Lingelsheim Privatdozent in Marburg a. L. I. Historisclies. Die ErkrankuiigeD, welche wir jetzt anf Infektionen mit den ketten- biklendeu Kokken zurückfüliren, haben früher ätiologisch eine sehr verschiedene Beurteilung- erfahren. Bezüglich der schweren Wundkrauk- heiten bestand allerdings schon zu Hippokrates Zeiten die Annahme, dass hierbei besondere von der Verletzung unabhängige Ursachen mit- wirken müssten. Ueber das Wesen derselben machte man sich jedoch bis in das 18. Jahrhundert nur sehr dunkle Vorstellungen. Um diese Zeit begann man in den Faulprozesseu, die sich erfahrungsgemäß ge- rade bei sehr schweren Wundkrankheiteu an dem Orte der Verletzung abspielten, resp. in den hierbei gebildeten Giften, das ätiologische Agens zu suchen. Zahlreiche Autoren (Gaspard, Leuret, Stich, Paxum) be- schäftigten sich mit der Begründung dieser Anschauungen, die bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts die herrschenden blieben. Die ersten Mitteilungen über mikroskopische Befunde von Bakterien in den Leichen von an Pyämie oder Sepsis gestorbenen Personen stam- men aus den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Koch nennt als ersten Autor Rindfleisch, der in seinem Lehrbuche der pathologischen Gewebelehre (1866) erwähnt, dass in dem Herzmuskel eines an Pyämie verstorbenen Individuums stecknadelkuopfgroße Herde sich vorgefunden hätten, in deren Inhalt reichlich Vibrionen nachweisbar waren. Von da ab mehren sich die Angaben über analoge Befunde (v. Recklinghausen, Waldeyer, Heiberg & Orth, Birsch-Hirschfeld). Der erste jedoch, der den mikrq])arasitären Charakter der Wund- infektiouskraukheiten nicht nur erkannte, sondern auf Grund patho- logisch-anatomischer Thatsachen in schon beweiskräftiger Form erwies, war Klebs^ ''. Ich will seineu Ausführungen nur die folgenden Sätze, die sozusagen sein Glaubensbekenntnis auf diesem Gebiete wiedergeben, entnehmen. »1. Die infektiösen Wundkrankheiten werden durch parasitäre Pilze, das Microsporon septicum , erzeugt, welches sowohl bei den mit Eiterung einhergehenden, sogenannten pyämischen, wie bei den rein septischen 304 V. Lingelsheim, Formen vorkommt. Die Unterscheidung zwischen Pyämie und Septi- kämie muss fallen gelassen werden. 2. Diese Pilzbildungen zerstören lokal die Gewehe, erregen Eiterung und dringen in die Lymph- und G-efäßbahnen ein, sie sind Ursache sekundärer, herdweiser oder ditfuser Entzündungen. 3. Bei der Entwicklung des Microsporon septicum entsteht eine fieber- erregende, in die ErnährungsflUssigkeit diffundierende Substanz; fort- dauerndes Fieber wird durch die fortdauernde Importation dieser Sub- stanz bei Anwesenheit der Pilze im Organismus erzeugt.« Unter den Chirurgen war es namentlich Hüter, der schon früh die Bedeutung der Bakterien nicht nur für die schweren Formen der Wund- infektion sondern auch für die einfachen Formen der Entzündung voll würdigte. Nach Hüter sind »die Monaden die wichtigsten entzün- dungserregenden Irritamente«, »die Entzündung ist eine Epidemie ohne zeitlich eingeschränkte Dauer, welche ungefähr über die ganze Erde ver- breitet ist«. Trotz alledem vermochten sich die neuen Anschauungen nicht so schnell Bahn zu brechen. Auch in dem bekannten Werke Billkoths »Coccobacteria septica« aus dem Jahre 1874 werden uns die Bakterien nicht als Ursache der Eiterung überhaupt, sondern vielmehr nur als Veranlassung besonders unangenehmer Komplikationen hingestellt. Auch Pasteur nahm um diese Zeit noch keine feste Stellung gegenüber den Wundkrankheiten ein. Speziell hinsichtlich der Eiterung war er der Meinung, dass sie durch rein mechanisch wirkende Agentien, Leinwand, Kohle u. s. w. hervorgerufen werden könnte. Erst aus dem Jahre 1880 begegnen wir Mitteilungen, aus denen hervorgeht, dass er den Staphylo- coccus pyogenes nicht nur vor sich gehabt, sondern auch als besondere Art erkannt und seine Bedeutung als Ursache der Eiterung voll ge- würdigt hat. Nachdem dann in Deutschland durch KochI^, insbesondere auch durch seine Arbeiten über die Wundinfektionskrankheiten der Tiere, die neue Aera der Bakteriologie eingeleitet war, zeigte Ogston in seinen systematischen, auf den KocHschen Anschauungen fußenden, Unter- suchungen, dass man bei der Eiterung mit zwei Kokkenarten zu rechneu hätte, die sich durch verschiedene Lagerung, die eine kettenartig, die andere in fischroggen- oder weiutraubenähnlichen Häufchen, unterschie- den; zugleich wies er nach, dass den beiden Arten, dem in Ketten auf- tretenden Streptococcus (die Bezeichnung stammt von Billroth), und dem häufchenbildeuden Staphylococcus, verschiedene pathogene Eigen- schaften zukämen, indem der erstere mehr erysipelatoide, in den Lymph- babnen sich ausbreitende Prozesse, der letztere mehr lokalisierte Phleg- mone hervorriefe. Mit Ogston beginnt eigentlich die wissenschaftliche Geschichte der Streptokokken. Ihre feste Basis gewann sie aber erst, als das Ge- lingen von Keinkulturen (Fehleisen ^^^ Rosenbach ^s) die experimentelle Ausarbeitung ermöglichte. Litteratur. 1 Panum, Bibliothek for Läger, April 1856, p. 253 u. Virch. Archiv, Bd. 25, S. 308. — - Bergmann & Schmiedeberg, Ceutralbl. f. d. med. Wiss., 1868, Nr. 32. — 3 Gaspard, Magendies Journal de physiologie, 1822, Bd. 2, p. 1. — * Leuret, Archiv gener. de med., 1826, t. 11. — '-' Stich, Ann. d. Charite-Krankenhanses, 1853, Bd. 3. — <•- ViRCHOW, Mediz. Reform, Okt. 1848. — ' Hexle, Von den Kon- tagien n. Miasmen u. den miasmatisch-kontagiösen Krankheiten. Berlin 1840. — Streptokokken. 305 ^ Klebs, Beiträge z. path. Anatomie d. Schusswunden, Leipzig, Vogel, 1872. — !' Der 8., Correspondeuzblatt f. d. Schweizer Aerzte, Jahrg. 1, Nr. 9. — lo Hüter, Die allgemeine Chirurgie, Leipzig, Vogel, 1873 u. Grnndriss d. Chirurgie, 1880. — it V. Eecklinghausen, Vortrag in d. Würzburger phys.-med. Gesellsch., 10. Juni 1871. — li Heiberg & Orth, Med. Jahrb., Bd. 46, S. 188. — ^^ Birscii-Hirschfeld, ebd., Bd. 155, S. 105. — i^ Koch, Untersuchungen über die Aetiologie der Wund- int'ektionskrankheiten, Leipzig, Vogel, 1878. — i5 Ders., Mitteil. a. d. Kais. Ges.- Amte, 1881. — 'f' Ogston, Brit. med. Journal, 1881, March, p. 369. — i' Ders., Archiv f. klin. Chirurgie, 188U, Bd. 25. — i« Ders., Journal of anat. and phys.. normal and pathological, 1882, vol. 16, p. 526 u. vol. 17, p. 24. — i'' Volkmann, Pitha-Billroth, 1869. — 20 y. Eecklinghausen & Lukowsky, Virch. Arch., Bd. 60. — 2t Orth, Birsch-Hirschfeld, Lehrbuch der pathol. Anatomie, S. 608. — 22 Bill- roth & Ehrlich, Bd. 20. — 23 Tillmanns, Deutsche Chirurgie, 5. Lief., 1880 u. Deutsche med. Woch., 1878, Nr. 17. — 24 Wide, Archiv f. exper. Path. u. Pharm., Bd. 1, S. 81. — 25 Nepveu, Med. Jahrb., Bd. 155, S. 104. — 20 Wolff, Virch. Arch., Bd. 71. — 27 Fehleisen, Aetiol. d. Erysipels, Berlin, Fischer, 1883. — 2s Rosen- bach, Mikroorganismen bei d. Wundinfektionskrankheiten, Wiesbaden, Bergmann, 1884. — 29 Letzerich, Virchow & Hirsch, Jahresbericht 1875, S. 69. II. Morphologie, Kultur. Die S. Stelleu perlschnurartig aneinandergereihte Kokkenverbände dar, deren Einzelglieder eine mehr oder weniger kugelige Gestalt zeigen. Die Größe des Coecus beträgt bei den langen S. etwa 1 //, variiert jedoch etwas nach der Beschaffenheit der Nährböden. Ein- zelne besonders große Kugeln, die von manchen Autoren als Arthro- sporen gedeutet wurden, finden sich bisweilen in älteren Kulturen, auf Kartoffel, und sind als Involution, als das Kesultat einer nicht zur Durchführung gelangten Teilung anzusehen. *) Besonders labil hinsicht- lich der Größe erweisen sich manche polymorphen S., die meist dann auch nach anderer Richtung Abweichungen von dem S. Typ zeigen (Drusekokken, S. der »gelben Galt«, der Säuglingsenteritis u. s. w.). Was die Gestalt betrifft, so zeigen auch die langen S. nicht so selten Abweichungen von der Kugelgestalt. Leichte Abplattungen an den Be- rührungsstellen der Kokken finden sich sehr häufig, stellen fast die Regel dar, bisweilen geht aber die Abplattung in der Läugsaxe der Kette so weit, dass der Coecus dadurch ein mehr scheibenähnliches Aussehen gewinnt (aus dem Rachen gezüchtete Formen, Leukonostoc). Auch Abplattungen in der Querrichtung kommen vor; es resultieren dann meist ovoide Formen, die mit ihren breiten Polen zusammen- stoßend Diplokokkenpaare innerhalb der Kette bilden. Sehr markante Abweichungen von der typischen Form vermögen nach verschiedenen Autoren die polymorphen S. zu produzieren. Die- selben kommen zustande durch Wachstum des Coecus in der Querrich- tung bei unterbleibender Teilung. Es resultieren daraus Stäbchen mit oder ohne Teilungsspalt, staketenartig gelagert in der Kontinuität der Kette (Drusekokken nach Rabe). Vollzieht sich bei unterbleibender Teilung das Wachstum in der Längsrichtung der Kette, so entstehen Bilder ähnlich dem Alphabet des Morsetelegraphen. Solche Beobachtungen liegen auch wohl der Arloing sehen 1 Behaup- *) Häufiger als die langen S. zeigen diesen Befund manche kurzen Formen, besonders Pneumokokken Kruse & Pansini, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 11 u. Frosch & KoLLE, in Flügge, Mikroorganismen). Handbucli der pathogenen Mikroorganismen. HI. 20 306 V. Lingelsheim, tuug* zu Gründe, dass S. sich durch Züchtung* in Stäbchen verwandehi ließen und dass manche Eiterbazilleu eigentlich S. wären. Außer der Stähchenform mit abgerundeten Ecken sind auch quad- ratische, rechteckige, polygonale Formen beobachtet. Das morphologisch Charakteristische der S. liegt in dem Bestreben, sich nur nach einer Richtung des Raumes zu teilen. Es entstehen so, wenn die Glieder vereinigt bleiben, kokkenartige Verbände. Die langen S. scheinen, wenigstens im Tierkörper und auf den gebräuchlichen Nähr- böden, keine Abweichungen von diesem Gesetze zu zeigen. Zwischen den langen S. jedoch und den Mikrokokken, deren Teilung gesetzmäßig in zwei aufeinander senkrechten Richtungen erfolgt (Tetrageuas), giebt es Uebergangsformen mit wechselnder Teilungsrichtung. Babes^ hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Endglieder der Ketteu mancher S. sich zu keulenförmigen Gebilden umwandeln könnten, die als Ein- leitung einer Teilung in der Querrichtung aufzufassen wären. Auch Duclaux^ nimmt den BABESscheu Standpunkt ein, während Migula^ und Fischer •* nur eine Teilungsrichtung bei den S. kennen. Stolz ^ teilt unter Bestätigung der Angaben von Babes mit, dass er auf Blutagar Keulenformen mit längs geteiltem Endcoccus beobachtet habe, ferner Ketten, in denen verschiedene Individuen, bald einzeln, bald zu mehreren deutliche Längsteiluug zeigten, auch ganze Parallelketten, die durch paarweis nebeneinander liegende Kokken gebildet wurden. Seitz'' beobachtete an Kolonieen von Mundstreptokokken eigentümliche Nestbildungen (Kugelnester), die er sich durch Verkürzung und seitliche Teilung der Ketten entstanden denkt. Weiter gehören hierher die obenerwähnten staketenartig gelagerten Stäbchenkokken, die Rabe bei den Drusekokken beobachtete. Durch Teilung der Stäbchen entstehen hier auch Doppelketten. Uebrigens hat auch schon Escherich 1886 bei Beschreibung seines S. coli gracilis Angaben über solche Teilungsvorgänge gemacht. Es heißt dort: »Die Größe des einzelnen Coccus beträgt 0,2 — 0,4//, kann jedoch bei den einer Teilung vorausgehenden Stadien erheblich anwachsen. Man sieht derartige Vorgänge sehr häufig in der Art, dass alle oder doch die meisten Glieder einer Kette in der Quer-, seltener in der Längsrichtung verbreitert erscheinen. Einzelne derselben haben sich bereits abgeschnürt, andere lassen einen zarten Spalt in der Mitte erkennen, andere erscheinen nur nach einer Richtung verbreitert. « Die durch fortgesetzte Teilung eines Coccus entstandene Kette kann kurz oder lang sein, kann mehr grade gestreckte oder mehr gewun- dene Form besitzen. Auf die Gestalt der Kette, der Kurth^^ als Artcharaktere einen besonderen Wert beilegte, werde ich noch bei der Beschreibung der Bouillonkultur eiugehn. Was die Kettenlänge be- trifft, so ist ein jeder S. imstande kurze, mittellange und auch ganz lange Ketten zu bilden. Im besonderen Falle sind dafür maßgebend die Zusammensetzung des Nährsubstrates, die Schicksale, denen der S. vorher ausgesetzt gewesen war (Tierpassage, langes Verweilen auf künst- lichen Substraten u. s. w.), vor allem aber auch die besondere Veran- lagung des S., seine Art. Das letzte Moment ist das wesentlichste ; der eine S. hat die Neigung unter bestinnnten Verhältnissen lange Ketteu zu bilden, unter denen der andere kurze bildet, wobei ich unter »kurzen« solche Ketten verstanden wissen möchte, die aus 2, 4, 6 höchstens mal 8 Gliedern bestehn. Der Nährboden, auf dem sich das Ketteu- wachstum am ausgesprochensten entfaltet, und auf den das Längen- kriterium ausschließlich bezogen werden kann, ist die alkalische Nähr- Streptokokken. 307 bouiilon. Auf dieser bilden die meisten der frisch aus den Krankheits- prozessen des Menschen (Phlegmone, Eiterung, Erysipel) gezüchteten S. lauge Ketten. , Diese S. erscheinen auch nach ihren sonstigen Eigen- schaften, nach ihren morphologischen, kulturellen, biologischen und pathogeneu Eigenschaften als am nächsten zusammengehörig; sie sind die ausgesprochensten Repräsentanten der in Ketten wachsenden Mikro- kokken; wir bezeichnen sie als S. longus. *) Die kurzkettigen S. bilden schon mehr oder weniger Uebergänge zu den Kokken mit Teilungen in 2 Richtungen der Fläche oder auch mit beliebiger in den 3 Rich- tungen des Raumes wechselnder Teilungsfolge. Verschiedene sind poly- morph. Gewisse Aenderungen des Nährsubstrates vermögen die Kettenlänge bei demselben 8. zu verändern. Es können dann laugkettige Formen kurze und umgekehrt kurzkettige lange Ketten bilden. So lassen eiweißreiche, namentlich stark peptonhaltige (3 — 5^) Nährböden den S. longus häufig nur in kurzen Ketten auftreten. Auch im Gewebe, namentlich im Blute, bilden sehr virulente Formen mit Vorliebe Diplo- kokken, woran zum Teil mechanische Einflüsse die Schuld tragen mögen. Umgekehrt präsentieren sich manche kurze S. im Blutserum häufig in langen Ketten. Manche kurzen S. zeigen neben der überwiegenden Menge kurzer Ketten einzelne sehr lange. Es handelt sich hier um eine Art In- volution auf ungeeignetem oder erschöpftem Nährmaterial. Diese langen Ketten stellen, auf die Kette übertragen, dasselbe dar, wie die einzelnen Rieseukokken. In letzter Linie wäre so jede lange Kette als Einleitung einer Involution aufzufassen. Auf dem adäquaten Nährboden, bei reichlichster Proliferation be- gegnen wir fast stets kurzen Ketten. Da nun bei der Verschiedenheit der biologischen Eigenschaften derselbe Nährboden für verschiedene S. verschieden geeignet ist, so muss er auch auf die Kettenlänge verschieden wirken. Hieraus erklärt sieh, dass manche saprophytischen Arten auf Blutserum lange Ketten zeigen. Es sind also schließlich mehr Einflüsse auf biologischem Gebiete, welche die Kettenlänge bestimmen. Manche S. und namentlich solche, die sich im Zustande hoher Viru- lenz befinden, umgeben sich im Tierkörper mit einer Kapsel. Ich be- obachtete eine solche bei meinem S. murisepticus longus s, ferner er- wähnen Kapselbildung bei langen S. Pasqualeii, Bürdet 12^ Schütz bei den Drusekokken. Le Roy des Barres & Weinberg ^^ fanden einen kapselbildenden S. bei einer schweren menschlichen Sepsis. Bürdet ist geneigt der Kapsel eine wichtige Bedeutung insofern bei- zumessen, als er dieselbe für den Träger der bei den virulenten S. vermuteten, auf die Leukocyten negativ chemotaktisch wirkenden Sub- stanz ansieht. Diese Annahme ist schon ans dem Grunde hinfällig, da nur wenige virulente S. eine Kapsel besitzen. Häufiger ist die Kapsel bei den kurzen Streptokokkenformen (FRÄNKELscher Pneumococcus, Diplococcus pleuropneumoniae der Pferde von Schütz, der von Poels & NüLEN^^ als Erreger der Lungenseuche angesprochene S., ein von Bi- NAGHi^s bei einer Meerschweinchenepizootie aufgefundener**). Von einer *) Ueber den Polymorphismus auch langer S., zu denen auch der Drusecoccus zu rechnen wäre, müssen noch weitere Untersuchungen abgewartet werden **) Ueber kapselbildende S. siehe auch Schottmüller, Münch. med. Wochen- schrift, 1903, Nr. 20, 21. 20* 308 V. Lingelsheim, schlauchförmigen Hülle umgeben sind ferner die Leukonostocformen, die sich nicht selten in den Rachenbelilgen bei Angina , Diphtherie, Scharlach finden, aber auch auf den Herzklappen bei Endocarditis nach- gewiesen wurden, so dass denselben gewisse pathogene Fähigkeiten zu- kommen müssen. Einen dem Leukonostoc sehr ähnlichen S. züchteten Tavel c^ Krumbein ^'^ aus einem Fingerabszess. Derselbe zeigte auch in zuckerfreier Bouillon schlauchförmige Kapseln, wuchs reichlich auf Agar und Kartotfel, auf welch letzteren er braungelbe Beläge bildete, vergor aber keinen Zucker. Geißeln sind bis dahin bei S. nicht nachgewiesen , ebensowenig Dauer- formen. Der als Arthrosporen gedeuteten Riesenkokken ist schon Er- wähnung gethan. Die Färbung der S. gelingt leicht mit den gebräuch- lichen Anilinfarben. Gegenüber der Gram sehen Färbung verhalten sich die kurzen S. sehr verschieden, während sie die langen mit wenigen Ausnahmen gut annehmen. Kümmerliche Entwicklung auf ungünstigem Nährsubstrat scheint häufig den Farbstoff weniger haltbar zu machen. Als nicht färbbar nach Gram sind angegeben: 1. Diplococcus pleuropneumoniae equi (ScHtJTz). 2. Drusecoccus (nach Rabe). 3. S. der »gelben Galt« der Kühe von Nocard & Mollereau. 4. S. von Etienne^^ aus einer Pseudomembran bei Angina ge- züchtet. Bildet mittellange Ketten aus sehr zarten Einzel- gliedern. Auf Gelatine feinste punktförmige, auf Kartoffel (nach 4 Tagen) tautropfenartige Kolonieen. 5. S. von Barbier 18, gleichfalls von einer Angina stammend, bil- det längere aus Diplokokken bestehende Ketten. 6. S. von d'Espixe & Marignaci^. 7. S. VOnMAROT22. 8. S. von Doleris & Bourges 20. Kurzer S., aus dem Eiter eines Beckenabszesses. 9. S. von ZiEMKE^i aus dem Blute eines an Septikämie gestorbenen Schweines. Soll sich ähnlich dem von Etiexxe beschriebenen verhalten, war aber zum Unterschied von diesem etwas pathogen für Mäuse. 10. Saprophytische S., kurzkettig, verflüssigend, auf Kartoffel reich- lich wachsend. Es empfiehlt sich, die S. außer in gefärbten Präparaten nach Möglichkeit auch im ungefärbten Zustande zu betrachten. Das Korn ändert nicht selten infolge der für die Färbung notwendigen Prozeduren seine Gestalt erheblich: manches auffällige Gebilde im gefärbten Präpa- rate stellt sich bei dieser Kontrolle als Kunstprodukt heraus. Für die Kultivierung der S. sind die flüssigen Nährböden den festen in mancher Hinsicht überlegen, da sie sowohl ein üppigeres Wachstum ergeben als auch die charakteristische Kettenform am schönsten zeigen. Zur Darstellung der letzteren hat sich wiederum die alkalische Fleisch- bouillon mit 1 % Pepton Witte am geeignetsten gezeigt. Hier bildet, wie schon hervorgehoben, der S. longus lange, der S. brevis kurze Ketten. Aber auch das makroskopische Aussehen der Kultur zeigt manches Charakteristische, namentlich in Bezug auf das Eintreten bezüglich Aus- bleiben diffuser Trübung. Diffus trüben die Bouillon vorwiegend die kurzen S., während die langen das Bestreben haben, unter J*)ildung ver- schieden gestalteter Konvolute schon in jungen Kulturen zu Boden zu sinken. Streptokokken. 309 Pane23 wollte nach dem makroskopischen Ausseheu der Kultur die S. des Erysipels und der Eiterung unterscheiden können. Die erstereu sollten bei einem Glykosegehalt der Bouillon von 0^1% und darüber Bodensätze bilden unter Klarbleiben der Flüssigkeit, die letzteren dagegen unabhängig vom Glykosegehalte entweder konstant oder niemals trüben. Dem möchte ich nicht beipüichten, da ein stärkerer Glykosegehalt bei allen S. , auch bei den sonst kurzen wie den Pneumokokken, die Neigung bewirkt längere, bald zu Boden sinkende Ver))ände zu bilden. Die Ursache hierfür liegt zum Teil in der durch den Zuckerzusatz bedingten Wachstumsbegünstigung, weiter in der Bildung großer Säuremeugen, durch die eine Art agglutinierender Wirkung auf die S. ausgeübt wird. Besonderen Wert hat namentlich auch Kurtii^^ der makroskopischen Be- schaffenheit der Bouillonkultur beigelegt. Nach seiner Auffassung giebt es folgende Wachstumsformen : 1. die getrennt oder locker zusammenhängende, 2. die schleimig- fadenzieheu de, 2 a. die schleimig-flockige, 3. die haut-, schuppen- oder bröckeiförmige. Diesen Formen entsprechen mikroskopisch: 1. weniggliedrige, nicht geschlängelte und nicht verfilzte, 2. reichgliedrige, mäßig geschläugelte, meist nicht verfilzte, 2a. reichgliedrige, mäßig geschlängelte, locker verfilzte Ketten, mit Bildung lockerer Haufen, 3. reichgliedrige, sehr geschlängelte, dicht verfilzte Ketten, mit Bildung zusammengeklebter Haufen, bei fast völligem Fehlen freiliegender einzelner Ketten. Aehnlich teilt auch Pasquale ein: 1. Bouillon mehr oder Aveniger getrübt, mit mehr oder weniger reich- lichem, schleimig- fadenziehendem oder körnigem Bodensatze, 2. Bouillon klar mit schleimig- fadenbildendem Bodensatze, 3. Bouillon klar, mit körnigem oder fetzigem, flockigem Bodensatze. Zur Zeit ist man geneigt, diesen verschiedenen Wachstumsformen nur noch einen beschreibenden Wert beizumessen. Was die Keaktiou der Bouillon betrifft, so wird meist mit schwachem Alkalig-ehalte gearbeitet (5 — 7,5 ccm Normallauge pro 1 1. ludicator: Rosolsäm'e). Für die pathogeueu laugen Arten erweisen sich jedoch häufig stärkere Zusätze (10 — 15 ccm Normallauge) vorteilhaft. Nament- lich bei Zuckerzusätzen ist wegen der eintretenden Säuerung eine rich- tige Abmessung des Alkaligehaltes von großer Wichtigkeit. TuRRÖ^^ empfiehlt saure Nährböden sowohl für die Reinzüchtung der S. als auch für die weitere Kultivierung. Die S. sollen nach diesem Autor Säure besser vertragen als viele andere Bakterien und auf sauren Nährböden Lebens- fähigkeit und Virulenz besser konservieren*). Die saure Beschaffenheit der Nährböden erreichte Turro entweder dadurch, dass er die Neutralisierung des Fleischwassers unterließ oder durch nachträglichen Zusatz von Säuren (6 — 12 Tropfen einer Iproz. AVeinsäure zu 20 ccm neutraler Bouillon), oder schließlich durch Benutzung von durch das Wachstum anderer Bakterien (Anthrax, Cholera) angesäuerten Nährböden. Uebrigens giebt auch TurrÖ zu, dass die Auskeimung auf den sauren Nährböden eine verzögerte ist. *) Da die S. schon selbst ihre Kulturen ansäuern, ist dies wenig verständlich. 310 V- Lingelsheim, Es wurde bereits darauf hmgewiesen, dass die wichtigen Wachstums- charaktere der S. uur bei Züchtung- auf der alkalischen Bouillon mit einem Gehalt von 1 % Pepton zum Ausdruck kommen. Wird der Pep- tongehalt — unter Pepton wird hier immer das Pepton Witte ver- standen — erhöht auf 3 — 5^, so wird bei den meisten S. die Wachs- tumsenergie beträchtlich gesteigert. Manche, sonst nur kümmerlich gedeihende Formen kommen jetzt erst zu üppiger Entwickelung. Hand in Hand damit gehen bei den langen S. aber meist eine Verkürzung der Ketten und Trübung der Bouillon, namentlich bei den Formen, die schon auf der gewöhnlichen Bouillon reichliches Wachstum zeigen. Ein für alle S. sehr geeignete Bouillon wird weiter erhalten durch Auskochen des Fleisches im Autoklaven bei 150"^ C. Ein Kilo fein gehacktes, möglichst sehneu- und fettfreies Fleisch wird mit 2 1 Wasser verrührt, nach Zugabe von 20 g Pepton und 10 g Kochsalz in den Autoklaven gegeben und die Mischung zum Kochen gebracht. Hierauf wird der Apparat geschlossen und auf 150° eingestellt. Nach einer Stunde wird die Flamme entfernt, der Apparat erkalten gelassen, der Inhalt aus- gegossen und filtriert. Nach Zugabe von 15 — 20 com Normalnatronlaiige wird nochmals kurz gekocht und wieder filtriert. Es ist vor allem darauf zu achten, dass das Fleisch möglichst frei von leimgebenden Substanzen ist, da die Bouillon sonst leicht eine gallertige Beschaffenheit annimmt und für den Gebrauch dann erst verdünnt werden muss, wodurch sie verliert. Im hohen Grade befördernd wirkt auf das Wachstum der S. ein Zusatz von Traubenzucker (0,2^ — 1,0^ — 2,0^). Manche Formen sind so erst zu üppigerer Entwicklung zu bringen (bei der Säugliugseuteritis gefundene S., die Drusekokken (nach Behrings), verschiedene S. aus Vagina und Rachen u. s. w.). Einen stärkeren Zuckerzusatz (5^^) ver- langen noch die Leukonostocformen. Derselbe empfiehlt sich weiter für Vorkulturen oder wenn es darauf ankommt, die Anwesenheit von S. überhaupt zu erweisen. Doch kann hier wieder die im Nährboden ein- tretende Säuerung als ein schwerer Nachteil sich bemerklich macheu, indem dieselbe empfindlichere Arten am Wachstum verhindert. In der gebildeten Säure liegt auch der Grund, dass sich Virulenz und Lebensfähigkeit weniger gut auf zuckerhaltigem als zuckerfreiem Material konservieren. Zusätze von Glycerin scheinen keinen besonderen Einfiuss zu haben. Für gewisse Zwecke stellt das Blutserum, sei es als solches oder gemischt mit Bouillon, das geeignetste Nährsubstrat dar. Die Bedeutung desselben für die Züchtung der pathogenen S. liegt vor allem darin, dass es bei richtiger Auswahl die Virulenz und die an- deren biologischen Eigentümlichkeiten erheblich besser konserviert als die künstlichen Substrate. Für die menschenpathogenen S. ist das Menschenserum das geeignetste, und zwar sowohl das eigentliche Serum wie auch die leichter erhältlicheExsudat- und Ascitesflüssigkeit. Für die meisten Fälle empfiehlt sich eine Verdünnung mit Bouillon vorzunehmen (2 — 3 Teile Serum, 1 Teil Bouillon), da auf dem reinen Serum die Auskeimung häufig verzögert ist. Von den Tierseris ist Kaninchenserum, auch unverdünnt, sehr brauch- bar, weiterhin Eselserum und Pferdeserum (Bokenham^«, Makmorek'-^^). Die letztgenannten, namentlich das Pferdeserum, bedürfen stets der Ver- dünnung resp. Vermischung mit Bouillon (Eselserum 2 T., Bouillon 1 T., Pferdeserum 2 T., Bouillon 2 T., Marmokek). Manche S. verlangen Streptokokken. 311 noch stärkere Verdünmmg- mit Bouillon (mit 5 oder 10 T.). Das Wachs- tum auf Serumuährbödeu entspricht nicht immer dem auf Bouillon, Kettenlänge und Charakter der Bodensätze sind häufig abweichend. Saprophytische kurze Ö. (S. brevis liquefaciens) sehn wir hier häufig" sehr lange Ketten bilden. Nicht selten beobachtet man in Seruni- bouillonkulturen feinkörnige Fällungen, die sich nach längerem Wachs- tum als voluminöse Niederschläge zu Boden setzen. Ein eigeutümliches Wachstum auf Gemischen vou Rinder- oder Hammel- serum mit Bouillon beobachtete Kurth^s bei seinem S. involutus. Derselbe bildete auf der Oberfläche schollige, wachsartig glänzende Massen von hell- gelber Farbe, die aus dichten Zooglöen der eng verklebten Kokken bestanden. Der S. war aus dem Bläscheninhalt bei Maul- und Klauenseuche gewonnen. Die Milch kommt praktisch für Züchtungszwecke bei den meisten S. nicht in Betracht. Auch in dilferential-diagnostischer Hinsicht hat die Milchkultur keine Bedeutung gewonnen. (Ueber Koagulation siehe folgenden Abschnitt.) Auf den festen Nährböden ist das Wachstum der meisten S. wenig ergiebig und charakteristisch. Auf der Agarplatte erscheint makroskopisch die Einzelkolonie als ein graues oder gelbgraues Knöpfchen, das auch bei isolierter Lage selten 0,5 mm im Durchmesser überschreitet. Bei mikroskopischer Betrachtung erscheinen die im Agar liegenden Kolonieeu als bräunliche runde oder wetzsteinförmige Gebilde ohne Zeichnung. Die oberflächlichen sind mehr oder weniger rund und zeigen eine feinkörnige Granulierung, bisweilen mit strahlenförmiger Anordnung. Der Rand ist, namentlich bei schon etwas älteren Kolonieen, nicht ganz glatt, sondern infolge überragender Kettenschlingen wellig. Das Aus- sehen der Agarstrichkultur w^echselt auch bei demselben S. nach der Beschaffenheit des Agars (Wassergehalt) und der Menge des Aussaat- materiales erheblich. Bei reichlicherer Impfung zeigt sich die Kultur als aus feinsten grauweißen, opaken, mehr oder weniger konfluierenden Kolonieen zusammengesetzt, die in ihrer Gesamtheit je nach der Reich- lichkeit des Wachstums bald mehr den Eindruck einer hauchartigeu Trübung bald mehr den eines grau durchscheinenden Rasens machen. Bei spärlicher Aussaat kann die Einzelkolonie ziemlich groß werden, bis 1 mm und darüber. Besonders große Kolonieen will Seitz " bei Ausstrichen von Auswurf und Mundbelägen erhalten haben. Diese Mastkolonieen waren bis 1 cm groß und zeigten eine schleimige, honigartige, kleisterartige Beschaffenheit. In älteren bildeten sich Kräuselungen, Ringel, Furchen. Andere erschienen stralilig (Rad-, Sonnenstreptokokken) und buckelig. Auch sonst typisch wachsende S. sollen bei geeigneter Ueberimpfung auf Glycerinagar diese Mastformen erzeugen. Im Agarstich entsteht je nach der Reichlichkeit der Aussaat ein mehr konfluierender Belag oder eine aus distinkten, kugeligen, grau- gelben Kolonieen bestehende Kultur. Entsprechend dem Verhalten der S. zum Sauerstoff entwickelt sich dieselbe entweder mehr in den oberen Partieen des Inipfstiches — event. mit Bildung eines Hofes um die Ein- stichstelle — oder in den tieferen. Manche S. zeigen auf Agar nur ein sehr geringfügiges Wachstum (verschiedene im Rachen vorkommende Formen, Vaginastreptokokken, S. der Säuglingsenteritis). Dieselben gedeihen aber bisweilen im Kon- denswasser oder nach gewissen Zusätzen (Glycerin 1—2^, Zucker 312 V. Lingelslieim, 1 — 2^). Auf zuckerhaltigem Agar rufen manche S. deutliche Trübungen hervor, die zu einer völligen Weißfärbung führen können. Namentlich manche kurzen im Darmkanale vorkommenden Formen besitzen diese Eigenschaft. (Pasqualei^, Libman 29.) Ich möchte das Phänomen da- durch erklären, dass infolge starker Säurebildung die im Substrat vor- handenen Albumosen durch den Agar gefällt werden.*) Nicht zu um- gehen sind für manche S. Serumzusätze (1 T. Serum, 2 — 3 T. Agari. Das in der Hitze sterilisierte und völlig koagulierte Serum habe ich für subtilere Formen weniger geeignet gefunden als die Serumagar- gemische. Für S., die sich gegenüber dem SauerstoÖ* der Luft mehr oder weniger ablehnend verhalten oder ihn gänzlich refüsieren, erweisen sich Zusätze von reduzierenden Stotfen nützlich (0,05^ indigsulfosaures Natron). Schließlich kommt auch noch der Ersatz des gewöhnlich ver- wandten Peptons Witte durch ein anderes Präparat in Frage. Wasser- mann empfiehlt für bestimmte Zwecke das französische Pepton Chapeautot. Das Wachstum der S. auf Gelatine entspricht bis auf die laugsamere Entwickelung dem auf Agar. Verflüssigung tritt bei einer Temperatur, die 22° nicht übersteigt, von selten der zu dem S. longus gehörigen Formen nicht ein. Ein gewisses Peptonisierungsvermögeu kommt aber auch diesen S. zu und wird nach Pane^o.^^i erweisbar, wenn dieselben bei 28° — 29" gezüchtet werden. Gelatinen, die solche Temperaturen ohne Verflüssigung vertragen, lassen sich unschwer herstellen, wenn bei ihrer Bereitung höhere Hitzegrade nach Möglichkeit ausgeschlossen werden. Pane stellte eine 13proz. Fischleimgelatine her, die erst bei 30° flüssig wurde. Hier entwickelten die S., welche aus Eiterungen stammten, peptonisierende Wirkungen, nicht aber solche aus Erysipelen. Einzelne wenige pathogene S. sind in der Litteratur beschrieben worden, die auch bei niederer Temperatur verflüssigten. Babes ^2 züchtete einen kurzen S. aus einer Lungengangräu im Gefolge von Scharlach. Derselbe war für Mäuse pathogen, zeigte auf Agar reichliches AYachs- tum und schwache Gelatineverflüssigung (S. septicus liquefacieus). Einen ähnlichen S. hat Escherich aus Pleuropneumonie isoliert. Maxna- berg ^3 fand eine verflüssigende Form in der Niere bei BRiGHTscher Krankheit. In der Stichkultur entstand nach 3—4 Wochen in lang- samster Weise ein Trichter, mehr als »Ausdruck der Kousumption der Nährgelatine«, welche aber dabei nicht flüssig wurde. Der S. trübte die Bouillon. Bei Kaninchen bewirkte er Abszesse. Stärker verflüssigte ein von Vincenzi^* aus einer Fingerpustel isolierter S. Unter den saprophytischen S. giebt es eine ganze Anzahl verflüssi- gende. Ich nenne hier die von Escherich im Darmkanale gefundenen S. coli brevis und S. coli gracilis, einen von Pasquale aus Zimmerstaub gezüchteten sowie den vom Verfasser beschriebenen S. brevis lique- facieus. Namentlich auch im Wasser sind solche Formen gefunden worden. Als gemeinsame Kriterien derselben lassen sich außer der Gelatineverflüssiguug aufstellen: difiuse Trübung der Bouillon unter Bildung kurzer Ketten, reichliches Wachstum auf Agar und Kartoflel und negatives Verhalten gegenüber der GRAMScheu Färbung. Ueber das Wachstum der S. auf der Kartoffel gehn die Angaben der Autoren nicht unerheblich auseinander. Der Grund hierfür liegt zum Teil darin, dass die Kartotfel ein in seiner Zusammensetzung schwan- kendes Substrat darstellt, dann auch darin, dass dem subjektiven Er- siehe hierüber: v. Lingelsheim, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 42, S. 308. Streptokokken. 313 messen ein ziemlich großer Spielranm in der Beurteilung- dessen bleibt, was noch als Wachstum aufzufassen ist. Fehleisen gab an, dass der Erysipelcoccus auf Kartoäel wachse, während die meisten übrigen Autoren negative Resultate zu verzeichnen hatten. Zur Zeit darf man wohl den Satz aufstellen, dass die meisten Formen der langen S. auf diesem Nährboden keine oder eine nur geringfügige, erst nach mehr- tägigem Aufenthalt im Brutschranke in Erscheinung tretende Entwicke- lung zeigen. Am häutigsten ergaben noch die langen S. aus Speichel, Auswurf, Tonsillenbelag, Kulturen in Gestalt von grauen, weißen und pig- mentierten Ueberzügen. Uebrigens zeigten auch hier die reichlich vor- handenen Involutionsformen, dass es sich um kein geeignetes Substrat handelte. Ein mehr oder minder üppiges Kartoffelwachstum zeigen da- gegen fast alle kurzen saprophytischen und auch einige pathogene Formen. Litte rat ur. 1 Arloing, Lyon, med., 1894, Nr. 20. Kef. Centralbl. f. Bakt., Bd. 16, S. 373. — 2 Babes, Zeitachr. f. Hyg., Bd. 20, S. 412. — 3 Duclaux, Traite de microbioL, 189S. — 4 Fischer, Vorlesungen üb. Bakterien, Jena, Fischer, 1903. — » Migula, Compend. d. bakt. Wasseruntersuchung, Wiesbaden, Nemnich, 1901. — 6 Stolz, Centralbl. f. Bakt., Bd. 24, S. 337. — "? Seitz, ebd., 189(5, S. 854. — « v. Lingels- HEiM, Zeitachr. f. Hyg., Bd. 10, S. 3.31. — " Ders., ebd., Bd. 12. — io Ders., Arch. Internat, de Pharmacodynamie et de Therapie, t. 6. — " Pasquale, Zieglers Beiträge, Bd. 12. — i^ Bürdet, Annales Pasteur, 1897, p. 176. — i3 le Roy de.s Barres & Wei.vberg, Kef. Baumgartens Jahresbericht, 1900, S. 21 u. 1899 S. 21. — 14 PoELS & NoLEN, Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk., 1887, S. 283. — 15 BiNAGHi, Centralblatt f. Bakt., Bd. 22, Nr. 10 u. 11. — i*"' Tavel & Kr,umbein, Mitteil. a. Kliniken u. klin. Instit. d. Schweiz, Bd. 3, Serie II, H. 11. — i" Etienne, Arch. de med. exper., t. 7. Nr. 4. — i» Barbier, ibid., t. 4. — i9 d'Espine & Marigxac, ibid., t. 4, p. 458. 1892. — -o Doleris & Bourges, Compt. rend. de la soc. de Biol., 1893, p. 1051. — 21 Ziemke, Baumgartens Jahresbericht, 1895, p. 26, Aum. — -- Marot, Sem. med., 1892, p. 440 u. Compt. rend. de la soc. de Biol., 1892. — 23 Pane, Ref. Banmgartens Jahresbericht, 1898, S. 21. — 24 Kurth, Arb. a. d. Kais. Ges.-Amte, Bd. 7. — 25 Turrö, Centralbl. f. Bakt., Bd. 17, Nr. 24 u. 25. — 26 BOKENHAM, British med. Journal, vol. 2, p. 655. — 27 Marmorek. Ann. Pasteur, 1895, p. 593. — 2.s Kurth, Arb. a. d. Kais. Ges.-Amte, Bd. 8, S. 437. — 29 Libman, Medical Record, Nr. 1541. — ») Pane, Centralbl. f. Bakt., Bd. 16, S. 228. — 31 Ders., Riform. med., vol. 1894, p. 6.54. — 32 b^be-s. Bakt. Untersuch, üb. sept. Prozesse im Kindesalter. Leipzig, Veit & Comp., S. 1889. — 33 Mannaberg, Cen- tralbl. f. klin. Med., 1888, Nr. 30. — 34 Vincenzi, Arch. per le scienze med., 1889. III. Biologie, Resistenz. Das Wachstumsoptimum aller pathogenen S. liegt in der Nähe der Brüttemperatur. Im übrigen variieren die Temperaturgreuzen, bei denen noch Entwickelung statthndet, nach oben und unten nicht unerheblich. Auch bei demselben S. können hier durch den Einfluss verschiedener Züchtimg Verschiebungen eintreten. Einige Anhaltspunkte mögen die folgenden Ermittelungen geben. Haktmanni fand bei Erysipelkokken : die Entwickelung bei 12"— 15^ ' langsam, 20" gut, 24" rasch und kräftig, 35" » 37" » 40,5" minder reichlich. 42,3" keine Entwickelung 314 V. Lingelsheim, Andere Grenzen giebt AßLOixG 2 an. Hiernach ist das Wachstum bei den S. der Septikämie bei 35" am üppigsten, nimmt erst bei 43" ab und hört bei 45"— 47" auf. Nach de Simone liegt das Optimum einige Grade unter der Brlttwärme bei 28" — 30°. Nach PASQUALe wachsen die S. unter 12" entweder überhaupt nicht, oder nur schlecht, andere bedürfen von Haus aus mindestens einer Temperatur von 18" — 20". Die geringsten Ansprüche stellen die saprophytischen , verflüssigenden, kurzen S. ; sie gedeihn meist schon bei Zimmertemperatur recht gut. Das Sauerstofifbedürfnis aller langen S. ist ein sehr geringfüges. Manche scheinen bei Luftabschluss sogar besser zu gedeihn, einzelne sollen obligat anaerob und nur bei genauer Innehaltuug der bei auaeroben Bakterien bekannten Züchtungsbedingungen zum Wachstum zu bringen sein (Krönigs Scheidenstreptokokken, siehe Abschn. IV, 6). Auf Er- haltung von Lebensfähigkeit und Virulenz übt der Sauerstoff' bei den meisten S. einen ungünstigen Einfluss aus. Stichkulturen sind ceteris paribus länger haltbar als Oberflächenkulturen. Die den Luftsauerstoff mehr oder minder refüsierenden S. werden in ihrer Entwickelung begünstigt durch den Zusatz reduzierender Stoffe, von denen sich namentlich das indigsulfosaure Natron (0,05^ — 0,075^) als Zusatz zum Nährboden (Agar) empfiehlt. Die so hergestellten Stichkulturen zeigen je nach Intensität und Schnelligkeit der Reduk- tion verschieden starke Farbenänderungen. Zuerst tritt in den unteren Teilen des Röhrchens eine Gelbfärbung ein, die sich laugsam nach oben fortsetzt, wobei sich die blaue Farbe zunächst aufhellt, um weiter durch Grün, Gelblichgrün in Goldgelb überzugehen. An der Oberfläche bleibt eine 1 — 2 cm dicke Schicht unverändert. Der Fähigkeit einzelner S. -Arten, die Gelatine zu verflüssigen, war bereits im vorigen Abschnitte gedacht. Es war hier auch darauf hin- gewiesen, dass ein gewisses peptonisierendes Vermögen jedem S. longus zukommt. Rosenbach züchtete seinen S. pyogenes unter Luftabschluss auf aufgekochtem Rindfleische und sah dasselbe ohne Bildung von Fäulnisgeruch und wesentliche Gasbildung langsam zergehn. Emmek- LiNG 4 wiederholte diesen Versuch mit sterilisiertem (?) Fibrin. Das Streptokokkenfibringemisch wurde 3 Wochen lang bei 40" unter einer Wasserstoff'atmosphäre digeriert und stellte dann eine trübe, gelbliche Flüssigkeit von käseartigem aber nicht fauligem Geruch imd schwach alkalischer Reaktion dar. In dem Rückstande waren nachweisbar Tyrosin, Leucin, Bernsteinsäure, Fettsäuren von der Essigsäure bis zur Capronsäure, am meisten normale Buttersäure, während Valeriansäure fehlte. Außerdem fanden sich Leim und Pepton und eine ungiftige koUidinähnliche Base. Die konstanten Produkte der Fäulnis wie Phenol, Indol und Oxy säuren waren nicht nachweisbar. Bei der Zersetzung des Zuckers wird nach Sieber-Shoumoff^ von den S. des Erysipel und der Eiterung weder CH4 noch H, sondern nur CO2 gebildet. Nur der S. aus Scharlach soll neben CO2 auch H pro- duzieren. Zerlegung des Milchzuckers unter deutlicher Gasbildung be- wirken nach Adametz -^ die S. der »gelben Galt«. Fett und Salol wird nach Sierer-Shoumoff nicht zerlegt. Alle S. sind Säurebildner. Die Hauptmeuge der gebildeten Säure ist Milchsäure und zwar sowohl die aktive wie die inaktive. Nach Sieber-Shoumoff bilden die S. des Erysipels vorwiegend aktive, die der Eiterung hauptsächlich inaktive Milchsäure, eine Angabe, die die weiteren Untersuchungen nicht bestätigen konnten (Rodet). Die Menge Streptokokken. 315 der gebildeten Sänre schwankt bei den S. verschiedener Herkunft und auch bei verschiedenen Stämmen des S. longus in ziemlich großen Grenzen. Durch die verschiedenen Einflüsse bei der künstlichen Kul- tivierung kann der S. sich ändern; auch die stärkere oder schwächere Vermehrung kommt hier in Betracht. Frühere vergleichende Unter- suchungen ergaben als durchschnittliche Säureproduktion verschiedener S. longi, bei Züchtung auf einer Bouillon von 10 cm Normalnatronlauge Alkaleszenz pro 1 1, 10 — 20 ccm Normalsäure pro Liter. Zucker- zusätze vermögen die Säuremeuge auf das Mehrfache der angegebenen Menge emporzutreiben. Zur Feststellung der Säureproduktion eignet sich für S. die Bouillon im allgemeinen besser als das von Petruschky empfohlene Milchserum, Aveil das letztere vielen S. nur geringfügiges Wachstum gestattet. Als Indicator bei der Titration Avurde vom Ver- fasser und Pasquale Eosolsäure als geeignet befunden. Beziehungen der Säurebildung zur Virulenz haben sich nicht ergeben, auch für die Charakterisierung bestimmter Formen hat sich dieselbe wegen ihrer In- konstanz nicht verwerten lassen. Die Koagulation der Milch ist bei den S. als eine Säurewirkung auf- zufassen. Manche langen Formen koagulieren aus dem Grunde nicht, weil ihr Wachstum auf diesem Nährboden zu kümmerlich bleibt. Andere koagulieren in den ersten Kulturen, verlieren aber die Fähigkeit, wenn sie längere Zeit auf künstliehen Medien kultiviert sind. Am stärksten koagulieren und behalten diese Eigenschaft auch bei viele kurze S. Hashimotos führt solche S. unter den Milchsäurebilduern auf. Kräftig koagulieren sollen auch die S. der »gelben Galt.« (Adametz), die S. der Säuglingsenteritis (Escherich). Auch in der PASQUALEschen Tabelle linden sich einige hierher gehörige Formen. Pasquale hat zuerst auf die chromogene Fähigkeit mancher S. auf- merksam gemacht. Die Färbung, die zwischen Gelbbraun, Gelbrötlich, Gelblichrot und Blutrot schwankt, macht sich namentlich in den Gela- tinekulturen und in dem Bodensatz der Bouillonkulturen bemerklich. Niedere Temperatur begünstigt die Bildung der Pigmente. Sehr häutig sind übrigens mit chromogenem Vermögen ausgestattete S. nicht. Nach Pasquale soll dasselbe nur den Formen eigen sein, die bei Kaninchen Septikämie hervorrufen. Verfasser selbst hat nur 2 Stämme besessen, deren Gelatinekulturen in ihrem unteren Teile eine gelbbraune Färbung zeigten. Ebenso verhielt sich der S. conglomeratus von Kurth. Das Wachstum der S. ist auf alkalischen Nährböden (Bouillon und Agar) bei Brüttemperatur nach zwei bis drei Tagen abgeschlossen. Auf einer einmal mit S. bewachsen gewesenen Bouillon sollen nach Mar- jiorek^ bei nochmaliger Aussaat keine S., wohl aber eine ganze Eeihe anderer Organismen auskeimen können. Marmorek sucht mit dieser Beobachtung die Artgleichheit der S. zu stutzen. Die Haltbarkeit der S. auf künstlichen Nährböden ist bei den ver- schiedenen Formen nach der Beschaffenheit des Substrates und der ein- wirkenden Temperatur sehr verschieden. Am längsten halten sich neben den kurzen saprophytischen S. die langkettigeu Formen, die uns das Erysipel, die Phlegmone und manche Eiterungen liefern. In Bouillon und Agarausstrich bleiben dieselben bei Zimmertemperatur durch vier bis sechs Wochen leicht übertragbar. Einzelne Kokken überdauern auch noch längere Zeit, so dass die Uebertraguug reichlicheren Materiales (ganzer Bodensätze von Bouillonkulturen) häufig noch nach Monaten neue Kulturen ergiebt. Bessere Resultate als Bouillon und Agar ergeben 316 V. Lingelsheim, augegebenen Herkimft zeigen die im vorigen Abschnitt erwähnten Serumbouillongemische. Kebeu der Bescliaffenheit de:;; Substrates ist noch die Feruhaltuug des Sauerstoffes von Wichtigkeit. Am längsten konservierbar sind Gelatinestichkulturen, namentlich, wenn dieselben im Eisschrank aufbewahrt werden. Unter solchen Umständen bleiben nach Peteuschky^ auch alle biologischen Eigentümlichkeiten, Virulenz n. s. w. erhalten. Viel kurzlebiger als die genannten legitimen Vertreter des Erysipels und der Eiterung erweisen sich manche dem Kachen entstammende Formen. Schon Raskin"-^ fiel auf, dass die S., die sie aus Scharlach- fällen gezüchtet hatte, in 14 Tagen in ihren Kulturen abgestorben waren. Analoge Beobachtungen machte Kurth mit seinem S. couglomeratus, der nur 10 — 20 Tage lebensfähig blieb. Ebenso zeichneu sich die von Meyer aus Tousillenbelag bei Gelenkrheumatismus gezüchteten S. durch große Hinfälligkeit auf künstlichen Nährböden eine Eigenschaft, die viele S. der Escherich und seineu Schülern sterben auch enteritis schnell ab. Für ganz ohne Wert wird tungen für die Charakterisierung eines S. nicht erachten können, voraus- gesetzt, dass sie sich als konstant herausstellen, was allerdings schon nach den bisher vorliegenden Mitteilungen zweifelhaft erscheint. Auch für die Haltbarkeit der S. im angetrockneten Zustande lassen sich keine ganz präzisen Zahlen angeben. In Häglers^'^ Versuchen hielten sich Erysipelkokken, an Mull angetrocknet, 14 — 36 Tage lebens- fähig. Kurth fand seinen S., wenn er schnell lufttrocken gemacht wurde, sogar 5 — 6 Wochen haltbar, also länger als in Kulturen. In feinsten Tröpfchen verspritzte S. hatten dagegen in den Kirsteix- schen'i Versuchen nur eine Lebensdauer von 10 Tagen (bei Auf bevvahrung im diffusen Tageslicht). Recht widerstandsfähig fand Germano^'^ ^[q S. , wenn er Kulturmaterial oder Eiter an Zimmerstaub angetrocknet hatte. Die verschiedenen Stämme verhielten sich allerdings nicht gleich- mäßig, manche widerstanden aber monatelang der Austrocknung. Wichtig aus. Es ist das also Nach Säuglings- die S. der man derartige Beobach- Streptococcus o b c Präparat Entwickhings- hemraung trat ein bei einem Prozentgehalte von Entwicklungs- hemmung trat ein bei einem Verhältnis von Normallaugp resp. Normal- säorezusatz pro Liter, welcher zur Entwick- lungshemmung ausreicht Natronlauge Salzsäure Schwefelsäure Oxalsäure Sublimat Quecksilberoxycyanid Goldkaliumcyanid Thalliumkarbonat Lithiumchlorid Karbolsäure Malachitgrün Pyoktanin (Methylviolett) Streptococcus 8 Streptoc. erysippil. Streptococcus 8 Streptoc. erysipel. Streptococcus 8 Streptoc. erysipel. Streptococcus 8 Streptoc. erysipel. > » » » 0,208 0.244 0,055 0,032 0,068 0,049 0,088 0,066 0,0015 0,0014 0,0011 0,018 0,25 0,18 0,001 0,0025 1:500 1:416 1 : 1809 1 : 8125 1 : 1428 1 : 2040 1 :1111 1 : 1492 1 : 65000 1 : 70000 1 : 85000 1 : 5500 1:400 1 : 550 über 1 : 100000 über 1 : 40000 55 65 15 10 15 10 20 15 Streptokokken. 317 erwies sieh dabei die Meiii;-e des Eintrockmingsmateriales, was auf deu Schutz g-egeu die Einwirkung der Luft bezogen werden muss. Auch diese Beobachtung weist darauf hin, dass außer der Beschaffenheit des S. noch eine Reihe anderer Momente für die Konservierung im trockenen Zustande maßgebend sind. Ö., die mit Blut oder Eiter ange- trocknet waren, hielten sich in früheren Versuchen des Verfassers fast doppelt so lange lebensfähig als angetrocknete Bouillon- oder Agar- kulturen. In Betracht kommen weiter noch der Modus der Eintrocknung, ob dieselbe schnell oder langsam von statten geht, die umgebende Tem- peratur, Belichtung. Ueber das Verhalten des S. longus gegenüber entwicklungshemmenden Mitteln liegen frühere Versuche des Verfassers vor, die tabellarisch kurz wiedergegeben sein mögen. Entwicklungshemmung trat danach in Bouillon (bei Brüttemperatur) ein bei folgenden Konzentrationen ver- schiedener Mittel (nebenstehende Tabelle). Abtötung trat ein bei Zimmertemperatur in Nährbouillon von 5 bis 7.5 ccm Normalnatronlauge Alkaleszenz pro 1 1 bei folgenden Konzen- trationen : a b c d Abtötung Abtötung Abtötung Abtötung Präparat trat ein nach trat ein bei trat em bei trat ein bei 1/4 stündiger 1/4 stündiger zweistündiger zweistündiger Einwirkung bei Einwirkung bei Einwirkung bei Einwirkung bei einem Prozent- einem Ver- einem Prozent- einem Ver- gehalt von hältnisse von gehalt von hältnisse von Salzsäure 0,66 1:150 0,40 1:250 Schwefelsäure 0,66 1:150 0.40 1:250 Natronlauge 1,18 1:85 0,76 1:130 Ammoniak 6.§6 1:15 4.00 1:25 Kohlensaures Natron 10.00 1:10 6.66 1:15 Sublimat 0.066 1:1500 0,040 1:2500 Sublimat 1 Gewtl. 1 Lithionchlorid 2 Gewtl. \ 0,066 1 : 1500 0.036 1 : 2750 Quecksilberoxycyanid 0.066 1:1500 0.040 1 : 2500 (ioldkaliumcyanid 0,090 1:1100 0,066 1 : 1500 Kupfersulfat 0,80 1:125 0.50 1:200 Eisenchlorid 0.28 1:350 0,20 1:500 Jodtrichlorid 0.20 1:500 0,133 1:750 Wasserstoffsuperoxyd 2.86 1:35 2.00 1:50 Karbolsäure 0,50 1 : 200 0,33 1:300 Kresol 0,56 1:175 0.40 1:250 Lysol 0,50 1:200 0,33 1:300 Kreolin 1.25 1:80 0,76 1:130 Rotterin 1,53 1:65 1,00 1:100 Naphthylamin 1,33 1:75 0,80 1:125 Ma achitgrün 0.055 1 : 1800 0.03 1 : 3000 Pyoktanin 0.22 1:450 0,14 1 : 700 Aeltere Versuche von Fehleisen hatten ergeben, dass Erysipel- kokken, in dünner Schicht der Platinnadel anhaftend, durch 10 — 15 Se- kunden langen Kontakt mit 1 promill. Sublimat getötet wurden, wäh- rend 3 proz. Karbolsäure den gleichen Effekt erst nach 45 Sekunden hatte. Gärtner & Plagge ^^ behaupten dagegen, dass dieselben Kokken in Bouillonreinkultur derselben Konzentration von Karbolsäure schon nach 8—11 Sekunden erliegen. 318 "f- Lingelsheim, Ziemlicli widerstaudsfäliig erweist sich der S. loiigus gegenüber der Einwirkung höherer Temperaturen. Erwärmung der Aufschwemmung einer Agarkultur in 0,81 proz. Kochsalzlösung auf 60° durch eine Stunde bewirkt keine völlige Abtötung, auch zweistündige Erwärmung auf die angegebene Temperatur führt nicht immer zum Ziel. Erst bei einer Temperatur von 70 — 75° kann man bei kurzer Applikation (1 Stunde) sicher auf Abtötung rechneu. Auch die Kälte scheint die S. wenig zu schädigen. In den Hart- MANNSchen Versuchen erwiesen sich durch 2 Tage gefrorene Bouillon- kulturen als gut erhalten, ebenso Gelatinekulturen, welche durch 24 Stun- den Temperaturen von — 9° und — 12° ausgesetzt gewesen waren. Litteratur. 1 Hartjiann, Archiv f. Hyg., Bd. 7. — - Arloing, Septicemie puerperale, Paris 1892. — 3 Sieber-Shoumoff, Ref. Baumgartens Jahresbericht, 1892, S. 18. — 4 Emmerlixg, Berichte d. deutsch, ehem. Gesellschaft. S. 1863. — 5 Adametz. Journ. f. Landwirtsch., Bd. 42, H. 6. — « Hashimoto, Hyg. Eundsch., 1901, Nr. 17. — '' Majimorek, Annales Pasteur, Bd. 16. — *^ Petruschky, Centralbl. f. Bakt., Bd. 17, Nr. 16. — Q Raskin, ebd., Bd. 5, S. 433. IV. Die Streptokokken als Krankheitserreger beim Menschen. L Streptokokkeninfektionen der Haut und des Unterhautgewebes. Das Erysipel*) (Rotlauf, Rose) w^ar schon Hippokrates bekannt. Derselbe verstand darunter aber nicht nur die bestimmte Erkrankung der Haut, der jetzt ausschließlich diese Bezeichnung zukommt, sondern auch Entzündungen verschiedener anderer Organe. Als Ursache wurden von Hippokrates Witterungseinflüsse angesehen, später von Galen und bis in die neueste Zeit hinein eine abnorme Beschaffenheit des Blutes, die ihrerseits wieder auf Störungen der Leber- funktion beruhen sollte. So führen Heister (1770) ein »dickes, hitziges und scharfes Geblüt«, Callisen (1783) »unterdrückte Ausdünstungen und reggemachte Galle« an, ja in dem Handbuche der Chirurgie von Chelius (1881) heißt es noch: »Die eigentliche Ursache der echten Rose ist Gallenreiz, Störungen der Funktion der Leber, Anhäufung gastrischer U nreinlichkeiten « . Obwohl schon Hippokrates ein epidemisches Auftreten der Rose (der Gesichtsrose) erwähnt, hat sich die Vorstellung, dass es sich hier um eine kontagiöse Krankheit handele, nur ganz laugsam Bahn zu brechen vermocht. Ihre ersten Vertreter fand sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts in England unter dem Eiufluss von John Hunter und Gregory. In Frankreich neigte sich ihr später Velpeau, wenigstens insoweit zu, als er als Ursache nicht eine Konstitutionsanomalie, sondern eine von außen kommende oder in den erkrankten Geweben entstandene Materia peccans annahm. In Deutschland schlössen sich zuerst Wernher (1862) und Billrotii der englischen Auffassung an, weiterhin auch VoLKMAXx, der 1869 das Erysipel als echte Wundinfektionskrankheit, *j Erysipel wird meist abgeleitet von lnvi')-o6s (rot) und nt)Mi Geschwulst) oder TTÜJ.u Haut); nach Feiileisen stammt das Wort von tnv&QÖi und rTe).6s = pallidus. Streptokokken. 319 als »eine örtliche vou den Wirkimgen eines besoudereu giftigeu Stoffes abhängige Störung«, erklärte. Die weitereu Untersuchungen*), nament- lich die Entdeckung des Ervsipelcoccus durch Fehleisen, verschafl'ten dann der kontagiouistischen Theorie dauernde und allgemeine Aner- kennung. Unter Erysipel versteht mau eine fortschreitende Entzündung der Haut, die vor allem durch die gegen die übrige Haut scharf abgegrenzte Rötung charakterisiert ist. Die Schwellung kann dabei sehr gering- fügig sein. Zu den wesentlichen Kennzeichen der Rose gehört ferner das Fortschreiten des Prozesses. Im allgemeinen vollzieht sich die Wan- derung der Rose dem Verlaufe der Lymphgefäße, bezvv. der Richtung des Lymphstromes, entsprechend, doch kommen auch Abweichungen hiervon vor. Manche Erysipele zeigen Neigung zu besonders schnellem Ortswechsel (E. migrans), andere ein anscheiueud wahlloses diskonti- nuierliches Fortschreiten (E. errans oder vagans). Während in vielen Fällen die Entzündung nur einen äußerst flüch- tigen Charakter zeigt, kommt es in anderen zu einer stärkeren Exsudation in die Schichten des Rete Malpighi. Die so entstehenden Flüssigkeits- ansammlungen liegen dann bald in Gestalt feinster Tröpfchen zwischen den Zelllagern des Rete oder sie fließen auch zu größern, die Horu- schicht der Epidermis abhebenden Blasen zusammen (E. bullosum). Noch weitere Steigerung des Eutzündungsreizes vermag auch zu schwerer Gewebsschädigung und Nekrotisierung zu führen (E. gangraenosum). In wieder anderen Fällen verbreitet sich der Prozess aus den oberen Haut- schichten in die Tiefe, es kommt zu Entzündungen phlegmonöser und eiteriger Natur (E. phlegmouosum). Durch Uebergang auf innere Organe entstehen schwere und lebensgefährliche Komplikationen. Erysipele der Brust- und Bauchhaut führen zu Pleuritis bezw. Peritonitis, solche an der Haut der unteren Extremitäten zu KniegelenksentzUnduugen , Ge- sichtserysipele zu Meningitis. Auch auf Schleimhäute geht die Rose über und zwar in Form einer serösen Eiterung mit ödematöser Schwel- lung der Schleimhaut. Nach manchen Autoren kann sich das Erysipel auch auf die Intestinalschleimhaut fortsetzen (AchalmeI, Ucke^). Am häufigsten sind noch von den genannten Komplikationen Arthritiden, deren Auftreten nicht auf die regionär zugehörigen Gelenke beschränkt ist. Septische Allgemeininfektionen im Anschluss an Erysipel sind zwar nicht häufig, aber doch verschiedentlich beobachtet worden (v. Nüokden^, Pfuhl 7). Die Inkubation betrug bei den FEHLEiSEXschen Impfversuchen mit Reinkulturen 15 — 61 Stunden. Diese Angaben dürften für die Spoutan- infektionen nicht ganz zutreffend sein. Wir haben hier sicher mit etwas längeren Zeiträumen zu rechnen, nach den Beobachtungen von Netter, Widal, Echatier^ mit 6 — 14 Tagen, im Durchschnitt einer Woche. Eingeleitet wird die Krankheit durch eineu intensiven Schüttel- frost, dem ein schnelles und hohes Ansteigen der Temperatur folgt. Häufig begleiteu den Beginn der Erkrankung Uebelkeit und Erbrechen, den weiteren Verlauf Diarrhöen. Die Krankheitsdauer erstreckt sich in unkomplizierten Fällen auf 10 — 12 — 14 Tage, doch ist auch ein abortiver Verlauf nicht selten. Beruht doch hierauf die große Anzahl unfehlbarer Heilmethoden, von dem gerade hierbei so beliebten »Besprechen« bis zu allen möglichen Piuselungen und vielen anderen Prozeduren. *) Koch, Mitteilungen aus dem kais. Gesundheitsamte, 1881. 320 V. Lingelsheim, Als die Erreg-er des Erysipels kennen wir seit Fehleisen die fS. Für den Menschen dürfen wir dieselben auch nahezu als die ausschließ- lichen Erreger ansehen, wenn auch in sehr vereinzelten Fällen ein anderes Bakterium (in dem JoRDAXschen ^^ Falle Staphylokokken) ery- sipelartige Entzündungen hervorrufen mag. Ueber das Verhalten der Kokken im erkrankten Gewebe hat schon Fehleisen Angaben gemacht, die in allen Hauptsachen auch jetzt noch als richtig anerkannt sind. Hiernach liegt der Sitz der Kokkenwucherung nicht mehr im Bereiche der geröteten Hautpartie, sondern vielmehr in den nächst benachbarten, anscheinend aber noch unveränderten Gewebs- teilen. Hier füllen die Kokken die Lymphgefäße der Haut wie des subkutanen Gewebes, namentlich aber die der oberflächlichen Schichten des Coriums an, dringen von da in die benachbarten Lymphspalten und Saftkanälchen , aber nicht in die Blutgefäße ein. Die Gewebs- reaktion wird erst erkennbar am Rande der ergriffenen Hautpartie. Hier erscheint das Gewebe der Cutis gequollen, und die mit Kokken erfüllten Lymphgefäße sind von kleinzelliger Infiltration umgeben. Nach dem Centrum der Entzündung, also den zuerst von der Erkrankung be- fallenen Teilen zu, nimmt die Kokkenzahl schnell ab, und nur die Infil- tration bleibt noch eine Zeitlang nachweisbar. Auch der Blaseninhalt weist nur selten noch lebensfähige Kokken auf. Aus vorstehendem ergiebt sich ohne weiteres, dass von einem Erysipel- kranken, soweit keine offene Wunden oder Eiterung vorhanden sind, eine erhebliche Verstreuung des Virus, hohe Kontagiosität, nicht ausgehen kann. Auch die früheren künstlichen Uebertragungsversuche von Person zu Person sind meist negativ ausgefallen. Gleichwohl liegen Versuche vor, die das Vorhandensein von Erysipelkeimen in der Umgebung Erysipelkranker darzuthun scheinen, v. Eiselsberg^ setzte Gelatine und Agarplatten der Luft eines Krankenzimmers aus, in welchem Erysipel- kranke lagen, indem er die Platten teils unter den Betten, teils auf und zwischen denselben aufstellte. Es gelang ihm so S.-Kolonieen zu ge- winnen, ebenso wie in einem anderen Falle, wo die Platten am Kopf- ende des Bettes (es handelte sich um Kopferysipel) aufgestellt waren. Auch Hautschuppen ergaben in vier von fünf Fällen positive Eesultate. Auch Emmerich^ und Hägler'' vermochten in der Luft von Kranken- zimmern, in denen Erysipelkranke gelegen hatten, S. nachzuweisen. RespingerI^ dagegen fand in den Hautschuppen bei 17 Fällen nur ein einziges Mal S., und zwar bei Entnahme von der Eingangspforte der Infektion; auch der Blaseninhalt war bis auf einen Fall frei von S. Als kontagiöser haben wir uns dagegen die Erysipele bei offenen Wunden zu denken. Nach unseren heutigen Anschauungen ist jedoch für die Befähigung eines S. , Erysipel hervorzurufen, die Abstammung von einem Erysipel nicht unbedingt notwendig. Wissen wir doch durch die Petruschky- schenii Versuche, dass auch S. aus Eiterungen unter Umständen nicht nur beim Tier, was schon früher bekannt war, sondern auch beim Menschen Erysipel hervorrufen können. Es spricht hierfür auch eine Reihe von Erfahrungen: die gar nicht seltene Beobachtung, dass sich an Erysipel unmittelbar Eiterungen anschließen und umgekehrt, auch ein von Sippel^^ mitgeteilter Fall, wo eine Hebamme, die mit einem Erysipelkranken zu thun gehabt hatte, eine mit Eiterung einhergehende ])uerperale Infektion auf eine Wöchnerin übertrug. Müssen wir aber für die Infektion mit Erysipel auch mit dem Materiale rechnen, welches Streptokokken. 321 Abszesse imd Phlegmonen liefern, so ist klar, dass namentlich in der vorautiseptischen Zeit in den Krankenhäusern reichlich Gelegenheit zur Verstreuung des Virus gegeben war. In dritter Linie haben wir es für die Infektion mit den S.-Depots auf den Schleimhäuten der oberen Luftwege zu thun, die namentlich unter pathologischen Verhältnissen, bei Etablierung katarrhalischer und entzündlicher Prozesse, eine außerordentlich reiche Flora aufweisen. Dass sich unter den hier vorhandenen S. auch solche befinden, die Erysipel hervorrufen können, wird durch verschiedene Erfahrungen sehr wahrscheinlich gemacht. Gerhardt hat schon über eine Reihe von Erysipelen berichtet, die auf Infektion von dem Rachen aus bezogen werden mussten. Heubner wurde von einem scharlachkranken Kinde mit Erysipel infiziert. Kirchner i^ sah in einem Falle Erysipel im An- schluss an eine Angina auftreten. S., die wenigstens bei Tieren Ery- sipel hervorriefen, wurden schon von Biondi^^ aus dem Speichel ge- züchtet. Von dem Rachen aus ist dann eine Verbreitung des Virus namentlich durch kleinste Tröpfchen und durch den Auswurf gegeben. Die so auf verschiedenen Wegen in die Umgebung gelangten Keime Averden sich nach dem, was über die Konservierung augeti-ockneter Keime bereits berichtet wurde, im Zimmerstaube bis auf Monate zu erhalten vermögen. Unter günstigen Umständen (Lichtabschluss) mag noch eine viel längere Konservierung möglich sein. W. Busch ge- lang es, eine Kranke mit malignem Lymphom dadurch mit Erysipel zu infizieren, dass er sie in ein Bett legte, in dem erfahrungsgemäß Personen mit offenen Wunden dasselbe acquirierten. Es spricht auch für eine längere Haltbarkeit des Virus, dass gerade der enhospitale Ein- fluss des Erysipels erst Jahre nach der Einführung der antiseptischen Wundbehandlung erloschen ist. Für die Infektion mit Erysipel sind nicht alle Personen in gleichem Grade disponiert. Nach einer Statistik von A. Goldzieher werden gewisse Berufsarten (Bäcker, Schlosser, Köchinnen) häufiger betroffen. Der Grund hierfür dürfte in schädigenden Einwirkungen, denen die Haut dieser Personen berufsmäßig ausgesetzt ist, zu suchen sein. Die Beschaffenheit der Haut spielt offenbar bei der Disposition zu Erysipel eine Rolle. Zarthäutige, rot- und blondhaarige Individuen erkranken häufiger als die meist derbhäutigen dunkelhaarigen. Ebenso mag hier- mit die regionäre Bevorzugung gewisser Hautpartieen zusammenhängen. Für die Häufigkeit des Gesichtserysipels, das mit Vorliebe von wunden Stellen der Nase ausgeht, mag auch dieser Umstand in Betracht kommen. Einzelne Personen scheinen eine ganz besondere Empfindlichkeit für Erysipel zu besitzen. Hirtz & Widal^ berichten von einer Frau, die im Verlaufe eines Vierteljahres nicht weniger als 20 Erysipele durchgemacht hatte, darunter einige sehr schwere Formen, während welcher im Blute wiederholt S. nachgewiesen werden konnten. Bei dem sogenannten habituellem Erysipel handelt es sich wohl um im Gewebe zurückgebliebene Kokken, nicht um Neuinfektionen. Für das Vorhandensein einer ausgesprochenen individuellen Dispo- sition scheinen die Impfversuche zu sprechen, welche Koch & Petruschky vor einigen Jahren an verschiedenen Personen (meist Karzinomkranken) angestellt haben und die des Interesses wegen, das sie in mehrfacher Hinsicht bieten, hier kurz angeführt sein mögen. Die beiden Autoren benutzten zu ihren Versuchen folgende Stämme: Handbucli der pathogenen Mikroorganismen. IH. 21 322 V- Lingelsheim, 1. hocbkauiuclienviruleute verschiedener Herkunft. 2. 2 Stämme von menschlichem Erysipel, deren Gelatinekulturen im Eisschranke konserviert waren, 3. Stamm KT. ans Peritonealeiter, 4. Stamm aus einem schweren Kopferysipel. Völlig unpathogen erwiesen sich bei Injektion und Kritzelimpfung- für den Menschen die unter 1. und 2. angeführten S., worauf noch an anderer Stelle zurückzukommen ist. Aber auch mit den Stämmen 3 und 4 gelang es nur bei einem Teil der Personen typisches Erysipel zu erzeugen, bei verschiedenen anderen nicht. Der Stamm aus Eiter verhielt sich wie ein echter Erysipelstamm , in einem Falle war er je- doch dem unter 4. aufgeführten unterlegen, der hier Erysipel hervor- rief, während er selbst versagt hatte. Bemerkenswert ist ferner das Verhalten einer Leprakrauken, die bei Impfung mit Stamm 3 und 4 nur mit einer bald vertrocknenden Eiterpustel reagierte, einige Zeit nachher aber an einem spontanen Erysipel des Unterschenkel erkrankte. Die PETRuscHKYschen Resultate sind nicht konform denen von Fehleisen, welcher mit seiner Kultur bei seinen 6 Geschwulstkrankeu jedesmal Erysipel erzeugen konnte. Refraktär verhielten sich nur eine Person bei der zweiten Impfung und eine andere, die bereits mehrere Erysipel überstanden hatte. Aus den PETRUSCHKYSchen Versuchen würde nicht nur eine sehr ver- schiedene individuelle Disposition gegenüber der Erysipelinfektion über- haupt, sondern sogar gegen Erysipelkokken verschiedener Herkunft her- vorgehen. Gerade für diese letztere Folgerung wird man das Material als nicht ausreichend ansehen müssen, außerdem ist es möglich, dass Karzinomkrauke kein geeignetes Prüfuugsobjekt darstellen. Weiter ist damit zu rechnen, dass auch Impfungen, die keinen direkt krank- machenden Eifekt auszuüben imstande sind, doch die Empfindlichkeit zu ändern vermögen, so dass die folgende Applikation mit einem neuen Stamme erfolgreich sein kann, ohne dass dieser an sich infektionstüchtiger ist. Bei dem Leprafalle lag vielleicht eine Autoinfektion mit den Pustel- kokken vor, die in den Pusteln eine Anpassung erfahren hatten. Erysipelepidemieen, die schon Hippokkates bekannt waren, sind im allgemeinen selten. Meist handelt es sich, namentlich bei denen früherer Zeit, um Hospitalepidemieen, auch die vor einigen Jahren von Uckei*' beschriebene war im ganzen als solche aufzufassen. Gewisse Häufungen von Erysipelfällen werden in der rauhen Jahreszeit beobachtet (Hirsch ^^j, also dann, wenn die Haut (namentlich die Gesichtshaut) zarthäutiger Individuen zu Rissen und Exkoriationen neigt und leicht Haftstellen für die Infektion bietet. Dann aber sind an die rauhe Jahreszeit auch die Entzündungen und Katarrhe der Atmungsorgane gebunden, die zu großen S. -Wucherungen und zum Absetzen von S. in unsere nächste Umgebung veranlassen. An direkte Infektion vom Munde her (Tröpfchen) wird man weiter bei Häufungen von Erysipel oder anderen Wundkraukheiten denken müssen, die auch heute noch ab und an in selbst sehr gut ge- leiteten Hospitälern vorkommen. Gewisse Analogieen zum Erysipel zeigt die Lymphangio'itis. Ver- NEUiL nennt beides Formen derselben Krankheit, von denen die eine die kleinern, die andere die größern Lymphbahnen aufsuche. Jedenfalls wird auch die Lymphangioitis bedingt durch ein schnelles Fortwuchern der Kokken in den Lymphbahnen des subkutanen Gewebes. Dieselben Streptokokken, 323 werden tlirombosiert , weiterhin kommt es, wahrst' lieinlicli unter dem Eintiiisse gelöster Giftstotfe, auch zur Alteration der l)enachbarten Blut- getliße. Das Lymphgefäß erscheint dann als harter, durch die Haut rot durchscheinender Ötrang'. Je später die Thrombosierung eintritt, um so größer sind die Chancen, dass die Kokken bis zu den Lymphdrüsen vordringen, wo sie zu Entzündung, die in Eiterung übergehen kann, führen. Weit günstigere Bedingungen als das derbe Corium bieten für die Wucherung der S. das lockere Bindegewebe, das zwischen Haut und Faszie gelegen ist, die bindegewebigen Hüllen der Muskeln und Sehnen und das Perimysium iuternum. Hier vermögen die S. die heftigen eit- rigen Prozesse hervorzurufen, die als Phlegmonen das wichtigste Kapitel der Wundinfektionen darstellen. Zwischen dem Erysipel und den eigent- lichen Phlegmonen giebt es Uebergaugsformen, die man als tiefe Ery- sipele bezeichnet. Dem schnell flächenhaft sich ausbreitenden Prozesse fehlt die Neigung zur Abszedieruug. Je stärker wiederum diese letztere ausgeprägt ist, je weniger das Bestreben nach flächenhafter i\.usdehnung besteht, um so mehr nähert sich die Phlegmone dem Abszess. Als Erreger phlegmonöser und abszedierender Prozesse wurden die S. zuerst von Rosenbach nachgewiesen und von ihm als S. pyogenes bezeichnet. Zur Zeit wissen wir, dass dieser Ö. pyogenes auch Erysipel bewirken kann und umgekehrt der Ö. erysipelatis auch Eiterung. Ob das eine oder andere sich entwickelt, dafür muss neben vielleicht uns noch unbekannten Relationen zwischen der Disposition des Individuums und der Virulenz des S. wesentlich die Beschaöenheit der Eingangspforte (oberflächlich oder tiefer gehend, groß oder klein) angesehen werden. Während das Erysipel als eine fast ausschließliche S.-Infektion an- zusehen ist, beteiligen sich bei Lymphangioitis (Fischer & LevyI^), Lymphadenitis, vor allem bei den Phlegmonen Staphylokokken. Die S. können bei diesen Prozessen als die Pioniere gelten, die durch ihre viel schnellere Verbreitung im Gewebe den Staphylokokken den Boden be- reiten. Später kann sich das Verhältnis umkehren; die Staphylokokken prävalieren, was namentlich dann eintritt, wenn der Prozess den Charakter des Abszesses annimmt. Auch Vergesellschaftung mit anderen Organismen, Fäulnisbakterien, kommt bei stärker verunreinigten Wunden vor und giebt eine schlechte Prognose, da die pathogeneu Wirkungen der S. auf diese Weise eine, auch experimentell wiederholt festgestellte Verstärkung ihrer pathogeneu Fähigkeit erhalten (siehe Mischinfektion). Der mikroskopische Nachweis der S. im Eiter oder anderen Wund- sekreten stößt meist auf keine Schwierigkeiten. Mau bedient sich der GRAMSchen Färbung, die namentlich beim Vorhandensein nur weniger Kokken die Entdeckung erleichtert. Einfach gestaltet sich auch die Reiukultivieruug. Bei Ausstrich auf die Agarplatte hel)eu sich deutlich die kleinen punktförmigen Kolonieen von den größeren und kompakteren der Staphylokokken ab. Neben Ausstrichen auf die Agarplatte ist der Tierversuch (subkutane und intraperitoneale Impfung von Mäusen) in Anwendung zu ziehen, was namentlich dann zu empfehlen ist, wenn schnell wachsende Bazillen neben den Kokken vorhanden sind. We- niger leicht gelingt die Kultivierung der Kokken aus Erysipel. Nur ausnahmsweise geben schon Hautschuppen, Blaseuinhalt, Gewebsflüssig- keit aus Skarinkatiouswunden der Randzone positive Resultate. Will man sichergehen, so bleibt nur das schon von Fehleisen angewandte Verfahren der Excision von Hautstückcheu der Randpartie übrig. 21* 324 V. Lingelsheim. Für den mikroskopisclieu Nachweis der Kokken im Gewebe eignet sich am besten das KüiiNEsche Verfahren. Außer bei Erysipel sind S. noch bei einer Eeihe anderer Hautaffek- tiouen, namentlich solcher impetiginösen Charakters, nachgewiesen und als Erreger angesprochen w^orden. Balzee & Griffon^i fanden in 31 Fällen von Impetigo S. in Reinkultur, ebenso Meslay22 bei Impetigo eines Neugeborenen. Kurth^s wies bei einer Epidemie von Impetigo contagiosa konstant einen S. nach, der sich dadurch auszeichnete, dass er bei Mäusen rein örtliche Eiterungen hervorrief, die aber den Tod der Tiere nach i — 6 Tagen zur Folge hatten. Unna^^ beschreibt ein durch S.-Embolisation erzeugtes akutes pockenähnliches Exanthem, das er als Phlyctaenosis streptogenes bezeichnet. Bei den meisten pustulösen Haut- afifektioneu werden übrigens Staphylokokken gefunden (White 25). Als metastatische Prozesse sind die Exantheme aufzufassen, die sich in Gestalt pustulöser Ausschläge, als Erytheme (multiforme), Purpura nicht selten im Verlaufe generalisierter pyämischer Prozesse einstellen. Bei der infektiösen Purpura spielen S. nach Peron*), Widal & TiiEKESE**), die Hauptrolle, in zweiter Linie kommen Staphylokokken (Lebreton26, Antony27)j sowie Pneumokokken und Pueumobazilleu in Frage. Wiederholte exakte Beobachtungen haben es auch wahrscheinlich gemacht, dass S. imstande sind durchaus dem Scharlach gleichende Exantheme hervorzurufen. Das sogenannte Wundscharlach geht von einer mit S. infizierten Wunde aus und verbreitet sich von dieser über den ganzen Körper. Die begleitende Angina und Nephritis, die folgende Desquamation vervollständigen das Bild des echten Scharlachs. Hoffa^s hat 7 solcher Fälle in der Litteratur gefunden; er selbst beschreibt 2, bei denen in der skarlatinös veränderten Haut S. nachgewiesen werden konnten. Einen weiteren Fall beschreibt Brunxer^'^. Hier schloss sich an eine Phlegmone des Oberschenkels mit Lymphangitis und Lymph- adenitis der Inguinaldrüsen ein exquisites Scharlachexanthem über den ganzen Körper mit nachfolgender lamellöser Desquamation an. Angina und Nephritis fehlten hier. Im Wundeiter wurden S. nachgewiesen. Man wird dem Autor darin beipflichten müssen, dass es sich bei dem Wuud- scharlach (Puerperalscharlach) um ein echtes Scharlach handelt, das nur durch eine imgewöhnliche Einigungspforte in den Körper eingedrungen ist. Denkbar bleibt es allerdings, dass das Scharlachvirus in diesen Fällen eine sekundäre Infektion darstellt und nicht durch die in der Wunde nachgewiesenen S. repräsentiert wird. AVenn S. die Erreger des Scharlachs sind, so muss das Exanthem als das Resultat einer Giftwirkung aufgefasst werden. Es sind in der Litteratur manche Angal)en verzeichnet, die solche Giftwirkungen, die wir uns analog den Arzneiexanthemen zu denken hätten, wahrscheinlich machen. Erwähnt sei hier noch eine Beobachtung von le Gendre & Claisse^o^ Avonach sich an eine Amygdalitis Purpura und Erythema papulo-nodosum anschlössen. Während in dem liachenbelage S. nach- gewiesen werden konnten, zeigten sich die Purpuraflecken keimfrei. (Auf die S. bei Scharlach wird noch an anderer Stelle eingegangen werden.) *) Sem. med., 1897, p. 105. **) Sem. m6d., 1894, p. 78. Streptokokken. 325 Litter atur. 1 ACHALME, L'erysipele. — - Ucke, Centralbl. f. Pathol. u. pathol. Anatomie. Bd. 5, S. 473. — 3 V. Nookden, Münch. med. Wochensch, 1887, S. 33. — * Pfuhl, Ztschr. f. Hyg., Bd. 12. — 5 Echatieh, De l'incubation de Ferysipele, Paris, These, 1890. — 6 Jordan, Bruns Beiträge, Bd. 10, S. 587. — ^ v. Eiselsberg, v. Langen- becks Archiv, Bd. 35. — *^ Emmerich, Tagebl. d. 59. Versamml. deutscher Natur- forscher u. Aerzte zu Berlin, 1886, S. 433. — '' Hägler, Bruns Beiträge, Bd. 9, S. 496. — 10 Respinger, Beitr. z. klin. Chirurgie, Bd. 26, H. 2. — " Petruschky, Ztschr. f. Hyg.. Bd. 23. — i^ Sippel, Deutsche med. Wochensch., 1898, Nr. 19. — 13 Kirchner, Centralbl. f. Bakt., Bd. 11. — i* Biondi, Ref. Deutsche med. Woch., 1886, Nr. 8. — i5 Hirtz & Widal, Bullet, med., 1891, Nr. 101. — iß Ucke, Centr. f. Bakt, Bd. 21. — i' Hirsch, Handbuch d. hist.-geogr. Pathol., 2. Aufl., 1883. - 18 Verneuil & Clado, Compt. rend. de l'acad. des sciences de Paris, t. 108, p. 714. — 19 Fischer & Levy, Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie, Bd. 36, S. 621. — 20 Kühne, Prakt. Anleitung z. Nachweis d. Bakt. — -i Balzer & Griffon, Ref. Baumgartens Jahresbericht, 1898, S. 34. — -- Meslay, Bull, de la soc. anat., 1897, p. 827. — -3 KuRTH, Arbeiten a. d. Kais. Ges.-Amte, Bd. 8. — -* Unna, Deutsche Medizinalzeitung. 1895, S. 569. — -5 White, Ref. Baumgartens Jahresbericht, 1899, S. 38. — -T. Lebreton, Sem. med., 1894, p. 53. — ^' Antony, ebd., 1894, p. 62. — 28 HoFFA, Sammlung klin. Vorträge, Nr. 292. — 29 Brunner, Berl. klin. Woch., 1895, Nr. 22. — 3o le Gendre & Claisse, Sem. med., 1892. 2. Streptokokkeninfektionen der Knochen und Gelenke. Als Erreger osteomyelitischer Prozesse treten die S. gegenüber den Staphylokokken wesentlich in den Hintergrund. Nach manchen Autoren (Müller 1) wird die echte Osteomyelitis immer durch Staphylokokken bedingt. Die S. zeigen mehr Neigung sich in den Gelenken als den Knochen anzusiedeln, und, soweit es zu Prozessen an den letzteren kommt, mehr das Bild der Ostitis und Periostitis als der mit Seque- strationen verbundenen Osteomyelitis hervorzurufen. Lexek'^ und Klemm-' sehen auch die S.- Osteomyelitis als echte Osteomyelitis an; größere Sequestrationen sind nach Lexer allerdings selten, kommen aber doch gelegentlich vor. Zu den Eigentümlichkeiten der S.-Osteomyelitis gehört, dass sie vorwiegend bei ganz jugendlichen Individuen auftritt, meist im Anschluss an Krankheiten, die mit S.-Invasionen verbunden sind (Angina, Diphtherie, Scharlach). Epiphysenlösung und Gelenkergüsse sind häufiger als bei der durch Staphylokokken bedingten Form, dagegen ist der Markabszess selten und die fortschreitende Markphlegmone scheint ganz zu fehlen (Klemm). Außer S. und Staphylokokken sollen auch Pneumokokken und der Typhusbacillus gelegentlich osteomyelitische Prozesse hervorrufen können. Lediglich registrierend seien die Befunde pyogener Kokken in rhachi- tischen Knochen von Mircoli^ erwähnt. S. -Infektionen der Gelenke in Form eitriger Entzündungen kommen vor bei penetrierenden Wunden, beim Uebergreifen benachbarter phleg- monöser Prozesse auf das Gelenk und als Metastasen bei Pyämie. Früher als andere Organe werden bei Pyämie die Gelenke befallen. Besonders prädisponiert erscheinen Knie- und Ellenbogengelenk. Als eine Pyämie wird vielfach heute auch der Gelenkrheumatismus aufgefasst. Unter Gelenkrheumatismus verstehen wir eine fieberhafte Erkrankung, deren wichtigste Symptome Schwellung und Schmerzhaftig- keit eines oder mehrerer Gelenke darstellen. Häufige Komplikationen sind Entzündungen der serösen Häute, des Perikards in 14 X, des Endo- kards in 20^ der Fälle (Bamberger »& Leber). Außerdem werden gewisse Hautaffektioneu beobachtet, denen wir auch in dem Verlaufe 326 V. Lingelsheim, g'eueralisierter pyämiseher Prozesse begegnen, die Purpura und das Erythema multiforme. Bei kindlichen Individuen kommt es nicht selten zu einer Komplikation auf nervösem Gebiete, der Chorea minor. Eingeleitet wird die Erkrankung in der Regel durch eine katarrha- lische Angina, in anderen Fällen sind Scharlach, Diphtherie, Erysipel (Pakvu^, Monteux^) vorausgegangen. Für den infektiösen Charakter des Gelenkrheumatismus sprechen die auf Infektion beruhende primäre Erkrankung und die unverkennbare Aehnlichkeit mit in den Gelenken sich lokalisierenden Pyämieen. Die Auffassung, dass der Gelenkrheumatismus weiter nichts als eine Pyämie sei, scheint weiter unterstützt zu werden durch eine Reihe bakteriologi- scher Befunde, die im Blute oder in dem Gelenkinhalte die Anwesenheit pyogener Kokken ergaben. Maxtle fand (1887) bei 7 Fällen Diplokokken und kurze dicke Bazillen, Buday^ in einem Falle S., Veillox in 22 Fällen S., in 16 Pneumokokken und in 2 Staphylokokken, Charron'* in 22 Fällen 14 mal Staphylokokken, 4 mal S., 2 mal Colibazillen und 2 mal sterile Aussaat. Von Saiili'' wurden Staphylokokken, von Bertaux^" gar Tetragenus im Blute nachgewiesen. Sixgerii untersuchte bei einem größeren Materiale Blut, Harn und Gelenkinhalt. Der Blutbefund war meist negativ. Er fand Staphylokokken, S. pyogenes und S. conglome- ratus. Maragliano^^ und Mirooli^-^ sehen Staphylokokken als Haupt- erreger der rheumatischen Chorea an. Bei rheumatischer Purpura und Erythem wies Singer ^2 g. mid Staphylokokken nach. Bei rheumatischer Endocarditis sind meist Streptokokken, weiterhin aber auch Staphylo- kokken, Pneumokokken und gelegentlich auch andere Kokken gefunden worden. Hiernach würden alle pyogenen Kokken wie bei der Pyämie so auch bei der Polyarthritis und ihren Komplikationen in Frage kommen können. Nun zeigt aber doch der Gelenkrheumatismus einig-e Abweichungen von der durch die gewöhnlichen pyogenen Kokken erzeugten Pyämie sowohl in klinischer, wie pathologisch - anatomischer wie bakterio- logischer Hinsicht. In klinischer durch das sprunghafte Befallen der Gelenke, durch eine gewisse Flüchtigkeit des Prozesses, die auch in der leichten Beeinfiussbarkeit durch spezifische Mittel zum Ausdruck kommt, in pathologisch-anatomischer durch den Charakter der Synovitis, die ein meist spärliches, klares, zellarmes Exsudat liefert, und in bakterio- logischer last not least durch die häufig beobachtete Keimfreiheit des Exsudates. Da wo die gewöhnlichen Staphylokokken und S. im Gelenk- inhalte nachgewiesen wurden, scheint es sich mehr um Pyämieen ge- handelt zu haben, die nicht ganz dem Charakter des Gelenkrheumatismus entsprachen resp. um sekundäre Infektionen mit den pyogenen Erregern. Aus diesen Erwägungen heraus ist es verständlich, dass man aufs neue nach spezifischen Erregern gesucht hat. Das Resultat dieser Be- strebungen war, dass wieder S. gefunden wurden, die aber von den gewöhnlichen pyogenen S. verschieden sein sollen. Wassermann ^^ züchtete aus den endokarditischen Auflagerungen sowie Blut und Gehirn einer Person, die an rheumatischer Chorea ge- litten hatte, einen S., der durch seine Ansprüche an den Nährboden (höheres Alkali- und Peptonbedürfnis) und durch sein pathogenes Ver- halten auffiel. Derselbe rief bei Kaninchen eine meist tödlich verlau- fende und mit multii)len Gelenkatfektionen einhergehende Krankheit hervor. Die ersten Erscheinungen traten bei den Tieren nach 3 — 4 Tagen, manchmal aber auch erst später ein. Die Schwellung ging oft Streptokokken. 327 au einem Gelenke zurück und ergriff sprungweise ein anderes. Die trtibserösen, häufig leukocytenhaltigen Gelenkexsudate enthielten denS. in Reinkultur, Meyer 17' is, der in Gemeinschaft mit v. Leyden &Michaelis 25 Fälle ausgesprochener, die Polyarthritis begleitender, Angina untersuchte, ver- fuhr bei der Isolierung seiner S. in folgender Weise: Nach gründlicher Ausspülung der Mundhöhle wurde Material von den Lakunen der Ton- sillen entnommen und auf Bouillon (Ascitesbouillon) übertragen. Die nach 24stüudigem Aufenthalt der Röhrchen im Brutschrank gewonnene Mischkultur wurde Kaninchen intravenös injiziert: die zuerst auftretende Gelenkgeschwulst enthielt dann spärliche Diplokokken, die, meist iutra- cellulär in den Leukocyten imd Eudothelien gelagert, nach Gram bei nachfolgender Färbung mit Kühnes Methylenblau sichtbar gemacht werden konnten. Starben die Tiere nachträglich an Endocarditis, so fanden sich die Kokken auch im Centrum der oft recht voluminösen Exkreszenzen. Die kulturellen Eigenschaften ergaben wenig Bemerkens- wertes. In Bouillon wuchsen die Diplokokken zu kurzen Ketten aus und starben schnell ab. Auf Ac'ar zeigte sich nur kümmerliches Wachstum. Während der Nachweis dieser S. mit Tonsillenmaterial in der an- gegebenen Weise regelmäßig gelang, steht derselbe für die Gelenke, von vereinzelten Angaben (Mexzer, Poyntox, Triboulet) abgesehen, noch aus. Im wesentlichen stützt sich die Annahme der Autoreu, dass in diesen S. der Erreger des Gelenkrheumatismus vorläge, auf das pathogeue Ver- halten derselben dem Kaninchen gegenüber. Nun rufen aber S. der ver- schiedensten Herkunft, wenn sie mit geringer Virulenz begabt in größeren Mengen intravenös appliziert werden, Gelenkaffektionen hervor. Das ist eine bei den S. schon längst bekannte Thatsache. Es könnte also nur in der Schnelligkeit, mit der die Geleukaöektionen hier auftreten sollen, ein neues Moment gegeben sein. Aber selbst wenn diese S. oder einer von diesen S. — nach den Angaben in der Litteratur scheinen die von den verschiedenen Autoren isolierten Formen in ihren Eigenschaften nicht ganz übereinzustimmen — eine besondere Neigung hätten, sich in den Geleukapparaten des Kaninchens anzusiedeln, so würde bei der bekannten Verschiedenheit der Gewebsdisposition dieses Tieres und des Menschen zu den S. über ihre ätiologische Bedeutung beim Gelenk- rheumatismus noch nicht viel ausgesagt sein. Litteratur. 1 MÜLLER, Münch. med. Woch., 1893, Nr. 47 u. 48. — 2 Lexer, Arch. f. klin. Chir., Bd. 57, S. 879. — 3 Klemm, Samml. klin. Vorträge, N.-F., Nr. 234, Leipzig;. — 4 MiRCOLi, Eef. Baumgartens Jahresbericht. 1893, S. ;30. — ^ Parvu, ebd.. 1897, S. 67. — fi MoNTEux. ebd., 1899, S. 39. — ' Buday, ebd., 1890, S. 35. — « Charrin, Sem. med., 1894. p. 370. — ^ Sahli, Correspondenzbl. f. Schweizer Aerzte. Bd. 22. — 10 Bertaux, Eef. Baumgartens Jahresbericht, 1897, S. 39. — " Singer, Aetiol. u. Klinik d. akut. Gelenkrheumatismus, 1898, Braumüller, Wiesbaden. — ^- Ders., Wiener klin. Woch., 1897, S. 841. — i3 Ders., Berl. klin. Woch., 1899, Nr. 33. — 14 Maragliano. Centralbl. f. d. ges. Med., 1899, Nr. 19. — '•"' Mircoli, Ref. Baum- gartens Jahresbericht, 1899. S. 37. — if^ Westphal, Wassermann, Malküf, Berl. klin. Woch., 1899, S. 638. — i" Meyer. Ztschr. f. klin. Med., Bd. 46. H. 1 u. 2. — 1»^ Ders., Bakt. d. akuten Gelenkrheumatismus. — i'' Menzer, Aetiologie d. akut. Gelenkrheumatismus. Bibl. Coler-Schjerning, Hirschwald 1902. 328 V. Lingelslieim, 3. Streptokokkeninfektionen des Eachens. Wie schon au anderer Stelle bemerkt wurde, stellen die normalen Schleimhäute einen beliebten Aufenthalt für S. dar. Die ersten Angaben über positive Befunde stammen von Black ^ und Biondi2. Nfttek-^ g-iebt ihre Frequenz im normalen Speichel mit 3,5 % der Fälle an. Widal & Besancün (Sem. med. 1894) fanden tierpathogene (erysipelerzeugende) For- men wiederholt im Speichel Erysipelkranker. v. Dungern ^ behauptet, S. konstaut in der Mundhöhle gefunden zu haben. Hübener &. Barthel^ bezeichnen sie hier als häutig, Baumgarten hat sie nur selten gesehen. Eegelmäßiger und meist auch in größerer Menge als im Speichel finden sich S. auf den Tonsillen. Dörnberger^ wies sie in 45^ der Fälle auf gesunden Mandeln nach. Vv^idal & Besan^on behaupten, dass hier stets S. zu finden seien. Zu dem gleichen Resultate kam Hilbert ^ auf Grund zahlreicher Untersuchungen. Auf der normalen Nasenschleimhaut scheinen sie sich dagegen seltener aufzuhalten. Besser ^ untersuchte die normalen Nasenschleimhäute von 57 Männern und fand im ganzen 7 mal S. Unter den 230 Untersuchungen, die E. 0. Neumann ^ an 206 Personen (gesund) anstellte, fand er nur in 2 ^ den S. pyogenes. Sehr wesentlich für den Ausfall der Untersuchungen ist die Methodik, auf die ich noch weiter unten zurückkomme. Dies berücksichtigt kann man zur Zeit, ohne fürchten zu müssen, mit den Thatsacheu in Konflikt zu kommen, behaupten, dass S. auf den Tonsillen immer, auf der normalen Mundschleimhaut und im Speichel häufig, auf der Nasenschleimhaut in einer Anzahl von Fällen zu finden sind. Verlieren die genannten Schleimhäute ihre normale Beschaffenheit, kommt es zur Bildung reichlicheren Sekretes, dem zellige Elemente, Epithelien und Leukocyteu beigemischt sind, so wirkt dies auf die vor- handene Bakterienflora und speziell auch auf die S. wie ein befruch- tender Frühjahrsregen. Es tritt reichliche Vermehrung ein, die dann auch wohl ihrerseits durch Bildung reizender Produkte den ursprüng- lichen Prozess zu unterhalten vermag. Schon leicht katarrhalische Affek- tionen vermögen die S.-Menge auf den befallenen Schleimhautpartieen erheblich in die Höhe schnellen zu lassen. Neumann fand in affizierten Nasen 6 mal häufiger S. als in normalen, Verfasser selbst hat bei seinen Untersuchungen an schnupfcukranken Personen in über 25 % der Fälle S. in großen Mengen, in geringerer Anzahl in sämtlichen Fällen nach- weisen können. Gleiche Resultate ergaben die Rachenkatarrhe. Es sei gleich hier bemerkt, dass die Mehrzahl der auf den normalen Schleim- häuten gefundenen S. sich morphologisch und kulturell dem von uns als S.longus bezeichneten Formen analog verhält, ferner dass auch, wie unter anderen Hilbert nachgewiesen hat, tierpathogene darunter sind. Viel bedeutungsvoller als bei den Katarrhen wird die Rolle der S., sobald durch gewisse Krankheitsnoxen die Schleimhaut an Ort und Stelle geschädigt (Diphtherie) oder infolge schwerer Allgemeinerkrankungen (Scarlatina, Typhus abdominalis, Typhus exanthematicus, Variola, Mor- billi) die Vitalität des Gewebes herabgesetzt ist. Die Anwesenheit der S. in den diphtherischen Herden wurde schon von Löffler festgestellt und von allen Nachuntersuchern bestätigt. Bei den meisten Diphtherioon sind die S. zahlreich vorhanden, bei manchen so zahlreich, dass sie den lokalen Prozess zu l)eherrschen scheinen. Aus diesem Grunde waren manche Autoren geneigt, die S. für die Haupt- ursache der Diphtherie zu halten und den LÖFFLERSchen Bazillen mehr Streptokokken. 329 die Kolle eiuer allerdings g-efährlichen Komplikation zuzuerkennen (Prudden & NoRTEüPpio). Noch lieute neigen Baumgar ten und Dahmer dieser Ansicht zu; zum mindesten wollen sie den S. hinsichtlich der Be- deutung für den Krankheitsprozess eine koordinierte Stellung zu den Bazillen anweisen. Da sich nicht leugnen lässt, dass S. auf andern Schleimhäuten (Endometrium) sowie auch auf der Rachenschleimhaut (hei Scharlach) Diphtherie im pathologisch-anatomischen Sinne hervorrufen können, da weiter die mikroskopische Untersuchung (Baumgarten) er- giebt, dass gerade die S. von der Pseudomembran in das Gewebe hinein- wuchern, so wird man eine ins Gewicht fallende Bedeutung den S. auch für die Fälle vindizieren müssen, die nicht durch S.-Invasion in andere Organe dem Krankheitsbild ganz den Charakter der S.-Sepsis verleihen. Bei französischen Autoren finden wir eine Einteilung der Diphtherie in septische Diphtherie, das ist Mischinfektion mit S. (Diphtherie avec association) und Mandelentzündung mit deszendierendem Krup (Diph- therie pure). Diese Einteilung entspricht nicht den thatsächlichen Ver- hältnissen, da mit ganz wenigen Ausnahmen S. immer bei Diphtherie nachweisbar sind, diese Diphtherieen aber keineswegs immer einen sep- tischen Charakter tragen. Die Bedeutung der S. bei der Diphtherie lässt sich kurz in folgenden Punkten präzisieren: 1. Lokale Schädigung des Gewebes, wodurch die Wucherung der Bazillen begünstigt wird — Beteiligung an der Meml)ranbildung, 2. Erhöhung der Virulenz der Diphtheriebazillen. Ivoux & Yersix beobachteten dieselbe sowohl in vitro wie im Tierversuche. Die Angaben wurden von verschiedenen Seiten bestätigt (v. Schreiber i'). Auch Gold- scheider 12 konnte konstatieren, dass die Bazillen auf der Vaginal- schleimhaut von Meerschweinchen energischer wirkten, wenn gleichzeitig S. verimpft wurden. 3. Infektion anderer Organe: Lungen (Brouchopneumouie), Nieren. Von anderen Infektionskrankheiten, die mit Mandelentzündungen eiu- hergehen, interessiert hier am meisten das Scharlach, wo die Rachen- erscheinungen ein nahezu konstantes Symptom darstellen. Von historischen Daten sei kurz bemerkt, dass schon Crooke 1885 in den Organen von Scharlachleichen S. nachwies. Aus dem gleichen Jahre stammen auch die Angaben von Fränkel & Freudenberg. Ba- BES neigt einige Jahre später der Ansicht zu, dass es sich beim Schar- lach wie beim Erysipel um Invasion eines aus irgend einer Ursache spezifisch virulent gewordenen S. handele. Raskini^ kam auf Grund sorgfältiger Untersuchung an einem großen Materiale zu dem Resultat, dass die S. bei Scharlach schon frühzeitig maligne Komplikationen her- vorrufen. Nach einer Zusammenstellung von Ranke !■* aus dem Münchener Kinderkrankenhause fanden sich in 65^ der frischen Scharlachfälle diphtherische Auflagerungen im Rachen. Bei etwa der Hälfte dieser Fälle konnte der Diphtheriebacillus, größtenteils gemischt mit S., nach- gewiesen werden. Bei 38,8 % wurden S. allein gefunden. Beweisender für die Bedeutung der S. bei Scharlach sind einige Arbeiten aus den letzten Jahren. Baginsky & Sommerfeldes berichten über 42 Scharlachfälle, unter denen sich 8 befanden mit so foudroyantem Verlaufe, dass von sekundärer Erkrankung nicht die Rede sein konnte (?). Aber auch in diesen Fällen ließen sich im Herzblut und den Organen der Leichen S. nach- weisen. Nach Mitteilungen von Rumpel i«, die sich in der Hauptsache auf die Untersuchungen von Jochmann stützen, waren in 13^ der Scharlachfälle S. im lebenden Blute bakterioskopisch nachweisbar. Bei 330 ■ V- Lingelsheim, 50 f& der Seharlaclileichen ergab die Untersuclnirig auf S. positive Re- sultate. Nach RuMi'EL spielt der S. in der Pathologie des Scharlachs eine so bedeutsame Eolle, dass er vom 4. Krankheitstage das Krank- heitsbild beherrscht und der eigentliche Scharlachprozess in den Hinter- grund tritt. Es kann nicht Wunders nehmen, dass bei dieser Häufigkeit des Kachweises der S. beim Scharlach, bei der anerkannten Bedeutung der- selben für den Verlauf der Erkrankung und bei dem bisherigen Mangel einer anderen greifbaren Ursache Versuche gemacht sind, die S. als das eigentliche Scharlachcontagium hinzustellen. Der früheren Stellungnahme von Babes wurde schon gedacht; dann wollten auch verschiedene Au- toren an den aus Scharlachfällen gezüchteten S. gewisse Eigentümlich- keiten gefunden haben. (d'Espine & de Marignac ^^ züchteten aus dem Blute eines Scharlachkranken einen S. longus, der auf Serum große über die Fläche ausgebreitete Rasen bildete, die allmählich gelbliche Fär- bung und Perlmuttergianz annahmen. Kurths ^^ S. conglomeratus zeigte am Boden der Bouillonkultur einen hautartigen Bodensatz und verlor ebenso wie der von Raskini-^ gezüchtete in Kulturen bald seine Lebens- fähigkeit. Kleines fand den S. conglomeratus bei der Angina eines Dienstmädchens; bald nachher erkrankten 4 Personen desselben Haus- standes an Scharlach. Diese Beobachtung lässt es Klein als wahr- scheinlich erscheinen, dass der S. conglomeratus als Erreger des Schar- lachs anzusehen ist. Baginsky & Sommerfeld konstatierten bei ihren S. eine ausgesprochene Fähigkeit zur Toxinbildung. Diese Eigenschaft würde ja gut mit der plausibelen Vorstellung harmonieren, dass die S. das Exanthem wie die übrigen Allgemeinerscheinnngen zunächst durch ein im Rachen gebildetes Gift hervorrufen.) Verfasser scheinen noch am meisten die bereits an anderer Stelle angeführten Erfahrungen mit dem Wundscharlach für die ätiologische Bedeutung der S. beim Scharlachprozess zu sprechen. Diese machen es doch wahrscheinlich, dass es S. giebt, die ein dem skarlatinösen durchaus gleichendes Exanthem hervorrufen können. Im ganzen wird man gut thun einer positiven Beantwortung dieser Frage noch sehr skeptisch sich gegenüberzustellen, um so mehr, da nach zuverlässigen Angaben auch Scharlach fälle vorkommen sollen, in denen das ganze Bild der Krankheit entwickelt ist, ohne dass S. nach- weisbar sind (RUxMrEL). Die dritte Rachenerkrankung, bei der S. einen nahezu konstanten Befund darstellen, ist die Angina. Wie bei Diphtherie und Scharlach zeigt auch hier die Entzündung sehr verschiedene Formen und Grade. Bei der leichten Angina catarrhalis kommt es nur zu Rötung und Schwellung der Rachenorgane mit Bildung eines mehr oder minder reich- lichen schleimigen, mit Epithelien und Leukocyten vermischten, Sekretes. Nicht selten ist diese Angina, wie schon an anderer Stelle bemerkt, die Einleitung eines echten Gelenkrheumatismus (Angina polyrheumatica). Steigern sich die Entzündungsvorgänge auf den Mandeln, so sammeln sich die reichlicher abgestoßenen Epithelien und ausgewanderten Leuko- cyten in den Lakunen in Form weißgell)licher Pfropfe an (Angina lacu- naris). Den Uebergang zur Diphtherie bilden die Fälle, wo es zum Verlust des Epithels und Ausscheidung eines fibrinösen Exsudates, zur Pseudomembranbildung kommt. Im Anschluss an eine dieser Formen, meist an die lakunäre, treten nicht selten Vereiterungen des Folli- kularapparates , des Mandelparenchyms , ein (Tonsillarabszess). Auch Streptokokken. 331 phlegmonösen Cliarakter vermag- die Eutzündinig auzimehmen durch Uebergreifeu auf die Submucosa des Gaumensegels und das lockere Bindegewebslager in der Umgebung der Tonsillen. Bei allen diesen verschiedenen Formen der Angina konnten S. ent- Aveder ausschließlich oder vergesellschaftet mit anderen Bakterien naeh- gcAviesen werden. Von umfassenderen Untersuchungen seien hier fol- gende angeführt. Stoss^o untersuchte 63 Anginen und fand hierbei 12mal vorwiegend S., 9 » zahlreiche S. zusammen mit dem von Tayel, Eoux & YEEsra beschriebenen Coccus conglomeratus, 24 » vorwiegend den Coccus conglomeratus und wenige S. , 5 » » S. , 3 » » Pneumokokken, 1 » » Pneumobazillen, 1 » » Micrococcus tetragenus. In den übrigen Fällen waren andere Bakterien vorherrschend. Der Autor neigt zu der Ansicht, dass im allgemeinen die S. als proto- pathische Infektionserreger bei der Angina anzusehen seien, weniger häutig die Staphylokokken. Veillox2i fand in 22 Fällen von Angina catarrhalis, phlegmonosa und pseudomembranacea stets S., entweder allein oder assoziiert mit Staphylokokken oder Pneumokokken. Nach Lemoixe 22, 23 nimmt der S. bei den nicht di])htherischen Anginen den ersten Platz ein. In einer Zusammenstellung von 165 Fällen nicht diphtherischer Anginen fanden sich 112 Scharlachanginen, von denen 74 mit Membranbildung, 38 ohne solche verliefen, ferner 29 nicht diphthe- rische xlnginen mit l^Iembranen, 14 gewöhnliche mit schwerem Verlaufe und 3 chronische Formen. Um die saprophytischen Mundbewohner auszuschließen, wurde in einer größeren Anzahl von Fällen die Einstich- S-telle vorher kauterisiert und das Material vermittels Pipette entnommen. Bei Anwendung dieser Methodik ergaben sich immer S. und zwar in Eeinkultur. Bei 23 ohne Kauterisation in der gewöhnlichen Weise unter- suchten Fällen fand sich nur 12 mal der S. allein, 11 mal mit anderen Bakterien, namentlich Staphylokokken, vergesellschaftet. Cassedebat24 untersuchte 134 primäre membranöse nicht diphthe- rische Anginen, welche er bei Soldaten seines Eegiments zu beobachten Gelegenheit hatte. Auch hier wurden bis auf ganz wenige Fälle stets S. gefunden, so dass der Autor kein Bedenken trägt, die Anginen für Streptokokkenanginen zu erklären. Dahmer25 hat 36 Fälle von Diphtherie ohne Eücksicht auf den Diphtheriebacillus untersucht und fand überall S. In 47^ gelangen Eeinkulturen aus Herzblut und Milz, in 85^ aus den Lungen, in 28^ waren die S. mit Staphylokokken gemischt. le Damany^^ fand bei einer Epidemie von akuter Angina herpeti- formis in 50 Fällen S. longus, der in den Pharynxbläschen fast in Eein- kultur vorhanden war. Zeehuisen27 hat 72 Fälle von Angina bei Soldaten der Utrechter Garnison untersucht. 5 mal handelte es sich dal)ei um A. catarrhalis, bei den übrigen um A. lacunaris. In 32 Fällen waren ausschließlich S., in 25 S. und Staphylokokken, in 10 allein Staphylokokken nach- weisbar. 332 V. Lingelsheim, Noch andere Arl)eiteu, die aber ancli zu den gleichen Eesultateu kommen, ließen sich hier anschließen. Als Facit ergieht sich, dass bei der überwältigenden Mehrzahl der Anginen S. nachweisbar sind, dass dieselben in einer großen Anzahl von Fällen das Feld völlig zu beherr- schen, in einer kleineren Zahl mit anderen Bakterien, namentlich Staphylokokken, assoziiert sind, dass es aber auch Angina giebt, wo die S. durch andere Kokken*) völlig vertreten zu sein scheinen. Eine Einteilung der Anginen auf Gnmd des ])akteriologischen Be- fundes ist nicht angängig, weil derselbe in keinerlei Einvernehmen mit den klinischen Erscheinungen zu bringen ist. Es kommen reine Strepto- kokkenaugincn mit ganz leichten. Misch formen mit schwererem Krankheits- charaktcr vor. Auch die Tierpathogenität der bei Angina gefundenen S. steht, was wir allerdings auch nach anderen Enfahrungen kaum anders erwarten können, in keinen nachweisbaren Beziehungen zu Form und Schwere der Erkrankung. Sind nun die S. als Erreger der Angina anzusehen? Trotz des häufigen Nachweises, zugegeben selbst, dass bei Anwendung eines besseren Untersuchungsverfahrens, etwa des nach Lemoine, sich die Befunde anderer Bakterien als S. auf unzureichende Technik zurück- führen ließen, würde mau die gestellte Frage noch nicht im positiven Sinne beantworten dürfen. Die S., die wir bei Angina treffen, sind, so- weit unsere bisherigen Untersuchungsmethoden uns ein Urteil gestatten, dieselben, wie wir sie bei Scharlach und Diphtherie finden, dieselben, die sich auch auf den normalen Tonsillen vorfinden, und schließlich auch dieselben, die wir als Erreger von Erysipel und Eiterung kennen; es ist der S. longus. Dass es sich wirklich um diese Art von S. han- delt, scheint unter anderem auch daraus hervorzugehen, dass sich häufig genug im Anschluss au Anginen eitrige Prozesse (Tonsillenabszess, Otitis media u. s. w.) entwickeln. Auch Erysipel hat man, wie bereits an entsprechender Stelle hervorgehoben wurde, auf Infektion von dieser Stelle wiederholt zurückführen können. Anderseits sprechen allerdings auch die Thatsachen nicht unbedingt gegen die ätiologische Bedeutung der S. Wir können uns vorstellen, dass, wenn die Schleimhaut der Tonsillen unter dem Eiufiusse von Er- kältungen oder anderen schädigenden Momenten ihre normale Beschaffen- heit verliert, die hier vorhandenen S. zur Wucherung und zur Bethätigung ihrer pathogenen Fähigkeiten gelangen. Auch Virulenzsteigeruugen sind nach den Erfahrungen, die wir auf experimentellem Wege (Blutkulturen) gemacht haben, denkbar, wenn die S. auf einem geeigneten eiweiß- haltigen, mit absterliendem Zellmaterial vermischten Substrat sich ver- mehren. In dieser Weise könnte dann der S. zum virulenten Contagium werden, dessen Uebertragung auf andere Personen (auf dem Wege der Tröpfcheninfektion) zu einer weiteren Verbreitung der Krankheit führt. Mit einem leicht übertragbaren Contagium müssen wir bei der Angina rechnen, da Ansteckungen innerhalb der Familie, in ganzen Gebäuden ziemlich häufig sind, aber auch veritabele Epidemieen in ganzen Stadt- teilen nicht zu den Seltenheiten gehören (Dörxberger). Bei Annahme verschiedener selbständiger, mit besonderen pathogenen Eigenschaften ausgestatteter, Varietäten des S. longus ist auch an das *) Bonhoff 2« hat bei einer Reihe von Anginafällen, die im Winter in Marburg zur Beobachtung kamen, auch eine Ötäbchenart nachgewiesen, deren Bedeutung für den Krankheitsprozess als nicht geklärt anzusehen ist. Streptokokken. 333 Vorhandensein eines S. anginae zit denken. Derselbe würde dann den eigentlichen Krankheitsprozess zunächst einleiten, in der Folge unter- stützt von den viel verbreiteteren pyogenen Vertretern. Die Untersuchung aus dem Rachen stammenden Materiales hat zu- nächst auf mikroskopischem Wege zu geschehen. Entnommen wird dasselbe, indem die erkrankten Partieen mit einem sterilisierten Watte- bäuschchen, das fest um das Ende eines starken Drahtes gewunden ist, abgewischt werden. Hiervon angefertigte mikroskopische Präparate geben, wenn es sieh um Diphtherie handelt, zunächst einen Ueberblick über das Mengenverhältnis der Bazillen und Kokken. Die S. sind jedoch von anderen Kokken auf diese Weise nicht genügend zu unter- scheiden, da sie hier, wie überhaupt im Gewebe und in Gewebsflüssig- keiten, selten eine ausgesprochene Kettenlagerung zeigen, sondern meist in Diplokokkenform auftreten. Um dieselben nach Zahl und Art zu bestimmen, ist die Kultur nötig, die in der Weise ausgeführt wird, dass das an den Watteljäuschchen haftende Material auf Platten ausgestrichen wird. Das Material für dieselben hat zu bestehen: 1. aus alkalischem Fleischpeptonagar, 2. aus demselben mit Zusatz von ^% und b% Traubenzucker, 3. aus demselben mit Zusatz von Ascitesflüssigkeit im Verhältnis von 3 : 1. (Nicht in der Hitze sterilisiert!) LÖFFLERsches Serum ist für S. weniger geeignet, ferner alles Serum, das bei 100° sterilisiert ist. Kommt es darauf an, die oberflächlich dem Krankheitsherde anhaf- tenden Bakterien nach Möglichkeit auszuschließen, so kommt die Excision kleiner Tonsillenstückchen in Frage (Menzek). Vorzuziehen ist jedoch, das Material mit einer Kapillare zu entnehmen, nachdem vorher die Einstichstelle kauterisiert ist (Lemoine). Anreicherung durch Vorkultur ist dann zu empfehlen, wenn nur sehr wenige oder gar keine S. mikroskopisch nachweisbar sind. Das durch Abwischen oder Punktion gewonnene Material wird in toto auf Bouillon lAscitestraubenzucker- und gewöhnliche alkalische Bouillon) übertragen. Die nach 24 stündigem Aufenthalt der Röhrchen im Brütschrank ge- wonnenen Mischkulturen enthalten dann häufig zahlreiche S. , die sich namentlich im Bodensatze nachweisen lassen. Durch Ausstrich des- selben auf die angegebenen Nährböden gelingt dann häufig eine Iso- lierung, doch nicht immer, da auf den festen Nährböden die S. den reichlich mit ausgewachsenen anderen Bakterien unterlegen smd. Bessere Aussichten giebt die Uel^ertragung auf das Tier, vorausgesetzt, dass die S. genügend virulent sind (Meyers Verfahren zur Isolierung der Rheu- matismusstreptokokken). Die nach der einen oder anderen Methode bisher isolierten S. lassen sich ungefähr in folgendem Schema zusammenstellen: 1. verschiedene Formen des S. longus (langkettig, nach Gram färbbar, auf gewöhnlichem Agar feine Kolonieen bildend, auf Kartoffel kein oder nur sehr geringfügiges Wachstum, nicht verflüssigend, mehr oder minder pathogen für Kaninchen und Mäuse). 2. kurzkettige Formen, nach Gram färbbar, nicht verflüssigend, mit kümmerlichem Wachstum auf Agar, keinem auf Kartoffel. Sterben in Kulturen schnell ab. Nicht pathogen. S. brevis pharyngis. 334 V. Lingelsheim, 3. S. vou Etiexne=^i. Mittellaiige Ketten von sehr zarten Eiuzel- gliedern. Nicht färbbar nach Gkaji. 4. kurzkettige Formen. AYachstum auf Kartoifel. Kicht pathogen. S. de la salive (Veillon), Maeot^«. 5. kurzkettige Formen, nach Gram nicht färbbar, mit üppigem Wachstum auf Kartofiel, GelatineverflUssigung. Nicht pa- , thogen. S. brevis liquefaciens. 6. S. coli gracilis (Esciierich); wie die vorhergehenden, doch werden auch längere Ketten gebildet. Neigung zur Bildung von Tetraden und Doppelkokken. 7. Leukonostocformen. Ueppiges Wachstum auf zuckerhaltigen Nährböden. Schlauchartige Kapseln. Polymorphe Einzelglieder. Von den S. der Mundhöhle sollen sich auch gewisse Formen au der Zahnkaries beteiligen. Nach Goabby^s vermag ein stark säurebildender S. brevis das Zahnbein zu erweichen. Andere S. wieder werden von SrEBEKT^s für die Pulpitis verantwortlich gemacht (vergl. hierüber Miller34). Von Rachen und Nase nehmen ferner eine Reihe von S.-Infektionen ihren Ausgang, die sich in benachbarten Höhlen etablieren. So die Otitis media (Zaufal^s^ Netter ^7)^ clie Meningitis (Netter 36), Eiterungen der Oberkieferhöhle u. s. w. Aber auch bei der sogenannten krypto- genetischen Sepsis, bei Endocarditis (Fränkel^^) haben wir vieltach die Eingangspforte im Rachen resp. in den Tonsillen zu suchen. Lexer-''-* hat diesen Infektionsmodus durch Versuche an Kaninchen experimentell zu begründen versucht. Als Erreger von Conjunctivitis treten die S. gegenüber verschiedenen anderen Bakterien, namentlich Diplokokken, in den Hintergrund. Es kommen jedoch Infektionen, und gerade auch ganz schwere Formen vor, die zu Pseudomembranen, Nekrosen, Allgemeininfektiou führen können (Axexfeld-*'). Litteratur. 1 Black, Indepedent Pract.. 1887, Nr. 8, cit. nach Miller, Mikroorg. d. Mundh., Leipzig 1892. — ^ Biündi, Ref. D. med. Woch.. 1886. Nr. 8. — 3 Netter, Revue d'hygiene, t. 11. — * v. Dungern, Zieglers Beitr. Bd. 21. — » Barthel. Centralbl. für Bakt, Bd. 24. — •' Dörnberger, Jahrb. f. Kinderheilkunde. N. F. 1893, Bd. 35. — 1 HiLBERT, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 31, S. 381. — » Besser, Zieglers Beitr.. Bd. (3. — 9 R. 0. Neumann, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 40, S. 33. — lo Prudden & Northrupp, Americ. Journ. of med. science, 1889. — n v. Schreiber. Centralbl. f. Bakt., Bd. 12, S. 289. — 12 GoLDSCHEiDER, Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 22. — i3 Raskin, Centralbl. f. Bakt., Bd. 5, S. 433. — " v. Ranke, Münch. med. Wochenschr., 1896, S. 1005. — 15 Baginsky & Sommerfeld, Berl. klin. "Woch., 1900, S. 588. — i'» Rumpel, Münch. med. Woch., 1903, S. 38. — " d'Espine & de Marignac, Arch. de med. exper., t. 4. p. 458. — is Kurth, Arbeiten aus dem kaiserl. Gesundheitsamte, Bd. 7. — 1'» Klein, Ref. Centralbl. für Bakt., Bd. 25, S. 776. — -'o Stoss, Mitteil, aus Kliniken u. mediz. Instituten d. Schweiz, 3. Reihe, H. 1. — 21 Veillon, Arch. de med. exper. et d'anat. , t. 6, p. 161. — ~ Lemoine, Ann. Pasteur, 1895, p. 874. — 23 Ders. . Gaz. des hopitaux, 1896. p. 849. — 24 Cassedebat, Arch. gener. de med., 1897, p. 385. — 2.') Dahmer, Arb. aus d. pathol. Institute zu Tübingen, Bd. 2, H. 2. — 2f. LE Damany, La France med., 1899, p. 593. — -' Zeehuisen, Ref. Baumg. Jahresber., 1899, S. 41. — 28 Bonhoff, Centralbl. f. Bakt. Bd. 32, S. 849. — 29 Marot. ,Sem. med., 1892, p. 440. — 3o Kirchner, Centralbl. f. Bakt., Bd. 11, S. 749. — 31 Etienne. Arch. de med. exper. et anat. pathol, 1895, p. 385 et 503. — 32 GoADBY, Ref Centralbl. f Bakt., Bd. 31. S. 497. — 33 Siebert, ebenda, Bd. 28, S. 302. — 34 Miller, Die Mikroorganismen der Mundhöhle, 2. Aufl. — 35 Zaufal. Prager med. Wochenschr., 1888, Nr. 20/21. — 36 Netter, France medic, 1889, Nr. 64. — 37 Ders., Ref. Baumgarten Jahresbericht, 1888, S. 24. Streptokokken. 335 — 38 A. Fränkel, Zeitschr. f. klin. Med.. Bd. 13. — 39 Lexer, Arch. f. klin. Chir., Bd. 54, S. 736. — 4o Biondi, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 2. — 4i Axexfeld, Münchner med. Wochenschr., 1898, S. 439. 4. Streptokokkeninfektionen der tiefen Luftwege und Lungen. In Bezug- auf die Fähigkeit des S., als Erreger von Pneumouieeu aufzutreten, verweise icli auf das Kapitel »Diplocoecus pneumoniae«, Bd. III, S. 230, »Vorkommen des Streptococcus und Staphylococcus bei Pneumonie«, in dem alles Wesentliche hierüber zusammengestellt ist. Dass die S. auch bei den Katarrhen der Luftwege eine Eolle spielen, ist von verschiedenen Seiten betont (Claisse >, Denys & vax de Velde^, QuEYKAT 3 u. a). Im allgemeinen werden wir uns hier ihre pathogene Wirksamkeit in der Weise vorzustellen haben, dass sie sich erst auf Grund eines durch Erkältung oder andere Ursachen geschatfeueu Keiz- zustandes der Schleimhäute stärker entwickeln, dann aber, mehr oder minder assoziiert mit anderen Mikroorganismen, Staphylokokken, Pneumo- kokken u. s. w., den vorhandenen Reizzustand steigern und durch Bil- dung giftiger Produkte allgemeine Krankheitserscheinungen (Fieber u. s. w.) auslösen. Eine sehr wichtige Kolle kommt schließlich noch den S. als Erreger sekundärer Infektionen bei Lungentuberkulose zu. Schon 1884 hat Koch in seiner grundlegenden Arbeit über die Aetiologie der Tuberkulose auf die Bedeutung der Begleitbakterien aufmerksam gemacht, wobei er zu- nächst, ebenso wie später noch Gaffky, den M. tetragenus im Auge hatte. Eingehendere Untersuchungen, an denen sich namentlich Coknet, Kitas ATO, Petru.schky, Spengler beteiligten, ergaben jedoch, dass in den S. die wichtigsten Erreger der Sekundärinfektiouen zu suchen waren. Sehr förderlich erwies sich für die weitere Forschung die Koch- KiTASATOsche Methode der Sputumuntersuchung, durch die es gelang, das Sputum von den ihm bei Passieren der oberen Luftwege zugemisch- ten accidentellen Keimen zu befreien. Der Beweis für die Bedeutung der S. bei der Lungentuberkulose stützt sich sowohl auf den Nachweis im Gewebe wie auf klinische Be- obachtungen. CoRNET konnte an Schnitti)räparaten zeigen, wie die S. in Zügen Schritt auf Schritt den Tuberkelbazillen folgten, stellenweise ihnen sogar vorauseilten. Auch in Miliartuberkeln wurden S. gefunden, und in nicht zu seltenen Fällen kam es auch zum Uebergang ins Blut und zur Infektion anderer Ora-ane. Die Bedeutung der S. bei diesen Formen der Sekundärinfektion beruht auf der Erregung akut pneumonischer Prozesse und auf der schnelleren Einschmelzung des Gewebes, die ihrerseits häufig zu starken Blutungen Veranlassung giebt. Klinisch äußert sich die Sekundärinfek- tion durch Fieber (starke Morgenremissionen, plötzlich ansteigende Abend- elevationen — großzackige Streptokokkenkurve nach Koch). Die in geeigneter Weise ausgeführte Sputumuntersuchung zeigt dann zahlreiche S. Uebrigens entspricht der mikroskopische Befund nicht immer dem klinischen. Es sind bisweilen S. im Sputum nachweisbar, ohne dass Fieber besteht (Spengler, Petruschky, Wassermann). Nach Speng- ler handelt es sich dann um Infektion narbiger Luugenteile. Bezüglich der Methode der Sputumuntersachuug wird nach Cornet in folgender Weise verfahren: »Man lässt den Krauken zuerst den Mund mit gekochtem Wasser ausgurgeln, und dann das Morgensputum in eine sterilisierte 336 V. Lingelsheim. PETRische Schale werfen. Mehrere aus der Lunge stammende Sputumballen werden dann, soweit es die Konsistenz zuLässt, einzeln in mit 6 — 10 com frischgekocliten Wassers gefüllten Schalen mit einer kräftigen Platinöse ge- schwenkt und ausgewaschen ; schließlich wird aus dem Centrum je ein kleines Partikelchen entnommen, auf der Oberfläche von Gelatine und Glycerinagar, eveut. Serumtraubenzuckeragar und Blutagar verstrichen und die Gelatine bei natürlicher Temperatur, die anderen Kährböden bei ca. 37" 16 — 24 Stunden kultiviert. Der Rest des Sputums wird mikroskopisch untersucht.« Leichen- material giebt nur brauchbare Resultate, wenn die Obduktion schon einige Stunden nach dem Tode ausgeführt werden kann. Die aus dem Sputum oder aus dem Blut und Organen der Leichen Tuberkulöser gezüchteten S. entsprechen in ihrem morphologischen und kulturellen Verhalten durchaus den bekannten pvogenen Formen. Gegen- über dem Tier (Maus und Kaninchen) verhalten sie sich verschieden. Die Virulenz schwankt in großen Grenzen: es kommen sowohl sehr hoch- virulente wie fast unvirulente vor, aber es lassen sich keinerlei Schlüsse aus dem Verhalten in dem besonderen Krankheitsfalle auf die Virulenz gegenüber dem Tier ziehen und umgekehrt. Nicht alle Sekundärinfektionen bei Tuberkulose der Lungen beruhen aber ausschließlich auf S. Auch Staphylokokken, Pneumokokken, nach manchen auch Tetragenns werden gelegentlich beobachtet. S.-Infektionen der Pleura, die meist zu eitrigen Exsudaten führen, treten häufig sekundär als Folge anderer Herderkrankungen, namentlich solcher in den Lungen, auf. Nach Netter ^ sind 50 % der eitrigen Pleuri- tiden auf S. zurückzuführen. Litteratur. 1 Claisse. Sem. med., 1893. p. 297. — - Denys & van de Velde, Arch. de med. exper., 1897, p. 835. — 3 Queyrat, Compt. rend. de la soc. de biol. , 1893, p. 211. - 4 Boucheron, Ref. Baumgarten Jahresber.. 1895. S. 52. — & Spengler, Zeitschr. f. Hyg.. Bd. 18, S. 343. — R Petruschky, Dtscb. med. Wochenschr., 1893, S. 317. — " Cornet, Die Tuberkulose, Wien 1899. Holder. — « Netter, Sem. med., 1899, Nr. 22. — 9 v. Besser, Zieglers Beiträge, Bd. 6, H. 4. — lo Pansini. Virch. Arch., Bd. 122. 5. Streptokokkeninfektionen des Darmkanales. Da wir S. als liäufigeu Befund in Mund und Rachen kennen, hat auch der NachAveis im Darm nichts Verwunderliches. Es scheint jedoch der normale Darmkanal, namentlich beim Erwachsenen, keine günstigen Lebensbedingungen für die S. zu gewähren, da dieselben in der Regel nur sehr spärlich vorhanden sind, häufig genug auch ganz zu fehlen scheinen. Stärkere Vermehrung der S. tritt ein, wenn die Darmschleim- haut durch Krankheitserreger anderer Art alteriert wurde. Kruse & Pas- (^UALE 1 fanden häufig zahlreiche S. in diarrhöischen Stühlen, namentlich auch bei Ruhr. In der Regel wird man in solchen Fällen den Befund so zu deuten haben, dass es sich hier um Nosoparasitismus handelt, um eine durch die günstigeren Lebensbedingungen (starke Darmsekretion) geschaffene Erhöhung der Proliferationsenergie. Es sind aber auch Fälle bekannt, wo mau den S. eine ernstere Rolle bei dem Krankheitsprozess zuweisen muss (Beck", Weiciiselbaum^). Dräsche ^ züchtete aus einem Falle von Cholera nostras einen S., der, anderen Personen einverleibt, Streptokokken. 337 choleriforme Erscliemungeu hervorrief. Tavel" beobaclitete verschiecleut- lieh Enteritis, die zu Peritonitis und tödlicher Allgemeiuinfektion führte, und nach den bakteriologischen Befunden nicht anders als S. -Infektion aufg-efasst werden konnte. Weit empfänglicher als der Darm der Erwachsenen, scheint der Darm der Säuglinge für Ö.-Infektioneu zu sein. Dass Sepsis bei Säug- lingen häufig mit enteritischen Erscheinungen verläuft, ist den Kinder- ärzten schon lange bekannt, die Frage war nur, ob es sich dabei um eine primäre Enteritis mit sekundärer Sepsis oder um Sepsis, die von einem anderen Herde (Tonsillen, Lungen) ausgegangen war, mit nach- folgender Lokalisation im Darme handelte. Im letzteren Sinne deutete Marfan^ seine Beobachtungen an dyspeptischen Säuglingen. Auch nach den zahlreichen Untersuchungen Fischls^ stellt die Darmerkraukung nicht den primären Herd dar, sondern ist die Folge der meist auf dem Wege der Inhalation acquirierten Sepsis. Gleichwohl wird man zur Zeit nicht mehr an dem Vorkommen einer primären S.-Enteritis zweifeln können. Schon im Jahre 1894 gelangten CzEKNY & Moser i^ auf Grund ihrer Blutuntersuchungen an Kindern mit schw^erer Gastroenteritis zu dem Schluss, dass es sich hier um primäre Er- krankungen des Darmes mit nachfolgender Invasion der Krankheitsereger in das Blut handele. Zu ähnlichen Resultaten gelangten Booker '^ und namentlich Escheeich und seine Schüler (Hirsh, Libman, Spiegel- berg), denen wir eine gründliche Bearbeitung dieser Fragen sowohl nach der klinischen und pathologisch-anatomischen wie bakteriologischen Seite verdanken. Hiernach bewirken die S., sei es durch direkte In- vasion in die Darmschleimhaut oder durch Giftwirkung, eine stark ent- zündliche Reizung, die Epitheldesquamation und Austritt von roten und weißen Blutzellen zur Folge hat. Die in die oberflächlichen Darm- wandschichten eingedrungenen Kokken rufen weiter eine auf das inter- glanduläre Gewebe der Mucosa beschränkte Entzündung und eine heftige entzündliche Reaktion des lymphatischen Apparates hervor. Die Krank- heit lokalisiert sich vorwiegend im Dickdarme, kann aber von hier aus auch zur Sepsis mit embolischen Herden in Nieren und Lungen führen. Der Nachweis der Kokken gelang in erster Linie in den Stühlen, die einen serös-schleimigen oder, auf der Höhe der Erkrankung, auch einen schleimig-blutig-eitrigeu Charakter zeigten. Für die mikroskopische Untersuchung bediente sich Escherich einer Modifikation der GRAM-WEiGERTSchen Färbung in folgender Weise: Es sind dazu erforderlich 1. Gentianaviolettlösung (5 : 200 durch eine halbe Stunde gekocht und fihriert). 2. Alcohol absolutus 11,0, Anilinöl 3,0, Flüssigkeiten 1 und 2 im Verhältnis 8Y2 ^ 1^2 gemischt, geben die zu verwendende Farb- lösung, die aber nach einiger Zeit (2 — 3 Wochen) unbrauchbar wird und neu bereitet werden muss. Aiißerdem sind eine Jodjodkalilösung (1:2: 60), Auilinxylol zu gleichen Teilen und reines Xylol, sowie eine mit gleichen Teilen Alcohol absolutus versetzte konzentrierte alkoholische Fuchsinlösung in Bereitschaft zu halten, »lieber die auf dem Objektträger dünn verstrichene und in der Flamme fixierte Faecesmasse wird die Farblösung getropft imd nach wenigen Sekunden mittels Filtrierpapier wieder abgetupft. Alsdann gießt man Jodjodkalilösung darüber, die in derselben Weise rasch wieder entfernt wird. Bei der Ent- Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. III. 22 338 V. Lingelsheim, färbung mit Anilinxylol lösen sich dichte bhxue Farbstoffwolken; sie wird so lange fortgesetzt, bis kein merkbares Ausziehen der Farbe mehr erfolgt; dann Ueberspüleu mit Xylol und Trocknen. Hierauf lässt mau die Fuchsiu- lösung über das Präparat laufen und spült sofort mit Wasser reichlich nach. Das Präparat wird nach dem Trocknen über der Flamme entweder unter einem Deckglase in Kanadabalsam oder direkt in Oel betrachtet.« Nach Escherichs Methode augefertig-te Präparate des Darminhaltes zeigen zahlreiche, zu zweien oder kurzen Ketten angeordnete Gram- gefärbte Kokken neben roten Coli- und anderen Bazillen*). Außer in den Stühlen gelaug der Nachweis der Kokken intra vitam noch in Harn und Blut, post mortem im Darme, namentlich an den Stellen stärkster Entzündung, wo die Kokken durch die ganze Mucosa und insbesondere auch an der Außenseite der Drüsen bis in die Sub- mucosa hinein sichtbar sind, in einzelnen Fällen auch in den anderen inneren Organen. Weniger einfach gestaltete sich der kulturelle Nachweis dieser S. Bei Aussaat auf Agar erschienen kleinste, im Inneren des Nährbodens ge- legene Kolonieen von unregelmäßiger Gestalt, die nur auf Zuckerbouillon gutes Wachstum zeigten. Als zweckmäßig stellte sich die Vorkultur in Zuckerbouillon heraus, in der sich 24 Stunden nach Einsaat des Mate- rials ein pulvriger Bodensatz bildete, der die S. in großer Menge ent- hielt. Auch Impfungen des schleimig-eitrigen Materiales auf Mäuse waren verschiedentlich erfolgreich, indem die Kokken aus dem Herz- blute gewonnen werden konnten. Ausgezeichnet sind die so isolierten S. morphologisch durch ihren Polymorphismus, der sich sowohl in der sehr schw^ankenden Größe der Einzelindividuen (zwischen 0,5 — 1,5 ;x) wie in der Lagerung (zu zweien, kurzen Ketten, aber auch einzelnen sehr langen) ausspricht. Die Teilung geschieht weiterhin nicht ausschließlich in der Queraxe, sondern auch in der Längsaxe, so dass Tetraden und Parallelketten entstehen können. Dieser Polymorphismus, der vorwiegend in Kulturen sich geltend macht, dürfte zusammenhängen mit den diffizilen Ansprüchen an die Ernäh- rung, die im Verein mit der sehr geringen Haltbarkeit auf den künst- lichen Nährböden die wichtigste biologische Eigentümlichkeit dieser S. darstellen. Gelatine wird nicht verflüssigt; hierdurch, sowie durch das fehlende oder nur sehr kümmerliche Wachstum auf Kartoffel, unter- scheidet sich dieser S. brevis wesentlich sowohl von den von Esche- rich wie den vom Verfasser beschriebenen kurzen Formen**). Pathogen waren diese S. nur für Mäuse und auch dies nicht regelmäßig. Ueberblicken wir noch einmal die S.-Flora im normalen und patho- logischen Zustande, so muss in erster Linie die Vielgestaltigkeit auf- fallen, auf die schon Kruse & Pasquale aufmerksam machten, und die *) Es sei ;m dieser Stelle auch auf die EsCHERiCHsche Angabe aufmerksam gemacht, dass die Colibazilleu im normalen Stuhle eines nur mit Muttermilch er- nährten Säuglings in ihrer großen Mehrzahl der Jodentfärbung widerstehen. In diarrhüischen Stühlen jedoch zeigen sie das bekannte Verhalten, so dass auch in der Richtung die bakterioskopische Untersuchung gewisse Fingerzeige giebt. **j SpiEGELBEuai*"' fand bei Enteritis S., die sich von den oben beschriebeneu Formen durch gutes Wachstum auf Agar und Gelatine unterschieden. Sie zeigten auch keine Diplokokkenbildung innerhalb der Ketten. Libman, Medical Eecord, Nr. 1541 züchtete bei Enterocolitis S , die Glykoseagar trübten. Siehe hierüber Abschnitt II. Streptokokkeu. 339 nur m den S. mancher Tousilleubeläg-e ihr Analogon findet. Jeder Versuch einer Gruppierung- stößt bei der "Mangelhaftigkeit unserer bisherigen Hilfsmittel auf die größten Schwierigkeiten. Ich würde zunächst in eine Kategorie diejenigen Formen unterbringen, die sich analog dem S. longus verhalten. Zu der zweiten wurde ich diejenigen rechnen, bei denen der Streptokokkencharakter weniger ausgesprochen ist und zwar sowohl hinsichtlich der Neiguug, nur kurze Verbände (Diplokokken und ganz kurze Ketten) zu bilden, wie auch Teilungen in zwei Richtungen einzugehen. Es handelt sich hierbei um Kokken von ovaler Gestalt, von denen einzelne Formen erheblich größere, andere erheblich kleinere Korugröße als der S. longus zeigen (Diplococcus intestinalis major und Diplococcus intestinalis minor (Tavel), Micrococcus ovalis — vielleicht identisch mit dem letzteren — (Escherich). Ferner werden wir hierzu auch die kurzen Formen der Öäuglingsenteritis rechnen. Eine besondere Abteilung würden wieder die durch Kartoffelwachstum und Gelatine- vertlüssigung ausgezeichneten S. coli gracilis (Mecouiumkot, konstanter Darmbewohner bei Fleisclmahrung) und S. coli brevis (häufig im Milch- kot) bilden. In welcher Weise die Infektionen des Darmkanales mit S. zustande kommen, ist noch nicht genügend bekannt. Eingangs dieses Abschnittes wurde darauf hingewiesen, dass S. auch normaler Weise im Darme vor- kommen. Dass sich unter diesen auch solche Formen gelegentlich be- finden können, die zur Entfaltung pathogener Wirkungen geeignet sind, wird sich nicht bestreiten lassen. Anderseits ist aber auch damit zu rechnen, dass die Infektion von außen durch die Kahrung erfolgt. In erster Linie kommt hier die Milch in Betracht. Easten^^ konnte in 106 von 186 Milchprobeu S. nachweisen, Esche uich fast in jeder Probe, ebenso Holst ^^ gelegentlich einer Enquete, die er aus Anlass einer kleineu Epidemie von Enteritis anstellte, Hellexs ^^ fand ebenfalls wieder- holt S. in der Marktmilch. Da Kühe nicht so selten an Mastitis, die auf S. zurückzuführen ist, leiden, wäre die Infektion auf diesem Wege zu erklären. Al)er auch ohne Bestehu sichtbarer entzündlicher Erscheinungen scheinen sich nach den Untersuchungen Escherichs S. in den Milchgängen des Euters auf- zuhalten und von hier aus in die Milch überzugehen. Wurde solche Milch bei höherer Temperatur aufbewahrt, so trat eine starke Vermehrung der S. ein; damit infizierte Mäuse starben an Septikämie. Uebrigens wird man speziell auch bei der Säuglingsenteritis neben der Einfuhr patho- gener Keime auch eine durch Schwächung des Organismus, Verdauungs- störungen, die mit Hypersekretion des Darmes einhergehen, u. s. w. be- dingte Disposition als wesentlich für das Zustandekommen der Infektion anzusehen haben. Außer der Milch wird für die S. -Infektionen des Darmkanales noch das Wasser in Betracht gezogen werden müssen (Laxdmann22, Huster2^ u. a.). Im Anschluss an die S.-Infektionen des Darmkauais sei noch hin- gewiesen auf die S. -Befunde in Abszessen im Gefolge der Dysenterie (Kruse & Pasqüale) , bei Leberatrophie (Babes-^j, bei phlegmonöser Gastritis (Cayley^i), phlegmonöser Jejunitis (Ascanazy^o). Litteratur. 1 Kruse & Pasqüale, Zeitschr. f. Hyg., Bd. 16, S. 1. — - Dräsche, cit. nach Metschnikoff, Ann. Pasteur, 1894, p. 258. — '^ Achalme. L'erysipele. — * Ucke, Centralbl. f. Pathologie a. pathol. Anat., Bd. 5, S. 473. — ^ Weichselbaum, Sem. 22* 340 V. Lingelsheim, med., 1890, p. 47. — 6 Beck, Deutsche med. Wochenschr., Ref. Centralbl. f. Bakt., Bd. 12. S. 632. — " Tavel. de Cerenville, PIquet & Krumbeix, Ann. Suisses des Sciences medic. , II. Serie , H. 11. — *^ Marfan & Marot, Revue des maladies de l'enfance, 1893. — 9 Fischl, Zeitschr. f. Heilk., Bd. 15, 1894. — lo Ders.. Samml. klin. Vorträfice. N. F. Nr. 220. — n Czerny & Moser , Jahrbuch f. Kinderheilk., Bd. 38. 1894. — i-' Booker, John Hopkins Hospital Reports, vol. 6, 1896. — 13 E.SCHERICH. Jahrb. f. Kinderheilk., Bd. 49, 1899. — « Hirsh, Centralbl. f. Bakt., Bd. 22. Nr. 14 u. 15. — i5 Libman, ebenda. — iß Spiegelberg, ebenda. Bd. 24, S. 401. — 1' Easteu. Brit. med. Journ., 1899, p. 1341. — i» Holst, Ref. Baumgaiten Jahresber., 1895, p. 52. — i'* Hellens. Studien über Marktmilch, 1899, Inaug.-Diss., Helsingfors. — ^o Askanazy, Centralbl. f. allg. Pathol., Bd. 6. S. 313. — 2i Babes, Virch. Arch., Bd. 136. S. 1. — 22 Landmann, Deutsche med. Woch., 1893, S. 700. — 23 HousTEN, Ref. Baumgarten Jahresbericht, 1900, S. 33. — 24 Caylay, Ref. Centralbl. f. Bakt., Bd. 31, S. 178. 6. Die StreptokokkeüinfektioBen im Puerperium, Ihren Ausgang- nehmen die puerperalen Erkrankungen von kleinen Verletzungen, die unter der Wirkung des Geburtsaktes entstanden sind. Nach Form und Schwere zeigen diese Prozesse alle möglichen Ueber- gäuge und Abstufungen, die durch die Eingangspforte des Virus, seine Viruleuz und die Widerstandsfähigkeit des Individuums bestimmt werden. In leichtesten Fällen beschränkt sich die Erkrankung auf mäßige Temperatursteigerungen, die ohne eigentlichen lokalen Befund einher- gehn. Ohne ernstliche Folgen bleiben auch meist die sogenannten Puer- peralgeschwüre, wobei es sich nur um oberflächliche Eiterung der Ge- burtswunden handelt. Bei den schweren Formen findet sich dagegen fast konstant eine diphtherische oder gangräneszierende Entzündung der Schleimhaut des Genitaltractus, insbesondere auch des Endometriums. Von hier geht der Prozess auf das Uterusparenchym und auf das den Uterus umgebende Bindegewebe über, es kommt zur Metritis und Para- metritis. Die Lymphgefäße des Parametriums throml)osieren, die phleg- monöse Entzündung des Bindegewebes führt zu Peritonitis und bei Vordringen in das Mediastinum posticum zu Pleuritis und Pericarditis. Der hier kurz skizzierte Verlauf würde nach dem Spraehgebrauche der puerperalen Sepsis entsprechen. Kommt es in irgend einem Stadium auch zur Thrombosierung der Uterinvenen, der Venen des kleinen Beckens, der Venae sperraat. int., so ist auch die Möglichkeit für die Entstehung pyämischer Prozesse gegeben, indem zerfallene Thromben in den Kreis- lauf gelangen und zu Infarkten, namentlich in den Lungen, führen können. Bei kaum einer anderen Gruppe von Erkrankungen besitzen die S. eine so ausschlaggebende und allgemein gewürdigte Bedeutung wie bei den schweren puerperalen Infektionen. Die Staphylokokken treten hier weit mehr in den Hintergrund als bei den phlegmonösen und eitrigen Prozessen der Haut. Eine schwere Komplikation stellt die hier noch am häufigsten vorkommende Mischiufektion mit Fäulniserregeru dar, die jauchige Prozesse im Parametrium, im Peritoneum und durch schnelle Erweichung der Thromben pyämische Allgemeinerkrankung im Ge- folge hat. Die S. der puerperalen Infektionen unterscheiden sich in nichts von denen, die wir als Erreger des Erysipel und der Eiterung kennen. Der mikroskopische Nachweis und die Isolierung vermittels der Kultur machen keinerlei Schwierigkeiten. Da diese Formen meist pathogen für Maus und Kaninchen sind, ist die Isolierung durch den Tierversuch Streptokokken, 341 für die Fälle zu empfehlen, wo Fäiihiis- oder andere Bakterien dem zu untersuchenden Materiale in größerer Menge beigemischt sind. Die puerperale Infektion, namentlich die schwere, entsteht durch Import des Virus von außen her, durch Berührung der Geburtswundeu mit infizierten Händen, Instrumenten, Verbandsmaterial. Beweis dafür ist, dass die traurigen Verhältnisse*) in den Gebäranstalten früherer Zeit sich änderten, nachdem man zuerst in England, später aber auch in Deutschland durch Öemmelweis die Gefahr der manuellen Uebertragung zu würdigen und entsprechend zu handeln gelernt hatte. Aber erst die antiseptische Zeit hat eine Statistik aufzuweisen, die das Gebären in größereu Anstalten nicht mehr als eiue direkte Lebensgefahr er- scheinen lässt. Ob es eiue Autoinfektion durch Keime giel)t, die sich ante partum in der Scheide aufgehalten haben, ist zur Zeit noch Gegenstand der Kontroverse. Sind überhaupt in der Scheide Schwangerer S. vorhanden ? In Rücksicht auf die große Wichtigkeit der Frage für die Maßnahmen der praktischen Geburtshilfe sind darüber eine große Reihe von Unter- suchungen augestellt. Blrguburu^ fand im Vaginalsekret von 12 gesunden Schwangeren zweimal Staphylokokken, einmal S., Walthard'^ bei Untersuchung von lOü Schwangeren sogar 27 mal S., die durchaus den S. pyogenes glichen. Fast gleiche Resultate hatte Vahle 3, der bei 60 Gebärenden lömal S. fand, ferner Stähler & Winkler ^, die im Scheidensekret von 40 nicht touchierten Schwangeren lömal S. feststellen konnten. Auch die Untersuchungen von Winter '^ Steffek"' und Maslowsky", Levy* ergaben in einer Anzahl der Fälle positive Resultate. Man könnte daraufhin die Frage nach dem Vorkommen von S. in der Scheide Schwangerer als geklärt ansehn, wenn nicht Krönig & Menge, gleich- falls mit einem großen Materiale arbeitend, zu entgegengesetzten Resul- taten gekommen wären, wie sie entsprechend bis dahin nur Gönner ^^ angegeben hatte. Nach Krönigs^^ Untersuchungen an Schwaugeren, und denen Menges '^ an nicht graviden Frauen, enthält die Scheide »niemals aerob wachsende Keime, Soor und Gonokokken ausgenommen, daher auch niemals septische Organismen. Die Vagina jeder nicht touchierten Schwangeren ist als aseptisch anzusehen«. Die Ursache hierfür sollte in der selbstreinigenden Kraft des Sekretes liegen, das, wie die Versuche der Autoren ergaben, sogar eingebrachte pathogene Keime, Staphylokokken und S., im Verlauf von 21/2 — 10 Stunden zu eliminieren vermochte. Bei den Scheidenkeimen handelt es sich nach Ivrönig'^ um einige wohl- charakterisierte Arten. Dieselben wachsen mit Aveuigen Ausnahmen auf alka- lischem Agar aerob nicht aus, wohl aber bei Luftabschluss und auf saureu Ncährböden. Als obligate Auaerobeu erwiesen sich vor allem S., von denen eine Form durch Produktion übelriechender Zersetzungsprodukte ausgezeichnet war, während eine andere auch parasitäre Wirkungen bei Jauchiger Peritonitis entfaltete. Pyogene S. wurden nicht gefunden, was allerdings gegenüber den fast übereinstimmenden Anga])en der übrigen Autoren befremden muss. Die Ursache für das Fehleu der pathogeuen aeroben Keime sieht Krönig in *) In der Pariser Maternite starben in raanelien Jahren bis 10 X der Wöchnerinnen und im Wiener Gebärhause im Jahre 1842 gar 16^ (von 3287:518) an Puerperal- fieber. 342 V. Lingelsheim, der hohen selbstreinigenden Kraft des Scheidensekretes, die durch verschiedene Momente: StoÖVechselprodukte verschiedener Bakterien, saure Reaktion, ge- ringe Sauerstoffspannung, Leukocyten u. s. w. bedingt sein soll. Durch Er- hitzen verliert das Sekret an abtötender Kraft, ferner bei Verdünnung und Alkalisierung, (durch profuse Menstruation, bei Vermischung mit reichlichem katarrhalischen Cervikalsekret). Umgekehrt erklärt sich gerade die große Wirksamkeit des Cervikalschleimes Schwangerer durch das Ausbleiben der Menstruation und die zähe dicke Beschaffenheit des Schleimes. Dass bei einer graviden Person pyogene S. Gelegenheit gehabt haben iu die Scheide einzudringen, liegt auf der Hand. Ob sich dieselben darin halten können, hängt von den ihnen dort gebotenen Lebens- bedingungen ab. Nach Döderleini^ giebt es ein normales und ein pathologisches Scheidensekret. Das erstere, das er bei bb,o^ unter den 195 untersuchten Schwangeren fand, ist infolge der Stoifwechsel- produkte eines Bacillus (DöDERLEixscher Bacillus) stark sauer, das letztere dagegen, das bei 44,7^ gefunden wurde, nur schwach sauer, neutral oder gar alkalisch. Diese Beschaffenheit des Sekretes kommt zustande durch entzündliche Transsudationen infolge Reizung der Vagina, gonor- rhoische Cervikalkatarrhe u. s. w. Bakteriologisch sollen sich beide Sekrete dadurch wesentlich unterscheiden, dass das normale saure Sekret entweder ausschließlich oder nahezu ausschließlich nur die er- wähnten säureproduzierenden Bazillen und Soor enthält, während das pathologische eine reichhaltige Flora , darunter auch S. in 9,2 ^s der Fälle, aufweist. Einen ähnlichen Standpunkt nimmt auch Bueckhardt ^^ ein. Die meisten übrigen Autoren konnten jedoch einen Unterschied der Sekrete im DÖDERLEixschen Sinne nicht finden. Die Reaktion ist danach vielmehr fast stets sauer (nach Kröxig^^ rührt die Säure nicht erst von den Scheideubazillen her, sondern findet sich schon im Sekrete des Neugeborenen), trotzdem konnten aber iu einer Reihe von Fällen S. nachgewiesen werden. Die saure Beschaffenheit ist also allein noch nicht ausreichend für die Fernhaltung der S. Gleichwohl wird man an dem Bestehn selbstreinigender Vorgänge (wie dieselben nach Sanarelli auch normaler Weise für den Speichel bestehn) festhalten müssen. Die- selben werden nur unzureichend, sobald der Schleim infolge patho- logischer Prozesse, die ihm reichliches Nährmaterial iu Gestalt eitriger, seröser, blutiger Sekrete zuführen, zu einem besonders guten Nähr- boden umgewandelt wird. Jeder desinfizierende Einfluss wirkt um so stärker, je weniger geeignete Nährstofi'e in dem Substrate vorhanden sind. W^o aber das Sekret in der angegebenen Weise durch ])atho- logische Produkte verändert wird, da ist nicht nur die Möglichkeit einer längeren Konservierung der S., sondern auch einer Vermehrung und Erhöhung der Virulenz gegeben. Auf die Angaben der Autoren über die Virulenz der in der Scheide angetroffenen S. verlohnt es nicht näher einzugehen. Wir können zur Zeit menschenvirulente und menschenunvirulente S. nicht unterscheiden, müssen vielmehr da, wo wir S. von dem Typus des S. longus vorfinden, auch mit der Infektionsmöglichkeit rechnen. Die bakteriologische Untersuchung des Scheidensekretes kann iu der Weise vorgenommen werden, dass nach entsprechender Reinigung der äußeren Genitalien der Scheideneiugang durch ein SiMSsches Spe- culum auseinandergehalten und darauf in derselben Weise, wie dies für den Rachen angegeben ist, vermittels sterilen AVattenbauschs Sekret Streptokokken. 343 al)g:ewisclit wird. Dasselbe ^yir(I ansgestriclien auf Platten mit \% Traubeuzuckeragar von alkalischer und saurer Reaktion (nicht mit Alkali versetzter Agar). Für die Züchtung der obligat anaeroben Arten eignen sich die von Kröxig 12 angegebenen Methoden. Als zweckmäßig erweist sich auch die Yorkultur in Bouillon, die auch Formen von diffizilem Wachstum zur Entwicklung bringt. Litter atiir. 1 BuRGUBURU, Arch. f. exp. Path. u. Pharm., Bd. 30. — ^ Walthard, Arch. f. Gj'ii., Bd. 48, S. 201. — » Yahle, Zeitschr. f. Geb. 11. Gyn.. Bd. 25. H. 2. — 4 Stahler & Winkler. Monatsschr. f. Geb. \x. Gyn., 1900, S. 1027. — 5 Winter, Zeitschr. f. Geb. u. Gyn., Bd. 14, S. 443. — ^> Steffek, ebd., Bd. 20. — - Mas- LOWSKY, Centralbl. f. "Gyn., 1894, S. 797. — « Levy, Arch. f. üffentl. Gesiindheitspfl. in Elsass-Lothringen , Bd. 15. — ^ Krönig, Centralbl. für Gyn., 1895, S. 409. — 10 Ders.. ebd., 1900, Nr. 5. — 11 Ders., ebd., 1894, Nr. 1. — 12 Menge & Krönig, Monatsschr. f. Geb. und Gyn.. Bd. 9. — i3 Dies. , Bakteriologie des weiblichen Genitalkanals. Leipzig 1897. — " Krönig, Dtsch. med. Wochenschr., 1894, Nr. 43. — 15 Menge, ebd., Nr. 46-48. — i^' Gönner, Centralbl. f. Gyn., 1887, S. 444. — 1' DÖDERLEiN, Scheidensekret und seine Bedeutung- für Puerperalfieber. Leipzig, Besold, 1892. — 1^ Burckhardt, Archiv für Gyn., Bd. 45, H. 1. — i9 Koblank, Zeitschr. f. Geb. n. Gyn., Bd. 40, S. 85. — 20 Caselli, Centralbl. f. Bakt., Bd. 25, 5 5 — 21 BuMJi. Centralbl. f. Gyn., 1892, Nr. 9. — 22 Franz, Ref. Centralbl. f. Bakt.. Bd. 28, S. 275. 7. Streptokokken als Erreger von Allgemeininfektionen (Sepsis, Pyämie). Von den lokalen Herden aus dringen die S. unter Umständen ins Blut vor und führen zu Allgemeininfektionen. Auch andere Bakterien, in erster Linie Staphylokokken, Pneumokokken, aber auch B. coli und Pyocyaneus, vermögen in geeigneten Fällen ähnlich aggressive Wir- kungen zu entfalten, in Bezug auf Häufigkeit und Schwere der Formen stehn jedoch die allgemeinen S. -Infektionen obenan. In das Blut ge- langen die S. entweder auf dem Umwege durch die Lymphbahnen oder direkt, indem sie die Wandungen der Kapillaren und kleineren Gefäße des occupierteu Gebietes durchwandern oder in den Thromben größerer Veneustämme sich festsetzen, nach deren Erweichung sie dem Kreislaufe zugeführt werden. Der letztgenannte Modus war früher, in der vor- antiseptischen Zeit, wo die Mischinfektionen mit Fäulniserrege ru häu- figeren Anlass zur Erweichung von Thromben gaben, häufiger als jetzt. Am meisten begegnen wir ihm noch bei den puerperalen Infektionen. Sehn wir von der Verschleppung durch Thrombenteile ab, so wird das Eindringen von S. in das Blut zunächst von der Virulenz derselben abhängig sein, oder richtiger ausgedrückt, von dem Verhältnis der Virulenz zur Widerstandsfähigkeit des Gewebes; auch weniger virulente S. vermögen bei entsprechend geschwächtem Organismus in das Blut vorzudringen. Ein weiteres maßgebendes Moment ist aber auch die anatomische Be- schaffenheit der Eingangspforte. Es ist nicht gleichgiltig für die wei- teren Chancen des S., wie Brunner ^ sehr richtig hervorhebt, ob er sich bei einer Wöchnerin an der Placentarstelle oder an irgend einer Stelle im Zell2:ewebe der Haut ansiedelt. Handelt es sich nur um wenige in die Blutbahn vorgedrungene Keime und ist der Organismus durch die im Krankheitsherde gebildeten Giftsubstanzen nicht zu sehr in seiner Widerstandskraft geschwächt, so erliegen dieselben den baktericiden Kräften. Uebergang von wenigen 344 V- Lingelsheim, Kokken ins I>lut ist aller WalirscLeiulichkeit uacli ein sehr liäufi£:er Vorg-aug-, der sich auch au selir geriugf iigige Lokaliufektioueu anschließen kann, ja vielleicht ohne dass überhaupt eine merkbare lokale Gewebs- reaktion vorausgegangen ist (kryptogenetische Sepsis, Infektion von den Tonsillen aus). In den allermeisten Fällen wird die wenigen ein- gedrungenen Kokken das angegebene Schicksal treffen; sie gehn zu Grunde. Ganz anders, wenn sie irgendwo im Gewebe geeignete Haft- stellen finden. Ob ein Organ Haftstellen besitzt oder nicht, hängt zu- nächst ab von seinem histologischen Bau (Anordnung und Zahl der Gefäli- und Lymphbahnen u. s. w.), weiter von seiner chemischen Be- schaffenheit, oder, um in der modernen Sprache zu reden, von dem Eezeptorengehalt des Gewebes. Es wird hier das eine Bakterium dieses, das andere jenes Gewebe bevorzugen (Roger i^) und auch bei den ver- schiedenen S. werden diese Affinitäten nicht ganz gleich sein. Die S. bevorzugen vorzugsweise die Gelenke, die serösen Häute und die Nieren. Ceteris paribus wird das Organ für die Lokalisation bevorzugt werden, das aus irgend einem Grunde einen Locus minoris resistentiae darstellt. Gelangen etwas größere Kokkenmengen in das Blut, so dass sie schon durch geeignete Untersuchung (Verarbeitung einiger ccm) nach- gewiesen werden können, so steigern sich entsprechend die Chancen für die Bildung von Metastasen. Aber auch solche Fälle gehn noch, wie wir jetzt wissen (Petruschky), genug in Heilung über, wenn nicht neue starke Nachschübe vom primären Herde aus erfolgen. Die Kokken werden dann abgetötet, teilweise vielleicht auch durch die Exkretions- orgaue ausgeschieden *). Als Giftbildner, als gewebsschädigende Noxen für sich, kommen die für gewöhnlich im Blut der erkrankten Menschen nachweisbaren S. gegen- über der überwältigend größeren Menge an den Ausiedeluugsstätten im Gewebe nicht in Betracht. Auch eine Vermehrung scheint im lebenden Blute erst bei völlig gebrochener Widerstandskraft des Organismus resp. beim Aufhören jeder wirksamen Reaktion einzutreten. Unter denselben Umständen vollzieht sich auch der Masseneinbruch von Kokken in die Blutbahu. Das Leichenblut enthält häufig zahlreiche S. ; diese sind aber nicht die Ursache, sondern die Folge der von den Krankheitsherden aus erfolgten Vergiftung. Der positive Blutbefund hat also bei diesen Affektiouen eine sym- ptomatische und prognostische Bedeutung. Er zeigt die Ueppigkeit der bakteriellen Entwickelung im Krankheitsherde, vor allem aber, dass das betroffene Gewebe nicht mehr in der Lage ist, die S. ausreichend zu fesseln. Weiterhin rückt er die Möglichkeit der Metastasenbildung in größere Nähe. Zur Bildung sichtbarer Metastasen bedarf es natürlich nach der An- siedelung der Kokken noch einer gewissen Zeit. Es können zahlreiche S. post mortem in einem Organe ohne besondere Gewebsveränderungen nachweisbar sein. In Fällen ganz schwerer Intoxikation kann die Ge- websreaktion auch sehr verzögert eintreten oder fehlen. Damit sind die günstigsten Verhältnisse für die S.-Wucheriing, die dann überraschende Dimensionen annehmen kann, gegeben. Klinisch begleiten die nicht metastasierende Allgemeiuinfektion mit S. schwere Störungen auf dem Gebiete der Temperatur und Herz- * Im Schweiße wurden S. nachgewiesen von Sudakow (Centralbl, Bd. 14_u. 25j, über Ausscheidung durch die Nieren s. v. Bonsdorf, Zieglers Beitr., Bd. 25. Streptokokken. 345 reguliemng- als Resultat einer im weseutliclieii von dem Herd ausgehen- den Intoxikation. Koch und Petrusciiky halten eine stark remittierende gToßzackig-e Temperaturkurve für S. -Infektionen' für charakteristisch. Doch scheint dieselbe auch bei andern Infektionen (mit Staphylokokken) nach Sittmann 2^ sowie Brunner vorzukommen. Der Puls zeichnet sich durch große Frequenz aus, daneben bestehen Dyspnoe, Benommen- heit des Sensoriums, Delirien, trockne Zunge, Milztumor. Bei der metastasierendeu Form der Allgemeininfektion sind die Temperatur und die übrigen klinischen Erscheinungen abhängig von dem jeweiligen Auf- treten und dem Sitz der Metastasen. Der Nachweis von Kokken im Blute des Lebenden ist schon v. Eisels- BERG3 gelungen. Später hatte namentlich Canon '^-^ positive Resultate. Jetzt weiß man, dass in den meisten Fällen nur die Verarbeitung weit größerer Blutmengen, als sie die früheren Autoren benutzten, zum Ziele führt. Um solche Quantitäten — es sind 5—10 — 20 ccm erforderlich — zu gewinnen, kann man sich nach PETRüSCHKvß des blutigen Schröpf- kopfes bedienen, doch setzt dies Verfahren eine sehr sorgfältige Asepsis voraus. Sicherer geht man bei Entnahme aus einer Armveue vermittels steriler Spitze. Um eine zu schnelle Gerinnung des Blutes zu ver- hindern, kann man vorher die Spitze zu Vs ^^^'^^ Volumens mit einer 2 proz. Lösung von citronensaurem Natron füllen. Das in der einen oder anderen Weise gewonnene Blut wird in Bouillon und flüssigem Agar (im Verhältnis 1 : 3) verteilt; einen verbleibenden Rest benutzt man zur intraperitouealen Infektion von Mäusen. Bei Leichenmaterial wird das Blut durch Herzpuuktion mit der Spitze entnommen. Die bei Sepsis nachgewiesenen S. zeigten die Eigenschaften des S. longus. In Bezug auf die Virulenz gegenüber Tieren Avurden große Ditferenzen beobachtet, doch erwiesen sich die meisten pathogen. Die Nomenklatur der hier kurz skizzierten Allgemeininfektionen ist eine sehr verworrene. Am meisten hat man sich noch über den Begriff der Pyämie geeinigt. Unter Pyämie, im ursprünglichen Sprach- gebrauch eine Beimischung von Eiter zum Blut (Piorry 1840), ver- steht mau jetzt allgemein "eine auf dem Wege der Blutbahn zustande gekommene Allgemeininfektion mit Bildung multipler nachweisbarer Metastasen. Dieselbe verdankt ihre Entstehung Thromben oder Bak- terienembolieen. Sepsis — Septikämie — Septhämie war früher die mit Faulprozessen verbundene und mit schweren Intoxikationserscheinungen einhergehende Wundkrankheit. Wir würden also heute die allerdings jetzt selten gewordenen Fälle von Mischinfektion der pyogenen Kokken mit Fäuluiserregern (Proteus u. s. w.) damit zu bezeichnen haben. Thatsächlich aber verstehen wir unter Sepsis auch die reinen Kokken- infektionen, die mit schweren, denen der fauligen Mischinfektion meist ganz entsprechenden, Intoxikationserscheinungeu einhergehen, und nicht zu merkbaren Metastasen führen. Richtiger würde es sein, wenn man nach Brunners Vorschlägen der »Sepsis« ihren alten Begriff Avieder- gäbe, statt Pyämie allgemeine metastasierende Strepto(Staphylo)kokken- nfektion, — '^Strepto(Staphylo)mykose setzen, und das, was wir jetzt meist als Sepsis bezeichnen, Toxämie nennen wollte. Litteratur. 1 Brunner, Erfahrungen und Studien über Wundinfektionen, Frauenfeld, Huber, 1899. — 2 Sittmann, Arch. f. kiin. Med., Bd. 53. — 3 v. Eiselsberg, Wien, klin. Wochenschr., 1890. — * Canon, Deutsche med. Wochenschr., 1893, Nr. 43. — 346 V. Lingelsheim, -" Der 8.. Deutsche Zeitschr. f. Chir. . Bd. 37. — f Pktru.schky. Zeitschr. f. Hyg., Bd. 17. — ' Jordan. Beitr. z. klin. Chir., Bd. 10. — 8 Marmorek. Versuch einer Theorie der sept. Krankh. auf Grund experiment. Untersuchungen. Stuttgart, Enke, 1894. — " MoxoD & Macaigxe, Eevue de chir., 1894, Nr. 2. — "• Kocher & Tavel, Vorlesungen über chir. Infektionskrankh., Basel. Sallmann, 1895. — " Roger. Sem. med.. 1898. V. Die Streptokokken als Krankheitserreger bei Tieren. Auch bei Tiereu treten die Kettenkokken verscliieclentlich als Krank- heitserreger auf. Nach einer vergleichenden Zusammenstellung von Karlinski 1 fanden sich als Eitererreger beim Menschen Streptokokken in 45 Fällen Staphylokokken » 144 » andere Bakterien » 15 » bei Säugetieren Streptokokken » 23 » Staphylokokken » 45 » andere Bakterien » 15 » bei Vögeln Streptokokken » 11 » Staphylokokken ■> 40 » andere Bakterien » 20 » Vor allem scheinen sich aber die großen Haustiere, namentlich Pferde und Kinder, gegenüber S. empfänglich zu verhalten. Bei Pferden treten S. auf als Erreger gewisser typischer Infektionskrankheiten: Die Druse (Coryza contagiosa) stellt eine akute kontagiöse Erkrankung der Schleimhaut der Luftwege dar, die durch die starke Beteiligung des entsprechenden Lymphapparates, der Lymphgefäße und Drüsen ausgezeichnet ist. Die Krankheit beginnt mit einem Nasenkatarrh, der sich bald auf Bachen und Kehlkopf, bisweilen auch auf Trachea und Bronchien fortsetzt. Dabei schwellen die regionären Lymphdrüsen, zunächst die unter dem Zungenbein, dann die abwärts an Kehl- und Schhmdkopf gelegenen, stark an und vereitern. Durch Uebergreifen des Prozesses von der Luftröhre auf die Lungen kommt es zur Pneu- monie, in anderen Fällen zu Metastasenbildung in Nieren, Milz, Leber, Darm. Einmaliges Ueberstehen der Krankheit schafft Immunität für mehrere Jahre. Als Erreger der Krankheit wird ein von Schütz 2 3 zuerst beschriebener S. angesehen, der sich in den Sekreten der er- krankten Schleimhäute, den entzündlichen Infiltraten, dem Eiter der Drüsen, häufig in großer Menge, vorfindet. Er bildet hier lange ketten- förmige Verbände, deren meist ovale Einzelglieder zu zwei und zwei geordnet sind. Die GiiAMSche Färbung nimmt er nach neueren Angaben nicht an, dagegen eignet sich namentlich znm Nachweise im Gewebe die KüiiNEsche Modifikation. In ])Ouillon wächst der S. mit reichlichem, hautartigem Bodensatze, der aus langen Ketten mit runden oder läng- lichen und ovoiden Kokken besteht. Auf Agar und Gelatine tritt nach Schütz kein Wachstum ein ; Sand & Jensen •'' sowie Poels " sahen auch hier Entwickelung. Auf der Gelatineplatte bildet der S. nach Kabe ^ zunächst glattrandige, später stachliclie oder rosettenartige Kolonieen. Auf Blutserum von Pferd, Kalb, Hammel wächst er mit zähem, grau durchscheinendem Belage. Auf der Kartoffel zeigt sich nach 8 Tagen ein grauer, schleimiger Ueberzug. Der S. ist pathogen für Mäuse, nach Baue auch für Meerschweinchen. Streptokokken. 347 Eabe beschreibt den S. der Druse als einen polymorphen Organismus, der außer kreisrunden und ovalen auch fast quadratische und rechteckige Formen zu bilden vermag. Infolge Ausbleiben der Teilung können gestreckte stäbchen- artige Elemente innerhalb der Kette entstehen. Weitere Abweichungen be- stehen darin, dass einzelne oder mehrere Glieder eines Verbandes in der Querrichtung der Kette weiter wachsen, wodurch der Eindruck parallel ge- lagerter Stäbchen, die die Kontinuität der Kette unterbrechen, entsteht. Teilen sich nachträglich diese Formen, so kommt es zur Bildung von Tetraden und Parallelketten. Diese Abweichung in der Teilungsrichtung sowohl wie die Verzögerung resp. das Ausbleiben der Teilung, die zu Stäbchenbildung führen, finden sich vorAviegend auf Agar und Gelatine, außerdem auch in den lokalen Krankheitsherden geimpfter Meerschweinchen. (Gerade hier könnten sie nach Rabe auch Veranlassung zur Verwechselung mit Rotzbazillen geben). In Bouillon und Pferdeserumbouillon dagegen finden sich regelmäßig gegliederte S.- Verbände. Die Brustseuche der Pferde (Plenropneumonia contagiosa) ist eine iiameutlich in Städten (Garnisonen) epidemisch auftretende Erkrankung, die die Lungen, multiple Hepatisation (nekrotische Herde), die Bronchien (eitrige Bronchitis) und die Pleura (reichliche Exsudate von serösem, sero-fibrinösem, eitrigem Charakter) befällt. Als Erreger wird ein von Schütz^ gefundener Diplococcus angesehen, der sich im Blute und in den Organen der erkrankten Tiere vorfindet. Der Ooccus zeigt länglich ovale Gestalt, ähnlich dem FiiÄNKELScheu Pneumoniecoccus. In Prä- paraten aus dem Blute von Maus und Ratte, seltener vom Pferde, zeigt er sich von einer Kapsel umgeben. Er ist nicht färbl)ar nach Gram und wächst sowohl auf Agar wie auf Gelatine bei Zimmertemperatur. Schütz gelang es durch intrapulmonale Impfung die typische Erkrankung bei gesunden Pferden zu erzeugen. Von anderen Tieren erwiesen sich em- pfänglich Mäuse, Meerschweine, Kaninchen, Tauben, nicht aber Hühner und Schweine. Nach Lignieres ^ sind die von ScntJTZ entdeckten S. der Druse identisch mit denen der Brustseuche und mit den von Galtier & ViOLET bei der infektiösen Pneumonie gefundenen Mikroben. Auch der sogenannte Pferdetyphus (Morbus maculosus, Petechialfieber, ausgezeichnet durch Oedeme an Kopf und Gliedmaßen) wurde von Lignieres 9- ^^ auf S. (dem S. pyogenes ähnliche Form) zurückgeführt. Es gelang jedoch dem Autor nicht, die Krankheit auf gesunde Pferde zu übertragen. In den sogenannten Sommerw^unden der Pferde werden S. allein oder mit Staphylokokken vergesellschaftet gefunden (Lignieres i^), ebenso in Phlegmonen im Anschluss an Verletzungen. Bei dem Rindvieh sind es namentlich Entzündungen des Euters, die auf Infektionen mit S. zurückzuführen sind. Bei der chronischen Entzündung des Euters der Induration fanden NocARD & MoLLEREAU ^^ S., die im Centrum der reichlichen Zellmasse gelagert waren. Dieselben gingen auch in die Milch über und bildeten dort" lange Ketten großer Kokken, die sich nach Gram entfärbten. Uebertragungen gelangen bei Kühen und Ziegen. Der »gelbe Galt« ist eine akute Euterentzündung, die bei Kühen und Ziegen, namentlich in der Schweiz, sporadisch wie epidemisch, auf- tritt. Hess & BoRGEAUD^^ wiesen als Erreger S. nach; ihre Befunde wurden von Zschokke bestätigt. Nach Adametz ^^ handelt es sich um Formen, die sich sehr variabel hinsichtlich der Kokkengröße und Ketten- 348 V. Lingelsheim, bildiiug- verhalten. Es kommen sehr kleine Kokken vor (0,5 u) mit ganz kurzen, meist 4gliedrig-en Ketten. Die Kokken gehen ans den Milchcysten in die Milch über, wo sie sieh stark vermehren. Hierbei tritt Ausfällung des Kaseins und Vergärung des Milchzuckers unter Gasbildung ein. Einen anderen hierher gehörigen S. beschreibt Kleix i*"', der sich sowohl von dem von Nocaed & Mollereau beschriebenen wie dem bei der gelben Galt gefundenen unterscheiden soll. Derselbe wächst in Bouillon, auf der er schnell abstirbt, wie der S. conglomeratus (Kukth). Auf Gelatine bildet er kleine graue Plättchen, die sich im Laufe der AVoche vergrößern und dann ein dickes Centrum zeigen, von dem radiäre Streifen nach der Peripherie gehen. Der S. ist pathogen für Meer- schweinchen. Eine wichtige Rolle spielen die S. ferner bei dem »Kall)efieber«, das nach den Untersuchungen van de Veldes ^^ allerdings auch noch durch Staphylokokken und Bact. coli bedingt sein kann. Sitz der Erkrankung ist die Gebärmutter. Die gefundeneu S. unterschieden sich nach van de Velde sowohl nach ihren kulturellen wie morphologischen Eigen- schaften nicht von dem S. pyogenes des Menschen. Sie erzeugten beim Kaninchen Erysipel ; es gelang jedoch nicht, die Virulenz für diese Tiere zu steigern. Auch das »Kälbersterben«, unter dem Bilde akuter Sepsis verlaufende Erkrankungen ganz junger Kälber, ist nach Poels^*' auf Infektion mit S., die entweder allein vorkommen oder mit anderen Bakterien (Bact. coli, Proteus) vergesellschaftet sind, zurückzuführen. Die Aufnahme der Keime findet meist in der ersten Stunde nach der Geburt statt, entweder durch die Nabelwuude oder auf dem Wege des Darmkanals. Nach Olt iö beruht auch die von Duncker & Hertwic^^ entdeckte Muskelerkrankung, die bei Schweinen, Schafen, Kälbern und Pferden vorkommt, nicht, wie anfangs vermutet wurde, auf Infektion mit dem Strahlenpilz, sondern wird durch S. veranlasst, die aber nicht zu den pyogenen gehören sollen und deren Züchtung bis dahin nicht ge- lungen ist. Litteratur. 1 Karlinski, Centralbl. f. Bakt., Bd. 7, S. 113. — '^ Schütz. Zeitschr. f. Hyg., Bd. 3. — 3 Ders., Arch. f. wissenschaftl. u. prakt. Tierheilk.. 1888, S. 172. — 4 Ders., ebd., 1887, S. 27 und 1888, S. 456. — 5 Sand & Jensen, Dtsch. Zeitschr. f. Tiermed., Bd. 13. — e Poels, Fortschr. d. Med., 1888, Bd. 6. — ' Rabe , Natur- geschichte des Streptococcus der Druse. Vortrag in der 63. Versamml. deutscher Naturforscher und Aerzte zu Bremen, Berlin, Enslin. — ^ Lignieres, Recueil de med. vet6r., 1897. — !' Ders., Bull, de la soc. centr. de med. veter., t. 49, p. 369. — wDers., ibid., t. 52, p. 722. — u Ders., ibid., t. 48, p. 671. — i^ Lucet, Ann. Pasteur, 1893, Nr. 4. — i^ Nocard & Mollereau, ebd., 1887, Nr. 3. — i* Hess & Borgeaud, Ref. Baumg. Jahresb., 1888, S. 33. — i^ Adamrtz, Journ. f. Landwirt- schaft, Bd. 42, H. 6. — ir, Klein, Centralbl. f. Bakt., 1900, Bd. 28, S. 417. — i" van DE Velde, Monatshefte f. prakt. Tierheilkunde, Bd. 11 , S. 97. — i« Poels, Ref. Centralbl. l Bakt., Bd. 29, S. 357. — w Olt. Archiv f. wissenschaftl. u. prakt. Tierheilk., Bd. 23, S. 58. VI. Salutäre Wirkungen der Streptokokken. Au verschiedenen Stellen war darauf hingewiesen, dass die S. sich mit Vorliebe an schon bestehenden Krankheitsherden ansiedeln und durch Unterstützung des primären Erregers zu einer gefährlichen Komplikation Streptokokken. 349 werdeu. Geg-enüber manchen Infektionen enthalten jedoch die S. anta- gonistische Wirkungen, die zu einer völligen Vernichtung des anderen Bakteriums und zur Heilung führen können. Emmerich & di Mattei^' 2, 3 stellten fest, dass man eine in 48 Stunden tödlich ver- laufende Milzbrandinfektion beim Kaninchen durch nachträgliche, nach dem Auftreten von Miizbrandsymptomen vorgenommene subkiitane oder intravenöse Injektion von Erysipelkokken heilen konnte. Auch Verfasser konnte in daraufhin augestellten Versuchen den heilenden Einfluss von S.-Injektiouen bei Milzbrand bestätigen. Allerdings mussten dieselben sehr bald nach der Milzbrandinfektion und zwar intravenös vorgenommen werdeu, außerdem schien sich nicht jeder S. dazu zu eignen*). Bei der Tuberkulose kennen wir die S. im allgemeinen als die Er- reger gerade der schwersten Sekundärinfektionen. Aber auch hier üben sie bisweilen salutäre Effekte aus. Bei Lupus sind nach Angabe zuver- lässiger Autoreu (Bebra, Bestakelli, Winternitz) wiederholt Besse- rungen und Heilungen nach dem Uebersteheu eines Erysipels beobachtet. Aber auch Lungentuberkulose soll nach einer Rose zum Stillstand, ge- kommen sein (Schäfer'*, Waibel, Chelmonski). Die meisten Erfahrungen liegen aber vor über Heilwirkungen der S. bei bösartigen Neubildungen. Unter diesen scheinen wieder die ma- lignen Lymphome und Sarkome sich einer günstigen Beeinflussung zu- gäuglicher zu erweisen als die Karzinome. W. Busch sah ein sehr aus- gedehntes Lymphosarkom des Halses schwinden, nachdem die Patientin ein schweres Erysipel durchgemacht hatte. Besonders waren es aber die günstigen FEHLEiSENschen Mitteihmgen, die zu weitereu Versuchen nach der Richtung aufforderten. Fehleisex hatte bei 5 unter den 6 Patienten, die nach Einimpfung seiner Reinkultur an Erysipel erkrankt waren, deutliche Verkleiuerungen der Geschwulst wahrnehmen können. Da sich jedoch weiterhin die Einimpfung lebender virulenter S. als ein keineswegs ungefährliches Experiment herausstellte, versuchte man mit Kulturfiltraten oder Sterilisaten (1 Stunde auf 58 bis 60° erhitzten Voll- kulturen) das gleiche Ziel zu erreichen. Diese Präparate stellten sich zwar als unschädlich, aber auch als unwirksam heraus. Um mm einer- seits die Toxizität zu erhöhen, andererseits aber der unkontrollierbaren "Wirkung lebender Erreger aus dem Wege zu gehen, stellte Coley ^' ^ Mischkulturen von S. und Bac. prodigiosus her, die nach lOtägigem Wachstum durch Erwärmung sterilisiert wurden. Diese Präparate zeigten ganz erhebliche Giftwirkungeu gegenüber dem Menschen, die aber, wie die Versuche von Feiedrich % Petersen ^ und anderen ergaben , nicht auf Rechnung einer gesteigerten Toxinproduktion der S. zu setzen waren, sondern von den Proteiusubstanzen der Bac. prodigiosi herrührten. Auch dies Verfahren hat man wieder fallen lassen müssen. Worauf der unzweifelhaft nachgewiesene salutäre Effekt der S. bei manchen Geschwulstformen beruht, lässt sich nicht mit Sicherheit be- stimmen. In dem von Janicke & Neisser lo veröffentlichten Falle, wo das Impferysipel zum Tode der Person, einer Karzinomkranken, geführt hatte, hatten die Kokken die Geschwulst geradezu durchwuchert, waren in die Krebsuester und Krebszellen eingedrungen und hatten dieselben teilweise zum Schwinden gebracht. Aber auch ohne eine solche direkte Beeinflussung scheinen manche Geschwulstzellen der Einwirkung der *) Hierauf beruhen wohl die viel ungünstigeren Resultate mancher anderen Autoren. Zagari, Giorn. internat. d. sc med., 1887. 350 V. Liogelsheim, S. -Toxine in höherem Grade zugänglich zu sein, als das normale Körper- geAvebe, so dass sich regressive Prozesse anbahnen können. Bedingung für das Eintreten einer Wirkung ist eine starke Reaktion, die sich am sichersten durch die Einfuhr lebender Eeinkulturen erzielen lässt. Wieder- holte Impfungen, namentlich wenn die Intervalle nur kurz sind, können zu Ueberemphndlichkeit, chronischer Intoxikation und Kachexie führen (Koch & Petruschky). Karzinome geben nach allen Erfahrungen die wenigsten Aussichten für eine günstige Beeinflussung. Litteratur. 1 Emmerich, Arch. f. Hyg., Bd. 6, S. 442. — 2 Ders., Naturforscher Vers., Berlin 1886. — 3 Emmerich & di Mattei, Fortschr. d. Med.. 1S87. — ^ Schäfer, Manch, med. Woch., 1890, Nr. 27. — J Coley, Amer. Journ. of the med. Sciences, vol. 112, p. 251. — f' Ders., Med. record, vol. 54, p. 294. — '^ Roncali, Centralbl. f. Bakt., Bd. 21. Nr. 20-21. — « Friedrich, Berl. klin. Woch., 1895, Nr. 47. — 9 Petersen, Beitr. zur klin. Chir., Bd. 17, Heft 2. — 10 Jakicke & Neisser, Cen- tralblatt f. Chir., 1884, Nr. 25. VII. Die Streptokokken im Tierversuclie ; Virulenz, Gifte. Die ans Krankheitsprozessen beim Menschen stammenden langen S. sind, ohne dass eine Tierpassage voraufgegangen ist, in ihrer über- wiegenden Mehrzahl für Kaninchen und Mäuse pathogen. Ratten er- kranken wohl nach Einverleibung stärkerer Dosen, sterben aber selten. Ebensowenig empfindlich erweisen sich Meerschweinchen, Katzen und Hunde. Pferde, Kinder, Ziegen, Schafe, reagieren bisweilen mit leichten Temperatursteigerungen, nach Einverleibung größerer Mengen lokal auch mit Abszessen. Von den Vögeln sind nur wenige Arten (Sperlinge, Wachteln, Tau- ben) geprüft. Wachteln sollen nicht ganz refraktär sein. Die bei Spoutaniufektioueu der Tiere vorkommenden 8. zeigen vielfach ein abweichendes Verhalten auch gegenüber unseren kleinen Versuchstieren. Pa thogen für Meerschweinchen waren die S. von Binaghi, der S. radiatus von Kleix, der Drusestreptococcus nach Rabe. Der Diplococcus der Brustseuche der Pferde, dessen Zugehörigkeit zu den S. allerdings zweifelhaft ist, tötete Ratten u. s. w. u. s. w. Mäuse reagieren nach Einverleibung von für sie virulenten S. mit einer in 1—4 Tagen tödlich verlaufenden Allgemeininfektion. Vom Orte der Applikation (Haut an der Schwanzwurzel), wo zunächst eine leb- hafte Vermehrung stattfindet, invadieren die S. das umgebende lockere Bindegewebe, und gelangen auf dem W^ege durch die Lymph bahnen in das Blut und die Organe, wo sie sich post mortem in größerer oder geringerer Zahl nachweisen lassen. War das Material weniger virulent^ so kommt es zunächst zu lokaler Abszessbilduug, und erst nach länge- rem Krankheitsverlaufe (8 — 14 Tagen) zu Allgemeininfektion und Tod. War die Virulenz noch geringer, so tritt nach Entleerung des Eiters Heilung ein, in anderen Fällen bildet sich nur ein Infiltrat, das zum Haarausfall, aber nicht zu Eiterung und Nekrosen führt. Ein etwas abweichendes Verhalten zeigten die S., welche Kürth bei einer Streptokokken. 351 Epidemie vou Impetigo coutagiosa isolierte. Dieselbeu töteten die Tiere nach Verlauf vou 4 — 6 Tageu uuter Abszessbilduug, aber ohue dass sich eiu Uebergang der Kokkeu iu das Blut uud die Gewebe nachweisen ließ. Hier musste also eine stärkere lokale Giftbildung' stattgefunden haben. Etwas größere Mannigfaltigkeit zeigen die Ö.- Infektionen des Kaninchens. Auch diese Tiere reagieren nach Ein- verleibung hochvirulenten Materiales, gleichgiltig welcher Modus der Applikation gewählt ist, mit einer in wenigen Tagen tödlich verlaufenden Allgemeiniufektion. Bei diesem hochakuten Verlaufe zeigt häufig die Eingangspforte keinerlei Veränderung. In anderen Fällen findet sieh eiu mehr oder minder reichliches Oedem. Als weitere häufige Obduk- tionsbefunde seien angeführt seröse oder blutig-seröse Exsudate in der Brust- oder Bauchhöhle oder in beiden, Milzschwelluug, die aber selten stärkere Grade erreicht, Injektion der Darmgefäße, Hyperämie und trübe Schwellung der Nieren. In dem stark lackfarbeuen Blute wie in den Organen sind zahlreiche, in Diplokokkenform angeordnete, S. nachweis- bar. Bei Impfungen mit weniger virulenten S. treten die Prozesse au der Applikationsstelle mehr iu den Vordergrund. Die iutraperitoneale Einverleibung führt dann konstant zu heftiger Peritonitis mit serös-blu- tigem oder, bei langsameren Verlaufe, auch eitrigem Exsudate. Bei subkutaner Injektion begegnen wir phlegmonösen Prozessen, bei ober- liächlicher kutaner Impfung, namentlich in der Gegend der Ohrwurzeln, aber auch Erysipelen, die sich nach Fehleisens Untersuchungen pathologisch-histologisch durchaus dem menschlichen Erysipel analog verhalten. Dieselben sind, wie dieses, charakterisiert durch eine mit Schwellung verbundene fortschreitende Kötuug, die bisweilen auch auf das andere Ohr übergeht. An diese lokalen Prozesse kann sich dann weiter eine tödliche Allgemeininfektion anschließen. In anderen Fällen kommt es zur Abszedierung, die zu umfangreichen Nekrosen führt, bei leichterem Verlaufe auch zu glatter Rückbildung. Selten folgt einer subkutanen Impfung eine metastasierende Allge- meininfektion. Iutraperitoneale und intrapleurale Applikation führen häufiger dazu, und fast regelmäßig die intravenöse, vorausgesetzt, dass das Material nur eine mäßige, nicht zu hohe, Virulenz besitzt. Diejenigen S.-Formen, die festere Klümpchen in ihren Kulturen bilden, etablieren sich mit Vorliebe schon in den Lungen. Von den anderen Organen sind Leber und Nieren bevorzugt, vor allem aber auch die Gelenke und das Endokard. Die »Pyämie« der Kaninchen kann einen über mehrere Wochen sich erstreckenden Verlauf nehmen, häufig begleitet von Abmagerung und Durchfällen. In anderen Fällen, bei sehr wenig virulentem Materiale, zieht sich die Krankheit über Monate hinaus. Es entwickelt sich dann eine ausgesprochene Kachexie, die bisweilen mit Muskelatrophieen, na- mentlich der hinteren Extremitäten, einhergeht. Nach Rogers handelt es sieh dabei um eine Myelitis mit weitgehender Alteration der Zellen der Vorderhörner. Jedenfalls liegt hier eine Giftwirkuug vor, die am häufigsten auf die intravenöse Einverleibung abgetöteten oder sehr wenig virulenten Materiales eintritt. Infektionen von Kaninchen per os haben Tonarelli ^ uud Bail ^ mit Erfolg ausgeführt. Die Tiere erkrankten an akuter Enteritis mit nach- folgender Allgemeininfektion. Nach Bail war der Dünndarm als Ein- gangspforte anzusehen. Ziemlich leicht waren Kaninchen von den intakten Tonsillen aus mit 352 V. Lingelsheim, virulenten S. zu infizieren (Lexer^). Die Lungen erwiesen sieh da- geg-en in den Versuchen von Silvast^ recht widerstandsfähig. Ein Haften des Virus trat erst ein, wenn durch Abkühhiug oder durch me- chanisch reizende Substanzen die Widerstandskraft des Tieres herab- gesetzt war. Außer der Beschaffenheit der Virulenz und der Eingangspforte, worauf bisher ausschließlich Bezug genommen war, spielen für Verlauf und Ausgang einer S.-Infektion noch andere Momente eine wichtige Kolle. Junge Tiere sind empfänglicher als alte, weiße als schwarze (Verfasser, Schenk), gewisse Kassen (englische) erliegen leichter als andere. Aber auch bei Tieren gleichen Alters und gleicher Rasse finden sich Disposi- tionsverschiedenheiten vor. Der Effekt einer Impfung hängt danach ab von der Applikatious- stelle, der Virulenz der S., der Widerstandsfähigkeit des Tieres und nicht zum geringsten natürlich auch von der angewandten Kulturmenge. Große Dosen weniger virulenten Materiales vermögen dieselben Wir- kungen zustande zu bringen wie kleine eines höher virulenten. Es ist deshalb eine gewisse Verständigung über Mengenverhältnisse, auf die bei Angaben über die Virulenz Bezug genommen wird, erforderlich. Als hochvirulent wird man meines Erachteus S. bezeichnen können, die in Mengen (immer auf gut gewachsene Bouillonkultur berechnet) unterhalb 0,01 ccm Mäuse von 20 g oder Kaninchen von 1 kg Körper- gewicht bei subkutaner Einverleibung akut in einigen (1 — 4) Tagen töten. Als eben noch virulent für Mäuse und Kaninchen sind solche Kulturen anzusehen, die bei intraperitonealer Applikation in Mengen von 0,5 — 1,0 ccm resp. 5,0 — 10,0 den Tod noch innerhalb von 8 Tagen hervorrufen. Frosch & Kolle (Flügges Mikroorganismen) bezeichnen als wenig viru- lent solche S., welche, am Kaninchenohr eingeimpft, nur lokale, in Heilung übergehende Prozesse bedingen. Ein mittlerer Virulenzgrad ist vorhanden, wenn ein P^rysipel mit nachfolgender Allgemeininfektion entsteht. Die S. höch- ster Virulenz verursachen, obne lokale Veränderungen an der Impfstelle zu setzen, eine in wenigen Tagen tödlich verlaufende Sepsis. Die Virulenz der S. nimmt auf unsern künstlichen Nährböden, nament- lich auf der Agaroberfläche, schnell ab. Am besten hält sie sich noch nach eigenen Erfahrungen in defibriniertem Blute, gut auch in Serum und Serumbouillougemischen, sowie im Gelatinestich. Steigerung der Virulenz lässt sich erzielen durch eine fortlaufende Tierpassage. Man beginnt mit großen, einen schnellen Tod bewirkenden Dosen, die dann bei den folgenden Passagen allmählich herabgesetzt werden. Es gelingt so, bei manchen S. leichter, bei anderen schwieriger, sehr erhebliche Virulenzgrade zu erzielen. Knokr*, Petruschky, Aron- süHN haben Kulturen hergestellt von denen 1 Millionstel, ja Vio Million- stel Kubikzentimeter zur Tötung einer Maus oder eines Kaninchens hin- reichend war. Marmorek^ giebt sogar als tödliche Dosis seines S. ein Milliardstel eines Kubikzentimeters an. Nicht alle S. lassen sich jedoch zu so extremen Graden der Viru- lenz treiben. So sollen sich nach Courmont die aus Erysipel stammen- den Formen ablehnend verhalten. Eine gewisse Steigerung der Virulenz lässt sich jedoch fast immer durch eine geeignete Tierpassage erzielen. Es ist dabei nur zn berücksichtigen, dass der Tierkörper, worauf ich Streptokokken. 353 schon früher aufmerksam gemacht habe, auch einen energisch schwä- chenden Einfluss auf die S. ausüben kann. Ist dies der Fall — und das ist gar nicht selten bei S. nur mittlerer Virulenz — , so führt die fortgesetzte Passage schließlich zum völligen Verlust der Virulenz. Als Reagens auf die stattgehabte Einwirkung des Tierkörpers bediente ich mich der Blutkultur. Zeigte diese eine Abnahme der hämolysieren- den Fähigkeit, so war der S. abgeschwächt worden; derselbe musste sich dann entweder erst in geeigneten Kulturmedien erholen oder es wurde auf eine frühere Kultur zurückgegangen und zugleich die Dosis erheblich verstärkt. Verfährt man mit solchen Kautelen, so lassen sich die S. auch für andere Tierarten, Meerschweinchen, Ratten u. s. w. außer- ordentlich hochvirulent machen. Um einem wenig virulenten Materiale für die ersten Passagen ein Ueber- gewicht über die Widerstandskraft des Tierkörpers zu verleihen, kann man neben der Applikation sehr großer Kulturmengen noch die Mitwirkung anderer unterstützender Bakterien heranziehen. Nach Monti^^ erhöhen Proteus- kulturen (auch sterilisiert), nach Fessler^i solche des Prodigiosus die Virulenz der S. Auch das Bact. coli wird für den gleichen Zweck empfohlen, de Marbaix fi konnte durch Hinzufügung von Galle (0, 1 ccm pro 100 g Tiergewicht) zu den Kulturen bis dahin ganz unpathogene Mundstreptokokken virulent machen. Der einer bestimmten Tierpassage unterworfen gewesene S. zeigt meist nicht nur eine Erhöhung der Virulenz gegenüber dieser einen Tierart. Der hoch kaninchenvirulent gewordene S. erweist sich auch sehr wirksam für Mäuse sowie für unsere größeren Haustiere, die meist für die menschenpathogenen Formen wenig empfindlich sind. Dagegen zeigt der der Mäusepassage unterworfene S. häufig nicht nur keine Steigerung der Virulenz gegenüber dem Kaninchen, sondern sogar, wie schon Knorr beobachtete, eine Abschwächung. S. wiederum, die für MeerschAveine und Ratten virulent gemacht waren, erwiesen sich in früheren Versuchen des Verfassers auch im erhöhten Grade pathogen gegenüber Mäusen und Kaninchen. Einen direkt abschwächenden Ein- fluss scheint dagegen nach den bis jetzt vorliegenden Angaben die Passage sowohl von Maus wie Kaninchen auf die Virulenz gegenüber dem Menschen auszuüben. Koch & Petruschky vermochten verschie- dene Personen selbst mit großen Dosen ihrer hoch kauiuchenvirulenten Kultur nicht zu infizieren. Die Virulenz der S. bewegt sich also nicht nur quantitativ in sehr weiten Grenzen, sondern sie ist auch qualitativ sehr verschiedener Varia- tionen fähig. Aehnliche Verhältnisse zeigt, wenn auch nicht in so aus- gesprochenem Maße, der Schweinerotlaufbacillus. Dass es unter diesen Umständen nicht angängig ist, aus der bei einem Versuchstier festgestellten Virulenz Schlüsse zu ziehen auf die Virulenz bei dem Menschen oder umgekehrt, erscheint ohne weiteres einleuchtend. Der Satz von de Marbaix »plus l'infection chez l'homme est grave, plus le microbe est virulent« findet heute keine Anerkennung mehr. Schwere Allgemeininfektionen liefern unter Umständen S., die für Tiere fast völlig unpathogen sind und umgekehrt. Die von Petruschky isolierten, für Mäuse schon in kleinsten Mengen (0,000001 ccm) tödlich wirkenden Formen stammten nicht immer aus den schwersten Krank- heitsfällen. Auch der Charakter des Krankheitsprozesses, aus dem der Handtuch der patliogenen Mikroorganismen. III. 23 354 V- Lingelsheim, S. stammt, scheint olme wesentliche liedeutung für die pathogenen Fähigkeiten gegenüber dem Tiere zu sein. Hoffa^^ ^nd Hajek^^ wollten noch gewisse Unterschiede in den Wirkungen des Ö. pyogeues und ery- sipelatis auf das Kaninchenohr erkennen können, die aber schon Pas- set ^-i, BioNDi^^, und V. EisELSBERG 1*5 in Abrede stellten. Meirowitsch^". Fränkel^s, Petruschky, Verfasser gelang es nachher mit S. verschie- denster Herkunft bei Kaninchen Erysipel zu erzeugen. Bei der Wirkung der S. auf den menschlichen und tierischen Orga- nismus haben wir eine lokale, entzündung- und eiterrungerregende, und eine allgemein toxische zu unterscheiden. Man ist geneigt, namentlich diese letztere als Effekt löslicher, von den S. gebildeter Giftstoffe auf- zufassen. Solche Substanzen sind unzweifelhaft bei manchen S. auch beobachtet. Manfredi & Traversa19 züchteten Erysipelkokken 10—30 Tage bei 25 — 30° und filtrierten durch Thonfilter. Die Filtrate waren giftig für Frösche, Meerschweinchen und Kaninchen, die teils mit konvulsivischen, teils paralytischen Erscheinungen erkrankten. Luftabschluss erhöhte die Giftigkeit. Roger konnte mit filtrierten Erysipelkulturen Kaninchen töten, wenn er ihnen 13 — 20 ccm pro 1 kg in die Blutbahn spritzte. Marmorek^o kultivierte seine S. (aus einer Pseudomembran) durch längere Zeit (bis 1/4 Jahr) auf Menschenblutserum. Das Filtrat tötete in Mengen von 1 ccm 1 — 2 kg schwere Kaninchen in 3—4 Tagen. Laitinnex 21 arbeitete mit einem aus einer Phlegmone stammenden S. Die Nährbouillon enthielt 3 ^ Pepton und 2 ^ Glycerin. Durch Fällung mit Ammoniumsulfat erhielt er ein Gift, das Kaninchen in Mengen von 0,1 — 0,4 g intraperitoneal injiziert tötete. In späteren Angaben ^f benutzte er Amylalkohol als Fällungsmittel. Parascaxdalo23 will sehr wirksame Toxine dargestellt haben bei Verwendung zuckerhaltiger Bouillon. Um die Wirkung der lebenden Streptokokken auszuschließen, wurden die Kulturen mit 0,5 ^^ Karbol- säure versetzt. Schenk 2i tötete mit den Filtraten lOtägiger Bouillonkulturen des S. Marmorek Mäuse, wenn er ihnen mindestens 0,5 ccm intraperitoneal injizierte. Auf chemischen Wege gelang es ihm auch aus der Leber von an S. verendeten Kaninchen Substanzen darzustellen, die auf Mäuse toxisch wirkten. Relativ recht kräftige Giftwirkuugen konstatierten neuerdings Ba- GiNSKY & Sommerfeld bei Bouillonkulturen ihrer aus Scharlach ge- wonnenen S. Sie kultivierten auf einer stark alkalischen Peptonbouillon längere Zeit bei 36 — 39°. Filtrate töteten in Mengen von 5,0 ccm starke Kaninchen in 24 Stunden. Das stärkste wohl bis dahin beschriebene Gift dürfte das von Marmier2« gewesen sein, eine Alkoholfällung, die dieser Autor nach seiner für die Herstellung von Milzbraudgiften als geeignet befun- denen Methode gewonnen hat. Hiervon soll 0,01 g ein Kaninchen ge- tötet haben. Verfasser hat wiederholt mehr oder minder giftige Kulturen besessen. Eine derselben lieferte, auf Serumbouillonmischung gezüchtet, ein Fil- trat, das in Mengen von 2,5 ccm, bei intraperitonealer Injektion, Kaninchen bis 1000 g Körpergewicht und jüngere Meerschweinchen akut tötete. Streptokokken. 355 lieber die Eigeuscliaften der S.-Gifte ist noch nicht viel Sicheres be- kannt. Nach Roger & Marmorek sind es ziemlich labile Substanzen, die durch P^rhitzung auf 60° erheblich geschädigt werden. Baginsky & Sommerfeld geben dagegen an, dass ihre Toxine sogar nach dem Aufkochen erhalten waren. Ich habe durch einstündiges Erwärmen auf 60° auch nur einen teil weisen Verlust der Wirksamkeit konstatieren können. Von Krankheitserscheinungen beobachtete ich bei subkutaner Ein- verleibung eine mehr oder minder starke Schwellung in der Umgebung der Injektionsstelle, Fieber und Durchfälle. War die Dosis nicht stark genug, um die Tiere akut in 24 — 36 St. zu töten, so traten starke Ab- magerung ein und häufig eine durch Tage anhaltende Herabsetzung der Körpertemperatur um 1,5, ja 2" C. Hielt dieser Zustand länger an, so traten häufig Sekundärinfektionen hinzu, die den Tod beschleunigten. Bei intraperitonealer Einverleibung betrug die tödliche Dosis nur ca. Vs der bei der subkutanen Injektion erforderlichen Menge. Hier setzten die Krankheitserscheinungen viel schneller ein. Schon nach ^4 Stunden erschien der Leib aufgetrieben, das Tier wurde sehr schwach und ver- endete häufig schon nach 3 — 4 Stunden unter Krämpfen. Der Obduktions- befund wies außer entzündlichen Erscheinungen an der Eingangspforte des Giftes wenig Bemerkenswertes auf Von verschiedenen Autoren wurden schädigende Wirkungen auf das Rückenmark betont. Die Beobachtungen Rogers an Kaninchen, die mit abgeschwächtem Materiale infiziert waren, wurden schon erwähnt. AVidal & Besaxcon^s sahen gleichfalls bei einem gewissen Prozentsatz ihrer Tiere paralytische Erscheinungen auftreten, die sie auf myelitische Pro- zesse zurückführten. Laitinnen und Homen 2« haben sich weiter experi- mentell mit der Frage beschäftigt. Baumgarten macht darauf aufmerk- sam, dass Kaninchen nicht selten auch spontan an Myelitis erkranken. Demgegenüber möchte Verfasser betonen, dass er Gifte besessen hat, die mit großer Regelmäßigkeit Erscheinungen hervorriefen, wie sie die genannten Autoren beschrieben haben. So sicher es nun auch ist, dass manche S. lösliche wirksame Gifte bilden, so sicher ist es anderseits auch, dass dieses keineswegs eine Eigenschaft aller Streptokokken ist. Gerade sehr virulente Formen lassen häutig auch nicht die Spur einer Giftbildung erkennen (de Giaxa^ö, Aronson^o). Kräftig auflösende Wirkungen besitzen die S. gegenüber den roten Blutzellen. Das Blut der Tiere, die einer akuten Infektion mit viru- lenten S. erlegen sind, ist, wie schon Bürdet 3i beobachtete, von deutlich lackfarbener Beschaffenheit. Die Fähigkeit der Hämolysierung scheint in gewissen Beziehungen zur Virulenz zu stehen*). Abgeschwächte S. zeigen sie gar nicht oder nur in weit geringerem Maße, so dass sie sich wenigstens bei Benutzung der entsprechenden Blutart als Reagens für die Virulenz benutzen lässt. In vitro ist sie sowohl in Bouillon nach Zusatz von Blutkörperchen wie in defibriniertem und solchem Blute, das durch Zusatz von zitronensaurem Natron vor Gerinnung geschützt ist, sehr schön zu beobachten. Die Darstellung des Hämolysins ist *) Manche bei Katarrhen , leichten Eiterungen n. s. w. vorkommende S. be- sitzen nnr eine sehr geringe hämolysierende Kraft. AufBlutagar sollen dieselben nach ScHOTTjiÜLLER (Münchner med. Wochenschr., 1903, Nr. 20, 21) einen grünen Farbstoff bilden — S. mitior seu viridans. 23* 356 V. Lingelslieim, Verfasser in frühereu Versuchen uicht gehmgen; die Filtrate selbst stark hämolysiereuder S.-Kultureu zeigten keine Wirkung gegenüber roten Blutzellen. Bei den mit S. infizierten Kaninchen tritt eine merkbare Blutauflösung erst während der letzten Lebensstuuden auf. Außer etwa gebildeten löslichen Toxinen käme für die Giftwirkung noch die durch die lytisehen Kräfte des Organismus in Lösung gebrachte Leibessubstanz der S. in Betracht. Aber auch die Toxizität dieser Pro- teine ist, wie frühere Versuche des Verfassers ergaben, eine recht ge- ringe. Die durch 2 stündiges Erwärmen auf 65° abgetöteten S. von 500 ccm reichlich gewachsener Bouillonkultur, die einem Gewicht von rund 0,1 g entsprachen, vermochten das Wohlbefinden eines Kaninchens von 1000 g nicht merklich zu schädigen. Auch lokal fand sich bei subkutaner Injektion nur ein hartes Infiltrat, das nachher zu einem Abszess mit dickem käsigen Eiter führte. Bei intracerebraler Appli- kation betrug die tödliche Dosis 0,0015 g pro 1 kg Kaninchengewicht. Auch der Mensch scheint sich gegenüber den Toxinen der Ö. wenig empfindlich zu verhalten. Es liegen hierüber einige Erfahrungen vor, die bei der Behandlung maligner Tamoren mit S.-Kulturen gewonnen wurden, und bei denen sich ergab, dass selbst einige Kubikcentimeter der Filtrate wie der durch Hitze abgetöteten Vollkulturen außer mäßigen Temperaturerhöhungen keine sichtlich toxischen Wirkungen besitzen (Friedrich 32). Unter diesen Umständen wird man sich dem Geständnis nicht ent- ziehen können, dass das Zustandekommen der schädlichen Wirkung bei den S. noch nicht völlig geklärt ist. Das Proteingift mag durch die Abtötung vermittels der uns zu Gebote stehenden Mittel erheblich an Toxizität verlieren, vielleicht auch ist die Giftbildung im Tierkörper eine intensivere als auf den künstlichen Substraten. Jedenfalls kommt der lebenden S. -Zelle eine viel energischere und durch totes Material bisher nicht reproduzierl)are Wirkung zu, / Litteratur. 1 Roger, Revue de mc-d., 1. 12. 1892. — -' Tonarelli, Rif. med., 1895, vol. 2, p. 255. — 3 Bail. Arch. f. klin. Chir., Bd. 62, Heft 2. — 4 Lexer, ebd., Bd. 54, S. 736. — 5 SiLVAST, Beiträge zur pathol. Anat. u. allgem. Pathol., Bd. 25. S. 120. — c jjE Marbaix, La Cellule, t. 8. — ' Marmorek, Wiener med. Woch., 1895. — s Knorr, Ztschr. f. Hvg., Bd. 13, 1893, S. 427. — '•> Singer, Beitrag zur Lehre von der Streptokokkeninfektion. Inaug.-Diss. 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Fehleisex protestiert energisch dagegen, dass seine Erysipelkokken mit den bei Phlegmoueu gefundenen iden- tisch seien und dass noch ein anderes Bakterium ein echtes Erysipel hervorrufen könne. Ebenso findet Rosenbach noch deutliche Unter- schiede zwischen den Kulturen des Streptococcus pyogenes und Strepto- coccus erysipelatis. Nun ergaben aber zahlreiche Beobachtungen und Untersuchungen — wir verweisen in dieser Hinsicht vor allem auf die PETRUscHKYsche Arbeit — , dass bei einem und demselben Patienten der gleiche Strepto- coccus Erj^sipel, Phlegmone und allgemeine Sepsis erzeugen kann. Das Eintreten der einen oder anderen Attektion konnte also nur durch die besonderen histologischen Verhältnisse des ergriffenen Gewebes und die Widerstandsfähigheit des Individuums bedingt sein. Weiter ergaben die mit den Streptokokken aus den verschiedensten Prozessen ange- stellten Tierversuche, dass es lediglich auf Virulenz und Infektiousmodus ankam , ob beim Tier sich eine rasch verlaufende Sepsis oder ein lokal bleibendes Erysipel, ein Infiltrat oder ein chronisches Allgemein- leiden entwickelte. Damit war die Grundlage für die unitarische Auffassung der Streptokokken geschaffen, die im Laufe der Jahre eine um so festere Begründung ertuhr, als die weiteren Untersuchungen die Streptokokken in ihrem morphologischen, kulturellen, pathogenen Verhalten so weitgehender Wandlungen fähig erwiesen, dass dagegen alle zunächst einen Kulturstamm anhaftenden Besonderheiten zu ver- schwinden schienen. Auch die in neuester Zeit verschiedentlich unternommenen Ver- suche, die Streptokokken, die bei gewissen Erkrankungen von bisher unbekannter Aetiologie — Gelenkrheumatismus, Scharlach — auftreten, als besondere Arten hinzustellen, entbehren vor der Hand einer ge- sicherten Grundlage. Wie an anderer Stelle bereits ausgeführt wurde, haben wir zur Zeit keinen Grund, in diesen Streptokokken von den pyogenen Streptokokken artverschiedene Formen zu erblicken. Es würde jedoch bei dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse und vor allem unserer Technik zu weit gegangen sein, wenn wir Artverschiedenheiten der bei den Menschen vorkommenden Strepto- kokken überhaupt leugnen wollten. Manche Beobachtungen der letzten Jahre auf morphologischem und biologischem Gebiete, vor allem auch Erfahrungen mit spezifischen Seris haben die Identität der hier in Frage kommenden Streptokokken wieder zweifelhaft erscheinen lassen. Wir dürfen deshalb immerhin mit der Möglichkeit rechnen, dass eine weitere Ausbildung unserer Uutersuchungsmethoden uns auch hier ver- schiedene Arten unterscheiden lehrt, ebenso wie dies beispielsweise bei 358 V- Lingelsheim, Streptokokken. den in ihrem morphologischen imd kulturellen Verhalten so nahestehenden Vibrioneu g-elungen ist. Hierüber wird jedoch die Zukunft erst ein ab- schließendes Urteil fällen können. Litteratur. 1 VAN DE Velde, Arch. de med. exper., p. 835. — 2 Pal tauf, Ref. Baum- gartens Jahresber., 1897, S. 35. — 3 Courmont, Sem. med., 1898, p. 52, 103, 171. — 4 Meyer, Deutsche med. Woch., 1902, Nr. 42. — 5 Piorkowski, Centralbl. f. Bakt, Bd. 32. S. 820. VIII. Influenza. Von Prof. Dr. M. Beck in Berlin. Mit 3 Figuren im Text. Einleitung. Wie bei der Diphtherie, der Cholera, dem Typhus, der Pest und anderen lufektiouskrankheiten hat die junge Wissenschaft der Bakterio- logie auch in die Aetiologie und in die Art der Verbreitung der mensch- lichen Influenza Klarheit gebracht. Nachdem die letzte große Epidemie des Jahres 1889/90 das ganze Rüstzeug der medizinischen Untersuchungs- methoden ins Feld geführt und in einer stattlichen Anzahl von IMono- graphieen verewigt hatte, war es doch erst dem Ausläufer der Epidemie vorbehalten, den wahren Erreger der Influenza kennen zu lehren. Die Entdeckung des Influenzaljacillus kann Avohl als eine der wichtigsten Epochen in der Geschichte der Bakteriologie betrachtet Averden. Denn wenn auch durch neuere Mitteilungen über die klinischen Untersuchungen und durch neue pathologische Befunde an der Leiche über die Pathologie der Krankheit wesentliche Aufklärungen geschaffen wurden, wenn auch durch eingehende meteorologische Studien das Fehlen jeden Zusammen- hangs zwischen Influenza und den Witterungszuständen klargelegt werden konnte, wenn dank der Erweiterung der SpezialWissenschaften in den letzten Jahrzehnten der Einfluss der Erkrankung auf die Veränderungen an dem zentralen und peripheren Nervensystem, an den Ohren, Augen und anderen Organen genauer studiert werden konnten, so fehlte doch bis dahin der feste Baugrund, auf dem sich diese klinischen Methoden weiter aufbauten : die Kenntnis des Krankheitserregers. Selbstverständlich mangelte es von vornherein nicht an Versuchen, die Bakteriologie auch für die Erkennung der Influenza dienstbar zu machen, und in wenigen Zweigen der Wissenschaft sind wohl in so kurzer Zeit so viele und zum großen Teil sich so widersprechende Untersuchungen gemacht worden, als eben zur Zeit der großen Influenzaepidemie über diese Erkrankung und deren verschiedene Formen. Kokken und Bazillen, Schinnuelpilze und Protozoen sind als die Erreger der Influenza angesprochen Avorden, ein Zeichen der großen Unsicherheit. Wenn man jedoch die Schwierigkeiten bedenkt, welche sich in erster Linie der Züchtung der Influenzabazillen 360 M. Beck, und die Hindemisse, welche sich der Uebertragung der Krankheit auf die gewöhnlichen Versuchstiere entgegenstellen, so wird mau finden, dass diese Widersprüche vor der Zeit der Entdeckung des Influenza- bacillus wohl entschuldbar sind. Jedenfalls dürfen wir aber sagen, dass durch die Epidemie der Jahre 1889—1892 viele bis dahin unauf- ü'eklärte und rätselhafte Punkte ihre Lösung gefunden haben. Deshalb darf als bedeutungsvollstes Moment dieser Periode wohl mit Eecht die Entdeckung des lufluenzabacillus durch E. Pfeiffer gelten. — Wenn auch vielleicht in mancher Beziehung noch gewisse Bedenken gegen die Spezifität der Influenzabazillen auftauchen können, so dürfen wir doch die Eigenartigkeit der Krankheit, namentlich das lange Verweilen der Influenzabazilleu in den Lungen vieler Patienten, hauptsächlich in den Kavernen von Phthisikern und in den Bronchiektasieen von Emphysema- tikern dabei nicht außer acht lassen. Lnmerhin müssen wir die eigen- artige Wirkung der Influenzabazillen auf den Organismus bedenken, na- mentlich die rasche Abschwächung der Bakterien, die kurzdauernde Immunität, sowie das lange Verweilen der schwach virulenten, in vielen Fällen beinahe saprophytisch wachsenden Bazillen im Körper. Wenn wir dies alles namentlich al)er auch im Vergleich zu anderen Infektions- krankheiten wie der Diphtherie, Typhus und der Cholera berücksichtigen, so dürfen wir wohl mit Recht sagen, dass den Influenzabazilleu ebenso das Recht einer spezifischen Eigenschaft zugeschrieben werden darf, wie z.B. den Diphtheriebazillen, den T^q^husbakterien und den Cholera Vibrionen. Ehe wir die Pathogenese der Influenza betrachten, wollen wir noch einen kurzen Blick werfen auf die früheren lufluenzaepidemieen und den historischen Gang derselben verfolgen. Wir werden dann sehen, dass auch die früheren Epidemieen verglichen mit der letzten großen Epidemie durch ihren Verlauf in vieler Beziehung übereinstimmen. Die erste un- zweifelhafte Influenzaepidemie fällt in das Jahr 1387. Inwieweit die Epidemieen früherer Jahrhunderte, welche als lufluenzaepidemieen an- gesprochen werden, so z. B. die von Hippokrates und Livius im Jahre 412 n. Chr. laeschriebene Seuche mit dieser Krankheit in Zu- sammenhang zu bringen sind, entzieht sich unserer Beurteilung. Eine Influenzaepidemie, über deren Ausdehnung allerdings nichts weiter bekannt ist, war ohne Zweifel die im Jahre 1411 in Frankreich imter dem Namen »le Tac« bezeichnete Seuche, da nach den Beschrei- bungen eine große Anzahl Menschen von einer Krankheit befallen wurde, welche Appetit, Durst und Schlaf raubte, mit fieberhaften Erscheinungen und heftigem Husten einherging, und eine hochgradige Prostratiou der Kräfte hervorbrachte. Außerdem sind noch aus dem 15. Jahrhundert lufluenzaepidemieen in den Jahren 1414 und 1427 beschrieben. In das 16. Jahrhundert fallen drei große lufluenzaepidemieen. Die des Jahres 1510 durchzog fast ganz Europa, von Malta ausgehend Italien, Spa- nien, Frankreich, Deutschland, England imd Ungarn. Zahlreiche Berichte existieren über eine im Jalire 1557 von Syrien über Europa sich aus- breitende Epidemie, welche jedoch im allgemeinen einen gutartigen Cha- rakter zeigte. Vollständiger als die vorigen wird eine zweifellos als Influenza aufzufassende Pandemie des Jahres 1580 von zahlreichen Zeitgenossen beschrieben, die von Asien aus über Konstantinopel ganz Europa durchlief, und später auch nach Amerika überwanderte. Zweifelhafte und nur ge- ringe Nachrichten finden wir ül)er eine Epidemie des Jahres 1593. üeber die in den Jahren 1626, 1658, 1675 und 1693 herrschenden lufluenza- epidemieen haben wir nur karge Mitteilungen. Die Epidemie des Jahres Influenza. 361 1675 scheint nach den Berichten Sydenhams^ eine große Ausdehnung- ge- habt und durch Komplikation mit Lungen- und Brustfellentzündung auch zahlreiche Opfer gefordert zu haben. Im Jahre 1709 nahm eine Inliuenza- epidemie ihren AVeg über Frankreich, Dänemark und Deutschland. Als Ausläufer dieser Epidemie kann die im Jahre 1712 als »Galauterie- krankheit und Modefieber« von Slevogt2 ^i. a. beschriebene Seuche angesehen werden, die von Korden nach Süden, von Dänemark über Holstein und Preußen, nach Bayern, Württemberg und Italien ihren Weg nahm. Eine ganz gewaltige x\usdehnung hatte nach Beschreibung der Zeitgenossen die Influenzaepidemie 1729/30. Von Paissland aus überzog sie in kurzer Zeit fast ganz Europa und gleichzeitig in Amerika einen großen Teil Nord- und Zentralamerikas. Ohne Zweifel kann die im Jahre 1732/33 fast ganz Europa und einen großen Teil Amerikas be- herrschende Epidemie als eine Fortsetzung der vorhergehenden angesehen werden. Während dieser Epidemie begegnen wir in der französischen Litteratur neben anderen Bezeichnungen wie la follette, Tallure zum erstenmal dem Namen la grippe für diese Krankheit, nach Biermek von agripper wegreißen, nach Ehrmann ist la Gripe ein Scherzwort ähnlich dem »spanischen ziep« (nach Rühemann). Im Jahre 1742/43 hören wir schon wieder von einer gewaltigen Influenzaepidemie in den baltischen Provinzen, Deutschland, der Schweiz, Italien, Frankreich, den Niederlanden und England. Während dieser Epidemie begegnen wir zuerst der Bezeichnung Influenza (influxus) bei Pringle & Huxham. Eine große Epidemie suchte 1762 wieder ganz Europa heim; wäh- rend Frankreich damals von der Krankheit stark durchseucht war, soll Paris von derselben ganz verschont geblieben sein. Zu gleicher Zeit herrschte auch die Seuche in Westindien und Amerika. Sichere Nachrichten besitzen Avir dann wieder über eine große Pandemie der Jahre 1781 und 1782. MostS sagt von derselben: »Sie war die heftigste und größte, welche die Aerzte in der neuesten Zeit zu be- obachten Gelegenheit hatten«. Nach Gray in Thompsons Annais of Influenza (p. 118) ^ verbreitete sich diese Influenzaepidemie von Ostasien aus, von China über Sibirien nach Russland, kam dann im Frühjahr 1782 über Finnland nach Deutschland, Schweden, Dänemark, England, den Niederlanden, Frankreich, Italien und Spanien. Im Jahre 1788 war ein großer Teil von Russland und Mitteleuropa wieder von einer Epidemie heimgesucht, die jedoch anscheinend in der medizinischen Litteratur nur wenige Beschreibungen fand, dagegen finden wir zur Jahrhundertwende von 1799 auf 1800 eine in mehreren Etappen fortschreitende Pandemie. Sie beginnt wie die frühere in Russland, wo die Influenza zuerst in Archangel beobachtet wurde, kam dann schon einen Monat darauf im Dezember nach St. Petersburg, Kronstadt und Riga, im Frühjahr 1800 schleicht sie sich in Königsberg, Warschau, Wien, bald darauf in Berlin ein und überzieht dann das südliche Deutschland, Frankreich, Dänemark. Nach authentischen Berichten sollen 60 — 70^ der Einwohner von der Krankheit befallen worden sein. Ausläufer dieser Epidemie finden wir als lokale Epidemieen, ähnlich der Epidemie 1889/90, bis in das Jahr 1803 außer in Deutschland und Frankreich in der Schweiz und England. Während der Jahre 1811 — 1826 herrschten verschiedene Influeuza- epidemieen in Süd- und Nordamerika. Von neuem trat die Seuche wieder ihren Gang durch Europa im Jahre 1830 an, nachdem schon im Winter 1829/30 ihr Ausbruch in China eingeleitet war. Im Herljst 1830 er- schien sie in dem Indischen Archipel, am Ende des Jahres in Moskau. 362 M. Beck, trat dann im Frühjahr 1831 iu den Ostseeprovinzeu, Polen, Preußen, im Sommer im westlichen Europa, namentlich Frankreich und England auf, im Winter besuchte sie Italien mit Sizilien und kehrte zu Anfang des Jahres 1833 wieder nach Indien zurück. Nach einjähriger Pause wird Europa wieder in gleicher Weise von Ost nach West von neuem durch die Seuche heimgesucht. Auch hei dieser Epidemie finden wir eine verhältnismäßig hohe Mortalitätsziffer hauptsächlich infolge der kompli- katorischen Pueumonieen. Schon drei Jahre später 1836/37 suchte die Epidemie Europa, gleichfalls von Eussland her wieder heim, außerdem wurde aber auch Nordamerika, Australien und Kapland von ihr betroffen. Nach den zahlreichen Beschreibungen der Zeitgenossen über diese Epidemie war die Anzahl der Befallenen eine fast ebensogroße wie die der Epidemie von 1889/90, und sie scheint auch im allgemeinen einen weniger milden Charakter wie die früheren gehabt zu haben. Eine frische Pandemie zog im Jahre 1847/48 über Russland, England, Däne- mark, Belgien, Frankreich, die Schweiz, Spanien, Nordafrika, Aegypten und Syrien. In Deutschland scheint sie nur in den südlichen Teilen, München, Stuttgart, Erlangen eine auffallende Verbreitung gefunden zu haben. Von neuem flackerte die Seuche wohl noch im Zusammenhang mit der vorigen Epidemie im Jahre 1851 in Europa auf, in ausgedehntem Maße herrschte sie in Nordamerika, Westindien und Südamerika. Eine kleine Epidemie sehen wir dann iu den Jahren 1857^ 58 Zentralamerika heimsuchen, im Dezember Russland, Deutschland, Frankreich, und Anfang 1858 Italien. In Straßburg soll nach Massin ^ die allgemeine Mortalität um 40 % gestiegen sein. Kleinere Epidemieen meist lokalen Charakters sehen wir nun aufflackern 1866 in Frankreich und England, 1874/75 in Oesterreich, Süddeutschland, dem nördlichen Italien, Frankreich und Schweden. Nach einer langen Ruhepause sehen wir dann die Influenza wieder wie eine schwere Gewitterwolke im Jahre 1889 sich von Osten heran- willzen. Diese sich in verhältnismäßig kurzer Zeit über die ganze Erde verbreitende Seuche wurde schon im Februar des Jahres 1889 von Heyfeldkr6 in Buchara beobachtet und beschrieben. Von hier aus breitete sich die Seuche, den russischen Verkehrsverhältnissen entspre- chend, langsam über Russland aus. Ende Oktober wurden die ersten Fälle in St. Petersburg beobachtet, hier verbreitete sicli die Krankheit während einer ausnahmsweise milden Witterung äußerst rasch, so dass Mitte November 150000 Menschen aus allen Klassen der Bevölkerung krank darniederlagen. Nun dehnte sich lawinenartig anschwellend die Seuche über ganz Europa aus. Mitte November war sie schon iu Krakau, Lodz und Warschau aufgetreten, gleichzeitig kamen die ersten Fälle in Berlin, Breslau und Leipzig vor. Ende November und Anfang Dezember wurde das Auftreten der Epidemie in Paris, Stockholm, Kopen- hagen, Wien, Haml)urg, München, Stuttgart gemeldet, zugleich wurden auch Anfang und Mitte Dezeml)er in Bern, Basel, Zürich und Genf sowie anderen Städten der Schweiz sicher konstatierte Fälle von Influenza beobachtet. Mitte Dezember war die Seuche iu London, verbreitete sich von da aus ü])er England und Schottland, bald darauf in Iküssel. Gegen Ende Dezember hören wir von dem Erscheinen der Influenza in Italien, Spanien, Portugal, Böhmen, Irland, Athen und Konstantinopcl. Mitte Dezember war die Epidemie in Newyork ausgebrochen, was darauf schließen lässt, dass dieselbe nicht etwa allein von Westen her einge- schleppt worden ist, sondern dass die Influenza anscheinend zu gleicher Influenza. 363 Zeit nach West und Ost ihre Arme ausgebreitet hat. lu Amerika breitete sich von Newyork aus die Epidemie fast gleichzeitig nach Norden und Süden aus. Den Höhepunkt erreichte die Influenzaepidemie in Newyork und Boston Mitte Januar. Anfang des gleichen Monats kamen die ersten Fälle in Aegypten und Algier vor, gleichzeitig aucli in Kapstadt, wohin die Krankheit durch Schifte aus London verschleppt worden war. Gegen die Mitte und die zweite Hälfte des Januar trat die Seuche in Persien und Hongkong auf, im Februar und März in Japan und Indien, Süd- amerika und Australien. In Persien, Indien, sowie an der Goldküste Afrikas war die Influenza besonders heftig und namentlich fielen die Ein- geborenen der Seuche, meist infolge der Komplikation mit Pneumonie zum Opfer. Auch in Australien, wo sie den ganzen Sommer über herrschte, hatte die Epidemie sich sehr rasch und weit verbreitet. Im Herbst des Jahres 1890 bildete den Schluss dieser weltumgreifenden Pandemie das Auftreten derselben in Abessinien und in dem Hochlande von Kaschmir. Die Geschwindigkeit, mit welcher diese Pandemie die ganze Erde umkreiste, ist eine ganz außerordentliche. Wie rasch sie sich über Deutschland verbreitet hat, geht am deutlichsten aus den statistischen Tabellen, welche Fuieduich^ aus dem Material des kaiserlichen Ge- sundheitsamts zusammengestellt hat, hervor. Danach war das erste Auftreten der Influenza unter 998 Orten Deutschlands gemeldet: Ende Oktober in 15, Anfang November in 12, Mitte November in 16, Ende November in 62, Anfang Dezember in 103, Mitte Dezember in 450, Ende Dezember in 307 und Anfang Januar in 33 Orten. Ueber die Ausdehnung in großen Städten giebt ein deutliches Bild die rasche Verbreitung der Influenza in Berlin. Zunächst erkrankten die ihrem Berufe nach sich am meisten der Ansteckungsgefahr aus- setzenden Kaufleute, Postbeamte, Arbeiter, Feuerwehrleute, Schutzleute, dann Soldaten. Ruhemann^ beschreibt in seinem Buche die Störungen, welche in dem Berliner Geschäftsleben damals herrschten, bezeichnend folgendermaBen: »Bis Mitte Dezember erkrankten ein Sechstel der im Osten stationierten Exekutivbeamten. In dem 3. Garderegiment nahmen die Erkrankungen so rapid zu, dass zu dem Stellen der Brandeuburger- thorwache aushilfsweise Leute des Füsilierbataillons genommen werden mussten. Von der Feuerwehr erkrankten so viele, dass zwei Dampf- spritzenzüge wegen Mangel an Mannschaften ausgesetzt werden mussten. Unter den ersten dezimierte die Influenza auch die Peihen der Univer- sitätslehrer; auch Mitglieder der kaiserlichen Familie, sowie des Hofes waren unter den ersten Opfern der Krankheit zu nennen. In den Fa- briken, Geschäften, Instituten, kurz überall da, wo viele Menschen zu- sammen thätig waren, lichteten sich die Reihen ganz erlieblich; in den Schulen und der Alma mater leerten sich die Bänke. Eine Zählung, die am 7. Januar 1890 vorgenommen wurde, also zu einer Zeit, wo die Influenza bereits ihren Höhepunkt in Berlin überschritten hatte, und in der Abnahme begriften war, ergab, dass in den Berliner Gemeindeschulen an diesem Tage von 170318 Schulkindern 11532, von 3110 Lehrern 180 fehlten. Eine große nicht zu bestimmende Anzahl Aerzte musste sich niederlegen, während der Rest derselben sozusagen nicht aus den Stiefeln kam und übermenschlich arbeiten musste. In den Sprechstunden der Aerzte stellten sich nur Influenzakranke vor, auf den Krankenbesuchen fand man fast ausschließlich Grippepatienten. Alle sonst in dieser Jahreszeit herrschenden Krankheiten, Masern, Scharlach, Keuchhusten, follikuläre Angina, Diphtherie, akute Gelenk- und Muskelrheumatismen 364 M. Beck, schienen durch den Influenzahauch wie weg-gewelit. Während anfangs vor allem die kräftigen Männer mittleren Alters der Seuche ihren Tribut zahlten, kamen sodann die Frauen, endlich die jüngeren Kinder und älteren Personen an die Eeihe.« Die Mortalitätszifier stieg während der vier Dezemherwochen in licrlin von 20,6 auf 37,7 % bei einem Durchschnitt von 26,4^ pro AVoche, namentlich infolge von mit Influenza komplizierten Lungenentzündungen, in Kiel stieg während der gleichen Zeit die Mortalität bei durchschnittlich wöchentlicher Sterblichkeitsziffer von 22,5 von 21,7 auf 69,6 f^, in Danzig von 20,4 auf 61,0^, während hier die Sterblichkeitsziffer im Durchschnitt 28,4 % pro Woche betrug. Aus dieser raschen und ganz ungeheuren Verbreitung sehen wir, dass von der Infektion in erster Linie die wegen ihrer Beschäftigung außer- halb ihrer Wohnungen sich aufhaltenden Personen betroffen wurden, dass die Krankheit durch den Verkehr also infolge der L'ebertragung von Person zu Person erfolgen musste, und weiter dass in Anbetracht der zahlreichen Erkrankungen der Atmungsorgane die Infektion vorzugs- w^eise auf dem Wege der Inhalation erfolgte. Wenn wir nun den Gang sämtlicher Influenzaepidemieen betrachten, so finden wir, dass die Seuche fast regelmäßig alle 10 Jahre ihren Lauf über die Länder nimmt. Eine Beobachtung, die wir übrigens auch bei andern Infektionskrankheiten, ich erinnere nur an die Cholera, machen können. Allerdings finden wir eine so ungeheure Verbreitung der Influenza über die ganze Erde nur alle Jahrhunderte zwei- bis dreimal, kleinere Epidemieen treten aber auch in einzelnen Gegenden, gewisser- maßen mit einem lokalen Charakter, in kurzen Zeiträumen auf. Wir sehen die Influenza auch nicht etwa wie die Cholera plötzlich wieder erlöschen, noch jahrelang nach einer großen Epidemie kommen x4.us- läufer derselben in bisher wenig betroffenen Gebieten, namentlich aber in größeren Städten zur Beobachtung, was ein Licht auf die Art der An- steckungs- und Verbreitungsweise wirft. So finden wir auch nach der oben besprochenen Epidemie noch Nachzügler bis in das Frühjahr 1892 und später hinein. Und bei der Kenntnis der Aetiologie der Krankheit, deren Erreger ein wolilcharakterisierter Bacillus ist, dessen Eigenschaften wir genau untersucht und kennen gelernt haben, ist uns dieser eigen- artige Verlauf der Epidemieen wohl erklärlich. Denn auf der einen Seite verhindert die geringe Widerstandsfähigkeit des Influenzaerregers gegen äußere Einflüsse, namentlich beim Eintrocknen das Haftenbleiben von virulenten Keimen an Gegenständen, auf der anderen Seite ist aber das lange Verweilen der Bakterien in den krankhaft veränderten Lungen namentlich von Phthisikern ganz dazu angethan, die Krankheit auch zu Zeiten, wo eine Epidemie nicht existiert, auf dem Luftwege, namentlich auf dem Wege der Tröpfcheninfektion weiter zu verschleppen. Dazu kommt noch, dass, abgesehen von einer natürlichen Widerstandsfähigkeit gewisser Personen, nach Ueberstehen der Krankheit eine wenn auch anscheinend nicht langandauernde Immunität nicht geleugnet werden kann. Wenn wir also diese hier nur angedeuteten Punkte berücksichtigen, so erklären sich auch ohne Schwierigkeit die regelmäßig periodische Wiederkehr der Epidemieen nach bestimmten Zeiträumen und daneben die während der Zwischenzeiten sich immer wiederholenden kleineren Epidemieen, die meist einen mehr oder weniger lokalen Charakter tragen. Analoge Beobachtungen machen wir bei der Maul- und Klauenseuche unter den Bindern, auch hier sehen wir in bestimmten Zeiträumen, durchschnittlich alle 5 — 6 Jahre, weit über große Landstriche sich verbreitende Epidemieen, Influenza. 365 in manchen Gegenden sogar mit akut tödlich verlaufenden Krankheits- fällen (der sog. bösartigen Form der Maul- und Klauenseuche), nach dem Erlöschen dieser Seuche infolge Durchseuchung der Bestände aber nur noch vereinzelte lokale und in der Regel mild verlaufende kleinere Epidemieen, bis dann mit dem Heranwachsen der jungen Zucht die Periode der stärkeren Ausbreitung wieder einsetzt. Diese Ansicht, dass eine, wenn auch kurz dauernde Immunität nach dem Uebersteheu der Influenza erzeugt wird, geht auch aus den Beob- achtungen hervor, die von den Aerzten bei der Epidemie 1891/92 ge- macht wurden und welche durch Wutzdoeff^ nach dem statistischen Material des kaiserlichen Gesundheitsamts zusammengestellt worden sind. Für eine Durchseuchung durch die kurz vorangegangene Epidemie spricht aber auch der Umstand, dass die Morbidität eine weit geringere ist, ferner dass abgesehen von dem milderen Verlauf diese Epidemie viel langsamer sich ausbreitet, manche Orte vollständig verschont, an anderen dagegen, die im Jahre 1889/90 von der Seuche nicht berührt worden Avaren, um so stärker auftritt. Aetiologie der Influenza. Bei der raschen Verbreitung und der ausgesprocheneu Kontagiosität der Influenza war es nicht zu verwundern, dass während der großen Epidemie des Jahres 1889/90 von allen Seiten mit Macht nach dem Erreger der Influenza Jagd gemacht wurde. War man doch jetzt mit den neue- sten bakteriologischen Forschuugsmethoden ausgerüstet; also schien es eine Kleinigkeit, den Keim dieser Krankheit mit so ausgesprochenen Symptomen aus dem Blut oder den Sekreten zu isolieren. Kein AVunder, dass in jenen Jahren eine große Litteratur über diesen Gegenstand — über die Ursache der Influenza und dessen Erreger — erschienen war, ohne indes das Richtige zu treuen. Vorwiegend war es der Bacillus lanceolatus oder Streptokokken, welche namentlich aus den broncho- pneumonischen Herden, aus Sputum, aus pleuritischen Exsudaten , aus meniugitischem Eiter und anderem gezüchtet worden waren. Allerdings gebrauchten viele Autoren die Vorsicht, diesen namentlich bei Pneu- monieen häufigen Krankheitserregern nur eine sekundäre Bedeutung für die Influenza beizumessen. Klebs^ö fand in dem Blute Influenzakranker Flagellaten, die in ihrer Form und Größe viel Aehnlichkeit mit den Protozoen haben, die er bei perniziöser Anämie gefunden hatte, und wegen der klinischen Verwandtschaft der Influenza mit Malaria, bei der ja auch Protozoen als die Erreger der Krankheit angesprochen werden, glaubt er in ihnen die Ursache der Influenza suchen zu müssen. Auf Fleischpeptoubouillon^i wachsen diese Gebilde ähnlich den FRÄNKELscheu Pneumokokken, unterscheiden sich aber von diesen durch die lebhafte Beweglichkeit und bestehen entweder aus zwei oder aus mehreren in Kettenform aneinander gelagerten meist ovalen Körperchen. Auch sonst werden noch von verschiedenen Autoren eigenartige Bakterien gefunden, so von Deligiaxnes 12 für Tiere pathogene in Sanduhrform vereinigte Kokken sogen. Sanduhrbakterien. Es würde zu weit führen auf die zahlreichen Abhandlungen jener Zeit, welche den Erreger der Influenza behandeln, hier näher einzugehen. Erst im Januar 1892 trat zuerst Pfeiffer ^3 j^ einem Vortrag in der Charitesellschaft zu Berlin mit der Mitteilung hervor, dass er in Ge- 366 M. Beck. meinscbaft mit Beck in dem Sputum von sämtlichen Influeuzakranken wohleharakterisierte Bazillen gefunden hat, die in dem Auswurf anderer Patienten vermisst werden, und die als die Erreger der Influenza augesehen werden müssen. Allerdings waren ZUehtungsversuche und Uebertraguugen auf die gebräuchlichen Versuchstiere resultatlos, jedoch war es nach vielen Versuchen geglückt i^, in den Blutagar einen Nähr- boden zu finden, auf dem die Bazillen vorzüglich gediehen und so war es auch möglich mit Reinkulturen die Uebertragungsversuche auf Tiere fortzusetzen, jedoch waren nur Aft'en und Kaninchen für das Influenza- gift empfänglich. Da eine Züchtung der Influenzabazillen nur auf einem hämoglobinhaltigen Nährboden möglich ist, so konnten auch die An- gaben Caxoxs 1^, der die Bazillen aus dem Blute Influenzakranker iso- liert haben wollte, sowie die Eeiuzüchtung der Bazillen auf Agar von K1TASAT0I6 als auf Irrtum beruhend widerlegt w^erden. In ausführlicher Weise wurden zusammenfassend diese Unter- suchungen über »Die Aetiologie der Influenza« von Pfeiffer i" in seiner klassischen Arbeit veröffentlicht und erweitert. Die Influenzabazillen sind in der Regel in großen Mengen in dem charakteristischen zähen, gelblichgrünen Auswurf der Influeuzakranken enthalten. Zur Untersuchung eignet sich am besten das erste aus der Lunge ausgehustete Morgensputum. In dem aus dem Sputum hergestellten Deckglasausstrichpräparat findet man die Bazillen meist in kolossaler An- zahl und in ganz charakteristischer Anordnung zu Haufen oder in Zügen zwischen oder in den mit ausgehusteten Eiterkörperchen. Zur Färbung selbst eignet sich am besten die verdünnte ZiEHLSche Lösung. Da die lufluenzabazillen für die meisten anderen Anilinfarben wenig zugänglich sind, so ist sein Nachweis in einem verdächtigen Sputum durch seine charak- teristische Beschaffenheit namentlich in den Fällen, in welchen die Stäl)- chen in großer Menge in dem Sputum enthalten sind, relativ einfach. Wird jedoch durch zahlreiche begleitende Mikroorganismen, namentlich durch Diplokokken, und den Bac. lanceolatus das Bild beeinträchtigt, so ist die Diagnose namentlich dann, wenn nur vereinzelte influenzaähnliche Stäbchen vorhanden sind, immerhin erschwert. In diesem Falle kann aber das Kulturverfahren, auf das wir später noch näher eingehen werden, unter Umständen "serhältnismäßi»; rasch Aufschluss verschaffen. ^Ö Morphologie des Influenzabacillus. Aus diesen Gründen ist auch zu einem genauen Studium der Influenza- bazilleu der bei der Influenzabronchitis oder Influenzapneunomie ent- leerte Auswurf am besten geeignet. Solche Kranke entleeren manchmal innerhalb 24 Stunden ganz unglaubliche Mengen von Sputum, während bei den leichteren Fällen der Prozess in der Regel in dem Nasenrachen- räume vor sich geht. Hier wird aber das Bild durch andere Bakterien, namentlich durch Streptokokken und durch den FRÄXKELschen Diplo- bacillus verwischt, Bakterien, die ja auch unter normalen Verhältnissen in den hinteren Teilen des Rachens und der oberen Partie der Bronchien vorzukommen pflegen. Das Sekret aus den tieferen Partien der Bron- chien ist dagegen in normalem Zustande meist ])akterienfrei. Man musste daher auch mit ziemlicher Sicherheit erwarten, dass der spezifische Krankheitserreger, wenn derselbe überhaupt ein organischer Körper ist, bei den die Influenza komplizierenden Bronchitiden und Pneumonieen in dem Lungensekret in Reinkultur angetroffen werden müsse. Bedingung Influenza. 367 dabei ist selbstverständlicb , dass der Auswurf sofort nach seiner Ent- leerung untersucht ^Yird. Solches Sputum wird daher zur Untersuchung- in sterilen Glasschälcheu aufgefangen, dann auf dem Deckel der Glas- schälcheu ausgebreitet und aus den gelben rein eitrigen nicht mit schaumigem Sputum vermischten Partieen mit der sterilisierten Platin- öse ein Stückchen auf das Deckgläschen fein ausgebreitet, getrocknet, fixiert und mit einer verdünnten Fuchsinlösung (1:10 Wasser) 5 — 10 Minuten gefärbt. Man sieht dann unter dem Mikroskop bei starker Vergrößerung (Leitz Imra. 1/12 i^- Ocul. IV od. Zeiss Imm. 2 mm A. 1,30 Ocul. 4] das Zellplasma sowie den Untergrund l)lassrosa gefärbt, aus dem sich die leuchtend rot gefärbten Zellkerne und die winzigen Influenza- bazillen scharf abheben. Die andern Bakterien sind in der Regel weniger intensiv rot gefärbt gegenüber den Influenzabazillen. Eine wenn auch nicht so schöne aber ebenfalls hübsche Färbung wird mit LÖFFLERSchem Me- thylenblau erzielt, das man ca. 2 Min. einwirken lässt. Hier tritt aber die Koutrastiärbung der lufluenzabazillen gegenüber etwaigen Begleit- bakterien nicht so prägnant hervor, außerdem scheinen die Influeuza- bazillen bei blauer Färbung etwas dicker als in dem rot gefärbten Präparat. Auch mit schwach saurem Gentianaviolett erhält man ganz brauchbare Bilder. Durch die Gram sehe Färbung lassen sich die In- fluenzabazillen nicht darstellen. Die lufluenzabazillen sind etwa 2 — 3 mal so lang wie breit, jedoch ist ihre Länge sehr verschieden. Durchschnittlich beträgt ihre Größe nach Flügge^« 0,2 — 0,3 : 0,5 »x. Im Sputum, häufiger jedoch in Keiukulturen begegnet man längeren Formen, die zu kurzen Scheinfäden ausgewachsen sind. Namentlich in älteren Reinkulturen sieht mau diese Scheinfäden, die allem Anschein nach als Involutionsformen aufzufassen sind. Häufig findet man aber auch ganz kurze Bazillen, die dann zu zwei und meh- reren aneinandergelagert sind. Sie sind offenbar als Teilungsformen aufzufassen, sehen ähnlich aus wie der FRÄNKELsche Diplobacillus und ohne Zweifel ist früher in vielen Fällen auch diese Form mit der letzteren Bazillenart verwechselt worden. Au ihren beiden Enden sind die Bazillen sanft abgerundet. Sporen wurden nicht beobachtet, sind auch bei der geringen Widerstandsfähig- keit der Bazillen gegen Antrocknen und andere geringe äußere Eingriffe nicht anzunehmen. In mancher Beziehung haben die lufluenzabazillen Aehnlichkeit mit den Bazillen der sogen, hämorrhagischen Septikämie, sie sind jedoch noch viel kleiner als diese und zeigen namentlich bei Färbung mit LöFFLERSchem Methylenblau, weniger deutlich mit verdünntem Karbol- fuchsin, eine deutliche Polfärbung. Züchtung des Influenzabacillus. Obgleich der mikroskopische Nachweis der lufluenzabazillen relativ einfach ist, so bietet doch die Züchtung ganz erhebliche Schwierigkeiten. Zu einem genauen Studium der Krankheitserreger ist es ein unbedingtes Erfordernis, dieselben in reinkultiviertem Zustande vor sich zu haben; denn nur auf dem Wege der Reinzüchtung ist es möglich, sicher zu kon- statieren, ob die Mikroorganismen in allen Fällen einer Gattung an- gehören und so auch als wirklich speziflsch für den betreffenden Krauk- heitsprozess angesehen werden dürfen. AVir folgen Pfeiffer in seiner Abhandlung zur Aetiologie der Influenza ^\ wo er die Schwierigkeiten. 368 M. Beck, die sich dem Kiüturverfahren im Anfang entgegenstellten, eingehend schildert. > Weder in Gelatine noch in Agarplatten, weder aerob noch anaerob erhielt ich Kolonieen, welche aus den mikroskopisch gesehenen Bazillen bestanden. Es wurde mir jetzt klar, weshalb meine so zahl- reichen Vorgänger in der ersten Epidemie zu keinem befriedigenden Resultat gekommen waren. Erst als ich Sputum oder Luugeneiter direkt auf Agar ausstrich, wuchsen mehrfach hei Briittemperatur außerordent- lich feine, nur mit der Lupe sichtbare wasserhelle Kolonieen, die dicht- gedrängt die ganze Oberfläche des Nährbodens überzogen, und aus den so lano- gesuchten feinen Stäbchen zusammengesetzt waren. Meine Freude über diese geglückten Züchtuugsversuche wurde sehr bald getrübt, als die in der gewohnten Weise ausgeführten Uebertraguugs- versuche auf frischem Nährboden ohne Ausnahme vergeblich waren. Weder auf gewöhnlichem Agar, noch bei Glyceriu- oder Zuckerzusatz wuchs eine Spur der Intluenzabazillen. Ebenso blieb die infizierte Bouillon absolut steril. In der Idee, dass möglicherweise der Grad der Alkaleszenz von Einfluss sein könnte, bereitete ich Nährböden in allen Abstufungen von schwach saurer bis stark alkalischer Beschafleuheit. Doch gelaug niemals die Fortpflanzung der Influenzastäbchen. Ebenso- wenig hatte ich mit frischem oder erstarrtem Blutserum von Mensch und Tier und mit Serumagargemisch nach Löffler irgend einen Erfolg. Wie aber war dieses merkwürdige, bisher bei keiner anderen Bak- terienart konstatierte Verhalten der Intluenzabazillen zu erklären ? Wor- auf beruhte das Fehlschlagen der Uebertragungsversuche auf Nährsub- strate, die in erster Generation eine zwar nicht gerade üppige, aber deutliche Kulturentwicklung zugelassen hatten? Zwei Möglichkeiten kamen hier in Frage: die Ursache konnte ein- mal darin bestehen, dass die Lebenseuergie der Intluenzabazillen schon in erster Linie vollständig erschöpft war, oder zweitens darin, dass bei der ersten Aussaat Stoffe, Bronchialeiter, Blut mit übertragen wurden, die bei der Abimpfuug auf frische Nährböden fehlten, und die zum AVachstum der Influeuzabazillen notwendig sein konnten. Für die zweite Hypothese sprach besonders folgender Umstand: das Wachstum der In- fluenzabazilleu blieb auch in der ersten Generation aus, wenn der mit ihnen zugleich übertragene Nährstoff durch Verteilen in Bouillon, Agar-Agar oder Gelatine stark verdünnt wurde, wie dies beim Platten- verfahren der Fall ist und sogar, wenn das die Stäbchen enthal- tende Material, Bronchialsputum z. B., einfach mit sterilem Wasser nach der von Kitasato angegebenen Methode vor der Aussaat abgewaschen worden war. Besonders die letztere Be- obachtung setzte zunächst mich in die größte Verwirrung. Man konnte unter solchen Umständen den in dicker Schicht auf Agar aufgetragenen Bronchialeiter tagelang anscheinend unverändert liegen sehen, ohne dass sich auch nur die Spur der Proliferatiou der reichlich in ihm enthaltenen Stäbchen zeigen wollte, obwohl doch anscheinend alle Bedingungen für ein üppiges Wachstum erfüllt waren. Endlich nach zahllosen vergeblichen Versuchen fand ich in dem menschlichen Blute den so laug gesuchten Nährstoff für die Intluenza- bazillen und damit zugleich den Schlüssel, der mir alle bis dahin rätsel- haft erscheinenden Thatsachen ungezwungen erklärte. Durch gewisse hypothetische Erwägungen geleitet, brachte ich steril aufgefangenes l^liit tropfenweise auf die Oberfläche von schräg erstarr- ten Agarröhrchen und verrieb damit eine Spur von Influenzasputum. Influenza. 369 Es wuchsen in dieser Misclmug zahllose Influenzakolonieen in einer Ueppigkeit, wie ich dies l)is dahin kaum gesehen hatte. Das brachte mich Tiuf den Gedanken, Abimpfungen auf derartigen Blutagar zu ver- suchen. Und in der That erhielt ich nun zum erstenmal reichliche Kulturen der Influenzabazilleu in zweiter Generation. Jetzt war es ein leichtes, nachdem der Nährboden gefunden, die Züchtungen in einer beliebigen lieihe von Generationen fortzusetzen. So besitze ich Influenza- kulturen, die seit acht Monaten auf diesem künstlichen Substrat um- gezüchtet sind und die ihre ursprüngliche Wachstumsenergie unge- schwächt bewahrt halten. Auch die ältesten Kulturen haben keine weit- gehende Anpassung an saprophytische Lebensbedingungen erfahren und gedeihen wie im Anfjing ausschließlich auf Blutagar, während Ab- impfungen auf jedem anderen Nährboden steril blieben. Das Blut ist keine einheitliche Substanz: es besteht aus Blutkörper- chen und Plasma, das seinerseits beim Gerinnen in Blutserum und Fibrin zerfällt. Es hatte großes Interesse, denjenigen Anteil des Blutes heraus- zufluden, welcher von den Influeuzabazillen als Nährstoif assimiliert wird. Es ließ sich mm sofort die überraschende Thatsache feststellen, dass auf völlig klarem, zellenfreiem Blutserum die Influenzabazillen nicht zu Kolonieen auswachseu können, dass dagegen deutliche Entwicklung ein- tritt, wenn das Serum durch beigemengte rote Blutscheiben getrübt ist. So wurde die Aufmerksamkeit auf die roten Blutkörperchen gelenkt. Es galt nun, die letzteren möglichst rein von den anderen Blutbestand- teilen zu gewinnen. Zu diesem Zweck wurde frisch entnommenes Blut mit einem großen Ueberschuss sterilisierter Kochsalzlösung geschüttelt und dann im Eisschrank sedimentiert. Die roten Blutkörperchen bil- deten nach 24 Stunden einen feinpulverigen Bodensatz, der vorsichtig dekantiert und dann auf dieselbe AVeise noch einmal mit neuen Mengen von Kochsalzlösung gewaschen wurde. Die von Serum und Fibrin voll- ständig befreiten roten Blutkörperchen wurden dann auf die Oberfläche schräg erstarrter Agarröhrchen übertragen. Auf den so bereiteten Nährsubstraten zeigten die Influenzastäl)chen nun eine außerordentlich üppige Entwicklung. Es war damit bewiesen, dass der gesuchte Stoff in den roten Blutkörperchen enthalten ist. Diese letzteren sind ihrerseits wieder aus Hämoglobin und Stroma zusammengesetzt, die man durch einfache Manipulationen voneinander trennen kann. Durch mehrmaliges Gefrieren und Auftauen, oder durch Schütteln mit einer Spur Aether gelingt es unschwer, die nach der oben beschriebenen Methode rein dargestellten roten Blutkörperchen zu zer- stören und das Hämoglobin in Lösung üljcrzuführen. Der Aether wurde alsdann im Vacuum bei niedriger Temperatur verdampft, und die restie- rende sehr konzentrierte Hämoglobinlösung durch ein Kieselgurfilter gesaugt, wobei die Stromata vollständig zurückgehalten wurden. Ich erhielt so ganz klare, fast chemisch reine Auflösungen des Blutfiirbstotfs in 0,6prozent. Kochsalzlösung. Brachte ich Tröpfchen davon auf Agar und besäete sie mit Influenzabazillen, so entwickelten sich die Kolonieen ebenso reichlich wie im vollen Blut. Also das Hämoglobin ist derjenige Anteil des Blutes, welcher den Influenzabazillen für ihr Gedeihen unentbehrlich ist«. Diese Mitteihmgen Pfeiffers habe ich absichtlich ausführlich au dieser Stelle wiedergegeben um zu zeigen, einmal, mit welchen Schwierig- keiten in der That die Eeinzüchtuug der Influenzabazillen verknüpft war, ein Punkt, der die früheren Forscher irreführte, und ferner,, welche Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. IH. 24 370 M. Beck, Ausdauer und Avelcher Fleiss dazu gehörte, um den richtigen Weg- zu linden. Wir können daher diese Entdeckung Pfeiffers den größten Errungenschaften der Bakteriologie füglich an die Seite stellen! Außer auf menschlichem Blut ließen sich die Influenzahazilleu auch züchten, wenn Meerschweinchen, Kaninchen, Tauben, ja sogar das relativ hämoglobiuarme Fischblut auf schräg erstarrtes Agar ausgestrichen, mit lieinkulturen oder mit intluenzabazilleuhaltigem Sputum geimpft wurden. Am geeignetsten erwies sich das reichliche Mengen von Hämoglobin ent- haltende Taubenblut. Zur Herstellung von lieinkulturen wird das Ausgangsmaterial, in dem mikroskopisch Influenzabazillen bereits nachgewiesen sind oder in Fig. 1. Reinkultur von Influenzabazillen auf Blutagar (Klatschpräparat). Ver- größerung 1000. (Die Bazillen erscheinen infolge stärkerer Färbung mit Karbol- fuchsin zur Darstellung des Photogramms teilweise etwas zu dick*).) dem man solche vermutet, in Bouillon oder sterilisiertes Wasser gebracht und durch Schütteln fein verteilt. Es bildet sich eine ziemlich gleich- mäßige, aus feinen Sputnmflöckchen bestehende Emulsion; von dieser Emulsion Averden nun je eine Platinöse auf mehrere mit Taubenblut vorher beschickte, schräg erstarrte Agarröhrchen gleichmäßig auf der ganzen Oberfläche samt den Blutkörperchen mit leichtem Druck ver- rieben. Zur Kontrolle wird von dersell)en Emulsion ein gleicher Aus- strich auf gewöhnlichem Agar gemacht. Natürlich muss man sich zum Gebrauch immer einige Blutagarröhr- chen vorrätig halten. Dieselben werden in der Weise hergestellt, dass man nach Entfernung der Federn und nach gründlicher Desinfektion die Flügelvene von einer gesunden Taube ansticht, und das frisch ausfließende Blut auf der Oberfläche einiger bereitgehaltenen, nicht zu trockenen, sondern noch etwas Kondenzwasser enthaltenden schräg erstarrten Agar- röhrchen mit einer weiten Platinöse ausstreicht. Dieser Nährboden lässt *) Die Photogramme hatte Herr Dr. A. Maassen die Liebenswürdigkeit anzu- fertigen. Influenza. 371 sich sofort benutzen, empfehlenswert ist es aber, wenn man die Röhrchen ca. 24 Stimdeu hing- im Brütschrank auf ihre Keimfähigkeit prüft und dann die verunreinigten Eöhrchen ausmerzt. Für gewöhnlich genügt ein Vorrat von 15—25 Röhrchen, die man an einem dunklen, staubfreien Orte aufbewahrt. Röhrchen ohne Kondenzwasser und solche mit einge- trocknetem Blut taugen zur Herstellung von Reinkulturen nicht und deshalb empfiehlt es sich auch nicht, einen größeren Vorrat anzulegen. Sieht man nun die mit InÜuenzasputum beschickten Blutagarröhrchen nach 18 — 24 stündigem Aufenthalt im Brütschrank bei 37" genauer an, so beobachtet man auf der OberHäche des Blutagars zahlreiche, meist dichtgedrängt stehende, wasserhelle und durchscheinende Kolonieen, die bei näherer Untersuchung als aus feinsten Bazillen zusammengesetzt erscheinen. Die Kontrollröhrchen sind entweder steril geblieben oder es kommen nur vereinzelte Kolonieen wie Streptokokken, Staphylokokken oder FßÄNKELSche Diplobazillen zum Wachstum. Ein solcher Influenzakolonieen beherbergender Rasen erscheint bei schwacher Vergrößerung (ca. 30 f.) wie aus einzelnen feinsten Tautröpfchen zusammengesetzt. Merkwürdigerweise haben diese zarten Kolonieen wenig Neigung zu konfluieren und nur, wenn sie dicht gedrängt stehen, fließen sie zu größeren Tröpfchen zusammen, jedoch so, dass jede einzelne Kolonie immer noch deutlich zu unterscheiden ist. In dem Kondenzwasser entwickeln sich die Bazillen nur dann, wenn dasselbe mit Blut vermischt ist, sonst erscheint das Kondenzwasser voll- ständig klar. Auch in Bouillon, welche mit Blut vermischt ist, tritt ein ziemlich reichliches Wachstum von Influenzabazillen ein, aber nur dann wenn die Mischung, in dünner Schicht ausgebreitet, dem Sauer- stoff der Luft den nötigen Zugang gewährt. Daraus erkennt man schon, dass die Influenzabazillen streng aerobe Bakterien sind. Bei Sauerstotfabschluss in hoher Schicht gedeihen sie nicht, selbst bei reichlicher Gegenwart von Hämoglobin. In einer Atmo- sphäre von Wasserstofi' gedeihen sie äußerst spärlich und wachsen zu eigenartig degenerierten Formen aus. Am besten entwickeln sich die lufluenzastäbchen auf Taubenblut bei 37 °, der Höhepunkt des Wachstums wird nach 18 — 20 Stunden erreicht. Auf Menschenblut und auf Kaninchenblut ist das Wachstum langsamer. Die obere Temperaturgrenze ist 42 — 45", die untere dürfte bei 26 — 27" gelegen sein. Bei Zimmertemperatur von 23^24" ist keine Entwicklung mehr, selbst nach mehrtägigem Aufenthalt in dieser Temperatur zu be- obachten. Man thut daher auch gut, die Kulturen öfters, vielleicht alle acht Tage, auf frische Nährböden überzuimpfen. Durch längeren Aufent- halt im Brütschrank kann eine Weiterimpfung unter Umständen direkt in Frage gestellt sein. Daher empfiehlt es sich auch, die Kulturen nach 2 — 3 tägigem Aufenthalt im Brütschrank aus diesem herauszunehmen, bei Zimmertemperatur von 20—23° aufzubewahren und nach 8 spätestens 10 Tagen weiterzuimpfen. Spezifität des Pfeifferschen Influenzabacillus und weitere Nährböden zur Züchtung desselben. Diese epochemachende Entdeckung Pfeiffers gab auch andern Ver- anlassung, die früheren Untersuchungen über Influenza wieder aufzu- nehmen, und so kam es, dass eine große Anzahl, darunter die berufensten 24* *> 72 M. Beck, Vertreter der Bakteriologie die Aiig-aben Pfeiffers im volleu Umfauge bestätigen konnten. AVeiciiselbaum^''^, der nach seinen früheren Forsehiiugen über In- fluenza dem Fränkel scheu Diplobacillus eine gewisse Bedeutung bei dieser Krankheit beimessen zu sollen glaubte, kommt nach seinen neueren Untersuchungen zu der Ueberzeugung, dass den Influenzabazilleu allein die ätiologische Bedeutung gebührt. Die von ihm früher beschriebeneu Fälle waren mit Pneumonia cruposa kompliziert und daher auf den bis dahin bekannten Nährböden auch nur die Erreger dieser Krankheit ge- wachsen. Nach seinen neuen Untersuchungen stimmt er vollkommen mit Pfeiffer überein. Frisches Sputum wurde zwar nicht untersucht, aber bei acht Obduktionen konnten teils in dem eitrigen Sekret der Bronchien, teils in Schnitten durch die bronchopneumonischen Partieen die typischen Influenzabazillen nachgewiesen werden. Die Untersuchung des Blutes bei fünf Patienten war vollkommen negativ ausgefallen. Einen weiteren Beitrag für die Spezifität des PPEiFFERSchen In- fiuenzabacillus lieferte Huber 2^^ welcher in 20 Fällen von typischer In- fluenza und Influenzapneumonie regelmäßig diese Stäbchen nachweisen konnte und isolierte. In dem Sekret einer Anzahl anderer Lungenkrank- heiten waren sie nicht zu finden, ebenso konnte sie Huber niemals im Blut von Influeuzakrankeu beobachten. Als einen günstigen Nährboden zur Züchtung der PFEiFFERschen Stäbchen empfiehlt Huber das Hommel- sche Hämatogen, das er dem Nähragar zusetzt. Dieser Nährboden ist vollkommen durchsichtig und kann außerdem auch für Stichkulturen verwendet werden. Die Stäbchen entwickeln sich auf diesem Nährboden langsamer als auf Blutagar, ihre Lebensdauer scheint aber länger als auf diesem anzuhalten, da sie bis zu 40 Tagen noch entwicklungsfähig waren. Zur diagnostischen Züchtung zieht jedoch auch Huber wiegen des langsamen Wachstums auf seinem Nährboden Blutagar vor. Ferner bestätigt Bäumler 21 vollkommen die Befunde Pfeiffers und betont, dass unter Umständen nur allein durch das Kulturverfahren eine sichere Diagnose gestellt werden könne und dass der Nachweis der Bazillen besonders im Beginne einer Epidemie von größter Wichtigkeit sei. Die Fälle, die Bäumler untersucht hat, stammten von einer kleinen Hausepidemie, die Bazillen wurden massenhaft im Auswurf der Kranken gefunden und es war ofienbar, dass die Infektion nur durch das Sputum von Person zu Person erfolgt sein konnte. In einigen Fällen gelang es Bäumler, die Influenzabazillen noch 4 Wochen nach Beginn der Infektion im Bronchialsekret nachzuweisen und er konnte so die von Pfeiffer und mir gemachte Erfahrung bestätigen, dass die Influenzaerreger in dem Lungensekret von chronisch Lungenkranken lange Zeit sich fortentwickeln, ohne erhebliche Krankheitserscheinungen hervorzurufen. Jedenfalls aber muss man in solchen Fällen daran denken, dass von ihnen aus unter Umständen immer wieder eine neue Epidemie sich entwickeln kann. In der LicirniEiMschen Klinik zu Königsberg hatte Neisser'^s eine Anzahl von Influenzakranken untersucht und in allen 20 Fällen durch das Kulturverfahren auf Blutagar die Diagnose feststellen können. Unter 9 Patienten, die keine Erscheinungen von Influenza zeigten, war nur 1 mal und zwar bei einem zwischen Influenzakranken liegenden Phthi- siker der Befund im Sputum positiv. In einem Falle von Aortenaneu- rysma, der zufällig zur Obduktion kam, fand Nelsser einen kleinen pneumonischen Herd, der Influenzabazillen enthielt, ohne dass sich im Leben Erscheinungen von Influenza bemerkbar gemacht hatten. Influenza. 373 Borchardt23j welcher im Kraukenliaiis am Urbaii zu Berlin vom November 1893 an eine ,2:rößere Anzahl InHuenzakranker untersucht hat, fand unter 50 Fällen in 85 die l'FEiPFERSchen Bazillen vermittels Aus- strich und Kultur aufBlutagar und zwar 18 mal bei bronchitischeu und 17 mal bei pneumonischen Prozessen. Im Krankenhaus Moabit hatte PiELiCKE 24 35 Fälle, die klinisch als Influenza aufzufassen waren, unter- sucht, und dabei in 15 Fällen, und unter diesen bei 5 Fällen von typischer Influenzapneumonie, Influenzabazillen im Sputum nachweisen können, niemals dagegen im Blut. Während einer im Winter 1893/94 in Prag herrschenden Influenza- epidemie hatte Chiari^s eingehende Studien über die Influenzabazillen zu machen Gelegenheit gehabt. In einem tödlich verlaufenden Falle konnte er aus dem Lungensaft und aus dem Milzsaft Reinkulturen von Influenzabazillen gewinnen, der Bronchialschleim war mit anderen Bak- terien vermischt. Da Chiari in mehreren Fällen von lol)ulärer Pneumonie und bei diifuser Bronchitis außer den Influenzastäbchen auch den FRÄNKELschen Diploljacillus fand, so ist er der Ansicht, dass bei den letalen Fällen ein Zusammenhang zwischen dem Diplobacillus pneumoniae und dem Influenzabacillus , also eine Mischinfektion beider bestehe. Jedenfalls bildet aber diese Mischinfektion nicht die Regel, denn es giebt, wie wir später sehen werden, namentlich auf der Höhe der Epidemie reine, nur durch Influenzabazillen bedingte, unter dem Bilde einer lobulären Pneumonie verlaufende Lungenentzündungen. Auch Prihraji^g berichtet in ähnlicher Weise wie Chiari in einer mehr die klinische Seite der Influenza behandelnden Abhandlung über den Befand von Influenzabazillen im Sputum Influenzakranker. In 27 Fällen von Influenzapneumonie fand er 9 mal diese Stäbchen, jedoch nur einige Tage lang, dann machten sie Pneumokokken Platz. Außerdem hatte aber noch eine ganze Anzahl tüchtiger Bakteriologen sich den Ansichten von Pfeiffer über den ätiologischen Zusammenhang seines Stäbchens zur Aetiologie der Influenza angeschlossen. Ich er- wähne nur Kruse 27, der sich schon während der Epidemie 1889/90 eifrig mit der Aetiologie der Influenza beschäftigte, und der jetzt nach der Entdeckung Pfeiffers in 18 Fällen von Influenza, die er am Friedrich Wilhelmstift in Bonn zu untersuchen Gelegenheit hatte, regel- mäßig die charakteristischen Stäbchen fand. Ferner Voges2*, der im Stadtkrankenhaus zu Danzig bei 15 Influeuzafällen die speziflschen Mikroorganismen aus dem Sputum rein kultivierte. Ferner hatte Gutmann 29 eine größere Anzalü Influenzapueumonieen im Nürnberger städtischen Krankenhaus untersucht und regelmäßig die PFEiFFERSchen Stäbchen gefunden. Auch Finkler ^u hält eine genaue bakteriologische Unter- suchung für unerlässlich. Er fand die PFEiFFERSchen Bazillen regelmäßig in den zahlreiclien von ihm untersuchten Fällen von Influenzai)neumonie. Seiner Ansicht nach geht die Infektion nur auf dem Luftwege vor sich. Sehr häufig gesellt sich die Influenza zu chronischer Bronchitis. Auf diese Weise können oft monatelang die Bazillen in den Lungen weiter wuchern. Aber auch nach dem eigentlichen Aufhören der Epidemie werden von verschiedenen Seiten in typischen Fällen von Influenza die PFEiFFER- Schen Stäbchen gefunden. So weist Lindentiiae ='i auf das spora- dische Vorkommen von Influenzabazillen in den Bronchien hin, Kreetz 32 fand im Sommer 1897 bei einer größeren Anzahl von Lungenkranken im Sputum 47 mal Influenzabazillen. Von diesen hatten 12 die aus- 374 M. Beck. gesproeheueii Erselieiuungeu von luflueuza. Auch er konstatiert bei rhthisikerii und anderen chronischen Lung-enkranken ein langes Haften- bleiben der Influenzabazillen, so dass diese Kranken immer eine Gefahr wegen der Verschleppung der Influenzastäbchen bilden. Während so der Nachweis der Influenzabazillen in dem Sputum von Influenzakranken relativ einfach gelingt, liegt bei der mit schwerereu Allgemeinerscheinuugeu eiuhergehenden Krankheit die Auffassung einer Allgemeininfektion sehr nahe. Der Gedanke, dass auch im Blute die spezifischen Krankheitskeime zu suchen seien, war daher voll- kommen berechtigt. Wenn wir jedoch bedenken, wie schwierig es schon ist, bei notorisch septischen Prozessen die Krankheitserreger aus dem Blute heraus rein zu züchten, vollends gar im Blute direkt mikroskopisch nachzuweisen, so dürfen wir uns auch nicht wun- dern, wenn den Angaben, die zuerst von Canon ^^ über den Befund der Influenzabazillen im Blute gemacht worden sind, berechtigtes Miss- trauen entgegengebracht werden musste. Nachdem Canon in einer kurzen vorläufigen Mitteilung von seinen Untersuchungen Kenntnis giebt. werden in einer größeren Abhandlung '^3 diese Untersuchungen eingehend geschildert. In einer Anzahl leichter und schwerer Fälle von Influenza hatte er angeblich während des Influeuzaanfalles im Blute Stäbchen ge- funden, die mit den PFEiFFERSchen große Aehnlichkeit besitzen. Nach diesen Befunden hält er sich für berechtigt, die Influenza als eine Septi- kämie zu betrachten. Aus der Beschreibung und aus den der Abhand- lung beigefügten Photographieen der Bakterien geht übrigens mit Deut- lichkeit hervor, dass Canon dem Irrtum verfallen ist, Bakterien, die zufällig in der Farblösuug sich befanden, ebenso wie auch bei seineu späteren Untersuchungen von Masernkrauken, als spezifisch anzusehen. In denselben Fehler in der Beurteilung der Blutbefuude ist offenbar auch Klein 3^ verfallen: außer im Nasen- und Bronchialsekret fand er die Influenzabazillen im Blut. Sie aus dem Blut zu züchten, gelang Klein nicht und er hält sie daher hier für al)gestorben. Der Umstand, dass sich die Bazillen Kleixs nach Gram färben, spricht schon dafür, dass ein Irrtum vorliegt, und ebenso lassen auch die in Photogrammen vor- geführten Bakterien in keiner Weise eine Identität mit dem Pfeiffer- scheu Bacillus zu. Dass die Influenzabazillen gelegentlich einmal in den Blutstrom ge- langen können und auch in die inneren Orgaue verschleppt werden, ähnlich wie die Diphtheriebazillen oder Avie die Streptokokken, kann ja immerhin vorkommen, ein regelmäßiger Befund bei Influenza, wie namentlich Canon es hinstellt, ist er jedenfalls nicht. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle, daß auch Goldscheider 3-^ niemals die In- fluenzabazillen im Blute fand und aus demselben züchtete, ebenso ge- lang es MossE -^ß niemals, aus dem Blute die Influenzabazillen zu isolieren. CoRNiL & Chantemesse^^ gcbcu zwar an, nach Injektion von Blut eines Influenzakranken bei Kaninchen daraus wieder die Influenzabazillen ge- züchtet zu haben, jedoch muss diese Angabe berechtigten Zweifel her- vorrufen, und es liegt die Vermutung nahe, dass Cornil & Ciiantemesse durch eine zufällige sekundäre Infektion ihrer Kaninchen (wohl durch die Erreger der Brustseuehe, s. u.) irregeführt worden sind. Als Nährboden für die Bazillen diente, wie wir weiter unten noch weiter ausführen werden, in fast allen diesen Versuchen das Blutagar. Obgleich dieser Nährboden leicht und einfach herzustellen ist, so hat es doch nicht an Abänderungen desselben gefehlt, und mehrere Forscher Influenza. 375 waren bemüht, aucli uach anderer Riebtimi;- hin einen l)rauchbaren Nährboden zur ZUchtunii- der Influenzastäbchen zu l)enutzen. Schon Pfeiffer hatte, wie wir oben beschrieben, durch Auflösen des Hämo- globins einen flüssigen Nährboden, der sich leicht auch mit Agar ver- mischen lässt, hergestellt. Von Hubek^« wurde das schon im Präparat aufgelöste Hämoglobin des HoMMELscheu Hämatogen als Nährboden empfohlen. Nastjükoff-^^ benutzte Eigelb als Nährboden zur Züchtung der Influenzabazillen. In einer weiteren ausführlichen Arbeit ^'^ giebt er nähere Mitteilung über die Herstellung des Nährbodens und die Erfolge bei der Züchtung der auf diesem Nährboden hergestellten Reinkulturen. Jedoch kommt Voges 2* nach mancherlei Versuchen zu einem absprechen- den Urteil über diesen Nährboden. Auch Capaldi^o sah die lufluenza- bazillen auf einem aus Eidotter hergestellten Nährboden nur kümmerlich wachsen, während die Diphtheriebazillen sehr kräftig sich darauf ent- wickelten. Ein ganz befriedigendes Wachstum beobachtete dagegen Can- TANi^^ auf Agar, auf das er vorher tierisches Sperma ausgestrichen hatte. Nastjukoff erklärte sich das Wachstum der Influenzabazillen auf seinem Nährboden durch das aus dem Eidotter isolierte Hämatogen. Dies hält jedoch Capaldi für ausgeschlossen, da auch bei Zusatz von reinem Lecithin oder Hämatogen zu Agar die Influenzabazillen schlecht wachsen. Nach Cantani wird aber nicht allein durch Hämoglobin, sondern auch durch Cholestearin und Serumalbumin, Substanzen, Avelche in natür- licher Weise dem Sperma beigemischt sind, das Wachstum der Pfeiffeu- schen Stäbchen begünstigt. Am üppigsten jedoch war das Wachstum der Influenzabazillen auf Nährböden, welche reines Hämoglobin oder Oxyhämoglobin enthielten 4i'\ Um große Mengen von Kulturen herzustellen, benutzten Kolle & Delius*2 zur Züchtung der Influenzabazillen mit defibriuiertem Tauben- blut versetzte Bouillon und mit defibriniertem Tauben blut gemischtes Agar-Agar. Die Blutbouillon stellten sie in der Weise her, dass sie, um den sauerste fifbedürftigen Influenzabazillen möglichst viel Luft zuzuführen, in einen Kolben mit breitem Boden 50 ccm alkalische Nährbouillon brachten, der sie Y4 — V2 ccm defibriniertes Taubenblut zufügten. Nach- dem die Kölbchen mehrmals tüchtig geschüttelt worden waren, wurde die Flüssigkeit zum Gefrieren gebracht, bis nach dem Auftauen dieselbe durch das gelöste Hämoglobin gleichmäßig rot gefärbt war. Diese Autoren gaben an, dass die Influenzabazillen auf diesem Nährboden l)ei 37" reichlich am Boden des Kolbens wachsen; ich hatte häufig Gelegenheit, durch eigene Untersuchungen diese Angaben bestätigen zu können. Grassberger^'^ glaubt, dass die Influenzal)azilleu besser wachsen, wenn sie auf einem Nährboden gezüchtet werden, auf dem vorher Sta- phylokokken gezüchtet worden sind oder wenn sie mit letzteren zu- sammen kultiviert werden. Auf gewissem Nährboden wachsen nach seinen Untersuchungen ** die Influenzabazillen zu langen Scheinfäden aus; jedenfalls ist aber diese Wachstumseigenschaft auf eine Ab- schwächung der Kultur und auf einen für die Influenzabazilleu unge- eigneten Nährboden zurückzuführen, da diese Scheinfädenbildung sicher als Degeneratiousform der Influenzastäbchen anzusehen ist. Eine Begünstigung des Wachstums des Influenzabacillus auf Blut- agar in Gemeinschaft mit dem Staphylococcus aureus, ein »Satellitisme cultural«, will übrigens auch Meuxier^^ konstatiert haben. Der gleiche Verfasser ^*5 hatte auch mitgeteilt, dass er bei Kindern in 10 Fällen von Bronchopneumonieen aus dem Lungensekret und zum Teil auch aus 376 ^^- Beck, dem Blut die Tnfluenzaljazillen reiu gezüehtet habe. Da jedoch bis jetzt, wie schon cvwälmt, eine Züchtimg der PFEiFFERScheu Stäbchen aus dem Bhit eiinvaudlVei nicht gelungen ist, so geht man wohl nicht fehl, wenn man die letzteren Untersuchungen von Meunier mit einem gewissen Misstrauen betrachtet. Dagegen scheint es keinem Zweifel zu unter- liegen, dass eine Begünstigung des Wachstums in gewissem Sinne durch gleiclizeitige Züchtung mit anderen Bakterien eintreten kann, namentlich zusammen mit Staphylococcus aureus. Cantaxi-^i^ fand Diphtherie- bazilleu und namentlich Gonokokken für Influenzabazillen als wachstums- fördernd und Neissek^''''' gelang es, dieselben in Symbiose mit Xerose- bazillen dauernd fortzuzüchteu. Ghon & Preyss^^, welche sich ein- gehend mit der Züchtung der Influenzabazillen beschäftigt haben, konnten ein Wachstum dieser Bazillen auf ganz hämoglobinfreiem Nährboden nicht beobachten. Sie erzielten aber ein günstiges Wachstum auf xigar mit Hämatinzusatz. Auch halten sie eine gleichzeitige Züchtung, eine Symbiose mit anderen Bakterien, in erster Linie Staphyloc. pyog. aureus durchaus für notwendig. Zur Herstellung eines einfachen und guten Nährbodens empfehlen sie folgendes Verfahren: Blut wird in grijßerer Menge ohne Serum mit Normalsodalösung versetzt und gekocht. Dieser heißen Blut- lösung wird flüssiges Agar zugesetzt und das Ganze tüchtig geschüttelt. Dieses Gemisch wird nun nach einiger Zeit in Eeageuzgläser abgefüllt und bildet einen jederzeit gebrauchsfähigen und haltbaren Nährboden. Erwähnen möchte ich hier noch die Arbeit Uichters^^, der ver- schiedene Nährböden jedoch ohne befriedigende Ifesultate versuchte, so sterilisiertes Sputum, sterilisierte Galle, Eigelb und Agar mit Schmiede- bergs Ferratin. Widerstandsfähigkeit des Influenzabacillus gegen äufsere Einflüsse, Eintrocknen u. s. w. AVährend die Lebensdauer der Influenzabazillen in Bouillon eine gegenüber den meisten anderen Bakterien relativ nur kurze ist, denn schon nach 14—18 Tagen sind sie in derselben abgetötet und auch auf Blutagar erhalten sie sich nur etwa bis 20 Tage lebensfähig, gehen sie in sterilisiertem Leitungswasser sehr rasch, in 24 — 32 Stunden, zu Grunde. Audi gegen das Austrocknen sind diese Stäbchen außerordent- lich empfindlich. Werden frische Blutagarkulturen mit dem sie um- hüllenden Blut auf sterile Glasplatten gleichmäßig ausgebreitet und angetrocknet und diese Proben einer trockenen Temperatur von 37" aus- gesetzt, so ist schon nach 5 — 10 Minuten eine ganz erhebliche Ver- minderung der Kolonieenzahl auf damit frisch besätem Blutagar zu kon- statieren. Nach 1 — 2 Stunden sind sämtliche Bazillen abgestorben. Bei feuchter Zimmertemperatur ist nach 8 Stunden imd selbst in einer dicken Blntschicht eingehüllt nach 20 Stunden kein Wachstum mehr zu konstatieren. Und die im frischen Influenzasputum eingetrockneten Stäbclien sind nacb 24 Stunden zum Teil , nach 30 — 40 Stunden voll- kommen ihrer Entwicklungsfähigkeit beraubt. Bei der Prüfung des feuchten Grippeauswurfs stößt man insofern auf Schwierigkeiten, als die in demselben enthaltenen speziflscheu Krankheitserreger in kürzester Zeit durch andere Bakterien, namentlich Staphylokokken, überwuchert werden. Aber man geht wohl nicht fehl, wenn mau hier ihre Leliens- dauer ebenso lange festsetzt wie in Bouillon oder auf Blutagar und an- nimmt, dass das vor Eintrocknen geschützte Influenzasputum ca. 14 Tage Inflaenzn. 377 iiocli infektiös wirken kann. Diese Annahme als richtig- vorausgesetzt, ließen sich auf diese Weise auch die Angaben über Einsclileppung- der Krankheit durch Waren aller Art, Briefe, Wäsche, Kleider, Pelze, sowie durch Getreide aus Russland, erklären. Einige Beispiele, die Leichtex- stern ^'J anführt, dürften wohl eher auf eine Zufallsinfektion zurückzuführen sein: >Der berühmte, die Influenza in Paris einleitende Massenausbruch der Krankheit Ende November 1889 unter den Angestellten der Grands Magazins de Louvre — es erkrankten an einem Tage über 100 Per- sonen, binnen Avenigen Tagen stieg die Zahl derselben bis auf 500 - wurde in der Weise zu erklären versucht, dass aus Eussland importierte Waren den Krankheitsstoff eingeschleppt hätten. Allein die eingehenden Untersuchungen von Broüardel und Proust haben dieser Deutimg den Boden entzogen. Schon seit drei Jahren waren keine Waren aus Russ- land bezogen worden. Ein anderes viel citiertes Beispiel betrifft die beiden Winterwärter auf dem St. Gotthard-Hospiz im Januar 1890. Der eine war zu Thal gegangen nach Airolo. als die Epidemie heftig herrschte. Nach dem Hospiz zurückgekehrt, blieb er dauernd gesund; sein Genosse aber er- krankte 10 Tage später unter Erscheinungen, welche sehr wohl als In- fluenza gelten konnten, aber auch dieser Fall ist sehr fragwürdig.« Durch eine Uebertragung mittelst Waren ließe sich eher folgender Passus erklären: »Es wird angenommen, dass die Influenza durch eine Warensendung aus dem infizierten Louvre in Paris nach Basel ver- schleppt worden sei. Der erste Fall, der dort vorkam, soll der mit dem Auspacken des betreffenden Kolli beschäftigte Arbeiter gewesen sein. Die Thatsache, dass in vielen Städten (Edinbourgh, Wien, New- York, Boston, Rochester, London u. s.w.) die Postbeamten zuerst und in großer Anzahl erkrankten, wird gern so gedeutet, dass dieselben mit den aus verseuchten Gegenden kommenden Waren in erster Linie zu tlmn haben.« Mit Recht knüpft Leichtensterx daran die Bemerkung, wenn auch diese, wie alle anderen in denCitaten mitgeteilten Beispiele einer strengeren Kritik nicht standhalten können, so sei doch eine Verschleppung durch anscheinend Gesunde und AVaren, namentlich AVäsche, Taschentücher, keineswegs von der Hand zu weisen. Eine Verschleppung durch Fliegen und andere Insekten halte ich jedoch für vollkommen ausgeschlossen. Außer durch Eintrocknen werden die InHuenzabazilleu auch durch Erhitzen auf 60° in wenigen Minuten abgetötet, ebenso wirkte die Ein- wirkung von Chloroformdämpfen in kürzester Zeit zerstörend auf sie ein. Auch Lartigau-^'O weist auf die geringe Widerstandskraft der In- fiueuzabazillen gegenüber chemischen, thermischen und anderen Ein- flüssen, namentlich Eintrocknen, hin. Diesem Autor gelang es durch schrittweise immer mehr abnehmende Temperatur diese Stäbchen durch allmähliche Anpassung bei einer Temperatur unter 28° zu züchten. Diese geringe Widerstandsfähigkeit der Grippeerreger gegenüber äußeren Einflüssen geben ohne weiteres schon Zeugnis von dem Fehlen einer Dauerform der Influenzastäbchen. Auch sind weder in den in dem Sputum eingebetteten noch in den reingezüchteten Bazillen Gebilde beobachtet worden, welche als Dauersporen gedeutet werden könnten. Tierversuche. Alle Versuche mit Influenzasputum (»der mit L'einkulturen der Ba- zillen das typische Krankheitsbild bei den gebräuchlichen Versuchstieren, 378 M. Beck. wie Meerschweiucheu. TJatteu, Mäusen und Tauben zu erzeugen, fielen negativ aus. Nur bei Affen und Kaninchen ließen sich an die menschliche Influenza erinnernde Symptome hervorrufen. Am empfänglichsten erwiesen sich die Affen, so reagierte z. B. ein Affe, dem Pfeiffer und ich^^ ohne Verletzung der Schleimhaut eine Platinöse voll Reinkultur von Influenza- stäbchen in die Nase rieben, mit einem an demselben Abend noch ein- setzenden Fieber. Ebenso gelang es, bei Affen nach direkter Injektion der Kultur in die Lungen fieberhafte, mehrere Tage andauernde Krank- heitserscheinungen, die in vielem an Influenza erinnerten, hervorzurufen. Die intratracheale Injektion größerer Mengen von Reinkultur rief bei einem Affen den Tod 8 Stunden post infectionem hervor. Da anato- mische Veränderungen fehlten, so kann der Tod nur auf die Resorption toxischer Produkte der Influenzabazillen zurückgeführt werden. Noch prägnanter traten aber diese Allgemeinerscheinungen nach in- travenöser Injektion einer Reinkultur von Influenzabazillen beim Ka- ninchen auf. Wurde einem kräftigen Kaninchen eine 24 stündige Blut- agarkultur in die Ohrvene injiziert, so stellte sich nach 1 — 2 Stunden heftige Dyspnoe und auffallende Muskelschwäche ein. 24 Stunden später hatten sich die Tiere in der Regel wieder vollkommen erholt. Nach Injektion größerer Dosen erfolgte der Tod unter gleichen, nur entsprechend stärkeren Erscheinungen. Bei der Untersuchung des Blutes und der Organe fanden sich nur noch vereinzelte Influenzabazillen, so dass man wohl mit Recht annehmen darf, dass die Bazillen sich im Blute nicht vermehren. Die gleichen Erscheinungen, Dyspnoe und lähmungsartige Schwäche, besonders der Rückenmuskeln, erzielte Pfeiffer ^^ auch bei Kaninchen mittelst durch Chloroform abgetöteter Influenzabazillen. Nach diesen Versuchen ist Avohl auch der Schluss berechtigt, dass die Allgemein- erscheinungen der Influenza, welche beim Menschen das typische Bild in der Regel ausmachen, auf eine Resorption von Influenzatoxinen zurückzuführen ist. Dafür spricht aber ferner auch, dass man die spezifischen Mikroorganismen für gewöhnlich im Blute vermisst. Es lässt sich allerdings nicht von der Hand weisen, dass unter gewissen Verhältnissen während eines Influenzaanfalles auch in die Blutbahn die Bazillen gelangen und in den Orgauen sich ansiedeln können, wie mau ja in seltenen Fällen auch bei Erysipel die betreffenden Krankheitserreger im Blut und den Orgauen wieder nachweisen kann. Aber es sind dies, wie schon oben angedeutet, doch durchaus seltene Fälle und keineswegs die Regel. Pfeiffer, der diesen Punkt genau beachtet hat, hat auch nur in einigen wenigen zur Obduktion kommenden Fällen von Influenza seine Stäbchen in den inneren Organen nachweisen können. Gleichfalls mit einer größeren Anzahl von Affen experimentiert hatte Klein -'^j erzielte aber bei subkutaner und intratrachealer Infektion von Influenzasputum und Reinkultur negative Resultate. Nur Ijei einem Affen, der an Pneumonie eingegangen war, hatte er neben anderen Bak- terien auch die PFEiFFERschen Stäbchen nachweisen können. Ohne jede Beweiskraft für die Spezifität ihrer Bazillen sind die von Bruschettini und anderen veröffentlichten Berichte, auf die es mir er- laubt sein möge, an dieser Stelle mit einigen AYorten einzugehen. Bruschettini ■'^1' "^^ hatte gleich nach Bekanntwerden der Entdeckung Pfeiffers in der l^iforma medica von ihm bei Influenza gefundene Bazillen als identisch mit den PFEiFFERschen beschrieben: dieselben wachsen auf Agar, Glycerinagar und Blutserum üppig und sind für Influenza. 379 Kaninchen äußerst patliog-en. Nach den der italienischen Orig-inal- abhandhmg beigefügten Photogrammen handelt es sich dabei aber um ein Gemisch von FßÄxKELschen Diplokokken und Streptokokken. In spä- teren Arbeiten •'' 3- si Avar es Bkuschettini schon gelungen, ein wirk- sames Serum mit Hilfe seiner Reinkulturen zu erzielen. Mit Leichtigkeit konnte jedoch von Pfeiffer und mir-^^ djg u^^. haltbarkeit dieser Untersuchungen dargelegt werden. Die Mitteilungen BojiBiccis^3 und Canestrinis^*, welche sich auf die BRUscHETTiNischeu Anschauungen stützen, müssen daher gleichfalls als unrichtig hingestellt werden. K(JLLE & Delius-''^, welche viele Tierexperimente anstellten, kamen ebenfalls zu dem Schlüsse, dass bei der intravenösen Injektion von In- fluenzabazillen bei Kaninchen wohl eine Giftwirkung, nicht aber eine Vermehrung der Bazillen anzunehmen sei und dass die Bazillen im Blute zu Grunde gehen. Dagegen wiesen Kolle & Delius zuerst nach, dass nach intraperitonealer Injektion bei Meerschweinchen, Kaninchen und Mäusen ■eine Vermehrung der Influeuzabazillen in dem Peritoneum stattfindet. Auf diese Art der Infektion scheint besonders das Meerschweinchen zu reagieren. Die Bazillen fanden sich in dem Exsudat der Bauchhöhle teils frei, teils in Zellen eingeschlossen. Bald nach der Injektion zeigte sich eine mit fibril- läreu Zuckungen verbundene Muskelschwäche der Hinterbeine bis zu einer zum Tode führenden allgemeinen Schwache. Mittelst verschiedener Mengen der intraperitoneal injizierten Stäbchen ließ sich auch die Virulenz der einzelnen Kulturen genau prüfen und konstatieren, dass unter den ver- schiedenen Kulturen sehr große Unterschiede existieren je nach der Her- kunft und dem Alter der Kultur. Am giftigsten erwiesen sich im all- gemeinen die Blutagarkulturen. Durch vorsichtiges Abtöten und durch Filtrieren der Kulturen gelang es, ein spezifisches Gift zu gewinnen, das jedoch bei näherer Untersuchung sich als von sehr labiler Natur erwies. Etwas eigenartig sind die Versuche Jacobsohns -^s, der mit der In- jektion von PFEiFFEKSchen Bazillen allein bei seinen Versuchstieren keine oder nur geringe Besultate erzielte. Hatte er jedoch gleichzeitig Streptokokken mit Infiuenzabazillen injiziert, so wurde die Virulenz der letzteren ganz erheblich gesteigert. Streptokokken aber und Influenza- l)azillen nacheinander injiziert waren ohne Erfolg. Wurden dann aber die Influenzabazillen mit abgetöteten Streptokokken zusammen Mäusen eingespritzt, so gingen diese an allgemeiner Septikämie zu Grunde, und aus dem Blut konnten die spezifischen Stäbchen gezüchtet werden. Eintrittspforten des Influenzabacillus. In früheren Zeiten wurde die Influenza der Menschen mit der In- fluenza der Tiere, namentlich der Pferde, in Zusammenhang gebracht. Jedoch geht schon ohne weiteres aus der Unempfänglichkeit der Tiere gegenüber den künstlich eingebrachten Influenzabazillen hervor, dass eine solche Koinzidenz nicht besteht. Selbst bei den für die Versuche geeigneten Affen ist eine Ansteckung von Menschen noch nicht be- obachtet worden, trotzdem es sicher au einer Infektionsgelegenheit bei großen Influenzaepidemieen nicht fehlen würde. So berichtet Leichten- STERN, dass die Affen des zoologischen Gartens und des Affenhauses im »Kegent-Park<'. in London, obgleich sie während der Influenzaepidemie täglich sicher unzählige Male von aml)ulanteu Influenzakranken ange- hustet wurden, keine merklichen Gesundheitsstörunücu darljoten. 380 M. Beck, Und aueli bei Pferden Ijestelit nicht der mindeste Znsammenliang, beide Kraukheitsformen sind voneinander in jeder Beziehung- ver- schieden und ohne jeden ätiologischen Zusammenhang. Denn durch die Veterinäre werden jetzt allgemein nach Dieckerhoff ^^ unter dem Sammelnamen Influenza zwei ätiologisch ganz voneinander verschiedene Krankheiten zusammengefasst , nämlich die Influenza im engeren Sinne oder Pferdestaupe und die Brustseuche der Pferde. Wohl kaum eine menschliche Infektionskrankheit bietet ein so ver- schiedenes und wechselvolles Bild wie die Influenza. Der Einfachheit halber unterscheidet man in der Regel drei Formen: die katarrhalische, die gastrische und die nervöse. Weitaus am meisten verbreitet sind die katarrhalischen Erscheinungen seitens des Eespirationstractus, hauptsäch- lich der obersten, vor allem der nasalen Teile, dann aber auch der Trachea und der Bronchien, im weitereu Verlaufe aber auch der Alveolen der Lungen. Man wird daher bei der enormen Häuflgkeit des Ergriöen- seins der Respirationswege nicht fehlgehen, wenn wir hier, auf den Schleimhäuten der Atmungsorgane, die Eintrittspforte, den primären An- siedlungsort für die Influenzabazillen annehmen. Bei der gastrischen Form handelt es sich offenbar um eine sekundäre Affektion von selten der oberen Teile der Respirationsorgane, ebenso wie bei der nervijsen Form, wobei jedoch, ohne dass es zu deutlichen Erscheinungen an der Eintrittspforte kommt, eine spezifisch toxische Wirkung der Bazillen auf die Nerven des Intestinaltractus oder auf das Nervensystem überhaupt ausgeübt wird. Jedoch kann in den mit nervösen, namentlich den unter meningealen Erscheinungen einhergehenden Fällen, abgesehen von der Giftwirkung, ein Weiterwuchern der Bazillen von dem Orte des Eintritts auf dem Lymj^h-, seltener wohl auf dem Blutwege die charakteristischen Kraukheitsbilder auslösen. Nicht immer, aber doch fast regelmäßig gehen dem Influenzaanfall katarrhalische Erscheinungen, namentlich der Nasen- und Kehlkopf- schleimhaut, voraus oder setzen mit der Krankheit ein. Man hat daher bei der großen Epidemie solche Fälle, welche nicht mit katarrhalisch- entzündlichen Vorgängen der Schleimhaut der Respirationsorgane einlier- gingen, kaum als echte Influenza anerkannt. In dem Sekret dieser Schleimhäute, namentlich der Nase, finden sich bei der Krankheit die Influenzabazillen manchmal in ganz enormen Mengen, allerdings meist mit anderen Bakterien, namentlich Staphylokokken, vermischt. Pfeiffer, der auch nach Ablauf der Epidemie eine große Anzahl frischer Schnupfen untersuchte, fand niemals wieder die Bilder, Avie die während der großen Grippeepidemie. Im allgemeinen ist das Sekret beim gewöhn- lichen Schnupfen auffallend arm an Bakterien, influenzaähnliche Stäb- chen fand Pfeiffer jedoch nie darin. Jedenfalls ist aber die Diagnose »Influenza« nur durch den Nachweis der Influenzabazillen sicher zu stellen, und man ist zur Diagnose nur dann berechtigt, wenn die Influeuzabazillen in den Sekreten entweder im Ausstichpräparat oder durch die Kultur nachgewiesen worden sind. Denn mit Recht macht v. Jaksch*^" darauf aufmerksam, dass nament- lich in den letzten Jahren Erkrankungen in gehäufter Form vorkommen, welche klinisch das Bild der Influenza vortäuschen, wegen des Fehlens der spezifischen PFEiFFEUschen Stä1)chen aber nicht als Influenza ange- sprochen werden dürfen. Er schlägt daher für diese Krankheitsform den Namen »Pseudoinfiucnza« vor, ob mit Recht, möchte ich dahinge- stellt sein lassen. Er fand dabei meist Streptokokken und lässt die Influenza. 381 Frage noch offen, inwieweit diese mit der Aetiologie der Krankheit in Beziehung- zu bringen seien. Immerhin ist das rehitiv seltene Vorkommen der Intiuenzabazillen bei den jetzigen Grippekranken auffallend. Wenigstens habe ich bei meinen in den letzten Jahren augestellten Untersuchungen die Influenza- bazillen meist mit anderen Bakterien, zumeist in Gemeinschaft mit Streptokokken oder FnÄXKELschen Diplobazillen, niemals aber in der charakteristischen AVeise und in der Menge wie früher im Sputum oder Nasensekret gesehen. Auch Wassermann 6i^ (jej. [-^ Frühjahr 1900 Gelegenheit hatte, mehrere Fälle von Influenza zu untersuchen, fiel es auf, dass die Influeuzabazillen oft sehr rasch, manchmal schon nach 24 Stauden wieder verschwunden w^aren. Außerdem beobachtete er die eigenartige Erscheinung, dass häufig, namentlich bei solchen Kranken, die früher schon einmal eine Influenza überstanden hatten, mit dem Verschwinden der Bazillen deutliche Vergiftungserscheinungen bemerkbar wurden, ein Zeichen, dass die Influenza eine gewisse wenn auch kurz dauernde Immunität hinterlässt. Ebenso fand auch Clemens "2 bei Gelegenheit einer im Jahre 1900 in Freiburg i. Br. beobachteten Influenzaepidemie nicht mehr so häufig die typische Influenzasputa und konstatierte gleichfalls das häufige Ueber- wuchern der Influenzastäbchen durch andere Bakterien. Den relativ langsamen und gutartigen Verlauf dieser Epidemie glaubt er in der durch das frühere Ueberstehen der Krankheit gewonnenen Giftfestigkeit suchen zu müssen, dass aber die Influeuzabazillen, an einen Locus mi- noris resistentiae gelangt, von hier aus ihre schädliche Giftwirkung doch noch weiter ausdehnen können. Dagegen hat Mann ß^' im Frühjahr 1900 während einer in der Irren- anstalt Schusseuried entstandenen Hausepidemie wieder ganz typische In- fluenzafälle beobachtet und in dem Sputum die Influeuzabazillen meist allein und in typischer Anordnung angetroffen. Die Patienten, im ganzen 62, erkrankten unter den regelrechten Erscheinungen der Influenza, mit Frost, hohem Fieber, Katarrhen der Luthvege, vom einfachen Schnupfen bis zu ausgesprochener Bronchitis. 2 dieser Fälle l)ildeten sich zur In- fluenzapneumonie, 1 zu einer Pleuritis, 1 zu einem Emphysem aus. Es starben im ganzen 6 Personen = 10,3^', davon waren allerdings 3 schon vorher schwächlich und dekrepit. AVährend im allgemeinen die Influenza eine leicht verlaufende Krank- heit darstellt, so kann sie doch häuflg genug, wie wir dies bei der großen Epidemie gesehen haben, direkt lebensgefährlich werden durch ihr Fortschreiten auf die Lungen oder das Gehirn. In einer früheren Abhandlung hatte ich*^^ Gelegenheit, die von uns im Jahre 1892 im Institut für Infektionskraukheiten zu Berlin beobach- teten zahlreichen Fälle von Influenzapneumonie eingehend zu beschreiben und neben dem bakteriologischen Befunde der Influenzabazillen das klinische Bild weiter zu verfolgen. Durch den Nachweis der Influeuza- bazillen war es möglich, die Diagnose frühzeitig zu stellen, und es war interessant, die Bazillen in ihrem Verhältnis zu ihrer Menge und im Verhalten gegenüber den Eiterzellen im Verlauf eines Influenzaanfalls zu verfolgen. Wir sahen die Erkrankung unter dem bekannten Symp- tomenkomplex: Fieber, Kreuzschmerzen, Gliederziehen, Kopfweh, allge- meine Mattigkeit u. s. w. einsetzen und im allgemeinen konnten wir wiihreud der Influenzaepidemie ein stets gleichbleibendes und einheit- liches Bild des einfachen Anfalls konstatieren. Mehrere letal ver- 382 M. Beck, laufende Fälle von lufluenzapneumonie hatten uns Gelegenheit gegeben, diese Krankheitsforni genauer zu studieren und auf (xrund der bakterio- logischen Befunde in manche bis dahin unrichtige und unklare Anschau- ungen Licht zu bringen. In den frischen mit hohem Fieber einsetzenden Influenzaanfällen be- obachtet man in dem in der Eegel nur mit Mühe entleerten, zähen, schaumigen Auswurf massenhaft meist in Häufchen oder Zügen ange- ordnete frei in der Grundsubstanz der Sputumflocken liegende Influ- enzabazillen; während Eiterzelleu in dieser Periode verhältnismäßig in nur geringer Anzahl zu sehen sind, nehmen sie im weiteren Verlaufe mehr imd mehr in dem Sputum zu und man findet sie schließlich mit Influenzabazillen direkt vollgestopft. Besonders während der Bekonvales- zenz findet man die PFEiFFEiiSchen Stäbchen fast ausschließlich inmitten der Eiterzellen, liäufig schon in Auflösung begritfen, nnd wie die Züch- tung ergiebt, in bereits abgestorbenem Zustande. Die Influenz apneumonie bietet im allgemeinen klinisch wie patho- logisch anatomisch charakteristische Erscheinungen. In klinischer Be- ziehung vermissten wir häufig selbst bei der einfachen Influenzabronchitis Geräusche über den Lungen. In frischen Fällen von lufluenzapneumonie hörten wir meist an den gedämpften Partieen der Lungen ein eigen- artiges, wie aus der Ferne herkommendes Bronchialatmen neben fein- und grobblasigen Rasselgeräuschen. Auffallend ist das Wandern der entzündlichen Herde und das häufige Ergriffensein der Spitzen. Charak- teristisch ist ferner bei der Influenzapneumonie auch das lange Zeit noch in der Bekonvaleszenz entleerte zitronengelbe bis gelblichgrüne Sputum von zähschleimiger Beschaffenheit, so dass es nur mit Mühe unter heftigen Hustenstößen entleert wird. Auch hier finden sich die Bazillen in Eeinkultur zu Anfang außerhalb der Eiterzellen und sogar längere Zeit noch während der llekonvaleszenz, dann meist bis zum völligen Verschwinden im Innern der Zellen. Einen typischen Fall von Influenza- pneumonie, wie wir sie damals häufig beobachten konnten, hatte ich in meiner Abhandlung etwas ausführlicher geschildert. Auffallenderweise finden wir aber diese Formen der Influenzapneumonie, die wir auf Grund der bakteriologischen Untersuchung als reine Influenzapneumonie an- sehen müssen, häufig als krupöse Pneumonie von früheren Autoren be- schrieben. In der Sammelforschung ^^ von Leyden & Güttmann wird aber gerade als charakteristisch der atypische Verlauf angeführt, wobei die Temperatur unregelmäßig ist, so dass keine Krisis, sondern nur eine lytische Deferveszenz beobachtet wird. In der Beschreibung »Die Grippe- Epidemie im deutschen Heere 1889/90« ^^ wird sie bald als katarrhalische, bald als fibrinöse Pneumonie angeführt. Jedoch findet man im Centrum der l)roncliopneumonischen Herde bei der WEiciERTschen Färbung gar kein und an den Bandzonen nur ganz wenig Fibrin. Schnitte durch das Lungengewebe solcher Fälle geben besonders schöne Bilder. Die möglichst feinen Schnitte werden mit ver- dünnter ZiEiiLscher Lösung ^'2 Stunde gefärbt, dann in ganz schwach mit Essigsäure angesäuertem Alcoholus absol. (1 — 2 Tropfen konz. p]ssig- säure auf eine PETRische Schale mit Ale. abs.) differenziert, bis die ursprünglich dunkclrot gefärbten Präparate einen rotvioletten Ton ange- nommen haben, ähnlich wie bei einer Karminfärbung. Aus dem essig- sauren Alkohol kommen die Präparate in Xylol und dann in Kanadalialsam. Die Bakterien behalten dabei ihre intensiv rote Färbung und heben sich deutlich von dem rosafarbigen Untergrund des Zellprotoplasmas ab. Influenza. 388 Durchmustert man die infiltrierten Herde in Lungensclmitten mit starker Vergrößerung-, so erhält man — wie auch Pfeiffer hervor- liebt — äußerst frappante Bilder. »In den Bronchien sieht man auf dem Epithel und zwischen dessen Zellen enorme Mengen winzig kleiner Stäbchen, die sich besonders dort anhäufen, wo die Destruktionen des Epithelstratums deutlicher hervortreten. Man kann sie bis unter das Epithel in dichten Zügen verfolgen; in dem submucösen Bindegewebe dagegen kommen sie höchstens vereinzelt vor, die Eiterzellen, die zwischen und auf den Flimmerzellen lagern, sind gleichfalls vollständig ange- füllt mit denselben feinen Stäbchen, die sich bei Züchtungsversuchen als unzweifelhafte Influeuzabazillen zu erkennen geben. Man kann sich des Gedankens nicht erwehren, dass durch die Wucherung dieser In- fektionserreger auf und in dem Epithel ein Iteiz ausgeübt wird, welcher zur Hyperämie des submukösen Gewebes und zur Anlockung zahl- reicher Wanderzellen führt. Letztere gelangen durch ihre Lokomotion oder mit dem Säftestrom an die freie Oberfläche des Bronchus, beladen sich dort mit den feineren Stäbchen und bilden so das charakteristische schleimig-eitrige Sekret der Influenzabronchitiden. Der ganze Prozess stellt sich demnach als katarrhalische Eiteruug in optima forma dar und erinnert durchaus, wenn man von der Differenz der Infektionserreger absieht, an die gonorrhoische Erkrankung der Harnröhren- und Kon- junktivalschleimhaut. Ganz ähnlich ist das Bild in den zentralen Parlieen der lobulären Influenzaherde. Auch hier sind die Itundzellen, welche das Gewebe aus- fallen, geradezu überladen mit Scharen von Influenzastäbchen. Seltener flndet man einzelne Bazillen oder kleine Gruppen derselben frei zwischen den Eiterkörperchen. In den Bandzouen werden die bazillenhaltigen Zellen spärlicher. Von anderen Mikroorganismen, Streptokokken, FRÄNKELschen Diplokokken sieht man in frischen Afl'ektionen ebenso- wenig etwas in Schnitten, wie in den Ausstrichpräparaten. Die katarrhalischen Prozesse der Schleimhäute haben eine ausge- sprochene Neigung weiterzukriechen. So steigt auch die Influenza- bronchitis von der Nase oder dem Kehlkopf ausgehend in die Bron- chien herab und erreicht per continuitatem fortschreitend das Lungen- gewebe. Unter Berücksichtigung dieses Verhaltens findet der lobuläre Aufbau der Influeuzapneumonie seine ausreichende Erklärung. Jeder Infiltrationsbezirk ist eben im Zusammenhang zu denken mit einem er- krankten Bronchus, durch dessen Vermittlung erst die Krankheitsursache zu dem Lungengewebe den Zutritt erhielt. In den Leichen von Personen, welche an Influeuzapneumonie ge- storben sind, findet man nun, wenn der Tod auf der Höhe der Krank- heit erfolgte, die eben beschriebenen pathologisch-anatomischen Zustände in voller Reinheit. War der Exitus, wie dies häufig der Fall ist, in einem späteren Stadium eingetreten, so ist das Bild, welches die Lungen darbieten, sehr viel komplizierter und schwerer zu deuten. Man trifft dann in ein und derselben Lunge unter Umständen eine wahre Muster- karte von Veränderungen, die als verschiedene Ausgänge der Grippe- pneumonie sich darstellen.« Auch RiBBERT^" spricht sich auf Grund seiner- Beobachtungen bei der Sektion von Influeuzapneumonie folgendermaßen aus: »Von der krupösen Pneumonie unterscheiden sich die vorgefundenen Verände- rungen in mehreren Punkten. Die Schnittfläche der hepatisierten Lunge war nämlich glatt, nicht körnig ; das Exsudat weich, sehr zahlreich und 384 M. Beck. fibrinavm. In dem eiueu Falle war auch die lobärc Ycvdielituiig auf der Schnittfläche lol)ulär abg-eteilt und die einzelneu Lobuli waren nicht gleichmäßig- verändert.«- Und an einer anderen Stelle: »Das Wesentliche des pathologisch-anatomischen Befundes besteht darin, dass die Ent- zündung sich herdförmig ausl)ildet, dass die Herde vielfach sich ver- zweigend den Lungenlappen durchsetzen, aus kleinen lobulären Pneu- monieen zusammengesetzt sind, welche vielfältig zerstreut noch luft- haltige kleine Partieeu zwischen sich enthalten. Die Schnittfläche der Fig. 2. Schnitt durch eine Influenzalunge. Vergr. ca. GOfach. In der Mitte ein größerer, links unten ein kleinerer Bronchus mit eitrigem Inhalt aus dem größeren Bronchus zum Teil herausgefallen). Lunge erhält dadurch ein buntscheckiges Aussehen, indem die pneu- monischen Partieeu intensiver gefärbt und auch in späteren Stadien hyperämisch erscheinen« . Aber auch der weitere Verlauf ist von dem der kruposen Pneumonie durchaus verschieden. Die Erkrankung kann sich unter Umständen AYochen und Monate hinziehen und wir linden nur die charakteristischen Stäbchen. Im günstigen Verlauf ist der Ausgang der in Resolution, indem nach Entleeruuo- der in den Bronchien sich beflndlichen Eitermengen lufluenza. 385 nach außen, eine Restitutio ad integrum stattfindet, olinc dass es zu einer eigentliclien Krisis kommt. In nicht seltenen Fällen kommt es jedoch bei der Influenzapneumouie direkt zur Abszedieruug- in einen oder mehreren Bezirken der Lungen, wobei sich nach Verschmelzung einzelner oder mehrerer Alveolen kleine Eiterherde bilden und es entsteht zu gleicher Zeit eine Rundzellanhäufung im peribronchialen und iuter- alveolären Bindegewebe. Bei den chronisch verlaufenden Trozessen kommt es zu einer chronisch interstitiellen, indurativen Pneumonie mit Karnifikation und Bildung bronchiektatischer Kavernen. Nicht so selten sind übrigens auch die Fälle, wo sich auf der Basis der chronischen Influenzapneumouie eine Tuberkulose entwickelt, was bei dem ubiquitären Charakter der Tuberkelbazillen nicht wundernehmen darf. In einigen Fällen wurde von uns auch der Ausgang einer Infiuenza- pneumonie im Lungengangrän beobachtet. In den gangränösen Lungenpartieen fanden sich zahlreiche Bakterien aller Art, in den nicht gangränösen infiltrierten Teilen dagegen reichlich Influenzabazillen. Offenbar handelt es sich bei diesen Fällen um eine sekundäre Infektion durch aspirierte Mundbakterien, die bei der veränderten Blutzirkulatiou in den Lungen günstige Bedingungen für ihre Weiterentwicklung finden. Im Auschluss an die Pneumonieeu findet mau aber auch fibrinöse Auf- lagerungen auf der Lungenpleura, die zahlreiche Influenzabazillen und zwar in der Regel in den Eiterkörpercheu eingebettet enthalten. Als ferneren Ausgang der luflueuzapneumonic beobachteten wir den in Verkäsung, namentlich dann, wenn die pneumonische Infiltration sich an Lungenbezirke, die schon vorher von tuberkulösen Herden durch- setzt waren, auschloss. Es sind dies meist Eutzünduugsvorgänge in den Lungenspitzen, die unter dem Einfluss schon bestehender tuber- kulöser Veränderungen, in Gemeinschaft mit der durch die Influenza- bazillen bedingten Infiltration, eine käsige Metamorphose eingehen. Auch Finkler 68 hatte unter 45 Influenzapneumonieen nur 2 unter dem Bilde einer krupösen Pneumonie verlaufen sehen, sowohl der klinische Verlauf, wie auch der pathologische Befund wich wesentlich von der letz- teren Art der Pneumonie ab. Und in einer späteren Abhandlung betont Finklee 69^ dass nur der bakteriologische Befund genauen Aufschluss über das Wesen der Pneumonie geben könne. Er konnte öfter beobachten, wie bei der Influenza von den Bronchien aus das Lungengewebe selbst infiziert wird und es so zu einer richtigen Influenzapneumonie kommt. Leichtenstern^ö beobachtete unter 439 Influenzafällen 105 mal (= 24 ^ ) Influenzapneumonie mit 32 Fällen (= 30 ^ ) Mortalität. Nament- lich fiel ihm die ungewöhnlich große Anzahl von krupösen Pneumonieeu mit atypischem Verlauf auf, die er jedoch nicht mit der Influenza- pneumonie in eine Reihe stellen will. Aus diesen häufigen Zusammen- treä'en bei Influenzaepidemieen schließt Leichtenstern auch in seiner vorzüglichen Schilderung der Influenza in Nothnagels Handbuch ^'^, dass die Influenza echte krupöse Pneumonieeu auf dem Wege der Misch- infektion häufig verursache. Als Sekundärinfektionen betrachtet auch Renvers ^i die im Winter 1891 von ihm bei Berlin beobachteten Influenzapneumonieen und zwar beobachtete er unter 51 Influenzafällen 12 Lungenentzündungen: 4 typische fibrinöse, 5 katarrhalische und 3 gemischte Pneumonieen. Wie aus der Arbeit von Laues ^^ hervorgeht, die sich auf 13 im Krankenhaus am Urban in Berlin zur Sektion gekommene Fälle von Influenzapneumonie erstreckt, waren es hier lobuläre Pneumonieen, mit glatter oder wenig Handbuch der patliogeneii Mikroorganismen. III. 25 386 M. Beck, g-ekürnter Oberfläche, welche große Neigung zur Ahszedierung he- kuudeten, und wie Labes sagt, »sind es namentlich zahlreiche feine miliare und snljmiliare Eiterherde, die dem oben beschriebenen Allgemein- bilde ein eigentümliches Aussehen geben«. Offenbar sind diese Eiter- herde die schon oben von uns erwähnten mit Eiter gefüllten broncho- pneumonischen Herde, die Reinkulturen von Influenzabazillen enthalten. Leider vermissen wir in der sonst sehr fleißigen Arbeit von Labes die bakteriologische Untersuchung. Ueber die Stellung der Influenzapneumonie zur genuinen krupösen Pneumonie spricht sich Wassermann "^ dahin aus, dass die letztere mit ersterer nichts gemein habe. Die Influenzapneumonie ist eine Lungen- entzündung sui generis, bedingt durch x4.nsiedlung von Influeuzabazillen in den Lungenalveolen. Allerdings können, wenn auch selten, beide Erkrankungen gemeinschaftlich vorkommen, jedoch ist diese Komplikation von dem gewöhnlichen Krankheitsbild der krupösen Pneumonie so ab- weichend, dass ohne weiteres diese außergewöhnliche Komplikation sich schon aus dem atypischen Verlauf der Temperatur kundgiebt. W. führt eine solche Krankengeschichte an, wo nach einer leichten Influenza- pneumonie, bei der allein Influenzabazillen im Auswurf sich vorfanden, unter Schüttelfrost eine krupöse Pneumonie einsetzte und nun neben Influenzabazilleu auch die FßÄNKELScheu Diplokokken sich zeigten. Wie wichtig die genaue bakteriologische Untersuchung ist, geht eklatant aus diesem Fall hervor, da nur durch den Nachweis der betreffenden Bakterien die richtige Natur der Pneumonie erkannt werden konnte. Offenbar hatte auch Kamex'^-* keine vollkommen reinen Fälle von Influenzapneumonie gesehen; nach ihm hat die Influenzapneumonie in allen von ihm beobachteten Fällen einen der krupösen Pneumonie ähneln- den Charakter. Der Auswurf zeigte bei den meisten Kranken rost- braune Farbe, jedoch nie von solcher Intensität, wie bei der echten kru- pösen Pneumonie. In einigen Fällen waren im Auswurf neben Influenza- bazillen auch Diplokokken in geringer Anzahl vorhanden. Kamen schlägt vor, statt der Einteilung der Influenza in eine katarrhalische, nervöse und gastrische Form nur von leichten, schweren und komplizierten Fällen zu reden, da dadurch auch die Beurteilung der einzelnen S^^mptome sich leichter gestalten lasse. Der Influenzabacillus verursacht nicht bloß kleine, sondern auch größere pneumonische Infiltrate, namentlich aber die letzteren. Die Influenzapneumonie ist ebenso wie die lufluenza- enteritis, die häufig unter dem Bilde eines Typhoids verläuft, als eine schwere Form anzusehen. Als pathognomonisch für Influenza sind nach Kamen sowie den meisten Klinikern die hochgradige Prostration der Kräfte, sowie die bronchitischen Erscheinungen, die sich gleichzeitig mit dem Fieber einstellen. Auch Kame.v weist auf den großen Vorzug der bakteriologischen Untersuchung des Auswurfs bei Influenza hin, da die spezifischen Stäbchen niemals bei den echten lufluenzafällen ver- misst werden. Jedenfalls geht aus den Mitteilungen der neueren Litteratur die auf- fallende Thatsache hervor, dass die unkomplizierten Influenzapneu- monieen, wie Pfeiffer und ich sie während der Epidemie 1891/92 regel- mäßig mit gleichsam einer Reinkultur von Influenzastäbchen im Sputum beobachten konnten, jetzt zu den größten Seltenheiten gehören und die jetzt beobachteten Influenzapneumonieen meist mit dem FRÄNKELschen Diplococcus k(»mpliziert sind. Dies scheint aber auch im Auslande der Fall zu sein. Whitla-^ betont die hervorragende Kontagiosität der mit Influenza. 387 Streptokokken komplizierten Influenzapneuraonie, aucli Moore 'ß spriclit von krupösen Pueumonieen bei Influenza mit atypischem Verlauf, deren wahrer Charakter allein nur durch den Nachweis der spezifischen Bakterienart festgestellt werden kann; und King^' betont die Nei- gung gerade der Influenzapneumonie zu sekundärer Infektion, wodurch unangenehme Nebenerscheinungen und Komplikationen in den Vorder- grund treten können. Kensselaer'* bespricht die einzelnen Erschei- nungen von selten der Atmungsorgane, der Nase und ihrer Höhlen, Larynx, Trachea und Bronchien u. s. w. und hält es für eine spezifische Eigen- tümlichkeit der Influenzabronchitis, dass sie sich nicht immer diffus auf die größeren Bronchien ausdehnt, sondern sich häufig auf einen einzelnen Lungenlappen beschränkt. Bei der Influenzapneumonie sind die Misch- formen so häufig, dass eine genaue Scheidung nicht immer möglich ist, die physikalischen Erscheinungen sind oft verhältnismäßig gering; charak- teristisch ist das Wandern der Pneumonie von einem Lappen zum andern, sowie die krampfartigen Hustenanfälle, und ferner die oft unvollständige und zögernde Lösung der Pneumonie. lieber den Ausgang der Influenzapneumonie in Lungenabszess berichtet Hitzig ^'-^ einen Fall, wobei sich in dem Sputum mikroskopisch und kul- turell nur Influenzabazillen vorfanden. Aus der EicimoRSTschen Klinik be- schreibt Rhynerso 3 Fälle von Lungengangrän, welche sich im Anschluss an eine Influenza gebildet hatten. Fränkel^' sah von 272 in den Jahren 1891 u. 1892 behandelten Fällen von Influenza bei 80 = 22 ^ Influenza- pneumonie auftreten, von denen 6 = 71/2 ^ ihren Ausgang in Lungen- gangrän (resp. Imal in Pneumothorax) nahmen. In dem grünlichgelben Eiter einer mit Pneumonie und Pleuritis komplizierten Pericarditis fand HÖGERSTEDT*2 Influenzabazillen in großer Anzahl. Wir haben absichtlich die bei der Influenza auftretenden Komplika- tionen der Lunge eingehender geschildert einmal, weil die Lungen eine Prädilektionsstelle für die Influenzabazillen bilden und die schweren Formen der Influenza meist mit einer Lungenentzündung einhergehen, dann aber auch um zu beweisen, wie wichtig gerade hier der bakterio- logische Nachweis des Influenzabacillus und wie entscheidend er unter Umständen sein kann. Dass aber die Influenzabazillen sich überall auf den Schleimhäuten der Luftwege ansiedeln können, darüber haben wir, abgesehen von dem Befund der Influenzabazillen bei einfachen Nasenkatarrheu noch weitere Beispiele, die zeigen, dass die Infektion in erster Linie durch die Luftwege erfolgt. Auch Flügge ^3 nimmt sowohl bei Influenza wie bei Keuch- husten eine Luftinfektion durch Tröpfchen als die häufigste Uebertragungs- weise an. Auf diese Weise kann sich die Influenza primär als Ton- sillitis äußern, wie dies Kamen *^ beobachtet hat, der 2 mal einmal in dem diphtherieähnlichen Belag einer ulzerösen Angina und dann bei einer lakunären Angina Influenzabazillen neben Streptokokken fand. Mit den reiugezüchteten Influenzabazillen wurden Mäuse intraperitoneal infiziert, dieselben blieben am Leben, starben jedoch, wenn ihnen gleich- zeitig Influenzabazillen und Streptokokken injiziert wurden. In letzterem Falle gelang es auch Kamen aus dem Blute der Tiere die Influenza- bazillen wieder herauszuzüchten. Einen eigenartigen Fall von Influenza - Laryngitis beschreibt auch Glatzel^s, Er beobachtete bei einem 24 Jahre alten Mädchen, das mit Fiebererscheiuungen, Schmerzen im Halse und Heiserkeit erkrankt war, auf den beiden Taschenbändern kreisrunde, weißgelbliche, etwa 25* 388 M. Beck, ein Drittel der Tascheubänder einnelimeude Flecke, die über das Niveau der umgebendeu Sclileimliaiit etwas hervorragteu. In dem Sputum waren reichlich Influenzabazilleu enthalten, so dass dadurch die Diagnose sicher- gestellt werden konnte. Solche Flecken sind bei Influenza auch von anderen Autoren auf den Stimmbändern und dem Arykuorpelüberzug beschrieben worden und nach einigen Autoren sollen derartige Flecke auf der Schleimhaut des Mundes und der Larynx direkt ein diagno- stisch verwertbares Symptom bilden. Die Schleimhaut der Nase und die Nebenhöhlen der Nase sind ein Liebliugssitz für Influenzabazillen. Es ist auch sehr wahrscheinlich, dass hier die Influenzabazilleu sich lange Zeit virulent erhalten können und entweder eine Kontaktinfektion bei anderen Personen oder eine spätere Reinfektion hervorrufen können. So fand Lixdexthal^i, der die Neben- höhlen der Nase genau untersuchte, in 6 Fällen Influenzabazilleu. Diese versteckten Katarrhe spielen sowohl bei der Weiterverbreitung der Krankheit, als auch besonders da eine wichtige Rolle, wo es sich um ein Fortkriechen des Prozesses auf die Hirnhäute handelt, ohne dass die Bazillen auf dem Blutwege dahin gelangen. Auch Weichselbaum fand fast regelmäßig bei den Sektionen katarrhalische oder eitrige Entzündungen in den Nebenhöhlen der Nase. Der heftige bis in die Rekonvaleszenz andauernde Kopfschmerz mag in vielen Fällen mit diesen Komplikationen zusammenhängen. Zuweilen wurden direkt Eiter- ausammlungen in den Nebenhöhlen der Nase, namentlich Empyem der Kieferhöhlen, manchmal auch der Stirnhöhlen beobachtet, welche eine operative Entleerung notwendig machten. Zu den häufigsten Komplikationen der Influenza gehören bekanntlich die Erkrankungen des Mittelohrs; namentlich aber kommen diese Ohrerkrankungen während der Rekonvaleszenzperiode der Influenza zur Beobachtung. Von den Berichterstattern der Sammelforschuug^^ Avird die Anzahl der Komplikationen mit Ohrerkraukuugen auf 38 % berechnet, während in dem Bericht über die Grippe beim deutschen Heer^^ nur 0,5 % Gehörerkrankuugen angeführt Averden. Die Mehrzahl der Autoren fand im eitrigen Sekret bei Influenzaotitis den FRÄNKELschen Diplo- bacillus resp. Streptokokken, Scheibe ^^ beschreibt zuerst den Nachweis der Influenzabazilleu im Ohreiter; Kossel^^ hatte unter 108 Leicheu- ööuungen von Kindern unter 1 Jahr in 85 Fällen Mittelohreiterungen be- obachtet, bakteriologisch untersucht wurden 38 Fälle, bei diesen fanden sich in 19 Fällen influenzaartige Stäbchen, auch in dem Eiter, der sich nach Parazentese des Trommelfells entleerte, fand er neben Streptokokken u. a. Influenzabazilleu. Den gleichen Befund erwähnt auch Hartmaxn^^ und DÖRING ^^. Wenn der Nachweis der Influenzabazilleu bei Ohr- eiteruugen relativ selten gelingt, so darf dies im allgemeinen nicht wundernehmen, da diese Erkrankung in der Regel sich im Anschluss an eine Entzündung des Nasenrachenraumes entwickelt. Man wird daher die Influenzal)azillen nur in ganz frischen Fällen antreften, bei einiger- maßen chronischem Verlauf dürfte der Nachweis infolge des Ueber- wuclierns von anderen Eitererregern schon schwieriger werden. Lemcke^", der bei einer Anzalil von Influenzakraukeu wegen Nekrose und Karies des Felsenbeins das Antrum mastoideum eröffnete, meint allerdings, dass diese Krankheit nach Influenza mit der Knocheneiteruug bei akuter Osteomyelitis zu vergleichen sei und dass die Influenzaotitis in vielen Fällen eine Primärerkrankung der Knochen hervorrufen könne. Bul- LiNG^i gelang es nur in einigen Fällen von Otitis media die Influenza- Influenza. 389 bazilleu mikroskopisch uud kulturell nachzuweisen, sonst wurde aus- schließlich Ötaphylococcus albus g-efundeu. Dagegen konnte Hau 0^2 iu 38 Fällen von Influenzaotitis in dem Nasenhöhlensekret Influenza- bazillen konstatieren und 18 mal in dem rein blutigen oder blutig-serösen Exsudat, meist in Gesellschaft mit Streptokokken und Diplokokken. Im Anschluss an die Influenzaotitis kommt es zu schwerwiegenden Komplikationen, hierher gehören vor allem die Erkrankungen des Pro- cessus mastoideus, durch welche Veranlassung zur Nekrose des Knochens und weiter zu Entzündungen des Gehirns und seiner Häute gegeben wer- den kann. Bei den mannigfachen, in Begleitung und infolge von Influenza auf- tretenden Augenerkrankungeu sind Influenzabazillen bis jetzt noch nicht nachgewiesen worden ; in vielen, namentlich den schweren eitrigen Entzündungen, handelt es sich übrigens meist um Mischinfektion mit Eitererregern. Eine sehr häufige Komplikation der Influenza sind jedoch die Er- krankungen des Nervensystems, die teils direkt als entzündliche Vorgänge, also grobanatomisch sich darstellen, teils als sogenannte funktionelle Störungen im Gebiete des Zentralnervensystems sich geltend machen. Erstere (Encephalitis und Meningitis) sind durch direkte Infektion der Krankheitserreger bedingt, die letzteren, die auf die motorischen, sensiblen und vasomotorischen Zentren des Gehirns und Rückenmarks sich beschränkenden Krankheitsformen, müssen der Wirkung der Toxine der Influeuzabazillen zugeschrieben werden, die direkt als Nervengifte anzusehen sind uud teilweise noch lange in der Rekonvaleszenz nach- wirken. Ich erinnere nur an die keineswegs seltene Influenzapolyneuritis, die den Lähmungserscheinungen nach Diphtherie in mancher Beziehung gleicht, ferner an die Influenzapsychosen, und ich darf hier wohl auch anführen die Störungen der Herzfunktionen während oder nach der Influenza. »Von geradezu toxischer AVirkung ist die Influenza auf das Herz«, sagt Dräsche ^^ iu seiner klassischen Arbeit, »bei selbst ganz gesunden Menschen. Zeitweiliges Auftreten von Irregularität des Pulses bei gleichzeitiger außerordentlicher Frequenz und Kleinheit desselben verraten zuerst den heimtückischen Charakter der Krankheit, welche gar nicht selten durch Herzparalyse den plötzlichen Tod veranlasst.« Auch Leichtexstehx'O spricht sich unter dem Eindruck des in der Pandemie Erlebten folgendermaßen aus, »dass die Influenza erhebliche, oft lange sich hinziehende Funktionsstörungen des Herzens, neuro- und myopathischen Ursprungs zur Folge hat, lehrt eine Reihe von Beobach- tungen aus der jüngsten Zeit, indem sich häufig kräftige Personen in den besten Jahren einfinden, die nach einer schon vor mehreren Wochen überstandeuen Influenza über Kurzatmigkeit, Zufälle von Angina pectoris, Herzklopfen und Beklemmungen klagen, während sich, abgesehen von einer mitunter ausgeprägten Tachy- oder Arythmokardie mit Kleinheit des Pulses andre Zeichen einer Herzaffektion nicht nachweisen lassen«. Ueber die Wirkung der Influenzabazillen auf das Zentralnerven- system hat Cantaxi9i sehr eingehende Studien gemacht. Indem er Kaninchen relativ geringe Mengen reingezüchteter Influenzabazillen direkt in die Gehirnsubstanz einspritzte, gelang es ihm, je nach der ]\[enge und der Virulenz der injizierten Bakterien Kaninchen zu töten. Die ersten Krankheitssymptome traten schon 9 — 10 Stunden nach der Infektion auf: Temperatursteigerung, Dyspnoe, ferner eine an den Hinter- beinen beginnende, allmählich auf die Vorderlseine und über den ganzen 390 M. Beck, Körper sich biuzieheude Paralyse. Beim Anfassen der Tiere entstanden heftige klonische Krämpfe, die Tiere starben unter schweren allgemeinen Erscheinungen nach Injektion von 0,5 mg mäßig virulenter 20stiiii- diger Blutagarkultur, von sehr virulenten Kulturen genügten schon ge- ringe Bruchteile eines Milligramms. Bei der Obduktion findet man die Erscheinungen, wie nach schweren Intoxikationen: mehr oder weniger starke Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle, vergrößerte Milz, die Kebennieren stark gerötet, Leber hyperämisch, fettig degeneriert, Ent- zündung der Nieren, Hyperämie der Lungen. In dem gallertigen Oedem, das um die Injektionsstelle herum sich gebildet hat, findet man zahl- reiche Influenzabazillen. In den Meningen sieht man blutig-seröses, in den Gehirnventrikeln eitriges, Influenzabazillen enthaltendes Exsudat, in der Gehirnsubstanz selbst, w^elche die Zeichen einer akuten Encephalitis trägt, scheinen die Stäbchen sich vermehrt zu haben. Auch in den Häuten und der Substanz des Rückenmarks lassen sich die Influenzabazillen nachweisen, während sie in dem Blut und den übrigen Organen weder mikroskopisch noch kulturell aufzufinden sind. Kontrollversuche mit anderen Bakterien lösen nach Injektion in das Gehirn niemals diese Er- scheinungen aus. Durch fortgesetzte Verimpfung der Influenzastäbchen auf das Gehirn von Kaninchen gelang es Caxtaxi eine ganz erhebliche Virulenzsteigerung zu erzeugen, in gleicher Weise auch bei den weniger empfänglichen Meerschweinchen. Durch diese Untersuchungen Oaxtanis ist aber auch ein weiterer Beweis für die Giftbildung der Influenzastäb- chen erbracht. Um ein Kaninchen mit vorsichtig bei 57" abgetöteten Influenzabazillen durch Injektion in das Gehirn zu töten, waren allerdings etwas größere Mengen (0,2 — 0,8 mg) notwendig, aber die Erscheinungen waren ganz dieselben, wie nach der Injektion von virulenten Stäbchen. Die gleichen Erscheinungen, wie Cantani, hatte, wie schon oben erwähnt, Pfeiffer, sowie ich, Kolle & Delius bei Kaninchen erzielt nach intra- venöser Injektion von durch Chloroform abgetöteten lufluenzabazilleu. Als hervorragendes Symptom traten auch Dyspnoe und Lähmungs- erscheinungen auf, ein Krankheitsbild, das viel an die bekannten Sym- ptome bei der menschlichen Influenza erinnert. Aus all diesen Versuchen geht aber auch gleichzeitig hervor, dass das Gift der lufluenzabazillen an den Zellleib der Bakterien gebunden ist, und dass es ähnlich wie das Diphtheriegift hauptsächlich auf die Nervenzellen einwirkt und hier unter Umständen längere Zeit festgehalten, verankert werden kann. Aber gleichwie die Diphtheriebazillen gelegentlich in die inneren Organe auf dem Blutwege verschleppt werden können, so darf auch die Mög- lichkeit einer Verschleppung der Influenzabazillen durch das Blut nicht vollständig von der Hand gewiesen werden. Aber eine Regel bildet diese Art der Verbreitung der Influenzabazillen sicher nicht. Meist findet man sie auch nur in der Nähe des Infektionsherdes in den Kapil- laren und nur selten werden sie durch die größereu Venen in die Blut- bahn weitergetragen. Wie ich aber schon früher ausgeführt, kann es zu einer allgemeinen Blutinfektion niemals konmien, da die Influenza- bazillen in dem zirkulierenden Blut keine Bedingungen für ihre weitere Vermehrung vorfinden und so in Bälde zu Grunde gehen müssen. So entstehen jene herdweis auftretenden akuten hämorrhagischen Entzün- dungsherde, die besonders in der Gehirnrinde und in den Zeutral- ganglien ihren Sitz haben, durch Verschleppung der Influenzakeime, wie durch die Beobachtung von Pfuhl und durch Nauwerk einwandfrei nachgewiesen wurde. Bei diesen im Beginn oder auf der Höhe der Influenza. 391 lufliienzaerkraukung plötzlich auftretenden applektiformen, mit Fieber und schweren Gehirnerscheiuinigeu eiuherg-ehenden Kraukheitssymptomen, die in der Eeg-el das jugendliche Alter betreuen, lindet man auch keine Thrombosen oder Embolieen, sondern meist scharf umgrenzte Herde von Kirschkern- bis Taubeneigröße und darüber in der grauen Substanz der Gehirnrinde, der Zentralganglien, der Hirnschenkel, des Pons und des Kleinhirns, die aus zahlreichen dichtstehendeu, Üohstichähnlicheu Blut- punkten zusammengesetzt sind. Weiter kann es hier zu Erweichungsher- den, und unter Umständen zum primären Gehirnabszess kommen, infolge der eitererregenden Eigenschaft der Intluenzastäbchen, ähnlich der Pneu- monie, wo diese Bazillen gleichfalls ohne Mithilfe von sekundären Eiter- erregern Abszessbildung und Gangrän hervorrufen können. So hatte A. Pfühl ^^ im Jahre 1892 bei Untersuchung der Leichen- teile von fünf unter den Erscheinungen einer typischen Cerebrospinal- meningitis gestorbenen Soldaten in den Blutextravasaten, und der Cere- brospinalflüssigkeit, dem Kammerwasser und in dem Abszesseiter, der sich in dem einen Falle in der rechten Kleinhirnhälfte entwickelt hatte, zahlreiche Infiuenzabazillen gefunden. Auf Glycerinagar gelang es, die- selben nur in der ersten Generation weiterzuzüchten. In Schnitten durch das Gehirn und Rückenmark lagen die Bazillen meist einzeln oder unregelmäßig zerstreut innerhalb der Gefäße. Zweimal beobachtete er typische Gefäßthrombosen, die entweder nur aus Infiuenzabazillen oder mit diesen vermischten Kokken bestanden, namentlich waren die Kapillaren der Großhirnrinde reichlich damit versehen, die Ganglien und Gliazellen waren dagegen frei von Bazillen. In einem späteren Vortrage weist derselbe Autor ^^ auf die große Wichtigkeit einer syste- matischen bakteriologischen Untersuchung bei den im Anschluss an Influenza sich ausbildenden Störungen von selten des Zentralnerven- systems hin. So züchtete Pfuhl in einem Falle von schwerer Influenza aus dem Sinusblut und dem Kammerwasser die Influenzabazillen, außer- dem konnten dieselben in den Hirnhautiniiltrationen sowie in den pleu- ritischen Auflagerungen neben Streptokokken und Fkäxkel sehen Diplo- bazilleu nachgewiesen werden. Aus diesen Beobachtungen zieht Pfuhl den Schluss, dass der Influenzabacillus doch weit häufiger, als man gewöhnlich annehme, seine Eingangspforten überschreite. Zwei Fälle von akuter hämorrhagischer nicht eitriger Influenza- encephalitis beschreibt Nauwekck^^, die er während der Hochflut der Epidemie im Winter 1893/94 in Königsberg zu obduzieren und näher zu untersuchen Gelegenheit hatte. In dem einem Falle handelte es sich um eine akute Encephalitis nach Influenza, die unter schweren Gehirn- erscheinungen wie Erbrechen, Konvulsionen, Lähmung des einen Arms zum Tode führte, bei der Obduktion fanden sich zahlreiche Erweichuugs- herde und Thromben im Gehirn ; die bakteriologische Untersuchung war aber mikroskopisch, kulturell, und in Schnitten negativ. Nauwerk hält sich aber in seinen weiteren Ausführungen für berechtigt, annehmen zu dürfen, dass die lufluenzabazillen an dem Orte ihrer verderblichen Wirksam- keit zur Zeit der Untersuchung Ijereits zu Grunde gegangen waren. In dem zweiten Fall, bei dem innerhalb weniger Tage der Tod nach ge- ringem Unwohlsein eingetreten war, ergab die Obduktion einen grauroteu hämorrhagischen Erweichungsherd in der rechten Kleinhiruhemisphäre. In diesem encephalitischen Herde fand Nauwerk in Schnitten Influenza- bazillen, wenn auch äußerst spärlich, kulturell ließen sich die Stäbchen im Ausstrich der Ventrikelflüssigkeit auf Blutagar nachweisen und ver- 392 M. Beck, einzelte Stäbclien konnten schon mikroskopisch in dem Sediment des zentvifugierten Veutrikelinhalts konstatiert werden. Dieser letzte Fall bietet insofern p-oßes Interesse, als er beweist, dass eine rasche todbringende Infektion dnrch die luiluenzabazillen stattfinden kann, ohne dass au der Eing-angspforte etwas mehr als ein gewöhnlicher Schnupfen voransgeht. In diesem Falle darf wohl eine Verschleppung auf der Blutbahn angenommen werden, da gegen die Möglichkeit eines Vordringens der Infektionserreger auf dem Lymphwege vor allem der Sitz im Kleinhirn, sowie die Nichtbeteilignng der Gehirnhäute an der Eutzünduug spricht. Bei der Entstehung der Influcuzaeucephalitis sind nach Nauweuck drei Möglichkeiten denkbar: 1. die Encephalitis beruht auf einer toxischen FernAvirkung seitens der infizierten Atmungswerk- zeuge; 2. die Encephalitis wird durch eine oder mehrere der Spaltpilz- arten erzeugt, welche die Influenza so häufig zu einer Mischinfektion stempeln; 3. der Influenzabacillus selbst ruft durch seine Anwesenheit an Ort und Stelle, allein oder mit anderen Bakterien vergesellschaftet, die Encephalitis in die Erscheinung. »Für die toxische Entstehungs- weise ließe sich das verneinende Ergebnis des ersten Falles anfuhren; nach dem bejahenden Befund des zweiten Falles indessen ist es mir wahrscheinlich, dass er ebenfalls auf eine Ansiedluug des Influenza- bacillus zu beziehen ist. Während der Nachweis spärlicher Influenza- bazillen bei dem kurzen Verlauf noch gelang, lässt es sich wohl denken, dass sie bei der längeren Frist des ersten Falles nach gethaner verderblicher Arbeit bereits abgestorben waren«. Diese Ansicht hat meines Erachtens viel für sich. Die Influenzabazillen haben einmal die Neigung- zur Nekrotisierung und zur Eiterbildung- \mä ähnlich wie bei den tuberkulösen Abszessen ist nach einiger Zeit ein Nachweis der nekro- tisierenden Bakterien nicht immer möglich. Jedenfalls aber bildet der Befund Nauwercks eine weitere Bestätigung der Spezifizität der In- fluenzastäbchen. Trouillet & Esprit 98, welche die im Verlaufe der Influenza vor- kommenden nervösen Erscheinungen unter dem Namen Meningo-ence- phalopathie grippale zusammenfassen, fanden bei der Obduktion in einigen ihrer Fälle eine richtige Abszessbildung. Sonst beobachteten sie in der Eegel eitrige oder gelatinöse Durchträukung- der Hirnhäute, punkt- förmige Blutung und in dem P^rguss in die Ventrikel Eeinkultur von Influenzabazillen, in einzelnen Fällen fanden sie daneben noch Strepto- kokken, Staphylokokken und Tuberkelbazillen. Wenn wir bei der Influenza Analogieschlüsse mit anderen Infektions- krankheiten ziehen dürfen, so können wir auch sie von der Kompli- kation mit andern Infektionserregern in gewissem Sinne abhängig machen, insofern nämlich auf dem Boden, der von den spezifischen Toxinen der Influenzabazillen vorbereitet ist, andere Bakterien sich um so besser zu vermehren und ihre deletäre Wirkung auszuüben vermögen. So fand Gras- SEiö'j '^vährend der großen Influenzaepidemie häufig eine Infektion der Hirnhäute mit Pneumokokken, so dass er direkt eine Pneumococcie me- ningee angenommen hat. Von denselben Gedanken geleitet, kommt auch KiscnEXSKY^oo 2u dem Schluss, dass die im Verlauf der Grippe vorkom- mende Meningitis sowohl von den gewöhnlichen Eiterbakterien wie von den spezifischen PFEiFFERschen Bazillen hervorgerufen Averden könne. Dass nur selten auf dem Blutwege eine Verschleppung der Influenza- bazillen nach den Meningen und dem Gehirn stattfinde, glaubt A. Pfuhl durch seine weiteren Beobachtungen feststellen zu können. Nach PfühiJoi Influenza. 393 kommen hauptsächlicli drei Wege, auf denen die Influeuzabazillen in die inneren Organe, namentlich das Gehirn gehingen, in Betracht: 1. der Uebertritt der Bazillen in die Blutbahn von den Lungen und dem Brust- felle aus ; 2. ein Ueberwanderu von der Schleimhaut der Nase in die des Nasenrachenraumes durch die Lamina cribrosa und 3. eine Verschleppung durch die Lymphkapillaren vom Mittelohr in die Schädelkapsel. Un- zweifelhaft ist der zweite Weg der häufigere. In dieser Abhandlung wurden eingehend drei Fälle von Gehirninfluenza geschildert, die Pfühl in den Jahren 1895/96 in dem Garnisonlazarett zu Hannover unter 93 In- fluenzakranken zu beobachten Gelegenheit hatte. In dem ersten Falle, der ein sehr Wechsel volles Bild darbot, und bei dem die Krankheit sich über drei Monate hingezogen hatte, waren während des Lebens neben heftigen Fieberschwankungen Lähmung des rechten Oberarmes, Geschmackstörungen, und zu Decubitus führende Störungen der Haut beobachtet worden. In dem blutig fingierten Sputum fanden sich Infiuenzabazillen. Die zwei Tage nach dem Tod vorgenommene Obduktion ergab in erster Linie eine Encephalitis mit blutigem Erguss in die Ventrikel, ferner zahlreiche Infarkte in den Lungen, der Milz und den Nieren. In der Cerebrospinalflüssigkeit und in dem plenritischen Exsudat konnten mikroskopisch Influenzabazillen nach- gewiesen werden, jedoch war eine Züchtung wegen der schon vor- geschrittenen Fäulnis nicht möglich. Dagegen war in dem zweiten Fall, der sich neben schweren Gehirn- erscheinnngen durch eine deutliche Milzvergrößerung auszeichnete und bei dem in dem blutigen Auswurf zahlreiche Influenzastäbchen sich nachweisen ließen, in den eiterigen Herden der basalen Leptomeningitis sowie in der blutig-serösen Flüssigkeit der Seitenventrikel sowohl im Ausstrichpräparat als auch durch die Züchtung der Nachweis der spe- zifischen Stäbchen erbracht worden und wurde so ohne weiteres die Diagnose gesichert. Die Stäbchen fanden sich fast in Reinkultur vor und waren im Ausstrichpräparat aus der Leiche teils frei, teils in die Eiterzellen eingeschlossen. Sehr interessant und lehrreich war der dritte Fall insofern, als hier innerhalb drei Tagen unter schwerem Koma und unter choleraähnlichen Erscheinungen der Tod eintrat. Bei der Obduktion fand sich ein blutig- seröser Erguss in die Ventrikel des Gehirns, sowie eine Vermehrung der Cerebrospinalflüssigkeit. In dieser waren mikroskopisch wie kulturell neben Staphylokokken und Streptokokken reichlich Influeuzabazillen enthalten. Bei einem Kulturversuch aus dem Sinusblut, der Herzbeutel- flüssigkeit und dem Herzblut waren nur vereinzelte Streptokokken ge- wachsen. In Paraffin- und Celloidinschnitten durch das Gehirn waren dagegen fast ausschließlich Influenzabazillen zu sehen und zwar sowohl in den Blut- und den Lymphgefäßen als auch in dem Protoplasma der Ganglienzellen; »einzelne Gebiete der Gehirnrinde waren geradezu von Influenzabazillen wie infiltriert;. Ferner fanden sich diese kleinen Stäb- chen in dem verlängerten Mark, im Epithel und Lumen des Zentralkanals, in dem Inhalt der Lungenalveolen in reichlichen Mengen, sowie in dem zähen eitrigen Schleim der Bronchien. Auch in dem Zwischengewebe des Pankreas, in der Leber und in den periportalen Lymphdrüsen, sowie in den geraden Harnkanälchen der Niere, ohne dass hier eine reaktive Entzün- dung vorhanden gewesen wäre, konnten die kleinen Influenzabazillen nach- gewiesen werden. In reichlicher Menge sah man sie in Schnitten durch den Dünndarm, namentlich zwischen dem abgehobenen Drüsenepithel 394 M. Beck, und der Basalmembmu der Darmschleimbaut. Auf welchem Wege die PFEiFFERseheu Stäbchen bei diesem Falle in das Zentralnervensystem eingewandert waren, diese Frage musste zunächst noch eine offene bleiben. Jedoch scheint es Pfuhl am Avahrscheinlichsten, dass die Einwanderung von der Nase und deren Nebenhöhlen aus geschah, und dass es sich in erster Linie um eine lymphatische Infektion handelt, und erst in zweiter Linie eine Infektion der Blutgefäße folgte. Diese Untersuchungen Pfuhls werden gewissermaßen ergänzt durch eine schon früher von ihm, in Gemeinschaft mit Walter 102 beraus- gegebene Abhandlung. Hier wird wiederholt darauf aufmerksam ge- macht, dass bei regelrechter und gewissenhafter Untersuchung die Ansicht, dass die Influenzabazillen häufig ihre Eintrittsstelle überschreiten und namentlich im Gehirn sich lokalisieren, zu Recht bestehen müsse. Diese Erfahrungen wurden namentlich bei einer kleinen unter dem Militär in 0. vom Juli bis Dezember 1895 herrschenden Influenzaepidemie ge- sammelt. Hier waren eine Anzahl gleichartiger, unter dem Bilde einer akuten Cerebrospinalmeningitis verlaufender Krankheitsfälle vorge- kommen. Unter der Civilbevölkerung herrschte ebenfalls die Grippe mit vorwiegender Beteiligung des Zentralnervensystems. Die ersten Krankheitsfälle unter dem Militär verliefen in wenigen Stunden tödlich, zwei Monate darauf folgten vier weitere Fälle und 6 — 8 Wochen später noch 35, von denen zwei am siebenten resp. am vierten Krankheitstage tödlich verliefen und zwar ergab die Sektion in beiden Fällen eitrige Me- ningitis. In dem Sinusblut, sowie in dem Meuingealeiter waren mikro- skopisch und kulturell Influenzabazillen nachgewiesen worden. In einem dritten unter denselben Erscheinungen ebenso verendenden Falle, war das Rückenmark in MüLLERSche Flüssigkeit eingelegt worden, nachträglich konnten jedoch in dem breiigerweichten Gew^ebe im Deckglasausstrich- präparat unzweifelhaft die PFEiFFERschen Bazillen nachgewiesen werden, die zwischen den einzelnen Detritusmassen lagen. Auch Ausstriche von den Kapillaren der Rückenmarkshäute zeigten zahlreiche Influeuzastäbchen. Bei einem weiteren Patienten, der unter ähnlichen Symptomen er- krankt war, war Genesung eingetreten. Zur Züchtung der Influenzabazillen wurden, dies möchte ich bei dieser Gelegenheit hier anführen, von Pfuhl und Walter Agarplatteu empfohlen, auf denen nach der Erstarrung das Blut ausgestrichen wird. Auf die so vorbereiteten Platten wurden die zu untersuchenden Objekte mit einer feinen Platinnadel aufgestrichen und gleichmäßig verteilt. Auf diese Weise lassen sich die Platten leichter unter dem Mikroskop unter- suchen und die Kolonieen besser abimpfen; insofern hat diese Methode einen gewissen Vorzug vor der PFEiFFERSchen des schräg erstarrten Blutagars, jedoch trocknen die Platten zu rasch ein, und werden da- durch unbrauchbar, sie müssen also vor jedesmaligem Gebrauch längstens 24 Stunden vorher hergestellt werden. In einer neueren Arbeit beschreibt Pfuhl 102 .i z^yei weitere ähnliche Fälle. In dem einen handelt es sich um einen rasch tödlich verlaufenden Fall, der anscheinend einer Allgemeininfektion von Influenza zuzurechnen ist und wo sowohl in dem hämorrhagischen Erweichungshcrd des Klein- hirns, in der Gehirnhöhlenflüssigkeit sowie in den Subarachnoidealräumen und den Ganglienzellen des Großhirns Influenzabazillen mikroskopisch und z. T. auch durch Züchtung naclmewiesen werden konnten. Bei dem zweiten Falle, der unter den typischen Erscheinungen einer Cerebrospinalmeningitis in den Tod ausging, ließen sich die Inflnenzabazillen Influenza. 395 durch Züclitiiui;' iu der bei der Lumbalpunktion entleerten Flüssigkeit konstatieren. Weitere Iieiträge zur Lehre der Cerebrospinalmeningitis bei Influenza liefern Coknil & Dürante i"^, welche in dem Eiter der Pia mater bei einer unter den Erscheinungen der Meningitis cerel)rospinalis gestorbenen Frau Influenzabazillen fanden. Sie halten daher diese Bakterien für die Erreger der Krankheit. Ferner berichtet Kamen ^^^ über drei Fällen vonCerebrospinalmeningitis bei Influenza. In dem ersten Falle, der mit hochgradiger Nackenstarre einherging sowie in dem zweiten, das Bild eines Influenzatyphoids dar- bietenden Falle, waren die Influenzabazillen nur im Nasen- und Rachen- sekret nachgewiesen worden, so dass es zweifelhaft blieb, ob die Meningitis durch Sekundärinfektion oder durch eine Verbreitung der Influenzabazillen auf dem Lymphwege hervorgerufen wurde. In dem dritten tödlich ver- laufenden Falle dagegen ergab die Sektion eine akute eitrige Cerebro- spinalmeuingitis. Die Influenzabazillen waren iu diesem Falle iu reich- licher Menge in dem Luugensaft nachzuweisen, in dem Meningealeiter fand sich ausschließlich Staphylococcus pyogenes albus. Also auch wieder ein Fall, wo die Influenzabazillen verschwunden sind und auf dem von ihnen vorbereiteten Boden Eitererreger sich angesiedelt haben, Im übrigen macht Kamen in dieser Arbeit auf den schon früher von ihm betonten staffeiförmigen Fieberabstieg auch bei komplizierten Influenza- fällen aufmerksam. Einen ähnlichen tödlich verlaufenden Fall beschreibt auch Peucker i^s^ wo neben einer Meningitis bei der Obduktion eine Otitis media, lobuläre Pneumonie und fibrinöse Pleuritis konstatiert wurde. In dem Lungen- saft, dem Ohreiter und dem Eiter der Meniiigitiden waren Influenzabazillen mit vereinzelten Kokken vorhanden. Hierher darf vielleicht auch ein von Slawyk ^"ß beschriebener Fall von Allgemeininfektion mit Influenzabazillen gerechnet werden. Ein neun Monate alter Knabe erkrankte unter dem Bild einer Meningitis cere- brospinalis epidemica. Während der Erkrankung zeigten sich Abszesse am rechten Handgelenk, dem linken Fußgelenk und dem rechten Knie. In diesem Abszesseiter, sowie in den durch Lumbalpunktion entleerten dünnen Eiter der Meningen waren reichlich Influenzabazillen enthalten. Nach der Obduktion fanden sich die PFEiPEERScheu Stäbchen reichlieh in Schnitten durch die Lunge, so dass hier wohl auch wie in dem Falle von Peucker die Eingangspforte für die Krankheitserreger gesucht werden darf. Darminfluenza. Wenn im allgemeinen die Erscheinungen von selten des Verdauungs- tractus bei der Influenza nur geringfügiger Natur sind und sich meist auf gastrische Störungen sowie vorübergehenden Appetitmangel beschränken, Erscheinungen, die in vieler Hinsicht mit der infolge der Influenza auf- tretenden Temperatursteigerung zusammenhängen, so kommen doch nicht selten auch bedenkliche Zustände vor, die im Anfange direkt an typhöse Zustände erinnern. Diese Täuschung ist um so mehr entschuldbar, als diese Form der Influenza häufig mit Fieber, heftigen Diarrhöen, trockener Zunge und häufig sogar mit Roseolen eiuhergeht. Nach der Sammelforschung *^^ sind in 34,9^ der Influenzafälle Diarrhöen beobachtet worden, nach dem Heeresbericht •5'' sind unter 55,263 Influenzafällen nur 19 mal schwere Darmentzündungen verzeichnet. Ohne hier auf die klinischen Symptome 396 M. Beck, weiter einzugehen, möchte ich nur anführen, dass während der großen Pandemie auch bei dieser gastrischen Form der Influenza sowohl ein- lache Darmblutungen als auch schwere ulzeröse resp. hämorrhagische Erkrankungen der Magen- und Darmschleimhaut vorgekommen sind. Als Folgeerscheinungen finden wir dann auch Typhlitis und Perityphlitis, sowie Peritonitis mit fibrinösem und eitrigem Exsudat. Augenscheinlich traten, wie dies auch bei der katarrhalischen Form beobachtet wurde, die gastrischen Formen an einzelnen Orten gehäuft auf. So beschreibt Wör- XER 1^2 eine Epidemie von »Infiuenza typhosa«, die in wenigen Tagen 68 ^ der Besatzung derBurg Hohenzollern ergriffen hatte. Neben heftigen AU- gemeinerscheinungeu bestand in einigen Fällen Erbrechen und starker Durchfall, bei 6 Patienten trat ein roseolaartiger Ausschlag auf. Als Komplikation war in einem Falle Pneumonie und eitrige Mittelohrent- zündung, ferner einmal Pleuropneunomie und dreimal trockene Brust- fellentzündung beobachtet worden. Bei einem Patienten, der unter den Erscheinungen einer hämorrhagischen Diathese starb, fanden sich bei der Obduktion Blutungen in der Muskulatur des rechten Armes, des Oberschenkels und des Unterschenkels, ferner in der Schleimhaut des Magens, Darmes und des Nierenbeckens, Uvula, Kehlkopf und Luftröhre. Typhusähnliche Erscheinungen bei Influenza mit Diarrhöe, Milz- schwellung, Ileocökalgurren und Meteorismus wurden auch im Institut für Infektionskrankheiten in dem Jahre 1893 und 1894 wiederholt be- obachtet, wie ich in einem Sammelreferat ^"^^ erwähnte. Durch den Xach- w^eis der spezifischen Influenzastäbchen in dem charakteristischen Sputum der die Darmerscheinungen begleitenden Bronchitis konnte jedoch die Aetiologie der Erkrankung festgestellt werden. Aehnliche Fälle beschreibt auch Kajiex^^ als Influenzatyphoid, wo nur durch den Befund der luflueuzabazillen im Sputum die Diagnose gesichert werden konnte. Einen Fall von Influenza, der sich unter dem Bilde eines schweren Typhus exanthematicus darstellte und bei dem im Auswurf wiederholt Influenzabazilleu nachgewiesen werden konnten, hat Doxa i^^ beschrieben. An dieser Stelle möchte ich noch einen von Wkishacii^i" beschrie- benen Fall von Influenza erwähnen, wo unter allgemeinem Icterus der Tod erfolgte und in den pneumonischen Herden durch den Nachweis von Influenzabazilleu die Diagnose festgestellt wurde. Von verschiedenen Autoren, so namentlich auch von Bäujiler wurde Icterus oder wenig- stens ikterische Färbung der Sclera als ein häufiges Symptom der In- fluenza hingestellt. Bäumler fand diese Erscheinung in 88,5^ bei Männern und 76,8^ bei Frauen und hält sie für ein diagnostisch wichtiges Symptom und als ein für den Krankheitsvorgang bedeutsames Zeichen. Von anderen Seiten, so namentlich von Leiciitexsterx wird Icterus jedoch nur selten beobachtet und ihm demgemäß auch keine allgemein pathoguomonische Bedeutung beigelegt. Jedenfalls dürfte es sich, wie in dem erwähnten Falle von Weisbacii meist um einen häma- togenen, durch den Untergang von roten Blutkörperchen bedingten Icterus handeln, der als eine Wirkung der Influcnzatoxine aufzu- fassen ist. Chronische Influenza. Bei der Besprechung der Influenzapneumonie ist schon auf den Aus- gang derselben in Abszessbildung und Gangrän hingewiesen Avorden. Bei den Obduktionen konnten wir uns wiederholt von der Bildung kleiner Influenza. 397 oder größerer Broucliiektasieen überzeugen, die sich während der Krankheit auf der Basis einer Influenzabronehitis entwickelt hatten, so dass bei Druck auf die Bronchien gelbe Eitermassen sieh entleerten, die bei mikro- skopischer Untersuchung aus Eiterzellen mit zahlreichen Influeuzabazillen bestanden. Und zwar waren in solchen Fällen die Stäbchen vorwiegend in den Eiterzellen gelegen. Auch klinisch wurde diese letztere Erschei- nung von uns bei Influenzakranken wiederholt beobachtet. Es waren dies diejenigen Kranken und Eekonvaleszenten, die sich nur langsam erholten und wo namentlich des Morgens reichliche Mengen des charakteristischen Sputums entleert wurden, in dem es von Influenzabazillen geradezu wim- melte. Dieser Zustand, der wochen- ja monatelang anliielt, lässt darauf schließen, dass in den erkrankten Lungenpartieen noch lokale Herde fortbestehen, von denen aus das Influenzatoxin seine Wirkung entfalten kann. Ich entsinne mich namentlich eines Mannes, der mehrere Jahre jeden Herbst und jedes Frühjahr in die Krankenabteilung des Instituts für Infektionskrankheiten aufgenommen wurde, und bei dem durch das Fehlen von Tuberkelbazillen und die wiederholte negative Tuberkuliuiujektion tuberkulöse Veränderungen ausgeschlossen werden konnten. Der ziemlich kräftige Patient hatte im Anfang stets leichte abendliche Temperatur- steigerungen und entleerte massenhafte Mengen (täglich bis zu 500 cm) des charakteristischen Influenzasputums mit Reinkultur der Influenza- stäbchen. Unter geeigneter Behandlung ließen die Fiebererscheinungen nach, die Menge des Sputums wurde immer weniger, schließlich wurden nur noch morgens ein oder mehrere Ballen zähen gelben Sputums entleert, in denen immer noch Influenzabazillen in reichlicher Anzahl vorgefunden wurden. Erst nach 8—10 Wochen war der Patient, der sich nur langsam erholte, bazillenfrei und wieder so weit hergestellt, dass er seiner Arbeit nachgehen konnte. Klinisch zeigten sich über beiden Limgen während der Erkrankung reichliche grobl)lasige klingende Easselgeräusche, sowie die Symptome, welche auf das Vorhandensein von kleineren Höhlen schließen ließen. Diese Erscheinungen die sicher häufiger als man für gewöhnlich annimmt, vorkommen, sind auch von Leichtexstern -^^ beobachtet worden : auch er konnte die Wahrnehmung machen, dass solche »Fälle von Bronchialerweiterung sich lange, Wochen und Monate hinziehen und dennoch mit voller Pestitutio ad integrum endigen. Infolge der Bronchial- ervveiterung kann es auch zu fötider, putrider Bronchitis kommen«. An einer anderen Stelle führt dies Leichtexsterx in seinem be- kannten klassischen Werke über Influenza '^ (S. 107) bei der Bespre- chung der Ausgänge der Influenzapneumonie weiter aus: »In anderen Fällen freilich kommt es zu bleibenden und laugsam fortschreitenden Veränderungen, zu chronisch interstitiellen, indurativen Pneu- monieen mit bindegewebiger Veränderung größerer Lungeuabschnitte, imter Bildung von bronchiektatischen Kavernen; daneben spielen sich unter dem Einfluss von Staphylokokken und Streptokokken« — diese sind übrigens nach unseren Ausführungen nicht immer notwendig — »eitrige, nekrotisierende, ulzerierende Prozesse ab. Wir hatten Clelegenheit zwei dieser Fälle von der akuten Influenza- attacke an bis zu dem zwei Jahre später erfolgenden Tode anhaltend zu beobachten. Immer wieder erhob sich am Kraukenbette die Frage, ob es sich nicht um tuberkulöse Prozesse handle, wofür der physika- lische Befund, die Sputa, die Temperaturkurve und das Aussehen der Kranken sprachen; aber immer wieder veranlasste uns das gänzliche Fehlen der Tuberkelbazillen im Auswurf an unserer Diagnose, der 398 M. Beck, durch Influenza veranlassten chroniscli-iiidurativen und ulzerösen Pneu- monie, festzuhalten. Die Sektion bestätigte diese Auffassung in vollem Umfange, indem zwar eine dem grol)en Aussehen nach mit gewissen indurativen Formen der Lungentuberkulose identische Lunge zum Vor- schein kam, aber ohne Tuberkelknötchen. Die mikroskopische Unter- suchung stellte weiterhin die Abwesenheit von Tuberkelbazilleu fest. Analoge Fälle, teils mit teils ohne Sektion, sind von Teissier, Fixkler und Netter beschrieben worden. Letzterer konnte in einem 14 Monate dauernden Falle die grippale Natur der chronischen Pneumonie durch den konstanten Nachweis des Influcnzabacillus im Sputum, bei Ab- wesenheit des Tuberkelbacillus, feststellen. Schon Peeiffer hatte bei solchen chronisch-indurierenden Pneumonieen im Ausstrichpräparate an- haltend die Influenzabazillen wahrgenommen«. Nach FilatüffI" sind alle diejenigen Fälle von unkomplizierter In- fluenza, die sich über 1 Monat hinaus erstrecken, als chronische Influenza anzusehen. Die Bedenken gegen das Vorkommen solcher Fälle lassen sich durch den Nachweis der Influenzabazilleu widerlegen, eine nähere klinische Begrenzung fehlt jedoch für diese Art der Erkrankung. Fila- toff, der solche chronische Fälle namentlich bei Kindern zu beobachten Gelegenheit hatte, unterscheidet 2 Haupttypen. Der erste ist ein solcher mit beständigem 3 Wochen bis 5 Monate anhaltendem remittierendem oder intermittierendem Fieber, das mit Schüttelfrost einsetzt und unter Schweiß- ausbruch abfällt. Jedoch kann das Fieber auch fehlen, der Verlauf ist paraxysmusartig (Frösteln, Schwäche bei einer Temperatur von 37,2 bis 37,4°); dazu kommen noch Husten, Gliederschmerzen u. a. Zu dem zweiten Haupttypus werden die hartnäckigen, jahrelang in verschie- denen Zeiträumen, mit rapid ansteigendem Fieber verlaufenden Fälle von 1— 3tägiger Dauer des Fiebers gerechnet. Wenn auch diese chronischen Krankheitserscheinungen bei vorher ganz gesunden Personen auftreten, so beobachtet man doch gerade bei chronisch Lungenkranken, namentlich Emphysematikeru und Phthysi- kern, diese lang sich hinziehende Form der Influenza. Hier giebt wieder vor allem der Nachweis der lufluenzabazillen im Sputum Auf- schluss. Solche Lungen mit unter Umständen ausgedehnten Kavernen bilden einen Locus minoris resistentiae für die Influenza. Ich selbst hatte wiederholt Gelegenheit, bei Phtliisikern, die man nach einem bekannten Höhenkurort geschickt hatte und die vorher keine Influenza- bazillen im Ausw^urf hatten, bei der Pückkehr in dem Sputum Influenza- bazillen zu konstatieren; wie aus der Krankengeschichte hervorging, hatten dieselben sämtlich im Anfauge ihres dortigen Aufenthalts einen mehr oder weniger heftigen Influeuzaanfall durchgemacht und später lange Zeit, einige zum Teil jahrelang, die Influenzabazillen in ihrer Lunge mit herumgetragen. Die physikalischen Symptome waren meist wenig charakteristisch, die Temperatur häiifig hektisch, in mehreren Fällen war nur subfebrile Temperatur oder keine Temperatursteigerung zu konstatieren. In der Pegel ließ aber der charakteristische kopiöse zähschleimige grünlichgelbe Auswurf auf eine Komplikation schließen, und dann konnten neben den Tuberkelbazillen auch die spezifischen In- fluenzastäbchen durch die mikroskopische Untersuchung sowie kulturell nachgewiesen werden. Selbstverständlich muss eine solche Komplikation den weiteren Verlauf der Tuberkulose infolge der Konsumption der Kräfte ungünstig beeinflussen. Außerdem wirken aber auch die lufluenza- bazillen auf den fortschreitenden Zerstörungsprozess in den Lungen ein. Influenza. 399 insofern als sie au sich schon nekrotisierend wirkend die Eiterungs- prozesse und auch die Verkäsuug- in den tuberkulösen Lungen begünstigen. Ein Blick auf die Mortalitätstabellen während der Influenza epidemieen zeigt schon die ganz enorme Zunahme der Sterbefälle unter denPhthisikern. Sie nahmen nach Friedrich '^ in Berlin, Hamburg, Dresden und München ganz beträchtlich zu; in Orten mit über 15000 Einwohnern stiegen die Sterblichkeitsziffern an Lungenschwindsucht auf 3,6 — bf)% . »Doch wurde dies später durch ein gleichmäßiges anhaltendes Sinken derselben in den Monaten Mai bis Oktober 1890, ja anscheinend noch während der Mo- nate Januar bis Oktober 1891 ausgeglichen«. Die Folge war, dass das Erlöschen der Epidemie sich fast allgemein durch eine geringe Ver- minderung der Mortalität dokumentierte, namentlich sank die Schwind- suchtsterblichkeit so, dass im Jahre 1890 die Gesamtschwindsuchtsterb- lichkeit nur eine ganz geringe Steigerung über die Durchschnittsziffer aufweist. Die Influenza hatte gleich bei ihrem Einzug, hauptsächlich unter den Phthisikern, ihre Opfer gesucht, die sonst noch längere Zeit hätten ihr Leben fristen können. AVenn man früher glaubte, um dies hier noch anzuführen, dass während des Herrschens größerer Endemieen ein Auftreten anderer In- fektionskrankheiten, wie Masern, Scharlach, Diphtherie u. a., verhindert werde, so triff't dies bei der Influenza, wenigstens nach den Erfahrungen der letzten großen Epidemie, nicht zu. Friedrich kommt in seiner großen statistischen Arbeit zu dem Ergebnis, dass aus der Gesamtzahl der Beobachtungen sich mit Sicherheit entnehmen lasse, dass eine Wechselbeziehung zwischen der Influenza und dem Auftreten anderer Infektionskrankheiten während der Epidemie 1889/90 nicht bestanden habe, und Wutzdorff^ kommt gleichfalls zu dem Schluss, dass die Influenza einen Einfluss auf die Ausbreitung anderer Infektionskrank- heiten im allgemeinen nicht ausgeübt hat. Eine eigentümliche Erscheinung, die ich hier nicht unerwähnt lassen möchte, ist der häufige Befund von Influeuzabazillen bei Masernkranken während der Influenzaepidemieeu. AVährend meiner Untersuchungen im Jahre 1892 fand ich sowohl im Nasensekret, wie auch in dem Auswurf von Masernkrauken Influenzabazillen in reichlicher Menge. Im Verlauf der Krankheit fand ich keinen Unterschied gegen sonst. Ich fasse dies als eine zufällige Komplikation auf, denn spätere Untersuchungen nach Ablauf der Epidemie fielen negativ aus. Aehnliche Beobachtungen be- schreibt auch SiJsswEiN^i2 YjY fand bei 21 masernkrauken Kindern im Nasensekret und bei Gestorbenen im Bronchialeiter, sowie in dem pneu- monischen und pleuritischeu Exsudat Influenzabazillen im ganzen 10 mal und hatte sie durch das Kulturverfahren identifiziert. Der Verlauf der Masern wird nach seiner Beobachtung durch die Influenza ungünstig beeinflusst, und er regt daher an, was eigentlich als selbstverständlich gelten kann, die Masernkranken mit Influeuzabazillen von den an un- komplizierten Masern leidenden Krauken abzusondern. Es dürfte daher bei dieser Gelegenheit mir auch gestattet sein, in wenigen Worten auf die durch die Entdeckung des Influenzabacillus sowie dessen biologische Eigenschaften sich aufbauende Prophy- laxe hier noch einzugehen. Wenn auch durch die frühzeitige Erkennung der Krankheit mittels des mikroskopischen Nachweises der Influeuzabazillen im Nasensekret, Auswurf u. s. w. oder mittels des Kulturverfahrens geeignete Vorkeh- rungen (Isolierung u. s. w. der Kranken) gegen die weitere Ausbreitung 400 M. Beck, getroffen werden können, so wird diese Methode zur Unterdrückung- der Seuche keineswegs ausreichen. Zur Bekämpfung des Typhus und der Cholera hat sich die rechtzeitige mikroskopische und kulturelle Fest- stellung der ersten Krankheitsfälle, namentlich aber auch der Nachweis der spezifischen Krankheitserreger bei den leichten und ambulatorischen Fällen mit daran sich anschließender Isolierung der Kranken und Ver- dächtigen glänzend bewährt. Wie sollten aber solche Maßregeln bei der InÜuenza durchgeführt Averden? Diese Krankheit verläuft so häufig unter scheinbar so geringen allgemeinen Symptomen, einem Schnupfen, leichtem Bronchialkatarrh, Glieder- und Muskelschmerzen, Avie sie haupt- sächlich als sogenannte Erkältungskrankheiten vorkommen, dass der betreffende Patient es nicht für nötig erachtet, ärztliche Hilfe in An- spruch zu nehmen. Und doch sind meines Erachtens gerade solche Fälle, wie auch bei Typhus und Cholera, diejenigen, welche am ehesten die Krankheit weiter verbreiten. Mit jedem Hustenstoß, namentlich aber auch mit dem Niesen, werden viele Infektionserreger in die Umgebung geschleudert und können wieder direkt oder indirekt in die Atmungs- organe der Umgebung gelangen. Gegen Austrocknen sind die Influenza- bazillen sehr empfindlich, gehen sie doch im Sputum bei Zimmer- temperatur schon nach 24 — 36 Stunden zu Grunde. Man muss also schon eine Kontaktinfektion durch fein verteilte, die Bazillen enthaltenden Tröpfchen, wie das auch Flügge ^3 tliut, an- nehmen. Demgegenüber wird die Ansteckung durch infizierte Waren, wenn diese Art der Verschleppung auch nicht von der Hand zu weisen ist, doch eine relativ seltene sein. Anders verhält es sich aber mit Wäschestücken, namentlich Taschentüchern, Leib- und Bettwäsche, sowie mit Ess- und Trinkgeschirren, wo die Bazillen mit Sputumbröckchen vermischt in feuchtem Zustande sich lange Zeit ansteckungsfähig er- halten können. Wird man aber durch Isolierung der Kranken viel erreichen? Bei dem raschen Umsichgreifen der Seuche wird dieselbe wohl kaum großen Erfolg erwarten lassen. Jedenfalls dürfte aber durch Desinfektion der Bett- und Leibwäsche, namentlich der Taschentücher, durch gründliche Keinigung der Ess- und Trinkgeschirre mit heißer Sodalösung event. durch Desinfektion der Wohnung, der weiteren Verbreitung in der Familie eines Infiueuzakranken Einhalt gethan werden. Jedenfalls müsste aber in Krankenanstalten darauf gesehen werden, dass die Kranken und Verdächtigen isoliert und hauptsächlich nicht mit anderen Lungen- kranken, namentlich Ththisikern in Berührung kommen, da gerade bei diesen die Influenza sehr gefährlich werden und im günstigsten Falle einen chronischen Verlauf nehmen kann. Ob ein persönlicher Schutz durch Desinfektion des Mundes und Nasenausspülungen mit Mundwässern, Menthol u. s. w. gewährt wird, möchte ich dahingestellt sein lassen. Jedenfalls können aber diese Ausspülungen nichts schaden, empfehlens- wert wären sie al)er jedenftills für die Kekonvaleszenten , wo die in dem Nasenrachenraum befindlichen Influenzastäbchen doch schon in ihrer Virulenz abgeschwächt sind. Empfehlenswert wäre es ferner für alle Fälle, während einer Influenza- epidemie durch gemeinverständliche Belehrungen das Pul)likum auf die Gefahr der Erkrankung hinzuweisen, welche namentlich bei sorgloser Nichtbeachtung derselben erfolgen kann, außerdem aber vor schädlichen Arzneimitteln, die in Menge während der Epidemie angepriesen zu werden pflegen, zu warnen. Inflnenza. 401 Ob eine zweckmäßige Immunisierung- für die Influenza zum Ziele führt, scheint nach den bisherigen Erfahrungen, die in dieser Beziehung- gemacht sind, noch in weiter Ferne zu liegen, wie an anderer Stelle weiter ausgeführt w^erden soll. Litteratur. 1 Sydenham, The epidemic coughs of the year 1675, with the Pleurisy and Peripneumonie that snpervened. 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Pseudoinfluenzabazillen. Bei Bronchitiden imcl Bronchopneiimonieen, namentlich des Kindes- alters, war sowohl während der Influenzaepidemie 1892, als besonders nach derselben Pfeiffer '^^ auf kleine Stäbchen gestoßen, die große Aehnlichkeit mit seinen Influenzastäbchen hatten. Sie sind gleichfalls sehr klein, mit abgerundeten Ecken, zeigen Polfärbung, nur sind sie etwas dicker wie die Influenzabazillen. Wegen dieser Aehnlichkeit hat sie auch Pfeiffer als »Pseudoinfluenzabazillen« bezeichnet. Offenbar gehören diese Pseudoinfluenzabazillen zusammen mit den Influenzabazilien zu einer Gruppe kleinster Bazillen, die sich der Größe nach unmittelbar an die Bakterien der Geflügelcholera, der Schweine- seuche u. s. w. anschließen und die wir glauben, hier kurz skizzieren zu dürfen. Während die einzelnen Bakterien dieser Gruppe der influenza- bazillenähnlichen Stäbchen in ihren morphologischen Verhältnissen viel Aehnlichkeit miteinander haben, so gleichen sie sicli doch nicht in ilirem biologischen Verhalten. Ueber die Pseudoinfluenzabazillen sagt Pfeiffer: »Von besonderem Interesse waren 3 Fälle von Bronchopneumonie, welche sich als Kom- plikationen bei diphtheritiskranken Kindern eingestellt und zum Exitus geführt hatten. Schon makroskopisch erinnerten die Lungenherde auf- fällig an die lufluenzapneumonie. Bei den mikroskopischen Unter- suchungen fanden sich in Ausstrichpräparaten neben vereinzelten Diphtheriebazillen und etwas zahlreicheren Streptokokken feine Stäbchen in sehr großen Mengen, die überwiegend gruppenweise in dem Proto- plasma von Eiterzellen gelegen waren. Diese Stäbchen waren durch Form und Tinktion von den Influenzabazillen kaum zu unterscheiden, nur sahen sie im Durchschnitt etwas größer aus. Auch in Kulturen zeigten sie das Verhalten der Grippeerreger. Sie wuchsen ausschließlich auf Blutagar und bildeten Kolonieen, die bis ins kleinste Detail den Influenza- kolonieen glichen. Trotzdem fanden sich bei näherer Untersuchung- typische Wachstumsdifferenzen, welche eine Trennung der echten und der »Pseudoinfluenzabazillen« ermöglichten. Diese Unterschiede treten am besten hervor in 24 Stunden alten Kulturen auf menschlichem Blutagar. In Deckglaspräparaten, welche von derartigen unter möglichst identischen Bedingungen gewachsenen Kulturen hergestellt werden, er- scheinen die Pseudoinfluenzastäbchen nach allen Dimensionen erheblich größer als die echten Grippemikroorganismen. Dabei zeigen sie eine ausgesprochene Neigung zur Bildung längerer Scheinfäden, während solche in gleich alten Kulturen der echten Bazillen entweder ganz fehlen oder in sehr vereinzelten Exemplaren vorkommen. — Diese Formdiöerenzen sind so konstant und so erheblieh, dass sie selbst dem ungeübten Beobachter auftiillen müssen.« 26* 404 M. Beck, Also diese Ei2,eutümlichkeiten: die etwas größere Form und die Neigung" in Kultur Scheintaden zu bilden, sind die einzigen cliarakteristisclien Merk- male der Pseudoiutluenzabazillen gegenüber den echten Influenzastäbchen. Auffallend ist es immerbin, dass wir später diesen Pseudoinfluenza- bazillen in der Litteratur so wenig begegnen. Sollten sie nicht wegen ihres charakteristischen Wachstums auf Blutagar in vielen Fällen direkt für Influenzabazillen angesehen worden sein? Direkt erwähnt werden sie nur von H. Kossel^^^, Hartmann ^^^^ jj^e. LiCKE^iß und Cantani. Kossel fand in dem eitrigen Sekret der Pauken- höhle bei Mittelohreiterungen von Säuglingen in der Hälfte der bakteriell untersuchten 38 Fälle »feinste kurze Stäbchen, oft so kurz, dass sie wie Kokken aussahen« und die er für identisch hält mit den PpEiFFERSchen Pseudoinfluenzabazillen wegen ihres üppigen Wachsturas und der großen Neigung zur Bildung von Involutionsformeu auf menschlichem Blut. Ich selbst habe diese Bazillen nur zweimal wiedergesehen und ge- züchtet aus dem Nasen- und Rachensekret von 2 Fällen von Typhus exanthematicus. In dem Deckglasausstrichpräparat fand ich reichlich kleinste Stäbchen, die ich zunächst für Influenzabazillen hielt. In dem Ausstrich von der Kultur auf Blutagar — die Stäbchen wachsen nicht auf anderen Nährböden — bot das Gewirr der verschlungenen Fäden ein ganz eigentümliches Bild dar. Die Pseudoinfluenzabazillen sind wie die echten Influenza- bazillen unbeweglich, färben sich nicht nach Gram, wachsen nur bei höherer Temperatur und nur auf hämoglobinhaltigen Nährböden, w^o sie wie diese wasserhelle, zarte, kleine, tautropfenähnliche Kolonieen bilden, lieber Tierversuche wird nichts berichtet. Offenbar scheinen sie aber für Menschen pathogen zu sein, da sie sich bei Bronchitiden sowie bei eitrigen Katarrhen im Mittelohr vorgefunden haben. Ob man sie mit den echten Influenzabazillen identifizieren soll, wie dies Pielicke und Cantani thut, halte ich, solange die Eigenschaften des Pseudoinfluenzabacillus noch nicht genauer studiert sind, für nicht gerechtfertigt. Und ich muss es daher für zweckmäßiger ansehen, denselben vorerst für einen nahen Verwandten des Influenzabacillus anzusehen, nicht aber mit demselben gleich zu erachten. Außerdem giebt es aber noch eine Eeihe von Bazillen, die in ihrer Form und Kleinheit mit den Influenzabazillen große Aelmlichkeit haben. Diese Bakterien lassen sich jedoch im allgemeinen mit Leichtigkeit durch ihr verschiedenes Wachstum auf den gewöhnlichen Nährböden von den Influenzabazillen unterscheiden. So fanden Pfeiffer und ich^'^ in dem Kaverneninhalt von einem Phthisiker Stäbchen von ' der Größe und Form der Influenzabazillen, die sich jedoch durch ihr anaerobes Wachstum ohne weiteres von diesen unterscheiden ließen, bei Kaninchen verursachten sie dickeitrige Auflagerungen auf der Pleura. Ferner fanden sich in zwei Fällen von puerperaler Sepsis in dem stinkenden, eiterigen Peritonealexsudat influenzaähnliche Stäbchen in großer Menge, die sich gleichfalls durch die Züchtung unterscheiden ließen. Wohl dieselben winzigen Stäbchen, die sich gleichfalls durch das Wachstum auf gewöhnlichem Agar auszeichneten, isolierte ich neben echten Influenza- bazillen aus einem durch mehrere Monate sich hinziehenden, auf einer vernachlässigten Influenzapneumouie sich aufbauenden jauchigen, eitrigen Erguss in das Brustfell, der, durch Rippenresektion wiederholt entleert, schließlich zum Tode führte. Ein ebenfalls zu dieser Gruppe gehöriges, sehr kleines Stäbchen habe ich l)ei einer von miri's zuerst in der Zeitschrift für Hygiene Influenza. 405 besclirieljeneu Brustseuclie der Kaninchen eingebend geschildevt. Ich hatte sehr häufig bei Kaninchen eine sehr infektiöse Fleuropneiimome beobachtet, welche durch winzige, unbewegliche Stäbchen, die sich nach Gram entfärbten und die nur wenig größer und etwa doppelt so dick waren als die Influenzabazillen, verursacht wurde. Diese Stäbchen zeigen im allgemeinen große Neigung zu laugen Fäden auszuwachsen, gedeihen aber auf den gebräuchlichen Nährböden mit Ausnahme der frischen Kartoffel. In dem pathologischen Verhalten hat diese Kaninchenkrank- heit viel Aehnlichkeit mit der menschlichen Influenza. Die Infektion geschieht durch die Atmungsorgane und beginnt mit Schnupfen und Ent- zündung der Nasenschleimhaut, die im weiteren Verlaufe eine Broncho- pneumonie, meist mit pleuritischen Auflagerungen hervorruft. Diese Bakterien bringen bei Kaninchen nach intravenöser und intrapleuraler In- fektion die gleichen Erscheinungen wie die natürliche Infektion, also in .V® iP-in 'm€9 i/ä^ii 3 4 Fig. 1. 3 Tag-e alte Kultur auf Glycerin-Agar. — Fig. 2 a. Frische Kultur auf Agar. I). Aeltere Kulturen auf Agar mit verscliiedeneii Stadien der Kapselbildung der polaren (^uellung und P^ntartung. c. Aeltere, schleimige, zerfließende Kultur. — Fig. 3. Frische Kultur auf Kartoffel. — Fig. 4. Auf Lackmus-Agar. dete oft gekrümmte parallelstellende, ungleich lange, in der Mitte blasse Stäbchen, während neben denselben dünnere, stärker gefärbte Diplo- kokken oder ovale Bakterien mit Polfärljung, andere mit kleinen eud- ständigen, metacliromatischen Körperchen oder mit größeren aber unge- färbten, glänzenden Kügelclicn auftreten. Alle diese Formen geben ein sehr wechselvolies Bild (Fig. 3). Der auf derselben Kartoffel ge- wachsene FiUEDLÄXDEusche Bacillus zeigt wesentlich dieselben Formen, doch ist dersell)e dünner, blasser, ohne lange Fäden, indem kurze, blasse, an den Enden verwachsene, gekrümmte »Stäbchen vorwiegen. Das Rhinosklerombakterium koaguliert Milch nicht, ebensowenig das FuiEDLÄXDERSche Bakterium. Beide produzieren nicht Säure, weder aus Traubenzucker noch aus Milchzucker. Das Rhinosklerom. 419 Auf Laktose findet bei keiuem der beiden Bukterieu Gasbil- dung statt. Indol wird weder von dem einen noeb von dem andern gebildet. In alten Gelatinekulturen unseres Pneumobacillus wird öfters Braun- färbung der Gelatine beobachtet, aber auch der »Rliinosklerombaeillus» verursacht manchmal eine allerdings weniger ausgesprochene dunklere Verfärbung der Gelatine. Die Kulturen beider Bakterien waren noch nach vielen Monaten lebensfähig. IV. Tierversuche. Die Kulturversuche sind nicht darnach angethan, einen wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Bazillen festzustellen. Auch unsere vergleichenden Tierversuche ließen keinen wesentlichen Unterschied zwischen den Kulturen erkennen. Allerdings wird angegeben, dass der FiiiEDLÄxDERSche Bacillus oft für Meerschweinchen in geringerer Quan- tität pathogen sei, als der Rhinosklerombacillus, während der letztere für Mäuse öfters tödlich sei als der erstere. Nach Impfung größerer Dosen in die Pleurahöhle oder ins Peritoneum erzeugt der Ehinoskle- rombacillus bei Meerschweinchen, seltener auch bei Kaninchen Pleu- ritis oder Peritonitis mit dickem, eitrigen Exsudat, in welchem Falle derselbe auch im Blut der Tiere nachgewiesen worden kann. Nach subkutaner Impfung entsteht manchmal Septikämie. In dem Exsudate, in der gewöhnlich vergrößerten Milz sowie im Blute finden sich dann die Bazillen von deutlicben Kapseln umgeben. — Im allgemeinen gaben mir verschiedene Stämme der beiden Bazillen verschiedene Resultate, namentlich eine Kultur des B. Friedl. und eine des B. Frisch hat sich für alle Versuchstiere als fast unschädlich erwiesen. Nach den Ver- suchen von DE SiMONi, welcher reichliche Mengen des B. Frisch auf die arrodierte Nasenschleimhaut tuberkulöser Menschen brachte, ohne irgend einen pathologischen Effekt zu erzielen, ist wenigstens auf diese Weise bei Menschen weder Infektion noch Bildung von Rhinosklerom zu erzielen. Die Angabe von Stephaxow, gelungene Impfversuche an Tieren, mittelst Gewebsstückcheu oder mittelst Reinkulturen nach Impfung in die vordere Augenkammer von Meerschw^einchen eine AVucheruug mit typischen MiKULiczschen Zellen, Hyalin und Bakterien erzielt zu haben, ist vereinzelt geblieben und wohl auch für die ätiologische Bedeutung des Bacillus nicht entscheidend, weil das manchmal auftretende Grauu- lationsgewebe als eine Folge des Fremdkörperreizes mit sekundärer Bazilleninvasion erklärt werden könnte und manchmal auch nach Injek- tion von FiiiEDLÄNDERschen Bazillen entsteht. Unser Rhinosklerombacillus ist nach unseren Versuchen im all- gemeinen für Tiere Avenig pathogen, doch kaum weniger als unsere Stämme des FRiEDLÄXDERSchen Bacillus. Nach Injektion von FRiEDLÄXDERSchen Bazillen in die vordere Augen- kammer des Meerschweinchens entsteht häufig Allgemeininfektion, manch- mal aber nur eine kleinzellige Wucherung, hie und da mit größereu epithelioiden Zellen und mit Bazilleneiuschlüssen. Die Wucherung ist allerdins'S nicht mit Rhinoskleromgcwebe zu verwechseln. Aehnliche Resultate erzielten wir mittelst Rhinosklerombazillen, indem wir die- 27* 420 V. Babes, selben in die vordere Augeukammer brachten; ein Teil der Tiere iiing nach Injektion von Kulturen au allgemeiner Infektion zu (Jrunde, wäh- rend sich bei einem Meerschweinchen ebenfalls eine ziemlich umschrie- bene kleine Wucherung von (rranulationsgewebe bildete, welche aber nach mehreren Wochen zurückging. Dieselbe bestand aus Granulatiousgewebe mit wenigen größeren Zellen und stellenweise mit wenigen degenerierten Bazillen in und zwischen den Zellen. Die Wucherung war jener durch den FRiEDLÄXDERSchen Bacillus erzeugten ähnlich. Stückchen von Rhinoskleromgewebe, welche wir Kaninchen in die vordere Augen- kammer oder unter die Nasenschleimhaut brachten, erzeugten eine ganz geringe Reaktion und keinerlei dem Rhinosklerom ähnliche Neu- bildung. Unsere Versuche über die Wirkung subkutaner oder peritonealer Impfung gleicher Mengen von Bacillus Friedländer und Rhinosklerom- bacillus gaben uns ganz ähnliche Resultate. Sowohl Kaninchen als Meer- schweinchen gingen nach subkutaner Injektion von 0,1 ccm gewöhnlich nach etwa 10 — 14 Tagen an Kachexie zu Grunde, nachdem an der Impf- stelle ein bald verschwindender Knoten aufgetreten war. Größere Dosen, also 1 — 2 — 3 ccm nach intraperitonealer Injektion verursachen Peritonitis und töten die Tiere nach 1 — 2 Tagen. Selbst 0,25 ccm ins Peritoneum injiziert tötet die Tiere gewöhnlich nach 2 Tagen unter peritonitischeu Erscheinungen. Die Bazillen finden sich im Exsudat gewöhnlich ohne deutliche Kapseln, die Milz ist vergrößert und enthält in Pulpazellen und auch frei einzelne Bazillen. Auch aus dem Blut können Kulturen des Bacillus erhalten werden. Mäuse gingen nach subkutaner Einbringung einer Kulturöse oft nach einigen Tagen ein, gleichviel ob Rhinosklerom oder FmEDLÄNDERScher Bacillus inokuliert wurde. Indem wir die Wirkung der löslichen filtrierbaren Produkte der beiden Bazillen untersuchten, fanden wir, dass die filtrierten Kulturen gelegent- lich heftigere pathogenere Wirkung auszulösen vermögen. Etwa 1 g einer frischen filtrierten Bazillenkultur töten Meerschweinchen und Ka- ninchen unter eigentümlichen Symptomen manchmal nach Tagen oder selbst nach Wochen. Die Tiere scheinen einige Tage hindurch gesund zu sein, magern dann schnell ab und gehen an Kachexie zu Grunde. Noch giftiger waren die auf 5 Minuten auf 70° erhitzten frischen Kulturen; 0,25 ccm wird subkutan von Kaninchen öfters gut vertragen, während Meerschweinchen wohl in Folge ihres etwa um die Hälfte ge- ringeren Gewichtes nach etwa 10 — 14 Tagen an kachektischen Er- scheinungen eingingen ; 0,5 ccm hingegen verursachte Abmagerung und etwa nach 14 Tagen bis 3 Wochen den Tod von Kaninchen unter kachek- tischen Erscheinungen. In dieser Beziehung verhält sich der Friedländkr- sche so wie derienice des Rhinoskleroms. Wenn man Meerschweinchen oder Kaninchen vorsichtig in längeren Intervallen mit solchen lösliehen Pro- dukten oder mit geringen Mengen der Kultur suljkutan behandelt und hierauf das Blutserum dieser so behandelten Tiere mit den entspre- chenden Bazillen zusammenbringt, kann nuin manchmal eine geringe Ag- glutination der letzten wahrnehmen. Leider gelang es mir aber nicht, dem Serum einen höher agglutinierenden Wert zu verleihen, indem die Tiere doch bald abmagern und zu Grunde gehen. Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass das Serum der mit Rhinosklerom behandelten Tiere in einer Bouillonkultur des FRiEnLÄNOEKSchen Bacillus etwa im Ver- hältnis zu 1 : 10 nach etwa einer halben Stunde einen' Niederschlag l)iklet und die Kultur aufklärt, während das Serum gesunder Tiere nur in Das Rhinosklerom. 421 einer doppelt starken Konzentration diese Wirkung- hervorbringt. Die- selbe Wirkung bat dieses Serum auf eine frische Kultur des Frikd- LÄXDERselien Bacillus. Auch Agglutination dieser beiden Bazillen konnte mittels Serums der vorbehandelten Meerschweinchen erzielt werden, obwohl diese Erscheinung nicht sehr deutlich ist und auch durch nor- males Serum, wenn auch anscheinend in geringerem Maße hervorgerufen wird. Jedentalls sind die Erscheinungen nicht genügend ausgesprochen, um auf Grund derselben beide Bazillen identifizieren zu kiiunen. Klemperer & ScHEiER vcrsuchten auf ähnliche Weise die Identität der bei Ozaena, Rhinosklerom und Pneumonie gefundenen Kapselbazillen festzustellen und fanden in der That, dass das Serum der geimpften Tiere gegenseitig eine spezifische Wirksamkeit besitzt. Ein Versuch, mittelst Extrakten aus Kulturen des Bakteriums den Rhinoskleromprozess zu beeinflussen, stammt von Pawlowski. Derselbe mischt eingedickte Filtrate von Bouillonkulturen mit Glycerin- und mit Alkoholextrakten derselben Kultur. Die so erhaltene Flüssigkeit, das »Ehiuosklerin«, erzeugt bei Rhinosklerom Fieber, Allgemein- und Lokalreaktion ähnlich doch milder wie die Tuberkulinreaktion bei Tuberkulösen. Nach mehreren Injektionen erweichen die Knochen infolge einer akuten Entzündung des Rhinoskleromgewebes. Auch wird die Progression der Krankheit durch die Injektionen aufgehalten. Diese Wirkung macht es wahrscheinlich, dass die Kultur des Bakteriums die im Innern der Geschwulst befindlichen Bakterien und deren Produkte zu beeinflussen vermögen, ohne aber die ausschließliche spezifische Rolle der Bakterien zu beweisen. Es würde vielleicht lehrreich sein, auf ähnliche Weise aus Kulturen des Fried- LÄNDERSchen Bakteriums erhaltene Produkte bei Rhinosklerom ver- gleichend zu verwenden. V. Die Stellung des Rhinosklerombacillus zu anderen kapsei- und schleimbildenden Bazillen. Außer mit dem FRiEDLÄNDERSchen Bacillus bietet der Rhinoskleromb. noch bedeutende Analogieen mit den von mir sowie von Thost, Hayek, Abel, Wilde u. s. w. beschriebenen schleimbildenden Kapsel- bazillen, welche namentlich bei Ozaena aber auch im normalen Nasen- schleime häufig gefunden werden. Nach den Untersuchungen von Wilde gleichen diese Bazillen in der That vollständig dem Rhinosklerombacillus. Dieselben sind vielleicht für Mäuse etwas virulenter und es ist Gärung in Milch, in Zuckerbouillon und Zuckeragar nach Wilde beim Ozaenabacillus nicht vorhanden, während wir eine solche bei verschiedenen Stämmen desselben nicht nur auf Kartoffeln, sondern auch auf den erwähnten Substanzen konstatieren konnten. — Ueberhaupt konnten wir eine Reihe von derartigen Ba- zillen bei Ozaena, sowie im Nasen- und Bronchialschleim, besonders bei chronischem, schleimigen Katarrh nachweisen, von denen manche heftige Gärungs- und Krankheitserreger sind und sowohl in Kultur als auch unter dem Mikroskop durch Form und Größe voneinander ab- weichen. Gleichwohl ist es aber fraglich, ob es gerechtfertigt ist, wie dies de SiMONi will, die im Nasenschleim der Menschen und Tiere gefundenen schleimbildenden Bakterien einfach als FRisciische Bazillen anzusprechen. 422 V. Babes, — Soviel ist allcrdiiig's siclier mul durch die neuesten Untersuchimgen von Neumanx sowie dnrch meine eigenen wiederholt nachgewiesen, dass der FiiiEDLÄNDEKSche Bacillus, der Ozaenabacillus oder überhaupt dem IMiinoskleromhacillus ähnliche Bakterien in etwa 20 % gesunder Nasen vorkommt, während nach meinen Untersuchungen die chronischen Entzündungen der Nasenschleimhaut in etwa 50^ der Fälle diese schleimigen Bazillen enthalten. Stroxg versuchte die Kapselbazillen in zwei Abteilungen zu grup- pieren: 1. die FRiiiDLÄNDERSche Gruppe, zu der auch der Ozaenabacillus und der Bacillus Frisch gehören soll; 2. die Gruppe des Aerogenes. Die Unterschiede der beiden sollen darin ])esteheu, dass bei der Fried- LÄNDERSchen Gruppe die jungen Kolonieen auf Agar durchscheinend, die alten opak, die Kapseln konstant seien ; Gasbildung ist besonders reichlich l)ei Gegenwart von Saccharose, geringer in Glukose und ganz gering oder selbst fehlend in Laktose. Keine Milchgerinnung. In der Gruppe des Aerogenes hingegen sollen die Kapseln unbeständig und schvi^er zu färben sein. Die Kolonieen auf Agar sind von Anfang an weiß, die Gasproduktion stark in allen drei Zuckerarten; ferner wird Milch koaguliert. Wir haben schon oben gesehen, dass diese Unterschiede nicht immer zutreffen, indem zunächst die mehr oder minder große Durchsichtigkeit der Kul- turen ebenso wie die Kapsel- und auch die Gasbildung von verschie- denen Umständen abhängt und bei verschiedenen Stämmen verschieden ist. Allerdings wäre die Koagulierung der Milch zu verwerten, ol)wohl dieses Kriterium allein keine volle Sicherheit gewährt, da bei manchen Stämmen, welche ich sonst als FRiEDLÄNDERSche betrachtet hätte, doch Gerinnung eintrat. Bessere Kriterien sind wohl die Pathogenese und die Entfärbung nach Gram, nach welchen man die Gruppe des Aero- genes und des Friedlände Rschen Bacillus von mehreren anderen kapsel- und schleimbildenden Bakterien unterscheiden kann, namentlich von jenen oft bei Bronchitis, bei Nasen- und Rachenerkrankungen von mir im Jahre 1889/90 beschriebenen, und als »mukogene« bezeichneten IJak- terieu, Avelche oft mit dem FRiEDLÄxDERschen Bacillus verwechselt wurden. Diese mukogenen Bakterien wurden wohl auch zu den Proteusarten ge- rechnet und bilden Uel)ergänge zu der FRiEDLÄNDERSchen Gruppe; sie sind nicht nur Erreger von schleimigen Katarrhen der Luftwege, son- dern mehrere derselben sind sehr pathogen und können l)ei Tieren selbst in kleinen Dosen Septikämie oder Toxämie erzeugen. In dem Bestreben die verschiedenen Kapselbazillen zu differenzieren haben die Autoren zum großen Teil die Thatsache zu wenig l)erück- sichtigt, dass die verschiedenen Stämme des Friedländer sehen oder des Ozaena- und »Rhinoskleroml)akterium« sich verschieden verhalten können. Indem wir demnach die auf die Aetiologie des Ehinoskleroms be- züglichen Untersuchungen zusammenfassen, müssen wir zunächst gestehen, dass wir keinerlei zwingende Gründe finden um dem Bak- terium Frisch die itrimitive Bolle in der Gescliwul stbildung einzuräumen. In der That findet sich der Bacillus oder besser gesagt ein sclileiml)ildeuder Kapselbacillus, welcher mit vielen Stämmen des Ozaenabakterium, des FiiiEDLÄNDERschen Bakterium und der Kapsel- l)akterien der Nase und der Broncliien übereinstimmt, in den meisten Fällen von Ilhinosklerom, doch habe ich denselben zweimal unter 8 Fällen verinisst und in mehreren Fällen neben demselben noch Streptokokken oder andere Bakterien gezüchtet. Ferner ist zu bedenken, dass bis heute keine durchgreifenden Unterschiede zwischen »Rliinosklerombazillen« und Das Rhinnsklerom. 423 gewissen in der Nase vorkommende Kapsell)azillen festgestellt werden konnten. Wir werden demnach gut thun einstweilen der so auffallenden geo- grapliischen Verbreitung und Prädisposition in der Aetiologie der Krank- heit die Hauptrolle zuzusehreiben und uns über die Spezifizität des Bak- terium Frisch um so vorsichtiger aussprechen, als die von verschiedenen Forschern sowie von uns selbst angestellten Versuche, durch den Ba- cillus spezifische Produkte, spezifische Reaktion oder spezifische Unter- scbiede zwischen demselben und zwischen gewissen Kapselbakterien anderen Ursprungs zu erzielen, einstweilen als gescheitert zu betrachten sind. Hiermit wollen wir aber durchaus nicht in Abrede stellen, dass das l^akterium in der Geschwulst selbst eigentümliche Zellveränderungen erzeugt, wohl auch einen formativen Reiz ausübt und dergestalt zur eigentümlichen Erscheinungsweise und Wucherung der Geschwulst bei- trägt, einstweilen ermangeln wir aber einer streng wissen- schaftlichen Grundlage, um das Bakterium Frisch von ge- wissen anderen Kapselbazillen zu unterscheiden und das- selbe als das spezifische Virus des Rhinoskleroms ansprechen zu können. Litteratur. Alvarez, Untersuchungen ii. d. path. Anatomie d. Rhinoskleroms. Arch. de phys. norm, et path., 1886. Babes, V., Mitteilung über einige bei Influenza gefundene Bakterien. Centralbl. f. Bakt., Bd. 7, 1890. Babes, Antwort auf Herrn Dittrichs Entgegnung, dessen Artikel üb. Rhinosklerom betreffend. Centralbl. f. Bakt., 1887, Bd. II, xNr. 21/22, S. 617. Babes & Schwimmer, »Das Rhinosklerom« in Ziemßen, Handb. d. speziellen Fath. u. Ther. (Hautkrankheiten), 1884. 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Die Ueberimpfbarkeit des weichen Schankers war wohl schon seit lauge bekannt und wurde zunächst als ein Zeichen der Spezifizität dieser Alfektion betrachtet. Morgan 3, Pick^, Rieger -^ u. s. w. behaupteten hin- gegen, dass dieselbe keine ausschließliche Eigenschaft der Schanker- geschwüre sei und in der That haben seitdem verschiedene Forscher wie Zeissl", Kaposi'^, Finger'^ u. s. w. gezeigt, dass Eiter verschie- denen Ursprungs ähnliche Pusteln und Geschwüre hervorbringen kann, welche sich wieder durch Impfung reproduzieren lassen. Auf Grund dieser Versuche leugneten dann verschiedene englische Autoren die Spezifizität des venerischen Geschwüres. Allerdings wieder- sprecheu einzelne (W(jlf9, Zeissl) dieser Autfassung, weil die aus gewöhnlichem Eiter erzeugten Geschwüre nicht jenen charakteristischen Verlauf nehmen, viel schwieriger übertragbar sind und sich nicht in vielen Generationen reproduzieren, wie das Schankergeschwür. Auch ist eine sehr geringe Menge Geschwürsekret aus Schanker genügend, um das charakteristerische Geschwür zu erzeugen. Nun zeigte noch Rollet in Lyon, dass das Filtrat des Schankersekretes nicht mehr kontagiös ist und Aubert^ö^ dass eine die Körperwärme übersteigende Temperatur das Virus abtötet. Interessant ist die Angabe von Köünerii, dass eine Mischung des Eiters mit 20 — 300 Teile Blut ebenfalls die Virulenz des Eiters vernichtet. Schon im Jahre 1837 beschreibt Donne ^^ im Schanker ein Bakterium: Vibrio lineola, doch konnte namentlich Strauss^^^ ^el_ eher eingehende Untersuchungen über die Aetiologie des Schankers an- & 426 V. Babes, stellte, diesen Befund nicht bestätigen. 8tkauss behauptete, dass das Virus nicht durch'dic Lvniphg-efäße in die Lymphdrüsen eindringe, da der Inhalt nicht geöffneter Bubonen steril sei und sich erst nach der Eröff- nung mit Bakterien von der Haut aus infiziere. Derselbe untersuchte 42 Fälle von nicht eröffneten Bubonen und konstatierte, dass dieselben nicht infiziert waren; auch konnte in diesem Eiter weder durch das Mikroskop noch durch Kultur versuche Bakterien konstatiert werden. Auch RicoRD fand den Eiter vor der Eröffnung der Bubonen nicht infektiös. Während aber Ricord diese Erscheinung so erklärt, dass nur der Eiter aus der Drüse selbst infektiös sei, welcher erst nach der Eröffnung der Bubonen zu Tage trete, behauptet Strauss, dass das Virulentwerden der geöffneten Bubonen durch nachträgliche Uebertragung entweder des Schankervirus oder einer sekundären Invasion erfolgt, ebenso wie irgend eine wunde Stelle bei einem mit Schanker behafteten Individium leicht vom Schankervirus angesteckt werden kann. Es ist unzweifelhaft^ dass die Versuche Strauss zu einem derartigen Schlüsse berechtigten, doch entsprechen dieselben nicht anderen klinischen Er- fahrungen, namentlich zeigten Ricord, Janowsky, besonders Manxino i-*, dass Bubonen oft virulent gefunden werden, nachdem die Geschwüre schon vernarbt waren, wo also eine Uebertragung des Virus vom Ge- schwür auf den Bubo nicht mehr angenommen werden kann. DidayI"^ und HoRTELOUP 16 wiesen diese Thatsachen durch exakte Versuche nach, worauf Strauss selbst seine Ansicht zurücknahm. Allerdings wurde diese Frage erst nach der Entdeckung des Schanker- bacillus endgiltig entschieden und steht es heute fest, dass der Bubonen- eiter in der Regel nicht virulent ist; nach Ricord ist derselbe in 10^, nach DuBREüiLH & Lasnet i^ bloß in 2,2^ übertragbar. Der nicht virulente Bubo wird aber 24 — 48 Stunden gewölmlich nach Spaltung desselben infektiös, was Aubert dadurch zu erklären sucht, dass der Buboneneiter in uneröffneter Lym])hdrüse einer hohen Temperatur aus- gesetzt ist, welche das Virus schädigt, während nach Eröffnung der Inhalt sich abkühlt und das Virus infolgedessen kräftiger wird. Dem- gegenüber ist wohl der Versuch ColombinisI* entscheidend, welcher ebenso wie Besancon, Gkiffox & le Sourd^^ aus den meisten Bubonen virulentes Material erhielt, wenn sie dasselbe der Bubonen- oder der Abs- zesswand, nicht aber dem vereiterten Centrum entnahmen. Es ist dem- nach unzweifelhaft, dass die Eiterung zur Zerstörung des Virus führt und dies der Grund ist, weshallj der Eiter uneröffneter Bubonen gewöhn- lich nicht infiziert. II. Allgemeine Charaktere. Lange Zeit wurden verschiedene, durch geschlechtlichen Kontakt er- zeugte Geschwüre zusammengeworfen (Unitaristen). Andere Beobachter, zuerst Bassekmanx, stellten fest, dass nur der harte Schanker zu all- gemeiner Erkrankung führt, während der weiche Schanker eine lokale Erkrankung darstellt, welche lokale Kontagiosität erkennen lässt. Aller- dings sind Kombinationen von hartem und weichem Schanker häufig, so dass oft von vornherein nicht festgestellt werden kann , ob der Schanker lokal bleiben oder zur allgemeinen Infektion Anlass geben wird. — Als der wesentlichste Charakter des weichen Schankers ist wohl die ausgesprochene Kontagiosität und die schnelle Entwicklung Der weiche Schanker. ' f v 427 des Gcsclnvürc!^ zu betrachten, indem nach einem Kontakt an einer etAvas mazerierten , geritzten oder aucli normalen Hautstelle, ebenso nach Im- pfung mittelst einer Nadel unter die Epidermis sich schon nach wenigen .Stunden ein kleiner roter Fleck bildet, in dessen Mitte nach 1 bis o Tagen sich eine kleine Pustel mit trübem Inhalt erhebt. Man kann auch oft konstatieren, dass bei dauernden Kontakt mit benachbarten Hautstellen eine Pustel sich an Stelle eines Haarfollikels entwickelt. Nach 3 — 5 Tagen platzt die Pustel und das charakteristische Geschwür liegt zu Tage. Dasselbe ist rund oder oval wie mit einem Locheisen erzeugt, wie augenagt und unterminiert mit etwas gewölbten Rändern. Am Grunde oder am Rande ist dasselbe mit einer graulich, gelblichen Eiter- schicht bedeckt, welche von einer scharfen roten Zone umgeben ist. — Beim Entfernen des Eiters blutet das Geschwür leicht, dasselbe ist von einer violetten ödematösen Zone umgeben. — Auf Druck schmerzhaft, lässt der Rand und der Grund keine bedeutendere derbere Infiltration erkennen. Die Geschwüre sind gewöhnlich multiple und oft zusammen- fließend. Das Stadium destructionis dauert etwa 3 — 6 Wochen; wäh- rend desselben breitet sich der Schanker mehr nach der Fläche bis etwa zu 1' 2 cm Durchmesser aus. Das reichliche Sekret ist eminent kontagiös und erzeugt an den mit demselben in Berührung stehenden Hautstellen ganz ähnliche Geschwüre. Nach 3 — 6 AVochen ist das Geschwür gewöhnlich nicht mehr kontagiös und bietet das Aussehen einer normalen, granulierenden Wnndfläche, welche bald einer weichen Narbe Platz macht, so dass in 6 — 8 Wochen der typische Verlauf auch ohne äußere Beeinflussung beendet ist. Allerdings verzögern die durch Autoinokulation verursachten Geschwüre, sowie abnorme wuchernde Granulationen, besonders aber fagedänische, gangränöse Formen die Heilung und bedingen eine prolongierte Infektiosität. — Als interessante Varietät darf der follikuläre Schanker erwähnt werden, welcher auf Infektion durch den Haarfollikel beruht und anfangs einem Akneknoten gleicht, indem sich dann hieraus ein kraterförmiges, tiefes Geschwür entwickelt. — Der serpiginöse Schanker ist besonders durch seine pro- longierte Dauer und Infektiosität wichtig. Im Verlaufe des Schankers entstehen einseitige Bubonen, indem eine Inguinaldrüse sich vergrößert, schmerzhaft teigig geschwollen erscheint und bald vereitert. — III. Pathologische Anatomie. Die pathologische Anatomie des weichen Schankers wurde namentlich durch Cürnil, Nicolle^ und Unna 2 festgestellt. — Die primären roten Flecken zeigen zunächst im Centrum des Papillarkörpers eine Stelle, an welcher Eiterkörperchen die Oberhaut durchsetzen und sich in eine eitrig infiltrierte, erweichte Hornschicht begeben. Hieraus entsteht dann eine Eiterblase, indem die Stachelzellen wenig verändert und l)loß durch die Leukocyteneinwanderung dislociert sind. — In dem primär entstandnen Eiterkanal findet man in Schlangenlinien und in paral- lelen Reihen augeordnete Bazillen, welche nach Unna immer extra- celullär gelegen sind. Man erhält den Eindruck, dass zunächst die Bazillen durch die Oberfläche eindringen und hierdurch eine chemotak- tische Wirkung auf die Leukocyten ausüben. Im weiteren Umkreise entsteht nun eine bedeutende Epithelwucherung mit Verdickung des 428 ■ V. Babes, Leistensystems. In der Cutis sind die Blut- und Lynipligcfäße erweitert und es liut sicli hier ein kleiner Abszess mit zalilreichen Plasmazellen ent- wickelt (Unna^'^j. Neben denselben entstelieu noch Öpindelzellen. Die Plasmazellen setzen sich in der Form von Knoten in die Tiefe fort und begleiten die erweiterten Gefäße bis in das normale Gewebe. — Nach Abhebung" der Hornschicht haben sich die Plasmazellen am Grunde des Geschwüres ausgebreitet. Am llande findet man zunächst eine breite, helle Zone mit einem feinen 8aum von Detritusmassen. Hier haben die Plasmazellen und auch die Öpindelzellen ihre Färbbarkeit eingebüßt, so dass die zahlreichen schlangenähnlichen Bazillenzüge, welche in das »Plasmomgewebe« eindringen, dasselbe aber nicht überschreiten, um so deutlicher zu erkennen sind. Später findet sich diese blasse Zone von einer Ansammlung von Leukocytcn ül)erdeckt, während die tiefen Plas- momschichten weniger Leukocyten enthalten. Mit der oberflächlichen Ansammlung der Leukocyten schwinden die Bazillen in der Tiefe, als ob dieselben von den Leukocyten am Vordringen behindert würden, ohne dass aber Bazillen in dieselben eindringen, also ohne eigentliche Phagocytose. In einem dritten Stadium, welches Unna auf Grund histologischer Untersuchung aufstellt, ist das gesamte Plasmomgewebe nekrosiert und zerklüftet, indem die Bazillen im absterbenden Gewebe den Spalten anliegend radiär in die Tiefe greifen. In der Nähe der Oberfläche finden sich jetzt kaum gefärbte Bazillen, wobei die gut- gefärbten an der Grenze des gesunden Gewebes angetroffen werden. Unna meint, dass die Pustel durch die absterbenden Bazillen erzeugt wird und dass deren Wucherung in die Tiefe die radiäre Zerklüftung und Nekrose bewirkten. Im vierten Stadium der Reparation nimmt die Virulenz der Bazillen ab und die abgestorbenen werden durch den Eiter eliminiert. In diesem Stadium beschreibt Nicolle Phagocytose mit Neubildung von Kapillaren, welche von Rundzellen umgeben sind. In der Umgebung der Wucherung finden sich zahlreiche Mastzellen. — Im weiteren Verlauf wird aus dem neugebildeten an Spindelzellen reichen Gewebe Narbengewebe gebildet, welches von Epithel überzogen wird. In den Fällen von Ulcus elevatum findet nach Unna eine Wucherung der plasmomatösen Gewebe statt nnd finden sich an der Oberfläche noch lange Zeit vereinzelte Bazillengruppen, welcher Befund der pro- longierten Infektiosität dieser Form entspricht. Der Eiter der meisten Schauker enthält nach meinen Untersuchungen hauptsächlich polynukleäre Leukocyten (Fig. 1 /), oft mit erblassten oder fragmentierten Kernen (V) oft Leukocytenschatten {l"), sowie fädig ent- artete Kerne, die oft einen dichten Filz bilden (f). Häufig sind poröse epithelioide Elemente mit blassem Kern (x) oft mit vakuolarisiertem oder zu einem Netzwerk erstarrtem Protoplasma mit Ausläufern , einem fibrinösen Netzwerk vergleichbar (z'). Diese Zellen enthalten hie und da Bazillen (.; ") z. T. wohlerhalten, zum Teil körnig zerfallen. Selten finden sich Bazillen in polynukleären Zellen mit blassen Kernen {l"). Die Bazillen sind gewöhnlich frei (h) oder in eine blassgefärbte diffuse Masse eingebettet [h') oder aber in größeren Massen kurze Ketten bildend im Innern diflus farbl)arer Schollen {b"). Außerdem enthält der Eiter l)lasse Granulationen, hyaline Kugeln, oft mit Granulationen an der Peripherie, wohl modifizierte große basophile Zellen (/.], rote Blutkörperchen (//), selten Plasmazellen. Nähere Angaben über die Histologie der Bubonen verdanken wir besonders Audky^o. Während Spietschke die Bazillen hier vermisste, konnten Krüefting und Wolters sie auch hier konstatieren. Audry fand Der weiche Schanker. 429 in nocli nicht vereiterten Knoten die Struktur einer virulenten Adenitis mit Ausbreitung- und Versclimelzuni;' des adenoiden Gewel)es mit dichten, l" h' ^ m h b" k -Ts 7/ iC±'^\^ . . - '-"^ ^ ;," / " J' ! 'tl-'. '. b l '■f « 9 -' - / / ' .^* Fig. 1. Bacillus Ducrey. 1 Eiter atis einem frischen Schankergeschwüre iKarbolfuchsin, Vergrößer. 1000'. Ä große mononukleäre Zellen mit vakuolürem Protoplasma. %' ähnliche Zelle mit retikuliertem Protoplasma, einen Bacillus enthaltend. ;v" kleine mononukleäre Zelle, Bazillen enthaltend. /, /', /" polynukleäre Lenkocyten. b freie Bazillen. // Bazillen in blassgefärbter Grundsubstanz. //' Bazillengruppe und kurze Ketten in Haufen, wohl in entarteten Zellen (?'. — 2 Stägige Kultur auf koaguliertem Meerschweinchenblut in Kondensationswasser {Karbolfuchsin, Vergr. etwa 1200). — 3 Dieselbe Kultur an der Oberfläche (Karbolfuchsin, Vergr. 1200). — 4 Frische Kultur von 2 Tagen in flüssigem Blute Karbolfuchsin, Vergr. etwa 1300]. runden Zellen; neben den verdünnten Zwischenwänden findet man un- regelmäßige Spalten von gequollenen Endothelzellen begrenzt und inner- halb derselben einzelne oder kleine Gruppen der Bazillen sowie hier und da 430 V. Babes. kurze Ketten dersel])eu. Die Bazillen fanden sich hier wie auf venerischen Geschwüren im Protoplasma lebender Leukocvten. Wir werden sehen, in- wiefern auch andere Bakterien sowie die Stofifwechselprodukte des Schanker- bacillus zur Bildung- und Verbreitung der Bubonen beitragen. IV. Der Ducreysche Bacillus. Nachdem die Bakteriologie über bessere Methoden zur Isolierung und Kultivierung der Bakterien verfügte, wurde die Untersuchung nach der Aetiologie des venerischen Geschwüres eifrig aufgenommen. Zunächst beschrieben Primo Fereaki^i, Maxnino & LuccA^a Bazillen und Kokken, von denen es nicht sicher ist, ob sie zum Teil wenigstens den später beschriebenen DucEEYschen Bazillen entsprechen. Allerdings betont Welander23, dass er schon im Jahre 1887 im Eiter der venerischen Geschwüre neben Staphylokokken und Streptokokken wenige oft in Zellen eingeschlossene Stäbchen beschrieben habe, welche in Gelatine nicht kultiviert werden konnten; namentlich in Sekreten künstlich erzeug- ter Geschwüre, nicht aber in Schnitten, konnten durch Methylenblau und Fuchsin ähnliche Bazillen ohne Beimischung anderer Mikroorganis- men konstatiert werden. Diesen ungenügenden Angaben gegenüber muss Ducrey^^, welcher im Jahre 1889 den nach ihm genannten Bacillus beschrieb, die Prioriät der Entdeckung des Bacillus des weichen Schankers zugesprochen werden. Derselbe konstatierte in GeschAvüren, welche durch mehrmalige Ueber- impfungen erzeugt wurden, immer einen Bacillus von 1,5 /< Länge und 0,4 [X Breite mit abgerundeten Enden. Wo dieser Bacillus in Keinkultur konstatiert wurde, gelang die Uebertragung immer, mit Ausnahme eines Falles, in welchem der Kranke fieberte. Mittelst des Eiters eines phage- dänischeu Schankers, Avelcher nur diesen Bacillus enthielt, konnte DucREY einen ähnlichen Schanker erzeugen und er behauptet auf Grund dieser Versuche, dass die Form des Geschwüres nicht vom Ba- cillus, sondern von einer lokalen Disposition abhänge. Diesen Befunden will ich noch hinzufügen, dass der Schankerbazillus sich im Eiter als ein sehr kleines und wenig in die Augen springendes Ge- ])ilde, etwa dem Bacillus der Hühnercholera vergleichbar darstellt; derselbe ist auch dem Pestbacillus ähnlich, welcher in Bubonen ebenfalls mit jenem Ducreys verwechselt werden könnte. Doch ist der Pestbacillus größer und besser färbbar. oft mit Involutionsformen, auch ist die Diplokokkenform sowie die PoltVirbung desselben. weniger ausgesprochen. Als besonders charakteristisch für den DucREYschcn l^acillus glaube ich die Anordnung desselben nicht nur in kurzen Ketten wie jene des Pest- bacillus, sondern noch außerdem in parallelen zusammengebackenen Keihen, sowie die Einschließung derselben in homogene Schollen (entar- tete Zellen?), wie in Fig. 1, lb'\ betonen zu dürfen. Zunächst konnte Ducrey die Bazillen in Schnitten nicht nachweisen und dieselben nicht kultivieren. Die Angaben Ducreys wurden bald von Kroef- TIN« Ijcstätigt, welcher bei 23 Kranken denselben Bacillus nachweisen konnte. Nach diesem Autor ist dieser Bacillus melir kurz, abgerundet, oft biskuit- oder hanteiförmig, öfter is(diert oder in kleinen Gruppen, extra- oder intracelullär, oft die l^eukocyten gänzlich ausfüllend, um so zahlreicher, je schneller sich die Pustel entwickelt. Die Beschreibung Unnas, welche wir oben gegeben haben, entspricht nicht ganz jener des Ent- Der weiche Schanker. : 431 deckers, indem Unna die Bazillen als lange Ketten besclireibt, welche in Größe und Form von dem Bacillus Ducrey abweichen und nie in Zellen vorkommen. Petersen ^s mid Colombini konstatierten, dass der Bacillus von Unna dennoch mit jenem von Dücrey identisch ist und verschiedene Autoren beschrieben das tinktorielle Verhalten des Bacillus, welcher sich nach Gram nicht färbt, sowie die Unmöglichkeit, bei Tieren den weichen Schauker zu erzeugen, mit Ausnahme der Alten, bei weichen allerdings nicht mit Sicherheit mehr oder minder typische Schankergeschwüre erzeugt werden können. 1. Kulturversuche. Ducrey hatte schon im Jahre 1889 versucht seinen Bacillus zu züchten und verwendete als Nährmaterial die menschliche Haut, da auf den gebräuchlichen Kulturmedien Kulturen nicht erzielt werden konnten. Namentlich die späteren Generationen, bis zur 25. Generation, geben ein durch fremde Mikroorganismen nicht verunreinigtes Material und waren im höchsten Grade virulent. — Von der 5. oder 6. Generation an fanden sich hier bloß die erwähnten Bazillen, welche zunächst von Kroefting^ö in Buboueneiter und in Schnitten extirpierter Geschwürspartikel nachge- w^ieseu werden konnten. Eine große Anzahl von Autoren, unter welchen wir besonders Petersen 2^, M. von Zeissl^^, Pick, Quinqüad^«, Jadassohn'-^, SciiENis^o, DuBREUiLH & Lasnet erwähnen wollen, bestätigen diesen Be- fund, indem allerdings betont wurde, dass im präputialeu und Scheideu- sekrete manchmal ähnliche Bakterien vorkommen und dass oft das primäre Geschwür infolge von Verunreinigung mit verschiedenen Bak- terien nicht für die Darstellung des liacillus geeignet ist. Namentlich gelang Zeissl häufig die Kultivierung einer nicht pathogeneu Diphthe- ridee aus dem Eiter des originären sowie des Impfgeschwüres. Die An- gabe DucREYS, dass es ihm gelungen sei, den Bacillus zu züchten, wurde von demselben nicht naher begründet, so dass bis in die neueste Zeit derselbe als nicht züchtbar betrachtet wurde, obwohl im Jahre 1895 Petersen behauptete, denselben in Agarserum 2 : 1 manchmal gezüchtet zu haben, wobei die Kulturen aus ganz ähnlichen Bazillen und kurzen Ketten bestanden. Diese Angaben wurden noch bezweifelt, wiihrend jene von Denglet 31, welcher die Kulturen der Pariser dermatologischen Ge- sellschaft 1898 demonstrierte, wohl sicher jene des Schankers waren. Doch veröffentlichte derselbe erst im Jahre 1901 die Zusammensetzung seines Nährbodens, welcher aus 20 Teilen fein zerkleinerter Menschen- haut, 50 Teilen destillierten Wassers, 1 Teil Pepsin und 1 — 3 Tropfen Salzsäure besteht. Das Gemenge wird einige Stunden bis zur gänzlichen Verdauung einer Temperatur von 40 — 45" ausgesetzt. Zwei Teile dieses Peptons kommen auf 100 Teile Agar-Agar und 1 ccm Menschenblut. Das Geschwür wurde zunächst mit Sublimat desinfiziert. Nach 48 Stun- den entstehen auf dem Nährboden kleine, runde opaleszierende, flache Plaques, welche Gonokokkenkulturen ähneln, etwas gezackten Rand be- sitzen und lose am Blutagar haften. Die Bazillen sind den DuCREYschen ganz ähnlich, entfärben sich nach Gram und sind für Mäuse und Meer- schweinchen bei Injektion in die Haut oder ins Peritoneum sowie nach Einbringung in die Gonjunctiva nicht pathogen. Lenglet empfiehlt die Untersuchung des durch Aether-Alkohol oder Sublimat fixierten Deck- gläschenpräparates mittelst ZiEiiLScher Lösung. In der feuchten Kammer erkennt man, dass in den Ketten die Individuen von einer gemeinsamen 432 V. Babes, Hülle umgeben sind, welche sich schwer färbt, am besten, wenn die Ba- zillen jung- imd kurz sind. Lenglet empfiehlt eine strenge Asepsis des Impfgeschwüres und erklärt durch die Vernachlässigung des letzteren Postulats das Misslingen früherer Kultnrversuche. Im Jahre 1897 hatten auch IsTAMANoFF c^ Asi'iAxz '^ in Tiflis behauptet, auf Agar-Agar, zu welchem das Filtrat pulverisierter und mazerierter Menschenhaut, welche dann auf 120" aufgekocht und filtriert wurde (5^), zugesetzt wurde, die Kultur des Bacillus erzielt zu haben, indem die Kulturen, ebenso wie jene Lenglets, Menschen eingeimpft, das charakteristische Schankergeschwür erzeugten, während die Impfung auf Tiere erfolglos blieb. Auf dem 13. internationalen medizinischen Kongress teilten endlich Besan^on, Griffon & le Sourd'ö ein Verfahren mit, welches sichere Re- sultate geben soll. Zwei Teile Agar werden bei 50*^ C verflüssigt und mit 1 Teil Blut vom Menschen, Hund oder Kaninchen gemengt. Am vorteil- haftesten ist es die Carotis eines Kaninchen freizulegen und das Blut direkt in die Agarröhrchen zu leiten. Hierauf wird durch Punktion und Aspiration Eiter aus vereiterten Bubonen entnommen, reichlich auf den Nährboden gebracht und sogleich in dem Thermostat von 35° C untergebracht. Auch von Geschwüren kann Eiter entnommen werden, bevor die Oberhaut durchbrochen wird. Wenn das Geschwür schon offen ist, wird dasselbe mit Jodtinktur bepinselt und hierauf mit Collo- dium oder mit steriler Gaze bedeckt. Nach 24 — 48 Stunden hat sich unter dem Verbände etwas Eiter gesammelt, aus welchem Kulturen er- zielt werden können. Einfacher ist es auf eine aseptische Hautstelle zu überimpfen und die Kultur mit dem Inhalte der Impfpustel zu be- schicken. Auch im nicht koagulierten Kanincheublutserum sowie im Kondensationswasser des Blutagars vermehrt sich der Bacillus vorzüg- lich. Auf der Oberfläche des erstarrten Nährbodens entstehen schon nach 24—48 Stunden erhabene, glänzende, grauliche Kulturen von etwa 1 mm Durchmesser, welche rasch steckuadelgroß und erhaben werden. Die Kolonieen bleiben immer separiert. Dieselben sind gewöhnlich anfangs voneinander getrennt und werden bloß nach weiterer Ueber- impfung sehr zahlreich. In einem Falle, in welchem die mikroskopische Untersuchung des Buboneneiters negativ war, entwickelte sich dennoch eine charakteristische Kultur. Am sichersten gelingt die Kultur immer, Avenn der Eiter dicht von der Wand des Abszesses oder Geschwüres genommen wurde. Das Deckglaspräparat zeigt isolierte Bazillen oder kurze oft parallel stehende Ketten mit deutlicher Bolfärbung (Fig. 1, S). Noch die elfte Generation der Kultur sowie alte Kulturen erzeugen bei Menschen einen charakteristischen Impfschanker, während Tiere nicht infiziert werden konnten. Mit Aft'en und Katzen scheinen die Autoren nicht gearbeitet zu haben, obwohl positive Impfergebnisse von Anzias-Turenne und M. v. Zelssl l)ei Affen und v. Didey bei Katzen vorliegen. Im letzteren Falle konnte selbst von der Katze zurück auf den Menschen geimpft werden. Sehr charakteristisch sind die Kulturen im Kondensationswasser, indem hier die Bazillen dünner und kürzer sind, mit abgerundeten Enden, und außerordentlich lange und wellige Ketten bilden (Fig. 1, 2]. Nach meinen Erfahrungen entwickeln sich die Kolonieen öfter nur in Kflndensationswasser. Im Kaninchen- blutserum entsteht bei 37" leichte Trübung und kleine Flocken, welche aus kurzen Bazillen bestehen, die mäßig lange oder kurze gebogene Ketten bilden , bei denen die Polfärljung sehr ausgesprochen ist und die hierdurch Streptokokken täuschend ähnlich sehen. Der Bacillus Der weiche Schanker. 433 bleibt auf Blutagav bei 37° mehrere Wochen lebensfähig;, während die Kulturen auf unkoaguliertem Serum vergäug-lich sind und die Lebens- fähigkeit nach Ueberimpfung schnell abnimmt. Selbst von späteren Generationen künstlicher Kultur kann der Ba- cillus nicht auf den gewöhnlichen Nährboden Uberimpft werden. Zu diesen Angaben kann ich aus eigener Erfahrung beifügen, dass die Kultur auch auf Serumagar selbst bei gewissenhafter Manipulation durchaus nicht immer gelingt, was wohl z. T. von unbekannten Umständen abhängt. Himmel 33 kultiviert den Bacillus auf coaguliertem Blute, nachdem derselbe bemerkt hatte, dass ganz frisches Blut zur Kultur nicht ge- eignet ist, da in demselben die eingeimpften Bakterien schnell von Leukocyten aufgenommen werden. Das Blut wird aseptisch aus den Gefäßen des Meerschweinchens direkt in sterilisierten Eprouvetten auf- gefangen und zwei Tage lang stehen gelassen oder aber durch Erwär- mung koaguliert. Das Schankergeschwür wird durch einen Strahl sterilisierten Wassers bis zur vollständigen Reinigung irrigiert, und dann mittelst eines kleinen Platinspatels etwas Flüssigkeit unter dem Ge- schwürrande hervorgeholt, welche sogleich in die Blutröhrcheu verteilt wird, worauf schon nach 6 — 8 Stunden der Bacillus sich ungemein ver- mehrt hat; während in den ersten Generationen die Bazillen in Ketten angeordnet sind, erscheinen dieselben nach täglicher Ueberimpfung isoliert. Nur in älteren Kulturen sieht man wieder Ketten. Die Kettenform soll weniger virulent sein als die isolierte. Die Kulturen bleiben länger virulent bei Zimmertemperatur (5 — 6 Wochen) als bei 37°, bei welcher Temperatur sie nach 3 Wochen abgestorben waren. Nach Injektion einer Kultur unter die Haut, in das Peritoneum oder unter die Dura mater des Meerschweinchens werden die Bakterien schnell von den Leukocyten aufgenommen. Sie schwellen au und zerfallen in kleine Körnchen, bleiben aber noch längere Zeit lebend. Meine eigenen Kulturversuche bestätigen zum großen Teile diese An- gaben. In der That gelingt es öfters, doch durchaus nicht immer, aus dem Impfschanker Kulturen zu gewinnen, doch muss man zahlreiche Kulturen auf schräg erstarrtem Blute anlegen, das Blut muss zunächst einige Tage im Brutschranke stehen. Dann impft man auf die noch warme Kultur mög- lichst reichlich auf die Oberfläche und in die Kondensationsflüssigkeit. Selten sieht man schon am nächsten Tage die kleinen flachen durch- scheinenden, harten, leicht abhebbaren, etwas gelblichen Kolonieeu. Oefters entwickeln sich dieselben erst nach 4-8 Tagen, besonders in den unteren feuchteren Teilen in einem gewissen Abstände vom Impfstrich. In der Regel findet mau jetzt noch keine Kulturen in der Flüssigkeit am Grunde, dieselben erscheinen in Form langer Ketten gewöhnlich erst nach Ein- impfung der Oberflächenkultur in die Flüssigkeit. Noch nach Monaten kann dann die Kultur lebend sein, obwohl die Bazillen nur schwer mehr zu erkennen sind. Alle anderen gebräuchlichen Nährböden haben uns hingegen im Stiche gelassen, jedoch hindern Agar-, Gelatine- oder Zucker- zusatz und geringer Alkali- oder Säurezusatz zum Blute nicht das Auf- gehen der Kulturen. In Betreff des mikroskopischen Befundes kann ich den Beschrei- bungen der Autoren hinzufügen, dass der Bacillus ebenso wie im Eiter und im Gewebe auch in den Kulturen die Neigung hat durch blasse etwas metachromatische Grundsubstanz (Kapselsubstanz?) vereinigte dichte Pakete zu bilden, in welchen die Bazillen oft zu Ketten vereinigt liegen (s. Fig. 2, b). Von hier aus wachsen oft Ketten aus und nicht selten Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. III. 28 434 V. Babes. haben die nach außen stehenden Bazillen kolbig-e Enden. Im Innern der Pakete entarten nun namentlich im Centrum die Bazillen, indem in der blassen Grundsubstanz nur wenige Punkte oder Doppelpunkte stärker g-efärbt werden. Außerdem findet man in älteren Kulturen auch größere Schollen aus ähnlich entarteten Bazillen gebildet, sowie freiliegende Bazillen mit mannigfachen Formveränderungen, unter welchen wir die Bildung feiner Fäden mit knöpf ähnlichen Enden, kugliger oder läng- licher größerer stark gefärbter oder blasser Gebilde (s. Fig. 2 h) er- wähnen wollen. Die langen Ketten in der Kondensationsflüssigkeit gehen oft von größe- ren Bakterienschollen aus (Fig. 2, «). Die Ketten sind vielfach in einer *• y 1 ■■'■ " v\. i^A. t V'^-^i^'.'vÄ- ! € S I ^ % Sä«. Fig. 2. Etwas ältere Kulturen des Bacillus Ducrey. — a Stägige Kultur auf er- starrtem Kaniuchenblut. Etwa lOOOfache Vergrößerung. Färbung mit Anilinrubin, c Centrum der Kultur mit zusammengebackenen Bazillen. /• längere Fadenketten, kg blasse Fäden, kg' gekrümmte Stäbchen im Verlaufe der blassen Fäden, ig un- gemein geschwollene Bakterien im Verlaufe einer verzweigten Kette. — b 14tägige Kultur des Bac Ducrey bei derselben Vergrößerung, g Zusammengebackene Ba- zillen, öfter mit verdickten Enden von sehr ungleicher Größe, g' zusammen- gebackene verzweigte Ketten, g" und g'" Bakterienmasse mit überwiegender Zwischensubstanz, b isolierte, verschieden große Bakterien, zum Teil in Involution. blassen Grundsul)stanz gelagert (/»/), manchmal findet man selbst wellige Fäden, welche bloß aus dieser Grundsubstauz bestehen [kg]^ manche Ketten sind aus bipolaren Bazillen von etwa 0,3 — 0,9 n Dicke, andere aus gekrümmten homogenen Stäbchen, andere aus großen dunkeln oder blassen kugeligen Gebilden über 1 /< im Durchmesser haltend gebildet. In vielen Ketten wechseln diese verschiedenen Formen ab, wobei in der Regel die Ketten gegen das Ende zu dünner werden. Nicht selten sind mehrere Ketten zu wahren Zöpfen zusammengebacken oder man sieht Verzweigungen mit dünneren sich schnell verjüngenden Zweigen. Der weiche Schanker. 435 2. Wirkung des Bacillus auf den Organismus, Virulenz Steigerung und Immunität. Die Bazillen besitzen starke positive ehemotaktisclie Eigenschaften und verursachen deshalb schnell Eiterung, welche die allgemeine Infektion prompt verhindert. Wenn man nach Himmel 24 Stunden vor der Injektion der Bakterien sterilisierte Bouillon in die Peritonealhöhle in- jiziert, wodurch eine Leukocytose entsteht, gehen die Bakterien noch schneller zu Grunde, ebenso wenn die Meerschweinehen bei 37'^ ge- halten wurden. Wurden dagegen die Tiere bei 4 — b'^ gehalten, blieben die Bakterien 4 — 5 Tage lebend. Ebenso bei Meerschweinchen, welche früher mit Tuberkelbazillen vorbehandelt waren. Dies Verhalten stimmt damit überein, dass bei geschwächten oder kranken Individuen der Schanker lange dauert und lange virulent bleibt. Es gelang nicht, den Bacillus etwa durch Einbringen in Kollodiumsäckchen oder durch Schwächung des Organismus mittelst Opium oder Diphtherietoxin zu stär- ken, wohl aber konnte die Immunität des Meerschweinchens durch Ein- bringen von 4 — 5 Tropfen Milchsäure in die Peritonealhöhle aufgehoben werden, indem dann, wenn eine halbe Stunde später eine Schankerkultur injiziert wurde, das Tier bei welchem weder Leukocytose noch Phago- cytose gefunden wurde, nach 24 Stunden schnell zu Grunde geht. In die- sem Falle wurden aus dem Herzblut Reinkulturen des Schankerbacillus erzielt. Diese Kulturen waren nun so virulent, dass die vorherige Injek- tion von einem halben Tropfen Milchsäure genügte um Tiere für dieselbe empfänglich zu machen. Die aus diesen gewonnene Kultur tötete Meer- schweinchen ohne vorherige Behandlung mit Milchsäure und spätere Passagen durch Tiere waren schon derart virulent, dass die Meerschwein- chen 12—20 Stunden nach der Injektion eingingen. Es wurden immer 1 — lY-2 ccm von einer 24 stündigen Kultur injiziert. Noch interessanter sind die Untersuchungen Himmels über die Viru- lenzsteigerung des DuCREYschen Bacillus mittelst Verwendung von Anti- komplementen. Himmel stützt sich auf die Erfahrung von Wasser- mann ^^, nach welchem die baktericiden Substanzen des Serums , welche namentlich durch das darin enthaltene Alexin oder Komplement wirksam werden, durch die Einbringung des Antikomplement natürlich ihre Wirksamkeit verlieren, so dass z. B. in einem Serum, dessen Komple- ment durch Antikomplement gebunden ist, eine geringere Menge von Bakterien genügt, um ein Tier krank zu machen, als in einem Serum, in welchem das Komplement als solches erhalten bleibt. Während nun Wassermann glaubt, dass die Bindung des Komple- ments im Blüte vor sich geht, also hämatogenen Ursprungs ist, findet Besredka35^ class nach Injektion von Antialexiu in die Bauchhöhle Leuko- und Phagocytose ebenso gänzlich fehlen, wie das Agglutinations- vermögen und erklärt dies so, dass das Antikomplement auf das Gewebe, also wohl anti-chemotaktisch wirkt. Allerdings ist es bekannt, dass die Typhusbazillen durch Zellen nicht aufgenommen werden, was entschieden gegen die Erklärung Besredkas spricht, denn es ist doch klar, dass wenn ein Bakterium nicht von Zellen aufgenommen und vernichtet wird, es nicht die Abwesenheit von Zellen sein kann, welche die energische Wirkung des Bacillus zu erklären vermag. Nun ist es allerdings bekannt, dass der Schankerbacillus entschieden von den Zellen aufgenommen wird, und wohl im Sinne Metschnikoffs 28* 436 V. Babes, durch Pbagocytose iu seiner Wirkung behindert wird. Wir wollen hiermit aber durchaus nicht sagen, dass die Eigenschaft, von Zellen auf- genommen zu werden, immer mit der Vernichtung oder Abschwächung der Bakterien einhergehen muss, was durchaus nicht bewiesen ist. Im Gegenteil darf angenommen werden, dass gewisse Bakterien, obwohl unschuldiger Natur, von Zellen weniger aufgenommen werden, als manche sehr virulente Bazillen ; auch ist es sicher, dass oft Bakterien, nachdem sie früher von anderen Momenten geschädigt wurden, in Zellen eindringen; dass ferner für gewisse Bakterien eine Symbiose zwischen Zellen und Bakterien angenommen werden muss; ja dass selbst Chemo- taxis nicht unbedingt mit einer geringereu Virulenz zusammenhängen muss, ebensowenig als wir zugeben können, dass die so deutlichen Experimente in vitro, welche die direkte Wirkung des Serums auf Bakterien beweisen, im Organismus keinerlei Anwendung finden könnten. Im Gegenteil haben die Versuche der PnaFFERscheu Schule, sowie unsere eigenen wohl sicher- gestellt, dass die Wirkung des Serums auf Bakterien in vitro durchaus nicht durch aufgelöste Leukocyten, welche nach Metschnikofp Komple- mente oder Alexine bilden sollen (Mikrocytase), erklärt werden kann, dass also die Pbagocytose selbst mit Hinzuziehung der AVirkung aufgelöster Zellen (Cytase) nicht als allgemeines Gesetz anerkannt werden kann. Trotzdem ist es aber sehr wahrscheinlich, dass speziell für gewisse Bak- terien der Pbagocytose eine die Verbreitung der Bakterien hindernde AVir- kung zugesprochen werden darf, so namentlich für den Schankerbacillus, was namentlich die Untersuchungen Himmels zu beweisen scheinen. Himmel ging in folgender AVeise vor: Einem Meerschweinchen wurde Antialexin injiziert, darauf eine Schankerkultur; nach etwa einer Viertel- stunde enthält das Exsudat nur sehr wenig Leukocyten, welche keine Bazillen enthalten, während bei nicht mit Antikomplement behandelten Tieren zahlreiche mit Bakterien vollgepfropfte Leukocyten auftreten. Die Bazillen sind in diesem Falle agglutiniert , im ersten Falle nicht. Mehrere Stunden später entnommenes Exsudat zeigt auch im ersten Falle Agglutination und geringe Leukophagocytose. Nach 6— 8 Stunden wird der Befund in beiden Versuchen der gleiche. Nun wurden von einem starken antihämolytischen Serum 4 ccm iu die Bauchhöhle eines Meerschweinchens injiziert und 10 Minuten später eine Schankerkultur, worauf das Tier in 24 Stunden zu Grunde geht, während 2 Kontrolltiere widerstehen. Das Herzblut des ersteren Tieres ergab eine reichliche Schankerbazillenkultur. Die Kultur war viel viru- lenter als die originale, indem dieselbe Meerschweinchen zunächst auch nach geringer Antikomplement-Einverleibung später auch ohne dieselbe nach 24 Stunden tötete. Der Schankerbacillus ist, wie wir gesehen haben, äußeren Einflüssen gegenüber wenig resistent, die verschiedenen, gegen die Schanker- geschwUre angewendeten antiseptischen Verbände werden deshalb die Heilung sicher beschleunigen, schon dadurch, dass sie zugleich die Bil- dung von Impfschankern hintanhalten. Vielleicht wird es auch ge- lingen, durch Einwirkung höherer Temperaturen oder durch Injektion von Antikörpern die Bazillen in den pathologischen Produkten schnell zu töten. Allerdings sind diese Mittel, der Gutartigkeit des Aveichen Schankers gegenüber weniger wichtig als eine rationelle Ueberwachung der Prostitution, welche berufen ist, die Gefahr der geschlechtlichen Ansteckung nicht nur mittelst des Schankervirus sondern hauptsächlich der viel wichtigeren Blenorrhagie und Syphilis zu verhüten. Der weiche Sehanker. 437 Litteratur. i M. NicOLLE, Eecherches sur le chancre mou. Th. de Paris 1893. — 2 Unna, Der Streptobacillus des Ulcus molle. Monatsh. prakt. Dermat., Bd. 14, 1892. — 23. Ders., Encykl. Jahrbücher., 4. Jahrg., 1894. — 3 Morgan, Med. Times and Gaz. 3. Dez. 1870. — * Pick, in: Die Lehre vom syphilitischen Contagium, 1866, von AusPiTZ. — 5 EiEGER, Vicrteljahrsschr. f. Derm. u. Syph., 1881. Heft 2 u. 3. — 6 M. V. Zeissl, Ueber den Ducreyschen Bacillus, den Erreger des venerischen Geschwüres (Ulcus molle). [Centralbl. f. Bakt, 1902, Bd. 31, Nr. 6.] — ^ Kaposi, Syphilis d. Haut u. angrenz. Schleimhäute, 1873. — 8 Finger, Vierteljahrsschr. f. 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Schon seit langem wurden die auf Malta wohnenden englischen Truppen von einer eigentümlichen Krankheit befallen, welche von Duffey^ beschrieben, dann von Maclean2, Wood 3, Doralüson-*, Notter^ u. s. w. genauer beobachtet und als Maltafieber berzeichnet wurde. Dieselbe zeigt eine Inkubationszeit von mehreren Tagen bis mehreren Wochen. Zunächst klagen die Krauken über Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Nasenbluten, Appetitslosigkeit, Erbrechen, oft Koryza. Hierauf entsteht hohes Fieber mit profusen Schweißen, ein eigentümlicher Geruch der Haut und des Atems, Konstipation mit häufigen aber unregelmäßigen Intermittenzen. Im Beginn bestehen oft rheumatische oder neuralgische Schmerzen, ferner sind ähnliche Erscheinungen sowie auch Orchitis und arthritische Schwellungen während gder in folge der Krankheit zu beobachten. Die Fieberkurve hat gewisse von Bruce. Hughes & Westcott *"• betonte Eigentümlichkeiten. Anfangs erhebt sich die Temperatur langsam, mit vesperalen Exacerbationen, und überschreitet nach 14 Tagen etwa 40 '^j während des Morgens die Temperatur in die Nähe der Norm zu- rückkehrt. Dieser remittierende Typus dauert 1 — 3 Wochen; das Fieber fällt allmählich ab und geht in 1 — Stägige Apyrexie über. Manchmal dauert dieser Zustand auch längere Zeit und kann selbst in Geuesung über- gehen, wobei die Temperatur aber auch in diesen Zeiträumen ein Avenig über die Norm ansteigt. Gewöhnlich beginnt dann der remittierende Fiebertypus von neuem. Selten sind die llemissionen so ausgesprochen, dass das Fieber einen quotidianen, intermittierenden Charakter annimmt, welcher aber von jenem der Malaria leicht zu unterscheiden ist. Tm ganzen dauert das Fieber sehr lange, 6 Monate z. B. und noch länger, ohne dass Chinin oder Arsenik dasselbe beeinflussen. Außer den erwähnten Erscheinungen besteht gewöhnlich eine bedeutende Konsti- pation und entwickelt sich eine allmählich fortschreitende Anämie und Das Maltafieber. 439 Janua/- J^f/ruur^ 7892 20 2f ?^ t' ^ ?5\ 26 < ^^ » 30 3/ / ^ 3 ^ J ^ 7 /d /;*/ f ^ ?0 y Tac^e ^ 69 /^ ?£ ^ 73 n'^ '57d 7^ 73 n ^ si !• "*!» 2?,«; 0 ^ » ^w ^ V Fig. 2. I 3tägige Kultur in Bouillon. Mit Karbolfuchsin gefärbt. 2 Auf Agar, Anilin-Gentiana. 3 Aeltere Kartoftelkultur, nach Gram. 4 Stägige Kultur auf Glycerinagar. 440 V. Babes, Schwäche, sowie häufig ueuralgische und rheumatische Schmerzen, welche jahrelang andauern. Die Mortalität ist kaum ^% und nahm in letzter Zeit noch bedeutend ab, doch müssen die Kranken lange Zeit, etwa bis 90 Tage im Spital verweilen. Die schweren und öfters tödlichen Fälle sind ausgezeichnet durch einen typhusähnlichen Zustand, wobei die Temperatur kontinuierlich oder mit nur geringen matiualen Kemissionen andauert. Es bestehen Kongestionen des Darmes mit Diarrhöen. Der Tod tritt infolge von Hyperpyrexie , Erschöpfung oder Komplikationen von selten der Lungen ein. Postmortale Temperaturen von 43 — 44° sind nicht selten. Das Maltafieber wurde öfters mit Abdominaltyphus oder Malaria zu- sammengeworfen, doch wurden weder die Parasiten dieser Krankheit noch die anatomischen Veränderungen des Abdominaltyphus gefunden. Die Krankheit ist häufig nicht nur auf Malta sondern auch au anderen Stellen des mittelländischen und adriatischen Meeres, so in Dalmatieu (BßUNNER^), in Aegypten, auf Gibraltar, Cypern u. s. w., aber auch an andern afrikanischen und südamerikanischen Küsten, in Sansibar, Vene- zuela (Hughes), Portorico (Cox«), St. Juan, Musser (Cox), China (Hughes^'') und auf den Philippinen (Steong & Musgeave,^ Ccrey). Zunächst wurde es in Malta beschrieben, wo zu verschiedenen Zeiten jährlich viele eng- lische Soldaten erkranken (etwa 3 — 20% des Effektivstandes). Das Maltafieber ist offenbar sehr ansteckend; dasselbe hängt zum Teil wohl mit einer Infektion des Trinkwassers zusammen, indem die Verbes- serung desselben eine bedeutende Abnahme der Epidemie zur Folge hatte. Allerdings dürften auch andere unbekannte Momente angenommen wer- den. Interessant sind in dieser Beziehung die von Biet & Lamb^^ ver- öffentlichten Laboratoriumsinfektioneu. Dieselben beschreiben drei derar- tige Fälle, in welchen auch die Serodiagnostik positiv ausfiel. Man wird deshalb bei den bakteriologischen Untersuchungen sehr vorsichtig sein und eine Infektion durch Verletzung vermeiden, die, wie es scheint, die Krankheit sicher hervorbringt. II. Pathologisclie Anatomie. Die pathologischen Veränderungen sind wenig imtersucht worden. Es wurde zunächst eine weiche Milzvergrößerung beschrieben, mit oft pulpöser Konsistenz, während nach 5 — 6 Wochen das Organ wieder kleiner und derber wird. Wenn der Tod etwa nach 20 Tagen eintritt, ist die Milz oft bis 600 g schwer, die Milzsubstanz fast zerfließend. Im Verdauungskanal, namentlich im Dickdarm, bestehen oft eigentüm- liche hämorrhagische Stellen, oft ist dieser Darmabschnitt bedeutend ge- schwollen und kongestiouiert, ebenso öfters auch umschriel)eue Anteile des Dünndarmes. Die PEVEESchen Plaques sind immer intakt, auch bestehen keine Darmgeschwüre, doch manchmal mäßige Schwellung der Mesenterialdrüsen. Die Leber ist gewöhnlich vergrößert und wohl auch entartet, etwa 2000 g schwer, zerreißlich und stellenweise hyper- ämisch. Häufig ist hypostatische Hyperämie der Lungen, Splenisation oder Pneumonie vorhanden; manchmal ist letztere ausgebreitet, lobär und von Lungenödem gefolgt. Die Nieren sind oft vergrößert, die Kindensub- stanz verbreitert, blass, zerreißlich; aus derselben konnten die Bakterien in einigen Fällen herangezüchtet w^erden. Die Milz enthält gewöhnlich die charakteristischen Bakterien in Reinkulturen, während im Blute Das Maltafieber. 441 dieselben nicht nachgewiesen werden können, wohl aber beschreibt DuBHAM die Bakterien im Urin und zwar in vivo, was vielleicht für die Verbreitung der K verwertet werden kau: bisher nicht bekannt. die Verbreitung der Krankheit von Wichtigkeit ist und auch zur Diagnose verwertet werden kann. Histologische Untersuchungen der Organe sind III. Kulturversuche. Schon Bruce 11, der Entdecker des Bacillus (1887) sowie Gips konnten in den meisten Fällen (12 unter 13) beobachten, dass in der Umgebung der auf Agar übertragenen Milzstückchen sich eigentümliche Kolonieen bilden, während aus anderen Geweben oder aus Blut dieser Organismus bloß zweimal unter 11 Versuchen sich entwickelte. Der kultivierte Orga- nismus ist nach den Autoren ein runder oder leicht ovaler, sehr kleiner Coccus, etwa 0,33 u im Durchmesser, welcher im hängenden Tropfen als ein heller Punkt mit energischer Molekularbewegung einzeln oder doppelt, nie in Schwärmen angetrotten wird. Derselbe ist nicht beweg- lich, färbbar mit basischen Anilinfarben und wird nach Gram entfärbt.*) Nach Bruce entsteht in Bouillon-Pepton nach mehreren Tagen Wolken- bildung, doch keine Hautbildung an der Oberfläche. Der Micrococcus entwickelt sich am besten auf Iprozentigem Fleischwasser-Pepton-Agar. An der Agarstichkultur erkennt man erst nach mehreren Tagen rings um den Einstich kleine perlweiße Flecke und längs des Stiches kleine runde, Aveiße Kolonieen. Xach einigen Wochen sind dieselben etwas größer geworden, bilden an der Oberfläche eine Rosette, im Stich einen soliden gelblichbraunen Strang. Nach Monaten bleibt die Kultur um- schrieben und ist rötlichgelb gefärbt. Auf schrägerstarrtem Agar ent- wickeln sich Kolonieen nach mehreren Tagen, bei 25" etwa nach 7 Tagen, bei 37° etwa nach 3 — 4 Tagen. Bei letzterer Temperatur erkennt man längst des Impfstiches rundliche Kulturen von Schrotgröße, glatt, wenig erhaben, glänzend, milchweiß, bei durchfallendem Lichte in der Mitte gelblich, am Rande bläulichweiß. Die einzelnen Kolonieen werden nicht größer als Hanfsamen. In Gelatine entwickelt sich bei 22° erst ' nach einem Monat eine feine Stichkultur und auf der Oberfläche eine weiße stecknadelkopfgroße Kolonie. Die Gelatine wird nicht verflüssigt, auf Kartoffel wurde kein Wachstum erzielt. Eigene Untersuchungen. — Eine von H. Kral erhaltene, von Wright stammende Kultur auf Agar des Microc. Melitensis wurde von uns genauer untersucht; dieselbe bildet an «der Oberfläche in der Um- gebung des Impfstiches einen dünnen, weißlichen, durchscheinenden, scharf umschriebenen Streifen. Der Impfstich ist in der Tiefe weniger aus- gesprochen, vielmehr ist derselbe mehr oberflächlich, wo er eine braune Färbung zeigt. Der Impfstich ist opak, homogen. Die oberflächlichen weißen Plaques haben bei durchfallendem Licht rauchbraune Färbung. In Bouillon entwickelt sich das Bakterium spärlich, erzeugt eine feine granulierte geringe Trübung und sehr wenig granulierten Boden- satz, welcher sich beim Schütteln als feinkörniges Pulver erhebt. Die Kultur hat einen geringen Fäulnisgeruch, etwa wie Typhuskulturen. Auf schief erstarrtem Agar entstehen nach etwa 4 Tagen punktförmige. * DürhamI* beschreibt auch fadenförmige Formen in bei niederer Temperatur (18 — 20°) gehaltenen Kulturen; doch ist es nicht sicher, dass dieser Autor denselben Mikroorganismus gezüchtet hatte. 442 V. Babes, Streptokokkeukulturen ähnliche Kolonieen, welche zusammeufließend eine sehr durchscheinende, weißliche, feuchte, glänzende, umschriebene Schicht bilden. Das Kondensationswasser wird im ganzen wenig gleich- mäßig getrübt. Uebrigens erscheint schon nach zwei Tagen auf der OberSäche bei Körpertemperatur eine aus feinen tauartigen Tröpfchen bestehende Schicht. Auf Kartoffel findet sich nach 4 Tagen ein glänzender, feuchter, durschsichtiger Rasen, während das Wasser am Grunde kaum getrübt ist. Auf Glycerinagar ist die Entwicklung 4 Tage nach der Beschickung viel deutlicher in Form eines ziemlich erhabenen, glänzenden, weißlichen, feuchten Bandes mit feingranuliertem Saume. In Lackmusagar ist die Entwickelung ganz ähnlich. Die Kultur verändert die violette Farbe nicht. Pepton Wasser bleibt klar und zeigt am Grunde wenig granuliertes, weißliches, pulverförmiges Präzipitat. Auf Gelatine erfok't nur unbedeutendes Oberflächen Wachstum als kleine weißliche, glänzende, wenig durchscheinende, flache, umschriebene Kolonieen, in der Tiefe entschieden besser in den oberen als in den tiefen Schichten in Form eines weißlichen granulierten Streifens längs des Impfstiches. Das Bakterium aus der Originalkultur bildet unter dem Mikro- skop Schwärme schwach gefärbter, rundlicher oder ovaler, gleichmäßig distanzierter Kokken oder Doppelpunkte, im ganzen der Beschreibung Bruces entsprechend. Eine frische Kultur in Bouillon hingegen stellt sich ganz verschieden dar: man erkennt hier mittelst scharfer Linsen, dass es sich nicht um einen Micrococcus, sondern um einen sehr kleinen und kurzen Bacillus handelt. Gewöhnlich sind zwei Bazillen unter sehr spitzem Winkel an einem Ende verbunden, oft findet man aber Reihen parallel stehender Bakterien, welche kurze Ketten vortäuschen; die Bazillen stehen öfters in größeren Haufen zusammen, wobei man ebenfalls die Anordnung in Reihen beobachten kann ; hie und da findet man in der Reihe etwas längere Bazillen, sowie stärker gefärbte Diplokokken ähnliche Formen oder solche, die an einem Pol ver- dickt, selbst kolbig erscheinen. Die Größe des Bacillus ist etwa 1,5 1.1 Länge zu 0,2 — 0,3 u Dicke. Die Kolben können 0,5 betragen (Fig. 2, 1). Außerdem erkennt man hie und da ebenso dicke, stark- gefärbte Kugeln. Agarkulturen frisch gefärbt zeigen die Bazillen bedeutend größer, namentlich mittelst Anilin-Gentiana gefärbt sind dieselben etwa 0,5 u dick, also etwas dicker als die Typhusbazillen. Sie stehen auch hier parallel oder oft fächerförmig wie Diphtheriebazillen, und sind ebenfalls mit Kolben versehen; sie unterscheiden sich von den Diphtheriebazillen durch ihre Kleinheit und bedeutende Kürze, sowie durch die Tendenz längere Reihen zu bilden, andererseits entstehen oft dichte Massen in welclien die Bazillennatur des Mikroben schwier zu erkennen ist (Fig. 2,2). Jedenfalls ist die Stäbchennatur eben in gebeizten Präparaten besser zu konstatieren und ist es schwer zu erklären, weshalb die Autoren diese charakteristischen Bilder nicht gesehen hatten. Nur infolge mangelhafter Instrumente und wenig scharfer Färbung kann man die Bazilleunatur dieses Mikroben verkennen. Die Färbung mit der ZiEiiLSchen Lösung lässt die Bazillen ähnlich dem Influenza- bacillus erscheinen, allerdings ist die Bildung von parallelen Reihen und von Kolben bei jenen mehr ausgesprochen. Das Maltafieber. .443 Auf Grlycerinagar erscheint der Bacillus oft äußerst polymorph, indem hier kurze, etwas gekrümmte Bazillen, öfter mit Endverdickungen, mit Diplobakterien oder mit längeren geraden Stäbchen oder mit ziemlich langen starkgewundenen Ketten abwechseln; letztere sehen oft Strepto- kokken täuschend ähnlich, doch erkennt man bei näherer Betrachtung, dass dieselben größtenteils aus gekrümmten kurzen Bazillen zusammen- gesetzt sind. Endlich findet man hier viel größere und starkgefärbte Diplobakterien oder kugelförmige Gebilde (Fig. 2, 4). Auf Lackmusagar sieht der Bacillus, mittels Karbolsäure oder Me- thylenblau gefärbt, dem Influenzabacillus täuschend ähnlich. Auch auf Laktose erscheinen neben den parallelen Reihen kurze, feine Bazillen und Streptokokken ähnliche Bilder. Auf Peptonwasser erscheint der Bacillus kokkenähulich. Auf Gelatine gezüchtet wächst das Bakterium in Form sehr kurzer Stäbchen oder Diplobakterien von etwa 0,3 u Durchmesser, parallele Reihen oder kurze Ketten bildend; häufig sind birnförmige, 1 u dicke, starke, gefärbte Gebilde. Auch ältere Kartoffelkulturen geben mit Anilin-Gentiana kokkeu- ähnliche Bilder, aber eben in letzteren Kulturen sind die Bazillen oft ziemlich groß und enthalten eigentümliche glänzende, ungefärbte, sporen- ähnliche, sowie ganz kleine gefärbte endständige Körperchen. Der Bacillus ist allerdings nicht sehr beständig, doch verliert der- selbe keineswegs immer seine Vitalität nach 6 — 8 Tagen, wie die Autoren meinen, nachdem wir öfter 1 — 2 Monate alte Kulturen namentlich auf Glycerin- oder Serumagar lebend angetroffen haben. Derselbe ist aller- dings aerob, entwickelt sich aber wenn auch spärlich bei Luftmangel. Wir haben gesehen, dass derselbe entgegen den Angaben der Autoren auch auf Kartotiel, namentlich mit Glycerin, zu wachsen vermag. Diese Bakterien ftirben sich nicht nach Gram. Nach unseren Erfahrungen ist dieser Mikroorganismus demnach ein kleiner etwa 0,2 — 0,4 u dicker, sehr kurzer, oft kolbiger Bacillus, welchen wir allenfalls als Mikrobakterium bezeichnen könnten, während der Aus- druck Coccobacillus, welcher für derartige Bakterien mehrfach ange- wendet wurde, uns nicht glücklich gewählt erscheint, nachdem je unter LTmständen jeder Bacillus kokkeuähnliche Formen aufweisen kann. Die Tendenz des Bakteriums Kolben zu bilden, sowie seine übrigen Eigentümlichkeiten weisen demselben einen Platz in der Nähe gewisser von mir bei Bronchitis gefundenen Bakterien, sowie der bei Keuchhusten gefundenen Stäbchen, vielleicht auch der Gruppe des Influenzabacillus an. IV. Tierversuche. Die Tierversuche gaben Bruce & Hughes nur bei Atfen positive Resultate; namentlich nach subkutaner Infektion von geringen Mengen von Reinkultur bleiben Mäuse, Meerschweinclien und Kaninchen gesund, während Affen etwa 24 Stunden nach der Injektion beginnendes, laug- sam aufsteigendes oft monatelang andauerndes, remittierendes Fieber zeigen, das sich ähnlich verhält wie jenes bei Menschen. Manchmal gehen die Tiere nach etwa 2—4 Wochen ein und alle Organe enthalten dann das injizierte Bakterium. Die Versuche von Hughes ^^ waren ebenfalls für Affen positiv und zeigte derselbe, dass in der Regel die Tiere nach mehrmonatlicher Krank- heit oft trotz Abmagerung doch wieder gesund werden. 444 V. Babes, Nach DuKHAM sind übrig-ens auch Kaninchen und Meerschweinchen nicht immun, sondern gehen nach Einspritzung ins Gehirn oder ins Peritoneum, namentlich nach mehreren Passagen, zu Grunde, worauf bei kurzem Verlauf der Coccus aus den Organen mit xlusnahme der Niere gefunden wird. In chronischen Fällen erscheint derselbe im Harn. Unsere eigenen Versuche stimmen indessen mit den ol)igen Angaben nicht überein, da wir bei Kaninchen und Meerschweinchen mittelst Injektion in Gehirn und Peritoneum selbst größerer Dosen frischer oder älterer Kulturen keinerlei Erkrankung hervorrufen konnten. V. Spezifische Produkte. Die Frage nach den spezifischen Produkten des Maltabakteriums wurde zunächst durch Wright & Lamb^^ untersucht und fanden die- selben, dass das Blut an Maltafieber erkrankter Personen agglutinierende Wirkung auf das Bakterium ausübt. Ebenso erzielt man agglutinierendes Serum, wenn man die Kulturen AÖeu, Meerschweinchen oder Kaninchen injiziert. Beim Affen hat das Blut schon nach 5 Tagen agglutinierende Eigenschaften. Zunächst beschreibt Kretzis einen Fall von Maltafieber, welcher in Wien zur Beobachtung kam und in welchem nach Ablauf der Krankheit das Blut die Bakterien in Verdünnung von 1 : 300 und mehr voll- ständig agglutiuierte , während dasselbe weder für Typhusbazillen noch für andere Bakterien wirksam ist. Seitdem wurde die Agglutinationskraft des Serums vielfach geprüft und namentlich zur Diagnose zweifelhafter Fälle sehr brauchbar befunden. (BiRT & Lamb, Aldridge^o, Cox, Musser2i, Hughes, Curry, Zammit22]. Das Blut erthält nach Durham agglutinierende Eigenschaften, wenn die Krankheit länger dauert und wenn bei Tieren die injizierte Dosis weder zu klein noch zu groß war. Bei Menschen erscheint die Aggluti- nationsfähigkeit namentlich bei längerer Dauer der Krankheit und besteht noch nach der Heilung derselben. Die Methode der Agglutinierung resp. Präzipitierung ist sehr ein- fach. Man erwärmt eine frische Bouillonkultur 15 Min. auf 60° und konserviert mittelst 0,5 % Karbolsäure. Nun mischt man zunächst einen Tropfen des zu untersuchenden Blutes mit 19 Teilen physiol. Salzlösung und tropft hiervon 18 Tropfen in 20 Tropfen Kulturflüssigkeit (1:40). Die trübe Flüssigkeit wird in kurzem klar, Avenn das Blut von Malta- fieberkranken stammt, während das Blut bei anderen Krankheiten selbst nach Tagen keine Klärung erzeugt. Gewöhnlich verursacht noch 1 Teil Blut in 300 Teilen Kultur Klärung. Ebenso kann man die Agglutination auch mikroskopisch untersuchen, indem man 10 — 15 Tropfen frischer Bouillonkultur mit einem Tropfen Blut vermengt und unter dem Mikroskop untersucht. Das Agglutinationsvermögen ist demnach geringer als das z. B. beim Typhus. Wright ist es noch gelungen durch Injektion von Kultur bei Tieren ein den Bacillus energisch agglutinierendes Serum zu bereiten, welches zugleich die Krankheit selbst günstig beeinflussen soll, indem Menschen und Tiere durch Seruminjektion rasch geheilt wurden. Fjtzgerald & Ewart23 berichten über 50 Fällen Wrights, darunter seinen eigenen und die seines Assistenten. In dem Falle des ersteren Autoren wurde nach Injektion von 2 mal 20 ccm prompter Das Maltafieber. 445 Fieber ab fall beobachtet, indem sieh allerdings nach 6 Tagen ein heftiger Nesselausschlag, Fieber, Gelenkschmerzen, rötlicher Auswurl eingestellt hatten, welcher nach neuer Injektion und etwa Stägiger Dauer einer gänzlichen Heilung Platz machte. Es ist wohl unzweifel- haft, daß diese letzteren Erscheinungen weder mit der Krankheit noch mit dem Antitoxin zu thun hatten, sondern einfach auf die AYirkung des Serums der betreffenden Tierart zurückzuführen sind. Litteratur. 1 DuFFEY, G. E., On rheumatic Orchitis as a sequel to fever. Dublin Journ. of med. sc, Februar 1872, p. 97. — - W. S. Macleou, On Malta fever. Brit. med. journ., 1875. Aug. 21, p. 224. — 3 0. S. Wood, On Malta fever. 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Allgemeine Charaktere und geschichtliclie Bemerkungen. Wie aus den verschiedenen Benennungen hervorgeht, ist diese Krank- heit in Nordafrika, sowie in Asien, namentlich in Arabien, Persien, Indien verbreitet, ebenso im griechischen Archipel, wahrscheinlich auch in Südamerika. Gewöhnlich erscheint in bestimmten, umschriebenen Gegenden im Herbst und zwar in bestimmten Monaten, so in Biskra und Gafsa nur im November an den nicht bedeckten Körperteilen: an den Extremitäten, am Gesicht, unter den bedeckten Teilen: an den Genitalien, nach einer Inkubation von etwa 20 Tagen, an schon früher erkrankten (ulzerierten oder entzündeten) Stellen oder an der gesunden Haut eine rötliche liusen- große Papel, welche nach 1 — 2 wöchentlichem Wachstum sich mit weiß- lichen Schuppen bedeckt, abheilt oder sich weiter entwickelt. In der Umgebung der primitiven Geschwülste bilden sich mehrere sekundäre unter der Form gelblicher oder weißlicher, miliumähnlicher , etwas eitriger Herde. Diese Eigentümlichkeiten weisen darauf hin, dass vielleicht das Auftreten der Krankheit mit der Entwicklung gewisser Insekten zusammenhängt. Die einzelnen Papeln bleiben längere Zeit durch die nicht geschwollenen Stellen isoliert; die ganze Gruppe ist rot oder violett gefärbt. Die einzelnen Geschwülste exulzerieren von der Oberfläche zur Tiefe, zunächst die mittlere primitive Geschwulst. Nach einigen M(maten sind die Geschwüre konfluiert und nckrotisiercu. Auf diese Weise entstehen 1--10 cm Durchmesser haltende, eine eigen- tümliche zitronengelbe, seröse, leicht koagulierende Flüssigkeit sezer- nierende, verschieden geformte oder runde Geschwüre, mit nekrotischem oder serpigiuösem, glattem oder wucherndem Grund, mit dicken Borken be- deckt, mit scharfen Päudern, an welchen öfters derl)e, Aveißliche miliare Papeln oder Knötchen sitzen. Das Geschwür bleibt lange stationär und heilt Die endemische Orientbeule. 447 im Verlauf mehrerer Monate, indem reieliliclie Granulationen und Narben- biklungen auftreten. Gewöhnlich entstehen zahlreiche derartige Geschwüre. Es existieren einerseits abortive Formen, andererseits entsteht öfters Eite- rung und Vergrößerung des Geschwüres, wie auch eitrige Infiltration, dort wo die Beule sich an frühere Entzündungen angeschlossen hat. Diese Charaktere geben der Beule ein gewisses, speziiisches Gepräge, so dass es gerechtfertigt ist, auch nach einer spezifischen Ursache zu suchen. Zunächst konnte überall die kontagiöse Natur, die Uebertragbarkeit durch Impfung nicht nur auf Menschen sondern auch auf Tiere durch VillExMain, Weber, Boinet & Deperet, Hickmann, Laveran, Doyon, Düclaux tt Chantemesse festgestellt werden. Ebenso sind die Knoten auf den Träger desselben inokulierbar. Schon die ersten Beobachter besonders Kaposi behaupten, dass eine erste Infektion vor weiterer Erkrankung schützt, während später festgestellt wurde, dass gewöhnlich Kinder an- gesteckt werden, welche während mehrerer Jahre fortwährend an Beulen leiden, die im Herbst auftreten und im Sommer wieder verschwinden. Erst allmählich werden die Eruptionen geringer und treten später nicht mehr auf. Schon bei Beginn der bakteriologischen Forschung wurde nach der Ursache dieser eigentümlichen Beulen gesucht. Deperet & Besnier fanden in der eigentümlichen Sekretion Bazillen und Mikrokokken, mittels welcher sie bei Meerschweinchen, nicht aber bei Kaninchen, eine tödliche Krankheit verursachten. Auche, Le Dantec, Djeladeddin- MoüKHTAR konnten aus den noch nicht eröffneten Papeln Streptokokken züchten, während Brocq & Veillon bei einem Kranken eine Strepto- thrixart, ähnlich jener des Madurafußes isolierten; vielleicht handelte es sich auch in diesem Fall um letztere Krankheit. Auch Poncet beschrieb mehrere Arten von Bakterien in diesen Ge- schwüren. II. Bakteriologie. Der Coccus Duclaux. — Im Jahre 1884 hatte Duclaux Gelegen- heit, einen Kranken aus Tunis zu untersuchen ; im Blute aus der Umgebung der Beule, sowie auch in größeren Gefäßen konnte ein Coccus von weniger als 1 .u Durchmesser gefunden und in neutraler Bouillon gezüchtet werden. Er erschien hier als Diplococcus oder unter der Form einer Zoogloea. Die Kultur verursacht in die Zirkulation des Kaninchens injiziert eine chronische Krankheit mitsuccessiveu Eruptionen von Beulen mit gangränösem Centrum, manchmal unregelmäßig zerstreut, manchmal in Gruppen oder selbst kon- fluierend und dann in der That den Orientbeulen ähnlich. Die Beulen erscheinen unter allgemeinen Erscheinungen und Abmagerung etwa 10 Tage nach der Infektion, zugleich mit tieferen Abszessen, welche alle denselben Mikroben beherbergen. Nach 3 — 4 Wochen sind die Tiere wiederhergestellt. 20 Tropfen Kultur in das Unterhautzellgewebe injiziert erzeugt Lymphangitis und ausgebreitete Gangrän, welche aber in Heilung ausgeht. In anderen Fällen verursacht eine Injektion in die Ohrvene mit größeren Dosen, z. B. Y4 ccm, den Tod nach etwa 16 Stunden mit Pericarditis, Pleuritis, hämorrhagischen Infarkten bei Gegenwart des Coccus in Blut und Harn. Abgeschwächte Kulturen erzeugen den Tod nach 4—5 — 6 Tagen mit Leberabszess, mit eitriger Nephritis und Bakterienembolieen in den MALPiGHischen Glomerulis und Nierenkanälchen. — Noch ältere Kulturen von etwa 25 — 30 Tagen erzeugen nur einen kleinen Abszess, während 448 V. Babes, nacli Injektion in das Blut Paralyse der hinteren Entremitäten 14 Tage bis 6 Wochen später auftreten. Kach 2 Monaten war die Kultur nicht mehr virulent. Diese interessanten Untersuchungen sind trotzdem nicht beweisend, nachdem in der That, wie wir dies in unserem Bak- terienwerke (Cornil-Babes 1886) bemerkten, bei Menschen dieser Coccus nicht sicher nachgewiesen werden kann, und endlich w^eil die Charak- tere der Kultur ungenügend beschrieben waren und es nicht ausge- schlossen war, dass der kultivierte Organismus nicht rein war oder dass es sich einfach um ein sekundär angesiedeltes, pathogenes Bakterium gehandelt haben konnte. Auch war es prekär, sich auf Grund eines einzigen Falles auszusprechen. Chantemesse hatte nun in Kairo Gelegenheit, eine noch nicht per- forierte, etwa nussgroße, bewegliche Beule zu untersuchen. Die ge- wonnene Flüssigkeit wurde auf Bouillon, Gelatine, Agar, Kartofteln geimpft und bei Zimmertemperatur gehalten. Auch wurde vom Blute dieses Kranken auf ähnliche Substanzen überimpft, welche letztere steril blieben, während in dem aus der Beule beschickten Köhrchen nach 2 Tagen Kulturen aufgingen. Gegen den 6ten Tag sind dieselben am charakte- ristischsten. Die Bouillon ist weißlich getrübt. Die Peptongelatine ver- flüssigt sich in Trichterform, ähnlich einer Cholerakultur. An der Ober- fläche erscheinen orangengelbe Körnchen. Auf Agar-Agar bildet die Kultur kleine, weißliche; matte, feuchte Plaques, welche nach 5— 6 Tagen gelblich, später dunkelorange werden. Aehnliche Entwicklung auf Glycerinagar. Auf Kartoffel entwickelt sich die Kultur schon vom ersten Tage an, in Form von oraugengelben, in der Mitte erhabenen, an der Peripherie dünnen, feuchten, Kolonieen. Unter dem Mikroskop erscheinen die Kolonieen als 0,5 /n im Durch- messer haltende isolierte oder zoogloeabildende Kokken. Dieselben ent- sprechen also bis hierher dem Staphylococcus aureus. Nach Chante- messe existieren aber verschiedene Unterschiede. So soll der Coccus Duclaux die Gelatine viel langsamer verflüssigen, als der letztere. Auf Kartoffel entsteht die gelbe Farbe beim Coccus Duclaux schon nächsten Tages und bleibt umsehrieben mit erhobenem Centrum, während der Staphylococcus aureus erst nach 4 — 5 Tagen gelb werden soll und die Kolonieen einen erhabenen, von kleinen, trockenen Kolonieen umgebenen Band haben ('?). Wir können diese Unterschiede um so weniger anerkennen, als wir zahl- reiche gewöhnlich unbeständige Varietäten des Staphylococcus kennen gelernt haben, welche sich in Bezug der Farbenbildung und des Wachs- tums auf Kartoffel sehr verschieden verhalten und besitzen wir nament- lich einen Staphylococcus, welcher sich beiläufig so verhält wie jener DUCLAUXS. Chantemesse impfte mittels einer Nadel den Bacillus in die Haut eines Mannes, worauf nächsten Tages eine geringe 2 cm große, rötliche, heiße Schwellung eintrat, die sich schnell vergrößerte, am 5. Tage einen kleinen Abszess bildete, welcher sich nach 2 Tagen ötfnete und dann ein kleines, rundes, kraterförmiges Geschwür verursachte, wel- ches nicht in die Tiefe ging und nach einigen Tagen unter Sublimat- verband heilte. Wir können dieses Geschwür nicht als spezifisch anerkennen, indem wir durch Impfung mittels Staphylococcus aureus genau dieselben Er- scheinungen herv(»rbringen konnten. Jedenfalls fehlt diesem Geschwür die lange Inkubationszeit, die eigentümliche Entwicklung und die lange Dauer der Orientbeule. Interessant, wenn auch für die Annahme einer Die endemische Orientbeule. 449 spezifischen Wirksamkeit kaum zu verwerten sind die Tierversuche Chantemesses, welche mit jenen Duclauxs ühereinstimmeu. — Nament- lich wurde festg-estellt, dass in der That Injektion unter die Haut oder in die Blutbahn, je nach der Menge der Kultur, entweder nicht ulzeriereude Knötchen (Finkelsteix) oder solche, die Geschwüre oder Abszesse bilden, oder eine Septikämie oder endlich eine intensive Nephritis ohne Bak- terien im Blute hervorruft. Letztere Krankheit entsteht nach Chaxte- messe 14 Tage nach Injektion eines Tropfens frischer Kultur. Die Beschreibung der Tierversuche und der durch die Infektion be- dingten Veränderungen sind ebenfalls nicht imstande unsere Zweifel über die Spezifizität der gefundenen Staphylokokken zu zerstreuen, da wir mittelst virulenter Staphylococcusstämme ähnliche Veränderungen er- zeugen konnten. In der That scheint auch Finkelsteix mit einem weniger pathogenen Stamm des Coccus aus Orientbeulen gearbeitet zu haben als Chantemesse und Duclaux. Was die intravenöse Injektion mit größeren Dosen, etwa 1 ccm frische Kultur betrifft, so geht das Tier nach 24 Stunden zu Grunde und es entstehen hier dieselben Veränderungen : Ekchimosen, beginnende Niereninfarkte, akute Nephritis und Beginn einer katarhalischeu Pneumonie wie nach Injektion einer gleichen Menge virulenter Staphylococcus-aureus-Kultur. Auch die Injektion einiger Tropfen von virulenter Staphylococcus-Kultur erzeugt öfters dieselben multiplen, vereiterten Knötchen, Nephritis, interstitielle Hepatitis, sowie Abszessbildungen in den inneren Organen und den Tod nach 10 — 15 Tagen, eben wie die Injektion des DucLAUxischen Coccus. Auch die nähere Beschreibung der nach subkutaner Injektion entstehenden Veränderungen entspricht jenen durch Staphylococcus aureus hervorgebrachten. Wir können demnach behaupten, dass die Kontrolluntersuchungen Chaxte- messes nicht imstande waren, uns von der Spezifizität des Coccus Duclaux zu überzeugen. Kapselkokken. — Riehl beschrieb im Jahre 1886 eine andere Coc- cusart in der Orientbeule, nämlich einen eingekapselten Coccus, der im Innern von epithelio'iden oder Eiesenzellen sitzt und auch Heydexreich beschreibt im Jahre 1888 unter dem Namen Micrococcus Biskra einen unbeweglichen, 0,86— 2 j« dicken, mit Kapsel versehenen Diplococcus, oft sarcineähnlich , mit ovalen Sporen (?). Temperaturoptimum 30°, doch wächst er auch bei Zimmertemperatur. Bei 60° sterben die Kulturen nach 15 Minuten ab. Aerobier, leicht färbbar, pathogen für Kaninchen, Hunde, Hühner, Pferde und Schafe, bei welchen er der Biskrabeule ähnliche Veränderungen hervorrufen soll. Bei Menschen wurde nach Einreiben virulenter Kultur ebenfalls der Orientbeule ähnliche Geschwüre erzeugt. Er verflüssigt langsam Gelatine. Anfangs nach 48 Stunden bildet er in der Tiefe in der Länge des Impfstiches einen feinen punk- tierten Faden und ein rundliches, weißgelbliches Häutchen an der Oberfläche. Nach 4 Tagen beginnt die Verflüssigung in Trichterforni. Auf schrägem Agar entsteht bei Blut wärme in 24 Stunden ein grauweißer bis gelblicher, lackartiger Belag. Auf Kartoffeln bei Bluttemperatur nach 2 Tagen ein weißes oder gelbes Häutchen. Hier bilden sich häufig Involutionsformen. Diese Beschreibung ist um so weniger geeignet, uns von der pathogenen Rolle des beschriebenen Bakterium zu über- zeugen, als dieselbe manche Widersprüche enthält; so ist nicht voraus- zusetzen, dass ein bei 60" getötetes Bakterium Sporen enthält, ferner ist die Beschreibung eine solche, dass sie allenfalls auch für den Coccus Duclaux zutriö't. Bloß die Kapselbildung kommt bei letzterem Handl)ucli der pathogenen Mikroorganismen. III. 29 450 V. Babes, nicht vor, es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es sich hier um eine Täuschung oder um ein assoziiertes Bakterium handelt, wie ja über- haupt verschiedene Mikroorganismen in einzelnen Geschwüren gefunden wurden, so von Brocq & Veillon ein Streptothrix, namentlich eine dem Aktinomyces ähnliche Art, während Auche, Le Dantec, Djelaüeddin- MouKiiTAK in offenen Geschwüren Streptokokken fanden. Der Streptococcus von Nicolle & Noury-Bey. — Auch Nicolle & Noury-Bey beschreiben in zahlreichen Fällen Streptokokken, welche sich von anderen dadurch unterscheiden, dass sie durch das Maemo- REKSche Serum nicht beeinflusst werden. Zunächst fanden dieselben den Streptococcus in 2 Fällen in Koustantinopel und dann in den 7 in Aleppo untersuchten Fällen. Hier sind die Beulen sehr häutig, indem alle Ein- geborenen an denselben leiden oder gelitten haben. Die Krankheit scheint auch sehr kontagiös zu sein. — In allen Fällen wurde das Material aus den noch nicht geöffneten Beulen oder nach Kauterisation der Krusten mit allen Kautelen entnommen. Auch exstirpierte Stückchen enthielten große Massen von Streptokokken. In einem einzigen Falle fanden sich Stroptotricheen und in 2 Fällen Staphylococcus aureus neben den Streptokokken. Der Streptococcus wächst reichlich in Bouillonserum, koaguliert Milch nach etwa 30 Stunden, wächst auch anaerob und zeigt auf Kartoffel keine Entwicklung. Er ist wenig virulent, kann aber durch Passagen langsam in seiner Pathogenität gesteigert werden. Bei keiner Tiergat- tung, auch nicht beim Affen, konnten Beulen erzeugt werden. Die intrapleurale Injektion von 4 ccm verursacht gewöhnlich den Tod des Kaninchens, welcher durch Injektion von MARMOREKSchen Serum nicht aufgehalten werden konnte. Wir können uns der Meinung der Autoren nicht anschließen, dass dieser Streptococcus einen speziellen Typus darstelle. Zunächst ist der- selbe nicht genau beschrieben ; Bouillon wird manchmal getrübt, manch- mal auch nicht. Die Länge der Ketten ist nicht angegeben. Der Um- stand, dass Meerschweinchen bei reichlicher Injektion etwas häufiger zu Grunde gehen, ist ebensowenig als ein spezielles Kennzeichen zu be- trachten, wie der Mangel einer Beeinflussung durch das MARMOREKSche Serum, von welchem Avir wissen, dass es zahlreiche Streptokokken- stämme nicht beeinflusst. Der Einwand, dass Staphylokokken in allen möglichen entzündlichen oder nekrotischen Prozessen der Haut vor- kommen, während dies für Streptokokken nicht der Fall sein soll, ist eben- sowenig gerechtfertigt. — Allerdings sprechen die Versuche der Autoren gegen die spezifische Bedeutung eines Staphylococcus aureus, welcher bloß 2mal unter 9 Fällen gefunden wurde. Bazillen befunde. — Crendiropoulo fand in Camaran in dem so- genannten Yemengeschwür, welches, wie es scheint, mit der Aleppobeule identisch ist, in zahlreichen Fällen einen kleinen Bacillus neben ver- schiedenen Saprophyten und pyogenen Kokken. Leider ist die Größe des- selben nicht angegeben. Derselbe ist kurz, abgerundet, oft eingeschnürt, färbt sich mit basischen Anilinfarben, nicht aber nach Gram. In flüssigen Medien sind die Bazillen größer, ungleich, sehr beweglich; in älteren Kul- turen bildet er manchmal lange Ketten. Im Wundsekrete erscheint er dün- ner und länger. Er trübt die Bouillon ; schon nach wenigen Stunden bildet er an der Oberfläche einen feinen irisierenden Schleier. Am Grunde bildet sich ein weißer, flockiger Niederschlag; die Bouillon wird später klar, dunkelgelb, fötid. Er bildet kein Indol. Milch wird nach etwa 2 Tagen Die endemische Orientbeule. 451 koaguliert, Laktosefermentation. Auf Agar entwickeln sich runde, erha- bene, gelbliche, etwas durchscheinende, verschieden große, bis hanfkorn- große Kolonieen. Im Impfstich entwickelt sich eine feuchte, gelbliche, durchscheinende, dicke Kolonie, welche sich seitlich bis zum Rande ausbreitet. In der Mitte wird die Kolonie später dunkelgelb. Glelatiue wird schnell verflüssigt. Auf Kartoffel reichliche, feuchte, dicke Kolonieen, welche sich in einigen Tagen auf die gesamte Oberfläche verbreiten. Der Bacillus wächst am besten zwischen 38 — 40° sehr schwach unter 24°. Im luftleeren Raum zeigt derselbe keine Entwicklung. Er ist pathogen für Kaninchen und Tauben. Gewöhnlich genügt die peritoneale oder subkutane Injektion von 1 ccm Kultur um die Tiere durch Septikämie zu töten. Bei der Sektion erscheint das Peritoneum und der Darm normal, während die Milz und Nieren vergrößert, letztere zerreißlich sind; die Leber zeigt Ekchymosen und die Lungen sind hepatisiert. Häufig findet sich perikardiales Exsudat. Infolge der Infektion mittelst 0,3 ccm entstehen zunächst lokale Entzündung und namentlich ein umschriebenes, fagedänisches Geschwür mit wenig Eiterbildung. Nach etwa 20 Tagen beginnt das Geschwür zu verheilen. Gewöhnlich findet sich neben diesem Bacillus auch der Staphylococcus aureus, welcher, wie es scheint, die Wirkung des Bacillus verstärkt. Der Autor meint, dass die lokale Wirkung des Bacillus dem Yemen- geschwür entspreche, während wir nach der Beschreibung dies nicht als bewiesen betrachten, weil eine ganze Anzahl von pathogenen Bakterien, namentlich der Proteusgruppe, welcher der beschriebene Bacillus wahrscheinlich angehört, ähnliche lokale Entzündungen verur- sachen. Zugleich muß betont werden, dass ich, neben den pyogenen Kokken, in verschiedenen chronischen Hautgeschwüren häufig ähnliche, pathogene Proteusarten finden konnte. III. Pathologische Anatomie. Auch die pathologische Anatomie war nicht imstande, uns defini- tive Aufklärungen über die Aetiologie der Krankheit zu geben, da keine von anderen Beulen oder selbst Furunkeln wesentlich verschie- dene Befunde vorliegen. Die Hornschicht ist über der Beule blättrig verdickt und gelockert, die MALPiGHische Schicht verdünnt, die Cutis dicht infiltriert durch Leukocyten, welche sich längs der wuchernden zum Teil obliterierten Blut- und Lymphgefäße ausbreiten und an der Peripherie dichtere Herde und Knoten bilden. Die Bindegewebfasern sind glasig gequollen und im Centrum degeneriert; hier finden sich auch epithelioide und Riesenzellen, sowie hyaline Schollen und Körnchen. In der Mitte beschreibt Rtehl ein vertikal aus der Tiefe aufsteigendes, nekrotisches Band. Durch Geutianaviolett konnten in blassen epithelioiden Zellen sowie in Leukocyten deutlich eingekapselte Kokken nachgewiesen, aber nicht kultiviert werden. Leloir konstatiert noch im Centi'um zerstörte Haarfollikel und Schweißdrüsen, doch konnte er keine Bak- terien erkennen. Poncet & Cligny beschreiben noch eine Verlängerung der Papillen mit zelliger Umwandlung. In einem Fall von Weber beschreibt Kelch eine weniger ausge- sprochene zellige Wucherung. Die der Arbeit Poncets beigegebene Tafel zeigt, dass es sich wohl um ein Geschwür handelt, dessen Grund von zahlreichen Kokken und 29* 452 V. Babes, auch düunen ziemlich laugen Bazillen bedeckt ist, welche in Form von Zoogloea oder auch diffus in der Art, wie etwa eine sekundäre Bazillenablagerung- auf irgend einen Geschwürgruud sich in die Tiefe erstrecken. Die histologischen Befunde Unxas decken sich nicht vollständig mit den vorigen, indem derselbe die kleinen Zellen nicht als Leukocyten, sondern mit blasigen, großen Kernen beschreibt, während allerdings die Gefäße reich an Leukocyten sind. Die Lymphgefäße sind sehr erweitert, Plasmazellen fehlen, die Schweißdrüsen nicht infiltriert, wohl aber die Haarbälge, welche auch Mitosen zeigen. Die Beulen enthalten viel Fibrin und Oedemflüssigkeit. Unna konnte wohl in den Präparaten RiEHLS, nicht aber in seinen eigenen Bakterien nachweisen. Während Unna in ersterem Präparate die intracellulären Kokken nicht finden konnte, endeckte er andere, von Riehl nicht beschriebene extracelluläre Zoogloeamassen. Ein von mir untersuchtes Stückchen aus einer Biskrabeule des Ge- sichtes gab mir ebenfalls bloß unvollständige Aufschlüsse. Die Haut war von gelockerter und verdickter Hornschicht bedeckt, unter welcher reichliches Eleidin vorhanden ist. Die MALPiGHische Schicht verdünnt, mit erweiterten zum Teil Leukocyten enthaltenden Lymphspalteu. Die Papillen sind gewuchert, die Lymphräume erweitert, mit granulierten Lymphmassen und wenigen Leukocyten erfüllt. Die Cutis von reich- lichen, großkernigen, kleinen Zellen und mit Leukocyten infiltriert, welche sich gegen die Mitte zu verdichten und unter Kernfragmentierung nekrosiereu. Hier bilden sich auch einige kleine hyaline Schollen. In der Umgebung endotheliale und perivaskuläre Gefäßwucherung, sowie Mastzellen, Oedem und Fibrineinlagerung. Die Schweißdrüsen wenig verändert, die Haarfollikel, namentlich im Centrum, mit wuchernden Papillen, Leukocyteuinvasion zwischen den Scheiben und Bakterien- massen, namentlich unter der Form von dichtstehenden Kokken und Diplokokken in der inneren Wurzelscheibe der Haarfollikel, sowie kleine Kokkengruppen in der Umgebung. Gegen das Centrum zu finden sich stellenweise in der Umgebung oder an Stelle von Getäßen epithelioide oder selbst mehrkernige Zellen mit gewöhnlich zentralen Kernhaufen, in welchen ich Bakterien nicht erkennen konnte. Sartinsky & Ssuda- KE WITSCH haben sich mit diesen Riesenzellen aus den Beulen derSartschen Krankheit oder dem Taschkentschen Geschwür beschäftigt. Letzterer findet, dass die Beulen aus einer, teils difiusen, theils knotigen Lifiltration von Granulationszellen bestehen und in ihr finden sich noch Epithelioid- zellen und Riesenzellen, ähnlich wie in Tuberkulomen. Im Innern der letzteren konstatiert man häufig elastische Fasern, zum Teil in Ent- artung begriffen, was Ssudakewitsch als phagocytäreu Vorgang deutet. Bloß in manchen epithelioiden Zellen fanden sich noch Kokken von 1 a Durchmesser, nicht in Haufen, sondern einzeln, von bloßen Höfen um- geben. — Alle diese Befunde sind demnach wenig charakteristisch und selbst voneinander verschieden; dieselben nähern sich gewissen, durch Insektenstich erzeugten Erythemen, Beulen oder gewissen Syphiliden. Wir werden also gut thun, einstweilen die Aetiologie der Aleppobeule als unaufgeklärt zu 1)etrachten und namentlich unsere Aufmerksamkeit auf Insektenstiche, auf lokale In- fektion durch dieselben, besonders auch auf nichtbakterielle Parasiten zu richten, wie solche öfters durch Insekten über- tragen werden. Die endemische Orientbeule. 453 Litteratur. Altonnian, Aleppobeule, Journ. of cut. and ven. dis., 1885. BoiNET & Deperet, Le Clou de Gafsa, Lyon Med. 1884. CHANTEME8SE, Note sur le ßouton de Biskra. Bullet, de la soc. anat. de Paris, 1887, p. 576. — Ders., Ann. Pasteur, 1887, Note sur le Bouton de Nil, p. 477. DuCLAux, Academie de Medicine, lO.juin 1884. DucLAux & Heydenreich, Archive de Physiologie, 1884. FiNKELSTEiN, Zur Frage der Mikroparasiten des Pendjeh-Geschwüres. Gesellsch. d. Kauk. Aerzte, 1880. Heydenreich, Peudinskaia Jasna, Petersburg 1888. Laveran, Contribution ä Fetude du bouton de Biskra. Annales de Dermat. et Syphil., 1880, p. 173. 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Zunächst wurde die Krankheit in Indien von englischen Aerzten beschrieben, welche behaupteten, dass dieselbe in Madura, im Süden von Hindustan etwa 10° nördlicher Breite vorkomme. Sie wurde hier von Kämpfer im Jahre 1712 zuerst beschrieben, ebenso von Collebrook. Später erkannte Collas die Krankheit auch in Pondichery und wies deren Verbreitung in ganz Hindustan nach. Heute sind als bedeutendere Krankheitsherde neben Madura, Hissar, Bicanir, Dehli, Bombay, Baratpur bekannt. Ebenso wurden solche in Cochinchina, namentlich in Cho-Quau bei Saigun durch Chedan festgestellt. Der Madurafuß entwickelt sich ferner bei Personen aus den infizierten Gegenden, welche vor län- gerer Zeit in nicht ergriffene Regionen eingewandert waren. So beschreibt Collas die Krankheit auf der Insel Keunion und Grand-Moursel auf Guyana bei aus Hindostan Eingewanderten. Nur die Eingeborenen sind der Krankheit unterworfen. Im Jahre 1876 wird dieselbe von Kemperer in den Vereinigten Staaten und von Layet in Valparaiso beschrieben; allerdings ist die Beschreibung nicht genügend charakteristisch, so dass es sich allenfalls um eine andere Krankheit des Fußes handeln könnte. Auch in Brasilien in Campinas leidet die ärmere Bevölkerung an einer sehr langsam, progressiv verlaufenden unheilbaren Fußkrankheit Cupim oder Cupy, von welcher Daunt vermutet, dass es sich um Madurafuß handelt, ohne aber zwingende Beweise hierfür zu erbringen. Erst Delbanco, welcher 1897 Präparate, die Hyde und Adami an das ÜNNASche Laboratorium eingesandt hatten, untersuchte, stellte das Vorkommen des Madurafußes in Amerika sicher. Die Krankheit existiert auch in Afrika, wo dieselbe von Gkmy et Vincent in Algier beschrieben wurde. Sie war von Tunis eingeschleppt Der Madurafuß. 455 worden. Mehrfach wurde der Madurafuß dann aui Senegal durch Bekenger-Ferault, Bourgarel und Boriis bei den Eiugehoreuen konstatiert, und Düval, Carpot, Durand hatten im Hospital von Saint Louis ebenfalls mehrere Fälle beobachtet. Bassini (1888) beobachtete einen Fall in Padua und auch in Kon- stantinopel beschrieb Libouroux im Jahre 1886 eine Deformation des Fußes, welche er als Madurafuß bezeichnet; doch dürfte es sich wohl in diesem Fall um eine Trophoneurose gehandelt haben, welche nichts mit unserer Krankheit zu thun hatte. II. Erscheinungsweise. Die Krankheit ist in der Kegel an einem Fuße lokalisiert, seltener .wird sie an den Händen, sehr selten in der Bauchgegend und am Kopfe beobachtet. Die Entwicklung ist sehr langsam und progressiv. Die Haut ist oft anfangs empfindlich und schwillt später schmerzlos und diflus an, oft ist sie aber auch später gegen Druck sehr empfindlich. Zunächst erscheint die Schwellung an der Sohle, wo erhabene, rundliche, verschmelzende, elastische, dunkelrote oder violette Knoten auftreten, welche später käsig erweichen und sich durch Fistelgänge öffnen. Nach Entleerung der erweichten Herde, welche oft bis an den Knochen reichen, aber nur selten den Knochen selbst ähnlich der Aktinomykose angreifen, entsteht eine tiefe pigmentierte Narbe, wäh- rend in der Umgebung neue Knoten auftreten, durch welche der Fuß monstruös anschwillt. Der Fußrücken bleibt lange Zeit verschont, die Wadenmuskulatur atrophiert. Gewöhnlich besteht bedeutende Hyper- hydrose des Fußes, die Lymphdrüsen sind gewöhnlich nicht geschwollen. In einem Fall fanden Hatch & Childe gelbliche Körperchen in den geschwellten Inguiualdrüsen. In späteren Stadien greift die Affektion in die Tiefe und verursacht kleinere oder größere Höhlen, sinuöse kommunizierende Kanäle, Perio- stitis und manchmal selbst Knochenschwund, Veränderungen, welche die Amputation nötig macheu (Hewlett). Namentlich die Tarsal-, manchmal auch die Metatarsalknochen sind erweicht und von Höhlen durchsetzt, welche bei der schwarzen Varietät eine harte, dunkle, bei der gelben eine weiche, ockerfarbige, fettige oder gelatinöse Substanz enthalten (Kanthack). Aus den zahlreichen Fisteln ergießt sich eine f ötide eitrige , weißliche oder gelbliche , manchmal hämorrhagische Flüssigkeit, in welcher unter dem Mikroskop nur wenige Eiterkörperchen, aber zahlreiche Bakterien gefunden werden, unter welchen durch Kultur namentlich Staphylococcus pyogenes aureus und albus isoliert werden konnten. Außerdem enthält die Sekretion krümlige oder mamellonierte Körperchen von verschiedener Größe und gelber schwärzlicher Farbe. Schon im Jahre 1855 behauptete Balliyall, dass die letzteren die Parasiten der Krankheit darstellen, und kurz darauf kultivierte v. Dyke Caeter einen Pilz, Chyoryphe Carteri (Berkeley), einen gewöhnlichen Schimmelpilz, welchen er als den Parasiten des Mycetoms betrachtete. Erst im Jahre 1886 erkannte H. J. Carter die Analogie zwischen Aktinomyces und Madurapilz. Kanthack, Hewlett und Ruelle iden- tifizierten dieselbe Varietät mit dem Aktinomyces, indem bei beiden Affektionen Knocheudefekte und Eiterungen vorkommen, Boyce und SuRVEYOR hingegen wiesen auf die wesentlichen Unterschiede im Ver- lauf der beiden Krankheiten hin: dass das Mycetom chronischer 456 V. Babes, verläuft als die Aktiuomykose, bei jenem die inneren Organe nicht angegriffen werden und aucli keine Allgemeiuerscheinuugen bestehen. Man kann dem noch hinzufügen, dass Aktinomyces bisher an den Füßen äußerst selten beobachtet wurde. Nur Bollinger beschreibt kürzlich einen solchen, von einer alten traumatischen Narbe aus- gehenden Fall, und dass der Verbreituugsbezirk der beiden Affektionen ein fi-auz verschiedener ist. ö' III. Parasiten. Man kann unzweifelhaft zweierlei Parasiten, eine schwarze und eine gelbe Varietät des Pilzes unterscheiden, welche aber beide genau die- selben Krankheitserscheinungen hervorrufen, und auch die Struktur der Parasiten ist nach Boyce und Surveyor dieselbe, während le Dantec wesentliche Unterschiede findet. Zunächst wollen wir die gelbliche oder besser graugelbliche Varietät untersuchen. Die etwa stecknadelkopfgroßen, oft zu größeren wulstigen Konkretionen vereinigten rundlichen^ nieren- oder maulbeer- förmigen, käsigen Körner sind weißlich, gelblich oder rötlich. Unter dem Mikroskop erkennt man im Innern einen Fadenpilz von 1 — 1,5 (,i Dicke mit segmentiertem Protoplasma, und an der Peripherie strahligen, glänzenden, dickeren, längsgestreiften kolbigen oder nach Vincent oft knopfartigen Enden, nach Kaxthack ähnlich jenen des Aktinomyces. Dieselben entwickeln sich aber hier nur au den größeren konfluierenden Körperchen (Kanthack). Die erwähnten Kolben sind immerhin viel mehr in die Länge ge- zogen und schmäler als die Aktinomyceskolben. Ueberhaupt ist der Strahlenkranz breiter. Nach Unna sind die einzelnen Strahlen große Säuleu oder Prismen, die Fäden des zentralen Netzwerkes sind lockerer, mehr schlangenartig gewunden. Im Inneren des Pilzes finden sich nebst dem Mycelium auch blasse, körnige, nicht färbbare Stelleu. Im allge- meinen sollen nach Adami und Kirkpatrick die Mycelien reichlicher ver- zweigt sein als beim Aktinomyces. Die Körner sind im allgemeinen größer als die Aktinomycesrasen. Nach Kanthack bestehen die ele- mentaren Drusen aus einem Mycelium, an das sich nach außen ein Kranz oder besser gesagt eine halbmondförmige Schale zuuächst kleiner, klumpiger, dann länger gestreckter, hyaliner Kolben strahlenartig an- setzt. An der offenen Stelle des Kranzes oder der Schale tritt das Mycelium stielartig heraus. Dasselbe bildet nach außen büschel- artige Endverzweigungen, die sich hier in hyaline Kolben einsenken, welche dicht aneinandergepresst den Strahlenkranz bilden. Nach Aus- bildung des Granulationsgewebes degeneriert der Strahlenkranz zu einer glasigen, rundlichen, homogenen Schicht, während das Mycel zu einer schwärzlichen Masse zusammenschrumpft und hier Pigment auftritt, welches manchmal die Mycelfäden umgiebt. Eigentliche Kolben finden sich demnach nur ganz im Anfang, während dieselben später fächer- artig zusammengepresst, geknickt werden und nach Unna eigentüm- liche Arabesken oder Fächerpalmenfiguren zwischen den Mycelien bilden. Die Kolben und deren Abkömmlinge sind nur schwer färbbar, da weder das in Anilinxylol fixierte Säurefuchsin noch die Hyalin- färbung die Strahlen des Mycetoms färbt. Das Mycelium des Madura- pilzes hingegen wird durch Hämatoxylin und selbst mit Karmin besser gefärbt als das Aktinomycesmycel. Der Madurafaß. 457 Nach CuNNiNGHAM fiuclet man Fälle, in welchen keinerlei Pilze nach- gewiesen werden können. — Manche Autoren beschreiben in einigen Fällen halbmondförmige fungoide Massen (Hewlett) ohne Keulen oder Strahlen und ohne deutliches Mycelium. Vielleicht handelt es sich hier um ein Sklerotium, also um einen ganz verschiedenen Pilz. Namentlich bei der schwarzen Varietät werden manchmal ebenfalls viel dickere und oidiumartige Mycelien gefunden. Wir können demnach behaupten, dass mit wenigen Ausnahmen, welche vielleicht zum Teil auf Beobachtungsfehlern beruhen, die gelbe Varietät des Pilzes von den verschiedenen Autoren gleichmäßig beschrieben wird. Allerdings meint Cunningham, welcher den Madurafuß nicht als Pilzkrankheit anerkennt, dass der Pilz im Gewebe nicht aktiv wird, weil hier keine kleinsten färbbaren Fäden gefunden werden. Kanthack ebenso wie Vincent konnten hingegen im Gewebe selbst kleinste lebende Fäden konstatieren. Allerdings ist in älteren Fällen der Pilz abgestorben. Die Untersuchungen, w^elche Vincent im Jahre 1891 — 1892 und 1893 an einem Kranken in Algier ausführte, gestatten eine genauere Bestim- mung des Parasiten. Es wurden Gewebsanteile und die Körperchen selbst mikroskopisch untersucht und es konnte der Pilz in Trockenpräpa- raten, welche mit LÖFFLERSchen Blau oder Fuchsin gefärbt und bei 400facher Vergrößerung untersucht wurden, leicht dargestellt werden. Immer fanden sich die Körperchen aus einem feinen Mycelium zusammen- gesetzt. Die einzelnen Fäden verzweigen sich unter verschiedenen Win- keln, die Zweige sind 1 — 1,5 ^i dick. An der Peripherie sind die Fäden strahlenförmig angeordnet, zeigen aber keinerlei Keulen, wohl aber findet man an den Enden der Fäden oft knopfähnliche 2 /.i dicke Endigungen. Manchmal wechseln hier verdickte und eingeschnürte Stellen ab, wahrscheinlich Involutionsformen, welche sich bloß im Ge- webe, nicht aber in den Kulturen finden. Das Protoplasma ist in den Fäden diskontinuierlich angeordnet, bald verdichtet, bald rarefiziert. Im Innern der Fäden findet man unregelmäßige Körner. Oft machen die- selben den Eindruck von unregelmäßigen Streptokokken. Im ganzen gleichen diese Körner Arthrosporen und treten besonders bei Gram- Färbung deutlich hervor, während bei Färbung mit ZiEHLscher Lösung die Fäden mehr homogen erscheinen. IV. Kultur der Pilze. Es scheint, dass bis zu den Arbeiten von Vincent einwandsfreie Kulturen nicht erzielt wurden. Vincent desinfiziert zunächst mittelst Aethersublimat, Alkohol und sterilisiertem Wasser die Oberfläche der kleinen Geschwülste, trocknet, sticht mit einem sterilisierten Bisturi ein und aspiriert den Inhalt in eine sterile Pipette. — Anfangs waren die Kulturversuche auf den gewöhnlichen Nährsubstanzen wenig charak- teristisch: nur auf einigen Bouillonröhrchen hatten sich nach 14 Tagen sehr kleine, rundliche, graue Körnchen entwickelt, welche durch suc- cessive Ueberimpfung allmählich größer wurden, so dass die Bouillon- kulturen am Grunde ganz kleine, runde Kügelchen erkennen ließen. Am besten sollen die Kulturen auf Heu oder Strohinfus wachsen (15 g auf 1 1 Wasser), ebenso auf Kartoffel-, Karotten- oder Zuckerrübeninfus, weniger gut auf Hefeninfus. Das Wachstumoptimum ist bei 37°, bei 4" sistiert das Wachstum. 458 V. Babes, Auf den erwähnten Kährbödeu ist die Entwicklung schneller und reichlicher, niimeutlich bei Luftzutritt und bei Züchtung in weiten Tuben oder in Erlexmeyer sehen halbgefüllten Kölbchen. Tägliches Aufrütteln der Kultur unterstützt das Wachstum. Hier entwickeln sich kleine weiß- liche Flocken oder größere bis erbsengroße Kolonieen, welche oft am Glase haften und im Centrum braun oder etwa nach einem Monat rosa oder rot werden. Die Flüssigkeit bleibt klar, wird etwas dunkler und von alkalischer Reaktion. Mit der Zeit entstellt an der Oberfläche eine feine weiße, aus Sporen bestehende Effloreszenz. Die Kulturen sind geruchlos. In Gelatine entsteht längs des Impfstriches eine weißliche, dünne Kultur; besser wächst der Pilz auf einer aus Gelatine und Glycerin 4, Glvkose 4, Heuinfus 100 zusammengesetzten Nährsubstanz. .Die Gela- tine wird nicht verflüssigt. Auf Agar ist die Entwicklung sehr gering, während auf Glycerinzuckeragar große, rundliche, glänzende, gelbliche später manchmal rötliche oder rote Kolonieen bis zu Erbsengroße auf- treten. In der Mitte sinken dieselben ein und bleiben weiß, während in der Peripherie eine rote Zone entsteht; später wird die Kultur mattweiß. Die Kolonieen haften fest und sind fast hornartig. Der Pilz wächst gut auf Milch, welche nicht koaguliert aber langsam peptonifiziert wird, nicht aber auf Ei, noch auf Serum. Am charakteristischsten scheinen Kartoffelkulturen zu sein, welche bei 37° nach 5 Tagen aufgehen und zunächst isolierte, rundliche weiß- liche Erhebungen bilden. Dieselben sind etwas in der Kartoffelsubstanz eingewachsen und deprimiert, im Inneren hohl. Nach einem Monat beginnen sich die Kolonieen rötlich zu färben und werden später orangenrot oder dunkelrot, namentlich auf sauer reagierenden Kar- toffeln. Manche Kolonieen sind wie von einem weißen Pulver ül)er- streut, welches aus Sporen besteht. Der Pilz wächst nur bei Luftzutritt. Aus eitrigem Fistelinhalt wurden noch Staphylococcus aureus und albus isoliert. Die mikroskopische Untersuchung der Kulturen entspricht den an Krankheitsprodukten gemachten Befunden. Das Mycelium ist aber in Kulturen etwas dünner, auch finden sich hier nicht die verdickten Extremitäten, welche wohl, wie beim Aktino- myces von Boström angenommen wird, eine Entartung der Faden- membran unter dem Einfluss des Organismus bedeuten sollen. In alten Kul- turen erscheinen hingegen am Ende der Fäden dickere eiförmige Segmente. Im hängenden Tropfen beobachtete Vincen r die Entwicklung der Zweige, welche von einem länglichen, stark lichtbrecheuden Körper ausgehen. Der Parasit wird durch alle Anilinfarben, besonders auch nach Graai gut gefärbt. Auf sterilem Filtrierpapier augetrocknet, blieb derselbe ^'■2 Jahr lebensfähig. Die Sporenbildung ist an die der Luft ausge- setzten Stellen der Kultur gebunden, namentlich häufig an der Ober- fläche der Heuinfuskultureu unter der Form eines dünnen matten Häut- chens. Uebrigens wurden auch in sterilisiertem Wasser Sporenbildungen beobachtet. Aber auch am Grunde der Kulturen finden sich oft Sporen. Wenn man das Häutchen direkt unter das Mikroskop bringt, findet man dasselbe aus zahlreichen großen, glänzenden, ovoiden, oft zu zweien oder zu kurzen Ketten angeordneten Körperchen von 1,5 /.i Dicke und 2 fi Länge zusammengesetzt. Dieselben sind nach Gram gut färbbar In hängenden Bouillontropfen kann mau das Auskeimen derselben in o Der Madurafaß. 459 der Läiig-sricbtimg erkennen. Die jungen Fäden verdicken sich au der Grenze des Tröpfcliens. die Sporen werden Ijei 85" in wenigen Minuten getötet, während die nicht sporenhaltigen Fäden schon bei 60° zu Grunde g-ehen. Unsere eigenen Untersuchungen führten zu ähnlichen Schlüssen. Wir haben dieselben besonders zum Zwecke einer schärferen Differenzierung des Pilzes von anderen Streptotricheen, namentlich von Aktinomyces. mittelst Parallelkultur auf demselben Nährboden ausgeführt, und sind hierbei zu folgenden Resultaten gelaugt: Das Wachthum der von uns untersuchten und als identisch befun- denen Stämme des Madurapilzes ist auf Agar anfangs nur wenig ausgesprochen; für gewöhnlich ist dasselbe reichlicher auf den unteren feuchten Teilen. Die Kolonieen sind nach 12 Tagen 1 — 2 mm groß, flach, rundlich, weißlich, wenig erhaben, weniger ausgehöhlt als der gleich- alte Act. bovis. Gegen die Tiefe zu bieten sie eine halbkugelige Wuche- rung, indem hier die Begrenzung der Kultur etwas gelatinös und undeutlich erscheint. Eine 20tägige Agarkultur zeigt an der Ober- fläche etwa 3 — 4 mm große, mehr stumpf kegelige, erhabene, weißlich- bräunliche, hohle Kolonieen. Im Koudeuswasser finden sich kugelige, flaumige, zart konturierte, frei schwimmende Kolonieen von ähnlicher Größe (Tafel, Fig. 1). Unter dem Mikroskop bemerkt man ein Ge- flecht dünner, verzweigter Fäden, von etwa 0,5 u Dicke . mit blassen, welligen Ausläufern, die manchmal mit kleinen Knöpfchen enden, und in manchen Fäden in Abständen große chromatische Körpercheu (Tafel, Fig. 1). In älteren Kulturen bestehen die Kolonieen aus einem ziemlich dünnen Fadenfilz , oft aus kokkenähnlichen Gebilden zu- sammengesetzt , mit der Tendenz , in kleine diplokokkenähnliche Stücke zu zerfallen. Dies berechtigt uns aber nicht, von Aktino- bakterien zu sprechen, wie es Lignieres für derartige Formen vor- schlägt, weil ja auch höhere Pilze (Favus) derartige Formen nach- weisen. Eine 9 Tage alte Parallelkultur von Act. bovis zeigt auf ge- wöbulicbem Bouillon a gar au der Oberfläche Stecknadelkopf- bis linseu- große, rundliche, gläuzeude, etwas in die Substanz eingedrückte, vorgewölbte oder unter der Oberfläche entwickelte Kolonieen von mehr aromatischem Ge- ruch. In Kondenswasser finden sich schöne, kugelige, isolierte, von einer durchscheinenden Zone umgebene Kolonieen (Tafel, Fig. 2). Eine 20tägige Kultur zeigt halbkugelige, 5 — 8 mm große, gänzlich schwarze, manchmal ge- trockneten Morcheln ähnliche, poröse Kolonieen, welche mittels eines geringen weißlichen Materials auf der Oberfläche wie angekittet erscheinen (Tafel, Fig. 3). Auf mehr feuchtem Agar sind die Kulturen weniger schwarz und halbkugelig in die Tiefe greifend. Act. canis. Eine 20tägige Agar-Agakrultur zeigt au der Oberfläche matte, weißrötliche, flache Kolonieen, welche zu einem dicken, eingekerbten, trockenen und matten Ueberzug zusammenfließen. Auf dem Kondens- wasser schwimmt ein dickes gefaltetes Häutchen in engem Zusammenhang mit der Oberflächenkultur; aus dieser Kultur wuchern dann stellenweise gelblichbraune, in der Mitte eingesunkene, ebenfalls matte Kolonieen von Linseugröße. In alten Agarkulturen sind die Mycelien kleiner, 0,5 ^«, mit großen, kokkenähulichen Haufen und Ketten, im Innern einer homogenen rötlichen Zwischensubstanz. In den Enden der Reihen öfters knopfähnUche Formen, sowie kurze Fadenstücke. Nach der BiEXSTOCKScheu Methode 460 V. Babes, konnten Sporen nicht naebgewiesen werden. Auch in ' frischen Präparaten sieht man keine Sporen. Nach Ehrlich färben sich wenige, wellig ge- bogene Fadenstüeke, dann einige verzAveigte, diphtheriebazillenähnliche Stäbchen mit kolbigen Enden, endlich kleine, rundliche Körperchen von ungleicher Größe, während die große Masse der Kultur entfärbt ist. Act. Eppinger ist einer Tuberkelbazillenkultur von gleichem Alter ähnlich. Dieselbe erscheint mikroskopisch als ein dünner Fadenpilz mit rechtwinkligen Verzweigungen. Die Fäden sind zu 0,3 — 0,4 fi und zu bazillen- oder kokkenähnlichen Gebilden segmentiert. An den Enden knopfähnliche Verdickungen, außerdem nicht selten freiliegende, große, kugelige, dunkel- gefärbte Gebilde, endlich kleine, radiär angeordnete, mit Kolben oder Kugeln, blasigen oder kompakten Enden versehene Gruppen. Der Madurapilz zeigt, auf Glycerinagar gezüchtet, iu 8 bis 14 Tage alten Kulturen bei Körpertemperatur, je nach der Dicke und der Trockenheit des Nährbodens, Stecknadelkopf- bis erbsengroße, halb- kugelige, glänzende, weißlichgraue, im Innern ausgehöhlte, stark haf- tende Kolonieen. Dieselben dringen in die Tiefe. Die kleinen Kolo- nieen bilden halbkugelige Depressionen, die öfters von einer dünnen, glänzenden Zone umgeben, nicht selten von neuen Generationen über- wölbt sind, an der Basis etwas eingesunken, stark nach verschimmeltem Käse riechend. Auch im Kondenswasser finden sich pflaumige, runde, strahlige, erbsengroße, drüsige, gelatinöse, weißliche Kolonieen mit weißen Centrum, von welchem Strahlen zur Peripherie laufen. Es entwickeln sich später auch kleine, geschrumpfte Kolonieen von mehr bräunlicher Farbe. In lOtägigen Kulturen sieht man unter dem Mikroskop kurze, parallele Kokken und Stäbchen, die sich ganz wie Streptokokken ausnehmen. Einen Monat alte Glycerin-Agarkultur zeigt längere, gleichmäßig dicke, gekrümmte oder Avellig gebogene Fäden, in deren Innerm in weiten Distanzen in der Nähe der oft senkrechten Verzweigungen kleine metachromatische Körperchen zu sehen sind. Der Stamm des Pilzes ist dicker und stärker gefärbt, die Zweige dünn. Nach Gram gefärbt, lösen sich die Fäden in Fadenstücke oder in kurze Bazillen, noch häufiger in streptokokkenähnliche Ketten auf. Außerdem findet man stellenweise rundliche, kokkenähnliche Gebilde, welche im Verlauf der Fäden einhergehen. Von dem Stamm gehen zunächst unge- teilte Fäden ab. Die erste Verzweigung ist dann oft aus bazillenähn- lichen Stücken zusammengesetzt, während weitere dünne Verzweigungen Streptokokkenbilder zeigen, welche gegen das Ende zu feine Kokken- haufen bilden. Häufig verdoppelt sich eine Verzweigung so, dass die- selbe aus doppelten oder mehrfachen Kokkenreihen zusammengesetzt erscheint. In anderthalb Monate alten Kulturen sind die Ausläufer dicker, mit chromatisclien Punkten und viel feineren Verzweigungen. (Tafel, Fig. 3.) Auf demselben Nährboden zeigt Act. aurautiacus (aus einer tuber- kulösen Kaverne) an der Oberfiäche eine scharf umschriebene, etwas erhabene, glänzende, braune Kolonie in der Form eines Gänseblümchens, mit erhabenem, wulstigen Centrum. Längs des Impfstichs und auch in der Tiefe Bildung weißlicher, seitliclier Strahlen. Die ebenfalls verzweigten Fäden sind dicker. Die Verzweigungen sind zu kleinen Bazillen oder krümmeligen Gebilden ent- artet, welche aber nach Gua:\i gut gefärbt werden. Einzelne Anteile der Fäden bilden kleine, kolbige Verdickungen. Ein großer Teil der Fäden wird nach Der Madurafuß. 461 ZiEHL entfärbt, allein manche Stäbchen, aber auch Fadenstücke mit end- ständigen, metachromatischen Korperchen bleiben stark gefärbt. Unser Act. bovis bildet auf Glycerinagar erhabene, doch den Gehirn- windungen ähnlich gewulstete, dunkelgraue bis schwärzliche, von einer weißen, glatten, glänzenden, am Rande abfallenden, gekräuselten Zone umgebene Kolonieen, welche ebenfalls im Innern hohl sind und in der Tiefe halbkugelig, durchschimmernd erscheinen. Die halbkugelige, tiefe Wucherung ist am wenigsten dort ausgesprochen, wo die Kultur von einer breiten Zone umgeben ist. Eine beim Hunde von P. Riegler gezüchtete Aktino- mycesart wächst auf Glycerinagar ähnlich dem Tuberkelbacillus , doch viel reichlicher, mit einer blassgelben Farbenabtönung, außerdem aber von einer weißen Schicht überdeckt, so dass dessen Wachstum an das Wachstum der höheren Pilze erinnert. Andere Aktinomycesformen wachsen viel verschie- dener und nähern sich namentlich den Tuberkelbazillen. Eine einen Monat alte Kultur lässt mikroskopisch längere, gleichmäßig dicke, gekrümmte oder wellig gebogene Fäden erkennen, in deren Innerm in weiten Distanzen in der Nähe von Verzweigungen kleine, metachromatische Körperchen sitzen. Von den Fäden gehen Verzweigungen ab, welche wellig oder spiralig ver- laufen und gegen das Ende verdickt sind. Manchmal findet man auch gabelige Zweiteilungen. Ein großer Teil der Fäden ist zerfallen und bildet dicke, unförmliche, rundliche Massen, welche sich nach Graai färben und sich in feine kokkenähnliche Granulationen auflösen. 9tägige Act. farcin icus-Kulturen auf demselben Nährboden bieten keine langen Fäden, sondern granulierte Fragmente mit feineren, mit Kolben ver- sehenen Bazillen. Die 12tägige Kultur des Act. viol accus auf Glycerinagar färbt den Nährboden etwas violett, entwickelt sich reichlich in Form von runden, linsen- großen, zusammenfließenden, an der Oberfläche matten, grauvioletten, von einer matten, weißlichen, radiären Zone umgebenen, im Innern vollen Kolonieen. Im Kondenswasser unregelmäßige, gelatinöse Flocken. Auf der Oberfläche des Zuckeragars bildet der Madurapilz eine wulstig-e , erhabene, strablig- gelappte, der Gehirnoberfläche ähnliche gelblichgraue, über 1 cm breite, große, glänzende opake Kolonie von der Form eines niederen abgestutzten Kegels. Dieselbe ist etwas in die Substanz eingesunken. Längs des Impfstichs entwickeln sich feine, strahlige Ausläufer, während am Impfstich selbst und in den tiefen Schichten keine Entwicklung zu erkennen ist. (Tafel, Fig. 8.) Auf demselben Nährboden wurde Act. auriantiacus gezüchtet, Avelcher genau so wächst wie die Tuberkelbazillen. Bekanntlich bildet sich in alten Tuberkelbazillen - Kulturen ebenfalls eine gelbe, selbst orangengelbe Ver- färbung. In diesem FaUe hatten sich aber neben dem Tuberkelbacillus vom Beginn an orangenfarbige Kolonieen gebildet, welche leicht isoliert wer- den konnten; dieselben wuchsen von Anfang an unter der Form matter, orangenfarbiger Kolonieen. Im allgemeinen bietet Act. aurianticus auf Glycerin- agar eine matte, orangengelbe, sehr ungleich graue Schicht, ähnlich den Tuberkelbazillen-Kulturen, derselbe wächst aber gut auch auf gewöhnlichem Agar. Er unterscheidet sich vom Tuberkelbacillus durch schnelleres Wachs- tum, durch den Mangel einer Hautbildung in Bouillon, durch eine graubraune Farbe, im Zuckeragar aber besonders dadurch, dass er sich nicht oder nur zum kleinen Teil nach Ehrlich färbt. Act. bovis zeigt auf Zuckeragar ganz auffallende Verschiedenheiten. Eigentümlich ist, das eine unserer Kulturen, welche weißlich gewachsen war. 462 V. Babes, ohne erkeuubareu Anlass schwarze Kolonieen bildete. So wie bei dieser Gruppe im allgemeinen öfters farbige Varietäten entstehen, wäre es anch möglich, die weiße Abart des Madurapilzes in die schwarze Varietät überzu- führen. Das Wachstum ist nur an der Oberfläche zu beobachten, unter der Form einer flachen, weißen, glänzenden Kolonie, in deren Mitte sich rund- liche, bräunliche Erhabenheiten bilden (Tafel, Fig. 10). Act. canis bildet an der Oberfläche eine faltige, matte, weiße Kahm- haut, in der Mitte kugelige, bräunliche Massen, läugs des ßaudes Wucherung der Kolonie in der Form eines feinen, bräunlichen, spitzen Saumes. Längs des luipfstichs Entwicklung von bräunlichen Körnern, mehr an der Oberfläche. Keine Tiefenentwickluug. Act. Eppinger wächst auf Zuckeragar in Form einer feinstrahligen, gelblichen, glänzenden Kolonie, aus deren eingezogener Mitte sich eine bräun- liche, matte, wulstige, pyramidenförmige Erhabenheit entwickelt. Unterhalb der Kolonie längs des Impfstichs feine Ausstrahlungen. In der Tiefe kein Wachstum. (Tafel, Fig. 10.) Auf Kartoffel bildet der Madurapilz mehr an den höheren, weniger feuchten Stellen erbseugroße, zunächst blasige, rundliche, doch alsbald eingefallene und laniellös geschrumpfte, festhaftende Kolonieen von blassgrauer oder graurötlicher Farbe, die von einer ähnlichen, rötlichen, mattglänzenden Zone umgeben sind (Tafel, Fig. 4). Mikro- skopisch sind die feineren Verzweigungen streptokokkenähnlich; außer den dicken Stämmen öfters durch parallele Verlötuug dünnerer Fäden entstanden (Tafel, Fig. 4). Eine aus dem Institut Pasteur stammende Kartoffelkultur verbreitet sich auf die gesamte Oberfläche unter der Form eines glänzenden ge- falteten Ueberzuges, welcher mit der Zeit eine dunkelkarminrote Fär- bung annimmt (Tafel, Fig. 6). Act. aurianticus bildet auf Kartoffel mehr isolierte, matte, krümelige, gelbe Kolonieen, welche an den oberen Teilen von einer matten, weißen Zone umgeben sind. Mikroskopisch sieht man Fäden, die an beiden Enden Kolben aufweisen, während in der Mitte feine Granulationen vorhanden sind (Taf., Fig. 7). Act. bovis. Eine 14tägige Kartoflelkultur ist ganz sclnvarz geworden und. bildet dickblätterige, erhabene, strahlig gefaltete, schwarze, festhaftende Kolonieen von Erbsengroße (Tafel, Fig. 5). Nach 30 Tagen ist die Kolonie fast haselnussgroß und von einer schwefelgelben, matten, staubähnlichen Schicht bedeckt, sehr erhaben, etwa einem dickblätterigen Krautkopfe ver- gleichbar (Tafel, Fig. 6). Eine zweite Varietät des Act. bovis Kral (siehe weiter unten l)ei Gelatine) ist auf Kartoffel kaum aufgegangen, nur an einer Stelle sieht man eine korngroße, bräunliche, warzige, erhabene Kolonie. Unter dem Mikroskop sieht mau verzweigte Fäden, homogen, ohne Granulationen; für gewöhnlich sind die Fäden spitzendeud. Fast immer sind sie rechtwinklig verzweigt und haben die Neigung Strahlen zu bilden. (Tafel, Fig. 2.) Mittels verdünnten Karl)olfuchsins färben sich zahlreiche Granulationen, die sich nach Gram entfärben. Act. canis entwickelt sich gänzlich verschieden, indem die Kartoffel selbst grau wird und an der Oberfläche von einer Wucherung, wie bei Tuberkel- bazillen, aber von einer weißen, mörtelartigeu Schicht überdeckt wird. Man beobachtet dickere Ketten, namentlich Diplokokkenformen in kompakten Massen. Act. Eppinger entwickelt sich spät, die Kartoffel Avird in den oberen Teilen graubraun, die Kolonieen sehen ebenfalls einigermaßen jenen des Der Madurafuß. 463 Tuberkelbacilhis ähnlich, sind aber etwas orange gefärbt. Es entwickeln sich kleine, krümelige Erhabenheiten, die von einer gezackten, flachen Zone um- geben sind; die Zonen der einzelnen Kulturen fließen zu einer matten Schicht zusammen. Unter dem Mikroskop erkennt man starre, dunkelgefärbte Stäb- chen, welche in Reihen, manchmal verzweigt und unter Kolbenbildung auf- treten. Act. farcinicus. Die ganze Oberfläche ist von ungleich großen Granu- lationen, von gelblich grauen , besonders an den oberen Teilen grünlich- schattierten, rosettenförmigen, erhabenen Kolonieen bedeckt, welche ebenfalls an Tuberkelbazillen erinnern. In den unteren Partieen erheben sich ähnliche Kolonieen auf einem fast weißen, matten Grunde. Mikroskopisch findet man namentlich Kolben und rigidere Fäden, die zerbrechlich sind. An den Enden besitzen dieselben die Neigung, Verdickungen zu bilden, die spitz enden; man könnte von umgekehrten Kolben oder Birnen sprechen. Act. violaceus entwickelt sich au-f Kartoffel unter der Form einiger isolierten, linsengroßen, erhabenen, wulstigen, matten, blassgrauen Kolonieen von einer blassvioletten Verfärbung des Nährbodens umgeben. Später ist die Oberfläche von glänzenden, rundlichen, zusammenfließenden Kolonieen bedeckt. Unter dem Mikroskop sieht man fragmentierte, kurze Fadenstücke, von etwa 1 /.i Dicke, welche immer verzweigt sind; dieselben haben gewöhnlich infolge ihrer eigentümlichen Verzweigung die Form eines Y; außerdem kurze, ge- krümmte Fadenstücke. An den Enden unbedeutende Verdickung. '&• Die Kulturen des MacTurapilzes auf Glycerinkartoffel sind makroskopisch jenen auf einfacher Kartoffel ähnlich. Mikroskopisch zeigen sie Ausläufer mit nur wenig'en Verzweigungen, indem dieselben mehr spitzwinkelig und welliger sind. Die Verzweigungen sind zugespitzt und, wenigstens zu Beginn, weniger zahlreich; von diesen zweigen sich Ausläufer ab, die an beiden Enden spitz erscheinen. Die Fäden sind zu Körnchen zerfallen. Es bilden sich keine Strahlen, sondern Knäuel oder verklebte Fäden. Act. aurianticus. Mikroskopisch sieht man Kolbenbildung, die stark an jene des Diphtheriebacillus erinnern. Die Kolben sind aber lang und von län- geren granulierten Fäden ausgehend. Sie sind nach Ziehl weniger färbbar als nach Gram. Act. bovis. Unter dem Mikroskop findet man Diplokokken oder kurze Diplobakterien , die viel dicker sind als der Madurapilz, außerdem blasse Fäden und eine granulöse Masse. Act. bovis Kral wächst hier wie auf Gelatine (siehe weiter unten), doch werden die erhabenen Leisten gänzlich schwarz. Act. Eppinger zeigt auf Glycerinkartoflel ein Wachstum, das dem der Tuberkelbazillen-Kolonieen ähnlich ist, doch ist die Farbe mehr weiß und die Kultur mehr mörtelartig. Mikroskopisch sieht man viel dickere, wellige Fäden, kurze mit Kolben versehene Bazillen wie bei Diphtherie. Act. violaceus zeigt auf diesem Nährboden geringeres, feuchtes Wachstum. Auf Gelatine zeigt der Madurapilz nach sechs Tage einige feinste weißliche Punkte. Act. aurianticus entAvickelt sich wie die weiter unten zu schildernden Act. canis und Eppinger, nur ist die Kolonie nicht weiß, sondern grau, etwas durchscheinend, und finden sich in der Mitte etwas eingesunkene, orangenfarbene Körner und auch in der Tiefe sind die Kolonieen dunkelgelb 464 V. Babcs. gefärbt. Er bildet auf Gelatine an der Oberfläche eine flache, matte, etwas eingesunkene, gelbliche Kolonie. In der Mitte derselben sieht man eine hirsengroße, orangegelbe, warzige, erhabene Kolonie. In der Tiefe ist kaum Wachstum zu bemerken. Act. bovis (Kral) verflüssigt Gelatine ganz wenig an der Oberfläche, bildet weißliche oder graue oder öfters etwas rötliche, glänzende, erhabene Kolonieen von Stecknadelkopfgröße, entwickelt sich gut in der Tiefe in der Form kleinster weißer Körnchen, besser in der oberflächlichen Schicht. Ein zweiter Stamm verflüssigt die Gelatine kaum, bildet an der Oberfläche stecknadel- kopfgroße, halbkugelige, weißlichgraue, etwas eingesunkene, ein wenig in die Tiefe vorgewölbte, in der Mitte bräunliche, von einem feinen Strahlenkranze umgebene Kolonieen. Die erstere Varietät bildet nach sechs Tagen schon etwa erbsengroße, erhabene, gesetzte, gelbliche, in der Mitte graue Kolonieen. Act. canis bildet auf Gelatine eine flache, scharf umschriebene, weißliche, fein warzige Schichte. Längs des Impfstiches Entwicklung nur nahe an der Oberfläche. In der Mitte der Kolonie mehrere hirseugroße, matte, etwas gelbliche Körner. Act. canis und Eppinger, welche in Gelatinekultur sich sehr ähnlich sehen, beide wenig in die Tiefe greifend, seitliche, Anthrax- bazillen ähnliche, Strahlen und an der Oberfläche etwas eingesunkene, flache, lappige, matte, scharf umschriebene Kolonieen bildend, unterscheiden sich dadurch, dass bei Act. canis die Kolonie weiß und matt ist, in der Mitte mit mehr eingesunkenen, orangefarbigen Körnern, während die Kolonieen des Act. Eppinger im ganzen gelblich, etwas durchscheinend sind. Act. farcinicus Nocard wächst auf Gelatine mehr in den oberfläch- lichen Schichten. An der Oberfläche namentlich erheben sich weißlich-gelb- liche, stalaktitenförmige , spitzige, zusammenfließende Kolonieen, welche mit dem Madurapilz nicht verwechselt werden können. In der Milch, die nicht koaguliert wird, bietet der Madurapilz eine schmale, gelbliche, durchscheinende Schicht. Die Kolonie zeigt wellige Fäden. Act. aurianticus koaguliert ebenso wie die übrigen untersuchten Formen Milch nicht, bietet in der oberen Fettschicht der Milch orangegelbe Kolonieen. Act. bovis. Auf Milch entsteht eine bräunlich gefärbte, aus kleinen, rundlichen Körnern bestehende, oberflächliche Kolonie. Man findet vielfach charakterische Fäden, allein es besteht keine Neigung zur Granulationsbildung ; die transversalen Verzweigungen sind stark ausgesprochen. Act. canis bildet in der Milch zahlreiche kurze Ketten. Act. Eppinger zeigt kein deutliches Wachstum, obwohl eine reichliche Fettschicht auftritt. In der Milch sieht man dickere Stäbchen mit langen Kolben und granulöse Fäden, die zur Kolbenbildung neigen. Act. farcinicus zeigt an der Oberfläche der Milch eine durchscheinende Schicht mit gelblichen Körnern. Act. violaceus veranlasst an der Oberfläche geringe, bläuliche Ver- färbung ohne deutliche Koloniebildung. Der in l>ouillon gezüchtete Madurapilz zeigt oft erbsengroße, wulstige, gelatinöse, an der Peripherie durchsichtige, weißliche Kolonieen mit weißem Centrum. Da sich die Kultur am Grunde bildet, hat dieselbe eine halbkugelige Oberfläche und ähnelt dem Hute eines Pilzes. Mikroskopisch sieht man dickere Ausläufer und an deren Enden recht kleine, knöpfchenartige Verdickungen, die sich wie Sporen r' >v. -^ ^ -^ -.^i •L ■—-:. • ^.^.^"J-i^j^-K:^. tmtSB <>/ « > * ^ ^ ■> 3 'S- 9 -^ C5 ."3 CD M 3 1- o CJ c . 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IV2 Monate alte Kultur des Madura- pilzes auf Glycerinagar. Vergr.: 800. Nach Gram gefärbt. — 4. Dtägige Kultur des Madura- pilzes auf Kartoffel. Nach Gram gefärbt. — 5. 12tägige Bouillouknltiir des Madurapilzes. — 6. 6 Monate alte Kultur des Madurapilzes auf Glycerinagar. Nach Ziehl gefärbt und ent- färbt. Die säurefesten Teile erscheinen rot (nicht violett) gefärbt. — 7. 9tägige Kultur des Actinomyces aurantiacus auf Glycerin-Kartoffel nach Gram. — 8. Etwa 1 Monat alte Kultur von Streptothr. Eppinger nach Gram gefärbt. . Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. III. 30 466 V. Babes, im iDnern der Ausläufer darstelleu. Hie und da sieht mau einen dickeren Ausläufer, der von mehreren dünnen, parallel angeordneten Ausläufern umgeben ist. Auf das Zusammenbacken der Fäden ist es zurückzu- führen, dass von einem sehr dicken Stamm sehr dünne Verzweigungen auszugehen scheinen. Act. bovis. Wie beim Madurapilz, entwickeln sich auch hier wulstige, doch kompaktere Kolonien mit schwärzlichem Centrum. Vincent injizierte Kaninchen, Meerschweinchen, Mäusen, Katzen Körnchen des Parasiten oder Kulturen oft in großen Mengen, ohne je andere Erscheinungen als höchstens ganz kleine, l)ald resorbierte Knöt- chen zu erzielen. Nocard impfte auch in die Tiefe der Gewebe, ins Blut, intraperitoneal, ohne aber bei Meerschweinchen, Kaninchen, Taube und Huhn, Hund und Schaf irgend ein Kesultat zu erzielen. Auch unsere eigenen Versuche an diesen Tieren fielen negativ aus. V. Gewebsveränderungen. Der Madurapilz verursacht eigentümliche Gewebsveränderungen. Kanthack teilt die Gewebsveränderungen in drei Stadien ein. Im ersten befindet sich der Pilz in frischer Vegetation und ist von großen Mengen von Ruudzellen umgeben; im zweiten Stadium entsteht ein Granu- lationsgewebe mit epithelioiden Zellen und neuen Gefäßen in der Um- gebung des degenerierenden Pilzes, welcher sich mit einem hyalinen Strahlenkranz umgiebt, während in der Umgebung Pigmentbildung auftritt. Im dritten Stadium schmilzt das Granulationsgewebe und die Pilzköraer und die entstandenen Höhlen sind von Leukocyten bekleidet ; hierauf folgt nach außen Granulationsgewebe und dann eine fibröse, oft pigmentierte Schicht. Der Pilz degeneriert hauptsächlich dort, wo derselbe in fibröses Ge- webe eingekapselt wird. Vincent untersuchte einen Fall aus Algier, welcher im großen ganzen ähnliche Veränderungen zeigte, und zwar untersuchte er zunächst Teile der jungen, derben, schmerzhaften Gewebe, ferner erweichte Knötchen, in welchen mittelst successiver Härtung in schwachem und dann immer stärkerem Alkohol, ferner nach Paraffineinbettung und An- kleben der Schnitte mittelst Gummi die Körner zu fixieren waren. Am besten gelang die Färbung mittelst Lithiumkarmin und nach Gram. Zunächst ist das kranke Gewebe durch blassere Färbung scharf abge- grenzt, bildet rundliche Knötchen mehr homogener Struktur, mit zahl- reichen Kapillaren. Im Centrum ist das Myceliura dunkelviolett ge- färbt, buchtig, begrenzt, oft kranzartig. Im Centrum fehlen die Fila- mente. Neben der großen Kolonie oder in derselben bestehen häufig sekundäre. Mehrere Knoten können zerschmelzen. In späteren Stadien ist die äußere Decke atrophiert, die Papillen verwischt, die verdünnte Cutis direkt die Knoten bedeckend und mit kleinzelliger Wucherung, namentlich in der Umgebung der verdickten Gefäße. Die feinere Struk- tur des Knotens zeigt besonders in der Umgebung des Parasiten massen- liafte, kleine, dichtstehende Rundzellen, mit großen Kernen, hier und da zwischen denselben größere, fibroplastische Elemente. Gegen die Peripherie der Knoten erscheint ein Reticulum mit rosagefärbtem ödema- tösen Exsudate und großen Rundzellen erfüllt. — Außerdem bestehen selten Riesenzellen mit peripheren Kernen. Andere Beobachter haben Der Madurafuß. 467 liiesenzelleu in größerer Auzalil g-efuudeii. Im Inneren der Knötchen bestehen auch konfluierende junge Zellen. — Nirgends fanden sieh glasige, kalkige oder käsige Massen. Wuchernde Kapillaren dringen bis an die Parasitenkörner und die Ruptur dieser Gefäße verursacht häufig Hümorrhagieen. — Das den Parasiten unmittelbar umgebende Gewebe von etwa 15 bis 25 u Dicke zeigt bei starker Vergrößerung exzentrische oder selbst radiäre Anordnung der gewöhnlich spindelförmigen Fasern, welche von Leukocyten durchsetzt sind. Diese Anordnung hat eine entfernte Aehnlichkeit mit dem Strahlenkranze des Aktinomyces. Aeltere Rasen werden kaum mehr gefärbt. Wir haben gesehen, dass in anderen Fällen die breite periphere Zone aus langen Säulen, Prismen oder dünneu, in die Länge gezogenen Kolben besteht, und dass oft der größte Teil der Körner eben aus diesen Gebilden besteht, während im Centrum keine oder nur ganz wenige Fäden zu finden sind. Genaue Unter- suchungen über pathologische Anatomie der schwarzen Varietät des Madurapilzes liegen nicht vor. Die UNXASche Schule betont namentlich die Unterschiede zwischen den Veränderungen bei Aktinomyces und beim Madurapilz. Gemeinsam für beide ist die kontinuierliche Aus- breitung in den Geweben, ohne Rücksicht auf Blut- und Lymphgefäße, törmliche Kanäle, nicht aber eigentliche Metastasen bildend. Beide Pilze verursachen häufige Rou.ssELSche Fuchsinkörperchen im Granu- lationsgewebe, ferner hyalin degenerierte Bindegewebszellen. Bei Ak- tinomyces kommt hingegen kaum eine so derbe, schwielige Gewebs- veränderung vor, wie bei Madurafuß. In einem amerikanischen Fall fand Delbanco, dass es sich um ein exquisites Granulom, mit Durchwucheruug sämtlicher Gewebe und Zer- störung des elastischen Gewebes handelt, wobei das Epithel auseinander- gedrängt wird und hyaline Degeneration der Bindegewebszellen und Ausfüllung der Gewebsspalten mit Hyalinkörpern auftritt. In diesem Falle waren zahlreiche Riesenzellen von ungewöhnlicher Größe in un- mittelbarer Umgebung des Pilzes vorhanden. VI. Die schwarze Varietät und die Stellung des Pilzes. Die schwarze Varietät des Parasiten ist seltener als die gelbe und kommt häufig neben derselben vor (Lewis und Cunningham). Nach Kantpiack kommen auf zwölf Fälle der gelben Varietät nur drei der 3chw^arzen. Der Autor behauptet, dass die schwarze Varietät eine De- generation des normalen, gelben Pilzes sei, da er histologische Ueber- gänge konstatieren konnte. Die Krankheit scheint ähnlich zu verlaufen, wie die durch gelbe Streptothrix verursachte. Der Eiter enthält steck- nadelknopfgroße bis erbsengroße, käseartige oder mörtelartige, trüfifel- förmige oder pfefiferkornähnliche, schwarzbraune oder schwarze, manch- mal dunkelrote Körner, selten findet man mamellonierte , agglomerierte Massen von Haselnussgröße. Mittelst Salpetersäure behandelt, erhalten sie eine rote Farbe. Das Centrum dieser Körper ist von einem Mycelium mit fragmentiertem Protoplasma, die Peripherie von etwas verdickten, glasig glänzenden, homogenen, oft mit Endverdickungen versehenen Strahlen gebildet, welche aber nicht zu kolbigen Massen anschwellen. — Auch Bassini, welcher einen indigenen Fall in Padua bei einem Landmann, welcher sich mittelst einer Heugabel den Fuß verletzt hatte, beobachtete, hatte diese Form ganz ähnlich wie Kanthack 30* 468 V. Babes, besclirieben. Auch hier bestanden die schwarzen Körnchen aus einem verzweigten, dichten Netzwerk und strahleufürmigen , oft keilförmigen Enden. — Leider sind wir nicht in der Lage zu beurteilen, inwiefern diese Keulen jenen des Aktinomyces ähneln. Andererseits aber hat diese Varietät des Pilzes nichts mit dem Mucor oder Aspergillus zu thun, so dass offenbar Köbner im L'rtura ist, wenn er bei Gelegenheit der Demonstration eines Pilzpräparates von Madurafuß aus Italien, nament- lich aus dem Falle von Bassini behauptet, dass der Pilz mehr einem Mucor oder Aspergillus als dem Aktinomyces ähnlich sieht. — Ebenso- wenig können wir uns mit Le Dantec einverstanden erklären, welcher die trüffelartige Varietät des MadurafuBes in Senegal einem Bacillus zuschreibt, was wohl so erklärt werden kann, dass in den Präparaten der Kultur die Fäden zu Stäbchen zerfallen waren, oder aber dass in den Nährsubstanzen assoziierte Bazillen oder Verunreinigungen auf- gegangen waren. Dies ist um so wahrscheinlicher, als le Dantec die Körner selbst nicht untersucht, sondern von denselben einfach Kulturen angelegt hatte, wobei der Pilz selbst, wahrscheinlich durch Ueber- wucherung von Bazillen, nicht zur Entwicklung gelangt war oder viel- leicht selbst abgestorben sein konnte. Es wäre daher zu wünschen. Näheres über die schwarze Varietät zu erfahren. — Zweifellos handelt es sich ja um eine Varietät des Madurapilzes. So konnten wir kon- statieren, dass ein Stamm von Aktinomyces bovis auf künstlichen Nähr- böden eine schwarze Farbe annahm und trüfifelförmige Kolonieen bildete. — Trotzdem müssen wir einstweilen die schwarze Varietät des Madura- pilzes als eine natürliche betrachten. Denn es ist kein Fall bekannt, in welchem die gelbe Varietät in die schwarze übergegangen wäre und es sind auch keine Fälle von Mischinfektion mittelst des gelben und des schwarzen Pilzes bekannt. Jedenfalls wird es nötig sein, Material aus verschiedenen Gegenden vergleichend zu untersuchen, um fest- zustellen, ob nicht mehrere Varietäten des Pilzes die Krankheit ver- anlassen können. Aus diesen LTntersuchungen geht hervor, dass der Madurapilz wahr- scheinlich eine Streptothrixart ist, also den Mucidineen (Oospora) eingereiht werden kann. Derselbe steht dem Farcinpilz von Nocard, den von mir in den Krypten der Tonsillen gefundenen Körpern, den von Eppinger im Ge- hirn gefundenen, dann dem von Almquist bei einem Fall von Meningitis gefundenen Pilze, dem in einem Falle von Lungentuberkulose in unserem Institut aus Kavernen isolierten, orangengelben Streptothrix, endlich dem von Paul Riegler bei Hunden gefundenen Streptothrix nahe. Wir haben diese Pilze vergleichend untersucht und die wesentlichen Unterschiede zwischen diesen Formen näher beschrieben. Nach Vincent könnten . die von Gasperini und Dorine gefundenen Streptotricheen, welche auch in der Kultur mit der Zeit rot werden, doch einfach Saprophytenformen darstellen, mit dem Madurapilz identisch sein. — Wichtig ist die Frage, ob der Madurapilz nicht eine Art Aktinomyces sei. In der That haben wir gesehen, dass verschiedene Autoren dies behaupten. Vincent spricht sich hingegen kategorisch gegen diese Annahme aus, indem er den Mangel des Kolbenkranzes beim Madurapilz als triftigsten Gegenbeweis anführt. Soviel ist sicher, dass Kanthack, Boyce & Surveyor und Hewlett nicht berechtigt sind, den Madurapilz einfach mit irgend einem Aktino- myces des Menschen oder der Tiere zu identifizieren. Dass der Strahlen- kranz nicht das Entscheidende in dieser Frage ist, haben ja unsere Untersuchungen über die Aktinomycesform des Tuberkelpilzes gezeigt. Der Madurafnß. 469 Die Aetiolügie der Krankheit ist gänzlich unaufgeklärt. Man könnte vielleicht annehmen, dass es sich in vielen Fällen um einen Parasiten von Pflanzen handelt, welche an spitzen Teilen derselben sitzend — ähnlich wie die Grannen des Getreides den Aktinomycespilz in das Gewebe einbringen können — Verletzungen am Fuße verursachen oder in vorhandene Verletzungen eindringen könnten. Jedenfolls spricht die Lokalisation an der Sohle und an den Seitenteilen des Fußes bei bar- füßig gehenden Individuen für das Eindringen des Pilzes von außen, indem die Kranken gewöhnlich angeben, schon früher an Wunden, Stichen oder Hautabschürfungen gelitten zu haben. Namentlich er- wähnen viele, dass sie von den Dornen der Accacia arabica gestochen wurden. H. J. Carter glaubt demgegenüber, dass der Parasit durch die Schweißdrüsen eindringe. Uns erscheint dies weniger wahrschein- lich, nachdem die mikroskopische Untersuchung wesentliche, primitive Veränderungen der Schweißdrüsen nicht nachweist, höchstens sekundäre entzündliche Infiltration in der Umgebung derselben. Am häufigsten ist die Krankheit bei Feldarbeitern, Matrosen, Hirten, Erdarbeitern, Vagabunden. Keinerlei Behandlung, auch Jodbehandlung innerlich oder durch Injektionen mit inbegriffen, konnten irgend welche Heilerfolge aufweisen. Namentlich die Unwirksamkeit der Jodbehandlung wurde von Vincent gegen die Aktiuomycesnatur des Pilzes angeführt. — Die Krankheit schreitet, wenn auch sehr langsam, doch unaufhaltsam vor- wärts. Häufig sterben die Kranken infolge von Erschöpfung und Kachexie, nachdem die Krankheit viele Jahre, selbst Jahrzehnte unter fortwährender Eiterung und Verjauchung angedauert hatte. Die Am- putation des Fußes hingegen ist immer von radikaler Heilung ohne Rezidive gefolgt. Litteratur. Adami, J. G. & R. C. 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Ledderhose ^ gab die chemische Formel des Pyocyaneus. Weiterhin wurde der B. pyocyaneus besonders von Bouchard und seinen Schülern, unter diesen in erster Linie von Charrin^ eingehend studiert. Die Frage der Pathogenität des B. pyocyaneus für den Men- schen wurde zuerst neben Charrix besonders von Schimmelbusch ^ und von H. KossEL^ erörtert. Die Immunität gegenüber B. pyocyaneus (s. Bd. IV) wurde von Charrin (1. c.) und A. Wassermann ^ des näheren bearbeitet. Bakteriologisches. Der B. pyocyaneus ist zumeist ein kleines, schlankes, sehr bewegliches, einen spezifischen Farbstoff' produzierendes Stäbchen, dessen Größe nach Ernst 8 0,6:2—6 u, nach Charrin 0,6: 1 a beträgt (s. Atlas Taf. XII, Abb. 282). Schon aus diesen abweichenden Angaben der Autoren über die Größenverhältnisse geht hervor, dass der B. pyocyaneus zu den sogenannten pleomorphen Spaltpilzen gehört, d. h. in seiner Gestalt recht schwankend ist. In der That giebt es echte Stämme von Pyoc, die in Form sehr kleiner schlanker Stäbchen wachsen, während andere kurze plumpe Formen aufweisen, und selbst ein und derselbe Stamm kann im Laufe langer Züchtungen derartige Aenderungen seiner Gestalt eingehen. Der B. pyocyaneus zeigt abgerundete Enden, liegt häufig zu 472 -^- Wassermann, zweien, m flüssigen Kulturen bildet er öfters kleinere Verbände von meh- reren Gliedern. Zu läng-eren Fadenbilduugeu kommt es indessen nur aus- nahmsweise in Kährböden, in denen eine Hehädigung auf ihn einwirkt. Oefters zeigt der Pyocyaneus unter diesen Umständen spirillenartig ge- wundene Fäden als Degenerationserscheinung. Seine außerordentliche Beweglichkeit verdankt der B. pyocyaneus einer einzigen am hin- teren Pole befindlichen Geißel. Nach längerem, monatelangem Fort- züchten auf künstlichen Nährböden kann der B. pyocyaneus seine Beweglichkeit einbüßen, gewinnt sie aber nach Passagen durch den Tierkörper wieder zurück. Sporen bildet derselbe nicht, nach Gram entfärbt er sich. Er ist fakultativ anaerob, entwickelt sich indessen bei Luftzufuhr entschieden besser, unter welchen Umständen er auch nur seine Farbstoffe bildet. Er zeigt sowohl bei gewöhnlicher wie bei Brut- temperatur üppiges Wachstum. Auf der Gelatine platte bildet der B. pyocyaneus in der Tiefe zuerst rundliche, kleine, weißgelbe Kolonieen. Die Kolonieen wachsen sehr rasch nach der Oberfläche zu und bilden hier flache, mit einem dunkleren gelben Centrum versehene Auflagerungen, deren Peripherie oft radiäre Streifung zeigt. Der Nährboden nimmt in weitem Umfange um die Kolonie eine typische, grün fluoreszierende Farbe an. Hand in Hand damit geht eine anfangs langsamere, späterhin aber sehr intensive Verflüssigung der Gelatine. Die Kulturmasse sinkt in die Gelatine ein und bildet nach einigen Tagen auf dem Grunde des Verflüssigungshofes eine schleimige, öfters rotbraune Masse. Im Gelatinestich wächst der Pyocyaneus fast ausschließlich in dem oberen Bereich des Impf- stichs, wo der Sauerstoff Zutritt hat, während im Impfstich selbst in den ersten Tagen nur ein schwaches Wachstum in Form eines grau- braunen Fadens entsteht. Es bildet sich zuerst auf der Oberfläche der Gelatine eine muldenförmige Vertiefung, deren gesamte Umgebung grün fluoresziert. Die Verflüssigungszone breitet sich immer mehr aus, auch nach der Tiefe zu, und es sinken dementsprechend die älteren Bakterien- massen als schleimiges Gerinnsel immer tiefer. Der verflüssig-te obere Teil der Gelatine grenzt sich scharf von dem unteren noch festen Teil ab. Nach einigen Tagen bildet sich auf der Oberfläche der verflüssigten Gelatine eine flockige, grüngelbe Kahmhaut. Auf Agar-Agar ausge- strichen wächst der Pyocyaneus besonders bei Bruttemperatur sehr üppig in Form eines feuchten, ziemlich dicken, grauen Rasens, der durch Farbstoffproduktion den gesamten Agar grün färbt und aufhellt. Nach 1 — 2 Tagen verschwindet gewöhnlich diese grüne Farbe und weicht einer rotbraunen (s. u.). Die Farbennuanee des gebildeten Pigmentes kann sehr schwanken, hellgrün bis blau oder grünlichbraun. Sie hängt zum Teil von dem betreffenden Stamme, zum Teil vom Nährboden ab. So sah ich öfters, dass ein und derselbe Stamm auf einem Agar grüne, auf einem frischen gleichartigen Agar dagegen blaue, auf einem dritten grünlichbraune Verfärbung erzeugte. Offenbar genügen sehr geringe Ver- änderungen des Nährbodens hierzu, und es ist nicht berechtigt, auf Grund solcher geringer Unterschiede in der Farbstoffproduktion verschiedene Rassen des B. pyocyaneus aufzustellen (s. u.). In Bouillon entwickelt sich der Pyocyaneus ebenfalls sehr üppig. Es bildet sich zuerst in der Bouillon ein dem Glase anhaftender weißer Ring, dieser wächst allmählich zur Kahmhaut aus, die beim Schütteln in einzelnen Fetzen zu Boden fällt. Von der Kahmhaut aus erstreckt sich eine grüne Zone ca. 1 cm nach abwärts in die Bouillon. Lässt man die Bouillon längere Zeit, 1 bis Bacillus pyocyaneus. 473 2 Wochen, im Brutselinink stehen, so hört das Wachstum des Pyocya- neus auf und die gesamte Kulturmasse fällt als zähe, schleimige Masse auf den Boden des Gefäßes. Beim Schütteln hebt diese sich, ohne zu zerreißen. Nach längerem, wochenlangem Verweilen bei Bruttemperatur klärt sich allmählich die vorher stark trübe Nährlösung, indem der größte Teil der Bakterien spontan durch Fermente, die der B. pyocya- neus in sich hat (s. u. und Bd. I Pyocyanase S. 314 ff.), aufgelöst wird (Autolyse). Dieser Auflösungsprozess wird gerade beim Pyocyaneus noch dadurch besonders erleichtert, dass die alten Kulturen desselben äußerst stark alkalisch reagieren. Indessen geht dieser spontane Auflösungsprozess der Bakterien erst nach sehr langer Zeit so weit, dass alle Keime in einer solchen Kultur hierdurch abgetötet werden, und es halten sich daher einzelne Individuen des B. pyocyaneus in alten Kul- turen, die vor Austrockuung geschützt sind, äußerst lange lebend. Es ist mir gelungen, aus viele Monate alten Kulturen den Pyocyaneus noch lebend zu gewinnen. Die Milch wird vom Pyocyaneus durch besondere Fermente !S. u.) nach mehreren Tagen zur Gerinnung gebracht. Auf der Oberfläche der Milch entsteht eine gelbgrünliche Verfärbung. Auf Kar- toffeln wächst der B. pyocyaneus zuerst als graubrauner Easen, der allmählich eine gelbgrüne Färbung annimmt. Ernst ^ giebt an, dass die graubraune Farbe der jungen Kartoffelkulturen mancher Pyocyaneus- arten beim Berühren mit einer Platinnadel einen Uebergang in Dunkel- braun zeige. Er bezeichnet diesen Vorgang als »Chamäleonphänomen« und hält es als charakteristisches Merkmal für gewisse Rassen des B. pyocyaneus. Ich habe mich von der Konstanz dieses Phänomens bei keinem der von mir untersuchten Stämme des B. pyocyaneus über- zeugen können. Der B. pyocyaneus ist in der Natur ungemein verbreitet. AVir finden ihn in Jauche, im Dünger, auch im Wasser (s. u.). Er kommt in diese Medien durch Dejektionen von Tier und Mensch (s. u.) und besonders im Darminhalt von Schweinen ist er sehr häufig anzutreffen. Schimmelbusch (1. c.) konnte ihn auch auf der normalen Haut des Men- schen auffinden. Wird der B. pyocyaneus in Krankensäle, auf chirur- gische Stationen oder auf Kinderstationen (s. u.) eingeschleppt, so hält er sich dort sehr lange und giebt leicht Veranlassung zu förmlichen Epidemieen, vornehmlich als saprophytischer Bewohner von Wunden, aber bisweilen auch als Erreger schwerer Infektionen (s. u.). Für diese leichte Verschleppbarkeit kommen vielleicht Fliegen, wie Manning^^ experimentell nachgewiesen hat, in Betracht. In solchen Fällen ist es das beste, den betreffenden Saal zu evakuieren und energisch zu des- infizieren. Der B. pyocyaneus ist Desinfektionsmitteln gegenüber ziemlich widerstandsfähig. Er hält die Austrocknung längere Zeit aus. Er besitzt eine Widerstandsfähigkeit ungefähr entsprechend dem Staphylococcus aureus, so dass also auch im Hinblick auf seine sapro- phytische Lebensart und seine geringen Ansprüche an Nahrungsmaterial energische Desinfektionsmaßregeln nötig sind, um ihn endgiltig aus einem Räume zu entfernen. Von jeher haben die sogenannten Stoffwechselprodukte des B. pyocyaneus die Aufmerksamkeit der Autoren in ganz besonderem Maße auf sich gezogen. Wie aus dem kurzen geschichtlichen Ueber- blick hervorgeht, waren es die auffallenden Farbstoffprodiikte dieses Keimes, die schon in den vorbakteriologischen und in den ersten bak- teriologischen Zeiten die Autoren sich mit ihm beschäftigen ließen. In 474 A. Wassermann, der That sind bis in die neueste Zeit über die Pigmente dieses Pilzes eine große Anzahl von Arbeiten erschienen, ^^nd eine Reihe von Autoren hat geglaubt, auf Grund von Abweichungen der einzelnen Farbstoffe bei Stämmen von Pyocyaneus verschiedener Herkunft mehrere Rassen unter- scheiden zu können. Wir werden indessen im weiteren Verlaufe sehen, dass hierfür kein Anlass vorliegt. Gessard (1. c.) und Babes*'^ waren der Ansicht, dass der 15. pyocyaneus drei Farbstoffe bilde, erstens das Pyocyanin, ein blaugrünes Pigment, das dadurch charakterisiert ist, dass es in Chloroform löslich ist, zweitens ein grünliches fluo- reszierendes Pigment, in Chloroform und Alkohol unlöslich, dagegen in Wasser löslich, und drittens ein rotbraunes Pigment, das nicht näher charakterisiert wird. Das Pyocyanin ist aus den Kulturen mittels Chloro- form zu extrahieren (Fordos 1. c.) und krystallisiert in langen blauen Nadeln. Durch Säurewirkung, besonders HCl nimmt er eine rote Farbe an, reduzierende Substanzen geben ihm eine gelblichweiße Farbe, wan- deln es also in seine Leukobase um, Alkalien bläuen es. Bei längerem Stehen verfärbt sich das in Chloroform gelöste Pyocyanin zuerst zu hellgrün, dann zu gelb. Das Pyocyanin wird offenbar als Leukobase, als farblose Verbindung in den Kulturen erzeugt und erlangt erst durch Berührung mit dem Sauerstoff der Luft seine eigentliche Farbe. Daher kommt es, dass wir die typische Färbung einer Pyocyaneuskultur nur bei reichem Luftzutritt bekommen, und auch spontan bei dem Vorkommen des blauen Eiters auf Wunden tritt die charakteristische Färbung am deutlichsten stets an den Rändern des Verbandes, wo die Luft Zutritt hat, hervor. Das Pyocyanin wurde von Ledderhose chemisch genau untersucht. Es ist eine aromatische Verbindung, dem Anthrazen verwandt. Ledderiiose giebt ihm die Formel C14H14N.2O. Derselbe Autor konnte nachweisen, dass das Pyocyanin für Tiere nicht giftig ist. Auch Charrix (1. c.) und Legros^ konnten das gleiche zeigen, indem Tauben, Meerschweinchen und Kaninchen bis zu 5 mg von reinem Pyocyanin ohne irgend welche Krankheitserscheinungen ertrugen. Es ist demnach das Pyocyanin keinesfalls der Träger der pathogenen Wirkung des B. pyocyaneus. Neben dem Pyocyanin bildet der B. pyocyaneus, wie schon erwähnt, stets noch einen zweiten Farbstoff, der grün fluoresziert und in Wasser löslich, in Alkohol und Chloroform unlöslich ist. Dieser Farbstoff ist nicht wie das durch Chloroform ausziehbare Pyocyanin charakteristisch für den Pyocyaneus, sondern diesen bilden auch andere fluoreszierende Bakterien, z. B. der B. fluorescens liquefaciens. Ernst (1. c.) glaubt, zwei Rassen von B. pyocyaneus, B. pyoc. « und ß, unter- scheiden zu können, von denen die eine nur das fluoreszierende Ferment, die andere daneben auch Pyocyanin bilden sollen. Gewöhnlich sollen beide meistens zusammen vorkommen. Auch Christom axos^*^ ist der- selben Ansicht. Trumm^i will auf Grund seiner Untersuchungen ge- funden haben, dass der B. pyocyaneus überhaupt nur ein allen fluores- zierenden Bakterien gemeinschaftliches Ferment bildet. Diese Streit- frage scheint indessen durch die neueren Arbeiten von NösskeI-, Krause i3j Bolaxd'^ dahin entschieden zu sein, dass der Pyocyaneus stets zwei Pigmente bildet, das oben beschriebene Pyocya- nin und das wasserlösliche, chloroformunlösliclie grün fluo- reszierende Pigment. Charakteristisch für Pyocyaneus ist nur das Pyocyanin. Dadurch unterscheidet er sich von den anderen fluoreszierenden Bakterien, die nur das in Wasser lösliche grün fluoreszierende Pigment bilden. Das oben genannte, von Bacillus pyocyaneus. 475 Gessard angenommene dritte rotbraune Pigment ist nach den Untersuchungen von Bolaxd (1. c.) kein eigenes Pigment, sondern ein Umwandlungsprodukt aus dem Pyocyanin. Diese Umwandhmg geht durch die Thätigkeit des B. pyocyaneus in alten Kulturen von selbst vor sich, weshalb diese stets einen braungelben Farbton (s. o.) annehmen. Boland nennt dieses Umwandluugsprodukt Pyoxanthose. Demnach baben alle Pyocyaneusarten gleiche Farbstoife, die nur quan- titativ verschieden sind, woraus verschiedene Farbtöne resultieren, und wir sind auf Grund dessen nicht berechtigt, einzelne Varietäten und Rassen anzunehmen. Denn eine große Reihe von Autoren (Gessard ß^' 69' "o, Kunz^i, Christomanos (1. c), Radais ^^^ SuLLiVAN^^, Rucicka^s) hat die Farl)stotfbildung von B. pyocyaneus resp. deren Aenderung unter verschiedenen Bedingungen: besondere Art des Nährbodens, Peptonmangel, Vorhandensein, bestimmter Stoffe u. s. w., Einfluss des Alters der Kultur sowie von Tierpassagen, untersucht. Alle stimmen darin überein, dass man auf diese Weise mannigfache Variationen erzielen kann, indem bald mehr oder weniger Pyocyanin, Fluoreszin oder Pyoxanthose je nach den veränderten Bedingungen ge- bildet und daher der Farbenton der Kultur geändert wird. Wie ge- sagt, ist es indessen nicht begründet, auf solche Abweichungen in der Farbstoffproduktion eigene Rassen des B. pyocyaneus zu begründen, wie es manche unter den genannten Autoren versuchen. — Interessant ist die Angabe von Giieorghiewski^^^ dass der B. pyocaneus auf Serum immunisierter Tiere keinen Farbstoff bilde. Fernerhin wurden auch die Fermente des Bacillus pyocyaneus untersucht. Wie schon oben erwähnt, verflüssigt der B. pyocyaneus die Gelatine, koaguliert die Milch und wie Jakowski ^^ zeigen konnte, zer- setzt er, auch bei Abwesenheit von Sauerstoff, energisch Eiweiß. Die hierbei in Frage kommenden Fermente wurden besonders von Fermi i'- ^^ studiert. Dieser Forscher konnte feststellen, dass der B. pyocyaneus ein leim- und fibrinverdauendes Ferment bildet, und konnte das- selbe isolieren. Das Ferment wird bei 60" zerstört, bei der Einwirkung von 5 promilliger Salzsäure bleibt nur die Gelatine lösende Eigenschaft erhalten. Antipyrin, Chinin, und Strychnin wirken hemmend auf dieses Ferment. — Auch von abgetöteten Pyocyaneuskulturen wird die Gelatine verflüssigt. Ein diastatisches Ferment konnte Fermt in Kulturen von Pyocyaneus nicht nachweisen. M. Breymaxn^^ untersuchte eben- falls die Fermente des B. pyocyaneus. Breymanx konnte sowohl in den getrockneten, durch Chloroform abgetöteten und zerriebenen Bakterien- körpern der Pyocyaneusbazillen wie in dem Filtrat 45tägiger Pyocya- neusbouillonkulturen das Gelatine verflüssigende Ferment zu ungefähr gleichen Mengen nachweisen. Auch ein Milch koagulierendes und peptonisierendes Ferment konnte Breymann in den abgetöteten Körpern von B. pyocyaneus auffinden. In dem Filtrat von Pyocyaneus- kulturen konnte indessen dieses die Milch verlabende Ferment nicht erhalten werden. In neuester Zeit wurde von Emmerich & Loew^o 21 ganz besonders ein Ferment in alten, eingedampften, filtrierten Pyocya- neuskulturen studiert, das sie Pyocyanase nennen und dem die ge- nannten Forscher eine große Wichtigkeit für die Immunisierung und Heilung gegenüber gewissen Infektionen zuerkennen. Ueber die Pyo- cyanase ist ausführlich bereits in Band I Kapitel: Misch- und Sekuudär- infektionen, S. 314 ff. berichtet. Hier sei nur so viel bemerkt, dass Emmerich, Loew und Korschum22 in jüngster Zeit auf Grund ihrer 476 A. Wassermann, Forschungen dabin gelangt sind, dass die Pyocyanase und das soeben erwäbnte gewöbnlicbe, die Gelatine peptonisierende tryptisebe Ferment scbarf voneinander zu trennen seien. Denn das letztere wird durcb Erwärmuug auf 55° völlig zerstört, wäbrend die Pyocyanase diese Temperatur obne Verminderung ibrer Wirkung ausbält. Emmerich & LoEW balten die Pyocyanase auch für verscbieden von den bakterio- lytiscben Enzymen, die bei der Autolyse von Organen und Bakterien uacb CoNRADi23 die Ursacbe sind. Emmerich & Loew glauben, dass außer der Pyocyanase das Protoplasma des B. pyocyaueus noch min- destens fünf andere Enzyme entbalte, über die sie indessen keine nähercD Angaben machen. Toxin des B. pyocyaneus. Abgesehen von den Farbstoffen und Fermenten wurden auch die übrigen Stoffwechselprodiikte des B. pyocyaueus vielfach experimentell studiert und insbesondere die Frage, ob der B. pyocyaneus ein echtes, spezifisches Toxin zu sezernieren vermag. Dies führt uns zuerst zur Erörterung der Frage nach der Patho- genität des B. pyocyaneus für Versuchstiere. Schon bei den ersten Versuchen von Gessakd, Fordos und Ledderhose hat es sich gezeigt, dass der B. pyocyaneus für die meisten Versuchstiere pathogen ist. Eingehend behandelte indessen erst Charrin in seiner Mono- graphie »La maladie pyocyanique« diese Frage. Charrin arbeitete hauptsächlich an Kaninchen, weiterhin an Meerschweinchen, die er beide als empfänglich für die Pyocyaneusinfektion finden konnte. Der ge- nannte Autor kommt zu dem Ergebnis, dass die vom B. pyocyaneus hervorgerufenen Affektionen bei den Versuchstieren bald mehr lokaler, bald mehr allgemeiner Natur sind und dass die Virulenz für Tiere stark von der Art der Einverleibung, ob subkutan, intraperitoneal, oder intra- venös, abhängig sei. Mit der Frage der Pathogenität des B. pyocyaneus für Versuchstiere beschäftigte sich alsdann A. Wassermann (1. c). Er kommt zu dem Schluss, dass das empfindlichste Tier für die Pyocyaneus- infektion das Meerschweinchen ist und zwar bei intraperitonealer Lifektion; weniger empfänglich ist das Kaninchen, noch weniger Mäuse und Tau- ben. Ziegen sind für die Infektion mit B. pyocyaneus sehr sensibel und werden unter Umständen schon von einer Oese virulenter Kultur, intravenös verabreicht getötet. Meerschweinchen, intraperitoneal ge- impft, gehen gewöhnlich sehr akut zu Grunde. Die zum Tod erforder- lichen Mengen schwanken bei den einzelnen Kulturen in ziemlich beträchtlichen Grenzen, doch lässt sich vermittelst fortlaufender Passagen durch Meerschweinchen die Virulenz der Ausgaugskultur bedeutend stei- gern. Eine gut virulente Pyocyaneuskultur soll bei intraperitonealer Injektion Meerschweinchen von 250 g Gewicht in der Menge von i/io Oese (eine Oese zu 2 mg Kulturmasse) frischer Agarkultur akut innerhalb 24 Stunden töten, bei geringeren Mengen bis V20 Oese tritt der Tod innerhalb etwas längerer Zeit, gewöhnlicli 2 — 3 Tagen, ein. Nimmt man noch geringere Dosen, so entwickelt sich ein mehr subakutes Krank- heitsbild, indem die Tiere von Tag zu Tag abmagern und dann oft erst nach 14 Tagen unter Erscheinungen des allgemeinen Marasmus zu Grunde gehen. Größere Dosen einer virulenten Kultur, z. B. eine halbe Oese intraperitoneal gegeben, töten die Tiere oft innerhalb 7 — 8 Std. Das Bacillus iDyocj'aneus. 477 Ki-auklieitsbild bei diesen akuten Todesfallen hat nichts Charakteristi- sches. Es zeigt sich, wie fast l)ei allen akut verlaufenden intraperito- nealen Infektionen, öfters kurz nach der Infektion ein febriler Anstieg-, der alsdann sehr rasch einem Temjieraturabfall weicht, und die Tiere gehen unter stark herabgesetzter Temperatur im Kollaps zu Grunde. Ikn der Obduktion findet man bei den akut gestorbenen, intraperitoneal infizierten Tieren häufig multiple Ekchymosen und parenchymatöse Degene- ration der Unterleibsorgane, einzelne bronchopneumouische Herde, sowie die Zeichen einer akuten Peritonitis, nämlich Rötung der Serosa und ein flockiges, oft hämorrhagisches Exsudat, in dem man sehr reichlich die Pyocyaneusbazillen nachweisen kann. Auch im Herzblut findet man die Bazillen. In den mehr chronisch verlaufenden Fällen von intraperitonealer Infektion findet man in der stark abgemagerten Leiche des Tieres gew^öhn- lich nur ein sehr spärliches, dafür aber äußerst viscöses, fadenziehendes Exsudat, das meistens sehr reich an polynukleären Leukocyten ist. Man kann in diesem die Pyocyaneusbazillen nachweisen, doch nicht annähernd so zahlreich wie in den akut verlaufenden Fällen. Etwas anders gestaltet sich das Krankheitsbild bei subkutaner Infektion der Meerschweinchen mit lebenden Pyocyaneusbazillen. Vor allem verläuft der Krankheits- prozess bei diesem Einverleibuugsmodus auch bei starker Infektion — Va Oese bis eine Oese einer virulenten Kultur — gewöhnlich lang- samer, als bei intraperitonealer Injektion. Es bedarf fast stets zweier Tage und noch länger bis zum Eintritt des Todes. Die Temperatur ist dabei, umgekehrt wie bei der intraperitonealen Injektion, fast immer fieberhaft erhöht. An der Stelle der Einimpfung entwickelt sich sehr bald, nach ca. 5 — 6 Stunden, ein Oedem, das am nächsten Tage in ein mehr oder weniger hartes, ausgebreitetes Infiltrat übergeht. War die Infektion mit sehr geringen Mengen, etwa ^ i,, Oese, vorgenommen wor- den, so kann die Krankheit bei diesem Punkte stehen bleiben oder aber sehr chronisch über Wochen hin verlaufen. Das Infiltrat wird dann härter, es tritt in der Regel eine circumskripte Nekrose der Haut oder Abszedierung ein und die Tiere genesen oder sterben erst nach Wochen unter den Erscheinungen des äußersten Marasmus. Bisweilen beobachtet man dabei Lähmungen, öfters spastischen Charakters, der hinteren Ex- tremitäten, doch sind diese nicht regelmäßig und haben nichts Spezi- fisches für die Pyocyaneusinfektion, wie das Charrin annahm. Bei der Obduktion findet man alsdann in diesen mehr chronisch verlaufenden Fällen in dem lokalen Entzündungsherde und in dem Blute Pyocyaneus- bazillen. Vom Magendarmkanal aus wirkt der B. pyocyaneus nicht. Kaninchen sterben nach intravenöser Injektion der Pyocyaneusbazillen unter den Erscheinungen der allgemeinen Pyocyaneussepsis, bei subku- taner Injektion unter dem gleichen Symptomenbild, wie wir es von den Meerschweinchen ausführlich geschildert haben, doch sind sie, wie ge- sagt, weit weniger empfänglich wie Meerschweinchen, und wir möchten daher diese letzteren Tiere als das Tier der Wahl für VirulenzprUfungen und Tierversuche mit unserem in Rede stehenden Mikroorganismus em- pfehlen. Kehren wir nun zu der oben aufgeworfenen Frage nach dem Toxin des B. pyocyaneus zurück, so kommt schon Charrin bei Be- sprechung der klinischen Symptome, die sich bei den au chronischer Pyocyaneusinfektion leidenden Tieren entwickeln, zu dem Schlüsse, dass hierbei in erster Linie Intoxikationsvorgänge in Frage kommen. Charrin versuchte daher zuerst das Pyocyaneusgift in Kulturen nachzuweisen, 478 A. Wassermann. indem er Pyocyaiieuskulturen durch CHAMBERLAXDsehe Kerzen filtrierte nnd die Filtrate l)ei Meersclnveinchen und Kaninchen prüfte. Er konnte mit Hilfe der bakterienfreien Filtrate hei diesen Tierarten die gleichen Symptome wie mit den lebenden Keimen erzielen und kommt daher zum Schlüsse, dass der B. pyocyaneus ein echtes Toxin abspalte. Dass dieses Toxin mit dem Farbstofte, mit dem Pyocyanin, nichts zu thun hat, ist schon oben erwähnt worden und von Ledderkose und Charrin bereits nachgewiesen. A. Wassermann (1. c.) nahm dann die Frage nach dem Pyocyaneustoxin weiterhin auf und suchte vor allem zu entscheiden, ob es sich bei der Giftwirkung abgetöteter Pyocyaneusbouillonkulturen um ein echtes, von den Bakterien während ihres Lebensprozesses in das um- gebende Medium abgeschiedenes Toxin oder um ein in den Bakterien- körpern enthaltenes Endotoxin handelt, das bei älteren Kulturen nur einfach aus den Bakterienleibern ausgelangt wird. Wassermanx arbeitete mit Bouillonkulturen vom Pyocyaneus, die er durch Ueberschichten mit Toluol und mehrtägiges Stehenlassen sterilisiert hatte. Die beste toxische AYirksamkeit fand er erst, nachdem die Kolben längere Zeit bis zu 40 Tagen bei Bruttemperatur gestanden hatten. Die verwendete Bouillon soll auf Lackmus deutlich alkalisch reagieren und 2^ Pepton enthalten; die auf der Oberfläche der liouillou sich bildende Haut soll zwecks besseren Luftzutritts mehrmals in der Woche durch Schütteln entfernt werden. Wassermann fand, dass die verschiedenen Kulturen sich sehr verschieden in Bezug auf Giftbilduug verhalten und dass auch die Zeit des Wachstums, nach welcher das Optimum der Toxizität erreicht wird, je nach der Kultur schwankt. Von gut toxischen Kulturen töteten nach Sterilisieruug der lebenden Keime mittelst Toluol 0,2 — 0,5 ccm bei intra- peritouealer Injektion alle Meerschweinchen akut, indessen verhalten sich die Meerschweinchen individuell recht verschieden, so dass, während ein- zelne Tiere bereits an 0,05 ccm des Giftes starben, andere Tiere erst bei der Injektion eines vielfachen Multiplums dieser Dose von 0,3 — 0,5 akut zu Grunde gehen. Man muss daher beim Arbeiten mit Pyocyaneus- gift die Dosis certe efficax erst an einer größeren Reihe von Meer- schweinchen ausprobieren. Au der sicher tödlichen Dose abgetöteter Bouillonkulturen sterben die Meerschweinchen rapide, oft inner- halb 6, stets nach 12 Stunden zumeist unter starkem Temperatur- abfall. Das Abdomen ist bald nach der Injektion aufgetrieben, es treten krampfhafte fibrilläre Zuckungen auf, die Haare, besonders am Kopfe, sträuben sich, die Tiere legen sich nach mehreren Stunden auf die Seite und unter Dyspnoe tritt der Tod ein. Bei der Obduktion lässt sich außer Peritonitis makroskopisch gewöhnlich nichts nachweisen, bisweilen findet man punktförmige Hämorrhagieen. Vom subkutanen Gewebe aus wirkt das Gift beim Meerschweinchen weit schwächer. Es sind bei dieser Applikation etwa zwei- bis dreifach höhere Dosen gegenüber der intraperitonealen Einverleibung anzuwenden. Das Krankheitsbild ist als- dann ungefähr das gleiche, wie es von der subkutanen Infektion mit lebenden Keimen beschrieben wurde. Die in den abgetöteten Bouillon- kulturen enthaltenen Giftstotfe sind der Hitze gegenüber sehr wider- standsfähig. 5 Minuten auf 100 Grad erhitzt, erleiden sie wohl eine Beeinträchtigung ihrer Wirksamkeit, werden aber nicht zerstört, so dass 1 — 2 ccm eines gut wirksamen Giftes auch nach dem Kochen noch Tiere tötet. Mäuse und Tauben verhalten sich auch dem Toxin gegenüber weit widerstandsfähiger, wie wir dies schon bei der Infektion mit leben- den Pyocyaneusbazilleu erwähnt haben. Bacillus pyocyaneus. 479 Was nun die Frage angeht, ob diese Giftigkeit der abgetöteten Pyo- cyanensboiiilloukultureu auf dem Vorhandensein eines echten gelösten Toxins oder ausgelaugter Endotoxine beruht, so kommt Wassermann zu dem Schlüsse, dass es sich dabei hauptsächlich um ein echtes sezer- niertes Toxin handelt, da die von Kartoffeln oder Agar abgekratzten jungen Pyocyaneusbazillen , mit Chloroform abgetötet, nur schwach toxisch sind. Man l)edarf großer Mengen, 7 Oesen und mehr, von frisch gewachsenen Pyocyaneusbazillen, die mit Chloroform abgetötet werden, um bei intraperitonealer Einverleibung Meerschweinchen zu töten. Da andererseits, wie wir oben sahen, von einem guten Gifte bereits 0,1—0,2 ccm Meerschweinchen töten, so kann diese Toxizität nicht einfach auf ausgelaugten giftigen Stoffen der Bakterienleiber beruhen, sondern es muss sich dabei noch um eine Sekretionsthätigkeit der leben- den Pyocyaneusbazillen, also um eine richtige, echte Toxinproduktion handeln. Damit stimmen auch die Ergebnisse der von A. Wassermann erhobenen Befunde bei der Immunisierung mit Pyocyaneusgift überein (s. Bd. IV). Scheinbar widerspricht dem allerdings die Thatsache, dass das ganz bakterieufreie Filtrat alter Kulturen, wie dies bereits von Charrin beobachtet und von M. Bbeymann (1. c.) von neuem wieder konstatiert wurde, nur sehr schwach toxisch ist. Indessen wird offenbar beim Filtrationsvorgang der schleimigen, fadenziehenden, alten Kulturen der größte Teil des gebildeten Toxins im Filter zurückgehalten. Wir müssen daher zum Schlüsse kommen, dass die Giftwirkung der sterilisierten Pyocyaneusbouillonkultureu sich zusam- mensetzt zum größten Teile aus der Wirkung eines echten Toxins und daneben aus der Wirkung der ausgelaugten Endo- toxine, da ja, wie bereits erwähnt ist, auch die toten Bak- terienkörper, wenn auch nicht stark, so doch immerhin giftig wirken. Cbtarrin & Deprez^s untersuchten die faden zieh ende Substanz in alten Bouillonkulturen des B. pyocyaneus und stellten dieselbe als Mucin fest. In Soda aufgelöst war 0,15 g derselben tödlich pro kg Kaninchen. Die speziell entzündungs- und eiterungserregende Substanz der Pyo- cyaneusbazillen, die Proteine, wurden von Buchner^s im Tierversuch und auch am Menschen geprüft. Charrin ^6 versuchte weiterhin eine Trennung der in alten Pyocyaneustiltraten vorhandenen toxischen Stoffe je nach ihrer Löslichkeit in Alkohol, indem er insbesondere den flüch- tigen Substanzen in Pyocyaneuskulturen eine besondere Wirkung auf die vasodilatatorischen Zentren zuschreibt. Allgemeine Anerkennung hat diese Ansicht bisher nicht gefunden. Dass allerdings derartige flüchtige Substanzen in alten Pyocyaneuskulturen vorhanden sind, zeigt sich be- reits durch den Geruch derselben, der ein spezifischer, an Jasmin erinnernder ist. Was die Anwendung der Pyocyaneuskulturen, sowie der Toxine und Fermente des B. pyocyaneus zwecks günstiger Beeinflussung anders- artiger Infektionen, also die antagonistische Wirkung, betrift't, vergl. Kap. Misch- und Sekundärinfektioneu von A. Wassermann Bd. I, S. 312 ff. 480 A. Wassermann. Pyocyanolysin. lu neuerer Zeit wurde die Eig-enscliaft der Pyocyaueuskiiltiireu, rote Blutkörperchen verschiedener Tierarten und des Menschen im Eeag'enzglase aufzulösen, vielfach untersucht. Bulloch & Huxter^? waren die ersten, welche auf diese Eigenschaft der Pyocyaneuskulturen hinwiesen. Sie belegten den Stoff, welcher die Hämolyse zustande bringe, mit dem Namen des Pyocyanolysius. Die Versuchsanordnung- der genannten Autoren war derart, dass sie in 0,6 proz. Kochsalzlösung eine 5 proz. Suspension von roten Blutkörperchen von Ochsen, Schaf, Kaninchen, Katzen, Hunden, Affen, Menschen, Ratte, Maus herstellten und 2 ccm in je ein Reagenzglas davon einfüllten. Sie fugten dann fallende Mengen von filtrierten und unfiltrierten jüngeren und älteren Pyocyaneusbouillonkulturen sowie von sterilisierten Peptonbouillonkul- turen hinzu, stellten die Gemische für 18 — 20 Stunden lang bei 37" in den Brutschrank und beobachteten dann die eingetretene Lösun«- der '» iilutkörperchen. Die Autoren kommen zu folgenden Schlüssen: In viru- lenten, in Bouillon gezüchteten Kulturen des B. pyocyaneus findet sich ein Körper, Pyocyanolysin, welcher die Blutkörperchen des Ochsen, des Schafes, des Kaninchens und anderer Tiere hämolysiert. Das Pyocya- nolysin variiert der Menge nach in verschiedenen Bouillonkultureu des B. pyocyaneus. In sehr jungen Kulturen ist das Pyocyanolysin nicht in so großer Menge vorhanden wie in 3 — 4 Wochen alten. Das Pyo- cyanolysin ist im Körper der Bazillen vorhanden. Wenn junge Kulturen filtriert werden, ist das Filtrat ohne Pyocyanolysin. In alten Kulturen tritt eine gewisse Menge von Pyocyanolysin aus den Körpern der Ba- zillen aus und kann so in beträchtlicher Menge in das Filtrat übergehen. 15 Minuten langes Erwärmen aut 100° C beraubt die nicht filtrierten Bouillonkulturen nicht ihrer hämolytischen Eigenschaft; wenn dagegen klare, bakterienfreie, Pyocyanolysin enthaltende Filtrate 15 Minuten lang: auf 100° C erwärmt werden, tritt Zerstörung ihrer hämolytischen Eigen- schaften ein. Das Pyocyanolysin ist nicht identisch mit der Pyocyanase von Emmerich & Loew, noch auch mit dem eigentlichen Pyocyanotoxin, das man in den Bouillonfiltraten nachweisen kann. Weinc4EROff28 ^q. stätigt zunächst im allgemeinen die Angaben von Bulloch & Hunter von dem Vorhandensein des Pyocyanolysius in Kulturen des B. pyocya- neus. Er arbeitete mit Blut von Kaninchen, Meerschweinchen, Schafen, Pferden, Ochsen, Büffeln, Hunden, Tauben, Mäusen und Fröschen. Die verwendeten Kulturen sowie auch die erhaltenen Filtrate des B. pyocya- neus waren von ungleicher Virulenz. Die Virulenz der Kulturen Avurde durch öfteres Uebertragen auf Kaninchen gesteigert und die Bouillon- kulturen blieben 10 — 15 Tage im Thermostaten. Das frisch entnommene Blut wurde mit 0,85 proz. Kochsalzlösung gemischt in dem Verhältnis, dass der Blutgehalt 5 ß^ betrug. 1 ccm dieser Flüssigkeit wurde in sterile Probiergläser gegossen und dazu die Filtrate des B. pyocyaneus in steigenden Quantitäten von 0,05 ccm an hinzugefügt. Weingeroff arbeitete ausschließlich mit keimfreien Filtraten von Pyocyaneuskulturen, die durch Filtration der Bouilloukulturen durch CiiAMBERLANDSche Filter Nr. F gewonnen waren. Am leichtesten wurden die Blutkörperchen des Hundes, dann des Pferdes, des Meerschweinchens und Kaninchens aufgelöst. Im Gegensatze zu Bulloch & Hunter fand Weingeroff, dass auch das in den keimfreien Filtraten enthaltene Pyocyanolysin Bacillus pyocyaneus. 481 eine Erhitznug- von 30 Minuten auf 120" aushält. Xel)en der Auflösung der roten Blutkörperchen durch die Filtrate beobachtete der genannte Forscher fernerhin auch eine Agglutination derselben. Weingeroff beschäftigte sich fernerhin mit der Frage, ob das Pyocyauolysin von dem Toxin verschieden ist. Seine Kulturtiltrate besaßen einen mittleren Grad von Giftigkeit, indem 7 ccm derselben subkutan Kaninchen nach 3 — 4 Tagen unter Abmagerung zu Grunde gehen ließen. Diese Giftwir- kung wurde, wie dies schon oben im Kapitel über das Pyocyaneustoxin erwähnt wurde, durch Erhitzen über 100" nicht zerstört. Weixgerofp wies mm die Verschiedenheit der toxischen Wirkung für Tiere und der hämolytischen Wirkung auf Blutkörperchen in vitro seitens Pyocyaneus- filtrate in folgender Weise nach. Er setzte zu 30 ccm Hundeblut 17,5 ccm und zu 40 ccm Pferdeblut 30 ccm Pyocyaneusfiltrat hinzu. Hierdurch wurde alles in dem Filtrat vorhandene Pyocyanolysiu au die Blutkör- perchen gebunden. Die Mischung ließ er einige Zeit stehen und zentri- fugierte hierauf, ehe Hämolyse eingetreten war, die morphologischen Bestandteile ab. Von der Lösung mit Huudeblut, in der nunmehr kein freies Lysin mehr sein konnte, injizierte er subkutan an je zwei Ka- ninchen 17 ccm resp. 20 ccm, entsprechend 6,4 ccm resp. 7,2 ccm Toxin, und entsprechende Mengen von der Lösung des Toxins mit Pferdeblut. Die Kontrolltiere erhielten 6 resp. 7,2 ccm reines Toxin. Alle Tiere starben zwischen dem 5. — 9. Tage und zwar zuerst die, welche Pyocya- neustoxin mit Blut bekommen hatten. Es war also nach der Ansicht des genannten Forschers durch diesen Versuch der Absorption des Lysins bei voller Erhaltung der toxischen Kraft die Verschiedenheit dieser bei- den Substanzen bewiesen. Den gleichen Beweis glaubt derselbe Forscher noch durch eine andere Versuchsanordnung geliefert zu haben. Er konnte nachweisen, dass Magen- und Paukreassaft vom Hund das Lysin zer- stört, das Toxin aber nicht. Alte Kulturtiltrate wirken stärker toxisch und hämolytisch wie junge, indessen scheint das toxische und hämoly- tische Vermögen proportional einherzugehen. Lubenaü ^9 kann ebenfalls das Pyocyauolysin konstatieren, macht indessen auf den starken Alkaligehalt alter Pyocyaneuskulturen aufmerksam. Wenn er die starke Alkaleszenz durch Säurezusatz neutralisiert, ist das Hämo- lysierungsvermögen geringer. Er glaubt daher, dass die Bildung von Alkali seitens der Pyocyaneusbazillen einen Anteil an dem Vorgänge der Hämolyse hat, zumal da auch den Pyocyaneuskulturen entsprechend stark alkalische Lösungen von Ammoniak und Soda hämolytisch wir- ken. Auch JoRDAx"^ ist auf Grund seiner Versuche der Ansicht, dass das angebliche Pyocyauolysin nichts anderes als Alkali- wirkung auf die Blutkörperchen sei. — Ich selbst glaube nach meinen eigenen Experimenten ebenfalls, dass man die Alkaliwirkung der Pyocyaneuskulturen erst ausschalten muss, ehe man berechtigt ist ein eige- nes Pyocyauolysin anzunehmen. — Ich halte diesen Stoff noch für fraglich, zumal es nie gelungen ist, durch Immunisieren ein Antipyo- cyauolysin zu erhalten. — M. Breymann (1. c.) traf die Versuchsanordnung, dass ein Tropfen Blut zu einer im ganzen 2 ccm betragenden Mischung von 0,85 % Kochsalzlösung und verschiedener Mengen Pyocyaueuskultur- filtrate resp. getrockneten Pjocyaneusbazillenkörperu zugefügt wurde. Die Eöhrchen blieben zwei Stunden im Thermostaten bei 37" und dann ca. 20 Stunden im Eisschrank. Breymanx kommt zu dem Schlüsse, das Pyocyauolysin ist nicht im Körper der Bazillen enthalten; denn beim Experimentieren mit den uufiltrierteu Kulturen ergiebt sich nie eine bes- Handbuch der patliogenen Mikroorganismen. IH. 31 482 A. Wassermann, sere Lösuugsf äbii;keit als wie l3ei dem gleieliartig-en Filtrate. Außerdem ist iu den rein dargestellten Bakterieukürpern kein Hämolysin uaclizu- weiseu. Auch ganz junge Kulturfiltrate (zweitägig-) haben bereits hämo- lytisehe Eigenschaften. Die Versuche, das Lysiu in Filtraten oder bak- terienhaltigen Kulturen durch Erhitzen abzuschwächen resp. zu inakti- vieren, hai)en in keiner Weise zum Ziel geführt, üreymaxn vermutet, dass die Differenz dieser Befunde gegenüber denen von Bullocii & Hunter darin begründet sei, dass bei den Versuchen der letzteren das Blut in 0,6 proz. Kochsalzlösung, dagegen bei den ersteren in 0,85 proz. Kochsalzlösung suspendiert war. 0. Loew & Kozai^o studierten die Bil- dung des Pyocyanolysins unter verschiedenen Bedingungen. Sie unter- suchten, ob das Lysin in verschiedenen Nährlösungen gleich stark auftritt, ob das Maß des Luftzutritts einen Einfluss auf die Bildung desselben hat und ob es in mäßigen Quantitäten tödlich auf Tiere wirkt. Die Verfasser verwendeten drei Nährlösungen: erstens gewöhnliche Bouillon, zweitens Peptonbouillon mit 0,1 ^ Glycerin, drittens eine Lösung von 0,5 ^ Asparagin und 0,5 X Traubenzucker. Jede dieser Lösungen wurde auf je 200 ccm fassende Erlenmeyer-Kolben verteilt, von denen der eine die Lösung nur in 2 cm hoher ►Schicht, der andere bis zum Kolbenhals reichend enthielt, um so eine Verschiedenheit im Luftzutritt zu bewerk- stelligen. Aus den Versuchen ergab sich, bei reichlichem Luftzutritt wird mehr Pyocyanolysin gebildet. Was die Wirkung auf Tiere anbelangt, ■ — • w^eiße Mäuse — so bestätigen sie die Angaben von Weingeroff, dass das Toxin der Pyocyaneuskulturen nicht identisch ist mit dem Pyocyanolysin, da gerade die Lösungen, welche am meisten Pyocyano- lysin enthielten (Peptonkultur bei reichlichem Luftzutritt), wenig toxisch waren, während die Bouillonkultur bei geringem Luftzutritt, iu der sich nur geringe Mengen Pyocyanolysin befanden, stark toxisch war. Wie schon oben erwähnt, lassen bis jetzt sich alle diese Befunde von Brey- MANN, Loew & Kotzai auch durch einfache Alkaliwirkung erklären. Gheorghiewsky^^ will iu Pyocyaneuskulturen auch eine Substanz ge- funden haben, welche die weißen Blutkörperchen abtötet, also ein Leu ko eidin. Im Serum von Tieren, die gegen Pyocyaneus immunisiert waren, konnte er indessen kein Antileukocidin nachweisen. Pathogenität des B. pyocyaneus für den Menschen. Die Frage, ob der B. pyocyaneus für den Menschen unter Um- ständen wirklich als ein pathogener Mikroorganismus aufzufassen ist, wurde ziemlich spät erörtert. Schimmelbusch (1. c.) fasst in dieser Hinsicht sein Urteil über die bis zum Jahre 1893 vorliegenden Beob- achtungen dahin zusammen: »Aus dem Tierexperimente und den bisher vorliegenden Beobachtungen am Menschen können Avir bloß mit Sicher- heit schließen, dass der B. pyocyaneus zwar giftige lokale und all- gemeine Wirkungen zustande bringt, dass ihm aber die Eigenschaften eines invasiven pathogenen Organismus abgehen.« Auf dem gleichen ablehnenden Standpunkte steht auch Sciiürmayer^i. Demgemäß wäre der B. pyocyaneus für den Menschen nur als ein lokal Avuchernder saprophytischer Organismus aufzufassen. Seit der ScHBOiELBUscHSchen und SciiüRMAYERSchen Arbeit traten indessen zahlreiche Autoren auf, welche auf Grund ihrer Beobachtungen dem B. pyocyaneus exquisit pathogene d. h. infektiöse Eigenschaften für den Menschen zuschrieben. Bacillus pyocyaneiis. 483 Es liegt in dieser Bezieliimg' ein großes Beobaclitiingsmaterial vor, in- dessen müssen wir dasselbe sehr kritisch sichten und beobachten. Für die größte Mehrzahl der mitgeteilten Fälle treflen die Einwände zu, die Baumgarten als Fußnote zu den betreuenden Referaten in seinem Jahres- berichte macht, dass nämlich durch dieselben der infektiöse Charakter des B. pyocyaneus oder die ätiologische Rolle, die er bei den betreftenden Krankheitsbildern gespielt haben soll, nicht strikt bewiesen sei. Wir dürfen nicht vergessen, dass eine Anzahl von Saprophyten, besonders von Darmbewohnern, zu denen nach den Untersuchungen von Salus ^2 und Jakowski (1. c.) sehr häufig auch der B. pyocyaneus gehört, oft schon in der Agone in das Blut und damit in die Organe übertreten, und es ist deshalb auch die einfache Feststellung, dass bei irgend wel- chen infektiösen Aftektionen Pyocyaneusbazillen bei der Autopsie im Blute und in den Organen gefunden wurden, nicht beweisend dafür, dass der B. pyocyaneus in diesen Fällen auch wirklich den letalen Aus- gang verschuldet hat. Insbesondere ist dies nicht der Fall, wenn neben dem Pyocyaneus noch andere Infektionserreger wie Streptokokken, Staphylokokken, also Infektionserreger, von denen wir sicher wissen, dass sie die gewöhnliche Ursache septischer Erkrankungen sind, gefunden werden. In solchen Fällen können wir dem B. pyocyaneus dann in der That nur die Rolle eines agonal eingewanderten Saprophyten zuerkennen. Aber auch in denjenigen Fällen, in welchen der B. pyocyaneus post- mortal allein gefunden wurde, müssen wir noch eine strenge Sichtung halten. Denn jeder bakteriologisch Erfahrene weiß, dass, wo Pyocyaneus vorhanden ist, dann auf den angelegten Kulturen ungemein leicht andere anspruchsvollere Mikroorganismen, wie Streptokokken, Pneumokokken, von dem Pyocyaneus überwuchert werden und sich daher dem Nachweis leicht entziehen. Wir müssen unter diesen Umständen verlangen, um in einem Falle wirklich den B. pyocyaneus als ätiologische Ursache anzuerkennen, dass derselbe entweder intra vitam bei Innehaltung aller Kauteleu aus Körperregionen gewonnen wird, die nicht mit der Luft kommunizieren, am beweiskräftigsten also durch Venaepunktiou ans dem Blute oder aber, wenn es sich um Autopsieen handelt, dass nicht nur allein der Pyocyaneus dann kulturell aus den Organen gewonnen wird, sondern dass die l)etreffenden Organe in Schnittpräparaten untersucht werden und sich dann an dem Sitze der Bakterien entsprechende Re- aktionen des Gewebes nachweisen lassen. Die Fälle, in denen ein- lach Pyocyaneusbazillen auf Schnitten nachgewiesen werden können, ohne dass sich eine Reaktion des Gewebes gleichzeitig dabei zeigt, müssen wir wohl unter die Rubrik der präagonalen sekundären Ein- wanderung des B. pyocyaneus einreihen. W^as nun die einzelnen Fälle angeht, so wurde der B. pyocyaneus besonders häufig im Ohreiter bei Otitis media nachgewiesen und ihm hierbei eine ätiologische Rolle zugeschrieben (Gkuber^s, Maggiore & Gradenigo34, RührerSs^ Martha =*•', Kossel-^^). Der erste, der auf Grund von einwandsfreien bakteriologischen Unter- suchungen dem B. pyocyaneus eine infektiöse Rolle, Avenigstens für das Kindesalter, zuschreil)t, ist Kossel '■^^. Er ist indessen der Meinung, dass der B. pyocyaneus beim Erwachsenen sich meist als unschuldig erweist. Unter den verschiedenen Fällen, die Kossel anführt, ist der beweis- kräftigste für die patliogene Rolle des B. pyocyaneus im Kindesalter der folgende: Ein sechswöchentliches, sehr atrophisches Kind mit den Erscheinungen doppelseitiger Otitis und Brouchopneumonie ging 5 Tage 31* 484 A. Wassermann, nach der Aufnahme an Herzschwäche zu Grunde. Bei der Sektion ent- hielten beide Paukenhöhlen und Antra mastoidea eitriges Exsudat. Ebenso fand sich an der Basis des Kleinhirns rein eitris-es Exsudat. Durch die mikroskopische und kulturelle Untersuchung wurde der B. pyocyaneus im eitrigen Exsudat der Pia nachgewiesen. Andere Bak- terien waren weder mikroskopisch noch kulturell darin zu linden. Aus dem Ohreiter und dem ödematösen Parenchym der Lunge züchtete Kossel Pvocvaneus neben FRÄXKELSchen Pneumokokken, aus dem Herzblute Pyocyaneus in Reinkultur. Im Darmkanal bei fieberhaften Affek- tiouen von Säuglingen fanden B. pyocyaneus Thiercelix^s^ weiter- hin Baginsky^o^ Bei einer dyseuterieartig'en Epidemie von Erwachsenen konnte Lartigan'^i Pyocyaneusbazilleu sowohl in den Dejektionen wie auch in dem Wasser des von den Krauken benutzten Brunnens nach- weisen. Babes^2 gewann aus Abszessen eines an septischer Xabel- venenentzündung gestorbenen Neugeborenen Pyocyaneusbazilleu in Rein- kulturen, weiterhin in einer postskarlatinösen septischen Phlegmone bei einem Knaben; in den Organen dieses Falles fanden sich Pyocyaueus- bazillen neben Streptokokken. Ehlers ^^ fand Pyocyaneus in hämor- rhagischen Pusteln und im Herzblute 7 Stunden post mortem bei einem an Enteritis gestorbenen Kinde, H. Xeumaxn**' ^5, 46 j^^ (j^-ei Fällen in den Organen und im Blute der Leichen von Kindern. Oet- tixger^^ wies den B. pyocyaneus in hämorrhagischen Blasen der Haut bei einem Tj'^phuskranken nach. Auch KarliSski^* konnte den betreffenden Bacillus in Hauteffloreszenzen bei einem Patienten, der an Sepsis litt, intra vitam nachweisen. Post mortem ergab der Milzsaft, das Blut und der Gewebssaft der vergrößerten PEYERScheu Plaques B. pyocyaneus in Reinkultur. Jadkewitsch-*^ fand P3'ocyaneus- bazillen im Urin eines an chronischem Ekzem mit eitrigen Geschwüren leidenden Mannes. Kraxxhals^o züchtete bei einem Manne, der an einem Infiuenzaempyem operiert worden war und 4 Wochen nachher akut an einer typhusähnlichen Infektion schwer erkrankte und starb, aus der PerikardialHüssigkeit, dem Mediastinaleiter und dem Milzsaft Pyocyaneusbazilleu in Reinkultur. Er wies in der Milz die Pyocyaneus- bazilleu auch in Schnitten mikroskopisch nach. Es fanden sich ferner zahlreiche Hämorrhagieeu im Darme. Erxst^i konnte zum ersten Male durch Punktion eines Perikardialexsudates intra vitam den Pyocyaneus- bacillus nachweisen. Allerdings fanden sich in dem betrefienden Exsu- date neben dem Pyocyaneus noch Tuberkelbazillen, so dass also die ätiologische Bedeutung desselben für diese Erkrankung wohl kaum in Frage kommt. Indessen ist dieser Fall deshalb von Interesse, weil damit zum ersten Male gezeigt wurde, dass der B. pyocyaneus auch intra vitam innere Organe zu invadieren vermag. William & Camerox^- veröftentlichen die Krankeng:eschichten von zwei Säuglingen, die an einer septisclien Infektion starben. Bei dem einen zeigte sich papulöser Ausschlag, bei dem anderen Hautblutungen und Otorrhöe. Sie fanden bei beiden in den Organen und im Blute den B. pj^ocyaueus. In dem einen Falle wurde die Schnittuntersuchung durchgeführt, und es zeigten sich die Kapillaren der Leber, Niere und Milz vollgefüllt mit Pyocyaneus- bazillen. Die Organe zeigten au diesen Stellen als Reaktion die deut- lichen Zeichen der parenchymatösen Degeneration, Die Autopsie war sehr kurz nach dem Tode gemacht worden. Fixkelxsteix^s g-iebt die Krankengeschichten von drei nach langen, erschöpfenden Krankheiten marantisch verstorbenen Kindern, l)ei denen sich in den letzten Lebens- Bacillus pyocyaneus. 485 tag'en hämorrhagische Diathese ausbildete. Neben verschiedenen anderen Bakterien fand sich in allen drei Fällen der B. pyocyaneus im Blute und in den Organen. Indessen fasst Finkelnstein selbst den Befund kaum noch als eine richtige Infektion auf, sondern als ein terminales Versagen der normalen Bakterien abwehrenden Kräfte des Organismus. Manicatiue^^ veröffentlicht zwei Beobachtungen. Der erste Fall betrifft ein 14 monatliches Kind, das unter den Zeichen der Bronchopneumonie gestorben war. Aus der Leiche wurde aus dem Kehlkopfschleim, den bronchopneumonischen Herden, Leber, Knochenmark, Milz, Nieren und Herzblut der B. pyocyaneus gezüchtet und zwar fand er sich an den drei zuletzt genannten Orten in Reinkultur vor. Der zweite Fall betraf ein vierjähriges Kind in der Kekonvaleszenz von Eachendiphtherie, das an Pneumonie unter einem ausgebreiteten bläschenförmigen und' pustulösen Exanthem erkrankte. Der B. pyocyaneus fand sich in Milz, Nieren und Herzblut in Reinkultur, in der Lunge, Leber mit anderen Bakterien, mit Diphtheriebazillen und Bact. coli, zusammen. Manicatide glaubt, dass es sich in beiden Fällen um eine Allgemeiniufektion durch den B. pyocyaneus gehandelt habe, indem durch die in beiden Fällen voraus- gegangene Erkrankung der Organismus so geschwächt war, dass der B. pyocyaneus hat Fuß fassen können. Manicatide giebt in seiner Arbeit eine Uebersicht über die bis dahin bis zum Jahre 1897 erschie- nenen Beobachtungen über pathogene Wirkung des B. pyocyaneus und kommt, abgesehen von seinen beiden Fällen, zu dem Schlüsse, dass nur drei der bis dahin veröffentlichten Fälle, nämlich je ein Fall von H. Neumann (1. c), Krannhals (1. c.) und Kossel (1. c.) die Möglichkeit einer allgemeinen Infektion seitens des B. pyocyaneus beweisen. HiTSCiiMANN & Kreibicii^S' ^^ glauben auf Grund ihrer Beobachtungen an Kindern, dass der B. pyocyaneus eine ätiologische Rolle bei den Haut- veränderungen spiele, die unter der Bezeichnung Ecthyma gangrae- nosum bekannt sind. Indessen beweisen ihre histologischen Unter- suchungen meiner Ansicht nach nicht die ätiologische Rolle des B. pyo- cyaneus bei dieser Affektion. Ebenso dürfte die Beobachtung von Lanz & LüscHER^^, bei der es sich um den Befund von Pyocyaneus bei eitriger Strumitis handelte, kaum beweisend für die Pathogenität des Pyocyaneus beim Menschen sein. Weit einwandsfreier hingegen sind die Mitteilungen über die Infektiosität des B. pyocyaneus, welche aus der EscHERiCHSchen Klinik erfolgt sind. In dieser Hinsicht publi- zierte zuerst Blum^s einen Fall von Pyocyaueus-Endocarditis bei einem 2 1/2 Monate alten syphilitischen Kinde. Die Pyocyaneusbazillen wurden in diesem Falle im Blute, allerdings nur mikroskopisch, einen Tag ante mortem nachgewiesen, post mortem auch kulturell und in Schnitten. In Milz, Leber und Nieren fanden sie sich in Reinkultur, in Lunge und Darm mit anderen Bakterien gemischt. Auch in den frischen Effloreszenzen der Mitralklappe konnte auf Schnitten Pyocyaneus nebst Reaktion des Gewebes nachgewiesen werden. Escherich (ebd.) teilt in einer an diese Publikation sich anknüpfenden Arbeit mit, dass diesem ersten Fall von Pyocyaneusinfektion auf seiner Säuglings- station dann eine Reihe weiterer Erkrankungen folgte, bei denen Pyocyaneus aufgefunden werden konnte (einmal Abszess mit Pyo- cyaneus, zweimal Pyocyaneus in Stühlen bei Gastroenteritis) und dass die Pyocyaneusinfektion in diesem Saale erst aufhörte, als die vollständige Räumung und Desinfektion desselben mit Formaldehyd durchgeführt war. Die Infektionsübertragung war dabei eine indirekte. 486 A. Wassermann, iiiclem die zweite Infektion sich erst mehrere Tage nach Abgang- des ersten Kranken ereignete. Auch M. Wassermann ^'J berichtet über eine epidemieartig aufgetretene septische Kabelinfektion Neu- geborener, als deren Ursache er den B. pyocyaneus konstatieren konnte. Es handelte sich im ganzen um 11 Fälle, als deren Todes- ursache im YiRCHowschen Institute Sepsis, von den Aa. umbilicales ausgehend, konstatiert wurde. M. Wassermann konnte in den unter- suchten Fällen mikroskopisch, kulturell wie besonders auch in Sclmitt- präparaten den B. pyocyaneus mit allen charakteristischen Merkmalen zeigen. Besonders wertvoll an dieser Arbeit ist der durch genaue histologische und bakteriologische Untersuchungen gelieferte Beweis der Eeaktion im Gewebe um die Bazillen herum, der Verbreitung der Bazillen durch die Blutbahn und des ausschließlichen Vorhandenseins derselben in den primären und metastatischen Herden. Auch der Fall SoLTMANNs^ö^ bei dem es sich um eine bei einem 13jährigen, bis dahin ganz gesunden Knaben entstandene letal verlaufene Pneu- monie handelte, bei welcher in Autopsia Pyocyaneus nachgewiesen wurde, dürfte als beweisend für die ätiologische Kolle unseres Bacillus in diesem Falle anzusehen sein. Soltmann vermochte in Schnitten, von welchen der Arbeit sehr schöne Abbildungen beigegeben sind, den Pyocyaneus in der Lunge, in der Magen- und Darmwand u. s. w. nachzuweisen. Der Autor legt besonderen Kachdruck darauf, dass es sich in seinem Falle im Gegensatz zu den gewöhnlichen Fällen von Pyocyaneusinfektion nicht um ein vorher geschwächtes, sondern um ein bis dahin durchaus gesundes Individuum gehandelt habe. Endlich möchte ich als bewei- send noch zwei Beobachtungen anführen, die eine von Finkelnstein^i, der bei einem 3 Monate alten Kind mit hämorrhagischer Diathese 2 Tage ante mortem einen Kubikcentimeter Blut aus der Vene entnahm und züchtete. Die Kultur ergab B. pyocyaneus. Bei dem anderen Fall, der von Brill & Libman ^'2 mitgeteilt wurde, gelang es ebenfalls bereits intra vitam den B. pyocyaneus im Blute zu konstatieren, und zwar handelt es sich dabei um einen Erwachsenen. Der Patient w^ar 23 Jahre alt und litt an einer Staphylokokkensepsis, welche sich besserte. Daran schloss sich dann von neuem ein schweres septisches Kraukheits- bild an mit bronzefarbener Veränderung der Haut. Es wurde durch Venaepunctio eine Blutkultur mit 6 ccm Blut angelegt 2 Tage vor dem Tode, welche den B. pyocyaneus ergab. Bei der Obduktion wurde in Leber, Milz und Kieren B. pyocyaneus in Reinkultur gefunden; auf Schnitten zeigten sich die Kapillaren vollgepfropft mit B. pyocyaneus. so dass es sich also in diesem Falle um eine sichere, während des Lebens nachgewiesene allgemeine Pyocyaneusinfektion handelte. Fassen wir somit die hier mitgeteilten Beobachtungen zusammen, so kommen wir zimi Schlüsse, dass der B. pyocyaneus unter Umständen sicherlich für den Menschen infektiös sein und schwere Krankheitsbilder bis zu allgemeiner Sepsis verur- sachen kann. Allerdings ist in dieser Hinsicht nur ein kleiner Teil der in der Litteratur veröffentlichten Fälle beweisend. In erster Linie möchten wir in dieser Hinsicht den dritten Fall von Kossel, einen Fall von William & Cameron, fernerhin den Fall von Blum, die Unter- sucliungen von M. Wassermann, den Fall Soltmanns und die beiden zuletzt genannten Fälle von Finkelnstein und Brill & Liijman hervor- heben als diejenigen Fälle,. die unsere eingangs dieses Kapitels aufge- Bacillus pyocyaneus. 487 stellten Bedingungen erfüllen. Freilich scheint meistenteils für die Möglichkeit einer Entfaltung infektiöser Eigenschaften des B. pyocya- neus es nötig zu sein, dass der Organismus durch andersartige voran- gehende Infektionen an seinen natürlichen baktericideu Eigenschaften (s. Bd. IV) eine Einbuße erlitten hat. Was das klinische Bild der Allgemeininfektion durch B. pyocyaneus angeht, so schildert Manicatide dasselbe als ein sehr schweres : Fieber bis zu 40°, Dyspnoe, starker Durchfall mit öfterem Erbrechen, ein allgemein typhöser Zustand, rascher Kräftezerfall mit Eintritt von Hypo- thermie, dabei besteht oft krampfhafte Steifheit der Extremitäten, Schmerzen und Zuckungen in den Muskeln. Milz und Leber sind zu- meist vergrößert, im Urin findet sich Albumen. Besonders charakteristisch ist die Neigung zu Hämorrhagieen in die Haut und in die inneren Organe. Auch FiNKELXSTEix uud H. Neüjiann legen auf hämorrhagische Diathese bei Pyocyaneusinfektion besonderen Nachdruck. Die Hämorrhagieen zeichnen sich durch ihre Massenhaftigkeit aus, schon leichtes Reiben der Haut kann Hämorrhagieen erzeugen. Dabei nimmt die Haut ein kupfer- oder bronzefarbenes Kolorit au. Die Krankheit hat stets akuten Verlauf. Abgesehen von diesen schweren septischen Allgemeininfektionen vermag der B. pyocyaneus auch lokale Entzündungen (Otitis, Ente- ritis u. s. w.) besonders im Säuglingsalter zu erzeugen. Was die Eintrittspforten des B. pyocyaneus bei den allgemeinen Infektionen betrifft, so kommen dafür Läsionen der Haut und der Schleim- haut (Bronchitis, Enteritis u. s. w.) in Betracht. Manche Autoren wie z. B. BoN-jEAU^-^ gehen in der Berücksichtigung der Pathogenität des B. pyocyaneus sogar so weit, dass sie verlangen, dass Wasser, in welchem Pyocyaneus nachgewiesen wird, vom Genüsse ausgeschlossen werden soll. Agglutination seitens des Serums pyocyaneusinfizierter Menschen ist bisher nicht nachgewiesen, so dass also eine Serumdiagnostik von Pyocyaneusinfektion intra vitam bisher nicht möglich war. Litteratur. 1 Fordos, Acad. de science, 18G0. — ~ Gessard, These de Paris, 1882. — 3 Ledderhose, Deutsche Ztschr. f. Chirurgie, 1888, Bd. 28. — * Charrin, La maladie pyocyanique, Paris 1889. — 5 Schimj[elbusch, Sammlung klin. Vorträge, Nr. 62, Leipzig 1893. — 6 H. Kossel, Ztschr. f. Hyg. u. Inf.. Bd. 16. — " A. Wassermann, ebd., Bd. 22. — s Ernst, ebd., Bd. 2. — ^ Legros, Compt. rend. 80C. de biologie, 1900. — w Christomanos , Ztschr. f. Hyg. u. Inf.. Bd. 36. — 11 TrujMM, Arb. aus dem bakt. Inst, der techn. Hochschule zu Karlsruhe 1895. — 12 Nösske, Arch. f. klin. Chirurgie, 1900. — i3 Krause, Centralbl. f. Bakt., 1900. — 1* BoLAND, ebd., Bd. 25. — is Rucicka. Arch. f. Hyg., Bd. 37. — if' Jakowski, Ztschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 15. — " Fermf, Arch. f. Hyg., Bd. 10, 1890. — i» Ders., Centralbl. f. 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Mit 26 teilweise ftirbigen Figuren im Text. Es sind in der Ophtbalmobakteriologie eine Anzahl von Keimen verzeichnet, welche sonst nicht als Krankheitserreger bisher bekannt sind; andererseits finden sich am Auge eigenartige Lebensbedingungen, so dass auch für die sonst bekannten Erreger, soweit sie hier vorkommen und krankheitserregend wirken, sich mancherlei Eigentümlichkeiten er- geben*). Unter diesen Umständen ist nicht zu verwundern, dass sich in der Ophthalmologie eine eigene so umfangreiche bakteriologische Litteratur angehäuft hat, dass selbst die über sonst bekannte Bakterien hier gesammelten Erfahrungen vielfach in den bakteriologischen Hand- büchern unerwähnt bleiben. Die wesentlichen Ergebnisse der in der Augenheilkunde gewonnenen Eesultate kurz zusammenzufassen wird meine Aufgabe sein, wobei naturgemäß vorwiegend diejenigen pathogenen Mikroben Berücksichtigung finden werden, welche sonst nicht als Krank- heitserreger bekannt sind. Es wird sich hier in erster Linie um äußere Augenkrankheiten in- fektiöser Natur, besonders solche der Bindehaut, der Thränenwege und der Cornea handeln ; die infektiösen inneren Augenerkrankungen, welche nur sekundäre Lokalisationen von Infektionen darstellen, die an anderer Stelle eingehende Erörterung gefunden haben, werden dagegen hier außer Betracht bleiben, desgleichen die Tuberkulose des Auges. Ebenso wird auf eine Besprechung der infektiösen Lidererkrankungen, mit Aus- nahme des Chalazions, verzichtet werden können, weil dieselben zumeist keine bakteriologischen Besonderheiten darbieten. Auch die Bakteriologie der normalen Bindehaut, sowie der Wundinfektionen lässt sich im Rahmen dieser Darstellung nicht berücksichtigen. *) Diese Befunde sind in den >Erg'ebnissen der path. Anatomie« (Lubarsch- Ostertag) 1894—1900 von mir zusammengestellt, Kapitel Bakteriologie des Auges, worauf ich zn genaueren Litteraturstudien verweisen möchte. 490 Th. Axenfeld. I. Conjunctivitis des Koch-Weeksschen Bacillus. Historisches. Im Jahre 1883 hat R. Koch während der Choleraepidemie iu Alexan- drien zum ersten Mal eine Reihe »ägyptischer Aiigenentzündungen « mikroskopisch luitersuclit. Er fand, dass mit dem Namen dieser Kranlv- lieit zwei verschiedene Krankheitsprozesse belegt werden. Bei der einen, schwer eitrigen fand er Diplokoliken , welche er mit größter Walir- sclieinlichkeit mit den Gonokokken identifizierte; bei der mehr katar- rhalischen Form fand er reg-elmäßig- in den Eiterkörperchen kleine lia- zillen, die er mit den feinen Bazillen der Mäuseseptikämie vergleicht. Eine Kultivierung konnte damals nicht vorgenommen werden. 1887 erschienen, unabhängig voneinander, die Arbeiten von Wekks und Kartulis. Weeks hatte in New- York zuerst bei einigen kleineren Familienepidemieen. dann bei größeren Epidemieen besonders im Frühjahr und im Herbst und in der Zwischenzeit bei zahlreichen sporadischen Fällen eine akute Conjunctivitis wechselnder Intensität beobachtet, in deren Sekret er konstant zahlreiche sehr kleine, feine Stäbchen fand, die gern in Eiterzelleu oder auch frei in kleinen Häufchen lagen. (Die von ihm gegebene Abbildung zeigt die völlige Ueber- einstimmung mit den Befunden der späteren Untersucher.) Die Kultur bereitete große Schwierigkeiten; es gelaug Weeks nur, die kleinen Bazillen gleichzeitig mit anderen keulenförmigen (sog. Xerosebazillen) auf 0,5proz. Agar zum Wachstum zu bringen und in dieser Mischung bis zur 16. Generation weiter- zuzüchten, er unterscheidet jedoch in dem Gemisch richtig die beiden Bazillen- arteu und bildet sie zutreffend ab ; eine Reinzüchtung wollte dagegen nicht gelingen. Die Angaben von Weeks über die Wachstumsverhältnisse sind deshalb in dieser ersten Arbeit noch lückenhaft und zum Teil unrichtig. Immerhin hat er mit großer Wahrscheinlichkeit die pathogene Bedeutung der kleinen Bazillen festzustellen gewusst, indem er einerseits Reinkulturen der Keulenbazillen, welche sich auf 1 proz. Agar leicht gewinnen ließen, auf menschliche Bindehäute übertrug, auf anderen dagegen das Gemisch der beiden Bazillen. Nur das Gemisch erzeugte Conjunctivitis, und zwar dieselbe kli- nische Form bei fünf Personen, mit einer Inkubation von 36 — 48 Stunden." Die Infektion übertrug sich dann jedesmal von dem geimpften auch auf das andere Auge. Deshalb erklärt er mit Recht den Keuleubacillus für eine nebensächliche Verunreinigung der Bindehaut. Kartults (Alexandrien) fand die Kociischeu kleinen Bazillen wieder. Er betont bereits, dass diese Bazillenconjunctivitis mit dem Trachom selbst nichts zu thun habe, aber sich mit ihm vergesellschaften könne. Reinkulturen sind Kartulis offenbar nicht gelungen, da seine Beschreibungen dem unver- meidhchen Xerosebacillus gleichen. Daher wohl auch die Erscheinung, dass er mit seinen Kulturen bei sechs Impfungen auf die menschliche Bindehaut fünfmal keinen Erfolg hatte. 1890 hat Weeks dann auf dem internationalen medizinischen Kongress in Berlin berichtet, er habe nun auch Reinkulturen der kleinen Bazillen er- halten und mit diesen erfolgreiche Impfungen ausgeführt. Bei ül)er 1000 Kran- ken habe er seitdem diese Bazillen gefunden. In einer weiteren Mitteilung aus dem Jahre 1895 kommt Weeks nochmals auf diese Reinkulturen zu sprechen und führt an der Hand von Abbildungc^u aus, dass dieselben iu Spezielle Bakteriologie des Auges. 491 jeder Hinsicht mit deu inzwischen von Mokax gewonneneu Kesultateu über- einstimmen. MoRAX hat uns 1894 die genaueste und exakteste Beschreibung der Wachstumsverhältnisse der KocH-WEEKSschen Bazillen geliefert. Bezüglich des klinischen Bildes, welches er schon seit 1891 studiert hatte, weist er darauf hin, dass der Grad der Entzündung variieren kann. Für Tiere waren die kleinen Bazillen absolut nicht pathogen; dagegen rief bei Morax selbst ein Tropfen einer Serumbouillon-Reinkultur (dritte Gene- ration) mit 48stttndiger Inkubation eine typische akute Conjunctivitis hervor. In einer späteren Arbeit hebt Morax hervor, dass die Kolonieeu sehr denen des Inriuenzabacillus glichen. In einer weiteren Mitteilung von Morax & Petit erkennen die Autoren an, dass der Name der Coujonctivite aigue contagieuse doch nicht nur derjenigen des KocH-WEEKSschen Bacillus zukomme, nachdem die Erfahrungen von Axenfeld und Gifford gezeigt hatten, dass auch die Pneiimokokkenconjunctivitis in akut kontagiöser Form auftreten könne. In demselben Jahre (1894) berichten Wilbrand-Saenger-Staehlix bei einer großen Epidemie in Hamburg den Bacillus gefunden zu haben, aber vielfach zusammen mit Diplokokken , welche deu Gonokokken glichen , sich aber nach Gram nicht entfärbten. Bei letzteren Fällen kam es zur Ent- wicklung von Follikeln, bei denjenigen, welche nur Bazillen enthielten, nicht. Bezüglich der Kulturen treten gewisse Unterschiede hervor, welche es zweifel- haft erscheinen lassen, ob die Autoren Reinkulturen erhielten. Nach einer späteren Mitteilung von Wilbrand (Diskussion zum Vortrage von Axenfeld, Heidelberger Ophth. Vers. 1896) kommen seit jener Epidemie in Hamburg sporadische Fälle immer wieder zur Beobachtung. Weitere umfassende Untersuchungen sind von Weichselbaum & Müller mitgeteilt, die sie bei einer relativ leichten Epidemie in Ziersdorf (Nieder- österreich) machten. Die Autoren weisen zunächst auf die bereits erwähnten Unvollkommenheiten und teilweisen Widersprüche der ersten Arbeiten über den KocH-WEEKSSchen Bacillus hin, welche in der anfänglichen Unmöglichkeit, Reinkulturen zu erhalten und in einer teilweisen Verwechselung mit den gleichzeitigen Xerosebazillen ihren Grund haben. (Doch gehen Weichselbaüm & Müllrr in ihrer Kritik zu weit, Aveun sie einen Widerspruch auch darin sehen, dass Weeks nie Ilornhautkomplikationen sah, während Morax solche beobachtete; derartige Variationen sind bei der gleichen Krankheit sehr wohl möglich.) Weichselbaüm & Müller erhielten fast nur mit menschlichem Serumagar Kulturen, am besten, wenn gleichzeitig einzelne sog. »Luftkeime« sich auf der Kultur befanden. Sie haben zehnmal positive Uebertragungen auf den Menschen ausgeführt, meist mit Reinkulturen, und dabei bestätigt, dass von scheinbar milden Fällen bei anderen schwere Erkrankungen vor- kommen können, ja dass eine Art von Latenz vorkommen kann, indem scheinbar Gesunde längere Zeit die Bazillen beherbergen können. Von erheblichem Interesse, besonders auch für die Beziehungen zum Trachom und seinen »Trachombazillen«, bezw. den Influenzabazillen, sind die weiteren Untersuchungen, welche L. Müller in Aegypten selbst anstellte. Er konstatierte hier von neuem die morphologische Aehnlichkeit mit seinen resp. den Intluenzabazillen, überzeugte sich von dem »pandemischen Vor- kommen« der KocH-WEEKSschen Bazillen. Bei der von Kamen 1899 in Czernowitz beobachteten großen Epidemie ließen sich die Bazillen, von denen der Autor ausgezeichnete Photogramme liefert 'siehe Abb. S. 497), auf Nährböden mit Menschenblut leicht und in langen Generationen züchten. Kamen l)etont auch die nahe Verwandtschaft mit den Influenzabazillen, mit denen sie zu eiuer Gruppe gehören. 492 Th. Axenteld, Eingebende Untersuchungen hat Hofmann aus der Greifswalder Augenklinik gebracht. Die dort durch polnische Schnitter eingeschleppte Krankheit zeigte klinisch ein auftalliges Verhalten insofern, als mehrfach ein chronischer V^erlauf mit starken papilhären Wucherungen beobachtet wurde. Drei Reinkultur- impfungen auf menschliche Bindehäute ergaben ein positives Resultat. Eine ausgebreitete Epidemie wurde schließlich von Markus in den Volks- schulen von Bitterfeld und bei fünf Erwachsenen beobachtet. Die Fälle kom- binierten sich zum Teil mit starker FoUikelbildung, im Beginn bestanden regelmäßig »Phlyktänen', außerdem kleine Blutungen der Conjunctiva bulbi, besonders in der oberen Hälfte. Rymowitsch (Kasan) tritt besonders entschieden für die völlige Identifizierung der KocH-WEEKSSchen Bazillen mit den InHueuzabazillen ein, eine Ansicht, welche auch von Jundell ausgesprochen wird. Letzterer Autor beobachtete bei Säuglingen unter gleichzeitiger Bronchitis und zum Teil auch einer typi- schen Influenzafieberkurve eine akute Conjunctivitis, deren Bazillen denen der Influenza völlig glichen und wie diese auf Blutnährböden vorzüglich gediehen. Wieweit diese Identifizierung richtig ist, wird noch zu erörtern sein. Weitere mehr kasuistische Mitteilungen werden im folgenden Kapitel kurz erwähnt werden. Geographische Verbreitung. Epidemiologie. Die vorstehende historische Einleitung- ergiebt, dass die Conjunctivis des Koch- Weeks sehen Bacillus auf der Erde weit verbreitet ist. Sie ist nachgCAviesen in Aegypten (Koch, Kartulis, L. Müller, Morax), im nördlichen Italien (Guasparrini in Siena, Gl\rre & Piccm, Corsini, C ANNAS], in Paris (Morax, Panas), Amiens (Fage), in der französischen Schweiz (Gonin), in Brüssel (Coppez), in Kopenhagen (Lundsgaard), in Kasan (Rymowitsch), in Kiew (Gromakowski) , in Czernowitz (Kamen), in Lemberg (Dudzinski, Dziennik Tjagda lekarzy 1900, Nr. 3), in Deutsch- land in Hamburg ( Wilbr and -S aenger -Staehlin), Greifswaid (Hofmann), Rostock (Axenfeld), Halle (Markus), Bonn-Köln (zur Nedden), Freiburg (Axenfeld, sie ist hier ziemlich häufig), in England (Sydnp:y-Stephenson, Juler). In Nordamerika in New- York (Weeks), Philadelphia (Veasey, de ScHAVEiNiTz) ; aus Südamerika liegt die Mitteilung von Elmassian vor, dass sie in Paraguay häufig beobachtet wird. Es ist danach nicht daran zu zweifeln, dass bei genauerem Nach- suchen man diese Infektionskrankheit noch an vielen anderen Orten finden würde, vielleicht dass kein Land und kein Klima gegen sie ge- schützt ist. Trotzdem würde es fehlerhaft sein, bereits ihre ubiquitäre Verbrei- tung anzunehmen. Es liegen vielmehr eine Anzahl zuverlässiger Mitteilungen vor, nach denen trotz umfangreicher und sachkundiger Untersuchungen einer großen Zahl von liindehautentzündungen der KoCH-W^EEKSsche Bacillus während längerer Be- obachtungszeiteu nicht angetroflen wurde. Gifford (Nebraska, U. S. A.), der sehr oft die Pneumokokkenconjunctivitis fand, berichtet ausdrücklich, dass in seinem Gebiet, im Gegensatz zu New-York, die KocH-WEEKSschen Bazillen nicht vorkamen. Veasey fand in Philadelphia ganz überwiegend Pneumokokken, nur selten KocH-WEEKssche Bazillen; dasselbe berichtet LuNDSCiAARD für Kopenhagen. Axenfeld ist in Marburg und Breslau den- selben gar nicht, in Rostock nur sporadisch bei eingewanderten Polen be- Spezielle Bakteriologie des Auges. 493 gegnet, dagegen der Pueumokokkeucoujimctivitis sehr liäufig. Juxius (Königs- berg) berichtet das gleiche, ebenso Bach & Neumaxn für Würzburg*). Nehmen wir hinzu, dass an den Orten, wo die KocH-WEEKSsche Ba- zillenconjunctivitis beobachtet ist, ihre Frequenz sehr erheblich schwankt, indem sie nach zeitweise epidemischem Auftreten für längere Zeit sehr zurücktreten kann (z. B. in Hamburg! trotz der hochgradigen Kontagiosität), während sie an anderen Orten endemisch, in mehr oder weniger gleicher Häufigkeit grassiert, so müssen wir feststellen, dass ihre Verbreitung wie die anderer Infektionskrankheiten von Bedingungen abhängt, für welche bestimmte klimatische oder sonstige besonders disponierende Umstände sich bisher nicht mit Sicherheit feststellen lassen. Nach älteren Darstellimgeu nimmt in Aegypteu die Frequenz dieser Katarrhe, wie es scheint, im Sommer zu; das sehr häufig- gleichzeitig- vorhandene Trachom wird dadurch »flüssiger«. Man war gewohnt, diese Exacerbation mit der Zeit der NilUberschwemmungen zusammenzulegen. Vielleicht, sagt L. Müller, dass in dieser feuchten Jahreszeit die massen- haften Fliegen leichter den InfektionsstoiF übertragen, als in den Sommer- monaten mit ihrer enorm schnellen Verdunstung. Wie jedoch die Arbeit von Lakaii & Kiiouri (Annales d'oculist 1902, Dec. p. 420, t. CXXVIII) feststellt, ist für die KocH-WEEKSsche Infektion das Maxi- mum in den Monaten Mai bis Juni, für die Gonorrhoe der Bindehaut im August gelegen. Sie beginnt also für die Kocii-WEEKSSchen Bazillen schon vor dem Steigen des Nils. Beide fallen in die heiße Jahreszeit, aber in verschiedene Epochen derselben. Die Frequenzsteigerung betraf vorwiegend Kinder. Folglich kann sie nicht an der Temperatur allein liegen. Vielleicht, dass in dieser Wärme, wie die Autoreu fragen, der Infektionsstolf länger virulent bleibt. Mit dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft, auf den L. Müller zurUckgritf, zeigt dies Ansteigen eine gewisse, aber weniger auffällige Uebereinstimmung. Auch Lakah & Khouri weisen darauf hin, dass die oben genannten Monate am reichsten au Fliegen sind. Welcher von all diesen Umständen ausschlaggebend wirkt, lässt sich vor der Hand noch nicht bestimmt sagen. Die Häu- figkeit von Hornhautkomplikationen bei der Conjunctivitis der Koch- WEEKSschen Bazillen war relativ am größten ebenfalls im Monat Mai bis Juni. Für New York giebt Weeks eine Steigerung der Frequenz im Früh- jahr und Herbst an. Andererseits ist eine Begünstigung durch »Erkäl- tung«, wie sie besonders für die Pneumokokkencoujunetivitis so oft ge- schildert wird, für die Koch- Weeks sehen Bazilleuconjunctivitis nicht augenscheinlich. Es lässt sich auch nicht behaupten, dass die Verbreitung- dieser Bindehautentzündung irgendwie gleichen Schritt mit der Ausbreitung der epidemischen Influenza gehalten hätte. Wir haben dabei nicht die mit der Influenza sich gelegentlich oft verlnndende sj-mptomatische Con- junctivitis im Auge (welche im allgemeinen nicht den Charakter der KocH-WEEKSSchen trägt), sondern den stark sezernierenden Schwellungs- katarrh und besonders sein epidemisches Auftreten. Während der g-roßen Influenzaepidemieen sind eigentliche Conjunctivitisepidemieen *) Siehe Axenfeld, »Ergebnisse« von Lubarsch-Ostertag, Bakteriologie des Auges, 1895—1899. 494 Th. Axenfeld, nicht in vermehrter Zahl vorgekommen. Die Nachrichten aber über die enorme, auch heute noch unveränderte Häutigkeit der KocH-WEEKSSchen Bindehautinfektionen in Aegypten datieren aus einer Zeit vor dem neuen letzten Seuclieuzuge der Influenza. Klinisches Bild. Nach der übereinstimmenden Beschreibung und besonders den nach Uebertragung auf die gesunde menschliche Bindehaut gemachten Be- obachtungen (Weeks, Morax, Weichselbauji-Müller , Hofmann) ist die Inkubationszeit relativ kurz. Sie wird von Weeks und Morax auf 36 — 48 Stunden angegeben, auch Weichselbaum-Müller beobachteten im allgemeinen dies Intervall, während Hofmann schon 12 Stunden nach vorgenommener Uebertragung Beschwerden beginnen, und bereits nach 24 Stunden das Vollbild sich zeigen sah. Wenn die entzündlichen Er- scheinungen beginnen, pflegen sie schnell, innerhalb weniger Tage, den Plöhepunkt zu erreichen. Die Lider sind an den Rändern gerötet, leicht geschwollen, sind morgens früh verklebt, können aber sonst, mit Ausnahme der seltenen ganz schweren Fälle*), spontan geöfluet werden; an den Lidrändern und im Lidwiukel sammelt sich schleimig eitriges Sekret an, das zumeist in großer Menge, mit Thränen vermischt abgesondert wird. Die Augen sind oft lichtscheu; es besteht ausgesprochene Rötung der Conjunctiva palpebralis; letztere ist deut- lich geschwollen, dabei meist glatt und glänzend. Nicht selten finden sich leichte Pseudomembranen (bei der »Forme suraigue«, wenn dieselbe dazu gehört, können sie sehr beträchtlich sein); die Bildung von Follikeln ist bei den Impffällen nicht hervorgetreten. Wo Follikel in großer Zahl beobachtet sind, wird (von WiLBRAND-SAEN(iER-STAEHLiN) eine Mischinfektion angenommen, während Markus sie bei den subakut beginnenden und chronisch verlaufenden Fällen doch z. B. auf die Koch- Weeks sehen Bazillen zurückführt. Zu der- selben Ansicht neigt Gromakowski. Für Aegypten, wo bei dem Koch- WEEKSsehen Katarrh sich naturgemäß sehr oft eine körnige Bindehaut findet, wird von Kartulis, L. Müller, Morax übereinstimmend angegeben, dass eine Kombination mit Trachom vorlag. Das gleiche gilt für etwaige Narben. Auch die Conjunctiva bulbi ist lebhaft gerötet, auf der Höhe der Er- krankung oft ein wenig chemotisch. L. Müller betont, dass mitunter die Conjunctiva bulbi vorwiegend injiziert sei, mit eigentümlich bläulichem Farben- ton; mitunter (bei der MARKUsschen Epidemie sehr oft) und besonders oben finden sich in ihr kleine Hämorrhagieen. Oefters treten im Lumbus conjunctivae kleine, trübe Bläschen auf. Morax unterscheidet dieselben von den eigent- lichen Phlyktänen; sie seien echte, fiüssigkeitsgefüllte Bläschen, nicht Leuko- cytenknötchen , wie die echten Phlyktänen. Markus dagegen, der sie bei allen seinen Patienten sah, identifizierte sie mit letzteren. Auch Wilbrand- Saenger-Staehlin sprachen von Phlyktänen, ebenso Gasparrtni. L. Müller sah in Aegypten richtige Phlyktänen nur bei »skrofulösen« Kindern auf- treten. Mitunter bilden sich kleine Hornhautinfiltrate in der Nähe des Randes oder auch zentral, noch seltener kommen schwerere Ulzerationen zustande (Morax & Petit). *) L. Müller, rechnet hierher die von SAMEn als »Conjonctivites suraigues« bezeichneten Fülle. Doch ist für deren Zugehörigkeit zur Conj. des Koch-Wekks- sclien Bacillus der bakteriologische Beweis noch nicht geliefert. Spezielle Bakteriologie des Auges. 495 Die akuten Fälle mittleren Grades dauern in der Regel 3 — 4 Wochen; nur selten bleibt das Bild heftiger Conjunctivitis monatelang bestehen. Die Dauer hängt wesentlich von der Behandlung ab. Ohne eine solche aber kann sich das Leiden in der Weise erheblich in die Länge ziehen, dass, wie Hof- MANX und Markus beobachtet haben, eine stark papilläre Beschaflenheit der Bindehaut, besonders an der oberen Uebergangsfalle bestehen bleibt, in deren Nischen sich die Bazillen lange zu halten scheinen. Auch wenn bei längerer Dauer die Absonderung und die entzündliche Reizung nachlässt, so dass ein Bild mäßiger chronischer Conjunctivitis zu bestehen scheint, sind diese Fälle doch noch zu Rezidiven und Ansteckung anderer Personen fähig. Ueberhaupt ist die Dauer der leichten Fälle, wiewohl dieselben oft schnell ausheilen, doch nicht immer kürzer, als die der schweren. Nach L. Müller pflegt die Krankheit in Aegypten bei Kindern viel öfter heftig zu verlaufen als bei Erwachsenen, wohl wegen der bei letzteren so häufigen Trachomnarben. Bei schweren Fällen kann das Bild anfangs dem einer Blennorrhoe gleichen, auch ohne dass Mischinfektion mit Gonokokken besteht; doch beteiligt sich auch in diesen Fällen die Cornea nur ausnahms- weise schwer; die Conjunctiva kann dabei sich mit Pseudomembranen bedecken, die Präaurikulardrflse erheblich geschwollen sein. Bei den im allgemeinen nicht häufigen schwer pseudomembranösen Fällen, zu denen, wie schon erwähnt, L. Müller auch die ägyptische Conjonctivite suraigue hinzurechnet, kommen periphere Hornhautinfiltrate häufiger vor. Diese Hornhautkomplikationen brau- chen nicht, wie Weeks anfangs meinte, durch Mischinfektion zu entstehen, sondern könneu durch die KocH-WEEKSSchen Bazillen hervorgerufen sein. Ein- mal beobachtete Morax gleichzeitig den Ausbruch eines Herpes zoster frontalis. Die Krankheit pflegt zunächt ein Auge zu befallen, wird aber fast immer bald doppelseitig, weun nicht die Behandlung dies verhindert. Das Allgemeinbefinden ist in der Regel nicht wesentlich gestört, mit Aus- nahme bei sehr heftigen Fällen durch die Schmerzen und Schlaflosigkeit. Fieberhafte Erscheinungen u. dergl. werden nicht beschrieben. Ein leichter Schnupfen stellt sich nicht selten während der Krankheit ein, ohne die tieferen Teile der Naseurachenhöhle zu beteiligen (Morax). Sekretbefund. Besonders während des Anfsteigens und auf der Hfjhe der Erkran- kung-, aber aneli bei den chronischen Fällen findet man in den Eiter- zellen und zwischen denselben die außerordentlich feinen, schlanken Bazillen oft in großer Zahl. Wo sie freiliegen, liegen sie gern in Häufchen zusammen, finden sich aber auch vielfach einzeln. Die Zahl der Phagocyten ist meist beträchtlich, nicht selten triff't man in jedem Gesichtsfelcl zahlreiche Zellen, die mit den Bazillen vollgepfropft er- scheinen. Die Bazillen ähneln denjenigen der Mäuseseptikämie, noch mehr denen der Influenza, sind aber im Durchschnitt länger als letztere. Ihre Länge ist verschieden; viele sind noch nicht viel mehr als 0,5 — 1 /t lang, andere länger, bis 2 ,/<. Letztere Formen scheinen jedoch schon fadenförmige Verbände zu sein. Die kurzen Bazillen liegen gern zu zweit, so dass sie wie längliche, sehr feine Doppelkokken erscheinen. Mitunter ist eine Andeutung von Polfärbung vorhanden. Die Ecken sind etwas abgerundet. Die Breite der Bazillen ist sehr konstaut; sie sind außerordentlich fein. Die Lagerung der Bazillen zu einander ist wechselnd. 496 Th. Axenfeld, ,,'* \-. /'"rr ■ft ■•s«^g Nach der CxKAMSchen Methode entfärben sich die Bazillen sehr schnell und vollständig". Sie färben sieh am besten mit sehr verdünntem Kar- bolfuchsin (10 Mimiten), Karbolthionin nach Nicolle, warmem Löff- LERSchen Methylenblau, neh- men aber im allgemeinen die Farben nicht sehr intensiv an. In der Regel sieht man im Sekretpräparat nur die Koch- WEEKSSchen Bazillen , oder doch neben ihnen nur ver- einzelte Kokken und Bazillen (besonders Xerosebazillen). (Voraussetzung ist, dass man nicht während des Abklingens der Erkrankung entnimmt, wo die Saprophyten sich wieder in den Vordergrund drängen.) Der scheinbare Widerspruch zwischen dieser Thatsache und der Erscheinung, dass auf der Kultur fast immer Xerosebazillen und nicht selten einzelne Staphylokokken mit aufgehen, erklärt sich da- durch, dass diese, obwohl geringer an Zahl, doch viel üppiger wachsen und sich so auf der Kultur in den Vordergrund drängen. Mischinfektionen der KocH-WEEKSSchen Bazillen mit den anderen als Conjunctivitiserreger bekannten Keimen (besonders Gonokokken, Pneumo- kokken, Diplobazillen) sind nach allgemeiner Erfahrung nicht häufig-. Besonders charakteristische klinische Merkmale sind für solche Fälle, ausge- nommen die in Aegypten öfters beobachtete Kom- plikation mit Gonorrhoe, nicht bemerkbar gewesen. Dagegen gesellt sich der Kocn-WEEKSsche Bacillus gern zum Trachom hinzu und täuscht dann das Bild des akuten Trachoms vor. In der Epidemie von Wil- bhand-Saenger-Staeiilin waren die Kocii-Weeks- schen Bazillen oft mit » Pseudogonokokken « , d.h. Fig. 1. Sekretpräparat MORAX) (Pariser Epidemie, lOOOfache Vergr. •• \ ■9 ans^, 1 ir~ f *♦ Fig. 2. Sekretpräparat (Freiburg). 1000 f. Vergr. kokkeu gehörigen zur Gruppe der Staphylo- Diplokokken verg-esellschaftet; gerade diese Fälle gingen nach Angabc der Autoren mit Follikelbildung einher und er- innerten an die MiCHEL-SATTLERschen Follikularepidemieen. Während des Abklingens der Sekretion pflegen die spezifischen Ba- zillen schnell abzunehmen. Andererseits können sie sich auch bei re- Spezielle Bakteriologie des Auges. 497 lativ geringem Reizzustaud relativ lauge »latent <' halten (Moeax, Hof- MANX). Ueber die Lebeusfäliigkeit der Bazillen im Sekret siehe unter »Ueber- tragung« S. 500. ^^^"^m. Kultur. Der KocH-WEEKSsche Ba- cillus wächst nur bei Bruttem- peratur. Von den gewöhnlichen Nährböden ist bei reichlicher Sekretübertragung nur sehr feuchtes (0,5proz. Peptonagar von nicht zu starker Alkaleszeuz gelegentlich verwendbar. Doch ist auch darauf die Kultur nur wenigen Untersuchern für die 1. Generation gelungen (nur einmal kam Morax bis zur 3. Generation), längere Ueber- traguugen sind damit nicht zu erwarten. Morax betont, dass nur von heftigen Erkrankungen Fig. 3. Mikrophotographie nach einem Sekret- präparat von Rymowitch e^ Matschinsky. »Influenza.« 1000 fache Vergr. mit stark virulenten Bazillen diese Kultur zu glücken pflege. Wenn Weichselbaum-Müller andererseits die von Morax kultivierten Bazillen nicht mit den ihrigen identifizieren wollen, weil ihnen auf ein- fachem Agar die Kultur über- haupt nicht glückte , so hält Morax dem mit Recht ent- gegen, dass ihre Fälle erheb- lich milder waren. Im allgemeinen bedarf es besonders präparierter Nähr- böden. Morax und Weichselbaum- Müller fanden am besten WERTHEiMsches Serumagar (Zu- satz von Ascites, Ovarialcysten- flüssigkeit, Hydrocele u. dergl.). Auf letzterem Nährboden konnte Morax über 100 Generationen züchten. Hofmann verwandte auch mit Nutzen das Wasser- MANNsche Schweinsserumnu- troseagar*), später auch eine Mischung von schwach alka- lischem Glycerinpeptouagar zu zwei Teilen und 1 Teil Ascitesflüssigkeit, welcher steriles Hammel- oder Menschenblut im Verhältnis von 1 : 2 beigemischt war. Auf letzterem Nähr- Fig. 4. Sekretpräparat der Czernowitzer Epidemie (Kamen). 1000 fache Vergr. boden züchtete Hofmann bis zur 25. Generation. Auf Menschenblut gelang Hofmann die Kultur nicht. *) Kamen erhielt darauf kein Wachstum. Handbucli der patkogenen Mikroorganismen. III. einfachem Agar 32 mit 498 Th. Axenfeld, Kamen und Markus erhielten dagegen seliv gute Resultate mit Pfeiffer- schen Blutnährbodeu (Mensclienblut], auf welchen sie regelmäßig und beliebig lange weiterzüchten konnten. Reines Serumagar wurde von ihnen nicht benutzt. Weichselbaum - Müller V- / ^v ,.' ^/ yi",< l}" '~\ ', >;, ^% der Epidemieen sich etwas ''•1^' ^- ^1 <* *^J^ '^ 1 ^ verschieden zu gestalten. Ka- \< -^ C/ii>t s '^ ," '-^i^ j MENS und Markus' Fälle waren V ' ' r-y sehr akut und heftig, erheb- ^•i^ - lieh mehr als diejenigen der • J-^ ^ ' Weichselbaum- MtJLLERSchen Epidemie und die von Hof- Fig. ö. Kultur der KocH-WEEKSschen Bazillen mann beobachteten Fälle. Auch '^^^^^^^^^- sind die Nährböden und das angewandte Blut nicht immer gleich geeignet. Es sind die bisherigen Angaben also dahin zusammen- zufassen, dass der KoCH-W^EEKSsche Bacillus am besten auf Serumagar und in Serumbouillon gedeiht, außerdem aber, wenn auch nicht so sicher bei allen Epi- demieen, auch auf Blutnähr- böden sich züchten lässt, wo- bei aber zu betonen ist, mit Rücksicht auf die Stellung der Bazillen zu den Influenzaba- zillen, dass meist nur Menschen- blut (nicht Taubenblut) ver- wandt wurde. Zur Nedden betont, dass das mit dem Blut übertragene Menschenserum die Kultur ermöglichte. Nur ausnahmsweise er- hält man die Bazillen so- gleich rein; sie sind meist vergesellschaftet mit Xerose- Fig. 6. Sog. Xerosebazillen von Koch-Weeks- bazillen , oft auch mit ein- scher Conjunctivitis (Kamen). zelnen Staphylokokken. Wie RYMOwrrscH angiebt, be- günstigt auf der Kultur die gleichzeitige Anwesenheit von Xerose- bazillen, von Diplitheriebazillen oder Staphylokokken das Wachstum des KocH-WEEKSschen Bacillus*). Dasselbe haben schon Weichselbaum- *) In gleicher Weise begünstigen Xerosebazillen das Wachstum des Influenza- bacillus (M. Neisser), mit welchen die RYMOWiTSCHschen Bazillen identisch ge- wesen sein dürften. Spezielle Bakteriologie des Auges. 499 Müller betont für die sog-enannten »Luftkeime«, worunter sie nach dem Vorgang- von Grassberger Staphylokokken verstellen. Es ist aber doch zur Kultivierung nicht unbedingt nötig, dass derartige andere Keime zugegen sind, besonders von heftigen Erkrankungsfallen mit besonders lebensfähigen Bazillen lassen sich leichter Reinkulturen weiterzüchten (MORAX). Die Kolonieen des Koch- Weeks sehen Bacillus sind nach 24 — 48 Stunden als feuchte, durchscheinende, glänzende Pünktchen oder Tröpf- chen wahrnehmbar. Mit schwacher Vergrößerung bei hoher Einstellung erscheinen sie ähnlich wie kleine Luftblasen; bei genauer Einstellung des Randes erscheint derselbe rund. Sie sitzen der (Jberfläche nur lose auf, lassen sich leicht abnehmen. Sie ähneln den Kolonieen von Influenzabazillen, sind wie diese unter der Lupe von glatter Kontur, homogenem Aussehen. Nur mit stärkerer (80 facher) Vergrößerung läßt sich an den Kulturen eine sehr feine Punktierung erkennen. Sie haben keine große Neigung zum Konfluieren, sind aber nach ZUR Nedden doch nicht so scharf abgesetzt, wie In- fluenzakolonien, und werden auf dem Nährboden schneller unsichtbar als letztere. Wo sie isoliert liegen, und be- sonders in der Nähe jener obengenannten andern Keime können sie größer werden, ihre Kontur wird leicht ge- wellt, ihr Aussehen undurch- sichtiger, körniger; mitunter tritt alsdann eine gelbliche Farbe ein. In der Serumbouillon bezw. Blutbouillon bildet sich eine zarte diffuse Trü- bung, die dann sich zu Bo- den setzt. Morphologie. Von der Kultur erscheinen die Bazillen ebenso wie im Sekret als feinste Bazillen verschiedener Länge, ähnlich den Influenza- bazillen. Es treten oft längere Scheinfäden auf, mitunter auch gewun- dene, längere Involutionsformen, die eine etwas größere Dicke besitzen. Schon MoRAX erwähnt solche; besonders reichlich sah sie Hopmann bei älteren Kolonieen, auch Weichselbaum-Müller und Kamen be- schreiben sie und ich selbst habe sie in dieser Weise öfters gesehen. Mitunter sind bei den längeren Formen die Enden leicht verdickt ; doch sind auch diese mit den viel dickeren, außerdem nach Gram positiv gefärbten Kokken der Xerosebazillen nicht zu verwechseln (siehe Ab- bildung 5 und 6). Die Bazillen sind unbeweglich. Sie entfärben sich schnell nach Gram. Sie sind sauerstoft'bedürftig. Resistenz der Kultur. Auf den Kulturen sterben die Bazillen meist schnell ab, nach 5 Tagen pflegen sie nicht mehr übertragbar zu sein, oft schon viel früher. Bei 20" entwickeln sie sich nicht mehr, sie bleiben 32* Fig. 7. Blutagarkultur KocH-WEEKSscher Bazillen. Photographie von Kamen. 500 Th. Axenfeld. aber, feucht g-ebalteu, iiiitimter bi;^ 60 Stimdeii eutwicldungsfabig". Nach eiuer bis 10 Miuuteu langen Erwärmung- auf 50° fanden sich noch lebensfähige Bazillen; nur 1 — 2 Minuten lang vermochten sie einer Temperatur von 60° zu widerstehen. Weichselbaum -Müller sahen nach 15 Minuten bei 60° ihre Kulturen absterben. HoFMAXX konnte an Reinkulturen sich überzeugen, dass ein anderthalb- stündiger Aufenthalt bei — 7° die Bazillen nicht tötete. Er hält es des- halb für denkbar, dass unter besonders günstigen Umständen sich die Bazillen auch außerhalb des Menschen doch vielleicht länger halten können. In flüssigem Menschenserum hielten sie sich bei Bruttemperatur 6 Tage lang. Eine V2 stündige Sonnenbestrahlung der bei 43° gehaltenen Kultur tötete die Bazillen noch nicht ab; nach 21/2 Stunden waren sie nicht mehr lebensfähig. Uebertragung. Wegen der außerordentlich rapiden Ausbreitung der von ihnen be- obachteten Epidemie glaubten Wilbkand-Saekger-Staeiilin auch eine Uebertragung durch die Luft annehmen zu müssen. Die Versuche von Weichselbaum-Müller sprechen nicht dafür, dass in trockenem Zustande die KocH-WEEKSsclien Bazillen übertragen werden können. Diese Autoren brachten Exsudatflocken in trockene PETRische Schalen; nach 6Y2 Stunden waren sie eingetrocknet und er- gaben keine Kulturen mehr. Das 8 Stunden lang getrocknete Sekret eines frischerkrankten Kindes rief auf einer gesunden menschlichen Binde- haut keine Infektion mehr hervor, während dies mit frischem feuchten Sekret gelang. Auch weitere Versuche ergaben ihnen , dass mit der völligen Austrocknung keine lebenden Bazillen mehr nachzuweisen waren. Hofmann fand ebenfalls nach 3 stündigem Aufenthalt in trockenen Petri sehen Schalen bei 20° C die Bazillen in den Exsudatflocken ab- gestorben. Unter diesen Umständen ist der KocH-WEEKSSche Bacillus als nicht verstäubbar anzusehen. Dagegen möchte ich auf einen Uebertragungsmodus hinweisen, bei dem doch die Luft in Frage kommt, der aber bisher vernachlässigt wird*). Da bei diesen sezernierenden Katarrhen durch den nicht selten gleich- zeitigen Schnupfen, durch herabfließende Thräneu, durch Vermittlung des Ductus nasolacrimalis infektiöses Material in den Nasenrachenraum und besonders auch in den Mund gelangen kann, so ist es nicht unmöglich, dass durch Sprechen, Husten und dergl. eine Tröpfchenverstäubung (Flügge) geschieht, welche die Augen durch die Luft erreichen kann*). Ich habe z. B. bei der Diplol)azillenconjunctivitis in den Mundwinkeln die Diplobazillen nachgewiesen (siehe Lobanow", Arcli. f. Ophth. LI, 1898); bei dem viel stärker sezernierenden Katarrh des Koch-Weeks- schen Bacillus wird das noch leichter vorkommen. (Bei der Verwandt- schaft mit den Influenzabazillen sei daran erinnert, dass diese die Aus- trocknung elienfalls schlecht vertragen, dagegen in feuchtem Zustande sich länger halten können.) Die Uebertragung geschieht im allgemeinen durch Kontakt, durch unmittelbare oder mittelbare Uebertragung des Sekrets. Müller- Weich- *) Nur C. FrwVNKEL berührt in seiner Arbeit über die Meningokokkenconjunc- tivitis diese Möglichkeit. Spezielle Bakteriologie des Auges. 501 SELBAUM erhielten allerdings ans Leitnngswasser, in welches eine Rein- knltnr nbertrag-en war, schon nach 15 Minuten keine Kulturen mehr. Ebenso konnte Hofmann nachweisen, class Exsudatflocken in destilliertem wie in Leitungswasser bei 20° nach 3 Stunden nicht mehr übertragungs- fähig waren. Bei Bruttemperatur gehalten al)er waren sie um diese Zeit noch übertragbar; physiologische Kochsalzlösung konservierte auch bei 20° die Exsudatflocken mit lebensfähigen Bazillen bis zu 7 Stunden. Einfach in feuchter Kammer aufbewahrt, hielten sich die Bazillen in Exsudatflocken bis zu 18 Stunden lebensfähig. Jedenfalls ist anzunehmen, dass das Wasser kurze Zeit als Ueber- traguugsmedium dienen kann; an feuchter Wäsche und dergl. können erheblich länger infizierende Sekretmassen erhalten bleiben. Für Aegypten ist schon von Koch die seitdem viel erörterte Möglichkeit betont worden, dass die massenhaften Fliegen die Ansteckung verbreiten helfen. Hier ist nochmals hervorzuheben, dass nach den übereinstimmenden Beobachtungen von Morax, Weichselbaum -Müllek, Hofmann auch chronische Formen mit sehr geringen, leicht übersehenen entzündlichen Erscheinungen noch monatelang der Verbreitung dienen können. Sie erklären das scheinbare Erlöschen und Wiederaufflackern der Epide- mieen*). Pathogenität. Disposition. Der Koch- Weeks sehe Bacillus hat sich bei den Impfungen von Mokax, Hofmann, Weichselbaum -Müller, welche solche Versuche vorzugsweise machten, für Tiere als gänzlich wirkungslos erwiesen. Affe, Hund, Kaninchen, Meerschweinchen, Ratte, Maus, Huhn, Taube, Kalb, Ferkel erwiesen sich als refraktär, für alle Arten der subkuta- nen u. s. Av. Impfung, auch in die Bindehaut hinein. Auch die vorherige Erzeugung heftiger Reizzustände, wie Morax sie mit Jequirity hervor- rief zur Erzielung einer Disposition, brachten keine Bakterienwirkuug auf der Bindehaut zustande. An der Infektionsstelle waren sie nach 24 Stunden überhaupt nicht mehr nachweisbar. Nur Kamen erhielt einmal mit einer Exsudatflocke beim Kaninchen eine kurz dauernde Entzündung. Jedenfalls sind die Bazillen nicht imstande, im Tierkörper weiter- zuwachsen. Dagegen legt ihnen Rymowitsch doch toxische Eigen- schaften zu, die mit denen der Influenzabazillen übereinstimmen sollen, indem die Einverleibung großer Dosen toxisch wirke. Die menschliche Bindehaut erweist sich dagegen in hohem Maße empfänglich. Die Kontagiosität ist hier so groß, dass alle 14 Ueber- tragungen auf den Menschen (Morax, Weeks, Weiciiselbaum-Müller, Hofmann), welche bisher vorgenommen wurden, und zwar zumeist mit Reinkultiu'en, krankheitserregend wirkten. Hofmann erzielte sie sogar mit 110 und 120 Stunden alten Kulturen. Nur einmal, bei Uebertragung von »abgeschwächtem« (wie, wird nicht angegeben) Virus auf seine eigene Bindehaut blieb bei L. Müller der Erfolg aus. Selbst von den mit Mischkulturen vorgenommenen 6 Impfungen von Weeks sind 5 positiv ausgefallen. *) Es sei daranf hingewiesen, dass ganz das gleiche von der Influenza gilt; Bäumler, Pfeiffer. Wassermann. Clemens u. a. haben solch ein längeres Per- sistieren nachgewiesen und führen darauf die erneuten Ausbrüche von Epidemieen zurück. 502 Th. Axenfeld, Es scheint demuach eine fast ausualimslose Empfäug-licbkeit zu be- stehen. Die Koch-WEEKSSche Bazillencoujiiuctivitis gehört damit zu den kontag-iösesteu Infektionskrankheiten, welche wir überhaupt kennen. Der Verlauf dieser ImpfentzUndungen, der Befund im Sekret entsprach durchaus dem der ursächlichen Erkrankungen, von denen das Material entnommen war. Auch bei mehrere Stunden fortgesetzter Aufträufelung abgetöteter Kultur auf die menschliche Bindehaut erhielten Mokax & ElmassIan nach mehrstündigem freien Intervall einen, allerdings schnell vorüberg:ehenden Katarrh. Filtrierte Kulturen wirkten erheblich weniger. Das Toxin sitzt somit vorwiegend in den Bazillen (dasselbe ist beim Influenzabacillus der Fall, Kolle & Delius). Eine Immunität nach überstaudener Erkrankung ist jedenfalls nur in beschränktem Maße vorhanden. Morax & Petit, ebenso L. Müller haben mehrfach wiederholte Erkrankungen derselben Personen in kurzer Zeit beobachtet. Weichselbaum & Müller impften dieselbe Person 4 Wochen nach Ueberstehen der ersten Impfconjanctivitis nochmals, wieder mit positivem Erfolg. Trotzdem erscheint das Vorkommen einer gewissen Immunität nach überstaudener Erkrankung nicht ganz ausge- schlossen*), im Gegenteil würde das Erlöschen der Epideraieen sich da- mit am ehesten erklären können. Dafür spricht auch das lange Persistieren virulenter Bazillen nach Aufhören der entzündlichen Erscheinungen bei fast ausgeheilter Bindehaut. L. Müller berichtet sogar eine Beobach- tung- dafür, dass die KocH-WEEKSschen Bazillen auf gesunder Bindehaut längere Zeit persistieren können nach abgelaufener Con- junctivitis, um nach mehreren Monaten absoluter Gesundheit, ohne dass der betreffende Patient irgend welche Gelegenheit hätte sich von neuem zu infizieren, zu einem Rückfall zu führen. L. Müller führt an, dass bei ihm selbst mit »abgeschwächtem Vi- rus« keine Conjunctivitis hervorzurufen war; bei einem andern entstand eine nur einen Tag anhaltende Bindehautentzündung". Eine verschiedene Empfänglichkeit ist auch insofern festzustellen, als von einem schweren Fall andere eine ganz leichte Erkrankung beziehen können (Morax, Morax & Petit, Weeks, Hofmann) und umgekehrt. Unter den Fällen von Morax & Petit sind auch einige von sehr ge- ringen klinischen Veränderungen. Es dürfte aber jedenfalls eine Aus- nahme sein , dass die Uebertragung von wirksamem Material dieser Art in die Bindehaut überhaupt keine Conjunctivitis hervorruft. Zu erwähnen ist hier noch, dass nach L. Müllers Erfahrungen eine narbige Bindehaut auf die Koch-Weeks sehen Bazillen relativ oft wenig heftig- reagiert. üifferentialdiagnose. Infiuenzabazillenconjunctivitis. L. Müllers Bazillen. Die neuerdings von Pes behauptete Identität der KocH-WEEKssehen Bazillen mit den Diphtheriebazillen resp. Xerosel^azillen bedarf keiner näheren Widerlegung, da für jeden Sachverständigen ein Blick auf die Eigenschaften des Kocii-WEEKsschen Bacillus genügt, um diese Identi- fizierung als völlig falsch erscheinen zu lassen. Die Erscheinung, dass *) Für die nahestehende Inflnenza wird eine solche auch von mancher Seite (Bäumi.eu, Wassermann, Clemens) angenommen, obwohl sie sich bei Tieren nicht erreichen lässt (Kolle & Doenitzj. Spezielle Bakteriologie des Auges. 503 mit eleu KocH-WEEKSsclien Bazillen zusauimen mit Vorliebe die zur Gruppe der Diphtheriebazillen gehörigen Xerosebazilleu *) auf der Kultur aufgehen, wird an dieser Täuschung schuld sein, wie es ja auch in den ersten Untersuchungen nicht gelang, Reinkulturen zu erhalten. Heut- zutage sind beide leicht und sicher zu trennen. Auch im Sekretpräparat ist diese Verwechslung nicht möglich, zumal nicht bei Anwendung des GRAMSchen Verfahrens. Kruse (Die Mikroorganismen von Flügge, II. S. 441. 1896) be- richtet, dass Kartulis aus Konjunktivalsekret eineu Bacillus von gleichem morphologischen Aussehen, aber üppigerem und kanariengelbem Wachs- tum gezüchtet hat, der anfangs Gelatine langsam verflüssigte, später eine Nagelstichkultur gab, auch auf Kartoffel wuchs. Kruse nennt ihn »Bacillus pseudoconjunctivitidis . Ferner haben im KRUSESchen hygien. Institut Ibrahim und Fuad aus der Luft zwei diesem IvARTULisschen ähnliche Bazillen gezüchtet, welche sie Bacillus aeris minutissimus und Bacillus aureus minutissimus nennen. Alle drei entfärbten sich nach Gra:\l Es handelt sich hier um ganz vereinzelte Befunde, die bei den massenhaften Untersuchungen des Bindehautsekrets mit den Koch- WEEKSschen Bazillen sonst nie gesehen worden sind, und deshalb prak- tisch für die Diffcrentialdiagnose kaum in Betracht kommen. Auch mit allen andern Konjunktivalbakterien der Menschen (Influenzabazillen s. u.) kann der KocH-WEEivSsche Bacillus von dem Geübten nicht ver- wechselt werden. Sein Aussehen einschließlich des Verhaltens zur Gram- schen Färbimg ist durchaus charakteristisch und es ist nicht richtig, wenn Jundell davor warnt, aus dem Deckglaspräparat die Diagnose zu stellen. Er thut das deshalb, weil er in einigen Fällen, wo er sie stellte, in der Kultur auf Blutagar keine solchen Bakterien, sondern nur pneumo- kokkeuartige oder Xerosebazilleu erhielt. Das ist schon deshalb nicht richtig, weil schon die Anwendung der GRAMSchen Färbung eine Ver- wechslung dieser Bakterien im Sekretpräparat ausschließt. Dann aber lehrt die Litteratur, dass die KocH-WEEKSSchen Bazillen auf Tierblut- nährböden nicht aufzugehen pflegen. Das Sekretpräparat sagt hier öfters mehr als die Kultur. Einzig und allein mit Influenzabazillen und den mit letzteren morphologisch und kulturell übereinstimmenden L. Müller- schen Bazillen haben sie große Aehnlichkeit. In welchem Verhältnis stehen nun aber die Koch-Weeks- schen Bazillen zu den Influenzabazillen und den mit letzteren wohl identischen L, MüLLERsehen Bazillen? Sind sie mit ihnen identisch, so dass man auch ihre Conjunctivitis als »Influenzabazillen-Conjunctivitis« bezeichnen kann, wie dies neuer- dings besonders von Jundell, Smitt, Rymowitsch befürwortet wird? Zur Beurteilang dieser Frage muss zimächst festgestellt werden, dass es eine InfluenzacoDJunotivitis thatsächlich giebt, mit einem Bakterienbefund, welcher in jeder Hinsicht mit den PFEiFFERSchen Bazillen übereinstimmt. Zuerst hat L. Müller im eitrigen Sekret Trachomkranker Stäbchen ge- funden, deren Uebereinstimmung mit Inllueuzabazillen er eingehend schildert. *) Auch die Inflnenzabazillen gedeihen nach den Angaben von Rymowitsch und M. Neisser besser in Symbiose mit sog. Xerosebazillen. 504 Th. Axenfeld, Diese L. MüLLEKSchen Bazillen, die ein häutiger, aber dnrcbaiis nicht konstanter Befund bei Trachomatüsen waren, werden aber von ihm doch nicht mit den Influenzabazillen indentifiziert, weil die Kranken keine deutlichen Intiuenzaerscheinungen darboten. Auch Avaren keine epidemiologischen Be- ziehungen zur Influenza erkennbar. L. Müller betont besonders, dass seine Bazillen mit Sicherheit nur auf Blutnährböden wachsen, besonders auf Tauben- blut, und besonders üppig in Symbiose mit gcAvissen Staphylokokken. Von den ebenfalls von ihm eingehend studierten KocH-WEEKschen Bazillen trennt er seine Stäbchen bezw. die Influenzabillen , Aveil die KocH-WEEKSschen Ba- zillen im allgemeinen Serum bedürfen , auf Taubenblut nicht zu wachsen pflegen, auch schlanker und länger sind. L. Müller und Weichselbaum betonen auch, dass die Kolonieen der Kocii-WEEKSschen Bazillen auf Serum- agar noch kleiner seien, als die der Influenza, und dass ihr Rand bei 80 facher Vergrößerung zart gekörnt sei, im Gegensatz zu den glatten, homogenen Influenzakolonieen. Durchaus den gleichen Befund hatte zur Neuden bei einem Falle von nicht gonorrhoischer Blennorrhoea neonatorum und einigen weiteren Fällen. Er nannte die Bazillen wegen der längeren und gewundenen Involutionsformeu auf der Kultur anfangs »Pseudoinfluenzabazillen«, hat aber dieselben mit Rücksicht auf die inzwischen geänderte Auffassung (Grasberger, Pfeiffer] später als »Influenzabazillen« bezeichnet. In diesen Fällen und ebenso bei den weiteren, über die er kürzlich berichtet, fanden sich jedoch oft auch andere katarrhalische Influenzaerscheinungen in den Luftwegen; sie traten auf, während in Bonn eine Influenzaepidemie bestand, hörten mit letzterer auf und mit einer neuen Influenzaepidemie kamen wieder neue Fälle zum Vorschein. Unter 13 Fällen, die vorwiegend Kinder betrafen, war nur 5 mal ausschließlich die Bindehaut erkrankt; zur Nedden hält diese Conjunctivitis deshalb für nicht ungefährlich. Meist fand er die Influenzabazillen fast aus- schließlicli, nur einigemale mit Pneumokokken oder Streptokokken gemischt. ZUR Nedden betont zum Unterschiede von den KocH-WEEKSSchen Bazillen, dass die Influenzabazillen schlanker und länger seien, besonders aber durch- aus hämoglobinbedürftig. Er stimmt mit L. Müller überein, dass sie auf Taubenblut gut wuchsen, was die Kocii-WEEKsschen Bazillen nicht thun. Auch behalten nach ihm die Influenzakolonieen auf Blutagar ihre homogene Beschaffenheit, ihre halbkugliche Prominenz, während die Kolonieen der KocH- WEEKSSchen Bazillen, die viel schwerer züchtbar sind, auf dem Nährboden bald unsichtbar Averden. Auch seien Bazillen von dem Aussehen der Koch- WEEKSSchen niemals bisher im Bronchialsekret gefunden, zur Nedden ver- wirft deshalb die von Junuell geäußerte Identifizierung. JuNDELL hat, wie es scheint, nur Fälle selbst untersucht, welche bei typi- scher, fieberhafter allgemeiner Influenza an Bindehautentzündung erkrankten. Er fand bei derartigen Säuglingen in einer Reihe von Fällen eine Conjunctivitis verschiedeneu Grades mit massenhaften typischen Influenzabazillen. Für ihn ist es nicht entscheidend, dass der KocH-WEEKSsche Bacillus im allgemeinen auf Serum wachse, da auch bei Influenzabazillen dies vorkomme, wenigstens gegen- über manchen Arten von Ascites u. dergl. Dem hält aber zur Nedden ent- gegen, dass es wohl der (wenn auch geringe) Hämoglobingehalt sei, den man- ches menschliche Serum enthalte, der den Nähi;boden ausnahmsweise für Influenza bekömmlich mache; wo andererseits der KocH-WEEKSSche Bacillus auf Blut wachse, habe es sich um Menscheublut gehandelt, dessen Serum- bestandteil das Wachstum ermögliche, zur Nedden betont, dass nur Er- fahrung mit beiden Bakterien ein Urteil gestatte. In dieser Hinsicht ist beachtensAvert, dass Morax, ein hervorragend erfahrener Kenner der Koch- Spezielle Bakteriologie des Auges. 505 \ WEEKschen Bazillen, der aber auch, wie er berichtet, öfters luHuenzaconjunc- tivitis uutersucht hat, sich gegen die völlige Identifizierung ausspricht, aus denselben Gründen, wie zur Nedden. Auch giebt er an, in Aegypten sehr oft den KocH-WEEKSschen Ba- zillen, nie aber den L. Mülleh- schen gefunden zu haben. Sodann teilt Rymowitsch mit, dass er mit Bazillen (siehe Abb. 3, S. 497), welche er als Koch - WEEKssche bezeichnet, die aber vielleicht echte In- fluenzabazillen waren , in jeder Hinsicht, auch bezüglich des Tierversuchs (toxische Wirkuug bei Anwendung großer Dosen) eine Identität mit Influenza- bazillen erhalten habe; der gleichen Ansicht giebt Smitt Ausdruck, ebenso Giarre & PiCCHi. Eine Intluenzaconjunc- tivitis beschreiben neuerdings noch MoßAX und M. Neissek. \ Fig. 8. Klatschpräparat (RymowitscH' einer 24 stund. Hämoglobinagarkultur. 270 f. Vergr. »Influenza.« Es ist nicht daran zu zweifeln, dass diese Autoren Infiuenzabazilleu vor sich gehabt haben, ebensowenig, dass solche Binde- hautentzündung verursachen können, die sogar gelegentlich einen epide- mischen Charakter anzunehmen scheint. ISIur wird man sich fragen müssen, ob diese Bazillen mit den KocH-WEEKSSchen sich vollständig deckten. Um dem Leser ein Urteil zu ermöglichen, habe ich eine Anzahl Abbildungen von Sekretpräparaten und Kulturen Aviedergegeben, die als KocH-WEEKSsche Bazillen von typischen Epidemien verötfeutlicht sind (Fig. 1 — 4). Ich füge hier noch zwei Photographieen Eymo- wiTSCHscher Kulturen an. Die vorliegenden Mitteilungen über KocH-WEEKSSche Bazillen lassen allgemein erkennen, dass die KocH-WEEKSSchen Bazillen nicht in dem Maße auf Hämo- globin angewiesen sind, als dies die PFEiFFERschen Bazillen zu sein pflegen (s. o.). Während der PFEiFFERSche lufluenzabacillus eine deutliche Tierpathogenität, besonders für Aifen, für Kaninchen und Meer- schweinchen (Peritoneum !) besitzt derart, dass eine toxische Erkran- kung meist ohne Vermehrung der Bazillen eintritt (gegen welche nach den Untersuchungen von Kolle & Delius*) eine spezifische Immunität Fig. 9. Dasselbe, 90 fach. »Influenza.« *) Siehe Kolle & Delius Zeitschr. f. Hyg. u. Inf, Bd. 24. 506 Th. Axenfeld, sich nicht erzielen lässt), haben l)ishei- die Tierimpfuugen mit dem KocH-WEiiKSschen Bacillus ein völlig- negatives Resultat gehabt. Nur Rymowitsch legt den von ihm gefundenen Bazillen die gleichen toxischen Eigenschaften bei, wie den Influeuzabazillen. Ich halte jedoch es für sehr wünschenswert, dass mit dem KocH-WEEKSschen Bacillus weitere Tierversuche angestellt werden, da bisher große Dosen zur Impfung mit demselben nicht benutzt worden zu sein scheinen. Bei dem schon er- wähnten Ausbleiben einer Tierimmuuität für den Influenzabacillus wird sich allerdings der spezifische Immunisierungsbeweis zur Identifizierung nicht führen lassen. In klinischer Hinsicht steht, wie erwähnt, der völligen Identifizierung der KocH-WEEKSschen Bazillen mit den Infiueuzabazillen die Thatsache entgegen, dass bei den durch KocH-WEEKSsche Bazillen hervorgerufenen Erkrankungen, besonders den großen Epidemieen, Störungen des Allge- meinbefindens (abgesehen von einem allgemeinen Unbehagen und leichtem Schnupfen auf der Höhe der Erkrankung) und sonstige Influenzasym- ptome so gut wie ganz zu fehlen pflegen. Auch gingen die Bindehaut- epidemieen durchaus nicht parallel mit der Ausbreitung- der »Influenza«. Die Mitteilungen von Koch, Kaetulis, Weeks liegen, wie auch Jukdell betont, vor der letzten Pandemie und lassen von gleichzeitiger Influenza ebensowenig etwas erkennen, wie die späteren Mitteilungen. Dem- gegenüber muss aber auch darauf verwiesen werden, dass L. Müller seine von den Influenzabazillen nicht zu trennenden Bazillen eben- falls ohne sonstige Influenzasymptome fand; auch zur Neddex sah einige solche Fälle. Will man also L. Müllers Bazillen mit Influeuza- bazillen identifizieren, so muss man zugeben, dass es auch eine aus- schließliche Erkrankung der Bindehaut durch PrEiFFERSche Bazillen geben kann, die wir schließlich doch wohl auch für epidemiefähig- halten müssen. Es würde die Identität nicht wiederlegen, dass das eine Mal vorwie- gend lokale Symptome von selten der Bindehaut, das andere Mal mehr die allgemeinen der Influenza hervortreten. Wir haben auch andere Erfahrungen dafür, dass von der Bindehaut mit ihrer relativ kleinen Oberfläche Infektionen das Allgemeinbefinden weniger stören, als bei Lokalisation der Erkrankung im Tractus respiratorius , so bei der Diphtherie, so besonders bei der Pneimiokokkenconjunctivitis, bei der nur ausnahmsweise stärkere Allgemeinerscheimnigen zu beobachten sind. Gerade die letztere ist ein Beweis, dass spezifische Lokalerkrankungen der Bindehaut die sonst zur Beobachtung kommenden Manifestationen der betreffenden Erreger geradezu ausschließen können. Pneumokokken- conjunctivitis bei gleichzeitiger Pneumonie ist extrem selten. Von Interesse für die Frage nach der Stellung- der KocH-WEEKSschen und der PFEiFFERSchen Influenzabazillen würde es sein, wenn mit einer aus Bronchialsekret reingezüchteten Kultur der letzteren eine Impfung mit positivem Erfolge auf eine menschliche Bindehaut vorläge, zum Vergleiche mit den Impfungen des KocH-WEEKSschen Bacillus (siehe S. 50() fi".). Doch ist ein solcher Versuch nicht anzuraten. Solange derartige Befunde ausstehen, solange nicht, wie Juxdell richtig ausführt, eine influenzafreie Zeit ein sicheres Urteil gestattet, ob mit der Influenza auch die Kocii-WEEKssche Bazillenconjunctivitis schwindet, wird man die völlige Identifizierung zurückstellen und sich zunächst mit der Feststellung begnügen, dass die genannten Keime sehr nah verwandt sind und zu der gemeinsamen Gruppe der Spezielle Bakteriologie des Auges. 507 Influeiizabazillcu, oder, Avie Juxdell sie uenut, des »Bacillus catar- rlialis« geboren. Die Prophylaxe gegen den Kocu-WEEKSScheu Bacillus besteht in Keinlichkeit und sorgsamer Vermeidung der direkten und indirekten Sekretübertragung. Schwerere Fälle bedürfen der Isolierung; Schulen sind bei zahlreicheren Erkrankungen zu schließen, jedenfalls die er- krankten Kinder auszuschließen. Für die Therapie erweist sich gerade gegen diese Form am wirk- samsten das Argent. nitricum in 1 — 2 proz. Lösung. Das gegen andere Infektionen, besonders die Diplobazillen, so wirksame Zink lässt hier oft im Stich. Wichtig ist auch die gründliche Behandlung der zum chronischen Verlauf neidenden Formen. *»^ Litteratur. AxENFELD, »Ergebnisse« von Lubarsch-Ostertag, Bakteriologie des Auges. 1895 bis 1899. COPPEZ, Arch. d'ophth., 1899, t. 19, p. 11. Elmassian, Annales d'oculist, 1900. Fage, La Clinique ophthalmol., 1900, p. 5. Gasparrini, Batteriologia delle congiuntiviti acute. Annali d'ottalmologia, 1895, Beilageheft. — Ders., Annali d'ottalm., vol. 25, 1896. GoNiN, Revue medicale de la Suisse Romande, 1899, Fcvr. Mars. Grassberger. Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 25, 1897. — Ders., Centralbl. f. Bakt, Bd. 28, 1898, S. 353. Gromakowski, Archiv f. Augenheilk., Bd. 41, S. 197, 1900. Hofmann, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf.. Bd. 33, 1900. S. 109. JuLER, Brit. Med. Journ. 1894, 15. Sept. JuNDELL, Influenzaconjunctivitis bei Säuglingen. Mitteilungen aiis der Augen- klinik des Carolinischen med. chirurg. 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Die Entdeckung dieser eigentümliclien, nach unseren bisherigen Kennt- nissen ausschließlich der menschlichen Bindehaut eigentümlichen und sehr häuügen Infektionskrankheit verdanken wir Mokax. Im Jahre 1896 brachte er in einer kurzen, aber alles Wesentliche enthaltenden Mit- teilung die genaue Beschreibung des Krankheitsbildes, welches er als »Conjonctivite subaigue« bezeichnete, und seines Erregers, zugleich mit der Feststellung, dass die Uebertraguug von Reinkultur im Konjunk- tivalsack der Menschen die typische Erkrankung hervorrief, während für Tiere der Bacillus in keiner Weise pathogen war. Unmittelbar darauf demonstrierte Axenfeld der Ophthalmologischen Gesellschaft in Heidelberg Präparate desselben Bacillus, den er unab- hängig vor einigen Monaten in Marburg auf LöFFLERschem Blutserum gezüchtet hatte. In einer genaueren Mitteilung bestätigte er die Angaben von MoRAX in jeder Weise und ergänzte in dieser und in einer weitereu Abhandlung, die bereits auf einem Material von 51 Fällen beruhte, das klinische Bild, für welches er wegen des eminent chronischen Charak- ters den Namen der »chronischen Diplobazillenconjunctivitis« vorschlug. Auch Axenfeld hatte beweisende Impfungen auf die menschliche Binde- haut vornehmen können. Im Anschluss au diese Veröffentlichungen sind dann von verschie- densten Seiten weitere Bestätigungen erfolgt, welche darthun, dass diese Infektionskrankheit auf der Welt außerordentlich weit verbreitet ist, und dass derselben in der Mehrzahl der Fälle ein ganz eigenartiges klinisches Bild zukommt. Peters berichtete aus Bonn über zahlreiche Fälle; auch er hatte, ebenso wie Gifford (Omaha, Nebraska) schon früher von dem Bacillus Reinkulturen auf Agar erhalten, bezweifelte aber vorläufig die von MoRAX und Axenfeld behauptete pathogene Bedeutung, weil er ihn ohne stärkere Reizung angetroffen hatte. Dann aber überzeugte er sich auch von der Pathogenität und betonte die besondere Häufigkeit im Rheinthal. Es folgten eine große Anzahl weiterer Mitteilungen, über Avelche in dem Abschnitt »Epidemiologie« näheres mitgeteilt wird. Dass diese so außerordentlich häufige, vielleicht häufigste Bindehaut- infektion so relativ spät entdeckt Avorden ist, liegt wohl daran, dass bis dahin das bakteriologische Interesse sich vorwiegend den akuteu Formen zugewandt hatte, ferner auch daran, dass die Kultur der Diplobazillen im allgemeinen nur auf serumhaltigen Nährböden gelingt. Geographische Verbreitung und Epidemiologie. Die Diplobazillenconjunctivitis ist bisher nachgewiesen: in Amerika in Philadelphia (Sweet, de Schweinitz & Veasy), St. Louis (Alt), Omaha (Gifford); in Afrika in Aegypten von (L, Müller, Morax, Lakaii & Khourt); in Europa : in London (Eyre), Kopenhagen (LuNDSGAARDj,Le.vden(ScnouTE), Bern (0. Simon, Pflüger), Lausanne (Gonin), Paris (Morax & Petit), Cler- mont-Ferrand (Biardj, Italien (Giarre & Picchi), Parma (Corsini); in Spezielle Bakteriologie des Auges. 509 Deutschland: Marburg, Breslau, Rostock, Freiburg (Axexfeld, Bietti), Bonn (Peteus, zur Nedden), Greifswaid (Hoffmann), Würzburg (Bach & Neumannj, Nürnberg (Alexander); Wien (L. Müller); Kasan (Rymowitsch). Es ist also nicht daran zu zweifeln, dass der MoRAXSche Diplo- bacillus auf der Erde sehr verbreitet ist; bei der durch die Impfimg-eu von Morax, Axexfeld, Hofpmann und Gifford nachgewiesenen auUer- ordentlichen Kontag-iosität der dabei sehr hartnäckigen Diplobazillen- conjunctivitis ist dies auch verständlich. Nach mündlichen Berichten an den Verfasser kommt er noch an sehr vielen anderen Orten vor. Trotzdem ist es auch für diese Infektionskrankheit noch nicht statt- haft von einer gleichmäßigen Ubiquität zu sprechen. Junius berichtet ausdrücklich, dass er ihnen bis 1900 in Königsberg nicht begegnet sei; ebenso ist sie in Aegypten im Verhältnis zu der enormen Häufigkeit anderer Augeukatarrhe relativ selten. Schon L. Müller w^eist darauf hin, und Lakah & Khouri haben dort in einem Jahre unter 966 bakterio- logisch untersuchten Bindehautentzündungen nur 15 mal Diplobazillen gefunden, gegen 52o Kocu-WEEKSSche Bazillen und 257 Gonorrhöen. Dabei gesellt sich an und für sich der Diplobacillus nicht ungern zum Trachom hinzu (Peters, Hoffmann). Wie enorm häufig demgegenüber an anderen Orten die Diplobazillen- conjunctivitis ist, geht daraus hervor, dass z. B. Eyre sie bei ca. 2 1/2^ aller Patienten der BRAYLEYschen Poliklinik fand. Gonin (Lausanne) fand in einem halben Jahr unter 351 nacheinander zur Behandlung gekommenen Fällen von Conjunctivitis die Diplobazilleninfektion nicht weniger als 180 mal. Nach Pflüger- Simon macht sie in Bern ca. 10^ aller Patienten aus. Aehulich häufig ist sie in Rostock, Frei- burg, Greifswald; in Bonn konnten an der Univ.-Augeukliuik in einem Jahre über 500 Fälle beobachtet werden. Dabei sind in jenen Städten nicht etwa besonders umfangreiche akute Epidemieen gewesen; dazu neigt diese Infektion überhaupt wenig. Sondern es handelt sich um ein endemisches, ziemlich gleichmäßig häufiges Vorkommen, besonders innerhalb einzelner Familien und in Form sporadischer Fälle. Es erkranken Leute jeden Lebensalters; Erwachsene am häufigsten. Eine besondere persönliche Disposition ist nicht zu erkennen, ein Fre- quenzunterschied nach der Jahreszeit ist insofern zu verzeichnen, als sie in der heißen, staubigen Jahreszeit häufiger beobachtet wird (Gonin). Die Uebertragung geschieht durch direkte oder indirekte Sekretübertragung. Klinisches Bild. Morax hatte der Krankheit den Namen »Conjouctivite subaigue« bei- gelegt, ich selbst den der »chronischen Diplobazillenconjunctivitis « und zwar deshalb, weil unbehandelt die Krankheit sich enorm, viele Jahre lang hinzuziehen pflegt. Als später von ihm dann auch ausnahmsweise akute Fälle beobachtet wurden, habe ich vorgeschlagen, lieber nur allgemein von » Diplol)azillencoujunctivitis « zu sprechen. Die Krankheit geht seitdem unter dem Namen der Diplobazillenconjunctivitis, von Morax oder von Morax-Axenfeld. Wenn für irgend eine der infektiösen Gonjunctivitisformen, so gilt nach allgemeiner Uebereinstimmung für diese die Thatsache, dass sie mit Vorliebe ein charakteristisches klinisches Bild darbietet, nämlich das der »Blepharo Conjunctivitis«. 510 Th. Axenfeld, Die selteneren Fälle des aknten Anfangs abgerecliuet, beginnt die Diplo- bazillenconjunctivitis mit geringen katarrhalischen Beschwerden und befällt fast immer beide Augen, wenn auch nicht immer zu gleicher Zeit; das zweiterkrankte ist oft milder betroflen. Es sammelt sich, besonders während der Nacht, mäßig reichliches, graugelbliches, ziemlich zähes Sekret an, vor- nehmlich im inneren Lidwinkel. Die Lidränder röten sich, und zwar in auf- fallender Weise besonders in den Lidwinkeln, am meisten im inneren. Diese Rötung des inneren Lidwinkels ist oft im Verhältnis zu der Geringgradigkeit der Bindehautveränderungen auffallend deutlich: bei stärker absondernden Fällen kann sie in Form eines größeren rundliches Fleckes die Karunkel um- geben. Die gerötete Lidhaut ist dabei in der Regel feucht, leicht mazeriert, oft etwas weißlich überzogen, intertrigoartig. Nach der älteren symptomati- schen Bezeichnung würde das von manchen als Ophthalmia angularis be- zeichnet Averdeu. Die Schleimhaut der Lider zeigt in der Regel nur sehr geringe Schwel- lung, dabei Hyperämie vorwiegend in den den Rändern zugelegenen Teilen und an der Uebergangsfalte : die Conjunctiva bulbi pflegt weniger beteiligt zu sein, nur nach den Lidwinkeln hin sind oft die oberflächlichen Gefäße mäßig erweitert. Phlyktänen sind selten und treten im allgemeinen nur her- vor, wenn die Infektion sog. skrofulöse Personen, besonders Kinder befällt. Hornhautkomplikationen sind nicht häufig, kommen aber vor in Gestalt kleiner oberflächlicher Infiltrate in den Randteilen, vom Typus der sog. katarrhali- schen. Bereits MoiiAX, Axexfeld, Biard, Peters hatten einzelne solche Fälle gesehen und besonders Petit hat dieselben eingehender studiert. Er hat in den Infiltraten mehrfach nur deu Diplobacillus gefunden und betont die klinisch wichtige Thatsache, dass die ursächliche Bindehautentzündung oft nur gering sei und leicht übersehen werde, dass aber auch diese Horn- hautinfiltrate oft erst auf Zinkeinträufelungen schnell ausheilen. Auch Hoff- MANiST und ZUR Nedden, Pflüger, machten über sie nähere Angaben. Wo letzterer bei Diplobazillenconjunctivitis jedoch ein Ulcus serpens fand, han- delte es sich stets um eine Mischinfektion mit Pneumokokken. Das klinische Bild dieser »Blepharoconjunctivitis« darf sofort den Ver- dacht der Diplobazilleninfektion erwecken. Es würde aber zu weit gehen, Avollte man damit schon eine sichere Diagnose stellen; denn in solchen Fällen ist doch mitunter ein anderer Befund oder ein negativer vorhanden. Ein sicheres Urteil ergiebt erst die Deckglasuntersuchung und Kultur (Morax, Axexfeld, zur Neddex). Gelegentlich kann auch die stärkere Winkel- beteiligung bei der Diplobazillenconjunctivitis fehlen; außerdem sind von Axenfeld, Hoffmanx und zur Nedden, Pflüger einzelne Fälle von aku- tem Schwellungskatarrh auf dieser Basis l)eschrieben. Bei sehr langem Bestehen kann sich Ectropium, Distichiasis , Ekzem der Lidhaut hinzugesellen. Auch Follikel in der Conjunctiva werden öfters be- obachtet; wo sie aber reichlicher vorkommen, handelt es sich wohl nicht um Folge der Diplobazilleninfektion, sondern um eine Kombination, wie eine solche auch mit dem echten Trachom nicht selten ist. Ohne Behandlung scheint die Krankheit sich, unter öfteren Exacerbationen, stets in die Länge zu ziehen. Ob vielleicht die seltenern akuten Fälle öfter einen schnellen spontanen Ablauf zeigen, wissen wir nicht, da alle bisher beobachteten Fälle durch Behandlung abgekürzt wurden. Mitunter besteht gleichzeitiger Nasenkatarrh; bei einer Familie mit auf- fallend stark absondernden Bindehäuten fand ich auch an den Nasen- öffnungen gerötete, etwas mazerierte Hautstellen, in denen sich Diplobazillen fanden; bei einem andern Patienten fand sich dasselbe in den Mund- Spezielle Bakteriologie des Auges. 511 wiukelu (LoBAXOw). Ob man aber in diesen Fällen von einer »Diplobazillen- rhinitis < oder -Stomatitis reden darf, muss dahingestellt bleiben. Die An- gaben BiARDs, dass der Diplobacillus sich sehr oft in der Nase ansiedele, und von dort ans die Bindehaut infiziere, haben keine Bestätigung erfahren (Petit, zur Nedden). Die subjektiven Beschwerden sind rel. gering. Peters giebt an, dass gerade bei dieser Infektion oft Kopfschmerzen vorkommen, die mit Beseitigung der Conjunctivitis verschwinden. Sekretbefund. Bei leichten Fällen ist auf der Bindehaut oft die i-^ekretion so ge- ring', dass man auf ihr eine eigentliche Flocke nicht findet; dagegen ist auch in diesen Fällen auf der Karunkel etwas grauer Schleim zu finden. Ist auch dieses Winkel- sekret naturgemäß mit Haut- et) ft sapropliyten viel stärker ver- unreinigt und deshalb zur ..---«-^.»^ . - ^_^ Kultur nicht zu nehmen, so '^ > ^^ %l "" '**"^ "^^^^ gestattet es doch die Deckglas- ^Ml. ^' . ^^ diagnose mit besonderer Deut ^ ^ - , .. lichkeit, weil in ihm die Diplo- l^m^ •»*'*'" ""^ bazillen sich in der Regel in großer Zahl , nich't selten in k^ %^ ** ^ v\ ^ "^H eranz enormen Mengen finden. l^'^ *"** * ** *** Sie erscheinen teils frei, v - ^N^f».^^^ zwar besonders gern an Epi thelien, welche mit ihnen völlig **'Ä^?'^ -■*•'" ^-'X» *' ~'-iM bedeckt erscheinen können; ~"^. 'H^ t eine eigentliche Phagocytose findet sich bei ihnen weniger, r^^ m t%- i i. -n • ..• -.l- o i x ^ -, «^ ' Flg. 10. Diplobaziiienconinnctivitis. Sekret. als bei den KoCH-WEEKSSchen Photogr. von Rvjiowitsch & Matschinsky. Bazillen und den Pneumo- 1000 fache Vergr. kokken. Ueberhaupt besteht das Sekret vielfach mehr aus Fibrin und ist relativ arm an Zellen. Die Bazillen zeigen sich meist zu zweien, doch kommen auch kürzere und längere Ketten von plumper, wenig gewundener Anordnung vor, in denen aber vielfach noch eine nähere Verbindung von je zwei Individuen erkennbar ist. Die einzelnen Bazillen sind im Durchschnitt 2 u lang, 1 u breit; doch wechselt die Größe, besonders dahin, dass vielfach kleinere Doppel- bazillen sichtbar sind, wohl jüngere Formen. Auch etwas größere sind oft erkennbar. Die Bazillen sind an den Enden ein wenig abgerundet, wie ein etwas abgestumpftes Eechteck, im allgemeinen gleichmäßig dick. Mitunter erscheinen die Enden ein wenig aufgetrieben; alsdann tritt auch öfters eine etwas stärkere Färbung der Enden ein; doch ist eine Polfärbung im allgemeinen nicht vorhanden, sondern der ganze Bacillus nimmt die Farben intensiv an. Die Trennungslinie zwischen den einzelnen Gliedern ist deutlich. ]SIach Geam tritt rasche und vollständige Entfärbung ein. 51 2 Th. Axenteld, Ueber das Vorhandensein einer Kapsel sind die Meinungen verschieden ausgefallen, Mürax beschrieb die Diplobazillen als kapselfrei, Axenfeld nannte sie »nicht deutlich«. Dahingegen betonte Gifford, dass eine Kapsel deutlich nachweisbar sei; auch Hoffmann und zur Xedden haben sich dem angeschlossen. Die von Bietti vorgenommenen Kapscliarbungen haben in der That eine schmale Kapsel ergeben. Es ist aber für das Sekretpräparat doch daran festzuhalten, dass die Mehrzahl der Diplobazillen ohne solche be- sondere Hilfsmittel keine deutliche Kapsel zeigt und in dieser Hinsicht den ditferential-diagnostisch in Betracht kommenden Fried- LÄNDERSchen Pneumoniel)azilleu und den sogenannten Ozaenabazillen nachsteht. Kultur. Die Diplobazillen sind nur bei Bruttemperatur zu züchten und mit Sicherheit nur auf Blutserum oder serumhaltigem Agar, sowie auf Nähr- böden, denen menschliche KörperflUssigkeit beigemischt Avird. Auf Rinder- und auf Hammelbhitserum nach LoEFFLERscher Vorschrift ist nach 24 Stunden eine Unebenheit in Gestalt kleiner, feuchter, etwas ein- gesunkener und durchscheinender Stellen zu sehen, die sich allmählich mehr und mehr vertiefen, indem der Nährboden langsam verflüssigt wird, ohne wesentliche Farbenveränderung des Nährbodens. Nimmt man mit der Oese die milchige, etwas fadenziehende verflüssigte Masse ab, so sieht die Ober- fläche des Blutserums wie augenagt aus. Liegen die einzelnen Kolonieen weit voneinander, so bilden sich allmählich größere tiefe Löcher in dem Nährboden; sind sie dichter beisammen, so konfluieren sie an der Oberfläche, der dick- flüssige Inhalt fließt schließlich nach unten in das KondensAvasser ab ; die eigentümlich zerlöcherte Oberfläche tritt alsdann besonders deutlich hervor; im Verlauf von ca. 14 Tagen ist fast der ganze Nährboden bis auf die tiefste Lage verflüssigt. Doch wird die Verflüssigung in der Regel nicht ganz voll- ständig, da die Diplobazillen inzAvischen abzusterben pflegen, Avie überhaupt in der verflüssigten Masse fast nur noch Involutionsformen anzutreffen sind. Auf gekochtem Serum ist die Verflüssigung nicht so stark und schnell, als auf fraktioniert sterilisiertem. Dies Verhalten ist für den Diplobacillus äußerst charakteristisch. Es kommt von den auf der Conjunctiva beobachteten Bakterien nur dem sehr nahestehenden PETiTschen Diplobacillus zu. Auf Serumagar Avächst der Diplobacillus in Gestalt kleiner, durchscheinen- der flacher Tröpfchen von zart grauUcher Farbe, ähnlich Pneumokokkenkolo- nieen; die Kolonieen sind bei stärkerer Vergrößerung ganz fein granuliert, von rundlicher Form und glattem Rand, wenig prominent, zeigen Avenig Nei- gung zum Konfluieren und Averden auch einzeln nicht so groß, Avie auf LüFFLERschem Blutserum. In Serumbouillon bildet sich nach 24 — 48 Std. eine zarte, aber deut- liche diffuse Trül)ung und etwas feiner Bodensatz, der sich leicht aufAvirbeln lässt. Auf serumfreiem Agar gedeihen die Diplobazillen in der Regel nicht; Avenn sie sich, Avie die verschiedenen Beobachter angeben, gelegentlich doch entwickeln, so ist ihr Wachstum meistens kümmerlich, sie sterben bald ab und gestatten keine längere P'ortzüchtung, im Gegensatz zu dem PETiTschen Diplobacillus, der auf geAvölmlichen Nährböden gut Avächst. (Ich selbst habe in letzter Zeit beobachten können, dass bei einigen \ on Conjunctivitis gezücli- Spezielle Bakteriologie dea Auges. 513 ieten Stämmen anfangs docli ein auffällig besseres Wachstum auf Agar bestand, das nach längerer Fortzüchtung wieder verloren ging. Auch im Gelatinestich bei Zimmertemperatur trat langsame Entwicklung und langsame Verflüssigung ein, analog wie beim PETiTSchen Diplobacillus. Später war dies nicht mehr zu erzielen.) Es ist das aber eine Ausnahme; auch auf Milch, Kartoffeln, schräg erstarrtem Rinderblut, Blutnährboden pflegen sie nicht anzugehen. Die Diplobazillen verlangen durchaus alkalische Reaktion des Nähr- bodens; schon bei neutraler gedeihen sie weniger gut, saure Nährböden sind ungeeignet. Daraus erklärt es sich, dass sie bei gleichzeitiger Anwesenheit Fig. 11. 24 stündige Kultur auf Serumagar. z. B, der Staphylococcus pyogenes aureus auch auf Serum mitunter schlecht gedeihen, obwohl sie im Sekretpräparat Aveit in der Ueberzahl waren; es kann sogar ihr Wachstum ganz ausbleiben, wie ich öfters gesehen habe, weil die schnell wachsenden Kokken eine deutlich saure Reaktion des Nährbodens veranlasst hatten. Andererseits entwickeln sich, wie Axenfeld nachwies, die Diplobazillen sehr gut und sehr oft gleichzeitig mit den sog. Xerosebazillen, welche bekanntlich eine Aenderung der Alkaleszenz meist nicht veranlassen. Diese letzteren begünstigen die Entwicklung sogar (Rymowitsch). Auch mit den gewöhnlichen weißen Staphylokokken des Konjunktivalsackes kommen sie relativ gut fort. Relativ liiiufiG; sind weiße Staphylol^okken beigemischt, meist sehr geringer Virulenz und in viel geringerer Zahl, als die Diplobazillen. Auf der Bindehaut findet man, besonders bei den reichlicher ab- sondernden Fällen, die Diplobazillen oft in Reinkultur. Handliuch. der pathogenen Mikroorganismen. III. 33 514 • Tb. Axenfeld, Seltener finden sich Pneumokokken, Streptokokken, Koch-Weeks- sche Bazillen (Hoffmann]. Besondere klinische Merkmale sind diesen Fällen, die als Mischinfektionen aufgefasst werden können, nicht immer eigentümlich, nur bei den letzteren Keimen tritt das Bild des akuten Katarrhs mehr hervor. Verfolgt man durch tägliche Kultur den Befund, so zeigt sich, dass die genannten Beimischungen an Zahl sehr schwanken, zeitweise ganz zurücktreten. Schon darin liegt, dass in diesen Fällen die Diplobazilleu das eigentlich pathogene Agens sind. Geht aber auf die Behandlung der Katarrh und mit ihm die Zahl der Diplobazilleu zurück, so treten in diesem Stadium der abklingenden Keaktion die Xerosebazillen und Staphylokokken wieder stärker hervor. Morphologie der Bazillen auf der Kultur. Auf Binder- oder Hammelblutserum zeigen die Kolonieen nur am ersten und zweiten Tage vorwiegend dieselben Diplo- resp. Strepto- bazillen verschiedener Größe, wie im Eiter. Sehr bald beginnt ,,* ein ausgedehnter Zerfall der Ba- ,^ ,^^ Zilien unter Bildunc: mannig- '^^'-^'%^,4' <^^^ facher, z. T. barocker, sehr zerfallenden Massen nur noch einzelne Diplobazilleu, Ketten, Scheinfäden sehr verschiedener Größe sichtbar. Häufig fällt in diesem Stadium auf, dass die Konturen der Bazillen sich Fig. 12. 48 stund. Kultur anfLÜFFLERschem stärker färben, als das Cen- Blutserum. ^^.^^^^ (gjejje Fjo-ur 11 und Figur 12). Auf Serumagar, in Serumbouillon bleibt die Form und Färbbarkeit läui^er erhalten. Nach Gram tritt schnelle Entfärbung ein. Eigenbewegung fehlt, ebenso nachweisbare Sporenbildung. Pathogenität. Schon MoRAX stellt fest, dass für die Laboratoriumstiere weder lokal noch bei subkutaner oder intraperitonealer Impfung irgend welche Patho- genität bestand; auch der Atfe verhält sich vollkommen refraktär, ebenso Vögel. Alle späteren Untersucher kamen zu dem gleichen Kesultat. Nur Rymowitscii giebt au, bei Injektion in die vordere Kammer eine heftige plastische Iritis erhalten zu haben; er glaubt auch, dass manche mil- dere Wundentzündungen durch ihn entstehen können. (Postemp Okulist, 1900, No. 9, ref. Michel-Nagel). Dagegen hat Mdrax durch Einträufelung einer 24 stündigen Ascites- bouillon in den Konjunktivalsack eines Kollegen eine typische subakute Spezielle Bakteriologie des Auges. 515 Conjunctivitis hervorgerufen. Dieselbe trat nach 4täg'iger Inkubation auf; anfänglich nach der Impfung waren Diplobazillen auf der Binde- haut nicht nachweisbar gewesen, mit Beginn der Sekretion dagegen massenhaft, um nach der durch Zincum sulfuricum erzielten Heilung- vollständig wieder zu verschwinden. AxENFELi) brachte zunächst von einer 48 stündigen Kinderblutserum- kultur, welche schon beginnende Vertliissigung zeigte, eine Oese in den gesunden Konjunktivalsack ; diese Impfung verlief negativ, vielleicht weil ein tierischer Nährboden angewandt und schon ausgedehnte De- generation der Bazillen eingetreten war. Dagegen rief die Uebertragung einer Sekretflocke, welche zuerst über Serum geführt eine Reinkultur von Diplobazillen ergab, 2 mal eine typische Blepharoconjunctivitis her- vor, nach 4tägiger Inkubation, mit massenhafter Reinkultur der Diplo- bazillen. Die Conjunctivitis übertrug sich in gleicher Weise auf da« andere Auge, heilte aber bald auf Zink. Ebenso hat Hoffmann eine positive Impfung vorgenommen, des- gleichen Gifford. Bei Hoffmann war der Verlauf insofern etwas an- ders, indem schon am 2. Tage die Sekretion, die subjektiven Beschwerden jedoch auch erst am 4. Tage begannen. Es besteht also eine große Empfänglichkeit, die wohl nur wenige Ausnahmen zulässt. Wenn Plaut und VON Zelewski 2 mal den Diplobacillus auf fast normaler Bindehaut bei Thräuensackexstirpierten fanden, so spricht das nicht gegen die Pathogenität. Im Gegenteil ist, wie aus den zahlreichen Familieuepide- mieen hervorgeht, eine hochgradige Kontagiosität und Empfänglichkeit im allgemeinen vorhanden. Da der Diplobacillus gegen herabgesetzte Temperatur und Austrock- nung sehr empfindlich ist, wird seine Uebertragung durch die Luft, aus- genommen etwaige Tröpfchenverstäubung durch Sprechen u. s. w. (AxENFELD, Lobanow) uiclit Vorkommen, überhaupt sich die Uebertragung auf Kontakt beschränken. Eine indirekte SekretUbertragung durch Wasch- utensilien u. s. w. ist leicht möglich. Da akute Fälle vorkommen können, ist die Möglichkeit größerer akuter Epidemieen nicht ganz ausgeschlossen; solche sind aber bisher nicht beobachtet. Für die andern Schleimhäute scheint der Diplobacillus nicht pathogen; nur von einer Diplobazillenkoryza bei Conjunctivitis kann man vielleicht mitunter sprechen, doch ist der Beweis nicht geliefert, dass die Diplo- bazillen deren Ursache sind. Zu einer Infektion von Bulbuswnnden besitzen die Diplobazillen nur geringe Neigung, entsprechend der Seltenheit und relativen Leichtigkeit der vor- kommenden Ceratitisfälle. Ich sah eine schwere perforierende Verletzung bei florider Diplobazillenconjunctivitis reizlos heilen. (Weit gefährlicher erscheint die nahestehende Spielart »Diplobacille liquefiant« von Petit.) Eine Immunisierung gegen die Infektion kommt jedenfalls nur in uner- heblichem Grade und selten vor. Dafür spricht schon die enorme Chronizität des Prozesses, der spontan überhaupt nicht auszuheilen scheint, ferner die Häufigkeit von Rezidiven, sei es, dass die Diplobazillen durch die Behandlung noch nicht ganz verschwunden waren, sei es durch Reinfektion. Eine gewisse persönliche ünempfänglichkeit ist aber doch möglich, wie die Befunde von Plaut und von Zelewski auf der, gesunden Bindehaut Thränensackexstir- pierter zeigen. 33* 516 Th. Axenfeld, Differentialdiagnose. Alle audereu auf der Bindehaut beobachteten Bazillen (Diphtherie- und Xerosebazillen, Kocri-WEEKSsche Bazillen und ähnliche, Bacterium coli, Friedländers Bazillen) sind teils in der Form, teils in der Färbung- grundverschieden. Die FßiEDLÄNDERschen Pneumoniebazilleu sind etwa ebensogroß, ent- färben sich ebenfalls nach Gram; sie liegen aber nicht so regelmäßig zu zweien, haben ferner auch im allgemeinen eine deuthchere Kapsel als die Diplobazillen, an denen eine solche inkonstant und vielfach gar nicht zu sehen ist. Das gleiche gilt für die den Pneumobazillen sehr nahestehenden Ozaena- bazillen. Ganz abweichend ist auch das Verhalten auf der Kultur; die Pneumo- bazillen und die Ozaenabazilleu gedeihen leicht und üppig auf gewöhnlichen Nährböden, auch bei Zimmertemperatur. Besonders charakteristisch ist be- kanntlich die »Nagelkultur« auf Gelatine^ welche beim Diplobacillus nicht vorkommt. Ferner sind die letztgenannten beiden Keime ausgesprochen tierpathogen, was der Diplobacillus nicht ist. Wie unter diesen Umständen Pes den Diplobacillus mit den Pneumo- bazillen für identisch erklären kann, ist einfach unverständlich. Der Autor hat sich auch bisher auf diese Behauptung beschränkt, ohne Beweise zu bringen. Dagegen ist der nahestehende Diplobacille liquöfiant von Petit uud der ZUR NEDDENsche Bacillus gewisser Hornhautinfiltrate noch näher zu be- rücksichtigen (s. S. 572—575). Der PETiTsche Bacillus ist im allgemeinen etwas kleiner, in der Form nicht deutlich verschieden. Er wächst jedoch auf allen gewöhnlichen Nähr- böden üppig, verflüssigt langsam Gelatine. Auch bei dem zur NEDDENscheu Bacillus ist die Lagerung zu zweien nicht so konstant, während im übrigen Form uud Größe der einzelnen Ba- zillen, die Entfärbung nach Gram, das Fehlen einer deutlichen Kapsel bei den meisten dieser Bazillen eine Aehnlichkeit bedingt. Die Kultur giebt hier sofort den Unterschied, indem die (in mancher Hinsicht der Coligruppe ähnelnden) zur NEDDENscheu Bazillen auf alleu Nährböden, auch bei Zimmer- temperatur als dicker Belag üppig gedeihen, LöFFLERSches Serum nicht ver- flüssigen, überhaupt sich vollkommen anders verhalten. Als Conjunctivitiserreger sind der PETiTsche und zur NEDDENsche Ba- cillus bisher nicht beschrieben worden*); sie kommen jedenfalls für die Deckglasdiaguose der Biudehautkatarrhe nur ausnahmsweise in Betracht. Pathologisch-anatomisch hat Stock bei der Untersuchung eines im Höllestadium der Erkrankung zur Sektion gekommenen Mannes im Bereich der Lidränder nnd der mazerierten Haut eine umfangreiche Epi- thelwucherung, Bildung drüsenähulicher Einsenkungen festgestellt. In der Bindehaut ausgedehnte Lifiltration der Mucosa mit massenhaften Becher- zellen. Die Bazillen an der Oberfläche der Schleimhaut zu färben, ge- lang nicht deutlich. Wie tief sie ins Gewebe dringen, ist demnach nicht *) AxENFEiiD und Mc.-Nale haben aus dem Sekret chronischer Conjunctivitis Diplobazillen gezüchtet, welche vorübergehend die Eigenschaften des Petit- schen Bacillus zeigten, später aber die Fähigkeit verloren, auf gewöhnlichem Nährboden zu wachsen. Spezielle Bakteriologie des Auges. 517 zu sagen; wahrscheinlich beschränken sie sieh auf die oberflächliche Epithellage. Die Therapie mit dem gerade gegen diese Infektion so wirksamen Zink (MoRAx) muss wochenlang fortgesetzt werden, um eine völlige Heilung ohne Rezidiv zu erzielen. Die etwaigen Komplikationen erfor- dern entsprechende Maßnahmen. Litteratur. Alt, American journ. of ophth., 1898, p. 171. AxENFBLD, Heidelberger Kongress 1896, Centralbl. f. Bakteriologie, 1897, Bd. 21, Nr. 1 u. Berliner klin. Wochenschrift, 1897, p. 847. Bach-Neumann, Archiv f. Augenheilk., 1898, Bd. 37, S. 57. BiARD, Etnde siir la conjnnctivite subaigue. These de Paris 1897. BiETTi, Annali d'ottalmologia, 1899. CoLLOMB, Revue med. de la Suisse Eomande, 1899, Dec. CoRSiNi, Supplemento al Policlinico, Novembre 1900. Eyre, Brit. Med. Journ., 1898, p. 1964. GiARRi & Picciii, La Settimana medica, 1898, Nr. 28 (Ref. Michel -Nagel); 1901, Nr. 8. Gefford, Annales of ophthalmology, April 1898. GoNiN, Revue medicale de la Suisse Romande, Fevrier et Mars 1899. Hoffmann, Archiv f. Ophth., Bd. 48, S. 639. 1899. 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Da der auf der Bindehaut pathogene Pneumococcus biologisch mit dem an anderen Stelleu gefundenen in allen wesentlichen Punkten über- einstimmt, sollen hier nur die klinischen und epidemiologischen Ver- hältnisse Erörterung finden, welche besonderes Interesse bieten. Vorkommen von Pneumokokken auf der gesunden Binde- haut: Den meisten der früheren Untersucher des Keimgehaltes der normalen Bindehaut ist der Pneumococcus ganz entgangen teils wegen unzureichender Nährböden, teils weil die üppig wachsenden Staphylokokken und andere Keime die Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Erst Gasparrini (1894) berichtete, ihn gefunden zu haben, und zwar virulent in der erstaunlich hohen Frequenz von 80 % . Die von ihm verwandte Methode bestand teils darin, dass ein steriler Tupfer, mit welchem eine nor- male Bindehaut ausgewischt worden war, in Bouillon gebracht und diese nach 24 Stunden einem Kaninchen injiziert wurde, teils darin, dass solche Tupfer unmittelbar unter die Haut des Versuchstieres gebracht wurden. Danach wollte Gasparrini eine Allgemeininfektion, häufig mit tödlichem Ausgang, 518 Th. Axenfeld, beobachtet habeu, dereu Ursache nach dem Blutbefimd Pueumokokkeu ge- wesen seien. Die Unzulänglichkeit dieser Methoden, welche ja nicht mit Reinkulturen arljeiteten, Avurde jedoch in meinem Laboratorium von Oj:rtzen nach- gewiesen. Nicht einmal konnte mit den genannten Methoden eine wirkliche Pnenmokokkeninfektiou erzielt werden; wo Infektion überhaupt eintrat, han- delte es sich um andere Keime. Da jedoch trotz des negativen Ausfalls dieser Versuche es nicht ausgeschlossen erschien, dass jene Tupfer doch ver- einzelte, beim Tier nicht zur Entwicklung gekommene Pneumokokken enthielten, hat Oertzex sorgfältige Kulturuntersuchungen hinzugefügt und in ca. 4 % der Gesunden einzelne Pneumokokken nachgewiesen, welche auf der Kultur eine sehr geringe Virulenz zeigten. Lawson fand ihn bei 200 Fällen zweimal, Cuenod, Rymowitsch ebenfalls nur in einzelnen Fällen. Selbst wenn man annimmt, dass einzelne Kolonieen dieses zarten Bakteriums sich doch hier und da der Beobachtung entziehen, so ist nach diesen Untersuchungen doch jedenfalls festzustellen, dass Pneumo- kokken auf der normalen Bindehaut nur selten und sehr vereinzelt nach- gewiesen werden können. Ihre Tierviruleuz ist von der Kultur alsdann eine sehr geringe. Es liegen also die Verhältnisse auf der Bindehaut nicht so, wie es nach Gasparrixis Angaben der Fall zu sein schien, wie in der Mundhöhle, in der die meisten Menschen bekanntlich virulente Pneumokokken so reichlich beherbergen, dass die Injektion von Speichel eine Pneumokokkenseptikämie hervorruft. Zur Beurteilung der Pneumokokkenerkrankung der Bindehaut ist diese Feststellung von Bedeutung. Historisches. Bereits Gasparrini hat 1893 bei Hypopyonceratitis auch auf der Con- junctiva Pneumokokken gefunden, einigemale auch l)eim Kaninchen durch Injektion unter die Bindehaut und Einstreichen von Pneumokokken in die verletzte Schleimhaut experimentell Conjunctivitis hervorrufen können. Die ersten Angaben über das Vorkommen einer »Pneumokokkenconjunc- tivitis« als einer selbständigen Erkrankung des Menschen finden sich jedoch bei Parinaud und Morax (1894). Parinaud schilderte sie bei Neugeborenen als einseitige, gutartige aber oft hartnäckige Krankheit, die hauptsächlich mit starkem ThränenÜuss und gleichzeitigem Schnupfen verläuft, in einer Reihe von Fällen mit Entzündung und Stenose der Thränenwege. Parinaud erklärte es für möglich, dass die ganze Infektion von der Nase ausgeht, hält aber die direkte Kontaktinfektion von der Vagina aus für wahrscheinlicher. Auch die ersten Fälle von Morax betrafen Kinder unter 2 Jahren; er stellte zuerst das Vorkommen leichter Pseudomembranen fest, ein Thränenleiden fehlte. Die Conjunctivitis ging in wenigen Tagen zurück. Da es nur ver- einzelte Fälle waren, bei denen zudem die Krankheit auf ein Auge beschränkt blieb, hielt Morax dieselbe zunächst nicht für kontagiös. 1896 erschienen gleichzeitig die Arbeiten von Gasparrini und von Axenfeld. Beide hatten bei zahlreichen Fällen verschiedensten Lebensalters nachweisen können, dass doch fast immer beide Augen nacheinander befallen werden, dass häufig mehrere zusammenwohnende Personen nacheinander erkranken; ich selbst beschrieb zwei ausgedehnte Epidemieen. Während jedoch Gasparrini aus seinen Fällen den Schluss zog, dass die Pneumo- kokkenconjunctivitis stets kontagiös sei und zwar in gleichem Maße wie die Kocii-WEEKSsche Conjunctivitis, wies Axenfeld nach, dass trotz der wegen Spezielle Bakteriologie des Auges. 519 der epidemisclien Verbreitung anzunehmenden Kontagiositiit vieler Fälle eine solche doch nicht konstant und jedenfalls nicht für alle Personen besteht. Beide Autoren betonten ferner, dass das klinische Bild wechselnder Intensität sei. Während ersterer eine Unterscheidung des klinischen Bildes von dem der KocH-WEEKSSchen Bazillen für undurchführbar hält, ist nach Axenfeld das Verhalten und der Verlauf der Pneumokokkenconjuuctivitis doch in vielen Fällen eigenartig. Während die eben genannten Autoren die Uebertragbarkeit aus klinischen Gründen schlössen, konnten bald darauf Pichler (1896) und besonders Giffokd (18ü6) den exakten Beweis experimenteller Uebertragung auf die gesunde mensch- liche Bindehaut erbringen. Die Arbeiten von Adler-Weichselbaum, Gonin, Junius, Morax & Petit, Bach & Netol^nx, Hauenschild, Halle, Denki, Hertel, Veasy & de ScHWEiNiTz, Brecht, Kibbe, Rymoavitsch, Lusdsgaard brachten weitere bestätigende Erfahrungen. Vorkommen. G-eographische Verbreitung, Obwohl der Pneumococcus überall sehr verbreitet und bekanntlich ])ei den meisten Menschen in der Mundhöhle nachweisbar ist, ist die Pneumo- kokkenconjunctivitis durchaus nicht überall gleichmäßig verbreitet. Zunächst ist das Vorkommen größerer akuter Epidemieen auf dieser Grundlage überhaupt noch nicht häufig beschrieben; es liegen nur die Mit- teilungen vor von Axenfeld (Marburg a. L. und Umgegend), Adler-Weich- selbaum (Sarasdorf in Niederösterreich), Junius (Königsberg in Pr.), Hauen- schild (Würzburg), Gifford (Omaha, Nebraska), Consalvo (Mailand). Es bedarf zum Zustandekommen von Epidemieen jedenfalls noch besonderer Umstände, da das endemische Vorkommen einzelner Fälle und kleiner Familien- epidemieen viel verbreiteter ist, besonders auch in Deutschland, in Italien, in den Vereinigten Staaten, Dänemark, der Schweiz, in gewissen Teilen von Russlaud (Rithowitsch in Kasan), während z. B. in Aegypten, wo doch die akuten Katarrhe der KocH-WiiEKSSchen Bazillen so überaus häufig sind, nach den übereinstimmenden Angaben von Morax und Lakah, LaivAH & Khoüri die Pneumokokkenconjunctivitis geradezu eine Seltenheit ist. Verfasser hat in Marburg, Breslau und Rostock sie sehr häufig gesehen, in Freiburg kam sie ihm bisher nur sehr selten zu Gesicht, während in letzterem Ort Koch -Weeks sehe Bazillen öfters vorkommen, die an den anderen drei Orten so gut wie ganz fehlten. Eine annähernd gleiche Frequenz der beiden haupt- sächlichsten akuten Konjnnktivitiden scheint nur von Gasparrini, Gonin und Rymowitsch beobachtet. Soweit man aus den (noch der Erweiterung bedürftigen) epidemiologischen Daten schließen kann, scheint die Pueumokokkenconjunctivitis in nördlichen Gegenden häufiger zu sein; auch ist die kältere Jahreszeit bevorzugt (Axen- feld, Gifford, Rymowitsch), wie überhaupt hier anamnestisch die »Erkäl- tung« eine besonders häufige Angabe darstellt. Es ist hier noch hervorzuheben, dass die Pneumokokkencoujunctivitis nur sehr selten mit Pneumonie zusammen vorkommt, wir kennen nur ganz ver- einzelte Fälle (Rymowitsch, Stschegolew, 1'etit) ; es ist schon selten, dass eine stärkere Bronchitis (Axenfeld) oder eine Angina (Denig) gleichzeitig vorliegt. Zu den sonstigen Pneumokokkenerkrankungen des Körpers zeigt die Pneumokokkenconjunctivitis keine häufigeren Beziehungen. Sehr oft ist dagegen unmittelbar vorher oder gleichzeitig ein Schnnpfen vorhanden. Hertel sah drei schwere Fälle nach Masern. 520 Th. Axenfeld, Klinisches Bild. Meist sehr schnell entwickelt sich das Bild des akuten Katarrhs. Der- selbe kann wechselnde Intensität und Dauer haben; es giebt sehr heftige, einer Blennorrhoe nahestehende Fälle, mit stärkerer Rötung und Schwellung, massenhafter eitriger Sekretion, und andererseits ganz leichte, abortive Er- krankungen, bei denen in wenigen Tagen die gesamte Entzündung abgelaufen ist. Schon darin liegt, dass das Bild nicht absolut charakteristisch für den Pneumococcus ist, und das klinische Verwechslungen mit andern Infektionen vorkommen können. Nichtsdestoweniger ist ein relativ charakteristisches Ver- halten unter Berücksichtigung des ganzen Verlaufs für viele Fälle vorhanden. Der Charakter der Erkrankungen scheint an verschiedenen Orten und zu ver- schiedenen Zeiten sich verschieden zu gestalten. Gasparrini und Gifford haben auffallend viel schwere Formen beobachtet, die andern Autoreu viel seltener. Die Fälle mittlerer Intensität zeigen in der Regel folgendes Bild: Im Anfange ein rosafarbenes leichtes Oedem der Lider besonders des oberen, akutes Ansteigen der Rötung der Bindehaut bei mäßiger Schwellung und ge- legentlicher oberflächlicher Pseudomembranbildnng, so dass innerhalb kurzer Zeit der Höhepunkt der Erkrankung erreicht ist, reichliche ziemlich dünn- flüssige oder wässrige Sekretion mit einzelnen weichen, eitrigen Flecken, auf- fallend starke Rötung auch der Conjunctiva bulbi, nicht selten mit kleinen phlyktäneartigen Bildungen am Limbus corneae und sehr oft kleinen ver- Avaschenen Hämorrhagieeu, besonders im oberen Teil der Conjunctiva bulbi, soweit das Oberlid dieselbe berührt. Diese Hämorrhagieeu nehmen bald eine auffallend gelbrötliche Farbe an und resorbieren sich während der Rückbildung der Entzündung schnell. Diese letztere leitet sich in der Regel auffallend jäh ein, es tritt geradezu ein kritischer Abfall der Erscheinungen ein kurze Zeit nach Erreichung des Höhepunktes, unter auffallend schnellem Ver- schwinden der bis dahin massenhaften Pneumokokken aus dem Sekret, welches während des nunmehrigen Abklingens der Entzündung häufig nur noch sog. Xerosebazillen und Staphylokokken enthält. Dieser auffallend kritische Verlauf, auf welchen Axenfeld zuerst aufmerksam machte, unter Himveis auf die analogen Erscheinungen bei der Pneumonie, ist auch bei Neugeborenen- katarrhen oft sehr auffällig (cf. auch von Ammon, Münch. Med. Wochenschr. 1900, I. S. 12). Während diese entzündlich katarrhalischen Erscheinungen auch dem akuten Schwellungskatarrh der KocH-WEEKSScheu Bazillen zukommen können, ist doch dieser eigentümlich kritische Verlauf, diese schnelle Rückbildung in den meisten Fällen auch ohne alle stärkere Therapie der Schleimhaut der Pneumo- kokkenconjunctivitis vielfach eigentümlich. Auch das sehr häufige Vorkommen eines ausgesprochenen Schnupfens ist den andern Infektionen nicht in dem Grade eigentümlich. Der »typische« Verlauf der Pneumokokkeninfektion tritt aber, wie es scheint, mehr bei Epidemieen, als bei sporadischen Fällen hervor. Doch ist er auch bei diesen oft ausgeprägt, dass auch Junius, Gifford, GoNiN, Hauenschild bei einem großen Teil ihrer Fälle aus dem klinischen Bilde die Wahrscheinlichkeitsdiagnose stellen konnten. Besonders in Gegen- den, wo der KocH-WEEK8sche Bacillus nicht vorzukommen pflegt, ist dies möglich, während in Gegenden, wo beide Infektionen grassieren, größere Zu- rückhaltung am Platze ist, wie ja überhaupt die ätiologische Diagnose aus rein klinischer Betrachtung nur eine Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen kann. Dass besonders für Kinder, wenigstens bei manchen Epidemieen, eine Disposition besteht, konnte ich daran nachweisen, dass z. B. in einem Dorf Spezielle Bakteriologie des Anges. 521 zahlreiche Kinder, aber nicht ein Erwachsener erkrankten, obwohl letztere beim Fehlen aller Vorsichtsmaßregeln reichlich mit dem Infektionsstoff in Berührung kamen. In diesem Sinne ist die Pneumokokkenconjunctivitis eine Kinder- krankheit, wie die Masern, wenn sie auch gelegentlich Erwachsene befällt. Auch JuNius und Hauenschild bestätigen dies. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht auch, dass bisher noch keine größere Epidemie Erwachsener be- schrieben ist, während der KoCH-WEEKSsche Bacillus solche oft hervorruft. Es erscheint nicht unmöglich, dass bei Erwachsenen in größerem Umfange eine gewisse Pneumokokkenimmunität der Bindehaut besteht. Dass ganz oberflächliche Pseudomembranen sich bilden können, ist schon erwähnt; schwerere pseudomembranöse Formen nur durch Pneumokokken sind jedoch selten. Krupöse und diphtherieartige Fälle sind von Wagner, Pes, GoNiN, MoRAX & Petit, Frugixeli, Kimpel, Hertel, beschrieben; der letztere Autor sah sie sich unmittelbar an Masern anschließen. Wie Gasparrini, Bardelli, Axenfeld, Rymoavitsch beobachteten, kann sich zur Pneumokokkenconjunctivitis, auch ohne Vermittlung einer Hornhaut- beteiligung, eine Iritis hinzugesellen, wohl durch Resorption der Toxine. Gas- PARRixi, welcher relativ viele schwere Fälle sah, nennt sie sogar häufig im Beginn der Krankheit, ebenso Rymoavitsch. Solche Fälle, bei denen heftige Schmerzen und Schwellung der Präaurikulardrüse zu bestehen pflegt, gleichen dem von Parinaud und Morax bei »lakrymaler Streptokokkenconjunctivitis« beschriebenen Bilde. Die Iritis kann die Pneumokokkenconjunctivitis überdauern, wie besonders Rymowitsch hervorhebt und wie auch ich beobachtet habe. So häufig an sich die Infektion der Cornea mit Pneumokokken (Ulcus serpens) nach kleinen Verletzungen ist, so selten ist sie bei der eigentlichen Pneumokokkenconjunctivitis. Wie die Versuche von Coppez zeigen, hat das Pneumokokkentoxin auf das intakte Kornealepithel nur sehr wenig oder gar keinen Einfluss; es kommt daher, wenn nicht eine zufällige Verletzung mit- spielt, nur ausnahmsweise eine Ansiedelungsgelegenheit zustande. Gasparrini sah mehrmals sog. katarrhalische Infiltrate und Ulcera. Gifforu, Junius sahen einigemale Infiltrate; ganz selten sind schwere Zerstörungen vorge- kommen (Gasparrini, Wagner, Hertel). Oertzen beschreibt eine schwere Wundinfektion durch eine interkurrente Conjunctivitis. Die erhebliche Bedeutung der Pneumokokkeninfektion für die Bindehaut des Neugeborenen, welche schon Morax und Parinaud betonten, tritt auch in den Arbeiten von Axenfeld, Groenouw, von Ammon, Lundsgaard, ScmnDT-RiMPLER hervor. Dieselben stimmen darin überein, dass diese Katarrhe wesentlich gutartiger als die Gonorrhoe zu sein pflegen. Scliwere Fälle von Blennorrhoea neonatorum durch Pneumokokken (Gasparrini) sind jedenfalls sehr selten. In einem Lande, wo Trachom sich findet, kann, wie die Mitteilungen von Gasparrini, Gifford, Junius, Lakah & Khouri, RYM0\\^TSCH zeigen, sich die Pneumokokkenconjunctivitis zum Trachom hinzugesellen, also dasselbe ;>akut« oder »flüssig« machen. Dabei ist aber auffallend, dass z. B. in Aegypten, wo die Kombination mit KocH-WEEKSschen Bazillen enorm häufig ist, die Mischinfektion mit Pneumokokken selten ist, wie überhaupt die Pneumo- kokkenconjunctivitis die kälteren Klimate zu bevorzugen scheint. Eine Entstehung von Follikeln bei der Pneumokokkenconjunctivitis ist nur einigemal und in geringem Umfange beobachtet worden (Axenfeld, Junius). Wo solche sich reichlich finden, haben sie in der Regel präexistiert und das Bild des Trachoms entsteht nie allein durch Pneumokokkeninfektion. Gasparrini hat angegeben, dass durch eine hinzutretende Pneumokokken- infektion ein Trachom gebessert werde. Ferri hat daraufhin empfohlen, 522 Th. Axenfeld, zur Behandlimg des Traclioms Pneumokokken auf die Bindeliaut zu impfen. Dieselbe Angabe findet sich bei Rymowitsch, der ebenfalls darauf eine »Bakteriotherapie« des Traclioms zu gründen hofft. Ob diese Hoffnung sich in größerem Umfang bewahrheiten wird, bleibt abzuwarten, weil Gifford und Juxius, welche diese Kombination öfter sahen, nichts von Besserung berichten. Es müsste schon dem Pneumococcus eine besondere Heilkraft gegen das Trachom innewohnen , da im übrigen Sekundärinfektionen , besonders die so häutig mit dem KoCH-WEEKSschen Bacillus und die mit Gonorrhoe, für die Granulöse keine erkennbare Besserung bringen. üebertragung. Empfänglichkeit. Die artefizielle Erzeug'ung eiuer PneumokokkencoDJuuctivitis bei Ver- suchstieren g-eling-t nur ausnahmsweise. Garparini Jberichtet von posi- tiven Resultaten, die er nach Skarifikation der Bindehaut erzielte: Uhthoff & Axenfeld sahen nach Hornhautimpfungen einige Male schwere Bindehautentzündungen entstehen. Im allgemeinen aber ist die Bindehaut des Kaninchens sehr wenig empfänglich, wie die negativen Versuche Nöldekes zeigen. Mit diesen Ergebnissen ist die pathogene Bedeutung für die Binde- haut des Menschen trotzdem wohl vereinbar. Das Vorkommen von Epidemieen mit dem charakteristischen Befunde massenhafter Pneumokokken im Sekret sprach schon für üebertragung. Der exakte Beweis ist von Gifford nnd von Pichler geliefert worden, "welche mit Reinkulturen dasselbe Bild auf der menschlichen Bindehaut erzeugten; ihnen gesellt sich eine weitere Impfung von Haüexschild bei, Pichler macht über diese Impfung keine näheren Angaben. Gifford hatte anfangs mit aeroben Kulturen keinen Erfolg, mit anaeroben da- gegen trat Conjunctivitis bei ihm ein, ebenso (wie auch Haiensciiild) mit Sekretflocken, nach einer Inkubation von ca. 48 Stunden. Wie Halle ausführt, scheint in anderen Fällen die Inkubation länger zu dauern. Er beobachtete den Beginn bei einem Arzte 7 Tage nachdem demselben Empyemeiter ins Auge gespritzt war. Diesen positiven Erfolgen stehen gegenüber die Ergebnisse Axex- FELDS, Avelcher bei 8 Sekretübertragungen keine Reaktion erliielt, auch nicht bei einem Kinde. Damit ist das Factum nachgewiesen, dass es außer der Kontaktinfektion einer ausgesprochenen individuellen Empfänglichkeit bedarf. Es ist ferner die Möglichkeit zu erwägen, dass manchem Sekret an sich vielleicht nicht die Fähigkeit innewohnt, eine Kontaktiufektion bei andern hervorzurufen. Das geht auch daraus her- vor, dass GiFFORD, dessen Bindehaut sich bei einer späteren Impfung als empfänglich erwies, nach der ersten, kurze Zeit früher vorgenommenen Sekretübertragung nicht erkra;ikte. Die durchaus bedingte Uebertragbarkeit ergiebt sich auch daraus, dass sehr oft ganz isolierte sporadische Fälle vorkommen, wo trotz reichliclier Absonderung und reichlicher Uebertragungsgelegenheit nie- mand sonst erkrankt. Auch das Freibleibeu der Erwachsenen bei manchen Epidemieen spricht dafür. Da eine Pneumokokkenimraunität im Anscliluss an Pneumonie bekannt ist, wird man auf Immunität diese Erscheinung ö in erster Linie zurückführen. Da die meisten Menschen Pneumokokken beherbergen, kann eine solche Bindehautentzündung, analog der Pneumonie, auch entstehen durch Virulenter werden der Keime oder durch Schwächung der Widerstands- Spezielle Bakteriologie des Auges. 523 kraft; vielleicht, dass die so häutig- bei diesen Fällen angegebene »Erkältung« wie überhaupt WitteruugseiutlUsse eine Rolle spielen. Es ist also einerseits die Möglichkeit vorhanden, dass die Krankheit als eine Art »Selbstinfektion« entsteht, andererseits besitzt ihr Sekret unter Umständen eine zweifellos kontagiöse Beschaffenheit für die Binde- haut, doch bei weitem nicht in dem Grade, wie das Sekret der Koch- WEEKSschen Bazillen, der Gonokokken und der Diplobazilleu. — Wieweit der einzelne Anfall von Pneumokokkencoujunctivitis Immu- nität erzeugt, ist noch genauer festzustellen. Gifford, der sich selbst mit Erfolg geimpft hatte, blieb bei Uebertragung einer zweiten Sekret- flocke einige Wochen später gesund. Da er jedoch bei der aller- ersten Impfung (vor jener erfolgreichen) auch nicht erkrankt war, obwohl er damals empfänglich gewesen, so müsste zum Beweise, dass die letzte Impfung mit wirklich kontagiösem Material geschah, mit demselben eine weitere positive Uebertragung auf einen anderen Menschen ausgeführt worden sein. Solch ein Experiment würde be- sonderes Interesse bieten. Sekretbefund. Kultur. AVährend des Ansteigens und auf der Höhe der Erkrankung sind die Pneumokokken in der Kegel sehr massenhaft, in typischer Form und in Keiukultur vorhanden, besonders in den kleinen Eiterflocken; sie liegen gern in Zellen, aber vielfach auch frei. Abweichend von dem Lungenauswurf ist, dass im Bindehautsekret eine Kapsel viel weniger deutlich hervortritt. Wenn auch viele der Diplokokken kurz und rundlich erscheinen können, vermisst man doch niemals typische längliche ! - t Formen in größerer Zahl. Daran, unter Zuhilfenahme der GRAMSchen Färbung, 5= ,^ sind sie schon im Sekret '"'' i^ sicher zu erkennen und von - * andern Diplokokken (Gono- kokken, Staphylokokken) zu unterscheiden. Auch die von Fränkel als Meningo- kokken beschriebenen Kok- ken nehmen diese längliche Form nicht an, waren auch Fig. 13. Sekret einer Pneiuuokokken- weniger ausgesprochen nach Conjunctivitis. Gram färbbar. Auf der Kultur verhalten sie sich durchaus charakteristisch; die Neigung zur Kettenbildung pflegt sehr ausgesprochen zu sein (Kruse & Pansinis »Streptococcus der Schleimhäute«). Die Tiervirulenz ist in der Regel gering; von den heftigeren Fällen aber gelingt es in der Regel, eine tödliche Septikämie hervorzurufen, nach Gifford besonders von anaeroben Kulturen. Ich finde, dass besonders das kokkenhaltige Kondenswasser frischer Serumkulturen eine größere Virulenz zeigt. Sobald die Entzündung abzufallen beginnt, treten die bis dahin oft reinen Pneumokokken schnell im Sekret zurück, während die sogenannten 524 'i^h- Axenfeld, Xerosebazillen imcl die Staphylokokken sieh wieder hervordrängen und in dem abklingendem Sekret sich massenhaft finden können. Mischinfektionen mit den andern bekannten Conjunctivitiserregern sind nicht häufig. Litter atur, Adler-Weichselbaum. Das österreichische Sanitätswesen, 1897, Nr. 20. VON Ammon, Münch. med. Wochenschr.. 1900, Bd. 1, S. 12. Axenfeld. Vortrag im ärztl. Verein Marburg, 1895 (Berliner klin. Wochenschr., 1896, Nr. 6); Verhandinngen der ophth. Gesellsch. Heidelberg, 1896; Deutsche med. Wochenschr., 1898, Nr. 1. Brecht, Charite-Annalen, Bd. 24, 1899. CoNSALVO, Gazzette degli ospedali e delle cliniche. Milano, vol. 21, Nr. 117. p. 1227. Coppez, Verhandlungen des IX. Internat, ophth. Kongresses in Utrecht, 1899, S. 72. CuENOD, Comptes rendiis du congres frangais d'ophth., 1895, p. 534. Denig, Zeitschr. f. 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Die Bseudomembranbildung ist ein Symptom ver-- schiedenartiger Infektionen, wenn auch zu betonen ist, dass bei Anwesenheit von Löfflers Diphtheriebazillcn sowie des Strepto- coccus pyogen es die Neigung ganz besonders hervortritt. Besonders eingehend finden sich die wechselnden klinischen Verhältnisse im Ver- gleich zum bakteriologischen Befund in der Monographie von Coppez Spezielle Bakteriologie des Auges. 525 erörtert*). Sourdille betont aii der Hand von Experimenten und mi- kroskopischen Untersiicliungeu die Analogie, dass man mit ein und dem- selben chemischen Agens je nach seiner Menge, Konzentration, Dauer der Einwirkung alle Grade der Verätzung vom leichten Katarrh bis zur Bildung krupöser Membranen und zur schweren, diphtherieähnlicheu Nekrose hervorrufen könne. An die genannten beiden Keime hat man auf der Bindehaut in erster Linie zu denken, und zwar sowohl bei leichteren Fällen, sogenannter Conjuncti\itis cruposa als auch bei schweren nekrotisierenden Formen, welche klinisch im eigentlichen Sinne als »Diphtherie<: imponieren. Dass auch die klinisch gutartige Conjunctivitis cruposa mit virulenten Loeff- LERschen Diphtheriebazillen sich finden kann, ist abgesehen von einer wenig beachteten Mitteilung von Gallemaerts (1891) und einer sol- chen von Deyl (1892) besonders durch die wichtigen Arbeiten von Sourdille, Fränkel und Uhthoff festgestellt worden, welche bald von allen Seiten (Schirmer, Vossius, Coppez, Gosetti-Jona, Sidney- Stephenson u. a.) bestätigt worden sind**;. Von einer näheren Be- sprechung dieser bakteriologischen Befunde soll an dieser Stelle abge- sehen werden, da dieselben wie überhaupt die Biologie und Pathogenität des LöFFLERschen Diphtheriebacillus in dem Kapitel »Diphtherie« ihre Erörterung gefunden haben. Auch die Differentialdiagnose und Stellung der Befunde zu den sogenannten Xerosebazilleu bleibt aus diesem Grunde hier außer Betracht. Nur so viel sei hier erwähnt, dass die außerordentliche Frequenz der sog. Xerosebazillen, d. h. nicht giftiger Bazillen der Diphtheriegruppe im Kon- junktivalsack die Feststellung der giftigen LöFFLERschen Bazillen insofern besonders erschwert, als es zu derselben notwendigerweise des Tierversuchs bedarf, da die rein morphologischen und kulturellen Eigenschaften nicht immer ausschlaggebend sind. Die M. NEissERsche Körnchenfärbuug, obwohl auch kein absolutes Unterscheidungsmittel, ist insofern praktisch nützlich, als ihr positiver Ausfall (in typischer Weise und innerhalb der vorgeschriebenen Zeit) sich Aveitaus in der Regel mit dem Vorhandensein pathogener Di- phtheriebazillen deckt, während die ungiftigen sog. Xerosebazillen, auch die von Katarrhen gezüchteten die Färbung nicht typisch oder doch erst später zu liefern pflegen, wie ich nach Heinersdorffs, Naito-Biettis und meinen eigenen Erfahrungen sagen kann. Jedenfalls steht für unsere kUnische Beurteilung die Frage im Vorder- grund, ob wir giftliefernde Bazillen vor uns haben oder nicht, mag man die sog. Xerosebazillen nun mit den Diphtheriebazillen identifizieren (Schanz, Peters, Pes, Behring, Hlava u. a.), oder mag man in ihnen nahverwandte Angehörige derselben Gruppe sehen, die aber nicht ineinander übergehen. Bisher ist der Beweis noch nicht geliefert, dass aus den sog. Xerosebazillen sich virulente Diphtheriebazillen entwickeln können. Das ist eine otfene Frage. Bezüglich der pseudomembranösen Conjunctivitis durch Strepto- kokken ist zu betonen, dass grade diese oft sehr schwere mortifizie- rende und nicht selten tödliche Infektionen verursacht. Sie ist auch als *] In manchen Einzelheiten sind seine Darlegungen allerdings nicht ganz zu- treffend. Siehe »Ergebnisse« 1895/1896 S. 568ff. (Bakt. d. Auges. **; Die umfangreiche Kasuistik siehe in Axenfeld »Bakteriologie des Auges*. Ergebnisse von Lubarsch-Ostertag, 1894—1900. 526 Th. Axenfeld, »Scliarlachtliplithcrie« der Conjimctiva beobachtet (Uhthoff). Auch die MiscbuDg von Streptokokken mit Dipbtberiebazillen gestaltet das Krauk- heitsbild auf der Bindehaut in der Regel schwerer. Die Beteiligung der Cornea an der Bindehautdiphtherie kann nach den Versuchen von Coppez durch das Diphtherietoxin eiugeleitet werden, welches das Kornealepithel lockert und auch in das Parenchym eindringt. Diese Veränderungen zeigen sich aber erst nach einer 24 — 48 stündigen Inkubation, nach Fortlassen des Toxins. Dann erst beginnt die Cornea sich zu trüben. Die eigentlichen Vereiterungen der Cornea werden in der Eegel durch sekundäre Infektion mit Eitererregern hervorgerufen. Des- halb bleibt eine schon eingetretene Hornhauteiterung von der im übrigen wirksamen Serumtherapie oft unbeeinflusst*). Dass aber gelegentlich auch die Diphtheriebazillen allein ein schweres eitriges Hornhautinfiltrat hervorrufen können, hat Uhthoff experimentell beim Kaninchen nach- weisen können. Die gleiche Inkubation fanden Morax & Elmassian für die Bindehaut. Nach mehrstündiger Einträufelung von Diphtherie- toxin auf die intakte Bindehaut trat nach obiger Inkubationszeit eine typische pseudomembranöse Bindehautentzündung ein**). Damit ist der Beweis geliefert, dass das Diphtheriegift auch für sich allein zur Erzeugung einer Conj. pseudomembranacea imstande ist. Damit steht nicht im Widerspruch, dass der virulente Diphtheriebacillus für gewöhnlich auf der menschlichen Bindehaut sich nur zu finden pflegt, wenn durch ein Lidekzem oder skrofulöse Veränderungen der Boden vorbereitet war (Uhthoff). Er haftet offenbar nicht leicht. Von Interesse ist, dass Coppez auch bei einem der merkwürdigen Fälle von chronischer Bindehautdiphtherie, welche bis ein Jahr lang dauert, Diphtheriebazillen nachwies. Die Litteratur dieser im übrigen noch nicht genügend erforschten Form findet sich dort zusammengestellt. Für manche Fälle erscheint es fraglich, ob nicht ein Pemphigus vorlag. Wie schon in den einzelnen Kapiteln erörtert wurde, kann auch bei der Conjunctivitis durch Koch-Wp:eks Bazillen, durch Pneumokokken sowie durch Gonokokken eine Pseudomembranbiklung sich zeigen. Dieselbe beschränkt sich in der Regel auf oberflächliche, leicht abziehbare Membranen. Es sind aber einzelne Fälle beschrieben, wo auch Pneumokokken schwere pseudo- membranöse Bilder machten (Becker, Röscher, Kijh^ee, Hertel, Frugi- XELLi); rechnet man die »Conjonctivite suraiguc« von Sameh-Bey zur Infek- tion mit KocH-WEEKSschen Bazillen, so würde auch diese eine schwere Pseudomembranosa mit akuter Nekrose der Cornea darstellen können. Für die Bildung leichter Pseudomembranen, z. B. nach Verletzungen, sind Peters und Kruse geneigt, auch den avirulenten sog. Xerosebazillen eine gewisse Mitwirkung zuzuerkennen. Wie die Befnnde von C. Fr^vnkel, Uhthoff, Röscher zeigen, kann ausnahmsweise auch der Gonococcus ein vorwiegend pseudomembranöses Bild liefern; leichtere Grade von Pseudomembranbildung sind bei der Gonorrhoe bekanntlich nicht selten. Das gleiche war der Fall *) Man muss bei der Beurteilung des übrigens auch lokal (CoprEz) anwend- baren Serums berücksichtigen, dass auch ohne dasselbe viele derartige Fälle relativ schnell abheilen; auch wird von Vossius nnd Schmidt- Rimplf.r betont, dass die Fälle mit L(»FFLERschen Bazillen zwar, wie das allgemein beobachtet ist, die eklatanteste Wirkung zeigen, dass aber auch gelegentlicli Fälle anderer Aetiologie beeinflusst scheinen. Ein exakter Beweis für letztere Auffassung würde jedoch erst iiu-< enem Vergrleich größerer Serien hervorgehen. ** Wenn Valenti bei seinen Toxiuveisuchen mit Diphtherietoxin nur geringe Reizung erhielt, so liegt das wohl daran, dass er nicht lange genug einträufelte. Spezielle Bakteriologie des Auges. 527 bei den vou C. Fränkel beschriebenen »Meningokokkeufällen« 's. u.). Es sind sclüießlich solche mit ausschließlichem Staphylococcus pyogenes aureus (BiETTi u. a), sowie einzelne mit FRiEDLÄXDERSchen Pneumobazillen be- schrieben (Brayley & Eyre); ein Fall von Taylor zeigte Reinkultur von Bacterium coli.*) Auch für die genannten verschiedenen Mikroorganismen, die übrigens auch in mannigfacher Mischung sich finden können, ist das kliuische Bild ein wechselndes. Zusammenfassend Avird mau trotzdem sagen müssen, dass alle die anderen Keime hinter den Diphtheriebazillen**) und den Streptokokken, was die Häufig- keit bei der pseudomembranösen Conjunctivitis, besonders der aus- gesprochen diphtherischen Form, weit zurückstehen und dass die schweren, nekrotisierenden Formen häufiger Streptokokken enthalten, allein oder mit LöFFLERSchen Diphtheriebazillen. Es sind schließlich die Fälle nicht so selten, wo eine ausgesprochen kru- pöse Conjunctivitis gar keinen verwertbaren bakteriologischen Befund auf- weist. Nach der Erfahrung von Peters und Axenfeld kommt dies beson- ders bei sog. skrofulösen Entzündungen vor, die sich bis zu dieser Höhe steigern kötnnen, ohne nachweisbare bakterielle Ursache. Virulente Diphtheriebazilleii wie auch Streptokokken können sieb auch ohne deutliche Pseudomembranbilduug- bei einfaclier Conjunctivitis linden. Es entspricht das den analogen Befunden auf anderen Schleim- häuten, besonders der Nase (cf. Neümann, Centralblatt für Bakterio- logie 1902). Für den Diphtheriebacillus liegt ein solcher Fall von A. von Hippel und C. Fränkel vor. Vossius betont, dass es Fälle gebe, avo die Membranen schnell verschwinden und dann das Bild einer einfachen bezw. blennorrho'ischen Conjunctivitis besteben bleibe. Pichler und Wagner sahen auf dem einen Auge eine typische C. pseudomembrauosa;, auf dem andern einfachen Katarrh. Pes berichtet, auffallend häufig echte Diphtheriebazillen bei einfacher Bindehautentzündung gefunden zu haben. Er will überhaupt den infektiösen Scbwellungskatarrh in erster Linie anf diese Keime zurückführen, indem er die sogenannten Xerosebazillen mit ihnen identifiziert und als pathogen bezeichnet; letzteres will Pes durch sehr genaue Prüfung auch schwacher Virulenzgrade und deren Verhalten gegen BERiNGSches Antitoxin nachgewiesen haben***). Allein diese Angaben sind von Bietti und Xai ro, die in meinem Laboratorium eine Serie von 100 Fällen genau auf diese Frage studierten, durchaus nicht bestätigt worden. Die beim einfachen, nicht pseudomembranösen Katarrh von Bietti ge- fundenen Bazillen zeigten von 100 Stämmen nicht die geringste Giftwirkung; ihre Uebertragung auf menschliche Bindehaut verlief vollkommen negativ ; es gelang nicht, mit ihnen irgend welche Immunisierung gegen virulente Di- phtheriebazillen vorzunehmen, so dass für diese Fälle jeder Beweis fehlt, dass *) Die Litteratur dieser Fälle: siehe die Verzeichnisse in meinen Zusammen- stellungen »Ergebnisse« von Lubarsch-Ostertag, Bakter. d. Auges. 189-4—1900. **! Mitunter entwickelt sich auch eine Lidhautdiphtherie mit schwerer Nekrose Steffens). ***; Pes hält sogar diese Bazillen für das wirskame Agens der Koch-Weeks- schen Bazillenconjnnctivitis, die er mit den Diphtheriebazillen identifiziert. Diese total falsche und ganz unverständliche Behauptung bedarf keiner besonderen Widerlegung. Man vergleiche das Kapitel über KocH-WEEKSSche Bazillen. 528 Th. Axenfeld. ihnen eine patliogeue Bedeutung zukam. Ganz ebenso lauten die Angaben von Gromakowski, der l)ei 60 Stämmen, die zumeist von Bindeliautkatarrhen gezüchtet waren, keinerlei Tierpathogenität feststellen konnte. Es sind ja nun gewiss prozentuale Verschiedenheiten bei dem Materiale der verschie- denen Autoreu möglich. Die Angaben vou Pes aber müssen zum mindesten als nicht allgemein maßgebend bezeichnet werden, und es ist daran festzu- halten, dass virulente Diphtheriebazillen bei dem Bilde der einfachen Binde- hautentzündungen zwar gelegentlich vorkommen können, im allgemeinen aber keine wesentliche ätiologische Rolle spielen; für akute Epidemieen dieses klinischen Bildes kommen sie ebenfalls praktisch kaum in Betracht. Wenig- stens fehlt dafür jeder Beweis. Wenn man Bazillen dieser Gruppe bei den einfachen Katarrhen, auch den epidemischen, so häufig findet, so handelt es sich zumeist nur um eine Vermehrung der ja auf der normalen Bindehaut schon konstanten sog. Xerosebazillen. Es scheinen also die »Diphtheroide« im Sinne Behrings auf der Bindehaut keine häufige Erscheinung zu sein; im Gegenteil ist der Befund der sog. Xerosebazillen bei den verschiedenen Formen der Conjunctivitis im allgemeinen im Sinne als der eines ätiologisch bedeutungslosen Befundes anzusehen. Wenn virulente Diphtheriebazillen auf der Bindehaut vorkommen, so findet sich in der Regel Pseudomembranbildung. Auch ihre Existenz auf normaler Bindehaut, die natürlich gerade so zu be- urteilen ist wie im normalen Rachen, ist eine Seltenheit (Pichler, Uhthoff, Wagner, Plaut und von Zelewski), da sehr große Serien von Virulenz- bestimmungen der Bazillen der normalen Bindehaut, Avie sie Heinersdorff vornahm, absolut negativ ausfielen. Weitere große Untersuchungsserien wären für diese Frage erwünscht. Damit ist auch der Bacillus »septatus« von Gelpcke besprochen. Dieser Keim ist mit den sog. Xerosebazillen identisch, seine pathogene Bedeutung für den epidemischen Schwellungskatarrh, den jener Autor auf ihn zurück- führen wollte, ist keineswegs erwiesen. Im Gegenteil erscheint es durchaus möglich, dass Gelpcke die eigentlichen, vielleicht schwer züchtbaren Erreger entgangen sind, während die Xerosebazillen sich entwickelt haben, wie dies in der Geschichte der Ophthalmobakteriologie oft genug passiert ist. Haben doch die ersten Untersucher der KocH-WEEKSSchen Bazillen-Conjunctivitis, welcher übrigens klinisch die Epidemie von Gelpcke in vieler Hinsicht gleicht, regelmäßig auf der Kultur den Xerosebacillus erhalten, wie ebenso kürzlich Pes, der daraufhin fälschlich beide Bazillen identifiziert; ist er doch auch für den Erreger des Trachoms erklärt Avorden. Gelpcke hat anfangs das Vorkommen dieser Keime schon auf normaler Bindehaut, die er fälschlich für steril erklärte, nicht genügend berücksichtigt. Auch seine angeblich positiven Impfungen auf die menschliche Bindehaut sind nicht einwandsfrei, da die betreffenden skrofulösen Personen schon vorher Bindehautreizung hatten. Die entstandene Reizung entsprach auch nicht ganz dem Bilde des betr. Schwel- lungskatarrhs. Man müsste also beweisendere Ergebnisse fordern. Bei zweien von den zwölf genauer untersuchten Bazillenstämmen trat eine mäßige Meer- schweinchenpathogenität hervor. Es ist möglich, dass es sich dabei um Diphtheriestämme handelte. Dass aber die große Epidemie von über 1500 Personen auf diese Bazillen zurückgeführt werden dürfte, lässt sich nicht be- haupten. Der »Bacillus septatus« kann vielmehr keinen Anspruch darauf erheben unter die ZAveifellosen akuten Conjunctivitiserreger aufgenommen zu werden; noch weniger ist es richtig, wenn Gelpcke sein Vorkommen als charakteristisch für den epidemischen Schwellungskatarrh bezeichnete. — Auch für den Streptococcus pj^ogenes ist es nicht häufig, dass durch ihu nicht-pseudomembran()Se Conjunctivitis entsteht. Relativ am häufigsten ist Spezielle Bakteriologie des Auges. 529 dies beobaclitet bei der sog. lakrymalen Conjunctivitis (Pakixaud, Mo- RAx), die sich an Stenosen im Ductus nasolacrimalis anschließt, und bei der unter schmerzhafter Anschwellung der Präaurikulardrüse und leichten Fieber- erscheinungen sich eine heftige Entzündung der Bindehaut ausbildet, zu der meist bald iritische Reizung durch Resorption der Toxine ins Auge hinzutritt. Diese letztere Erscheinung, welche eigentümlicherweise ohne erkennbare Ver- änderung in der, doch von dem Gifte auch durchsetzten Hornhaut vor sich geht, ist übrigens nicht nur der Streptokokkeninfektiou der Hornhaut eigen- tümlich, sondern findet sich gelegentlich auch bei der Pneumokokkeninfek- tion (siehe dieses Kapitel). Beim Tierversuch besitzt das Streptokokken- filtrat jedoch in erheblich höherem Grade die Fähigkeit eine solche »Diffu- sionsiritis« zu erzeugen, wie Bardelli durch protrahierte Einträufelungen nachwies, während Pneumokokkenfiltrate keine deutliche Iritis beim Kanin- chen hervorriefen. Was die Uebertragbarkeit der pseudomembranösen Piindehautentzün- dung-en anbetrifft, so gelten für die mit Diphtheriebazillen die für diese Keime bekannten Erfahrungen. Wiederholt sind in Kraukenhäusern kleine Epidemieen beobaclitet worden, die durch ein mit solcher Conj. cruposa behaftetes Kind eingeschleppt wurden (Schirmer, Vossius). Im Anschluss an eine Conj. diphtherica ist schwere Rachendiphtlierie vorgekommen. Eigentliche Epidemieen von Streptokokkeninfektionen der Bindehaut sind bisher nicht bekannt geworden. Doch sprechen Beobachtungen von Vossius dafür, dass eine Kontaktübertragung möglich ist. Litter atur. Ammann, Klin. Monatsbl. f. Augenheilk., 1897, S. 135. AxENFELD, Beiträge zur Aetiologie der Konjunktivalentzündungen. Heidelberger ophthalmologischer Kongress, 1896. »Ergebnisse« von LuBARSCH-OsTERTAa, 1891—99. Basso, XV. Congresso dell' associazione oftalmologica italiana. Torino 1898. Becker, Inaug.-JDiss., Jena 1897. BiETTi, Annali d'ottalm., vol. 27, 1898, p. 441. — Ders. , Festschrift für Manz, Beilageheft der klin. Monatsbl. f. Augenh., 1903. Bd. 41. Brayley & Eyre, Ophth. Soc. London, 19. Nov. 1896. Ophth. Review 1896, p. 338. CoppEZ, H., Des conjonctivites pseudomembraneuses. Bruxelles 1897. Deyl, lieber Aetiologie des Chalazion, 1893, Prag. Fränkel, C, Hygien. Rundschau Nr. 7, 1898. Fränkel, K., Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 31, Heft 2, 1899. Gallemaerts (1893), cit. von Coppez, Des conjonctivites pseudomembraneuses etc., Bruxelles 1897. Gelpke, Bacillus septatus, Karlsruhe 1898. GoNiN, Revue m^d. de la Suisse Romande, Fovrier et Mars 1899. Gosetti-Jona, Riforma medica, vol. 4, 1897, p. 543, 554. ferner Annali di ottal- mol. 1898, p. 50. Gromakowski, Centralbl. f. Bakt., 1902. Haab, Correspondenzbl. f. Schweiz. Aerzte, 1897, Nr. 3 u. 4. Heinp:rsdorff, Archiv f. Ophth., Bd. 46, 1, S. 1, 1898. Hertel, Arch. f. Ophth., Bd. 53, 1902, S. 503 (Pneumokokken). HowE, Trausact. of the Americ. ophth. Soc. Thirty-third Annual Meeting, p. 36 (Centr. f. Augenheilk.). Mongour, Annal. d'oculist.. t. 120, 1898, p. 53 u. Revue generale d'ophth., 1898, p. 316. MoRAx & Elmassian, Annal. d'oculist., t. 71, 1899 u. Verhandl. d. Internat, ophth. Kongr . Utrecht, S. 465. MoRAx, These de Paris, 1893. MoRAx & Petit, Annal. d'oculiste, t. 70, p. 161. 1898. Müller, L., Archiv f. Augenheilk., Bd. 40, 1899, S. 13. Handbucli der patliogenen Mikroorganismen. III. 34 530 Th. Axenfeld, Pes, Giornale della R. Accademia di Medicina di Torino, vol. 00, p. 85, 1897. — Ders.. Sulla sieroterapia delle con^iantiviti pseudomembranöse. 1899. — Ders.. Archiv f. Augenheilk., 1902. Bd. 38. Peters. Klin. Monatsbl. f. Augenheilk.. 1895. p. 370. PiCHLEK. Beitr. z. Augenh., Bd. 2. S. 293, 1876. Sc'HAXZ, Zeitschr. f. Augenheilk., 1900. Nr. 3; Deutsche med. Wochenschr., 1898, Nr. 33; Archiv f. Augenheilk., Bd. 33, 1896, ö. 224; Berl. klin. Wochenschr., 1896. Nr. 2. ScmRMER, Archiv f. Ophthal., Bd. 40, 5. 1894. — Ders., ebd., Bd. 42, 1, S. 131, 1896. Steffens, Klin. Monatsbl. f. Augenheilk.. 190O, S. 339. Sydney -Stephenson, Transact. of the ophthalmol. Soc. of the United Kingdom, vol. 22. 1902, S. 59. SoiTtDiELE, G., Archives d'ophtalm., t. 14. Janvier 1894. Taylor, Lavori della clinica ocnlistica di Napoli. 1896, vol. 3, fasc. 4, p. 273. Uhthoff, Bakteriologische Untersuchungen bei Diphtherie d. Bindehaut. Wiener Naturforscherversammlung 1894. — Ders., Berlin, klin. Wochenschr., Nr. 34 u. 35. 1894. — Ders., Diskussion zu dem Vortrag Groenouw. Ophth. Heidelberger Kongress, 1898, S. 272. Valenti, Archivio di Ottalm., vol. 8. p. 20, 1900. Valude, Annal. d'oculist.. t. 119, p. 328, 1898. Veillon & MoRAx, Societe d'ophth. de Paris 1900; Revue generale d'ophth. 1900. ViLLENEUVE. These de Paris. 1896 u. Arch. dophth.. t. 16, p. 587. Vossius, Abhandlungen ans dem Gebiet der Augenheilk. Marhold, Halle 1896. Ferner Deutsche Praxis. Bd. 3, Heft 22, 1901. Wagner . Ein Beitrag zur Frage der Heilserumtherapie bei der Conjunctivitis diphtherica. Inaug.-Diss., Gießen 1898. V. Blennorrhoe und Neugeborenenkatarrlie. Die Wirkimg- des Gonoccoeus auf die Bindehaut ist im Vergleich mit der Urethritis bekanntlich insofern eigenartig, als 1. die durch ihn hervorgerufene Conjunctivitis nicht in dem Grade ein einheitliches klinisches Bild darbietet, wie es bei der Urethritis go- norrhoica der Fall zu sein pflegt; 2. das Bild der »Blennorrhoe«, wie es in erster Linie bei Einwirkung des Gonococcus zustande kommt, auf der Bindehaut gelegentlich auch durch andere Schädlichkeiten hervorgerufen werden kann, also nicht so ausschließlich gonorrhoisch ist, wie es bei der Urethra der Fall ist*); 3. eine eigentlich chronische Gonorrhoe der Bindehaut, vergleichbar mit der so außerordentlich häufigen der Urethra, gar nicht beobach- tet wird. Es ist festgestellt, dass gelegentlich mildere Bilder durch den Gono- coccus entstehen, welche sich dem einfachen Katarrh nähern können. Es ist hier zunächst zu verzeichnen, dass dies der Fall sein kann, wenn vor der gonorrhoischen Infektion sich auf der Bindehaut bereits Karben befanden. L. Müller hat dies in Aegypten bei Patienten mit Trachomnarben des öfteren beobachtet. Will man nicht annehmen, dass die GRAM-negativeu, intracellulären Diplokokken überhaupt nicht Gonokokken waren, sondern zu den ähnlichen aber doch nicht iden- tischen Keimen gehören (Pp^eiffers Micrococcus catarrhalis, Meuigococcus intracellularis, auf der Bindehaut Befunde von Krukenherg und von *) Ob nicht ausnahmsweise doch auch das Bild der Urethritis blennorrhoica ohne Gonokokken entstehen kann, wird von den Dermatologen verschieden be- antwortet. Jadassohn (nach ürf.ahn, Arch. f. A., Bd. 45. Ergänzungsheft; hält das für möglich, ebenso Goedberg (Arch. f. Dermatol. u. Syph. , Bd. 58, 1901, S. 133; siehe hier auch andere Litteratur . Spezielle Bakteriologie des Auges. 531 Abelsdorff-jSTeumaxx), so würden wir hier ganz leichte gonorrhoische Katarrhe zu konstatieren haheu; dass gonorrhoisches Urethralsekret auf der Bindehaut niclit immer die erwartete Wirkung auszuüben braucht, geht besonders deutlich aus der Mitteilung von Kalt hervor, welcher einem trachomatöseu Kind zur Aufhellung eines schweren Pannus gonorrhoischem Eiter übertrug, doch ohne damit irgend welche Eeaktion zu erzielen. Das wenn auch seltene Vorkommen ganz leichter Fälle auch bei vorher sresuuder Bindehaut wird auch von Morax ausdrücklich hervorgehoben Ö Mit Rücksicht auf die erwähnten 'Pseudogonokokken«, d. h. verwechs- lungsfähige Keime (eine besondere Bakterienart ist mit letzterem Xamen nicht gemeint) ist es aber, wie Krukexberg hervorgehoben hat, er- wünscht, dass solche als auffallend milde Gonorrhöen imponierende Fälle in Zukunft auch einer sorgfältigen Kulturdiagnose unterworfen werden. Im übrigen könnten solche gelegentliche, ausnahmsweisen Abwei- chungen vom typischen klinischen Bilde der Gonorrhoe dem Verständnis keine Schwierigkeiten bereiten; es wiederholt sich eben auch hier die Erscheinung, dass die Reaktion der Bindehaut nach Virulenz, Menge und Empfänglichkeit variieren kann. Sie thut das allerdings dem Gono- coccus gegenüber relativ am wenigsten, weniger als wir dies bei an- dern Conjunctivitisarten beobachten. Dass aber auch dem Gonococcus gegenüber von »Empfänglichkeit« gesprochen werden muss, trotz seiner hochgradigen Koutagiosität , geht schon aus dem erwähnten Fall von Kalt hervor. Es ist des weiteren in dieser Hinsicht zu betonen, dass doch im Vergleich zur enormen Häufigkeit der Urethralgonorrhoe beim Erwachsenen die Bindehautgonorrhoe relativ selten ist. AVenn wir ferner beobachten, dass eine Bindehautgonorrhoe gelegentlich einseitig bleibt, auch ohne Vorsichtsmaßregeln zum Schutze des zweiten, oder anderer- seits, nämlich bei Neugeborenen, ohne dass das zweite Auge geschützt wird, so muss man doch annehmen, dass die Berührung mit dem reichlich fließenden infektiösem Stofi", die ja beim Waschen u. s. w. doch öfter eintreten muss, nicht immer zur Erkrankung zu führen braucht. Bei Neugeborenen ist dieses Einseitigbleiben seltener als beim ErAvach- senen; bei ersteren fand Kroxer unter 63 Bleunorrhöen 6 einseitige, Groexouw unter 41 Fällen 3 einseitige, während beim Erwachsenen z. B. IxouYE die Einseitigkeit als das häufigere hinstellt. Es ist möglich, dass der Kraukheitsstoff" mitunter nicht haftet, weil er durch die Thränen zu bald mechanisch fortgespült wird, oder, dass eine ge- wisse Immunität besteht, oder eine Unschädlichmachung auf anderem Wege, z. B. durch die Thränen sich vollzieht, welche einen schlechten Nährboden abgeben, vielleicht auch baktericid wirken. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass die niedrige Temperatur des Konjunktivalsacks (ca. 31°) die Entwicklung der Gonokokken weniger begünstigen wird, als die der Urethra, in welche außerdem der Impfstoff mit größerer Gewalt eingerieben zu werden pflegt; außerdem aber wird gonorrhoisches Urethralsekret, bevor es die Bindehaut erreicht, sehr oft eine gewisse Abkühlung, Verdünnung (z. B. in Waschwasser) oder auch Austrocknung erlitten und dadurch an Virulenz eingebüßt haben. Beim Neugeborenen (der übrigens über eine vollkommene Thräneuabsonderung noch nicht verfügt) wird die größere Empfänglichkeit auch dadurch wohl mit be- einflusst werden, dass, wie Gramer nachgewiesen hat, die Bindehaut durch den Geburtsakt vielfach mechanisch gequetscht und gereizt ist. Das Vorkommen solcher nicht gonorrhoischer Katarrhe und Bleu- norrhöen ist natürlich wechselnd. Schon bald nach der Entdeckung 34* 532 Th. Axenfeld, des NEissERSchen Gonococcus ergaben die Serienimtersiicliungeu von Kroxer, Widmarck, Haab, Schmidt -Rimpler u. a. , dass bei mau- cheu BlenDovrhöen der Gonococcus vermisst werde. Nach dem Be- kanntwerden der andern Conjunctivitiserreger, der Gram sehen Färbung- und der feineren Kulturdifferenzierung- des Gonococcus sind solche Unter- suchungen von neuem aufgenommen worden, mit dem Ergebnis, dass die Pneumokokken, die Koch- Weeks sehen Bazillen, der Staphyl. pyog. aur. , soweit sie beim Neugeborenen sich finden, zwar meist das Bild des einfachen Katarrhs mit relativ leichterem Verlauf darbieten, dass aber gelegentlieh doch Bilder entstehen, welche von den echt gonor- rhoischen sich klinisch nicht unterscheiden lassen. Axenfeld & Bietti fanden Bacterium coli in massenhafter Eeinkultur und erklären seine conjunctivitiserregende Wirkung für wahrscheinlich, Chartres u. a. den Streptococcus pyogenes, zur Nedden Pseudoiuiluenzabazillen bezw. Influenzabazillen in Eeinkultur und zwar unter dem Bilde der schweren Blennorrhoe, Gasparrini beschreibt schwere, mit Hornhautzerstörung komplizierte Fälle mit hochvirulenten Pneumokokken; Axexfeld fand bei schwerer Blennorrhoea neonatorum, mit auffallend starken Pseudo- membranen, Reinkulturen hochvirulenter Diphtheriebazillen und rapide Heilung- durch Diphtherieserum, ferner auch einzelne Fälle mit massen- haftem virulentem Aureus, ebenso auch Gramer, Schmidt -Rimpler, Groexuuw den Micrococcus luteus. Uebereinstimmend geben ferner Axenfeld, Gramer, Groexouw an, dass es typische Blennorrhöen überhaupt ohne verwertbaren bakteriologischen Befund giebt. Die genannten Fälle etwa so aufzufassen, wie E. v. Hippel dies thuu möchte, dass nämlich in diesen Fällen die Gonokokken nur schwer nachweisbar gewesen seien, aber doch bei wiederholter Untersuchung vielleicht nicht ganz gefehlt haben würden, ist nicht angängig, da die erwähnten Autoreu mit allen Kautelen untersucht haben und da erfahrungsgemäß die gonorrhoische Binde- hautentzündung die Gonokokken im Eiter reichlich nachweisen lässt. Zur Vermeidung von Irrtümern ist aber zu betonen, dass nur uubehandelte und noch nicht im Rückgang befindliche Fälle maßgebend sind. Die Feststellung, dass es gelegentlich nicht gonorrhoische Blennor- rhöen der Conjunctiva giebt, erschüttert natürlich die ätiologische Bedeutung des Gonococcus für die Fälle, in welchen er im Eiter gefunden wird, in keiner Weise. Denn daran, daß gonorrhoischer Eiter Bindehautentzündung hervorgerufen kann, ist ja gar nicht zu zweifeln, zumal auch die Uebertragung von Gonokokkenreinkultur auf die Binde- haut ein positives Ergebnes gehabt hat*); ebensowenig Avie das gelegent- liche Ausbleiben einer Impfreaktion (siehe oben Kalt) die positiven Resultate beeinträchtigt. Auch wenn sich im Laufe der Zeit heraus- stellen sollte, dass manche der zur Zeit als »Pseudogonokokken<; im- *, Es sei hier noch erwähnt, dass Kartulis mit gonorrhoischem Bindehaut- eiter experimentell eine typische Urethralgonorrhoe hervorrief. Abszesse, entsprechend den periurethralen gonorrhoischen, sind am Auge seltener. In einigen Fällen beteiligte sich die Thränendrüse (Seliusoiix, Paxas, 'J'hkson). Auch die Entstehung einer Allsemeininfektion von der Bindehaut aus ist nicht häufig; solche Fälle von konjunktivalem Tripperrheumatismus beschrieben Deutschmann, Lindemann, Wicherkiewicz , Sobütka, Koock, Ross, Lucas, Paulsen, Smith. Altland. Neuburger. Als ganz ungewöhnlich muss der Fall von Mt'RRAY von tödlicher Allgemeininfektion mit Endocarditis gelten (Ophth. Record, 1900, p. ()3]. Spezielle Bakteriologie des Auges. 533 poiiierenden Keime (siehe nuten) Varietäten des Gonocoeens sind, würde seine patliogene Bedeutnng erwiesen bleiben. Es ist auch die obige Darstellung nun nicht so aufzufassen, als hörten alle klinischen Unterschiede zwischen Gonorrhoe der Bindehaut und anderen Katarrhen auf Im Gegenteil, wenn auch bei der ersten klinischen Untersuchung nicht immer sicher gesagt werden kann, ob Gonorrhoe vorliegt oder nicht, so gestaltet sich doch der Verlauf der Gonorrhöen gegenüber den anderen Infektionen in der Regel verschieden. Die Gonorrhöen dauern mit seltenen Ausnahmen wochenlang, bedürfen eingehender Behandlung und gefährden die Cornea hochgradig *), während die anderen Formen schneller abklingen, besonders die Pneumo- kokkenconjunctivis. Für die bakteriologisch nicht bestimmt defiuierbareu Fälle sind wohl iu erster Linie chemische traumatische Reizungen maßgebend. Wie Gramer nachgewiesen hat, sind Quetschungen der Lider und der Bindehaut Avährend des Geburtsaktes sehr häuiig; chemische Verunreinigungen werden auch leicht eintreten. Es ist zu verstehen, dass die vielfach übliche CREDEsche Argentum- einträufelung in solchen Fällen auch einmal stärkere katarrhalische Abson- derung bcAvirken kann. Gramer ist der Meinung, dass auf solchen lä- dierten Bindehäuten auch die wenige Tage nach der Geburt sich bei jedem Menschen ansiedelnden, sonst harmlosen Staphylokokken sich stark vermehren und entzündungserregend wirken, trotz ihrer geringen Virulenz. Den bei der letztbesprochenen Gruppe so häufig sich findenden sog. Xerose- bazillen kann eine ätiologische Bedeutung im allgemeinen nicht zuerkannt werden ; sie zeigten in den von Groenouav daraufhin untersuchten Fällen sich beim Tierversuch absolut uugiftig, verhielten sich ausnahmslos negativ gegen die NEissERSche Färbung. Der Befund von virulenten Diphtheriebazillen ist beim Neugeborenen jedenfalls eine seltene Ausnahme. Bezüglich der auf der Bindehaut sich findenden Gonokokken ist hervorzuheben, dass die von Groexouw genau kulturell studierten 41 Fälle auch auf der Kultur das für den Gonococcus als Eegel be- kannte Verhalten zeigten: sie wuchsen mit Sicherheit nur auf Serum- agar, ausnahmsweise und (viel kümmerlicher) nur bei Uebertraguug von Eiter auf gewöhnlichen Nährböden, ließen sich auf diesen nicht weiter- züchteu. Es ist das deshalb von Bedeutung, weil damit der Beweis erbracht ist, dass in all diesen Fällen die diäerentialdiagnostisch in Be- tracht kommenden GRAM-negativen Doppelkokken, welche von Kruken- berg, Abelsdorff-Neumann, Urbaiin auf der Bindehaut gefunden wurden, nicht in Betracht kommfen. Wie zuerst Krukenberg mitgeteilt hat, kommen gelegentlich auf der Bindehaut, und zwar auch auf der normalen, GuAM-negative Diplokokken sehr ähnlicher Form vor, welche sich aber durch ihre Wachstumseigenschaften von denjenigen der Gonokokken unterscheiden, indem sie von vornherein mühelos und üppig auf den gewöhnbcheu Nährböden wuchsen, großenteils auch bei 13" auf Gelatine, zum Teil auch auf Kartoffeln, dabei in der Mehrzahl jeder Giftwirkung für die sonst für Gonokokkeninfektion empfindlichen Versuchs- tiere entbehrten. Wenn auch die Untersuchungen von ürbahn und Wildholz *) Sowohl die Gonokokken selbst können den Bulbus infizieren, als auch kann die Vereiterung der Cornea durch gleichzeitige Eitererreger geschehen, denen nach den Experimenten von Coppkz das Toxin der Gonokokken durch Lockerung des Hornhautepithels den Weg bahnt. 534 Th. Axenfeld. gezeigt haben, dass der Gonococeus gewöhnlichen Nährböden sich besser anzupassen versteht bei einem Teil der Stämme, als man früher annahm, so sind sie doch zu solchem AYachstiim nach allem, was wir bisher wissen, nicht imstande. Es ist deshalb angezeigt, solche Keime, wie die Mehrzahl der AxEXFELD-KRUKEXBERGScheu, diejenigen von Abelsdorff-Neumaxx, denen sich weitere Befunde von B. Kayser anreihen, zunächst als »Pseudogonokokken« in dem Sinne zu bezeichnen, als sie den echten Gonokokken ähnlich, aber doch mit ihnen nicht völlig identisch sind. Wohin diese »Pseudogonokokken« syste- matisch gehören, wieweit sie einheitlich sind, ist bisher nicht genau zu sagen, da die sonst- gefundenen derartigen Keime, besonders Micrococcus catarrhalis Pfeiffer, Meningococcus bezüglich ihrer kulturellen Eigenschaften selbst noch in Diskussion stehen. Ueber diese Gram -negativen Diplokokken bedarf es daher weiterer Untersuchungen. Dass sie bei den Katarrhen der Bindehaut eine erhebliche Rolle spielen, ist bei ihrer bisherigen Seltenheit nicht anzunehmen; für das Bild der eigent- lichen Blenorrhoe kommen sie nach Groexouws Statistik kaum in Betracht. Der Befund von Gonokokken hält auf der Bindehaut im allgemeinen mit der Eiterung gleichen Schritt; mit dem Verschwinden der Diplokokken im Sekret pflegt auch die Absonderuug zurückzugehen. Doch giebt es, wie Groenoüw durch fortgesetzte Untersuchung feststellen konnte, Fälle, in welchen die Anwesenheit der Gonokokken die Eiterung überdauert, bis um 25 Tage. Das ist also dann ein Vorhandensein von Gonokokken auf wieder annähernd normaler Bindehaut, ein Befund, der an eine Immunität denken lässt, wie ja überhaupt die Gonorrhoe auch ohne Behandlung auf der Bindehaut stets ab- heilt, wenn auch oft nach Zerstörung der Cornea. Eine eigentliche chronische Gonorrhoe ist bisher nicht bewiesen. Wohl giebt es nach Ablauf der Eiterung oft ein Stadium der papillären, trachomähulichen Hypertrophie. Aber die Gonokokken fehlen in diesem Stadium bereits meistens, und nach einiger Zeit bildet sich dasselbe völlig und ohne Hinterlassung von Narben zurück. Wenn in Trachomgegenden Gonorrhoe direkt von Trachom gefolgt sein kann (siehe Abschnitt Trachom), so ist an eine Mischinfektion zu denken; eine chronische Gonorrhoe, woran der frühe]' übliche Name »chronische Blenorrhoe« denken lassen konnte, stellen diese Fälle keinesfalls dar. Eine Heilwirkung superponierter Gonorrhoe auf das Trachom ist jedenfalls sehr unsicher, wenn auch gelegentlich ein alter Pannus durch die Pteizung zur Aufhellung gebracht ist. Auch mit Gonokokkentoxin, dessen protrahierte Einträufelung nach den Experimenten von Morax & Elmassian nach 24 stün- diger Inkubation einen starken Katarrh hervorruft, konnte eine solche Heil- wirkung- nicht erzielt werden. -"o Litteratur. Die gesamte Litteratur bis 1901 findet sich bei GROENomv, Die Augenentzündung der Neugeborenen, Arch. f. Ophth. Bd. 52, 1901, S. 66, ferner bei Axenfeld, »Er- gebnisse« von Lubarscii-Ostertag, Abt. Bakteriologie des Auges, Bd. 2, 3, 6, 1894—1900 ;Supplementband), ferner: Michel-Nagels Jaliresbericht 1901. Ei'ERON, Les affections blennorrhagiques de Foeil, Lausanne 1902. Ueber andere GuAM-negative Diplokokken auf der Bindehaut siehe: Abelsdorff-Neumann, Arch. f. Augenh., XLII, S. 68, 1900. Kayser, B. , Klin. Monatsbl. l Augenh., Bd. 42, T. I, 1903, Beilageheft fFestschr.". Krukenbeug, Klin. Monatsbl. f. Aug., 189<), Bd. 37, S.271 u. Bd. 39, T. II, 1901, S.604. Morax, Klin. Monatsbl. f. Augenh., 19ü0, S. 349. Urbaiin, Arch. f Augenh.. XLIV, Ergänzuugsheft, 1901. Wildholz, Arch. f. Dermatol. u. Syph., 1902 u. Habilitationsschrift, Bern 1902. Spezielle Bakteriologie des Auges. 535 VI. Staphylokokkenconjunctivitis. Bei der aiißerordeutliclieu Häufigkeit von Staphylokokken auf der normalen Bindehaut, wie auch bei pathologischen Reizungen ganz anderer Ursache ist es schwierig, eine Staphylokokkencoujunctivitis scharf zu umgrenzen, um so mehr, als die wiederholten Versuche, durch Rein- kulturen von virulentem Staphylococcus pyogenes aureus auf der mensch- lichen Bindehaut einen Katarrh zu erzeugen, bisher stets fehlgeschlagen sind (Leber, Sattler, Bach, Hirota). Nur bei neugeborenen Hunden erhielt Collica-Accordino mit sehr virulentem Aureus dreimal eine Conjunctivitis durch Infektion der intakten Bindehaut. Damit ist freilich noch nicht bewiesen, dass nicht doch unter be- sonderen, uns nicht näher bekannten Umständen der virulente Staphjdo- coccus, besonders der Aureus, der sich im normalen Bindehautsack nicht häufig findet, conjunctivitiserregend wirken könnte. So spricht sein reichliches Vorkommen bei manchen Fällen von nicht gonorrhoischer Neugeborenen -Conjunctivitis für seine ätiologische Bedeutung in diesen Fällen (Axenfeld, Groenouw), bei denen er im Sekret Doppelkokken liefert, welche zwar morphologisch den Gonokokken ähnlich sein können, aber schon durch die GRAMSche Färbung sich von ihnen unterscheiden. Ein ähnlicher Befund ist bei manchen Fällen von follikulärem Bindehaut- katarrh betont worden. Die hier von Michel, Sattler, Güldsghmidt, Wilbrand-Saenger-Staehlix gefundenen Kokken zeigten von dem ge- wöhnlichen, Gelatine verflüssigenden Coccus gewisse Abweichungen. Die genannten Autoren sprechen sie als Ursache der Erkrankung an. Mit dem eigentlichen Trachom haben sie jedenfalls nichts zu tlmn. Auch bei manchen Fällen von Conjunctivitis pseudomembranacea findet sich ausschließlich St. aureus in größerer Zahl (Gasparrini, Coppez, Gosetti-Jona, Bietti u. a.). Diese Form kann heftig und hartnäckig sein. Noch häufiger tritt er neben Diphtheriebazillen und Strepto- kokken auf. Wieweit den Staphylokokken für die Entstehung der sogenannten phlyktänulären (ekzematösen, skrofulösen) äußeren Augeuerkrankungen eine ätiologische Bedeutung zukommt, ist noch unsicher (s. u.). Ob bei den zahlreichen sporadischen Katarrhen, welche die sichergestellten Con- junctivitiserreger nicht zeigen, die dabei oft neben sogenannten Xerose- bazillen sich findenden Staphylokokken die Ursache sind, ist schwer zu sagen. Hirota betont, dass sich ihr Vorkommen in diesen Fällen von demjenigen auf normaler Bindehaut nicht unterscheidet. Ueber die vorhandenen Befunde, ebenso über die Literatur s. die betreffenden Kapitel in den »Ergebnissen«. Dass das Toxin des Staph. pyog. aur. bei längerer Anwesenheit auf der Bindebaut stark reizen kann, ist durch die protrahierten Einträufe- lungen von MoRAx & Elmassiax nachgewiesen. (Trotzdem erklärt Morax in seiner neusten Veröffentlichung die Staphylokokkenconjuncti- vitis für selten.) In derselben Weise ist es auch zu deuten, wenn Meijers beim Kaninchen nach Unterbindung der Thränenwege durch Einbringung virulenter Staph. aur. und Vernähung der Lider eine Con- junctivitis erzeugte. Römer gelang dasselbe, wenn er gleichzeitig mit der Impfung die Bindehaut mit Staub, Sand und dergleichen reizte, und Cramer ist der Ansicht, dass auf der intra partum gequetschten und 536 Th. Axenfeld, empfindlich gewordenen Bindehaut von Neugel)oreuen auch der Staph. pyog. entzündnngserregend wirken könne. GoNiN, der diese Frage eingehend erörtert, gelaugt zu der Ansicht, dass für manche Fälle von C. pseudomemhranosa, von Katarrh hei Lid- ekzem u. s. w. die Staph. wohl als Ursache anzusehen seien, wenn sie zahlreich und virulent sich fänden, dass aber in der Mehrzahl der Fälle ihnen eine Bedeutung nicht zuzuschreiben sei. Für die Entstehung von Epidemieen kommen die Staphylokokken nach dem bisher vorliegenden Material kaum in Betracht. Litteratur. Axenfeld, Deutsche med. Wochenschr., 1898, Nr. 1. Bach, Arch. f. Ophth., Bd. 40. 3, 1894. BiETTi, Annali di Ottalmol., 1897. CoLLiCA-AccoRDiNO, Supplsmento al Policlinico, 1899 (Ref. Michel-Nagel, 1900, S. 249). COPPEZ, Les conjonctivites pseudomembraueuses. Brüssel 1896. Cramer, Arch. f. Gynäkol., Bd. 59, Heft 2, 1899. Gasparrini, Annali di Ott., 1895, Suppl. p. 30. Groenouw, Arch. f. Ophth., 1901, Bd. öl. HiROTA, lieber die Mikroorganismen der Conj. catarrh. Inang.-Diss., Halle liK)2. Leber, Sattler, Verband!, des internat. ophth. Kongresses, Heidelberg 1880. Meijers, Inaug.-Dissert., Jena 1900. Michel, Arch. f. Aiigenh. MORAX & Elmassian, Verhandl. internat. ophth. Kongr., Utrecht. WiLBRAND, Saenger & Staehlin, Mitteil, der Hamburger Staatskrankeuh. 1894. VII. Seltenere Befunde.*) 1. Conjunctivitis durch Bacterium coli. Bei einer Blennorrhoea neonatorum fand Axenfeld (1896) Bacterium coli in Keinkultur, ebenso später Bietti. In seiner Serie von Neu- geborenenkatarrhen fand Groeno\v ebenfalls einigemale Bakterien, wel- che ebenfalls zur Coligruppe gehörten, sich aber in einigen Einzelheiten von den ersterwähnten unterschieden, zugleich mit Gonokokken. Auch Gramer erwähnt dieselben. Axenfeld und Bietti betonen, dass das zunächst durchaus blennorrhoische Bild wesentlich schneller abheilte, als die Gonoblennorrhoe (Saemisch) zu thun pflegt. Beim Tierversuch zeigten die Bazillen sich erheblich pyogen. Beim Erwachsenen fand bei einer Conjunctivitis reichlich Bacterium coli Jarnatowski. U. Tailor hat ebenfalls 1896 bei einer eigentümlich nekrotisierenden diphtherieartigen Erkrankung eines IV2 jährigen Kindes, ähnlich einer Kalkverätzung, ein Bakterium der Coligruppe gefunden, welche bei Versuchstieren ebenfalls nicht Eiterung, sondern Nekrose hervorrief. Die ätiologische Bedeutung der Colibazillen ist für diese Fälle wahr- scheinlich ; beweisende Menschenimpfungen Ijesitzen wir nicht. Da Bact. coli auch für andere Schleimhäute, besonders die Blase als Katarrh- erreger gilt, ist für solche Fälle, wo sich derselbe in massenhafter Rein- kultur im Konjunktivalsack fand, seine ursäcliliche Rolle annehmbar. Uebertragbarkeit ist bisher nicht beobachtet. Einigemale ist Bacterium * Der von Bach beschriebene Micrococcus conjunctivitidis minutissimus ist von diesem Autor später mit den Staphylokokken identifiziert worden. Spezielle Bakteriologie des Auges. 537 coli im Eiter von Daciyocystitis gefunden (MmcOLi, Uhthoff, Mazet), ferner einmal bei Pauophtbalmie (Randolph) und einigemal bei Hypo- pyonceratitis (zur Nedden, B. Kayser). /•>/^ Fig. 14. Sekret einer Blenn. neonat, mit Bacterium coli. Litteratur. AxENFELD, Bericht der ophth.'Vers.. Heidelberg 1896, Anm. und Deutsche med. Woch., 1898, Nr. 1. BiETTi, Klin. Monatsbl. f. Augenheilk., 1899, S. 311. Groenouw, Arch. f. Ophth., Bd. 52, 1900. Jarnatowski (polnisch), ref. Michel-Nagel, 1898. Mazet, These de Paris, 1895. Mercanti, Annali di Ottalmol., vol. 21, p. 133, 1872. Eandolph, Journ. of the Amer. Med. Ass., 1893, p. 440. Tailor, U., Lavori della clin. ocul. di Napoli. 1890. vol. 3. p. 273. ZUR Nedden, Klin. Monatsbl. f. Augenheilk., XL, 1902, Bd. 1, S. 1. 2, Meningococcus intracellularis. Nachdem das Vorkommen der als »Meningokokken« bezeichneten Bakterien als ein weitverbreitetes festgestellt ist, ist ihre gelegentliche Anwesenheit auch auf der Bindehaut erklärlich. Wieweit sie sich dort finden und wieweit sie pathogen wirken können, wird sich erst mit Sicherheit beantworten lassen, wenn der sogenannte Meningococcus selbst schärfer umgrenzt ist, als das bisher der Fall ist. C. Fränkel hat 3 Fälle (Kinder) beschrieben von heftiger eitrig pseudomembranöser Conjunctivitis mit schweren Komplikationen von selten der Cornea, in deren Sekret sich massenhaft und vorwiegend intracellulär Diplokokken fanden, welche nach Gram sich größtenteils ent- färbten ; doch blieben in jedem Gesichtsfeld immer auch eine Anzahl posi- tiv gefärbt. Sie standen also in dieser Hinsicht zwischen den Gonococcus und den GRAM-positiven Kokken (Staphylokokken, Pneumokokken). Das- 538 Th- Axenfeld, selbe war bezüglich der Form der Fall, indem sie etwas läugliclier als Gonokokken, aber doch nicht so lanzeolär waren, wie die meisten Pneu- mokokken. Sie wuchsen nur bei Bruttemperatur, anfangs nur auf Nähr- böden mit menschlichem Blut, später auch auf gewöhnlichem Agar; auf der Kultur l)ildeteu sie keine Tetraden, dagegen öfters kurze Ketten mit längsgerichteter Teilungslinie, entsprechend den Angaben Jägees Keinerlei Tierpathogeuitüt. DassKontagiosität dieser Bindehautentzündung, deren Erreger die Kokken mit größter Wahrscheinlichkeit waren, be- stand, wird Avahrscheinlich durch die Beobachtung Fränkels, dass zwei zusammenwohnende Kinder nacheinander erkrankten. Ebenfalls als »Meningococceuconjunctivitis« hat Haglund einen Fall beschrieben, dessen Diplokokken morphologisch den Gonokokken glichen, sich aber nach Gram intensiv positiv färbten, auf gewöhnlichen Nähr- böden reichlich wuchsen und bei längerer Fortzüchtung zeitweise lange Ketten von gewöhnlichem Typus bildeten. Da diese Kettenbildung und dies Verhalten zur GRAMscheu Färbung den »Meningokokken« nicht eigen sind, ist dieser Fall jedoch zu den Streptokokken zu rechnen, die ja gerade so wie Staphylokokken unter Umständen als Doppelkokken auf- treten können. Ukbahn, welcher die den Gonokokken ähnlichen Mikroben näher imtersucht und nachgewiesen hat, dass auch der Gonococcus auf ge- w^öhnlichen Nährböden nicht selten zum Wachstum gebracht werden kann, erkennt auch den Fränkel sehen Befund nicht als »Meuingococ- cus« an. Vielleicht gehört von den Krukenberg sehen Gram -negativen Diplo- kokken der eine oder andere hierher. Jedenfalls sind auf diesem Gebiet zur genauen Definition weitere Feststellungen erwünscht. ^b'- Litteratur. Fränkel, C, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf.. 1899. S. 221. Haglund, Klin. Monatsbl. f. Augenheilk.. 1900, XXXVIII. Beilageheft. S. 72. Krukenberg, Klin. Monatsbl. f. Angenheilk.. 1899, XXXVII; ebd., 1901, XXXIX. Bd. 2. Urbahn, Arch. f Augenheilk., 1901, XLIV, Ergänzungsheft. 3. Sog. Ozaenabazillen (Löwenberg) und Friedländers Pneumonie- bazillen. Bacillus mucosus capsulatus. Die Erfahrung, dass bei Ozaena so oft ein Thränenleiden und Bindehautkatarrh sich finden, brachte Terson & Gabrielides zu der Vermutung, dass die damals von Löwenberg -Abel beschriebenen »Ozaenabazillen« auf der Bindehaut häufig sein müssten und dass ihnen für die Infektion von Epithelverletzungen, Operationen u. s. w. in der Augenheilkunde eine erhebliche Bedeutung zukommen müsse. Die Autoren wurden in dieser Meinung dadurch bestärkt, dass sie in der That bei 11 Ozänöseu ihn ß mal in Gestalt GRAM-negativcr, wechselnd großer, kapselumgebeuer Bazillen mit den charakteristischen Kultureigenschaften fanden. Auch ein Fall von Hornhautinfektion mit anschließender Panoph- thalmie ergab diesen Befund. Seitdem hat sicli die Auffassung über die Löwenberg- Abel sehen l^azillen Ijekanntlich insofern geändert, als dieselben, so häufig sie in der Nase angetroffen werden, eine sichere ätiologische Bedeutung für Spezielle Bakteriologie des Auges. 539 die Ozaena doch nicht beansprucheu können. Andererseits ist mehr und mehr ihre fast völlige oder völlige Uebcreinstimmuug- mit den bekannten FRiEDLÄNDERSchen Pneumoniebazillen erkannt worden, mit denen sie alle morphologischen, tinktoriellen und fast alle kulturellen Eigenschaften teilen; auch die Tierpathogeuität ist die gleiche. Gourfeix betont als einzigen Unterschied, dass der Pneumobacillus Milch koaguliere, auf der Kultur einen etwas anderen Geruch entwickele und auch auf sauren Nährböden wachse. Jedenfalls gehören beide Bazillen eng zusammen zu einer gemeinsamen Gruppe und es empfiehlt sich, um die Bedeutung derartiger Keime für die Augenheilkunde festzustellen, sie zusammen zu behandeln. Es sei hier gleich erwähnt, dass das Vorkommen solcher Bazillen am Auge nicht notwendig an den Befund von Ozaena in der Nase gebunden ist. Es hat sich vielmehr gezeigt, dass die Erwartungen von Tersox & Gabrielides nicht zutrafen. Selbst im Thränensackeiter bei Ozänösen werden solche Bazillen nach den Untersuchungen von Cuenod, Uhthoff- AxENFELD, Gourfeix, nur selten angetroffen, auch bei solchen Per- sonen stehen die Pneumokokken im Vordergrunde, auch bezüglich der Hornhautinfektiouen. Soweit Pneumoniebazillen auf der Bindehaut gefunden worden sind, hat es sich im Gegenteil meistens um Nicht-Ozänöse gehandelt. Auch LoDATO, der übrigens die Litteratur nur unvollständig anführt, betont von neuem, dass die von Terson & Gabrielides erörterte Beziehung der Ozaena zur Bindehaut nicht in dem Maße sich nachweisen lässt; er vermisste die Bazillen auf der Bindehaut auch in den Fällen, wo er sie in der Nase nachweisen konnte. Keine Fälle von Bindehautiufektion durch den Pneumoniebacillus sind erst in der letzten Zeit in der Litteratur reichlicher vorhanden. Brayley & Eyre fanden ihn bei einer Conj. pseadomembranacea. Groenouw und v. Ammox sind ihm einigeraale bei Neugeborenen be- gegnet; auch Gonix erwähnt ihn einmal unter 387 Fällen. Hirota fand den wohl identischen »Bacillus mucosus capsulatus« etwas häufiger und ist geneigt, ihn als Conjunctivitiserreger anzusehen. Relativ häufig fand ihn Gourfeix; nämlich 23 mal unter 450 Fällen. Gourfeix fand ihn 4 mal in Reinkultur bei Neugeborenenkatarrheu. Er beschreibt letztere als bleunorrhoiscli mittleren Grades; im Beginn waren oberflächliche Pseudomeml)rauen vorhanden. Bei allen Fällen erkrankten beide Augen; Hornhaut und Thränenwege zeigten keine Komplikationen. Dauer 1 — 3 Wochen; in einem Fall entstand ein Fiezidiv. Außerdem be- obachtete Goukfeix 7 Fälle von akutem Schwelhmgskatarrh , ähnlich dem KocH-WEEKSscheu, darunter zwei mit Hämorrhagieen in der Conjunetiva bulbi. Weiter kamen 12 Fälle von subakuter Conjunctivitis zur Beobachtung, die z. T. der Diplobazillencoujunctivitis gUchen, aber niclft so chronisch waren. Gourfeix betont das variable klinische Bild. Unter 40 Fällen von Dacrj^ocystitis fand Gourfeix viermal den Pueumo- bacillus, bei wechselnder Intensität des klinischen Bildes, ohne Veränderungen in der Nase, speziell ohne Ozaena. (Analoge vereinzelte Befunde sind schon von CuEXOD, Uhthgff & AxEXFELD mitgeteilt; aus früherer Zeit liegt eine Mitteilung von Sattler vor. Ferner hat Loeb bei Ceratomalacia infantum und Etiexxe bei Dakrj^ocystitis mit Ulcus corneae Pneumobazillen gefunden. Auch bei drei Fällen von Hypopyonceratitis fand Gourfeix, in Analogie zu dem Befunde von Tersox und Gabrielides, den Pueumobacillus.) Wenn er aber augiebt, dass derselbe in gleichem Maße wie der Pneumococcus ein typisches 540 'i'h- Axenfeld, Ulcus serpeus erzeuge, soAA'ie dass überhaupt alle Eitererreger sich der Cornea gegenüber klinisch gleich verhielten, so geht das zu weit (cf. Kapitel »Ceratitis«). Der Vollständigkeit wegen sei noch erwähnt, dass Pneumoniebazillen einige- male im Inhalt von Chalazien sich fanden (Priouzeau, Maklakow, cf. Abschnitt Chalazionj. Die gezüchteten Pneumobazillen erwiesen sich als schwer eitererregend beim Tierversuch, ebenso wie schon früher die Experimente von Pereles ergeben hatten. Eine Uebertraguiig dieser Conjunctivitis auf andere Individuen ist bisher nicht beobachtet, es liegen nur sporadische Fälle vor und für Epidemieen kommt sie kaum in Frage. Ebensowenig liegen beweisende Uebertragungen von Reinkultur auf die menschliche Bindehaut vor. Trotzdem ist es sehr wahrscheinlich, dass in den Fällen, wo die Pneu- moniebazillen resp. Ozaenabazillen sich reichlich und in virulenter Form im Sekret finden, sie die Ursache der Entzündung sind. Jedenfalls sind sie kein häufiger Befund. Differentialdiagnostisch sind sie von Interesse für den Kachweis des Diplobacillus Morax- Axenfeld , der an Größe und Färbung nach Gram ihm gleicht. Doch ist bei den Diplobazillen die Doppelform viel regel- mäßiger, die Kapsel undeutlicher. Außerdem aber ist das kulturelle Verhalten und die Pathogenität des Diplobacillus völlig anders, indem letzterer nur auf Blutserum und menschlichem Nährboden bei Brnt- temperatur zu wachsen pflegt, keinerlei Tierpathogenität besitzt, während der sog. Ozaenabacillus auf den gewöhnlichen Nährböden auch bei Zimmertemperatur in charakteristischer Weise wächst und für Kaninchen ein Eitererreger ist, Litteratur. V. Ammon, Müncb. med. Woch., 1901. Etienne, Centralbl. f. Bakt., 1895, Bd. 18, S. 502. GoNiN, Revue med. de la Suisse Romande. 1899. GouRFEiNT, Revue med. de la Suisse Romande, Fevr. 1902. Groexouw, Arch. f. Ophth., Bd. 52, 1901. HiROTA, Inaug.-Diss., Halle 1901. LODATO. Arch. di Ottal., Bd. 9, p. 80, 1902. LoEB, Centralbl. f. Bakt., 1891. Bd. 10, S. 369. Sattler, Heidelberger ophth. Kongr.. 1887. Terson & GaBRiELiDKS, Arch. d'ophth., 1894, t. 14, S. 488. Uhthoff-Axenfeld, Arch. f. Ophth., Bd. 42, 1896. 4. Gromakowski*) hat bei 18 Fällen von Schwellungskatarrh ein kurzes Stäbchen gefunden, mit welchen er bei sich selbst Conjunctivitis hervorrufen konnte. Länge und Breite wie 3 : 1. Enden abgerundet; GRAM-positiv. Die bei 36" leicht zu kultivierenden Bazillen geben auf Agar einen glatten, glänzenden, halbdurclisichtigen , farblosen Belag. Auf Gelatine bei 18° kleine, runde, grauweiße Kolonieen mit gelblichem Centrum; in der Sticlikultur langsame Verflüssigung der Gelatine unter Bildung eines Bodensatzes und eines Oberfiäclienhäutchens, während die verflüssigende Gelatine klar bleibt. lu der Bouillon zartes Öberflächenhäutchen. Auf Kartoffel glatter, fettig glänzender Belag. 24 Stunden bei — 7" gehalten *' Siehe das Referat über die russische Arbeit im Centralbl. f. Bakt, Bd. 22, S. 18, 1900. Spezielle Bakteriologie des Auges. 541 ist der Bacillus noch lebensfähig. Keine Sporenbildnug-, aber ziemlich lebhafte Eig-eubewegung. Der Befund ist von den anderen Conjunetivitiserregern, wie den sonst bekannten pyogenen Keimen verschieden. Weitere Erfahrungen über ihn liegen nicht vor. Soor ist von Jessoi'*) au beiden Lidern eines Auges gefunden vporden. Pichler**) fand ihn bei einer Conj. pseudomembrauacea neben Streptokokken und Doppelstäbchen; in einem zweiten Falle von Pichler***) bei einem an Scharlach, Keuchhusten und Varicellen er- krankten Kinde eine schwere Entzündung mit Nekrose beider Hörn- / IV \ \ V. 1 ■^f /'IfX/ ,1^. / V • \ « % » / » Fig. 15. Bacillus subtilis im Glaskörpereiter (Kayser). häute. Der die Augen bedeckende, trockene, grauweiße, säuerlich riechende Belag, der sich ebenso in Mund und Nase fand, enthielt massenhaft Soor. Primärer Milzbrand der Bindehaut wurde von Strzminski (Centr. f. allg. Path., 1901, S. 169) beobachtet; primärer Rotz von Gourfein. (Von Interesse ist, dass der sonst nicht pathogene Bacillus subtilis im Glaskörper [nach Verletzung] schwerste Eiterung hervorrufen kann. [EINZIGER, Silberschmidt, Kayser, Centralbl. f. Bakt. 1903]. Solch eine »elektiv pyogene« Wirkung fanden Sattler und Lobanow in ge- ringerem Grade auch bei anderen nicht virulenten Keimen gerade für das Corpus vitreum.) *) Transact. of the ophth. soc, London 1895. **) Beiträge z. Augenh., 24, 1895. ***) Zeitschr. f. A., III, Ergänzungsheft, 1900, S. 669. 542 Th. Axenfeld, VIII. Sog. skrofulöse (phlyktänuläre, ekzematöse) Entzündungen. Das bekaimte klinische Bild der Ceratoconjuiictivitis phlyctaenulosa (scro- phulosa, eccematosa) hat natürlich von vornherein den Gedanken naliegelegt, dass die einzelne Phl3^ktäne, dieses subepitheliale Infiltrationsknötchen, einer umschriebenen ektogenen Infektion seine Entstehung verdanke, zu der hin nach den bekannten Erfahrungen der Entzündungslehre sich die Leukocyten 7Aisammenfinden. Die »Verletzlichkeit ^ des Epithels, welche den sog. Skro- fulösen seit ViRCHOAV beigelegt zu werden pflegt, gebe zu diesen häufigen Infektionen die Gelegenheit. Dieser nächstliegende Gedanke hat auch im Beginn der bakteriologischen Aera von verschiedenen Seiten (Duclos & BouciiERON, Leuer, Sattler, GiFFORi), Straub, Gallexga) eine Bearbei- tung erfahren. Während aber diese Autoren die von ihnen gefundenen Bak- terien zumeist nur mit Einschränkung ätiologisch verwerten, haben Burchard und Bach sich bestimmt dahin ausgesprochen, dass die Phlyktäne eine um- schriebene Impfung mit Eitererregern, besonders mit Staphylokokken darstelle. Die Angaben von Burchard müssen jedoch schon deshalb aus der Dis- kussion ausgeschlossen werden, weil dieser Autor weder angab, wie alt die von ihm untersuchten Phlyktänen waren, noch auch, in welcher Zahl die be- schuldigteu Mikroorganismen gefunden wurden. Aus dem gleichen Grunde ist auch die neuere Arbeit von A. Michel nicht zu verwerten. Eine genaue Angabe über diese Punkte ist nämlich unbedingt nötig, weil die Anwesenheit von Kokken in älteren Exemplaren dieser, der sekundären Infektion bezw. Veruureinigung so enorm ausgesetzten, oberflächlichen Eruptionen natürlich gar nichts für die primär -ätiologische Bedeutung dieser Bakterien beweist, ebensowenig, wie der Nachweis von Staphylokokken in Variolapusteln, Pem- phigusblasen u. s.w. eine ätiologische Bedeutung beanspruchen kann. Anderer- seits könnten in älteren Phlyktänen die etwaigen Erreger bereits beseitigt sein, entsprechend den Tierexperimenten von Bach, bei welchen in die Binde- haut eingebrachte Staphylokokken schon nach wenigen Tagen nicht mehr nachweisbar waren. Dieses Bedenken, dass auf einer, schon normaler Weise bakterienhaltigen, bei diesen Skrofulösen oft staphylokokkenreichen Schleimhaut ol)erflächliche Erkrankungen sich schnell sekundär verunreinigen können, muss bei dieser ganzen Frage besonders sorgfältig erwogen werden. Um die Phlyktänen für Impfiufiltrate der bekannten Eitererreger, besonders der Staphylokokken erklären zu dürfen, müsste im Inhalt beginnender Phlyktänen regelmäßig eine entsprechende Zahl dieser Mikroben nachgewiesen werden. Dies ist jedoch nach den Angaben von Axexfeld und von Bach - Neumann, L. Müller, durchaus nicht der Fall. Im Gegenteil haben die Untersuchungen ergeben, dass grade bei frischen Phlyktänen relativ oft ein negativer Befund erhoben wird, und auch bei einem Teil der anderen Fälle ist die Zahl der gefundenen, übrigens verschiedenartigen Kolonieen so gering, dass sie nicht mit Sicherheit als Aetiologie herangezogen werden kann. Mei.iers zieht aus seinen Ergebnissen den Schluss, dass die Staphylo- kokken für die Augenkrankheit nicht bedeutungslos sind. Van Haaften, ein Schüler Straubs, drückt sich dahin aus, dass die Staphylokokken bei der Entstehung der Ophthalmia scrophulosa eine aktive Rolle spielen; er kommt zu diesem Schlüsse, weil er sie im Konjunktivalschleim relativ häufiger dabei fand, als bei Gesunden und bei anderweitigen Reizungen. Den Inhalt von Phlyktänen haben diese Autoren jedoch nicht untersucht, weshalb für Spezielle Bakteriologie des Auges. 543 die Frage uacb der Eutsteliung dieser Ernptioneu ihr Material nicht ent- scheidend ist. Wenn van Haaften die Angenveränderungen einfach als »Sta- phylokokken-Skrofulose« bezeichnet, so geht das zu weit, da über ein Drittel seiner Fälle negative Kultur ergab. Auch Morax giebt an, im Bindehaut- sekret von PhlyktäDulären öfters Staphylokokken, oft aber auch gar keinen verwertbaren Befund erhalten zu haben; er erklärt deshalb ihre ätiologische Bedeutung für zweifelhaft. Als Bezeichnung erscheint ihm und Leber Conjunctivitis »impetiginosa« am richtigsten. Wie sehr die Frage der sekundären Infektion zu beachten ist, geht auch daraus hervor, dass oft auch die unvermeidlichen sog. Xerosebazillen ange- troffen werden. Jedenfalls ist damit die Auffassung, dass die Phlyktäne in der Regel durch eine lokalisierte Staphylokokkenimpfuug entsteht, als nicht genügend bewiesen anzusehen. Damit soll nicht gesagt sein, dass Staphylo- kokken gar nicht in Betracht kämen; e))enso wird ihr Hinzutreten zu einem entzündlichen Prozess den weiteren Verlauf beeinflussen können. Das gilt sowohl für die Bindehaut wie für die Cornea. Die an der menschlichen Bindehaut von Burchard und von Bach vor- genommenen Impfungen, bei denen sie in eine Impftasche der Conjunctiva bulbi reichlich Staphylokokken einbrachten, sind für diese Frage nicht ent- scheidend. Denn der Entwicklung der Phlyktänen gehen solche schwere Ge- webstrennungeu nicht voraus; auch kann man auf diesem Wege mit sehr verschiedenen Bakterien einen kleinen Abszess erreichen. Wenn Bach dagegen die Conjunctiva bulbi nur mit einer Nadel ritzte und dann virulenten Aureus in den Konjunktivalsack brachte, wie dies früher auch schon Leber mit negativem Resultat gethan, so erhielt er im Gegenteil keine Phlyktänen. Kleine aseptische Verletzungen bei ausgesprochen Skrofuh'tsen, die soeben an Ceratoconjunctivitis eccematosa gelitten hatten, zogen ebenfalls keine Phlyk- tänenbildung nach sich. Auch die Untersuchung des Conjunktivalsekrets solcher Fälle, selbst bei stärker sezernierendem Schwellungskatarrh, ergiebt auffallend oft ein negatives bakteriologisches Resultat, resp. nur sog. Xerosebazillen und einzelne Mikro- organismen ohne sichere Bedeutung. Wenn Bach der Meinung ist, dass durch die Thränen eben die Keimzahl stark vermindert werde, so ist dem entgegenzuhalten, dass im Sekret der sichergestellten andern Bindehaut- infektionen bei gleich starker Absonderung die Keime sich reichlich linden. Gerade das ist bei vielen dieser sog. skrofulösen Katarrhe im Gegensatz zu den andern so sehr auffällig, dass man reichlichen Eiter, aber keine oder nur einzelne Mikroorganismen findet. Nur in einem Teil der Fälle, besonders bei gleichzeitigem impetiginösen Ekzem findet man reichliche virulente gelbe Staphylokokken oder Streptokokken. Hier und da sind auch die eigentlichen Conjunctivitiserreger anzutreffen. Dass diese letzteren bei skrofulös veran- lagten Personen das Bild der phlyktänulären Erkrankung hervorrufen können, ist sicher. Morax und Axexfeld beobachteten dies bei der Diplobazillen- iufektion, Gasparrini und Axexfeld bei Pneumokokkenconjunctivitis. Bei manchen Epidemieen scheint auch ohne erkennbare allgemeine Anlage es zu reichlicher Phlyktäneneruption zu kommen; so ist die von andern nur gele- gentlich und z. B. von L. Müllrr nur bei »Skrofulösen« beobachtete Eruption von phlyktänenartigen Bildungen am Hornhautrand bei der KocH-WEEKSschen Bazillenconjunctivitis in der von Markus beobachteten Epidemie regelmäßig hervorgetreten. Vielleicht entspricht dies dem von der früheren Wiener Schule als pustulöse Conjunctivitis bezeichneten Bilde. Morax will diese Limbus- eruptionen nicht mit echten Phlyktänen identifizieren: er bezeichnet sie als Bläschen im Gegensatz zu den ein subepithelisches Knötchen darstellenden 544 Th. Axenfeld, Phlyktänen. Die Bildung solcher Limbuseruptiouen ist also nicht unbedingt von sog. Skrofulöse abhängig; das Bild der rezidivierenden Ceratoconjunc- tivitis, mit der eigenartigen vaskularisiereuden Ceratitis (besonders dem Pannus und der Ceratitis fasciculosa), ist bei dieser Epidemie nicht zustande gekom- men: für dieses Bild ist vielmehr nicht von der Hand zu Aveisen, dass zu seinem Zustandekommen es nicht allein äußerer Reize, sondern einer ganz besonderen Reaktionsweise des Terrains bedarf. Die angeführten Beobachtungen, nach denen in der That die bekannten Infektionen bei Skrofulösen jenes Bild hervorrufen können, beweisen, dass eine äußere Infektion den Aulass bilden kann. Ob dabei die Phlyktäne einer umschriebenen Impfung mit diesen Erregern gleichkommt, ist damit noch nicht bewiesen. Solche Fälle, wo bei einer Conjunctivitis der bekannten Erreger Phlyk- tänen aufschießen, sind vielleicht besonders geeignet zur Feststellung, ob die einzelne Phlyktäne durch Impfung mit jenen Keimen entsteht oder nicht; wenigstens würde ein negativer Ausfall einer darauf gerichteten Untersuchung dafür ins Gewicht fallen, dass Phlyktäuen ohne lokalisierte Impfung in der gereizten Schleimhaut entstehen können. Es ist nach all diesen Erfahrungen nicht grade wahrscheinlich, dass das Krankheitsbild der Ceratoconjunctivitis ein ätiologisch einheitliches, spezifisches ist. Sondern es ist die Art und Weise, wie die Bindehaut auf Reize ver- schiedener Art reagiert, und zwar vorwiegend bei Skrofulösen. Will man die mit unsern Methoden bakteriell negativen Fälle doch als infektiös ansprechen, schon aus theoretischeu Gründen, so muss man entweder annehmen, dass bei solchen Fällen uns noch unbekannte Mikro- organismen im Spiele sind; das gleiche könnte natürlich auch bezüglich der Entstehung der einzelnen Phlyktänen der Fall sein. Andererseits ist aber auch die Möglichkeit nicht als ganz ausgeschlossen anzusehen, dass doch auch endogene Reize eine Rolle spielen. Sehen wir doch z. B. beim Herpes zoster und dem Herpes febrilis umschriebene Läsionen in der durchsichtigen Cornea entstehen; kenneu wir doch zweifellose endogene Konjunktivitiden, z. B. die metastatisch gonorrhoische, die experimentell endogene, mit patho- gener Hefe (E. Cohn). Dass wirklich eine rein endogene Ceratoconjunctivitis phlyctaenulosa vorkommt, ist damit natürlich in keiner Weise als bewiesen anzusehen. Die Möglichkeit aber ist zu überlegen. Es muss hier noch betont werden, dass auch die mikroskopische Untersuchung unter Zuhilfenahme von Bakterienfärbungen im Innern frischer Phlyktäuen keine Mikroorganismen ergeben hat (Axenfelud, Leber, Wagenmann, L. Müller, Hertel). Ebenso hat die Uebertragung von Phyktänen in die Vorderkammer von Kaninchen keinerlei Entzündung verursacht (Augieras, Leber, L. Mül- ler); nur in einem Falle von L. Müller trat eine Eiterung ein. Auch das eitrige Sekret eines solchen Schwellungskatarrhs ruft im Auge gegen Staphylo- kokken empfindlicher Tiere oft gar keine Reaktion hervor. Mit letzterem Ergebnis ist auch die, schon nach dem histologischen Bau der Phlyktäne, sowie nach dem ganzen klinischen Bilde unwahrscheinliche Vorstellung end- giltig ausgeschlossen, dass etwa diese Entzündungen echt tuberkulöser Natur seien; das sind sie keinesfalls, sondern sie sind einfach entzündlich*), Avenn *) Der gelegentliche Nachweis einzelner Rieseuzellen Leber), übrigens nicht von LANGHANSschem Typus beweist auch keine tuberkulöse Entstehung. Leber hat im Anschluss an diesen Befund die Frage aufgeworfen, ob nicht abgestorbene Tuberkelbazillen im Spiele seien. Die Experimente Lebers mit toten Tuberkel- bazillen ergaben jedoch Veränderungen, welche der phlyktänulären Erkrankung beim Menschen nicht vergleichbar waren. Spezielle Bakteriologie des Auges. 545 auch ein indirekter Zusammenhang mit allgemeiner Tuberkulose für diese sog. skrofulösen Lokalerscheinungen besteht. Besonders genau hat L. Müller nach Tuberkelbazillen in zahlreichen excidierten Phlyktänen gesucht, aber nie solche gefunden. Bei 20 Uebertragungeu in die Vorderkammer des Ka- ninchens traten nur einmal einige rasch ausheilende Knötchen auf. Die Frage nach der Entstehung der sog. skrofulösen, phlyktänulären, (ekzematösen äußeren) Augenentzündungen muss demnach im wesentlichen noch als eine offene angesehen werden. Dass ektogene Bakterien das Bild aus- lösen können, ist sicher; ob es immer solche Ursachen sind, oder ob auch mechanische, chemische oder endogene Reize dazu imstande sind, bei diesen zu lokalen Katarrhen und vasomotorischen Reizungen so außerordentlich disponierten Personen das Krankheitsbild auszulösen, muss weiteren Unter- suchungen vorbehalten bleiben. Diese ätiologische Frage ist in mancher Be- ziehung analog derjenigen der Aetiologie des Hautekzems, über welche sich, besonders auch wegen der Schwierigkeit, sekundäre Ansiedelungen auszu- schließen, ein einheitliches Resultat noch nicht hat gewinnen lassen, Die neueren Untersuchungen von Scholz neigen dazu, für die akute Form des Ekzems den Staphylococcus pyogenes aureus eine Einwirkung zuzuerkennen. Jedoch zieht Scholz (Deutsche Klinik 1903) nicht den Schluss, sie seien die erste Ursache. Auch die Entzündungen der Lidhaut, welche übrigens nur zum Teil ekzematös resp. impetiginös sind, vielmehr oft der Akne angehören, enthalten häufig den Staphylococcus pyogenes aureus (Gifford, Straub, Deyl, Stephenson, Meders, van Haaften). Deshalb aber diesem Keim das Krankheitsbild der Ceratocoujunctivitis phlyctaenulosa und besonders die einzelnen Phlyktänen vollständig zuzuschreiben, wie Stephenson dies neuer- dings thut, geht doch zu weit. Es ist vorläufig nicht empfehlenswert, die Ekzemfrage mit derjenigen der phlyktänulären Augeneutzündungeu völlig zu identifizieren, da dies Bild am Auge einerseits nicht bei allen Ekzemen auftritt, Avelche die Gegend der Augen befallen, sondern vorwiegend nur bei Skrofulösen, also jugend- lichen Personen oder solchen, die aus der Jugend die sog. Skrofulöse mitgenommen haben, andererseits auch anatomisch die Uebereinstimmung der Bindehaut-Hornhauteruptionen mit dem Ekzem der Haut nicht völlig nachzuweisen ist; speziell die Bildung echter Bläschen ist nicht, wie J. von Michel angiebt, die Regel, sondern nach dem bisherigen Material eine große Ausnahme, und auch der ganz eigenartige Verlauf der Hornhaut- erkrankungen ist nicht dem Ekzem im allgemeinen, sondern nur den sog. Skrofulösen eigentümlich. Litteratur. AxENFELD, Berlin, klin. Wochensclir., Nr. 39, 1897. — Ders., Bericht über die 26. Versammlung der ophth. Gesellsch., S. 197, Heidelberg 1897. — Ders., Pathologie des Auges; Ergebnisse der allgemeinen PErgebnisse der allgem. Patho- logie« von LuBARSCH-OsTERTAG, Abt. Bakteriologie des Auges 1894 — 1899. Siehe dort auch die Litteratur. 550 Th. Axenfeld, der Fall ist. In erster Linie kommt die Gelegenheit zur Infektion in Betracht und alle Umstände hygienischer Art, welche die Uebertragung begünstigen resp. die eingetretene Krankheit zu verschlimmern geeignet sind. Wenn wir andererseits in manchen Gegenden das Trachom zurückgehen sehen, z. B. auch in manchen Teilen Deutschlands (Rheinland und West- falen), so ist doch sehr fraglich, ob dies der Hauptsache nach nicht an Besserung der hygienischen Verhältnisse und besonders an reichlicherer und wirksamerer ärztlicher Hilfe liegt, als etwa daran, dass das Trachom überhaupt auf einer epidemiologisch absteigenden Linie sich befinde. Noch viel weniger aber kann es als bewiesen gelten, dass, wie Peters meint, die Disposition zur Empfänglichkeit für den »mehr ubiqnitären« Trachom- erreger zurückgehe. Diese Aussage von der »übiquität« der Trachom- erreger ist im höchsten Grade unwahrscheinlich, da erfahrungsmäßig das Trachom überallhin eingeschleppt werden und Herde bilden kann, wo solche früher nicht bestanden. Natürlich werden die Einheimischen nur soweit infiziert werden, als sie mit den einwandernden Kranken in die nötige intime Kontaktberührung kommen. Wo dies nicht oder doch nur in sehr be- schränktem Maße der Fall ist, werden auch unter den Einheimischen nur relativ wenige Fälle vorkommen. Daran, um einen Fall näher anzuführen, liegt es z. B., dass in Mecklen- burg bisher nur relativ wenige Fälle bei Einheimischen vorgekommen sind, obwohl alljährlich zahlreiche trachomkranke polnische Schnitter sich während des Sommers im Lande aufhalten. Aber diese Polen leben ganz für sich, kommen mit den Eingeborenen kaum in Berührung, werden außerdem zumeist untersucht und die infektionsgefährlichen, stärker absondernden Fälle werden abgesondert und behandelt. Wie unter diesen Umständen Peters von einer geringen »Disposition« der Mecklenburger sprechen kann, ist ebensowenig verständlich, wie z. B. die Anwendung dieses Begriffs auf eine Enklave west- deutscher Arbeiter, die mitten unter trachomatöser polnischer Bevölkerung trachomfrei geblieben ist. Es ist viel wahrscheinlicher anzunehmen, dass diese letzteren sich von der zur Infektion erforderlichen intimen Berührung mit den trachomatösen Gliedern der andern Nation ferngehalten haben; denn das Trachom überträgt sich erfahrungsmäßig im allgemeinen nur bei gemeinsamer Benutzung von Wäsche, Waschutensilien oder direkter Berührung mit Sekret. Wo solches nicht statthat, bringt auch enges Zusammenwohnen keine Gefahr, so dass z. B. in sehr vielen Krankenhäusern Trachomatöse ohne irgend welche Isolierung unter den andern Kranken liegen. Es erscheint im Gegenteil im Interesse der Sache erforderlich, dass nicht durch eine übermäßige und durch die Thatsachen nicht begründete zu starke Betonung der »Disposition« die vorwiegende Bedeutung der spezifischen Infektion und ihrer Einschlep- pung unterschätzt wird. Eine erworbene Immunität ist nicht erkennbar, da Reinfektionen nicht selten vorkommen, wie auch ein längst zur Ruhe gekommenes Trachom wie- der aufflackern kann. Kein Lebensalter scheint gegen Trachom geschützt. In welchem Alter in Trachomgegenden die Infektion zumeist erfolgt, hängt natürlich von den Umständen ab und gestaltet sich dementsprechend an verschiedenen Orten verschieden. Es mehren sich aber die Erfahrungen, nach denen in vielen Trachomländeru die Krankheit schon in früher Jugend erworben wird; so wird dies z. B. für Amsterdam (Straub), für große Teile Russlands (Ewetzki u. a.) und besonders für Aegypten angegeben, wo die umfangreichen neuen Unter- suchungen besonders von L. Müller und von Morax ergaben, dass bei den Kindern der ersten Jahre die Kranklieit bereits sehr verbreitet sei und wie Spezielle Bakteriologie des Auges. 551 bei Erwachsenen sehr oft mit andern Infektionen sich kombiniere. Die früher vielfach angenommene geringere Empfänglichkeit der Kinder besteht also nicht zu Recht. Ob auf anderen Schleimhäuten eine mit dem Trachom ätiologisch über- einstimmende infektiöse Erkrankung vorkommt, erscheint zweifelhaft. Nur der Thränensack scheint an echtem Trachom zu erkranken. Ist auch schon bei der einfachen Dacryocj'stitis das Vorkommen einzelner Follikel keine Sel- tenheit, so sind sie in der Massenhaftigkeit, wie sie Kuhnt und Raehlmann bei Trachom fanden, doch wohl als Zeichen trachomatöser Erkrankung aufzu- fassen. Das geschieht mit demselben Recht, mit welchem wir in der Bindehaut ein Trachom aunehmen, obwohl ja auch auf ihr nicht trachomatöse Follikel bei andersartigen Reizungen oft genug beobachtet werden. Es ist immerhin eigentümlich, dass auch bei ausgesprochenem Trachom der Bindehaut der Thränensack nur in einem Teil der Fälle erkrankt, obwohl er bei allen mit dem infektiösen Sekret in Berührung kommt. Ob es ein echtes »Trachom der Nasenschleimhaut« giebt, wie Kuhnt dies angenommen hat, muss unent- schieden bleiben, da die bei Trachomatösen häufig nachgewiesenen Nasen- veränderungen klinisch keine Besonderheiten darboten. Die au andern Körper- stellen, z. B. im Pharynx vorkommenden »follikulären« Erkrankungen stehen mit dem Trachom erst recht in keiner direkten ätiologischen Beziehung. Für die Bindehaut selbst wird es, solange wir den Erreger des Trachoms nicht kenneu, natürlich nicht mit Sicherheit möglich sein, die Krankheit klinisch nach unten mit voller Exaktheit zu umgrenzen^ und festzustellen, oh es abortive Fälle giebt, bei welchen überhaupt keine Follikel sich bilden, wie Peters das annimmt. Ein Beweis für das Vorkommen solcher follikelfreieu Trachome existiert aber nicht, und in epidemiologischer Hinsicht wird man diese Hypothese bis auf weiteres außer acht lassen können, da die Erfahrung immer wieder lehrt, dass die Infektion mit trachomatösem Sekret auch eine follikuläre Erkrankung hervorruft. Ebenso wird erst die Entdeckung des Erregers die sichere Feststellung bringen, in welcher Beziehung die milderen Follikularerkrankungen der Bindehaut zu dem eigentlichen Trachom stehen. Soviel wissen wir sicher, dass es auf sehr verschiedene Reize hin, chemischer, mechanischer und physikalischer Art zu Follikel- bildung kommen kann, welche nicht übertragbar ist und mit Trachom nichts zu thun hat. Ein besonders wichtiges Beispiel sind die »sog. Schulfollikel« (Cohn, Schmidt -Rimpler), wie sie sehr häufig, oft zu- fällig, im schulpflichtigen Alter ohne besondere Reizerscheinungeu angetroffen werden und wie sie früher oft fälschlich für Trachom ge- halten Avorden sind. Wie Greeff und Mayweg nachgewiesen haben, braucht die Uebertragung solcher Follikel auf gesunde Bindehäute keine Reaktion hervorzurufen. Schwieriger liegt die Frage für manche gutartige Follikularentzündung der Bindehaut, deren Erreger wir ebenfalls noch unzureichend kennen, da die Befunde von Michel, Sattler, Wilbrand-Saenger-Staehlin (G-R AM- positive Diplokokken) nur bei einigen solchen Epidemieen sich fanden. Dass diese gutartigen FoUikularendemieen übertragbar, also infektiös sein können, hat Axexfeld an seiner eigenen Conjunctiva nachgewiesen. Klinisch aber war die betreffende Waisenhausendemie vom Trachom verschieden, indem sie ausnahmslos ohne Narben spontan verschwand, ohne bei irgend einem der Befallenen die bekannten tracho- matösen Komplikationen hervorgerufen zu haben. Dass hier ein »ab- 552 Th. Axenfeld, geschwächtes« Trachom vorlag-, ist nicht gerade wahrscheinlich. Sicher- heit Über diese Fragen wird aber erst die Entdeckung des Trachom- erregers bringen, zu welcher wir nur durch neue Untersuchungsmethoden gelangen können, da unsere bisherigen, auch die feinsten, vollkommen versagen. Litteratur. Addario, Arch. f. Augenh., Bd. 41, 190O. Axenfeld, Diskussion zu Lebers Vortrag, Ophth. Gesellsch. Heidelberg, 1896; ferner: Trachom. Freiburg 1902, Speyer & Kaerner; ferner: >Ergebnisse der path. Anat.« (Lubarsch-Ostertag), 1894—1899. BuRCHARDT, Ccntralbl. f prakt. Augenh., 1897. Cazaxis, Etudes bacteriologiques de la conjonctivite granuleuse. These de Mont- pellier, 1895. DuDziNSKi, Michel -Nagel, 1900, S. 263. Fränkel, C, Hygienische Rundschau, 1899, Bd. 21, 2. — Ders., Zeitschr. f. Hyg. 11. Inf, 1899, S. 221. Goldschmidt, Centralbl. f. klin. Med., 1887, Nr. 18. Greeff, Klin. Jahrbuch, Bd. 7, 1898, u. Lehrbuch d. pathol. Anatomie des Auges, Berlin 1902 (A. Hirschwaldj, S. 32 flf. Hirschberg, Die Conjunctivitis granulosa. Klin. Jahrbuch, Bd. 6, 1897. Hirschberg & Krause, Centralbl. f prakt. Augenh., 1881, p. 39 u. 270. Kartulis, Centralbl. f Bakt., 1887. VON Krüdener, Petersburger med. Wochenschr.. 1895, S. 451. KuHNT, Die Conjunctivitis granulosa. Klin. Jahrbuch 1898, Bd. 7, 1898. Leber, Ophth. Kongress in Heidelberg, 1895. Michel, Archiv f. Augenh., 1886, p. 348. MoRAX, Recherches cliniques et bacteriologiques sur la conjonctivite granuleuse d'Egypte. Paris, 1902. J. Therenot. Müller, L., Arch. f. Augenh., Bd. 40, 1899, S. 13. NoiszEwsKi, Centralbl. f prakt. Augenh., 1891. Raehlmann, Naturforschervers. Hamburg, 1901. Sattler, Klin. Monatsbl. f. Augenh., Bericht über ophth. Kougress Heidelberg, 1881, 1882. Schmidt-Rimpler , Verhandl. internat. ophth. Kongress, 1888, p. 395 (Heidelberg). — Ders., Schuluntersuchungen, Leipzig, W. Engelmann, 1890. Lehrbuch, 1.— 7. Aufl. Shongolowitsch, St. Petersburger med. Wochenschr., 1890, p. 28. Wittram, Inaug.-Diss., Dorpat 1889. Wilbrand-Saenger-Staehlin, Mitteilungen aus den Hamburger Staatskranken- häusern, 1894, Bd. 3. X. Chalazion. Während für die akute Abszedierung der Meibomscheu Drüsen in gleicher Weise wie für das Hordeolum und die eigentlichen Lidabszesse die gewöhnlichen Eitererreger die Ursache sind, hat die Aetiologie des sich langsamer entwickelnden, chronischen Chalazion sehr verschieden- artige Deutungen gefunden. Das Vorkommen epithelo'ider Zellhaufen mit Riesenzellen von Lang- HANSSchem Typus veranlasste Baümgarten und seine Schüler, ebenso wie Parisotti das Chalazion für eine Tuberkulose zu erklären. Doch hat sich diese Ansicht nicht aufrechterhalten lassen. Denn die zahl- reichen Uebertraguugen des Chalazioninhalts auf empfängliche Tiere, wie sie von Weiss, Deutschmann, Vossius, Aschheim, Strzeminski u. a. vorgenommen wurden, ergaben niemals eine Impftuberkulose. Auch sind nur in ganz vereinzelten Fällen von Baumgarten und Wichert Tuberkel- bazillen gefunden worden ; niemals ist auch Verkäsung beobachtet. Diese Gründe haben jedenfalls das Uebergewicht, zumal die Anwesenheit von Spezielle Bakteriologie des Auges. 553 Epitheloidzellen uud Kiesenzellen ja durchaus nicht ausschließlich für Tuberkulose spricht. Man kann iu dieser Hinsicht nur sagen, dass die seltene Tuberkulose des Tarsus einem Chalazion gleichen kann. Baum- garten hat neuerdings seinen Standpunkt gemildert. Speziell das Zu- standekommen der Riesenzellen, die vermutlich den Epithelien der Acini entsprechen, wird jetzt von Henke auf Resorption von Kalksalzen zurück- geführt, wie überhaupt Sekretstauung bei der ganzen Krankheit von erheblicher Bedeutung zu sein scheint, wenn auch, wie schon E. Fuchs hervorgehoben hat, sie allein die Krankheit nicht erklären kann. Dass nicht nur Sekretretention einwirkt, sondern dass infektiöse Noxen mitspielen, ist in der That nicht unwahrscheinlich. Dafür spricht schon z. B., dass nicht selten an den sich berührenden Stellen der beiden Lider nacheinander Chalazien entstehen, spricht überhaupt die ganze stark entzündliche Reaktion. Die gewöhnlichen Eitererreger werden im Chalazioninhalt nicht immer gefunden. Zwar berichtet Priouzeau bei seinen umfangreichen Impfungen in der großen Mehrzahl der Fälle auch im Chalazioninhalt Eitererreger verschiedener Art, am häufigsten weiße Staphylokokken, seltener Diplobazillen , Pneumoniebazillen*), Strepto- kokken gefunden zu haben, unter denen er besonders die Staphylokokken als ätiologisch wichtig ansieht. Doch ist von anderen Autoren, beson- ders von Deyl und seinem Schüler Hala, denen ich in dieser Hinsicht zustimme, festgestellt Avorden, dass man in vielen Chalazien, wenn man isoliert nur deren Inhalt und nicht gleichzeitig Koujunktivalsekret ver- impft, jene Eitererreger nicht findet. Deyl hat nun iu jungen Chalazien sehr häufig die sog. Xerosebazillen gefunden, zumeist in Reinkultur; diesen Bazillen, welche er als die »Chalazionbazillen« bezeichnete, schreibt er die Aetiologie zu. Es ist nun, wie ich mich schon vor Jahren überzeugt habe, richtig, dass man in Chalazien, welche erst kurze Zeit bestehen, oft jene Bazillen in Reinkultur findet. Allein da dieselben schon normalerweise im Sekret der Meibomschen Drüsen sich finden (Reymond-Coloniatti, Schleich), so ist die Frage naheliegend, ob sie nicht als bloße Schmarotzer im Chalazion gelegen sind; gerade im Anfang der Krankheit wäre das möglich. Wie Deyl selbst hervorgehoben hat und wie Hala von neuem erörtert, verschwinden die Bazillen, wenn die Krankheit einige Zeit be- standen hat. Trotzdem sehen wir, wie das Chalazion sich weiter ver- größert und wächst, ja rezidiviert trotz Entleerung des Eiters. Sollte man nicht annehmen, dass die Causa noceus während des ganzen pro- gressiven Stadiums der Krankheit sich finden müsste, wie das bei den anderen Infektionskrankheiten der Fall ist? Wenn man den DEYLschen Bazillen eine ätiologische Rolle zuerkennen will, so könnte man in den- selben nur den ersten Anstoß zu der Erkrankung sehen, welche nach dem schnellen Zugrundegehen der Bazillen sich dann lange Zeit hin- durch weiter entwickeln könnte. Man wird unter diesen Umständen weitere positive Beweise für die pathogeue Bedeutung verlangen müssen. Deyl sieht dieselben darin, dass es ihm gelaug, mit erbsengroßer Injektion einer dicken Suspension der Bazillen unter der Ohrhaut und unter der Conjunctiva rundliche Geschwülstchen, ähnlich den Chalazien, zu erzielen. Auch in diesen Geschwülstchen verschwinden die Bazillen schnell. *) Auch Maklakow (Arch. f. A., Bd. 43, 1901, S. 10) beschreibt einen Fall mit Pneumoniebazillen. 554 Th. Axenfeld, Uala hatte die gleichen Impfresultate auch mit verschiedenen Ba- zillenstämmen, welche von der gesunden oder kranken Bindehaut, aus dem Harn, aus dem Blut eines exanthematischen Typhus u. s. w. her- stammten. Ferner hatten abgetötete Kulturen die gleiche Wirkung, wie lebende. In den experimentellen Chalazien gingen die Bazillen so schnell zu Grunde, dass sie nur in den ersten Tagen sich wieder herauszüchten ließen*). Diese Angabe ist, wie Bietti in meinem Laboratorium nachprüfte, für manche sogenannte Xerosebazillen zutreffend. Es ist aber zu be- rücksichtigen, dass eine so enorme Menge von Bakterien, wie jene Sus- pensionen sie enthalten, bei Anwendung sehr verschiedener, nicht patho- gener Baktej-ien eine ähnliche Keaktion hervorruft. Die Chalazien da- gegen enthalten jene Bazillen nie in solcher Masse, sondern oft nur sehr spärlich. Auch ist der Befund der DEYLschen Bazillen nicht konstant beim beginnenden Chalazion. Bei subkutaner oder intraperitonealer Injektion selbst großer Mengen zeigen die aus Chalazien gezüchteten Bazillen keine Meerschweinchenpathogenität, mit seltenen Ausnahmen. Unter diesen Umständen kann der Beweis für die ätiologische Be- deutung der Xerosebazillen gegenüber dem Chalazion noch nicht als genügend erbracht gelten. Wenn sie aber in Betracht kommen, so sind es wohl nicht die einzigen Chalazionerreger und ebensowenig erscheint es fraglich, ob auf sie die ganze Krankheit zurückzuführen wäre. Man kann bisher nur mit Sicherheit sagen, dass es sich, wie Fuchs be- tont hat, um ein Adenitis und Periadenitis handelt, in deren Verlauf sich schwer resorbierbare, reizende Massen bilden. Wieweit bak- terielle Reize einwirken und welcher Art dieselben sind, bedarf noch weiterer Untersuchung. Wenn man die Xerosebazillen als Ursache ansehen will, so erscheint doch nicht zutreffend die Auffassung von Hala darüber, wie die Chalazion- iufektion entstehe. Er meint, dass infolge von Wischen u. s. w. die normaler Weise vorhandenen Bazillen in die Bindehaut eingerieben werden. In Wirklichkeit aber können die Bazillen so nicht in die im Tarsus gelegenen Meibomschen Drüsen, in denen der Prozess sich abspielt, hineingelangen, sondern nur durch die am Lidrand gelegenen Aus- führungsgänge dieser Drüsen. Thatsächlich kommen aber die Bazillen schon normaler Weise in diesen Drüsen vor, wie die Staphylokokken in den Haarbalgfollikeln der Haut. Ebenso wie letztere unter Umständen, besonders bei gewissen allgemeinen Diathesen und Sekretionsanomalieen eine Aknepustel erzeugen, könnte dies bei den ja nur als Eiesenbalg- drüsen aufzufassenden Meibomschen Drüsen mit den in ihnen gelegenen Bakterien der Fall sein. Litteratur. Alfieri, Archivio di Ottalmol., vol. .3, p. 77, 1895. Deyl, Verhandlungen der Prager Akademie der Wissenschaften, 1893/94. Fuchs, E., Lehrbuch, 1897. H LA, Zeitschr. f. Augenh., Bd. 6, 1901, S. 371. Heinersdorff, Arch. f. Ophth., 1898, Bd. 46. Henke, Virchows Archiv, 1900. Kohlmoes, Inaug.Diss. Gießen 1893. Land\\t:hr, Zieglers Beiträge z. pathol. Anat., Bd. 16, 2, 1894. *) Von Interesse dürfte sein, dass Bietti Versuche anstellte, ob die Immunie- Bierung gegen Diphtherie mit BEHRiNGschem Serum auf den Verlauf dieser Impfungen einen Einfluss hätte, was aber durchaus nicht der Fall war. Spezielle Bakteriologie des Auges. 555 Manfredi, Internat. Kongr. Rom, 1894. Palermo, Annali di Ottalmol., vol. 26, p. 481, 1896. PoROSCHiN, Centralbl. f. pathol. Anat., 1899, S. 669. Priouzeau, Annales d'ociil., t. 119, p. 126, 1898. Tangl, Zieglers Beiträge z. pathol. Anat, Bd. 9, 1891. VoGK.L, Inaug.-Dissert. Tübingen 1898. VON Wichert, Zieglers Beiträge z. pathol. Anat, Bd. 15. 1893. XI. Thränenorgane. Der aiißerordeiitliclie Bakterienreichtum des Thränensackeiters bei Dacryocystitis hat schon frühzeitig in den Arbeiten von Widmark, Sattler, . Schmidt-Rimpler Bearbeitung erfahren. Sowohl mit manchen der gezüchteten Reinkulturen, als direkt mit dem Eiter ließen sich ex- perimentell eitrige Infektionen der Hornhaut erzeugen, entsprechend den Erfahrungen am Menschen. Anfangs war die Aufmerksamkeit vorwiegend auf die Staphylokokken und Streptokokken gerichtet, später stellte sich durch die Arbeiten von Gasparrini, Cuenod, Mazet, Uhthoff & AxEXFELD heraus, dass in erster Linie wieder die Pneumokokken in Betracht kommen, die bei der Mehrzahl der Fälle massenhaft und in virulenter Form nachweisbar sind. Da auf der Kultur diese Keime oft in langen Ketten wachsen, so ist anzunehmen, dass auch ein Teil der als Streptokokken beschriebenen Befunde hierher zu rechnen sind. Der mit allen Merkmalen des Streptococcus pyogenes ausgestattete Kettencoccus findet sich besonders bei den eigentlich phlegmonösen Formen, weniger bei der einfachen Dacryocystitis, bei der die Pneumo- kokken vorherrschen. Doch finden letztere sich in der Regel nicht rein. In einer kleinen Anzahl von Fällen sind FRiEDLÄNDERSche Pneumonie- bazillen resp. sogenannte Ozaenabazillen angetroffen worden (Sattler, Terson-Gabrielides, Ma-zet, Cuenod, Uhthoff & Axexfeld, Gour- fein) angetroffen, teils als einziger Befund, teils neben anderen Keimen. Von manchen Seiten, besonders von Terson & Gabrielides war anfangs die Erwartung ausgesprochen worden, dass gerade diese Bazillen im Thränensack und damit auch bei der Hypopyonceratitis eine große Rolle spielen müssten, weil so oft gleichzeitige Ozaena vorhanden sei. Doch hat sich diese Erwartung nicht bestätigt; sie sind zwar bei einer Anzahl von Ozäuösen hier gefunden worden (Terson-Gabrielides, Mazet, Lodato); in der Regel aber ist die Hypopyonceratitis auch in diesen Fällen durch Pneumokokken verursacht. Als seltenere Befunde sind noch hervorzuheben Bacterium coli, welches sich einige Male bei phlegmonöser Dacryocystitis fand (Mircoli, Mazet, Uhthoff) und jedenfalls auch als die Ursache des Abszesses gelten kann, da die gezüchteten Bazillen sich stark pyogen erwiesen; ferner Bacillus pyocyaneus (Sattler), sowie ganz eigenartig formvariable py- ogene Bazillen (Sattler, Uhthoff, Mazet), deren genaue Klassifizierung noch nicht vorliegt; ferner Sar einen, Actinomyces albus (Richi). In den mehr glasigen, nicht eitrigen Sekreten treten oft die soge- nannten Xerosebazillen in den Vordergrund (Fage), können sogar rein darin vorkommen; solche Sekrete brauchen nicht infektiös zu sein, wenn es auch zu weit gegangen wäre, alle nicht eitrigen Fälle als harmlos anzusehen, da auch bei ihnen Eitererreger vorkommen können. So fand Cuenod in 10 glasigen Sekreten doch 8 mal Pneumokokken, Bei den eitrigen Sekreten treten jene Bazillen ganz hinter den erwähnten Eiter- erregern zurück. 556 Th. Axenfeld, Bei gangränöser »Pericystitis« haben Veillon & Moeax den anae- roben Bacillus fnucluliformis, einen Fäulniserreger, neben Streptokokken gefunden, der Gangrän hervorruft, sowie noch einen weiteren eiter- erregeuden anaeroben Bacillus. Außerdem können als gelegentliche Kebenbefunde mancherlei Saprophyten sich finden. Ganz ungewöhnlich sind die von Gallenga beobachteten Fälle von Rhinosklerom des Thränensacks, sowie der GouRFEiNSche Fall von Rotz. Hervorzuheben ist noch, dass die nicht seltene Dacryocystitis beim Neugeborenen, die bei verspäteter OeÖnung des Ductus nasolacrimalis durch die gleichen Mikroben zustande kommt, eine primäre eitrige Bindehautentzündung vortäuschen kann. Mit Recht rät Petees, beson- ders bei den nicht gonorrhoischen Eiterungen der Neugeborenen darauf zu achten. Die auffallende Häufigkeit der Pneumokokken im Thränensackeiter erklärt sich wohl einerseits daraus, dass dieselben bei einem Teil der Menschen schon von der normalen Bindehaut dorthin gelangen und bei Stenosen des Ductus im Thränensack W'Uchern können; in anderen Fällen kann von der Nase her, von welcher aus ja durch aufsteigenden Katarrh viele Stenosen entstehen, diese Infektion eintreten. Mau muss aber doch wohl annehmen, dass gerade diese Keime im entzündeten Thränensack besonders gute Entwicklungsbedingungen finden. Litteratur. Basso, Bacteriologie de la Keratite a hypopion. Internat. Kongr. Eom 1894. CuENOD, Contribntion ä l'etnde des affections pnenmococciques de Tceil. Compt. rend. du congr. frang. d'ophth., 1895, p. 534. Fage, Bacille pseudodiphterique dans nu cas de dacryocystite. Soc. d'ophth. de Paris. Annales d'oculist., t. 115, p. 55, 1896. Gallenga, Centralbl. f. prakt. Augenh., 1899, Oktober. 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Die Schwellung erreicht in den höchsten Graden etwa Haselnussgröße, ist in der Regel geringer; mau fühlt eine längliche, ziemlich derbe Resistenz, der zugehörige Thränenpunkt ist erweitert, auf Druck tritt mitunter ein grünlicher oder dunkler gefärbter Inhalt bis dicht an ihn heran, lässt sich aber nicht ausdrücken, sondern es entleert sich entweder gar nichts, oder nur ein klein wenig Eiter. Dabei braucht der Durchgang nach der Nase hin nicht ganz verlegt zu sein, wenig- stens lässt sich Flüssigkeit vom Röhrchen aus durchspülen. Niemals ist bisher eine perforative Zerstörung der Haut dabei beobachtet, sondern das Krankheitsbild bleibt monatelang in dieser Weise bestehen, die Schwellung nimmt langsam zu, überschreitet aber den oben genannten äußersten Grad nicht. Ob sie schließlich spontan ausheilen kann, ist nicht zu sagen, da die zur Beobachtung gekommenen Fälle sämtlich der Incision und Entleerung unterworfen wurden, worauf jedesmal schnelle und dauernde Heilung erfolgte. Nur in dem einen Fall von Krukow- Kastalsky entwickelte sich nach Entfernung eines Konkrements aus dem unteren Röhrchen ein solches im oberen. Eröffnet man nun in der üblichen Weise das Thränenröhrchen, so entleert sich sofort oder auf leichten Druck eine eigentümliche Masse, mitunter in mehreren größereu und kleinereu Bröckeln. Mit der ent- zündeten Schleimhaut des zu einer Höhle erweiterten und vollständig epithelausgekleideten Röhrchens haben die Massen keinerlei festere Verbindung ; sie lassen sich mühelos stumpf herausbefördern und werden höchstens durch die Engigkeit der Incision oder Ausbuchtungen der Schleimhaut etwas zurückgehalten. Nur in einem Falle (v. Schröder) konnte eine lose Verbindung mit der Wandung nachgewiesen werden. Die Gesamtmenge der sich entleerenden Konkrementmassen schwankt zwischen Halblinsen- und Bohnengröße. Die Oberfläche pflegt klein- höckrig, etwas zerklüftet zu sein, von wachsartigem Glanz; die Färbung ist zumeist graugrünlich oder grünlichgelb, in manchen Fällen auch bräunlich bis dunkelbraun. Letztere bestehen wohl schon längere Zeit, sie zeigen auch härtere Konsistenz und sind weniger leicht zu zerteilen, als die anderen, die sich unschwer in immer kleinere Körner zerlegen lassen und zwischen zwei Deckgläsern ohne Mühe zerdrückt werden können, etwa wie Wachs. In einigen Fällen (A. v. Gräfe, Grüning) fand sich Verkalkung der Konkremente; schließlich können, wie es scheint, die Pilzmassen absterben und dann eine kalkige, detritus- umgebene Masse darstellen (Snegirew). Das Krankheitsbild ist in seiner vollen Ausbildung fast absolut charak- teristisch*). Die ersten Andentungen über dasselbe finden sich bei Cesoni *) Nur ganz ausnahmsweise ist ein anderer Fremdkörper gefunden worden (Mitralsky) ; ich selbst sah eine Syphilis des Thränenrührchens unter diesem Bilde. 558 Th. Axenfeld, (1670) Sandifoes (1779) und Desmakhes (1842). Allein erst Alfred v. Gräfe gab eine klare, auch heute noch giltige Beschreibung, welche auf 10 eigenen Beobachtungen beruhte. Er stellte auch sogleich fest, dass der eigentümliche Inhalt dieser Thränenröhrchen organischer Natur sein müsse, was die mikroskopische Untersuchung bestätigte. Gräfe war anfangs ge- neigt, den Pilz mit Favus zu identifizieren. Chonheim dagegen definierte ihn als »Leptothrix« ; ihm folgten Leber, Waldeyer, letzterer auch deshalb, weil in seinem Fall das Konkrement dunkelbraun war, wie die Leptothrix- befunde in der Mundhöhle. Beide Forscher machten aber die Einschränkung, dass die sich findenden Fäden feiner und hier und da verzweigt seien; ab- weichend sei auch, dass die für den Leptothrix buccalis charakteristische Jodreaktion ausblieb. A. v. Gräfe selbst hat sich dann der Auffassung »Leptothrix« zugewandt und die Krankheit ging zunächst unter dem Namen Leptothrix bis 1875. Ferdinand Cohn trennte die Pilze vom Leptothrix aus den genannten Gründen; er bezeichnet sie als eine besondere Art mit dem Namen »Streptothrix Foersteri«. Er betonte, dass die Fäden von gleicher, sozusagen haarfeiner Dicke seien, bei schwacher Vergrößerung homogen erscheinen, in unbestimmter Folge bald gerade, bald gewunden verlaufen, dass sie, wenn auch nur spärlich, echte Verzweigungen zeigen. Vom Lepto- thrix buccalis, der dicker, steif und gerade, deutlich gegliedert und unver- zweigt sei, seien sie verschieden, auch geben sie keine Jodreaktion. Insofern seien sie dem Leptothrix analog, als die Hauptmasse der Konkremente eben nur aus solchen Pilzmassen bestehe. Auf der Basis der CoHNSchen Angaben unternahmen v. Reus & Gold- zieher eine Revision der bisherigen Litteratur. Sie identifizierten auch die älteren Fälle mit diesem Streptothrix Foersteri. Seitdem bediente sich die Kasuistik vorwiegend dieses Namens, bis 1894 die Arbeiten von Schröder und von Huth auf Grund des Befundes von strahligen Drusen mit kolbigen radiären Ausläufern die Konkremente als » Aktinomykose« bezeichneten. Ihren Mitteilungen waren solche von Tomjmasoli und von Bajardi schon vor- ausgegangen, aber letztere waren in der ophthalmologischen Litteratur nicht weiter bekannt geworden. Wie GoLDZiEHER und v. Reuss die älteren Fälle als Streptothrix deu- teten, so deutete nunmehr v. Schröder die bisherige Litteratur als Aktino- mykose, also als eine bestimmte Art von Streptotrichie. Er erklärte die Pilze für identisch mit dem Actinomyces hominis seu bovis, und man muss zugeben, dass für seinen Fall und diejenigen in der Litteratur, welche typische Kolben- drusen wie er gefunden hatten, diese Auffassung in histologischer Beziehung ebenso gerechtfertigt war, wie die beim Chirurgen übliche Diagnose. Für diejenigen (zahlreichen) Fälle, wo das Bild nicht der Drusen, sondern nur der Fäden vorgelegen, erschien wegen der Pleomorphie des Aktiuomyces seine Anwesenheit nicht ausgeschlossen. So haben auch Boström und Israel die älteren Fälle als Aktinomykose reklamiert und Ferd. Cohn hat sich dem später angeschlossen. Dass das Krankheitsbild am Auge so unverhältnis- mäßig gutartiger erschien, als wir sonst die Aktinomykose zu finden gewohnt sind, spricht nach v. Schröder nicht gegen Aktinomykose, sondern sei da- durch wohl erklärbar, dass der Pilz hier in einer epithelumkleideten Höhle liege und infolge der Thränenbespülung unter schlechten Ernährungsverhält- uissen sich befinde*). Diese Arbeit erregte allgemeine Aufmerksamkeit und hatte zur Folge, *) Es ist von Interesse, dass Majocchi im Ductus Whartonianus ein ähnliches Konkrement gefunden hat (Arch. per le szience med., vol. 16, 15, 1892. Spezielle Bakteriologie des Auges. 559 dass nunmehr eine Reihe kasuistischer Mitteilungen unter der Bezeichnung »Aktinomykose« der Thränenröhrchen erfolgten (Ewetzki, Elschnig, Lange, V. Schröder, Mitvalski, Robert, Terson, Ginsburg, Mackay). In dem einen seiner späteren Fälle konnte v. Schröder auch nachweisen, dass ein- zelne Fäden in die Wandung des Thränenröhrchens eingedrungen waren; das klinische Bild war dabei das gleiche gewesen. Aber das abweichende klinische Bild und die Erfahrung, dass der Actino- myces bovis nur ein Mitglied der großen Familie der Streptotricheen sei, deren Vertreter in morphologischer Hinsicht Aveitgeheude Uebereinstimmung zeigen können, obwohl sie im übrigen verschieden sind, musste bald Zweifel an der Richtigkeit der neuen Auffassung erwecken. Lachner- Sandoval, Axenfeld & Kastalsky hoben hervor, dass zunächst vollständige Kultur- untersuchungen notwendig seien, bevor man sicher bestimmen könne. Bis dahin sei es besser, allgemeiner von »Streptotrichie« zu sprechen. Will man die Streptotricheen als »Aktinomyceten« bezeichnen, so mag man die Kon- kremente als eine Aktinomykose bezeichnen. Nur dürfe man nicht ohne weiters die Vorstellung einschließen, diese Keime seien als identisch erwiesen mit der Unterart, Act. hominis seu bovis, yan der Straeten ging noch weiter und erklärte den Befund für eine »Pseudoaktinomykose«, weil das klinische Bild abwiche und weil doch sehr oft die typischen Drusen fehlten. Diese Aus- schließung des Aktinomyces geht jedoch, wie Axenfeld & Cahn ausführen, wiederum zu weit, weil die Beteiligung dieses Keims aus den von van der Straften angeführten Gründen doch nicht definitiv widerlegt sei (s. S. 564). Dass aber nicht nur die als Actinomyces bovis bezeichnete Art für die Kon- kremente in Frage kommt, ist bewiesen durch die Arbeit von Silberschmidt (1900), welche zum ersten Mal zwei vollständige Kulturen lieferte, nachdem bisher alle Versuche gescheitert waren, oder doch, wie bei den beiden ersten Fällen von Kastalsky & Axenfeld, sich nicht hatten bis zur völligen Iden- tifizierung durchführen lassen. Silberschmidt fand im frischen und gefärbten Ausstrichpräparat wieder die sehr dünnen, sich nach Gram gern segmentiert färbenden Fäden, neben ihnen kokkeuartige Elemente. Verzweigungen sehr spärlich, hier und da leicht verdickte Enden. Radiäre Anordnung und Kolben waren hier nicht nachweisbar ; auch waren die Fäden nicht deutlich geschlängelt. Nur die anaeroben Kulturen gingen an, und zwar zeigte sich erst nach mehreren Tagen ein Wachstum bei Bruttempe- ratur. Es eutwickelten sich am Boden der Agarröhrchen die Kolonieen als rundliche, grauweiße, glatte Körnchen. In der Stichkultur erscheint die Um- gebung des Stichs neblig getrübt. In Bouillon bildete sich am Boden ein maulbeerartiges Klümpchen, das sich leicht zerteilen lässt und beim Schütteln in Teile zerfällt, welche wie kleine Wattebäusche aussehen. Von Bouillon und Agar ließen sich, bei reichlicher Uebertragung, die Kul- turen auf Agar weiterztichten. Der Pleomorphismus der Kulturen war sehr ausgesprochen: Die ersten Kulturen gaben Stäbchen ähnlich wie Diphtheriebazillen, zum Teil verzweigt. Manchmal traten längere, verzweigte Fäden mit Anschwellungen in den Vor- dergrund; häufiger waren Kurzstäbchen, in älteren Kulturen herrschten kokko- bazillenartige Formen vor. Lange Fäden kamen besonders zur Darstellung, wenn das Material schonend ausgebreitet, nicht stark verrieben war. Niemals waren engverfilzte Fadeugewirre sichtbar, niemals auch radiäre Anordnung. Die Tierpathogenität des Streptothrix war nicht groß; intravenös rief er beim Kaninchen keine Erscheinungen hervor, dagegen intraperitoneal und sub- kutan bei Meerschweinchen und weißen Mäusen mäßige lokale Eiterung. 560 Th. Axenfeld, Wir haben also eiue Streptotrieliee vor uns, die weder dem aeroben Ak- tinomyces von Bostküm, noch dem anaeroben von Israel entspricht. Wie- Fig. 16. Axenfeld, Fall I. Anaerobe Agarkolonie. y \ / 0 4 Fig. 17. Axenfeld, Fall III. Anaerobe Serumagarkolonie. weit nun etwa die Bestimmung' von Silberschmiüt für die früheren, kultureil nicht bestimmten Konkremente zutrifft, lässt sich nachträglich nicht feststellen. SiLBERSCHMiDT ist insofern vom Glück begünstigt gewesen, als er von vornherein eine Reinkultur des Streptothrix vor sich hatte. Sehr oft ist das Spezielle Bakteriologie des Auges. 561 nicht der Fall. Bei 5 von Axenfeld untersuchten Füllen, welche in der Dissertation von Cahn ))eschrieben sind, waren stets von vornherein massen- Fig. 18. Axenfeld, Fall III. Konkrementpräparat. 'U» Fig. 19. Axenfeld, Fall IV. Konkrementpräparat. hafte andere Keime, Streptokokken. Bazillen mit zur Stelle (damit sind nicht etwa die kokkobazillären Formen des Streptothrix gemeint). Diese andern Keime überwucherten auf den aeroben Kulturen schnell den Nährboden, während die Streptrotricheen mit ihrer sehr langsamen Entwicklung noch nicht an- HantUmch der patliogenen Mikroorganismen. III. 36 562 Th. Axenfeld, gingen. Dagegen anaerob blieben erstere znrück nnd es gelang in 3 Fällen, den Streptotlirix so znin Wachsen zn bringen. Eine Isolierung nnd v(dlige Be- stimmung gelang jedoch nur in zweien dieser Fälle, und zwar einmal dadurch, dass anaerobe Kulturen sehr lange [Vj-y Jahre) zugeschmolzen ))lieben. Die ^^^^.. -!f^i|^^ ■:% Fig. 20. Dalen, Konkrement. ^\ . \ • •■ s / < (\ --. ^X > v^^- :.r^. V.:. ^^'-... \^v ^-f _v Fig. 21. Dalen, Streptothrixkultur. Fig. 22. Dalkn, Streptothrixkultur. Rtreptotricliecn überstanden diese Zeit, die gleichzeitigen Kokken gingen zu Grunde. Es liandelte sicli um eine zweifellose Streptotlirix, der eine wesentliche Tierpathogenität nicht entfaltete. In einem 2. Falle führte die Anwendung schwach saurer Nährböden anaerob zum Ziele. Bei dem 3. Fall jedoch misslang die Isolierung, da beim Ueberimpfen die andern Keime w^ieder Spezielle Bakteriologie des Auges. 563 alles überwucherten. Jedeufalls aber empfiehlt es sich danach durchaus, anaerob vorzugehen und auch saure Nährböden zu versuchen. In letzter Zeit ist es auch Dalkn bei 2 Fällen geluugen, Kulturen zu erhalten. Die frischen Konkremente hatten nicht das Bild der Kolbendrusen sondern der Fadengewirre, mit sehr spärliclien Verzweigungen dargeboten. Auch Dalen erhielt die Streptothrix nur in der Tiefe der Agarstiche. Hier entwickelten sich kleine Knötchen, welche 2 — 3 Wochen weiter ver- impfbar waren, aus Fäden mit spärlicher Verzweigung bestanden und in äl- teren Kulturen weitgehende Pleomorphie zeigten. Subkutane und intraperi- toneale Impfung verlief negativ. Eine nähere systematische Einreihung in die Streptotricheenarten nimmt Dalen nicht vor. Neuerdings ist nun bei einigen Fällen wieder von »Leptothrix« die Rede. Das würde wieder an die Anschauung der ersten Zeit A. vox Gräfes an- knüpfen. HiRSC'HBEKG hat einen Fall beschrieben, bei Avelchem Kempxer die Diagnose »Leptothrix« stellte; der Befund Avar der gleiche, wie in den früheren Fällen, doch wurden an den feinen, z. T. gewundenen Fäden keine Verzweigungen gefunden. Da diese aber mitunter bei diesen Streptrotricheen sehr spärlich sein können und nur auf den Kulturen deutlich zu werden brauchen (Axenfeld-Cahn), so ist dies doch wohl allein nicht ausschlaggebend, da eine kulturelle Bestimmung nicht gelang und andererseits die Jodreaktion ausblieb. Das gleiche gilt für die von Piorkowski gegebene Darstellung in einem Falle von Segelckex; letzterer Autor schließt sich deshalb auch der Meinung an, dass eine Beteiligung von Leptothrix an diesem Krankheitsbild nicht als erwiesen gelten könne, zumal in letzterem Falle ausgesprochen ra- diäre Drusen beobachtet wurden, wenn auch andererseits, bei der Unsicherheit in der Definition dieser Familien dies noch nicht ausgeschlossen werden könne. Bemerkenswert für die Frage ist die Mitteilung von Cannas. Er fand in dem aus den Thränenröhrchen sich entleerenden Eiter, neben Bazillen und Kokken, Spirillen sowie Fäden, die ihm Bruchstücke von »Leptothrix« zu sein schienen. Die Konkremente bestanden vorwiegend aus sehr feinen langen, dicht verfilzten Fäden, an denen Caxxas Verzweigungen und Teilungen nicht erkennen konnte; sie färbten sich nach Gram, wurden auf Zusatz von •LuGOLscher Lösung violett. Auf Gelatine eutwickelte sich neben anderen Mikroben nach einigen Tagen eine granweißliche große Kolonie mit ge- zähntem, durchscheinenden Kande, die auf Glyceriuagar übertragen schnell die ganze Oberfläche überzog mit einer grauweißen Membran. Im Gelatiuestich trat laugsam Verflüssigung ein, in Bouillon in 48 Stunden ein reichlicher Niederschlag. Mikroskopisch fand Cannas typische Haufen von »Leptothrix buccalis«, wie sie im Zupfpräparat gewesen. Tierversuch negativ. Cannas stellt die Diagnose »Leptothrix» unter Hinweis auf Robin (1855). Dieser Befund Aveicht von allen anderen auffallend ab, denn nach all- gemeiner Erfahrung ist Leptothrix sonst nie in dieser Weise kultivierbar gewesen. Auch entspricht der Diagnose »Leptothrix« nicht die Spirillenform. Es ist auch das erste und einzige Mal , dass von einer positiven Reaktion mit Jod die Rede ist. Auffallend ist auch, dass nur eine einzige derartige Kolonie aufging. Cannas citiert die Untersuchungen von Ma.toccih über die Konkretionen in den Speichelgängen und nimmt Avie dieser an , dass die parasitären Ele- mente verschiedenartig sein könnten, nämlich 1. Leptothrix, 2. Streptothrix Foersteri, 3. Aktinomyces. Ueberzeugend erscheinen mir die CANNASschen Ausführungen nicht. Eine erfolgreiche Kultivierung ist in letzter Zeit auch Aaverbacii gelungen. Er fand in den Konkrementen Drusen ohne kolbige Verdickungen. Von allen 36* 564 Th. Axenfeld, Kulturen gingen nur drei direkte Bouillonkulturen an: unter der Bauchliaut des Meerschweinchens ergab die Infektion einen Abszess; intraperitoneale In- jektion tötete eine Maus innerhalb 8 Tagen; in einer Mesenterialdrttse und einem der Leber ansitzenden Knoten fand sich »typische aktinomykotische Neu- l)ilduug«. Bei einem weiteren subkutan geimpften Meerschweinchen ergab nach 2' 2 di^ Sektion einen abgekapselten Abszess, in welchem typische Drusen mit kolbigen Enden nachgewiesen wurden. Awerbach zweifelt eben- falls die Diagnose »Leptothrix« in dem HiRSCHBERGschen Falle an und Ije- zeichnet seinen Fall als Strahlenpilzerkrankung, Zusammenfassend ist hervorzuheben, dass nur durch weitere genaue Knlturbe Stimmungen die Natur der Thränenröhrchenkonkremente weiter festgelegt werden kann, da die Pleomorphie dieser Keime die rein morphologische Delinition des frischen Konkrementes erschwert. Sicher festgestellt ist, dass es sich um eine, vielleicht anch mehrere Streptothrixarten handeln kann. Bei den bisher kultivierten acht Fällen (Kastalski, Axenfeld, Silberschmidt, Dalen, Awerbach*) hat es sich immer um eine Streptothrix**) gehandelt, vielleicht mit einziger Ausnahme des Falles von Cannas, der Leptothrix gezüchtet zu haben berichtet, freilich in einer Weise, die den sonstigen Ansichten über Leptothrix nicht entspricht. Es ist jedenfalls wahrscheinlich, dass fast immer eine Streptotrichie besteht, da das Krankheitsbild sehr einheitlich ist, und auch der mikroskopische Befund des frischen Konkrements be- züglich der Fäden weitgehend übereinstimmt. Wenn in einigen Konkre- menten keine deutlichen Verzweigungen bemerkt worden sind, so ist zu berücksichtigen, dass dieselben auch bei den, zweifellos als Streptothrix bestimmten Fällen von Silbek.schmidt, Axenfeld und Dalen sehr spärlich gewesen sind. Es muss deshalb fraglich erscheinen, ob Lepto- thrixarten überhaupt öfters in Betracht kommen. Ebenso ist es zweifelhaft, wie oft der BosxRÖMSche und der IsRAELsche Actinomyces bovis seu hominis für die Thränenröhrchenkonkremente in Betracht kommt. So lange wir nicht weitere Kulturrcsultate be- sitzen, welche nach der Erfahrung aller der oben genannten Autoren am ehesten auf anaerobem Wege zum Ziele führen dürften, muss diese Frage offenbleiben. — Die interessanten, drusenartigen »Konkremente der Bindehaut«, wie sie von Fuchs und Wintersteineu als häutiger Befund in der Bindehaut besehrieben sind, machten anfangs auch den Eindruck, als handle es sich um Tilzdrusen, zumal diese gelblichen, in der Schleim- haut gelegenen Körnchen mit Aktinomykose makroskopisclie Aehnlich- kcit haben. Es ist aber von den genannten Forschern nachgewiesen worden, dass es sich nicht um parasitäre Gebilde, sondern um Konkre- tionen handelt. Das ailt auch für den fälschlich als Aktinomvkosc beschriebenen Fall von Demicheri (Arch. d'oi)hth., 1898). Die Fälle von DE Vincentiis und von Oemichen, als Aktinomykose veröffentlicht, sind ebenfalls hierher zu rechnen. *) Dazu kommt noch ejne Streptothrixreinkiütui' von zur Nkddex (Klin. Monatsbl. f. A., XLI, Bd. 2, 1903). **) Der sonst gelegentlich auf der Bindehaut und im Thränensack gefundenen Actinomyces albus (Cazai.is, Ricciii, Gomi!Ki:t, Axenfeld), der sich jederzeit leicht züchten lässt, hat mit diesen Htreptotricheen nichts zu thun und wird von Cazalis irrtümlich mit dem »Streptothrix Foesteri« identifiziert. Spezielle Bakteriologie des Auges. 565 Die seltene echte Aktiuomykose der Orbitalgebilde hat das bekannte Bild g-raunlierender Zerstörmig- dargeboten (s. »Ergebnisse« von Lubakscii- OsTERTAG, Bakterien des Auges 1895 — 1900). Litteratur. AUERBACH, Wratsch 1902, Nr. 49. (Ref. Ophthalmol. Klinik, 1903, S. 23.) AxENFELD, Bakteriologie des Auges in »Ergebnisse« von Lt 'harsch & Osi'EsrrAG. 1894—1900. — Ders-, Klin. Monatsbl. f. Augenlieilk., 1901, Jan.-IIeft. 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Diese Experimental-Untersuchuugen, welche in besonders verdienstlicher Weise von Leber unternommen wurden, haben über die Entstehung des eitrigen Infiltrates und besonders des Hypopyons, welches einer Fernwirkung der iutrakornealen Mikroorganismen durch deren diffundierende Toxine seine Entstehung verdankt und welches bis zur Perforation der Hornhaut einen sterilen Eiter darstellt, uns eine Auffassung des pathologischen Prozesses gegeben, welche auch auf die Hypopyonceratitis des IMenschen im allgemeinen übertragbar ist, obwohl die Untersuchungen am Menschen ergeben haben, dass nicht die Staphylokokken, sondern die Fränkel- WEiCHSELBAUMschen Pneumokokken die weitaus häufigsten Erreger der Hyponpyonceratitis des Menschen sind. Dass die ersten kulturellen Arbeiten über eitrige Ceratitis des Menschen nicht diese, sondern Sta- phylokokken imd Streptokokken oder ein negatives Eesultat ergeben hatten, liegt an denselben Gründen, welche in der ätiologischen Forschung der ])indehautentzündungen und mancher andern infektiösen Erkrankung eingewirkt haben, nämlich daran, dass die kulturempfindlichen Pneumo- kokken erst bei Anwendung besserer Methoden nachweisbar wurden. Auch ist in manchen der frühereu Arbeiten eine sofortige Deckglasunter- suchnng des Kornealeiters nicht ausgeführt worden, in welchem die kap- selumgebenen Lanzettdiplokokken so ganz besonders deutlich hervortreten. Ende 1893 veröffeiitliclitc Gasparrixi zuerst eine Arbeit über die Be- deutung des Pneumococcus in der Oplithahuologie, in welcher er außer Tier- experimenten mitteilt, dass er bei z.-ihlreiehen Fällen von Hypopyonceratitis den Pneumococcus, und zwar meist in lieinkultur gezüchtet habe. Diese üntersuclHmgen wurden ergänzt und bestätigt dureh Basso und Guaita. Die erste Mitteilung über iln-e 1892 begonnenen und von dieser Gaspar- RiKischen Mitteilung völlig unabhängigen Untersuchungen veröflentliohten Uht- HOFF & Axenfeld 1894. Auch sie fanden den Pneumococcus auffallend liäudg. In ihrer INIonographie ans dem Jahre 1896, in welcher sie über eine Serie von oO Fällen und eine Anzahl anatomischer Untersuchungen berichten, ergab sicli, dass der bakteriologische Befund von Pneumokokken sich mit derjenigen Form von Hypopyonceratitis deckte, welche als »Ulcus corneae serpens (Sämisch)« bezeichnet wird und ausgezeichnet ist durch die Aus- breitung in der Fläche unter Bildung eines gelben progressiven Randes haupt- säclilich nach einer Richtung hin, Avährend von der andern Seite oft Reinigung und Epithelisierung des Geschwürs eintritt. Bei denjenigen, viel selteneren Fällen, welche nicht dieses Bild, sondern das einer atypischen Ilypopj'on- ceratitis darstellte, mit schnellerem Fortschreiten in die Tiefe, fanden sich andere Eitererreger (Staphvlokokken, Strei)tokokken, pyogene Bazillen); in dieser Gruppe der nicht serpiginöscu Hypopyonceratitis ließ sieh als eine klinisch scharf diiVerenzierte und dabei ätiologisch einheitliche Gruppe ab- grenzen noch die Schimmelpilzceratitis, die Ceratomycosis asper- gillina. Da, wie Uhtiioff &. Axenfeld am Schlüsse ihrer Arbeit austnhrten, es anzunehmen sei, dass diese »typischen« Bilder bei Aenderung der Virulenz Spezielle Bakteriologie des Auges. 567 /• uud Äfenge der Bazillen, des Terrains d. li. der präexistiereuden Beschaflen- heit der Cornea, der Tiefe und Ausdehnung der ursächlichen Verletzungen gewisse Variationen erleiden könnten, so haben sie später über eine weitere Serie von 68 Fällen von Hypopyonceratitis berichtet. Auch bei dieser Serie zeigte sich, dass das Krankheitsbild des Ulcus corneae serpens mit Ausirahme eines durch Diplobazillen (wahrscheinlich den PETiTscheu Typus) erzeugten Falles, stets durch Pneumokokken bedingt war. Dagegen fanden sich in dieser zweiten Serie in der That eine Anzahl Fälle von Pncuniokokkeninfek- tion mit atypischem, klinischem Bilde. Für diese Abweichungen ließen sich eine Reihe besonderer Gründe nachweisen. Es ergab sich, dass an tiefe Verletzungen, z. B. an Staaroperationswunden sich das Bild der Lappenver- eiterung in ganzer Dicke anschloss; auf der vaskularisierten Cornea (z. B. bei Pannus) dagegen, deren Gefäßgehalt eine energischere Abwehr der Infektion gestattet, erzeugt die Pueuraokokkeninfektion nur ein einfaches Infiltrat, ohne stärker progressiven Charakter.*) Auch die Lage der infizierten Stelle am Rande der Cornea, in der Nähe des gefäßhaltigen Limbus wirkt modifizie- rend, wie besonders Bach betont hat. Es sind dann in der Litteratur noch eine Reihe weiterer Fälle atypischer resp. nicht tiächenhafter Hypopyonceratitis mit Pneumokokken beschrieben (E.V. Hippel, Döt^ch, Petit, Hertel, Bach- Neumann) ; darunter sind auch Fälle der schnell in die Tiefe greifenden sog. Keratomalazie atrophischer Kinder, bei denen Uhthoff-Axenfeli) Streptokokken, Loeb Pneumoniebazillen ge- funden hatten. Bei diesen Kindern wird die auffällig schnelle Tiefenwirkung auch der Pneumokokken dadurch verständlich, dass der elende AUgemein- zustaud die Widerstandskraft des Gewebes stark beeinträchtigt, wie dies über- haupt für die Erkrankungen der Cornea bekannt ist. Aehnliche Ueber- legungen kommen in Frage, wenn sich Infektionen der Cornea zu schweren Erkrankungen der Bindehaut (Gonorrhoe, Diphtherie) hinzugesellen. Seitdem ist durch zahlreiche weitere Untersuchungen in dieser Richtung (Secondi, Cuenod, Bach c*t Neumann, Hertel, von Schaveinitz, Vossius, Petit, Dötsch, KniBE, Vallaude, Velhagen, Römer) bestätigt worden, dass das Krankheitsbild des Ulcus serpens mit seltenen Ausnahmen eine Pneumpkokkeninfektion ist, und dass ein beginnendes, noch nicht t3^pisches Infiltrat, welches Pneumokokken zeigt, bei weiterem Bestehen den serpiginösen Charakter annimmt. Die Ausnahmen von dieser Regel zeigten in drei Fällen von Petit einen besonderen Diplobacillus, welcher dem MoRAX-AxENFELDschen morphologisch ähnlich war, dagegen ein anderes Wachstum zeigte (s. u.). Sonst sind nur noch zwei derartige Fälle von Mc. Nab mitgeteilt. Wir finden ferner eine Älitteilung von Gourfein über Friedländers Pneu- moniebazillen bei typisch serpiginöser Ceratitis. Gourffin vertritt im An- schluss daran den Standpunkt, dass es nicht an der Eigenart des Pneumo- coccus liege, dass derselbe so oft beim Ulcus serpens sich finde, sondern nur daran, dass er zufällig am häufigsten in der Nähe der oberflächlich ver- letzten Hornhaut sich aufhalte; er beruft sich auf die Häufigkeit der Pneumo- kokken im Thränensackeiter und auf der normalen Bindehaut. An sich seien Pneumobazillen und andere Eitererreger zu demselben klinischen Bilde in gleichem jMaße fähig, sie kämen aber nur selten mit der Cornea in Be- rührung. *) Bei sog. skrofulösen Personen mit neugebildeten Hornhautgefäßen kann eine Pneumokokkeninfektion, wie icli zweimal feststellen konnte, das Bild der Ceratitis fasciculosa, des Gefäßbändchens, ^! 568 'J'h- Axenfeld, Diese Frage ist in der Tliat von prinzipieller Bedeutung. Stellen wir uns jedoch auf den Boden der vorliegenden Thatsaclien, so ist sie in dem von GorRFEix behaupteten Umfange jedenfalls nicht richtig, wenn es auch richtig ist, dass der Pneumococcus besonders oft mit der Cornea in Berüh- rung kommt. Denn einerseits haben Uhthoff & Axexfeld die von Römer bestätigte Beobachtung gemacht, dass auch in denjenigen Fällen, wo im Thräuen- sackeiter sich außer Pneumokokken reichlich andere Eitererreger fanden, doch in dem Ulcus serpens in der Regel nur Pneumokokken vorhanden Avareu, ein Beweis, dass entweder der Pneumococcus zur Cornea eine besondere Affinität besitzt oder dass er bei eintretender Mischinfektion die andern Keime vollständig zu verdrängen vermag. Dann aber ist festgestellt worden, dass bei denjenigen Fällen, welche nicht Pneumokokken , sondern andere Eitererreger enthielten (Staphylokokken, Streptokokken, Bacillus pyogenes foetidus, Bacillus pyocya- neus, Ozaenabazillen , Bacterium coli) sich auch nicht ein typisches Ulcus serpens, sondern eine atypische Hypopyonceratitis gebildet hatte, auch wenn die zur Infektion führende Gelegenheitsursache (kleine oberflächliche Ver- letzung) die gleiche war. Derartige Befunde liegen in den Arbeiten der schon oben citierten Autoren, ferner denen von Kalt, Morax, Coppez, Zirm, Hori, ScHiMMELPFEXNiG nunmehr in solcher Zahl vor, dass nicht daran zu zweifeln ist, dass die andern Eitererreger — ausgenommen den PETiTschen Diplo- bacillus — jedenfalls nur ganz ausnahmsweise zu einem Ulcus corneae ser- pens führen.*) Deshalb ist es kein müßiges Beginnen, sich die Frage vorzulegen, weshalb denn die Pneumokokken, wenn sie sich in eine oberflächliche Hornhautvvimde einnisten, zu diesem flächenhaften Fortschreiten, beson- ders nach einer Richtung hin Veranlassung geben, während die erst befallenen Teile sich so schnell abstoßen unter Keubildung des Epithels, so dass perniziöses Fortschreiten und Heilung dicht nebeneinander sich abspielen. Uhthoff & Axenfeld haben darauf hingewiesen, dass ähn- lich wie iu der Kultur die Pneumokokken auch im Gewebe der Cornea ihre Virulenz schnell einbüßen, wenn sie erst dichtere Massen gebildet haben; sie Averden alsdann abgestoßen und können eine Tiefenwirkuug auf die geschlossenen Hornhautlamellen nicht entfalten, während sie in den horizontal gerichteten Öafträumen sich leichter ausbreiten. Römer stellt solche Einflüsse nicht ganz in Abrede, hält aber die Bedeutung der Umwandlung des erkrankten Gewebes durcli die Bakterien für be- deutungsvoller derart, dass dasselbe für die fermentative Wirkung der Leukocyteu passend gemacht wird und abgestoßen werden kann. Die Einzelheiten dieses Vorgangs lassen sich bisher nicht beurteilen. In dem progressiven Rande sind die Pneumokokken, wie Uhthoff- AxENFELD gezeigt haben, auf das dichteste mit Leukocyten gemischt, es finden sich zahllose Fhagocyten. Grade an diesem Prozess ist erkenn- bar, dass Reichlichkeit der Pliagocytose und Gutartigkeit des Verlaufs durchaus ]ücht zu harmonieren brauchen. Im Gegenteil erschien au *j Bei genauerer Betrachtung finde ich auch, dass zwei unter den drei Gouk- FEiNschen Fällen nicht ganz dem entsprechen, was wir als Ulc. serpens bezeichnen, indem bei ihnen auch der Grund des Geschwüres eitrig infiltriert und ein ffächen- hafter Progreas nicht bemerkbar war. Auch fanden sich in dem einen Falle Diplokokken, die auf der Kultur in Ketten wuchsen, nicht mehr tierpathogen waren (wie das bei diesen Pneumokokken oft der Fall ist). Auch giebt Gourfein nicht an, ob er wirklich aus dem Rande Material ausgekratzt hat, wie das zur Feststellung der Erreger nötig ist. Er spricht nur von der »Secr6tion prise sar l'ulcere«. Spezielle Bakteriologie des Auges. 569 einigen Stelleu eine Verschleppung- uocli wolilerlialtencr rueumokokken iu bis dahin gesunde Teile der Cornea nicht ausgeschlossen. (Die soustigen histologischen Einzelheiten der eitrigen Ceratitis des Menschen können hier nicht erörtert werden.) Eine nnffallige Tliatsache ist, dass ein typisches Ulcus serpens so gut wie niemals bisher bei Kinderu beobachtet ist. Zum großen Teil liegt das jedenfalls daran, dass bei ihnen die infizierenden Thränenleideu seltener sind, als bei Erwachsenen. Soweit tdierhaupt Pueumokokkeninfektioneu der Cornea bei Kindern beobachtet sind, waren es einige Keratomalazieen bei pädatrophischen Kindern (E. von Hippel), atypische Geschwüre nach Masern (Hertel) oder bei schwerer Conjunctivitis pseudomembranosa (Becker) oder bei ausnahmsweise schwerer Pneumokokkeninfektion der neugeborenen Con- junctiva (Gasparrini). Die Pneumokokken sitzen beim Ulcus corneae serpens vorwiegend in dem gelben progressiven Rand, zwischen den infiltrierenden Leuko- cyten. Entnimmt man von hier Material, so linden sie sich im Deck- glaspräparat meist in großer Menge, mit deutlichen Kapseln. Der Kultur gegenüber verhalten sie sich charakteristisch, ebenso empfindlich, wie die Pneumokokken anderer Fundorte, mit denen sie auch sonst in jeder Hinsicht übereinstimmen. Doch ist ihre Tierpathogenität von der Kultur aus im allgemeinen nicht groß. Uhtiioff & Axenfeld haben deshalb im Anschluss an Kruse die Ansicht geäußert, dass für diese eitererre- genden Pneumokokken eine herabgesetzte Virulenz anzunehmen sei. Römer stimmt dem für die Mehrzahl der Fälle bei, will aber außerdem den Faktor der Adaption berücksichtigt wissen. Den letzten Beweis für die Identität der Pneumokokken Ulcus serpens mit denen der krnpösen Pneumonie erbrachte Römer, indem er mit ersteren empfängliche Tiere (AÖe, Kaninchen) gegen die letzteren zu immunisieren vermochte. Bei der Pneumokokkenconjunctivitis ist das Ulcus corneae serpens wie überhaupt schwere Hornhautinfiltrate sehr selten. Solche Fälle sind von PETir und Hertel beschrieben. Gasparrini berichtet öfters leichte (sog. katarrhalische) Randgeschwüre beobachtet zu haben, eine Erfahrung, die von Axenfeld, Junius, Gifford nicht gemacht werden konnte. Die Infektionsquelle ist für die Pneumokokkeninfektion der Cornea natürlich in den seltensten Fällen der verletzende Gegenstand; sondern Thränensackerkrankungen, Verunreinigungen mit Speicheln, s. w. spielen die Hauptrolle, vielleicht auch in manchen Fällen die bei einem Teil der Normalen auf der Bindehaut vorhandenen Kokken. Eine Epithel- läsion ist zum Zustandekommen der Infektion durchaus erforderlich, da die Pneumokokken nicht, wie z. B. die Diphtheriebazilleu, durch ihr Toxin das Epithel zu lockern vermögen (Coppez). Deshalb sehen wir z. B., dass jahrelang die Hornhaut von pneumokokkenreichem Thränen- sackeiter ohne Schaden bespült werden kann, bis durch Verletzung oder auf anderm Wege (z. B. Herpes) eine Epithelläsion entsteht. Die besonders in der Monographie von Petit eingehend besprochenen Infektionen der Cornea mit den Kocii-WEEKSschen Bazillen, dem Diplobaciilus Morax-Axexfeld, wie sie bei manchen Fällen der durch diese Keime veranlassten Conjunctivitis vorkommen, nahmen in der Regel keinen eitrigen Charakter an und bleiben oberflächlich. Die Diplobazilleninfiltrate sitzen fast ausschließlich nahe dem Rande (katar- rhalische Geschwüre), die Kocii-WEEKsschen kommen auch relativ häu- figer zentral vor. 570 Th. Axenfeld, Bei der Diplitherie ist die Vereiterung- der Cornea in erster Linie Eitererregern zuzusehreiben, welchen das Diphtherietoxin den Weg ge- bahnt hat (CorrEz), die Diphtheriebazillen selbst bewirken zwar Nekrose, aber wohl nur ausnahmsweise Eiterung in der Cornea. Bei der Gonorrhoe spielt ebenfall die Sekundärinfektion der Cornea eine große Rolle, doch vermögen auch die Gonokokken selbst die Hornhaut eitrig zu zerstören und bis in die Iris vorzudringen (Dinkler, Mouax). lu der Kaninchenhornhaut lässt sich mit Pneumokokken zwar eine Cera- titis erzeugen, deren Intensität zwischen schwerer Hypopyonceratitis und ein- fachem Infiltrat je nach Menge und Virulenz schwankt (CtAsi'Arrint, Cuknod, UnTiiOFF-AxEXFELi), Bacii, Noeldeke) ; doch lässt sich kein typisclies Ulcus serpens hervorrufen. Nur einigemale erhielten Uhthoff-Axenkeeu eigen- tümliche interstitielle Ringinfiltrate, welche aber auch nicht typisch waren. Dagegen erhielt R(">meii beim Aßen ein typisches Ulcus corneae serpens. R()MER, der umfassende und erfolgreiche Versuche angestellt hat, durch sul^kutane Injektion von Pncumokokkenscrum gegen das Ulcus corneae ser- pens eine Immunität zu schaflen, hat auch experimentell festzustellen gesucht, ob von dem Ulcus serpens aus eine allgemeine Immunisierung geschehe; das war jedoch nicht in einem deutlich erkennbaren Maß der Fall. Litteratiir. Axenfeld siehe TTirrnoFF n. a. Bach & Nefmann, Die eitrige Keratitis beim Menschen. Arohiv f. Augeuheilk., Bd. 34. 1807. Basso, Bactrriologie de hi keratite a hypopion. Internat. Kongr. in Rom, 1804. BiETTi, II bacillo piocianico nel cherato ipopio. Congresso deir Associazioue oftalmologice italiane, Torino 1808. Annali d'ottalm. vol. 27, p. 578. COPPEZ, H. , Des alt(''rations corneenues dans le diphtherie de Foeil et du traite- ment loeal par le serum. Revue genri-ale d'ophtalmologie. 1805, Nr. ü, p. 177. — Ders. , Action de certaines toxines sur la cornee. Journ. medical de Bruxelles, Nr. 85, 31 Aoüt 1800. 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In gleicher Weise haben die bisher beim Menschen beobachteten 16 Fälle (Leber, Fuchs, Uhthoff, Axenfeed, Schirmer, Markow, Basso, Coleomb, Gextilini, Ball, Wiciierkiewicz , Kayser, Ellet, Johnsohn) über- einstimmend festgestellt, dass das erkrankte, eigentümliche trockene, etwas prominente Gebiet sich durch eine Demarkationsrinne gegen die Umgebung absetzte und allmählich sequesterartig abgestoßen wurde. In dem dicht von Mycelien durchsetzten Sequester zeigte sich das Ilornhautgewebe total nekrotisch, Fruktifikationsorgane waren in demselben nicht erkennbar; nur in dem Falle von Ball sollen Andeutungen derselben, dem Aspergillus ent- sprechend, erkennbar gewesen sein. *) Siehe die Litteratur bei Kayser, Klin. Monatsbl. f Augenh., 1903, XLI, Bd. 1, Januar und Johnson, ebd., Bd. 2. 572 Th. Axenfeld. Die Infektion ließ sicli in der Regel pflanzlichen Fremdkörpern zurückführen. In je AxEXFELp, B. Kayser nud von Johnson war auf Verletzungen mit Erde oder mit einem Falle von Uhthoff- der Fremdkörper in dem Sequester noch nachweisbar. Soweit die Kultur mit allen Kauteleu durchgeführt worden ist, hat es sich stets um Aspergillus fumigatus gehandelt. Die Mitteilung von Ellet, die auf die bisherige Litteratur keiner- lei Rücksicht nimmt und ohne nähere Angaben von Fig. 23. Diplobacillus Morax-Axenfeld. Sernmagar. Aspergillus niger spricht, ist ungenau. In dem Falle von AYlCHERKIEAVlCZ ist Penicillium glaucum augege- ben; doch muss es zweifel- haft erscheinen, ob wirklich dieser, sonst als nicht patho- gen bekannte Pilz vorlag, da keine näheren Angaben über die Morphologie und die Kulturen gemacht wer- den und Tierversuche uicht vorgenommen wurden. Für die Cornea des Ka- ninchens fand Halbertsma auch den Aspergillus fla- vesceus pathogen. Dass die Keratomykose bei der großen Häufigkeit des Aspergillus fumigatus so selten ist*), liegt wohl daran, dass derselbe nur dann sich in der Cornea entwickelt, wenn er direkt in das Parenchym einge- rieben wird oder einem Fremdkörper ansitzt, wäh- rend er sonst nur schwer an Epithelläsionen haftet. Einen seltenen Befund stellen die Mitteilungen von LuNDSGAARD Und von Fig. 24. Diplobacille liqu6fiant Petit. Serumagar. Reinkultur in ein'.er H|ypopyonceratitis (atypisch) berichten. S roEWER dar, welche über hefe wuchs bei Bruttemperatur, von Bosa- Diese Hefe erzeugte, wie Stoewer nachwies, in der Iris Kay werden *) Doch ist zu berücksichtigen, dass es nach den Mitteilungen von Axenfkld, SEii und Johnson auch leichte Fälle giebt, welche sicher öfters übersehen spezielle Bakteriologie des Auges. 573 Fig. 25. Diplobacille Petit. Kolonie Serumagar. Kuütclien, aus denen noch nach Wochen die Hefe sich zUchten ließ; im Glaskörper entstanden weiße Membranen. In der Cornea des Ka- ninchens entstand keine wesentliche entzündliche Veränderung-. Die Autoren halten jedoch die ätiologische Bedeutung- der Hefe für ihre Fälle für sehr wahrscheinlich. (Wei- teres über diese Frage ent- hält der Abschnitt dieses Handb. von Busse). Diplobacille liquefiant von Petit. Bei drei Fällen (viel- leicht gehört auch einer von Uhthoff-Axexfeld hierher) von oberflächlich serpiginöser Hypopyon- ceratitis, mit auffallend geringen Schmerzen fand Petit einen nach Gram sich entfärbenden Diplo- bacillus, der im Sekret- präparat morphologisch demjenigen von Mokax sehr ähnlich, nur ein we- nig kleiner war — in der Kultur waren die Bazillen im allgemeinen kürzer, näherten sich mehr Kok- ken und unterschieden sieh deutlicher, — sich aber dadurch auszeichnete, dass er auch auf gewöhn- lichen Nähr1)()den bei 20 bis 37" reichlich wuchs. Auf Ascitesagar entstehen dichte, runde, graue Ko- lonien, weniger prominent als dieMoRAX-AxEXFELD- schen Diplobazillen und ohne zentralen Höcker.*) Koaguliertes Serum wird stark verflüssigt, ebenso Gelatine bei 22°. Bei 15" ist die Verflüssi- gung langsamer. Relativ schlecht wächst er auf einfacher Bouillon, Milch wird nicht koaguliert. Auf Kartoffel rahmiger, leichtgelblicher Belag. Obligat aerob. Bei 50° erhält sich der Bacillus Y4 Stunde lang lebend, bei 55° geht er in der- selben Zeit ein. Für Tiere war der Bacillus nicht pathogen. *) Docli ist nach Mc' Nabb dieser Unterschied nicht konstant. Fig. 26. Diplobacille Morax-Axenfeld. »mammelonnces«. Colonies 574 Th. Axenfeld, Bei 12° gehalten ist er noch nach 10 Tagen übertragbar. Für die gewöhnlichen Laboratoriumstiere bestand keine Pathogenität. Aehnliche Befunde liegen nur vor von Kayser und Mc. Nab. Letzterer erhielt beim Kaninchen eine leichte Hypopyonceratitis. Ich selbst habe solche Diplobazillen zweimal von einer Conjunc- tivitis erhalten, welche klinisch der gewöhnlichen Diplobazillenconjunc- tivitis glich. Die anfängliche Fähigkeit, auf den gewöhnlichen Nähr- böden üppig zu wachsen und Gelatine zu verflüssigen, ging jedoch diesen Stämmen im Laufe der Fortzüchtung mehr und mehr verloren, so dass sie dem Mokax-Axenfe Loschen Typus sich näherten, mit dem sie jeden- falls sehr nahe verwandt sind. Die Abbildungen auf S. 572 und 573 sind Photographieen von Pe riT, bei gleicher Vergrößerung. Zur Neddens Bacillus des infektiösen Eandgeschwüres. Im Grunde von oberflächlichen Randgeschwüren, welche aus kleinen Infiltraten entstehen, welche entweder einzeln oder multipel auftreten und in letzterem Fall zu konfluierenden, kahnförmigen Geschwüren führen, fand ZUR Neddex in der Bonner Klinik einen Bacillus, der von den bekannten sich unterschied und wegen seines Vorkommens bei zahl- reichen Fällen, seiner wenn auch mäßigen Pathogenität für die Kanin- chencornea als Ursache jeuer Ceratitis bezeichnet wird. Außerdem wurde in demselben Institut der Bacillus auch bei einer Ceratitis ueuro- paralytica gefunden (Haupt, Inaug. Diss. Bonn 1902, siehe hier auch die sonstigen bakteriologischen Befunde bei dieser Krankheit). Morphologie. Gerade oder nur leicht gekrümmte Stäbeben, die nicht selten sich zu Doppelbazilleu anordnen; Länge des Einzelstäbchens 0,6 ,«, Dicke 0,9 t-i. Kleiueje Individuen sind selten, ebenso Scheiufäden. Ecken abgerundet. Bei schwacher Färbung an den Enden, mitunter auch zentral, hellere Stellen (Vakuolen), Gram negativ. Keine Ketten, keine Kapseln. Kultur. Auf Agar nach 24 Stunden 2 — 4 mm große, bei durchfallendem Licht leicht bläulich schillernde, leicht erhabene, runde, scharfe Kolonieen, die gern konfluieren zu einem dicken, zähen Belag. Auf der Gelatineplatte durchsichtige, ebenfalls bläuliche, homogene Ko- lonieen. Im Gelatiuestich nur in den oberen Teilen Wachstum, Bildung eines flaclieu Nagelkopfs. In Zuckerargar keine Gasbildung, dagegen Säurebildung. Kuhmilch wird koaguliert. In Bouillon kümmerbclies Wachstum, ohne Indolbiklung. Auf KartoÖ'eln dicke, gelbbraune Auflagerung. Auf Menschenblutserum und LöFFLERSchem Serum dicker, grauweißer Belag. Der Bacillus ist obligat aerob. Keine Eigeubewegung. Temperaturoptimum bei Körpertemperatur, doch bei 10" und 40° noch spärliches Wachstum. Nach •'/4 Stunden bei 55" ist der Bacillus abgestorben. Gegen Austrocknung nur wenig resistent. Zur Nedüen trennt auf Grund obiger Merkmale seinen Bacillus von denen der Cobgruppe, dem Typhusbacillus, dem liuhrbacillus, der Aerogenesgruppe und auch (mit Recht) von allen sonst am Auge gefundenen Bakterien. Die Diplobazillen, welche morpliologisch nahestehen, verhalten sich auf der Kultur vollkommen anders. Im Ausstrichpräparat von den Geschwüren findet mau die Bazillen immer nur sehr spärlich, da mau immer nur sehr wenig Material gewinnt. Spezielle Bakteriologie des Auges. 575 Zur Nedden giebt über 33 Fälle genaue Daten. Sehr liäulig fanden sich Phlyktänen am Hornhautlimbus. Um eiue eigentliche Conjunctivitis handelte es sich nicht; er zählt deshalb die Infiltrate und Geschwüre zu den primären Hornhautinfektionen und nicht zu den katarrhalischen, auch deshalb, weil die Erkrankung fast immer einseitig war. »Soweit Bindehautreizungen da waren, sieht er diese als sekundär an. In dem Sekret derselben konnten die Bazillen ebenfalls kulturell nachgewiesen werden. Nur ausnahmsweise schritten die Geschwüre fort, ganz selten entstand ein Hj'popyon, dagegen sind Rezidive nicht selten. Die Erkrankung trat vor- wiegend im Winter auf. Zur Nedden fand die Bazillen neben Pneumokokken auch bei Fällen von Ulcus serpens, ferner einmal bei einer Ceratitis neuroparalytica. Sonst hat er sie niemals gefunden, trotz zahlreicher Untersuchung von Bindehaut- und Thränenleiden. ImpfVersuclie. Bei Injektion zwischen die Hornhautlamellen ließ sich beim Kaninchen eine Ceratitis erzeugen, Avelche der beschriebenen ähnlich war. Anderweitige Impfung zeigt keinerlei • Reaktion. Aetiologische Bedeutuug. Unter Berücksichtigung- der geuauuteu Ergebnisse erklärt zur Nedden die ätiologische Bedeutung seines Ba- cillus mit Recht für wahrscheinlich. Dass demselben kein absolut ein- heitliches klinisches Bild entspricht, ist damit wohl vereinbar, da auf dessen Zustandekommen die Virulenz und die Beschaffenheit des Terrains von Einfluss ist. Die Lokalisation in der Nähe des Hornhautraudes erklärt sich ans der bekannten Thatsache, dass das Epithel hier relativ schlecht ernährt wird (Knies). Eine ungelöste Frage bleibt, wo diese Bakterien sich für gewöhnlich aufhalten und wie sie zur Hornhaut gelangen. Vermutlich werden sie doch, wenn auch vielleicht nnr in wenigen Exemplaren, sich öfters auf der Bindehaut aufhalten Zur Nedden stellt es schließlich als offene Frage hin, ob alle der- artigen Geschwüre, soweit sie auf Infektion beruhen, auf diesen Bacillus zurückzuführen seien. Zu dieser Frage ist von Interesse, dass Petit an der Hand seiner Fälle ausführt, dass die Diplobazillenconjunctivitis zu solchen Bildern führen könne. Mitunter trete dabei die Bindehaut- infektion hinter der kornealen zurück. Die Diagnose der Diplobazillen wurde mikroskopisch und z. T. auch kulturell auf Ascitesagar gestellt. Zur genauen Beurteilung Avird es erwünscht sein, besonders auch auf koaguliertem Serum zu kultivieren, auf welchem die Bazillen sich schnell an dem Eintreten oder Ausbleiben der Verflüssigung unterscheiden lassen. (Das seinem klinischen Bilde nach einem infektiösen Prozess gleiche Ulcus corneae rodens (Mooren) hat bisher keinen verwertbaren Bakterienbefund ergeben, ebensowenig der Herpes corneae febril is (Ceratitis dendritica), wenn nicht etwa eine eitrige Sekundärinfektiou sich hinzugesellt hatte*). Auch die sogenannten Phlyktänen der Hornhaut sind in ihrer Entstehung noch unsicher. Hier -sind weitere umfassende Untersuchungen erwünscht.] *) Näheres: siehe die Angaben bei Uiithofb^ & Axknfeld. XVL Schweineseiiclie und Schweinepest. Von Dr. E. Joest, Tierarzt, Vorsteher des bakteriolog. Institutes f. Tierseuchen in Kiel. Von den seuclienartigen Krankheiten der Haustiere haben diejenigen des Schweines erst verhältnismäßig- spät die Aufmerksamkeit der Sach- verständigen auf sich gelenkt. Als man in der zweiten Hälfte des 18. Jahr- hunderts begann, die Krankheiten der Haustiere zu klassifizieren, zählte man aus naheliegenden Gründen die rotlaufartigen Krankheiten des Schweines dem Milzbrand zu. So beschreibt Chabert 1780 das : Milz- brandfieber« der Schweine. Dieser Name oder auf den Zusammenhang im mit Milzbrand hindeutende ähnliche Bezeichnungen und mit ihnen die An- schauungen über die Natur der rotlaufähnlichen Seuchen des Schweines haben sich bis weit in das verflossene Jahrhundert hinein erhalten. So spricht auch noch Spinola in seinem 1842 erschienenen Werke :>Die Krank- heiten der Schweine« von »Anthraxrotlauf^< und von einem »Uebergang des Kotlaufes in Milzbrand«. Erst die Entdeckung der Milzbrandstäb- chen um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, sowie die spätere Wahr- nehmung, dass diese Stäbchen bei dem »Anthraxrotlauf« der Schweine fehlten und dass letzterer sich weder auf große Haustiere übertragen ließ, noch daß Schweine infolge von Impfungen mit Milzbrandblut erkrank- ten (Brauell), führte zur Abtrennung einer besonderen, den Schweinen eigentümlichen, mit Hautrötung verlaufenden Krankheit, für die aus der großen Zahl der gebräuchlichen Namen die Bezeichnung Kotlauf« ge- wählt wurde. Der damalige »Rotlauf« war ein Sammelbegriff. Er nm- fasste außer dem eigentlichen Rotlauf (dem Stäbcheurotlauf) auch die Schweiueseuche sowie noch andere, mit Hautrötung einhergeliende Krankheiten des Schweines. Diese primitive Auffassung der seuchen- haften Schweinekrankheiten war uuch zu Beginn der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts allgemein. Es ist das Verdienst von P]ggelin(i, zuerst (1888) darauf hinge- wiesen zu haben, dass der Begriff »Rotlauf« mehrere verschiedenartige Krankheiten des Schweines umfasst. Auf Grund eines reichen klini- schen und pathologisch-anatomischen Materiales sonderte P^ggeling zu- nächst die sporadischen rotlautartigen Erkrankungen von den seuchen- haftcii ab uiul unterschied des weiteren bei den letzteren zwei Krank- heiten, deren Beschreibung zum großen Teil mit den später mit den Schweineseuche und Schweinepest. 577 Namen Stäbcheurotlauf und Scliweiueseuche belegten Seuchen überein- stimmt. Wenngleich die EGGELiNGSchen Feststellungen einen wichtigen Fortschritt in der Kenntnis der Schweineseuchen bildete, so blieb es doch der ätiologischen Forschung vorbehalten, auf diesem Gebiete völlige Klarheit zu schafifeu. LÖFFLER gab im Jahre 1886 auf Grund bakteriologischer Untersuchun- gen die Anregung, von dem eigentlichen Kotlauf eine besondere, ätiologisch von diesem verschiedene Seuche unter dem Namen »SchAveineseuche« oder »Schweineseptikämie« abzutrennen. Schütz war es dann, der noch in demselben Jahre, fußend auf den ersten LÖFFLERSchen Angaben, die Schweineseuche als eine in ätiologischer und pathologisch-anatomischer Beziehung selbständige Krankheit charakterisierte und näher beschrieb. In Amerika, woselbst seit geraumer Zeit eine verheerende, haupt- sächlich mit Darmveränderungen einhergehende Seuche unter den Schweinen herrschte, hatten bereits in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Laav und Detjiers Untersuchungen über dieselbe angestellt und wertvolle klinische und pathologisch-anatomische Daten gesammelt. Aber erst im Jahre 1885 gelaug es Salmon & Smith, die Aetiologie dieser Seuche, als deren Erreger ein beweglicher Bacillus gefunden wurde, klarzulegen. Im folgenden Jahre entdeckten Salmon & Smith, dass nel)en der erwähnten Seuche noch eine zweite Infektionskrankheit unter den Schweinen in Amerika vorkommt, welche ihren Sitz haupt- sächlich in der Lunge hat und durch ein unbewegliches Bakterium verursacht wird. Die zuerst entdeckte Seuche nannte Salmon »Hog- cholera«, die zweite »Swineplague«. Bezüglich der letzteren kon- statierte er, dass sie mit der von Löffler und Schütz beschriebenen »Schweineseuche« übereinstimme. *) 1888 beschrieb Schütz eine im Jahre vorher in Dänemark auf- getretene, gefährliche Infektionskrankheit der Schweine, bei welcher hauptsächlich der Dickdarm schwere Veränderungen aufwies. Schütz nannte diese Krankheit »Schweinepest«. Dieselbe erwies sich identisch mit der amerikanischen Hogcholera. Am Schlüsse seiner Arbeit sagt Schütz: »Nunmehr kennen wir drei Seuchen der Schweine: 1. Den Rotlauf der Schweine (Stäbchenrotlauf). Bei dieser Krankheit werden nur allgemeine Infektionserscheinungen, wie beim Milzbrande, bei der Septikämie u. s. w. wahrgenommen. Die wichtigsten anatomischen Merkmale sind: Milztiimor, blutige Magendarmentztindung, blutige Nierenentzündung, parenchymatöse Entzündung der Leber, des Herzens und der Muskeln, Rötung der Haut und geringe Ansammlung von Flüssigkeit in den Körperhöhlen. 2. Schweineseuche. Sie ist eine Lungenbrustfellentzündung, die mit Absterben von Lungenteilen und leichten Infektionserscheinungeu verbunden ist: keine oder geringe Schw^ellung der Milz, leichte Trübung der großen Parenchyme und Magendarmkatarrh. Nimmt die Krankheit einen chronischen Verlauf, so entstehen käsige Zustände in den Lungen, die sich nach Art der Tuberkulose ausbreiten und ähnliche Zustände in den Lymphdrüsen, Ge- lenken u. s. Av. hervorrufen können. Käsige Veränderungen an der Schleim- haut des Magens und des Darms sind bis jetzt nicht beobachtet worden. *) Salmon fand weiterhin, dass der Schweinerotlauf in Amerika nicht vor- kömmt. Handbucli der pathogenen Mikroorganismen. HL 37 578 E. Joest, 3. Schweinepest ist eine Krankheit des Verdauiingsapparates , bei der vornehmlich der Dickdarm erkrankt ist. Letzterer ist in der Regel Sitz einer tiefen Diphtherie. Gleichzeitig leiden die nachbarlichen Lymphdrüsen und sind die Erscheinungen einer leichten allgemeinen Infektion nachzuweisen. Die Krankheit ist oft mit Reizungsprozessen in den Lungen vergesellschaftet.« Man hätte glauben sollen, class durch die Untersuchungen Salmox & Smiths und nach der vorstehend wiedergegebenen Kennzeichnung und Trennung der einzelnen Schweineseuchen durch Schütz die Frage der rotlaufartigen Schweineseuchen genügend geklärt gewesen sei. Das war aber nicht der Fall. Bereits Ende der achtziger Jahre rief in Amerika Billings eine heftige Polemik hervor. Billings bekämpfte nicht nur die durch Salmon vorgenommene Trennung des in Amerika herrschenden Schweinesterbens in zwei verschiedene Seuchen, sondern er erklärte auch die beiden von Salmon beschriebeneu Bakterien für unecht und das Hogcholera-Bakterium für erfunden und als nicht existierend. Er forderte weiterhin die Anerkennung eines von ihm 1886 als Erreger der Swineplague (unter welchem Namen er beide Seuchen zusammenfasste) entdeckten Bakteriums. Das Ende dieses Streites war, dass das BiLLiNGSSche Swineplague-Bakterium und das SALMONSche Hogcholera- Bakterium als identisch erkannt wurden (Welch, Frosch, Bunzl- Federn u. a.). Auch in Europa machte sich zu Anfang der neunziger Jahre vielfach die Anschauung geltend, dass Schweineseuche und Schweinepest zu Unrecht als zwei verschiedene Seuchen angesehen würden; dieselben seien viel- mehr als einheitliche Krankheit aufzufassen. Im Laufe der nächsten Jahre traten die Meinungsverschiedenheiten in dieser Frage heftiger als je hervor. Während E. Klein, v. Ratz, Silberschmidt, Schin- DELKA, Prus, Perroncito u. a. die unistische Anschauung verfochten, verharrten andere Autoren, besonders auch Salmon & Smith, auf dem dualistischen Standpunkte. Die Ansicht der Unitarier schien besonders dadurch gestützt, dass die für Schweineseuche charakteristischen ana- tomischen Veränderungen neben denjenigen der Schweinepest nicht nur in demselben Schweinebestande, sondern sehr häufig auch bei ein- und demselben Tier angetroffen wurden. Die Verschiedenartigkeit der Be- funde, das Betroifeusein bald nur des Darmes (»intestinale Form der Schweineseuche«), bald nur der Lunge (»pektorale Form der Schweiue- seuche«) versuchte man sich dadurch zu erklären, dass man annahm, die Infektion erfolge im ersteren Falle per os, im letzteren per inspi- rationem. Obgleich durch eine Reihe von vergleichend bakteriologischen Ar- beiten (Raccuglia, Afanassieff, Frosch, Bunzl-Federn) die Ver- schiedenheit der Erreger der Schweineseuche und Schweinepest un- zweifelhaft dargethan worden war, wurde von anderen Autoren der Nachweis zu führen versucht, dass auch vom bakteriologischen Stand- punkte eine Trennung der Schweinepest von der Schweineseuche un- möglich sei. In VoGES fand diese Anschauung einen energischen Ver- fechter. Dieser Forscher suchte in einer 1896 erschienenen umfangreichen Arbeit mit allen Mitteln den Nachweis zu führen, dass die Bakterien der Hogcholera und der LöFFLEU-ScHÜTZschen Schweineseuche ein und derselben Species angehören, die sowohl das Hauptsymptom der Schweine- pest (die Darmerkrankung) , als auch das der Schweineseuche (die Schweineseuche und Schweinepest. 579 Lungenerkraukuiig) zu erzeugen imstande sei. Diese Arbeit Voges' hat zur vollständigen Verwirrung der Situation das Ihrige beigetragen. In einer im folgenden Jahre erschienenen zusammenfassenden Ab- handlung suchte dann Jensen zu zeigen, dass »die bisher hervor- getretenen Versuche, die Schweinepest mit der Schweineseuche zu identifizieren, als misslungen augesehen werden müssen« .... »Nach allem, was bisher vorliegt, müssen wir es also als sicher ansehen, dass Schweinepest und Schweineseuche zwei verschiedene Krankheiten sind, die jede durch ihre besondere Bakterienform hervorgerufen werden.« Es blieb indessen dem ungarischen Forscher Preisz vorbehalten, durch seine im Jahre 1898 erschienene vortreffliche Arbeit: »Aetiologische Studien über Schweinepest und Schweineseptikämie« die letzten Zweifel über die ätiologische und pathologisch-anatomische Verschiedenheit der Schweinepest und Schweineseuche zu zerstreuen. Preisz erörterte gleichzeitig auch die wechselseitigen Beziehungen zwischen beiden Krankheiten und deckte damit eine Hauptursache der jahrelangen Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf diese Krankheiten auf Der von Salmon bereits im Jahre 1886 erkannte Umstand, dass Schweinepest und Schweineseuche als Mischinfektiou gemeinsam auftreten können, ließ es nunmehr verständlich erscheinen, wie so viele Irrtümer vor- kommen konnten. — Fast alle späteren Arbeiten basieren auf der- jenigen von Peeisz. Erst nachdem die ätiologische Seite der Schweineseuche- und Schweinepestfrage so vollkommen geklärt war, war die Basis geschaffen, auf der eine wirkliche ätiologische Therapie und Prophylaxe aufgebaut werden konnte. Die Arbeiten der letzten Jahre sind hauptsächlich dieser Aufgabe gewidmet. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Schweineseuche in Mittel- europa schon seit längerer Zeit heimisch ist. Bei der erst so spät er- folgten Erforschung und Sonderuug der den Schweinen eigentümlichen Seuchen ist es unmöglich festzustellen, wann und wo die Schweineseuche zuerst aufgetreten ist. Die tierärztliche Litteratur über die mit dem Namen »Rotlauf« oder gleichbedeutenden Bezeichnungen belegten Schweineseuchen vor dem Jahre 1883 bezieht sich wohl in der Mehr- zahl der Fälle auf den Stäbchenrotlauf als die damals häufigere Krank- heit. Es scheint mir indessen aus älteren Litteraturangaben hervorzu- gehen, dass bereits vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts die Schweine- seuche in Deutschland geherrscht hat. So erwähnt Spixola in seinen »Krankheiten der Schweine« (1842) eine »Brustentzündung« (»Entzündung« der Lungen und des Brustfells«), die in »seucheuartiger Verbreitung« vorkommt. Derselbe Autor citiert weiterhin in dieser Frage noch NÜ8KEX, der bereits 1829 eine Luugenseuche bei Schweinen beschrieb. Während früher in Mitteleuropa der Stäbchenrotlauf weitaus am häufigsten von allen Schweineseuchen vorkam, machte sich hier in den siebziger und achtziger Jahren die Schweineseuche mehr und mehr be- merkbar, und zwar scheint es sich damals meist um reine Schweine- seuche gehandelt zu haben, die auf einzelne Bestände beschränkt war und keine große Neigung zur Ausbreitung über größere Gebiete besaß. Die Heimat der Schweinepest ist Nordamerika. In früheren Zeiten sind (nach der vom Bureau of animal industry herausgegebenen Mono- graphie über Hogcholera) seuchenartige Krankheiten der Schweine in 37* 580 E. Joest, den Vereinigten Staaten unbekannt gewesen. Der erste Ausbruch von Hog-cbolera soll 1833 in Ohio aufgetreten sein*). Bis zum Jahre 1845 trat die Seuche wenig hervor. Seit dieser Zeit vermehrten sich die Ausbrüche von Jahr zu Jahr. Während der Periode von 1846 — 1855 verbreitete sich die Hogcholera über das ganze Land. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Hogcholera (Schweinepest) in Amerika zunächst in reiner Form auftrat. Als sie dann später nach Europa kam, woselbst bereits die Schweine seu che herrschte, kompli- zierte sie sich mit dieser und zeigte sich so in den europäischen Ländern meist in Form der besonders zur epidemischen Ausbreitung neigenden Mischinfektion (diese Mischinfektion wurde später auch in Amerika beobachtet). Bei der Verbreitung der Schweinepest in Europa handelte es sich hauptsächlich um diese Mischinfektion. Seltener trat die Pest in reiner Form auf. **) Nach den Angaben von Schütz gelangte die Schweinepest zu An- fang der sechziger Jahre von Amerika nach England und wurde hier stationär (»Swine fever«). Von England aus wurde die Krankheit wahr- scheinlich durch Zuchteber nach Schweden (»Svin pest«) und von dort aus 1887 nach Dänemark (»Schweinediphtherie«) gebracht. Die Einschleppung der Schweinepest nach Europa scheint indessen auch noch auf anderen Wegen erfolgt zu sein. So erwähnen Rietsch, JoBERT & Martinand, dass die Schweinepestepidemie, die 1887 in und bei Marseille wütete, durch Schweine aus der Provinz Oran (Algerien) eingeführt worden sei. Von Südfrankreich nahm die Seuche (nach Fouque) ihren Weg nach Nizza und Italien sowie nach Spanien, den Balearen und Majorka. Nach Deutschland scheint die Schweinepest erst zu Anfang der neunziger Jahre gelangt zu sein. In der Neumark trat sie nach Graffunder im Jahre 1893 auf und soll hierher aus der Provinz Posen gebracht worden sein. Zu gleicher Zeit wurde die Schweinepest von Deupser auch in Schlesien beobachtet. Preisz ist der Ansicht, dass die Schweinepest, und zwar in Form der Mischiufektion mit Schweine- seuche, »bereits vor Jahrzehnten« in Deutschland geherrscht habe, aber nicht richtig erkannt worden sei. Es ist allerdings die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, dass die von Roloff 1875 beschriebene und als eine erbliche »Skrophulose« aufgefasste »käsige Darment- zündung« bei Schweinen teilweise der Schweinepest zugehört hat. Nach Koch und Hutyra war die Schweinepest in 0 est er reich und Ungarn bis zum Jahre 1895 unbekannt. Erst in diesem Jahre trat sie hier sowie auch in Bayern auf. Es lässt sich somit erkennen, dass die Schweinepest (und Schweineseuche) bei ihrer Ausbreitung in Europa im grossen und ganzen eine südöstliche Richtung inne- gehalten hat. Die Verluste, welche die Schweineseuche und Schweinepest iu den einzelnen L.ändern bedingten, sind sehr groß und zeigen, welche Bedeutung diesen Seuchen in nationalökonomischer Hinsicht zukommt. Da Schweineseuche und Schweinepest, wie bereits bemerkt, vielfach als Mischinfektion auftreten, *j Von Interesse ist, dass in der oben erwähnten Monographie behauptet wird, »that the contagion was imported from Europe«. **) Die folgenden Angaben über die Verbreitung der Schweinepest beziehen sich somit hauptsächlich auf die Mischinfektion. Schweineseuche und Schweinepest. 581 so ist es unmöglich, bei statistischen Erhebungen über die Verluste beide Krankheiten zu trennen. Die folgenden Angaben umfassen somit (abgesehen von Amerika) gleichzeitig Sch-weineseuche und Schweinepest und sind, wo nicht anders angegeben, den im deutschen kaiserlichen Gesundheitsamte be- arbeiteten Jahresberichten über die Verbreitung von Tierseuchen entnommen. Die Verluste durch Hogcholera in den Vereinigten Staaten sind enorm. Schätzungen nach sorgfältig zusammengestellten Daten haben ergeben, dass die jährlichen Verluste niemals weniger als 10 Millionen Dollar betragen und 25 Millionen Dollar erreicht haben. (Nach der Monographie des Bureau of animal indnstry über Hogcholera.) Die Verluste Englands durch »Swine fever« beziflerten sich nach Le- CLAINCHE von 1879 — 1893 wie folgt: Jahr: 1879 1882 1885 1888 1889 1890 1891 1892 1893 Zahl der ) erkrankten 17074 14763 38798 32241 25885 20092 32369 13957 21662 Tiere ) Da Großbritannien seit 1894 als Bekämpfungsmittel die Keulnng rücksichtslos anwendet, so lässt sich aus der Zahl der auf behördliche Anordnung getöteten Schweine ein ziemlich sicherer Schluss auf den Stand der Seuche in diesem Lande ziehen. Es wurden in Großbritannien als an Swinefever erkrankt oder der Ansteckung verdächtig geschlachtet im Jahre: 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 Schweine: 56293 69931 81038 40423 43756 30797 17933 15237 Für Frankreich habe ich Verlustzahlen nicht angegeben gefunden. Von 1897 — 1901 waren von der »Pneumo-enterite« am stärksten betroffen: der Nordwesten, der Westen, der Nordosten und der Osten des Landes. In Oest er reich herrscht seit mehreren Jahren die Schweinepest und Schweineseuche am stärksten in Galizien und Niederösterreich. Auch Ungarn weist eine große Verbreitung der Seuche auf. Die größte lokale Epidemie von Schweineseuche und Schweinepest in diesem Lande, und wohl die größte überhaupt, war diejenige in Köbänya (Steinbruch) im Jahre 1895. Hier brach die Seuche in einem Bestände von 141 000 Schweinen aus und raifte innerhalb kurzer Zeit einige Zehntausend Tiere dahin. An vielen Tagen sollen bis zu 1000 Stück und vom 17. Mai bis 11. Juni 32 461 Stück Schweine gefallen sein (ZscHOKKE, Toscano). Rumänien und Serbien weisen in letzten Jahren zahlreiche Erkrankungs- fälle auf. In den nordischen Ländern (besonders Dänemark und Norwegen) hat die Schweinepest und Schweineseuche eine besondere Ausbreitung in den letzten 6 Jahren nicht erlangt. Russland hatte im Jahre 1900 28 344, im Jahre 1901 31491 Fälle. In Deutschland wurde im Jahre 1898 die Anzeigepflicht für Schweine- seuchen allgemein eingeführt, nachdem dieselbe bereits früher für einzelne Bundesstaaten und Gebietsteile angeordnet worden war. (Statistische Erhe- bungen über das Vorkommen von ansteckenden Schweinekrankheiten wurden in Preußen vom Jahre 1894/95 ab angestellt). Die »Jahresberichte über die Verbreitung von Tierseuchen« bringen erst vom Jahre 1897 ab besondere statistische Zusammenstellungen für Schweineseuche und Schweinepest. Die- selben ergeben folgendes : 582 E. Joest, Zalil der Davon gefallen Zahl der verseuchten Jahr erkrankten oder getoter Schweine Schweine in Prozent Gemeinden Gehöfte 1897 11 420 8 858 77,6 1704 3 256 1898 11813 9 612 81,3 1909 3140 1899 12155 10 003 82,3 1700 2 700 1900 18 354 15 627 85,1 1623 2 649 1901 38 325 30958 80,8 3 620 6 739 Wie die weiteren Zusammenstellungen der genannten Jaliresbericlite er- geben, hat die Schweineseuche und Schweinepest hauptsächlich im Osten des Reiches festen Fuß gefasst. Die größte räumliche Ausdehnung und die höch- sten Erkrankungsziffern zeigten besonders die Provinz Schlesien und danach die Provinzen Posen, Brandenburg, Westpreußen und Ostpreußen. Wenngleich die von den Jahresberichten gebrachten Zahlen kein vollständiges Bild von der Seuche geben, da erfahrungsgemäß stets zahlreiche Seuchenfälle verheim- licht werden, so dürften die vorstehenden Angaben doch annähernd richtige Schlüsse über die Verbreitung der Seuche gestatten. Scliweiueseuche. Syn.: LöFFLER-ScuüTzsche Schweines euclie; deutsehe Schweine- seuche; Swineplag'ue (Salmon); iufektious pueumonia in swine (Salmon); Schweineseptikämie (Löffler, Preisz, Kitt). Der Erreger der Schweineseuche ist der Bacillus suisepticus (Flügge, Preisz). Es ist wahrscheinlich, dass derselbe im Jahre 1882 zuerst von Pasteür & Thuillier gesehen wurde, die bei der ersten Mitteilung- ihrer Forschungen über den Schweinerotlauf den »microbe du rouget des porcs« beschrieben als : ayant la forme d'uu huit de Chiffre«. Leider machten die genannten französischen Forscher über den aufgefundenen Mikroben zu spärliche Angaben, als dass man den- selben mit Sicherheit identifizieren könnte. Der eigentliche Entdecker des Schweineseucheerregers ist Löffler, Derselbe teilt in seiner im Jahre 1886 publizierten Arbeit über Schweine- rotlauf über seine diesbezüglichen Untersuchungen folgendes mit: »Am 26. Okt. 1882 wurde mir auf dem Schweineviehhofe in Rummelsburg von dem Herrn Kreistierarzt Eggelixg ein Schwein zur Verfügung gestellt, welches, wie er glaubte, soeben an »Rotlauf« eingegangen war. — Sektions- bericht: Die Haut am Bauche, an den Geschlechtsteilen und am Halse rötlich livide. Enormes Oedem am Halse bis zwischen die Vorderbeine nach abwärts sich erstreckend. Pharynx gerötet und geschwollen. Kehlkopfschleimhaut und Tracheaischleimhaut intensiv dunkelrot. Lungen wenig verändert, rechts einige Partieen dunkelrot, wenig lufthaltig. Am Herzen nichts Besonderes. Leber und Nieren parenchymatös getrübt. Magenschleimhaut intensiv rot, ebenso die Schleimhaut des Anfangsteiles des Zwölffingerdarmes. Darm im übrigen unverändert. Mesenterialdrüsen nicht vergrößert. Milz ziemlich groß, duukelblaurot, ziemlich derb.« In den mit der ödematösen Halshaut, Leber und Niere beschickten Nähr- böden entwickelten sich bis zum folgenden Tage »außerordentlich kleine, ovoi'de Bakterien, bisweilen in der Form an die Organismen der Kaninchen- septikämie erinnernd« in Reinkultur. »Dieselben Bakterien und nur diese fanden sich dann auch bei der mikroskopischen Untersuchung der Haut, der Leber und der Nieren des Schweines in den mit alkalischer Methjdenblau- oder konzentrierter wässeriger Gentianaviolettlösung gefärbten, mit II/4 proz. Essigsäure nachbehandelten Schnittpräparaten. Namentlich in der Haut war die Menge der Bakterien eine geradezu enorme. Sie lagen in Reihen ange- ordnet, den Zügen des Bindegewebes folgend.« Die Bakterien töteten von kleineren Versuchstieren Kaninchen, Mäuse, Meerschweinchen und einen kleinen Vogel, während die geimpften Tauben, Hühner und Ratten gesund blieben. Bei allen verendeten Impftieren ließen sich die beschriebenen ovoiden Bakterien nachweisen. Ein mit Fleischwasser- peptongelatinekultur subkutan geimpftes junges Schwein verendete in 2 Tagen unter ähnlichen Erscheinungen wie oben beschrieben. 584 , E. Joest, Damit war der Nachweis erbracht, dass neben dem eigentlichen, durch kleine stäbchenförmige Organismen bedingten Rotlauf noch eine zweite rotlaufähnliche Seuche unter den Schweinen auftritt, die durch kleine ovoide Bakterien verursacht wird. Löffler schlug für diese Seuche die Bezeichnung »Schweineseuche oder Schweiueseptikämie« vor. Durch die fast unmittelbar sich anschließenden Untersuchungen von Schütz wurde die Seuche ätiologisch und pathologisch-anatomisch näher erforscht. I. Morphologie des Bacillus suisepticus. Der Bacillus suisepticus (Flügge, Preisz) — Syu. : Bacterium sui- cidum; Vakuolebacillus ^Bang) — gehört zur Bakteriengruppe der Septicaemia haemorrhagica (Hueppe) s. Septicaemia pluriformis (Kitt) und besitzt die den Bakterien dieser Gruppe eigentümlichen Merkmale der Form und Färbung. Tu den Säften und Organen des infizierten Tierkörpers — die Bakterien finden sich hauptsächlich in der erkrankten Lunge, in den bronchialen Lymphdrüsen und in den Exsu- daten der serösen Höhlen — präsentieren sich die Schweineseuche- bakterieu in der Eegel als ovale Gebilde von 1,2 — -1,4 ,t< Länge und 0,4 — 0,6 u Breite. Ihre Länge beträgt etwa 1/3 — V2 vom Durchmesser der roten Blutkörperchen der Maus (Schütz). Die Färbung mit wässerigen Lösungen basischer Anilinfarbstoffe gelingt leicht. Meist wird der Farbstoff von den Bakterienzellen nicht gleichmäßig aufgenommen. Dieselben zeigen ein helles, fast ungefärbtes Mittelstück und zwei stark tingierte Pole (Polfärbung). Das Mittel- stück, obgleich fast vollkommen farblos, lässt deutlich die Konturen des Bakterienleibes, welche als feine, scharfe Linien die beiden gefärbten Endstücke verbinden, erkennen. Es nimmt, wie ein Gürtel, in der Regel fast die Hälfte des Bakterienleibes ein. An längereu Zellen können, außer den stark gefärbten Polen, im mittleren Teile abwechselnd ge- färbte und ungefärbte Querstreifen auftreten (Preisz). Die beschriebene Polfärbung lässt sich mit verschiedenen Farbstofl'en zur Darstellung bringen, sofern man darauf Bedacht nimmt, das Präparat nicht zu ttberfärben, was bei Anwendung von Fuchsin und Gentianaviolett leicht passieren kann. Die schönsten Bilder liefert eine 5 Minuten lange Färbung mit einer dünnen (Y2 — 1 proz.) Avässerigen oder wässerig- alkoholischen Me- thylenblanlösung mit nachherigem kurzem Auswaschen in 0,5 proz. Essigsäure (1 — 2 Sekunden). Die Essigsäure ist durch Wasserspülung sofort Avieder vom Präparat zu entfernen. Neben diesen typischen, bipolar sich färbenden Formen finden sich im Tierkörper (selten im Blute) häufig kürzere, kokkenähulichc, gleich- mäßig sich färbende Bakterienzellen vor. Besonders in den hepatisierten Lungenteilen akut erkrankter Schweine werden diese Formen neben typisch bipolar sieh färbenden Zellen selten vermisst. Die Bakterien liegen fast stets einzeln oder zu zweien. Längere Ketten sind sehr selten. — In weniger empfänglichen Tieren bildet der Schweineseucheerreger etwas größere Formen (Frosch). In Kulturen zeigen die Schweineseuchebakterien im allgemeinen die beschriebene typische Polfärbung seltener. Die Bakterienzelle Schweineseuche und Schweinepest. 585 nimmt hier eleu Farbstoff iu allen ihren Teilen meist gleichmäßig auf, während sie iu ihrer Gestalt von der rein ovalen Form vielfach größere oder geringere Abweichungen zeigt. Neben deutlieh länglich oval gestalteten Bakterien werden meist zahlreiche kürzere, mehr runde, kokkenähnliche Gebilde angetroffen; auch längere, stäbcheuartige Formen werden besonders in länger künstlich fortgezüchteten Kulturen beobachtet. Zwischen diesen Formen finden sich die mannigfachsten Uebergänge vor, so dass man, wie auch Preisz hervorhebt, glauben könnte, ein Bakterieugemisch vor sich zu haben, wenn nicht die genaue Prüfung der Kulturen deren Reinheit ergäbe. Eine ähnliche Variabilität der Form in künstlichen Kulturen, welche zum Teil von dem Alter, dem Wachstum imd der Art des Nährbodens abhängig ist, zeigen auch andere Verteter der Gruppe der hämorrhagischen Septikämie. Die Polfärbung, die an sich nichts anderes besagt, »als dass sich an den Polen mehr chromatische Substanz, wie in der Mitte der Bak- terienzelle befindet«, ist nach Büder »das Zeichen einer beginnenden Degeneration«. »Das häufigere Auftreten der Polfärbung bei den Bak- terien der Schweineseuche hängt wahrscheinlich mit der geringeren Widerstandsfähigkeit und kürzeren Lebensdauer derselben zusammen« (Büder). Gegen die Richtigkeit dieser Anschauung scheint mir bei der Schweineseuche der Umstand zu sprechen, dass die bipolaren Formen seltener in künstlichen Kulturen, dagegen häufig im infizierten Tier- körper gefunden werden, wo doch die Bakterien Gelegenheit haben, ihre volle Lebenseuergie zu entfalten. Die im Tierkörper, wie auch iu künstlichen Kulturen auftretenden kurzen, kokkenäbnliclien und die bipolaren Formen*) entsprechen den einzelnen Ent- wicklungsstadien des Bacillus suisepticus. Nach Hueppe, der die gleichen Verbältnisse der Bakterien der Wild- und Rinderseuche näher studierte, sind die kürzeren, kokkenähnlichen, gleichmäßig sich tingierenden Zellen als die eigentliche vegetative Form anzusehen. »Diese Form streckt sich etwas stärker zu einem kürzeren oder längeren Stäbchen mit stark abgerundeten Enden. In diesem Kurzstäbchen diiferenziert sich vor der Teilung der Inhalt, derselbe zieht sich nach den Polen zusammen, dann tritt die vollständige Teilung des Inhalts ein, während eine Zeit lang noch die äußere Muttermembran die Form des Kurzstäbchens wahrt. Endlich tritt aber die vollständige Tei- lung in zwei junge, kugebge Zellen ein. Je nach der Schnelligkeit des Wachs- tums, dem Alter der Kultur kann sich das Zahlenverhältnis der einzelnen Formen zu einander etwas ändern, und bei ganz rapide verlaufenden Fällen habe ich auch im Blute schon vorwiegend die kürzeren, sich gleichmäßig fär- benden Formen gefunden«. Eine ähnliche Darstellung des Vermehrungs- vorganges beim Bacillus suisepticus giebt auch Schütz. Der GRAMSchen Färbung gegenüber verhält sich der Bacillus suisepticus negativ. Der Bacillus suisepticus ist unbeweglich. Lebend im hängen- den Tropfen betrachtet, zeigt er nur das bekannte, durch den Anprall der in fortwährender Bewegung befindlichen Moleküle der Suspensions- flüssigkeit an die Bakterien bedingte Zittern (BROWNSche Molekular- bewegung). Geißeln besitzt der Bacillus nicht, was sich durch die Methoden der Geißelfärbung unschwer feststellen lässt. *) Die in Kulturen sich findenden längeren, stäbchenförmigen Gebilde scheinen Involutionsformen zu sein. 586 E. Joest, Die LöFFLERscbe Geißelfärbimg- zeigt uns jedoch, worauf Preisz aufmerksam gemaelit hat, dass der Bacillus suisepticus eine Hülle (Schleimhülle oder Plasmariude) besitzt, die durch die gewöhnliche Fär- bung nicht darstellbar ist. Die nach Löffler gefärbten Präparate zeigen die Bakterien '>bedeutend größer, kokkeuartig oder plump ovoid, wie kurze Bazillen, und intensiv schwarzrot gefärbt«. Preisz will die Hülle auch an Bakterien aus dem Blute von Versuchstieren beobachtet haljen. Die Fähigkeit endogene Sporen zu bilden fehlt dem Ba- cillus suisepticus. Ob einzelnen Individuen eine höhere Eesistenz im Sinne von Arthrosporen zukommt, muss dahingestellt bleiben. II. Biologie des Bacillus suisepticus. a) Kultur und Stoffwechsel. Der Bacillus suisepticus ist fakultativ aerob. Er wächst am besten bei Anwesenheit von 0. Ein Wachstum findet jedoch auch bei Abschluss der atmosphärischen Luft, sei es in hoher Gelatineschicht, sei es in Wasserstofl'atmosphäre statt (Frosch). Fiedeler & Bleisch gaben an, dass der Schweineseucheerreger in Stichkulturen in der Tiefe früher und besser wüchse als an der Oberfläche. Gerade das Umge- kehrte ist, wie bereits Frosch und Afanassieff feststellten, der Fall. Auf dem gebräuchlichsten Laboratoriumsnährboden, einer neutralen oder schwach alkalischen Peptonbouillon und den durch Zusatz von Gelatine oder Agar zu dieser Bouillon hergestellten festen Nährsul)- straten wächst der Bacillus suisepticus gut. Das Wachstum erfolgt rasch, so dass es nach 20 — 24 Stunden (bei Bruttemperatur) auf allen Kährböden deutlich in die Erscheinung tritt. Die Te'mperaturgrenze für die Entwicklung des Bacillus suisepticus liegt, wie Frosch fest- stellte, nach unten bei+S", nach oben bei + 42°. Bei beiden Temperaturen wächst der Bacillus nicht mehr, ohne indessen seine Lebensfähigkeit einzubüßen. Das Temperaturoptimum für das Wachstum liegt bei +37"; eine Entwicklung der Kulturen findet jedoch auch schon bei Zimmer- wärme statt. Bouillon wird mäßig getrübt und zeigt einen grauweißen, etwas schleimigen, aus Bakterien sich zusammensetzenden Bodensatz, der beim Schütteln zopfartig in die Höhe steigt. Die Bildung eines dicken Häut- chens an der Oberfläche der Bouillon, welche nach Preisz bei ruhigem Stehen erfolgen soll, habe ich niemals beobachten können. Die Reaktion der Bouillon ist (nach Raccüglia) auch nach längerer Zeit (2 — 6 Monatej unverändert. Auf der Agar- und Oelatineplatte l)ilden sich auf der Oberfläche mäßig große, weiße, leicht l)läulich schinnuerude , opaleszierende, nur wenig prominierende Rasen , die 1 — 2 Tage alt ein seidenglänzendes Aus- sehen zeigen. Später verliert sich der Glanz und die Kolonieen werden matt (Pbeisz). Eine besondere Struktur lassen die Kolonieen nicht er- kennen. Die in der Tiefe der Agar- oder Gelatineplatte gelegenen Ansiedlungen erscheinen ungleichmäßig rund, ohne Ausläufer und von braungelblicher Farbe. In der Gelatine- und Agarsticlikultur entstehen bei Zimmertempe- ratur vom zweiten Tage ab längs des Impfstiches zahlreiche kleine. Schweineseuche und Schweinepest. 587 kugelige, weißliche Kolonieeu, die zum Teil später konfluieren. Etwas später beginnt die Kultur an der Einstichstelle auch Oberflächenwachs- tum zu zeigen. Es entsteht hier ein dünner weißer Belag mit unregel- mäßigen Rändern. Ein besonders üppiges AYachstum bieten die Stich- kulturen meist nicht dar. Eine Verflüssigung oder Erw^eichung der Gelatine findet nicht statt. Die Strichkultur auf schräg erstarrtem Agar bildet einen dünnen, Aveißlichen, opaleszierenden, schwer abhebbaren, mit zackigen Rändern ausgestatteten Belag vom Aussehen der oben beschriebenen Oberflächen- kolonieen. Der Belag hat keine Tendenz zur weiteren Ausbreitung auf der Oberfläche des Nährbodens. Das Kondenswasser erscheint getrübt und besitzt einen Bodensatz. Mehrere Tage alte Agarkulturen zeigen stets, worauf Pkelsz zuerst hingewiesen hat, eine schleimige, faden- zi eben de Beschaffenheit. Oft tritt diese Eigenschaft auch schon an ganz frischen Kulturen hervor. Am deutlichsten macht sich das Schleimigwerden der Kulturen am Kondenswasser und dessen Bodensatz bemerkbar. Die schleimige Konsistenz der Kulturen schreibt Preisz wohl mit Recht dem Vorhandensein von Bakterienhüllen zu. Auf schräg erstarrtem Blutserum bildet sich ein »schwacher, leicht irisierender Belag« (Löffler). Bemerkung über die Herstellung der Nährböden. Das be- schriebene, relativ zarte und schwache AVachstum auf Bouillon, Gelatine und Agar wird bedeutend üppiger, wenn man der Zubereitung dieser Nähr- böden eine besondere Sorgfalt widmet und wenn man hierzu besonders, wäe VoGES zuerst fand, »möglichst frisch von erst kurz vorher geschlachteten Rindern gewonnenes Fleisch« benutzt. Die Kulturen auf derartig hergestellten Nährböden wachsen so tippig, dass man geneigt ist, zuerst an eine Verun- reinigung zu denken. Das Wachstum ist dergestalt meist el)euso stark, wie dasjenige des Bacillus suipestifer. Ich habe, ohne die Angaben von Voges zu kennen, vor einigen Jahren ebenfalls die Thatsache herausgefunden, dass sich durch Verwendung ganz frischen Fleisches die Ernte an Bak- terienmaterial, besonders auf der Agarfläche, bedeutend ergiebiger machen Lässt und kann somit die Richtio'keit der VoGESSchen Angabe vollauf be- stätigen. Ich möchte noch hinzufügen, dass die eigenartige schleimige Konsistenz des Kulturrasens auch bei diesem üppigeren Wachstum erhalten bleibt. Voges ist geneigt, das minder gute Wachstum auf mit älterem Fleisch hergestellten Nährböden dem Umstände zuzuschrei))eu , dass älteres Fleisch (nach Löffler) »stets mit Desinfektionsmitteln (Borsäure, Salicylsäure u. a. m.) behandelt« ist, wodurch eine Entwicklungshemmung bewirkt wird. Das minder gute Wachstum auf mit älterem Fleisch hergestellten Nährböden hat nach meinen Erfahrungen andere Ursachen, deren genaue Feststellung mir indessen nicht gelungen ist. Ich habe von ein und demselben Fleisch einen Teil frisch, einen anderen Teil nach mehrere Tage langem Aufbewahren im Eisschrank zum Nährboden verarbeitet. Im ersteren Falle konstatierte ich üppiges, im zweiten Falle spärliches Wachstum. Hierbei war somit, auch ohne EiuAvirknng von Chemikalien, das Fleisch durch das Aufbewahren ungeeigneter zur Nähr- bodenbereitung geworden. Als sehr guten Nährboden für Schweineseuchebakterien empfiehlt KarliSski Agar, dem vor dem Erstarren 20 % sterilen Schweineserums zugesetzt wurden. Afanassieff lobt 6 proz. Glycerinagar als guten Nährboden. Einfluss der Reaktion des Nährsubstrates auf das Wachstum. Das Wachstum ist am besten bei schwach alkalischer Reaktion. Preisz 588 E. Joest, fordert sogar stark alkalische Reaktion.) Auf Agar, Gelatine iind Bouillon findet (nach Frosch und eigenen Erfahrungen], eofern der Nährboden im übrigen optimale Wachstumsverhältnisse bietet, auch bei neutraler und schwach saurer Reaktion eine leidlich gute Entwicklung statt. Raccuglia giebt an, dass der Bacillus suisepticus in saurer Bouillon wächst, ohne seine Virulenz zu verlieren. Er machte einen Wachstums- versuch in folgender Weise: »Fünf mit alkalischer Bouillon zum Drittel gefüllten Reagensgläsern wurde je V25 1? 2, 3, 4 Tropfen Milchsäure zugefügt. In den beiden ersteren war die Bouillon schon am nächsten Tage trübe, in den übrigen fand kein Wachstum statt.« Fiedeler & Bleisch konstatierten ebenfalls, dass in sauerer Bouillon eine Vermehrung der Schweineseucheerreger eintritt. Kartoffelkultur. Eine bemerkenswerte Abhängigkeit des Wachs- tums des Bacillus suisepticus von der Reaktion des Nährbodens zeigt sich dagegen bei der Kartoffelkultur. Auf gewöhnlichen gekochten Kartoffeln, welche in der Regel eine deutlich saure Reaktion besitzen, findet ein Wachstum nicht statt. (Raccuglia, Frosch, Preisz, Afanassieff, eigene Beobachtungen.) Nach KarliSski wachsen die virulenten, direkt aus dem Schweinekörper gezüchteten Schweineseuchebakterien überhaupt nicht auf der Kartoffel. »Es gelang nur, sehr alte, in ihrer Virulenz fast vollkommen abgeschwächte Bakterien in Form eines schwachen strohgelben Rasens auf alkalischen Kartoffelscheiben zu züchten.« Frosch machte des weiteren folgenden Versuch: »Es w^ard ein Kar- toffelbrei hergestellt, mit dem einige Schälchen ohne jede weitere Zuthat augefüllt wurden, während andere durch Zusatz einer zehu- prozentigen Sodalösung in verschiedeneu Abstufungen der sauren und alkalischen Reaktion erhalten wurden.« Es zeigte sich nun bei der Aussaat des Bacillus suisepticus, dass für denselben »eine gewisse, schwach alkalische Reaktion notwendige Lebensbedingung war« (während der Bacillus suipestifer bei jeder Reaktion gedieh). Die Kultur des Bacillus suisepticus auf der alkalischen Kartoffel »bildete flache, nicht allzu ausgedehnte, graue oder graugelbe Rasen«. Auch Afanassieff konstatierte, dass der ScliAveineseucheerreger nur auf alkalisch ge- machter Kartoffel wächst. Dasselbe Verhalten ermittelte Frosch für die Bakterien der Wildseuche, llühnercholera und Kaninchenseptikämie. Die Empfindlichkeit des Bacillus suisepticus gegen die saure Reaktion der Kartoffel ist, wie Frosch hinzufügt, um so merkwürdiger, als der Bacillus, wie erwähnt, auf anderen Nährböden bei schwach saurer Reaktion ziemlich gut gedeiht. Die Einwände, die V(jges gegen die Be- weiskraft der FROSCHSchen Kartoffelversuche erhebt, sind hinfällig. Wachstum in Wasser. In gewöhnlichem Trinkwasser vermag sich der Bacillus suisepticus, wie Salmon fand, nicht zu vermehren; er wird in einigen Wochen gänzlich zerstört (im Gegensatz zum Bacillus suipestifer, der sich in Wasser vermehrt und monatelang in demselben lebend ^ö l)leibt). VoGEs ffiebt für die von ihm untersuchten Bakterien der »hä- b morrhagischen Septikämie« an, dass sie sich in Leitungswasser züchten lassen. Diese Angabe Voges' entbehrt bezüglich der eigentlichen Bak- terien der hämorrhagischen Septikämie (also auch des Schweineseuche- erregers) der Beweiskraft, weil er zu ihnen auch den Bacillus sui- pestifer reclmete und bei seinen Untersuchungen eine Trennung des letzteren von den eigentlichen Bakterien der hämorrhagischen Septi- kämie nicht durchführte. Schweineseuche und Schweinepest. 589 Kultur iu Milch und Lackmusmolke. Normale sterilisierte Milch (Reaktion: amphoter), sowie neutrale Lackmus mölke (Petruschky) werden vom Bacillus suisepticus nicht verändert (Bunzl -Federn, eigene Beobachtungen). Nach Bunzl-Federn färbt sich mit Lackmustinktur versetzte Milch unter dem Einfluss des Schweineseuchebacillus schwach rosa bis deutlich rot. »Die gebildete Säuremenge war aber nie ausreichend, um die Milch zur Gerinnung zu bringen.« Diese Beobachtung kontrastiert aber mit dem Verhalten von Lackmusmolke, in welcher durch den Bacillus suisepticus niemals eine Farbeu- veränderung erzeugt wird. FiEDELER & Bleisch Stellten fest, dass eine Vermehrung der Schweiueseuchebakterien in normaler Milch nicht stattfindet und dass somit normale Milch kein geeigneter Nährboden für dieselben ist. Da- gegen fand, wie die genannten Ijeiden Autoren beobachteten, in saurer Molke und saurer Milch eine reichliche Vermehrung der Löffler- ScHÜTZschen Bakterien statt. Ein Vergleich mit den vorstehend er- örterten Wachstumsverhältnissen der Bakterien auf der Kartoffel zeigt hier einen merkwürdigen Gegensatz, für den eine zureichende Er- klärung noch fehlt. Kultur in zuckerhaltigen Nährböden. In Nährböden, welche Traubenzucker oder andere gärfähige Stoffe enthalten, verursacht der Bacillus suisepticus keine Gärung. Indol- und Pheuolbildung. Der Bacillus suisepticus hat die Fähig- keit, aus Peptonen Indol und Phenol abzuspalten. Gleichzeitig mit der Indolbildung findet nach Voges & Proskauer auch eine Reduktion von Nitraten zu Nitriten statt. Die letztere ist indessen, wie dieselben Autoren zugeben, »oft nicht sehr energisch, wenn die Kulturen weniger Wachstumsüppigkeit zeigen. « Bei Bakterien^ welche gleichzeitig Nitrate reduzieren und Indol bilden, tritt bekanntlich nach Zusatz einiger Tropfen konz. H2SO4 zu der Kultur eine Rotfärbung, die Nitrosoindolreaktion ein. Bei der Untersuchung zahlreicher üppig wachsender Schweine- seuchestämme fand ich nur wenige, welche nach bloßem Zusatz von H2SO4 eine schwache Rotfärbung zeigten. Bei weitaus den meisten Stämmen trat dieselbe erst nach Hinzufügung einer sehr kleinen Menge Kaliumnitrit auf Jedenfalls ist somit die Nitratreduktion in den meisten Fällen so geringfügig, dass sie praktisch vernachlässigt werden kann. Zum praktischen Nachweise der Indolbildung beim Schweineseuche- erreger empfiehlt es sich deshalb, von vornherein Kaliumnitrit, und zwar 0,1 ccm einer 0,02 prozentigen Lösung zu je 1 com Kulturflüssigkeit zuzugeben. — Wie Voges & Proskauer hervorheben, ist die Intensität der Nitrosoindolreaktion (auch nach Zusatz von Kaliumnitrit) großen Schwankungen unterworfen. »Es war dieses abhängig von der jeweils gebildeten Indolmenge, und diese letztere hängt unstreitig wiederum mit dem Wachstum im allgemeinen zusam- men. Das letztere war auf den verschiedenen Nährböden nicht gleich stark. Dadurch wird es verständlich, dass das Rot der Reaktion eine ganze Farben- scala durchlaufen kann, von einem eben oft nur angedeuteten zarten rosaroten Farbenton bis zu intensiver Rotfärbung der ganzen Kulturflüssigkeit. So intensive Nitrosoindolreaktiouen wie bei der Cholerarotreaktion haben wir nie beobachten können. Oft ist man überhaupt gezwungen, den Farbstoff erst mit Amylalkohol auszuziehen, um ihn sichtbar zu machen.« 590 E. Joest, Diesen Ausfithrung-en vou Voges & Proskauer niuBS noch hinzu- gefügt werden, dass die gebildete Indohnenge bei sonst gleichen Kultnr- bedingungen l)esonders anch vou der Dauer des Wachstums abhängt. Nach 24 stundigem AVachstum ist die Nitrosoindolreaktion, wie ich des öfteren konstatieren konnte, meist nur schwach, während nach 3 bis 4tägigem Verweilen der Kulturen im Brutschrank in der Mehrzahl der Falte" eine intensive, satte Rotfärbung auftritt, die an Intensität der Cholerarotreaktion nicht nachsteht. Voges & Proskauer prüften eine ganze Reihe von Peptonen verschiedener Art und Herkunft auf ihre Geeignetheit in Bezug auf die Indolbildung. Sie fanden, dass die Ver- suche mit verschiedenen Peptonen des Handels nicht ganz gleiche Resultate ergeben. Die schönste Indolreaktion gab das von König (Leipzig) bezogene Peptonum e carne, Avelchem die genannten Autoren deshalb für praktische Versuche den Vorzug geben wollen. Bei Ab- wesenheit von Pepton in den Nährböden wird kein Indol gebildet. DE Schweinitz wies das vom Bacillus suisepticus gebildete Indol und Phenol in Kulturdestillaten nach. Er fand eine beträchtliche Menge Indol, von Phenol dagegen nur Spuren. In mit Lackmus und Indigl)lau versetzten Nährböden bewirkt der Bacillus suisepticus »weder Entfärbung noch Abschwächung des Farbentones«, bei Lackmoidnährböden dagegen »zeigte sich bei längerem Stehen im Brutschrank und auch bei Zimmertemperatur eine geringe, doch erkennbare Entfärbung des Lackmoids da, wo die Kultur am reichlichsten entwickelt war« (Frosch). Voges legt allerdings dieser Reaktion keine Bedeutung bei. Stoifwechseluntersuchungen. Voges & Proskauer haben versucht, mit Hilfe eines besonderen Nährbodens von genau bekannter Zusammen- setzung, einer als »Stammlösung« bezeichneten Lösimg von Dinatriumphosphat 0,37 g Mouokaliumphosphat 0,14 g Chlor calcium 0,04 g Chlorkalinm 0,30 g Magnesiumeitrat 0,01 g in 100 g Aq. dest. mit Zusatz von 1 ^ Pepton Witte die Stoflfwecbsel- verhältnisse der Bakterien der hämorrhagischen Septikämie klarzulegen. In der »Stammlösung« wuchsen die Bakterien ebensogut wie in Bouillon. Von der »Peptonstammlösung« ausgehend, studierten Voges & Proskauer besonders den Stickstoff bedarf der Bakterien, indem sie das Pepton durch andere N-Verbindungen (Asparagin, Harnstoff, kohlensaures und schwefelsaures Am- monium) ersetzten. Asparagin erwies sich als vorzüglicher Ersatz für Pepton, ein Waclistum fand indessen auch noch statt, wenn als einzigste Stickstoffquelle Ammoniumsulfat verwandt wurde. Voges & Proskauer konstatierten, dass die von ihnen untersuchten Bakterien in ihrer »Peptonstammlösung« regelmäßig Schwefelwasserstoff bildeten. Die Schwefelquelle war hier das Pepton Witte. Aber auch bei Verwendung von Ammoniumsulfat als Stickstoö'quelle konnte noch eine Abspaltung von H2S beobachtet werden. Die Intensität der H^S-Bildung scheint abhängig von der Wachstumsenergie zu sein. Spezifische Stoffwechselprodukte. Oiftbildung. Nach de Schwei- Ni TZ lässt sich aus Kulturfiltraten des BaciHus suisepticus mit absolutem Alkohol eine Albumose (»Suplagoalbumin«) und ein Ptomain ^»Supla- Schweineseuche und Schweinepest, qQi gatoxin«) ausfällen, welche aber eine nur gering-e Giftigkeit besitzen. Diese Substanzen können deshalb, wie Voges bemerkt, nicht als »das eigentliche giftige Prinzip« der Kulturen angesehen werden. Der letzt- genannte Forscher, sowie auch Smith & Moore, stellten fest dass bakterienfreie Filtrate junger Kulturen keine Gift Wirkung entfalten, dass somit der Bacillus suisepticus kein lösliches Gift ab- scheidet. Da aber abgetötete Kulturen, sowie die bei der Filtration zurückbleibenden Bakterienmassen, bei kleinen Versuchstieren den Tod herbeiführen, so ist anzunehmen, dass die Bakterienzellen selbst ein Gift enthalten. In älteren Kulturen geht stets ein Teil der Bakterien zu Grunde, was sich mikroskopisch an verschiedenen Zerfallsstadien nachweisen lässt. Mit dem Fortschreiten des Zerfalls der Bakterien geht ein Giftigwerden der Kultur- filtrate Hand in Hand: Das intracelluläre Gift ist bei der Auflösung der Zellen freigeworden und hat sieh in der Kulturflüssigkeit gelöst. Emmerich und Low führen die Auflösung der Bakterienzellen ""in älteren Kulturen auf die Produktion eines bakteriolytischen Enzyms seitens der betreffenden Bakterienart zurück. Jedenfalls sieht man, dass in Flüssigkeitskulturen des Bacillus suisepticus der anfänghch sich bildende, aus Bakterien bestehende Bodensatz bei mehreren Wochen alten Kulturen nach mehrfachem Schütteln sich größtenteils auflöst und dass das Filtrat derartiger Kulturen beim Zu- sammenbringen mit H2O2 deutliche 0 -Entwicklung verursacht und Thymol- gelatine löst (Greither). Voges versuchte bei verschiedenen Bakterien der hämorrhagischen Septikämie die Menge ihres intracellulären Giftes zu bestimmen indem er die Bakterien durch verschiedene Mittel abtötete und die Dosis letalis minima der abgetöteten Kultur durch intraperitoneale Verimpfung an Meerschweinchen feststellte. Die so für Schweineseuche ermittelt? mmimal tödliche Dosis betrug 8—10 mg Kultur. Von besonderem Inter- esse war die bei diesen Versuchen gefundene Thatsache, dass eine in ihrer Virulenz abgeschwächte Schweineseuchekultur ebenso giftig wirkt wie eine virulente Kultur, dass somit Virulenz und Giftigkeit nicht parallel gehen. Die Abtötung der Kulturen bewirkte Voges bei diesen Versuchen stets durch Chloroform. Um dem Einwand zu begegnen, dass das intracelluläre Gitt durch das Chloroform verändert worden sein könne, benutzte dieser Forscher des weiteren auch noch andere Abtötungsmittel. Diese Versuche ergaben, dass für den Bacillus suisepticus als am wenigsten giftschädigende sichere Abtötungsmittel die Siedehitze und das Chloroform zu ^empfehlen sind' Fast das gleiche leisteten Karbol, Trikresol und Toluol. b) Eesistenz des Bacillus suisepticus gegenüber schädigenden Einflüssen. Da der Schweineseucheerreger keine Sporen bildet, so ist seine Wider- standsfähigkeit gegenüber den verschiedenen schädigenden Momenten nicht sonderlich hoch. Er scheint indessen außerhalb des Tierkörpers bei Anwesenheit von Feuchtigkeit, geeigneten organischen Substanzen und bei mittleren Temperaturgraden lange lebensfähig zu bleiben. Physikalische Schädigungen. Die Einwirkung einer Temperatur von 58° während 15 Minuten tötet die Bakterien mit Sicherheit ab, 592 E. Joest, gleichg-iltig, ob dieselben direkt vom Tier oder aus Kulturen stammen (Salmun, Coexil & CliANi^EMESSE). Durch läugerdauerude Einwirkung- einer Temperatur von 35° oder von Temperaturen, die wenige Grade über der Bluttemperatur liegen, werden die Bakterien abgeschwäclit. Cornil & Chaxtemesse züchteten den SebAveineseucberreg-er bei 43 °. Während nach 54:tägiger Erwärmung noch keine Aenderung der Virulenz einge- treten war, war die letztere nach 74 Tagen so weit herabgesetzt, dass empfängliche Versuchstiere meist nicht mehr starben, sondern nur eine Lokalerkrankung acquirierten. Gefrieren tötet die Kulturen nicht (Coknil & Chaxtemesse). Schütz konstatierte eine Abnahme der Virulenz an Serumkulturen, die 2 — 3 Wochen bei 35° gehalten worden waren, lieber die Widerstandsfähigkeit gegen das Eintrocknen gehen die Angaben der Autoren auseinander. Im allgemeinen ist dieselbe beim Bacillus suisepticus, verglichen mit anderen (sporenlosen) Bakterien, nicht hoch. Im Laboratorium kann man täglich die Beobachtung machen, dass Agarstrichkulturen leicht eintrocknen und dass der Ba- cillus dabei bald seine Entwicklungsfähigkeit einbüßt. Fast stets er- lischt dieselbe mit der Verdunstung des Kondenswassers. Salmon kon- statierte bei seinen Versuchen, dass der Bacillus suisepticus, und zwar sowohl der aus dem Tierkörper entnommene, wie auch der künstlich gezüchtete, bereits durch dreitägiges Eintrocknen abgetötet wird. Cornil & Chaxtemesse fanden dagegen, dass einige Tropfen Kultur, in einem Glasgefäß schnell eingetrocknet und 14 Tage lang bei 20° gehalten, in Nährsubstrate gebracht, noch eine Entwicklung bedingten. Auch bei sehr laugsamem Trocknen von zerschnittenen Organen infizierter Schw^eine er- lischt die Infektiosität des Materials in etwa drei Wochen (Versuch von SCHtJTZ). Ueber die Einwirkung des Lichtes habe ich Angaben in der Litte- ratur nicht gefunden. Durch eigene (noch nicht publizierte) Versuche konnte ich feststellen, dass direkte Sonnenbestrahlung sehr viru- lente Kulturen in 5 — 10 Minuten avirulent für Mäuse macht. Ueber die Einwirkung des zerstreuten Tageslichtes auf Schweineseuchebak- terieu in Bouillonaufschwemmungen von Agarkulturen habe ich u. a. folgenden Versuch gemacht: Von einer 24 Stunden gewachsenen Agarkultur wird 1 Oese in 10 ccm der entsprechenden Peptonbouillon aufgeschwemmt und die Aufschwemmung in einem kleinen, flachen Deckelschälcheu bei zerstreutem Tageslicht am Fenster stehen gelassen. Lufttemperatur: 18°. / erhält 0,1 ccm \ -, )der Aufschwem-I sofort nach Herstellung der > jmnng (also Vinol Aufschwemmung i nach ca. 1 ^ ^,., , „ ( Oese) subkutan) 20 St. f In Milz und Herzblut . 2 » nach 1/4 St. + nach ca. 20 St. zahlreiche typische » 3 » » V2 » i » » 28 » \ Bakterien. »4 » » ^/^ » -|- » » 72 » j »5 » »1») »6 » » IV2 » bleiben leben »7 » » 1 » ) Der Einfluss des zerstreuten Tageslichtes machte sich somit schon nach halbstündiger Expositiousdauer bemerkbar. Dreiviertelstüudige Belichtung hatte eine starke Verzögerung des Todes des geimpften Versuchstieres zur Folge. Eine einstündige und längerdauernde Einwirkung des zerstreuten Tageslichtes machte die sehr virulenten Schweineseuchebakterien avirulent für die Maus. Maus Schweineseucbe und Schweinepest. 593 Chemische Schädigungen. Wie bereits oben erwähnt wurde, wirken nach VoGES Chloroform, Karbolsäure, Trikresollösung- und Toluol abtötend auf die Bakterien der Schweineseuche. Von diesen Mitteln wirkt Toluol am langsamsten. Genauer wurde die Wirkung der Antiseptica auf den Bacillus suisepticus von Coenil & Chantemesse studiert. Dieselben fan- den, dass Alkohol und Kupfersulfat (1:5) die Entwicklung hennneu. Oxalsäure in gesättigter wässeriger Lösung, Aetznatron, Jodoform in ge- sättigter alkoholischer Lösung-, Salz-, Salpeter- und Schwefelsäure (1 : 5) töten die Bakterien in einer Viertelstunde. Sublimat 1 : 1000 vernichtet dieselben in eiweißfreien Medien in 2 Minuten. Coünil & Chantemesse empfehlen als wirksamstes Desinficiens eine Lösung- von 4 Teilen Phenyl- säure und 2 Teilen Salzsäure in 100 Teilen Wasser. Bouillonkulturen, mit der gleichen Menge dieser Lösung versetzt, erwiesen sich in weniger als einer Minute sterilisiert. III. Pathogenes Verhalten des Bacillus suisepticus bei experimenteller Infektion. Die Angaben der einzelnen Forscher über die Wirkung der Schweine- seuchebakterien bei den verschiedenen Tierspecies sind vielfach nicht übereinstimmend. Sowohl hinsichtlich der Empfänglichkeit der ver- schiedenen Versuchstierarten, wie auch hinsichtlich der Krankheitsdauer und der Krankheitserscheinungen bei ein und derselben Tierart weichen die Angaben nicht selten voneinander ab. Die Ursache dieser Differenzen ist hauptsächlich in der Veränderlichkeit der Virulenz der Schweine- seuchebakterieu begründet. Vielfach experimentierten die Untersucher mit älteren, schon längere Zeit künstlich fortgezüchteten Kulturen, deren Virulenz meist merklich herabgesetzt war. Auf der anderen Seite wurden nicht selten Kulturen verwandt, die durch mehr oder weniger einseitige Tierpassagen in ihrer Virulenz für die verschiedenen Tierspecies modi- fiziert waren. Um die hier kurz angedeuteten Fehlerquellen zu ver- meiden, ist es von Wichtigkeit, möglichst nur mit solchen Kulturen zu experimentieren, die frisch aus natürlichen Seucheausbrüchen stammen. Aber auch bei den Forschern, die mit solchen frischen Kulturen arbeiteten, lauten nicht alle Angaben gleich. Das kommt daher, dass die Bakterien aus verschiedenen Seuchenherden in Bezug auf ihre Virulenz, sowie in immunisatorischer Beziehung, oft bedeutende Differenzen aufweisen, so dass, je nach der Herkunft, verschiedene Stämme oder Eassen des Ba- cillus suisepticus unterschieden werden müssen. Auf diesen Punkt wird weiter unten näher eingegangen w^erden. Endlich dürften bei manchen Differenzen in den Ergebnissen der Tierversuche auch die verschiedene Rassenempfänglichkeit innerhalb einzelner Tierarten sowie vielleicht auch individuelle Empfänglichkeitsschwaukungen eine Rolle spielen. a) Maus. Die Maus, und zwar sowohl die weiße als auch die graue Hausmaus, ist außerordentlich empfänglich für die ex- perimentelle Infektion mit Schweineseuche. Schreiber giebt an, dass die AA'eißeu Mäuse eine »gewisse Widerstands- fähigkeit« gegenüber dem Baciüus suisepticus zu besitzen scheinen und dass Handbuch der patliogenen Mikroorganismen. UI. 38 594 E. Joest, ilie Impfresnltate mit ihnen »ungleichmäßig und nnzuverlässig« seien. Diese Behauptung steht mit den Erfahrungen zahh-eicher Forscher in direktem "Widerspruch. Die Maus erliegt nach kutauer uud subkutauer Einverleibung kleinster Mengen infektiösen Materials der Impfkrankheit in durchsclinitt- lich 24 — 48 Stunden. Die letztere bietet nicht viel Charakteristisches. Die kranke Maus nimmt eine zusammengekauerte Stellung ein, das Haar ist gesträubt, die Atemfrequenz gesteigert. In der Agonie treten Zuckungen der Extremitäten auf. Eine Verklebuug der Augenlider, wie man sie bei der Rotlaufinfektion beobachtet, tritt nicht ein. Auch die Sektion ergibt wenig Besonderheiten. Abgesehen von einer starken Lokalreaktiou an der Impfstelle (blutig-üdematöse Durch- tränkuug und Schwellung der Subcutisj, findet mau stets mäßigen Milz- tumor und parenchymatöse Trübung der Leber, der Nieren und des Herzmuskels. Der Dickdarm ist, worauf Schütz besonders hingewiesen hat, mit Fäkalmassen stets prall gefüllt. Nach Peeisz und Karlinski gehen graue uud weiße Mäuse nach der Fütterung mit Bouilloukulturen des Bacillus suisepticus bezw. mit Kadavern infizierter Tiere innerhalb 3 Tagen zu Grunde. KaeliSski beobachtete bei der Sektion »blutig seröse Durchtränkuug des Bauchfells, stark blutige Injektion der Magen- und Darmschleimhaut, gelblich-blutigen Darminhalt und starke Milz- und Lymphdrüsenvergrößerung«. Im Blute massenhaft die typischen Bakterien (Pheisz). b) Kaninchen. Das Kaninchen ist ebenfalls sehr empfänglich für den Bacillus suisepticus. Die Wirkung desselben auf dieses Tier bei verschiedener Art der Einverleibung wurde besonders von Raccuglia und Afanassiff näher studiert. Kutane uüd subkutane Infektion. Die enorme Virulenz des Bacillus suisepticus bei der subkutanen Infektion wird besonders deutlich durch ein Beispiel, welches Preisz erwähnt, illustriert. »0,1 ccm einer Bouillon- kultur wurde trillionenfach mit sterilisiertem AVasser verdünnt und 5 Platin- ösen dieser Flüssigkeit wurden einem Kaninchen unter die Haut ein- verleibt; 5 ähnliche Oesen, auf Agar übertragen, gaben 15 Kolouieen des Bacillus; das so geimpfte Kaninchen wurde binnen 36 Stunden durch den Bacillus getötet. Hieraus kann mau sich wohl über die unbegrenzte Virulenz dieses Bacillus einen Begritf machen; ohne Zweifel genügt eine einzige Zelle dieses Bacillus, um die obgeuanuten Versuchstiere an Septikämie zu töten.» Bei der kutanen und sul)kutanen Infektion des Kaninchens tritt eine l)edeuteude Lokalreaktion au der Impfstelle besonders ausgesprochen in die Erscheinung. Es entstehen ausgedehnte, derbe Infiltrate, die heiß und schmerzhaft sind. Im übrigen bieten die klinischen Erscheinungen keine Besonderheiten dar. Der Tod tritt 1—3 Tage nach der Infektion ein. (Bei sehr virulentem Material oft schon nach 16 — 24 Stunden.) — Bei der Sektion findet man ein hämorrhagisch-entzüudliches Oedem an der Impfstelle, welches in die Tiefe geht und die benachbarten Muskeln in Mitleidenschaft zieht. Bei am Bauche geimpften Tieren erstrecken sich diese Veränderungen auf die ganze Dicke der Bauchwand und greifen liäufig auf das Peritoneum über, hier eine fibrinös-exsudative Schweineseuche und Schweinepest. 595 Peritonitis erzeug-eud (Afaxassieff). Im übrigeu gleicht das Öektions- bild dem der Kaniiiclienseptikämie , Avie bereits Lr»FFLER hervorhebt. Wir finden besonders : mäßigen Milztmnor, parenchymatöse Trübung der Nieren, der Leber und des Herzmuskels, Tracheitis und Bronchitis mit submucösen Blutungen, Lungenödem, fleckige Eötung der Lungen und nicht selten Blutungen in denselben. Auch rote Hepatisation einzelner Lungenabschnitte Avird beobachtet. Im Blute, an der Impfstelle und in sämtlichen inneren Organen finden sich typische bipolare Bakterien. Smith & Moore konstatierten bei ihren Studien über die Swineplague eine starke Variabihtät der Virulenz der Swineplague -Bakterien aus ver- schiedenen Seuchenausbrticben , die sich besonders deutlich gegenüber dem Kaninehen offenbarte. Bei subkutaner Infektion ließen sich mit verschiedenen Bakterien folgende verschiedene Krankheitstypen beim Kaninchen erzeugen: 1. Septikämie, 2. Peritonitis, 3. Pleuritis (gewöhnhch mit Pericarditis], 4. Pleuritis (gewöhnlich mit Pericarditis) und Peritonitis, 5. Nur Lokalläsionen. In der angegebenen Reihenfolge entsprachen die Krankheitstypen der höchsten (1) bis zur geringsten Virulenz (5) der verschiedenen Bakterien oder aber bei verschieden hoch immunisierten Kaninchen dem geringsten (1) bis zum höchsten Grad (5) der erreichten Immunität. lutraperitoneale Infektion tötet Kaninchen unter dem Bilde der Allgemeininfektiou in 2—6 Tagen, bei sehr virulentem Material schon in 16 — 24 Stunden. Sektionsbefund: Peritonitis fibrinosa. In den fibri- nösen Auflagerungen massenhaft, im Herzblut minder zahlreich typische Bakterien. Bei den perakut gestorbenen Tieren findet man nur wenig* Exsudat in der Bauchhöhle (Prettnek). Intraiutestinale Infektion nnd Fütterung. Die Einspritzung von Kulturtiiissigkeit direkt in den Darm ist, wenn nicht mit besonderen Kautelen vorgegangen wird, von einer fibrinösen Peritonitis gefolgt, welcher das Tier bald erliegt. Baccuglia gelang- es, diese Gefahr zu vermeiden. Zwei von ihm mit großen Kulturmengen intraintestinal in- fizierte Kaninchen blieben am Leben. Die Darmschleimhant zeigte infolge der Injektion keine Veränderungen. Ebenso ist (nach Raccuglia und Lorenz) die Fütterung großer Mengen von Infektionsmaterial bei Ka- ninchen unwirksam. (Demgegenüber giebt Preisz an, dass gefütterte und per clysma infizierte Kaninchen in 24 Stunden sterben. Auch KarliS'Ski sah bei seinen Fütterungsversuchen von 5 Kaninchen 2 zu Grunde gehen. Die Sektion ergab »keine Veränderung des Darmes, sondern lediglich Milzschwellung und massenhafte Ansammlung von Schweineseuchebakterien im Blute«.) Intratracheale, intrapuluionale Infektion und Inhalation. In- tratracheale Injektion, auch relativ kleiner Kulturmengen, tötet Kanin- chen rascher als die subkutane Einverleibung, und zwar ebenfalls durch Allgemeininfektiou. Der Tod erfolgt durchschnittlich schon nach etwa 20 Stunden. Trachea, Bronchien und Lunge bieten meist keine besonderen Veränderungen. Ebenso sind die übrigen Organe normal. Im Blute findet sich eine sehr große Zahl der Bakterien (Raccuglia). Afanassieff beobachtete dagegen bei derselben lufektionsmethode etwas längeren Krankheitsverlauf und Lungeuhyperämie bezw. Broucho- 38* 596 E. Joest. pneumonia fibriuosa, sowie Blutimgeu iu der Trachea. Ein von Rac- CUGLIA direkt iu die Lunge g-eimpftes Kauiucbeu starb nach etwa 36 Stunden. Auf der geimpften Seite faudeu sieb au der Eiusticbstelle dünne fibrinöse Auflagerungen auf der Pleura und Lungenbyperämie. Auch bier faudeu sich im Herzblut typische Bakterien. Durch Inha- lation von zerstäubten Bouillonkulturen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen vermochte Raccuglia ein Kaninchen am 4. Tage nach Beginn des Experiments zu töten. Die Sektion ergab eine krupöse Pneu- monie, welche auf die entsprechende Pleura übergegritfen (fibrinöse Pleuritis) und eine Allgemeininfektion des Tieres herbeigeführt hatte. In den pleuritischen Belägen, den hepatisierten Lungenteilen, in der Milz und im Herzblut ließen sich sehr zahlreiche Schweineseuche- bakterien nachweisen. c) Meerschweinchen. Meerschweinchen sterben nach subkutaner Einverleibung des Virus der Schweineseuche in durchschnittlich 2 — 3 Tagen (bei sehr virulentem Material auch früher) . Die Sektionserscheinungen sind folgende : Aus- gebreitete blutig-seröse Infiltration der Unterbaut und der benachbarten Muskulatur in der Gegend der Impfstelle ; mäßiger Milztumor; parenchy- matöse Trübung der Leber, der Nieren und des Herzmuskels; Lungen- ödem. Seltener wurde beobachtet: Erguss in die Pleurahöhlen und die Bauchhöhle, sowie Hämorrhagieen iu den Nebennieren. Im Infiltrat an der Impfstelle und in der Milz zahlreiche typische Bakterien. Nicht selten passiert es bei Verwendung älterer Tiere und bei minder virulentem Material, dass die Meerschweinchen mit einer vorübergehenden Lokal- er krankung davonkommen. Schütz sprach sich deshalb bezüglich der Empfänglichkeit dieser Tiere dahin aus, »dass Meerschweinchen eine geringere Empfänglichkeit für die Infektion durch die in Bede stehenden Bakterien besitzen, als Mäuse und Kaninchen, und dass die Prädis- position bei jungen Meerschweinchen eine größere ist als bei alten.« (In ähnlichem Sinne äußern sich Salmox und Raccuglia.) Dem entspricht auch, dass Meerschweinchen (im Gegensatz zu Ka- ninchen und Mäusen) selbst mit hochvirulentem Material kutan nicht infiziert werden können (Prettner). Die Empfänglichkeit des Meerschweinchens gegenüber der intraperi- tonealen Infektion ist demgegenüber eine sehr hohe. Intraperitoneal ge- impft, stirl)t es bei virulentem Material (Exsudat von gestorbenen Tieren) schon nach 9 — 18 Stunden (Prettner). In der Bauchhöhle (oft auch in der Brusthöhle) findet sich stets viel hämorrhagisch-serösen Exsudates. Prettner stellt deshalb den Satz auf, dass das »empfänglichste Tier für den Schweineseuchebacillus« (neben dem Schwein) das Meerschweinchen sei. Dieser Satz ist, wie ein Vergleich der Meerschweinchenversuche mit den Versuchen au Mäusen und Kaninchen zeigt und wie ein Blick auf das Verhalten des Meerschweinchens bei kutaner und subkutaner Infektion lehrt, in seiner Ausschließlichkeit nicht richtig. Mit Rücksicht auf sein Gesamtverhalten dem Seh weineseucheerreger gegen- über kann das Meerschweinchen in der Reihe der empfäng- lichsten Versuchstiere erst an zweiter Stelle genannt werden. Daran ändert auch die Thatsache nichts, dass, wie Preisz fand, Meer- schweinchen (und Kaninchen) nach Einführung von infektiösem Material in das Rectum nach 24 Stunden sterben. Schweineseuche und Schweinepest. 597 d) Katte. Nach den vorliegeudeu Versuchen scheint die Ratte bei weitem Uli einpfäuglicher für den Bacillus suisepticus zu sein als das Meerschweinchen. Zwei von Löffler subkutan geimpfte Ratten blieben gesund. Von 5 Ratten, die Schütz subkutan impfte, starb nur eine am 7. Tage nach der Impfung. Die Obduktion ergab im allgemeinen denselben Befund wie bei Meerschweinchen. Im Intiltrat an der Impfstelle waren viele, im Blute und den inneren Organen da- gegen nur wenige Bakterien nachzuweisen. Vier von Raccuglia in- fizierte weiße Ratten reagierten nicht auf die Impfung. e) Taube. Zu den minder empfänglichen Laboratorium stieren ge- hört auch die Taube. Die ersten Versuche mit Tauben schienen sogar auf eine vollkommene Unempfänglichkeit derselben hinzudeuten. So blieben zwei von Löffler geimpfte Tiere am Leben, ebenso die ersten vier von Schütz infizierten. Weiterhin gelang es aber dein letztgenannten Forscher, Tauben, wenn auch nicht in jedem Falle, be- sonders unter Zuhilfenahme größerer Mengen von infektiösem Material, zu töten. Schütz folgerte deshalb, »dass auch Tauben der Infektion durch die Bakterien (der Schweineseuche) schwer zugänglich sind«. Im allgemeinen kann man sagen, dass Tauben bei subkutaner oder intramuskulärer Infektion mit Schweineseuchebakterien nur dann sterben, wenn es sich um sehr virulentes Material handelt und wenn von letzterem große Dosen injiziert werden. Der Tod tritt dabei meist sehr ungleichmäßig, nach 24 Stunden bis etwa 8 Tagen ein. Mehrere von Afaxassieff mit besonders viru- lenter Kultur geimpfte Tiere starben schon nach 12 Stunden. Die Sektion ergiebt an der Impfstelle bei subkutaner Infektion ein gelbes, eiterig-fibrinöses Infiltrat oder mehr trockene, gelbliche Exsudat- massen, aus Fibrin und Eiter bestehend (Schütz). Bei intramuskulärer Infektion finden sich schwere Veränderungen an der betrefi'enden Mus- kulatur: Der Brustmuskel ist im Bereiche der Impfstelle in »eine kon- sistente, homogene, opake, trockene, graugelbliche Masse umgewandelt« (Raccuglia), die gekochtem Fleische ähnelt. Mikroskopisch zeigt sich, dass die Muskelfasern ihre Querstreifung und Kerne teilweise oder ganz verloren haben, so dass sie als homogene, oft in Schollen zerklüftete Bänder erscheinen. Es handelt sich hier Avohl um eine Koagulations- nekrose (Raccuglia). Von den übrigen Sektionserscheinungen sind, hervorzuheben: Rötung und Blutungen in der Darmschleimhaut und mäßiger Milztumor. In der pathologisch veränderten Muskulatur der Impfstelle finden sich massenhaft die Bakterien. Die Menge der Bak- terien in den inneren Organen ist schwankend. Mit einem durch Meerschweinchenpassageu künstlich in seiner Virulenz enorm gesteigerten Schweineseuchebacillus gelang es Voges eine Taube auch durch Fütterung in 4 Tagen zu töten. Im Herzblut fanden sich die Schweineseuchebakterien in Reinkultur. Ein mit den gleichen virulenten Schweineseuchebakterien gefüttertes Huhn verfiel demselben Schicksal in 7 Tagen, nachdem es tagelang schwer krank gewesen Avar. In seinem Herz- blut fanden sich die SchAveineseuchebakterien in Reinkultur vor. — Diese 598 E. Joest. Versuche können, da sie mit einem künstlich in seiner Virulenz hochgetriebeneu Erreger angestellt wurden, nur als Ausnahme gelten, für gewöhnlich sind Taube und Huhn unempfänglich für die Infektion per os. f Huhn. Dasselbe verhält sich im großen und ganzen fast ebenso wie die Taube. Die subkutane oder intramuskuläre Einverleibung von minder virulentem Material führt häufig nur eine vorübergehende Infiltration an der Impfstelle herbei, ohne das Tier zu töten. Bei virulenterem Material tritt in den meisten Fällen der Tod, und zwar sehr ungleichmäßig (nach 12 Stunden bis nach mehreren Wochen), ein. Die Sektionserscheinungen entsprechen im allgemeinen denen bei der Taube. Häufig wurde Leber- schwellung beobachtet (Fiedeler & Bleisch). In den inneren Organen finden sich in den rascher verlaufenen Fällen meist zahlreiche typische Bakterien. Anschließend an die Versuche mit Tauben und Hühnern ist hier noch zu lerken , den erlag. bemerken, dass ein von Löffler infizierter »kleiner Togel« in 24 Stun- g) Eind . FiEDELEK & Bleisch suchten festzustellen, ob die Schweineseuche auf Kälber übertragbar ist und infizierten deshalb je ein 4 Wochen altes gesundes Kalb subkutan bezw. intrapulmonal mit Bouillon- kultur. Das subkutan geimpfte Kalb starb bereits nach 6 Stunden. Sektiousbefund : Oedem der Subcutis, besonders an der Impfstelle mit zahlreichen kleinen Blutungen. Die der Impfstelle benachbarten Lymph- drüsen geschwollen, mit Hämorrhagieen durchsetzt; mäßiger Milztumor; parenchymatöse Degeneration der Leber und der Nieren. Die Bakterien ließen sich an der Impfstelle, in der Leber und im Blute nachw eisen, in der Milz dagegen nicht. Das intrapulmonal geimpfte Kalb war mehrere Tage etwas krank und zeigte weiterhin schlechten Ernährungszustand. Es kam davon. — Demnach scheinen Kälber für die subkutane Infektion mit Schweineseuchebakterien empfänglich zusein. Gegenüber der intravenösen Einverleibung des Bacillus sui- septicus sind sowohl Kälber, wie auch erwachsene Binder, sehr em- pfindlich. Die Tiere verhalten sich nach der Injektion ähnlich wie das Pferd. h) Ziege und Schaf. Ziegen und Schafe zeigen nach intravenöser Injektion des Schweineseucheerregers ähnliche Intoxikationserscheinungen wie Pferd und Rind (Sohkeiher, Kitt). ■ — Ein von Prettner intrapleural in- fiziertes Zickel starl) 29 Stunden nach der Injektion. Bei der Sektion fand sich »in der Brusthöhle eine große Menge hämorrhagischer Flüssig- keit, die Pleura hämorrhagisch trübe, mit kleinen Gerinnseln bedeckt, der rechte Lungenlappen dunkelrot«. i) Hund. Ueber die Empfänglichkeit des Hundes für den Bacillus suisepticus haben uns die Versuche von Prettner belehrt. Dcrsell)e experimen- tierte mit 11 Tieren und zeigte, dass bei iutraperitouealer Eiuver- Schweineseuche und Schweinepest. 599 letbuug junge Hunde regelmäßig in 9—30 Stunden zu Grunde gehen, dass ältere Hunde etwas widerstaudfähiger sind, indessen sehr virulentem Material (Peritouealexsudat vom Schwein) ebenfalls rasch erliegen. Bei der Sektion fand sich in der Bauchhöhle eine mäßige Menge Exsudat, in welchem die bipolaren Bakterien vorhanden waren. Prettner stellte ferner fest, dass junge Hunde auf kutanem Wege nicht infiziert werden können, ebensowenig wie sie durch längere Fütterung von Bakterienmaterial krank zu machen sind. k) Pferd. Obgleich das Pferd der eigentlichen Infektion mit dem Bacillus suisepticus kaum zugänglich ist, so zeigt es doch eine große Empfindlichkeit gegenüber den toxischen Wirkungen des Bacillus. Nach subkutaner EinverleibuDg entsteht an der Impfstelle ein mächtiges Oedem, welches sich zu einem ausgedehnten, brettharten Infiltrat entwickelt. Seltener kommt es zur Bildung von Abszessen, deren Eiter massenhaft typische Schw^eineseuchebakterien enthält (eigene Be- obachtungen). Nach intravenöser Einverleibung auch sehr kleiner Bakterien- mengen treten im unmittelbaren Anschluss an die Injektion sehr heftige Erscheinungen auf. Schreiber beschreibt diesel])en folgendermaßen: »Sofort nach der Injektion macht sich eine Puls- und Atembeschleuniguug bemerkbar, die Schleimhäute werden cyanotisch. Die Darmperistaltik wird er- höht, und es treten häufige, dünnflüssige Defäkationen ein. Etwa eine halbe Stunde darauf zeigt sich Muskelzittern über den ganzen Körper, die Temperatur steigt beim Pferde bis auf 40,3°, beim Rinde auf 42° C. Die Tiere versagen 3^ — 8 Stunden nach der Impfung immer das Futter, sind unruhig, werfen sich hin und stöhnen. In schweren Fällen treten 24 Stunden darnach Paresen der motorischen Nerven, namentlich des Kopfes auf, Steifigkeit, Kreuzschwäche und die verschiedensten Lahmheiten infolge Thrombosen, Sehnenscheiden- entzündungen und Gelenkaffektionen .... lieber 50 % der Tiere gingen zu Grunde. « Diese Angaben Schreibers kann ich bestätigen. Die vorerwähnten Erscheinungen geben in der Hauptsache das Bild der akuten Intoxi- kation wieder, wie sie im direkten Anschluss an die intravenöse Ein- verleibung der Bakterien auftritt und die auf ein Freiwerden des in- tracellulären Giftes der einer raschen Auflösung im Pferdeblute anheim- fallenden Bakterienzellen zurückzuführen ist. Außer diesen akuten Erscheinungen kann bei längere Zeit fortge- setzten Einspritzungen der Bakterien eine eigentümliche chronische In- toxikation entstehen, die in ihren klinischen Erscheinungen, ihrem Verlauf und ihrem anatomischen Bilde so sehr an die endemische Leber- cirrhose (Schweinsberger Krankheit) des Pferdes erinnert, dass man von einer künstlichen Erzeugung dieses in seiner Aetiologie noch nicht auf- geklärten Leidens sprechen kann. Ich hatte Gelegenheit, mehrere Fälle dieser chronischen Intoxikation bei Pferden zu beobachten. Der aus- geprägteste Fall sei hier kurz erwähnt: Ein von mir längere Zeit hindurch mit Schweineseuchebakterien behandeltes Pferd verlor allmählich seine Munterkeit und zeigte gelegentlich Appetits- störungen. Weiterhin traten Icterus und die Erscheinungen eines Magen- und 600 E. Joest, Darmkatarrlies auf. Zugleich machten sich dummkollerähnliche Anfälle be- merkbar. Diese Symptome steigerten sich gegen das Ende zu erheblich; beson- ders zog sich das Tier infolge der Bewusstseins- und Empfindungsstörungen mehrfache Verletzungen zu. Die Temperatur verhielt sich bis kurz vor dem Tode fast normal. Die Sektion ergab folgendes: Schlecht genährter Kadaver. RissAvunde am rechten Augenlid. Hautabschürfungen an der Stirn und an den Augenbogen. Schleimhäute blass, ikterisch verfärbt. Bauchdecken schlaff. Bauchhöhle ohne abnormen Inhalt. Lage der Eingeweide normal. Peritoneum ohne Sonderheiten. Der gesamte Darm erscheint fast leer. Der in geringer Menge vorhandene Inhalt ist dünnbreiig. Darmschleimhaut blass, stellenweise gerötet. Magen etwas vergrößert. Sein Inhalt besteht aus unverdautem Heu und Stroh, welches sich anscheinend schon längere Zeit im Magen befand. Schleimhaut der Portio pylorica diffus gerötet. Die Schleimhaut der Portio oesophagea zeigt in der Nähe des Grenzrandes einen 15 cm langen Riss mit schmutzig-braunrot verfärbten, etwas gewulsteten Rändern. Der Riss betrifft nur die Schleimhaut. Leber blutleer, etwas vergrößert. Ränder abgestumpft. Farbe gelblichweiß. OberÜäche granuliert. Konsistenz: außerordentlich derb und fest. Seröser Ueberzug leicht getrübt, matt glänzend. Portaldrtisen leicht geschwollen, etwas durchfeuchtet. Beim Einschneiden setzt das Lebergewebe dem Messer starken Widerstand entgegen und knirscht. Schnittfläche hellgelb, stark granuliert. Interstitielles Bindegewebe sehr stark entwickelt. Milz und Nieren ohne Sonderheiten. Lunge bis auf den linken Vorderlappen, der an seiner Spitze Hepatisation aufweist, normal. Herzmuskel parenchymatös ge- trübt; Klappenapparat normal. Maulhöhle, Kehlkopf und Trachea normal. Gehirn anämisch, ohne Sonderheiten (kein Hydrops ventriculorum). Gehirn- häute desgleichen. 1) Mensch. Prettner stellte an sich selbst fest, dass hochvirulentes Material, auf kleine Schürfwunden und auf skarifizierte Hautstellen eingerieben, nicht infiziert. m) Schwein. Hochempfänglich für die experimentelle Infektion mit dem Bacillus suisepticus ist das Schwein. Von den verschiedeneu Forschern sind zahlreiche Versuche mit Schweinen angestellt worden, die sehr wertvolle Ergebnisse geliefert haben. Kutane Infektion. Prettner versuchte zwei Schweine von Haut- wunden aus zu infizieren, indem er das eine am Bauche, das andere am Rüssel skarifizierte und sehr virulentes Bakterienmaterial an den betretfenden Stellen gründlich einrieb. In beiden Fällen wurde eine Infektion nicht erreicht. Die kleinen AVunden verheilten in kurzer Zeit. Das eine Schwein wurde nach zwei Wochen mit einer Kultur aus dem- selben Material, welches zur kutanen Infektion benutzt worden war, intraperitoneal geimpft; es erlag der Infektion in 14 Stunden. Weitere Versuche über die Infektion von der verletzten Haut aus liegen nicht vor. Die beiden einwandsfrei durchgeführten Pre iTNERSclien Experimente beweisen, dass das Schwein auf kutanem Wege nicht — oder jedenfalls sehr schwer — zu infizieren ist. Sul)kutane Infektion. Dieser Infektionsmodus tötet Schweine fast stets. Xur bei sehr wenig virulentem Material kommt es lediglich zu einer leichten Erkrankung, der das Tier aber nicht erliegt. Bei Schweineseuche nnd Schweinepest. 601 letalem Ausgang der Versuche können wir zwei verscliiedene Krank- heit stypen unterscheiden, deren Zustandekommen hauptsächlich von dem Virulenzgrad des verwendeten Infektionsmaterials, in zweiter Linie aber auch wohl von der Widerstandsfähigkeit der Versuchstiere abhängt. 1. Bei sehr virulenten Bakterien und bei hoch empfänglichen Schweinen ist der Kraukheitsverlauf ein sehr kurzer. In 12 bis 21 Stunden entwickelt sich eine starke, ausgebreitete, meist blaurot gefärbte Anschwellung an der Impfstelle und deren Umgebung. Gleich- zeitig ist das Allgemeinbefinden stark gestört. Die Tiere fressen nicht, zeigen beschleunigte Atmung und Temperaturen bis zu 41,7° und 41,9°. Der Tod tritt in 22— 48— 60 Stunden ein. Sektionsbef und (nach Schütz): Haut, Subcutis und Muskeln sind an der Impfstelle und deren Um- gebung in ausgedehntem Maße mit einer rötlichen, trüben, zum Teil hämorrhagischen Flüssigkeit durchtränkt. Die benachbarten Lymph- drüsen geschwollen und fleckig gerötet. In der Bauchhöhle eine geringe Menge trüben, gelblichen Transsudates. Magen- und Darmschleimhaut getrübt und stellenweise gerötet. Milz etwas geschwollen. (In einem Falle mit hämorrhagisch-splenitischen Herden durchsetzt.) Leber ver- größert, ziemlich fest, parenchymatös getrübt. Nieren ebenfalls parenchy- matös getrübt. Lungen stark durchfeuchtet, in einem Falle einige kleine »blutige Herde« aufweisend. Die ödematöse Flüssigkeit der Subcutis, das Transsudat der Bauchhöhle, das Blut und die inneren Organe ent- halten zahlreiche Schweineseuchebakterien. Dieser Krankheitstypus wurde von Schütz, Löfflek und Prettner beobachtet. 2. Bei minder virulentem Bakterienmaterial und bei wider- standsfähigeren Schweinen verläuft die Impfkrankheit langsamer, und es finden sich dann stets schwerere Organveränderungen in der Lunge bezw. in der Leber. Die Tiere zeigen auch hier die starke Keaktion an der Impfstelle und deren Umgebung und gehen in 7 — 26 Tagen (selten in noch längerer Zeit) zu Gnmde. — Bei den von Preisz und KarliSski beschriebenen Versuchen fanden sich bei der Sektion meist rötlich-trübes Exsudat in den Pleurahöhlen, sowie zarte, fibrinöse Auflagerungen auf einem Teil der Lunge und dem Perikard (Preisz). Ferner partielle Hepatisation der Lungen und Bildung von käsig -nekrotischen Herden und Kavernen. Die Milz war etwas vergrößert. Ueber Leberveränderungen berichten die genannten beiden Autoren nichts. Die Leberveränderungen bildeten indessen das hervorstechendste Moment bei allen von Salmox subkutan mit dem Bacillus suisepticus geimpften Schweinen. Abgesehen von der bekannten Lokalreaktion an der Impfstelle und den übrigen Allgemeinsymptomen, zeigten die Sal- MONSchen Versuchsschweine stets Augenalt'ektionen. Bei einem Tier traten ferner am Tage vor dem Tode Dummkollererscheinungen auf. Die Sektion ergab stets : Schwellung und Infiltration der Impfstelle und deren Umgebung. Allgemeiner Icterus. Leber kontrahiert, blutleer, sehr fest, von gelblich -rötlicher Farbe. Beim Einschneiden empfindet die Hand ein sandiges Gefühl. Darmkanal normal. Ueber den Befund an den Lungen giebt Salmox in der Mehrzahl der Fälle nichts an. In einem Falle waren die Lungen hypostatisch. Während im Infiltrat an der Infektionsstelle reichlich Bakterien gefunden wurden, verlief die bakteriologische Untersuchung des Blutes, der Milz und der Leber in allen Fällen negativ. Die Infektion mit Schweineseuchebakterien führt somit, wie Salmox resümiert, bei Schweinen zu einer akuten Leber- 602 E. Joest, eutzüudimg-, welche Lebercirrhose und allgemeinen Icterus im Ge- folge hat. »We must provisioually accept the theoiy that tlie injected microbes exert their patbogenic power cbiefly upon tbe liver. Perbaps tbe germs are depo- sited tbere by tbe blood current and cause an acute inflammatory byperplasia of tbe inteiiobular tissue. In contracting, tbe portal vessels and bUe ducts are compressed so as to become impervious. Tbis produces a venous con- gestion of the abdominal organs, wbicb pour their blood into the portal veiu, and a generalized Icterus, caused perbaps by tbe retention of the bile elements in tbe blood, as well as their reabsorptiou from the liver. Meanwbile the bacteria tbemselves are destroyed in tbe tissues, so that at tbe death of the animal none cau be found even by means of the most delicate metbods of cultivation. « Aus der verschiedeneu Dauer der Impfkrankheit lässt sich schon entnehmen, dass, wie bereits bemerkt, Unterschiede in der Virulenz der Bakterien oder verschiedene Empfänglichkeit des verwendeten Schweine- materials, wahrscheinlich aber beides, eine Eolle spielen müssen. Be- züglich der SALMONSchen Swineplague-Bazilleu giebt auch Afaxassieff an, dass »sie sich ihrer Virulenz nach den abgeschwächten Kulturen der deutschen Schweineseuche nähern«. Bei dem raschen Krankheitsverlauf in den ScHÜrzschen und LöFFLERSchen Fällen konnte es natürlich nicht zu schweren Organveränderungeu kommen. Angedeutet finden sich aber auch in diesen Fällen schon Lungen- und Leberveränderungen. Die Differenz der Sektionsbefunde der ungarischen Autoren und des ameri- kanischen Forschers lässt sich bei der nur auszugsweiseu Wiedergabe der Sektiousprotokolle in den betreffenden Arbeiten nicht aufklären. Jedenfalls zeigen die Befunde in der Lunge bei den Versuchsschweinen von Preisz und KarliSski, dass der Bacillus suisepticus auch auf dem Wege der Blutbahn eine der spontanen Schweineseuche ähnliche Pleuro- pneumonie zu erzeugen vermag. lutravenöse Infektion. Smith injizierte zwei Schweinen 5 bezw. 1 ccm Bouillonkultur des Bacillus suisepticus intravenös. — Das eine da- von starb in 16 Stunden. Sektionsbefund: Rötung der Haut, Lungen- ödem, beginnende Peritonitis, hämorrhagische Beschaffenheit der Kieren und Kongestion der Magenschleimhaut. — Das zweite Schwein ging in vier Tagen ein. Sektionsbefund: Extensive doppelte Pleuritis, Pericar- ditis, Konsolidation eines kleinen Teiles der linken Lunge, zahlreiche Abszesse in den Nieren. Intraperitoneale Infektion. lutraperitoneal geimpfte SchAveine sterben bei Verwendung virulenten Materials, wie Preitner sowie Salmon & Smith fanden, in 9 — 14 Stunden. Bei der Sektion findet man in der Bauchhöhle eine mäßige Menge hämorrhagisch - serösen Exsudates und fibrinöse Peritonealbeläge. Därme stark mit Bhit über- füllt. In dem Peritonealexsudat lässt sich stets eine große Menge typischer, bipolarer Bakterien nachweisen. Das Exsudat ist außer- ordentlich virulent. Prettner hält es für »das infektiöseste Material«. Im Falle von Salmon & Smith bestand auch eine exsudative Pleuritis und Pericarditis. Intraintestiiiale Infektion und Fütternng. Durch diese In- fektiousmodi lassen sich Schweine mit dem Bacillus sui- septicus nicht krank machen (Schütz, Raccuglia, Salmox, Preisz, Schweineseuche und Schweinepest. 603 Welch & Clement, KarliSsiki, Puettner). Lignieres gelaug- es einmal, ein Schwein durch Fütterimg- imd ein nachfolgendes Erkältungs- bad zu infizieren. lutrapleurale Infektion. KarllSski vermochte auf diesem Wege ein Schwein in zwei Tagen septikämisch zu töten. Bei der Obduktion fand sich ein serös-blutiger Erguss in der betretfenden Pleurahöhle; sonst keine Veränderungen. In dem Erguss und im Blute massenhaft Schweine- seuchebakterien. Bei dem von Schreiber angestellten Versuch mit intrapleuraler In- fektion war der Verlauf folgender: Das geimpfte Ferkel versagte nach der Impfung zwei Tage lang das Futter, zeigte andauernd hohe Tem- peratur (bis 41,5], magerte zusehends ab und hustete vom dritten Tage alj. »Zum Skelett abgemagert, verendete es genau 8 Tage nach der Impfung«. Die Sektion ergab: »Lungen in ihrer ganzen Ausdehnung mit den Rippen und Herzbeutel total verwachsen und mit einer ca. 4 mm dicken, gelbsulzigen, eitrig -käsigen SchAvarte bedeckt, ebenso der Herzbeutel. Unter der Serosa befinden sich zahlreiche punktförmige Bhitungen. Lungenparenchym durchaus normal. Sämt- liche Körperlymphdrüsen sind geschwollen, die bronchialen und mediastinalen mit braunroten Blutflecken durchsetzt. Sonst keine Veränderungen. Aus den subpleuralen Blutungen und den Lymphdrüsen ergaben sich Reinkulturen des Bac. suisepticus. « Diese beiden Versuche zeigen, dass ein Uebergreifen der experimen- tellen Erkrankung der Pleura auf die Lunge nicht stattfindet. Von Interesse in dem ScHREiBEßschen Falle ist die Schwellung sämtlicher Körperlymphdrüsen, die auch bei spontaner Seuche nicht selten be- obachtet wird. Intrapulmonale, intratracheale Infektion und Inhalation. Den ersten und sehr genau beschriebeneu Versuch mit intrapulmonaler In- fektion nahm Schütz vor. Derselbe injizierte einem älteren Schwein in jede Lunge eine Spritze voll Bouillonkultur. Bereits am nächsten Tage war das Tier schwer krank. Die Atmung war beschleunigt und schmerzhaft. Temperatur 41,3°. Am zweiten Tage nach der Injektion war das Tier sehr schwach, die Erscheinungen seitens der Lunge er- schienen verstärkt. Temperatur 41,4°. Der Exitus erfolgte etwa sechzig Stunden post infectionem. Die Obduktion ergab im wesentlichen folgendes (nach Schütz): An den abhängigsten Stellen des Rumpfes sowie an den Extremitäten war die Haut rot gesprenkelt und zum Teil diffus bläulichrot verfärbt. Die Magen- und Darmschleimhaut graurot, trübe, stellenweise etwas geschwollen. Leber leicht getrübt. In beiden Pleurasäcken dunkelrote bezw. gelbe, trübe Flüssig- keit mit Fibrinflocken durchmischt. An den Einstichstellen war die Lunge durch einen fibrinösen Belag mit der Rippenwand verklebt. Leichte Ver- klebungen waren auch zwischen einzelnen Lungenlappen sowie teilweise zwi- schen Lunge und Herzbeutel vorhanden. Die Pleura war überall gerötet, trübe und glanzlos. Im Herzbeutel trübe, gelbliche Flüssigkeit. Herz und äußeres Herzbeutelblatt mit einer starken Fibrinschicht überzogen. Herzmuskel grau und trübe. Beide Lungen luftleer, teils dunkelrot, teils graurot. Eine graurote, derbe, matte Partie an der Einstichstelle der rechten Lunge. In der buken Lunge fand sich zentral in der Höhe der Eiustichstelle »ein wallnuss- großer, derber, scharf umgrenzter Herd, von derselben Beschaffenheit wie die 604 E. Joest, graue Partie der rechten Lunge Nekrose); um ihn befand sich eine schmale Zone von frisch hepatisiertem Lungengewebe«. Bronchiale und mediastinale Lymphdrüsen vergrößert, graurot. In den Exsudaten und in den nekrotischen Lung-enpartieen ließen sich sehr zahlreiche Schweiueseuchebakterien in Reinkultur nachweisen. Zahlreiche Bakterien waren auch in den Bronchien und der Trachea zu finden. Weniger zahlreiche Bakterien in den Nieren, der Milz und der Leber. AVenig- Bakterien im Blute. — Weitere Versuche intrapulmonaler Infektion haben Fiedeler & Bleisch sowie Salmox & Smith mitgeteilt. Ein Schwein erhielt im Falle von Fiedeler & Bleisch den dritten Teil einer Pravazspritze Bouillonkultur des Schweineseuchebacillus mittelst Einstich durch einen Zwischenrippenraum in die rechte Lunge injiziert. Das Schwein war zehn Stunden nach der Impfung tot. Die Sektion ergab folgendes: ». . . Keine abnormen Hautfärbungen, um die Einstichstelle frische ent- zündliche Auflagerungen am serösen Rippen- und Lungenüberzuge, blutiges Exsudat in der Brusthöhle und im Herzbeutel, die rechte Lunge fast durchweg, die linke inselförmig, graurot hepatisiert. Milzschwellung, geringe Schwellung der braunroten Leber; Magenschleimhaut nur auf der Höhe der Falten gerötet, Dickdarm mit breiigem Inhalt gefüllt, nicht verändert. — In dem flüssigen I^xsudat der Brusthöhle sowie in den entzündlichen Auflagerungen der Pleura unendlich viele unserer ovoiden Bakterien, weniger in den übrigen inneren Organen. « Ein von Salmon 8z: Smith intrapulmonal (rechte Lunge) infiziertes Schwein starb in 60 Stunden. »Double exsudative pleuritis and pericarditis. Right lung almost entirely necrosed; the left has a typical pneumouia in principal lobe. Inten se catarrhal inflammation of the stomach. « Die intrapulmonale Injektion der Schweineseuchebak- terien hat somit primär eine Pneumonie mit mortifizierendem Charakter und eine ausgebreitete sero-f ibrinöse Pleuritis, sowie sekundär eine von der Lunge ausgehende Infektion des Blutes und der übrigen Organe zur Folge. Die Diiferenzen in den Sektiunsbefundeu von Schütz sowie Salmon & Smith einerseits und Fiedeler c^ Bleisch andererseits erklären sich ohne weiteres aus der verschiedenen Dauer der Impfkrankheit (in ersteren Fällen 60, in demjenigen von Fiedeler c^ Bleisch 10 Stunden). In letzterem Falle konnte der nekrotisierende Prozess in der erkrankten Lunge noch nicht in die Erscheinung treten, weil die Zeit zu seiner Ausbildung fehlte. Ein Versuch mit intratrachealer Einverleibung der Bakterien liegt von Karlinski vor. Es wurde einem jungen tracheotomierteu Läuferschwein mittelst Zerstäubens durch die eingeführte Kanüle 1 ccm einer Schweineseuchekultur in die Lunge gebracht. Dieser Versuch kommt in seiner Anordnung somit einem Inhalationsversnch nahe. Das Tier starb am fünften Tage. Die Sektion ergab folgendes: »Die Schleimhaut der Luftröhre und der größeren Bronchien war auf- gelockert und mit zahlreichen Blutextravasaten bedeckt. Die vorderen Partieen beider Lungen fühlten sich dicht an, waren luftleer, dunkelrot gefärbt, zeigten an der Schnittfläche zahlreiche, mohngroße, graue Flecke. Aus dem von der Schnittfläche abgeschabten Safte, wie auch aus dem Herzblute, ließen sich die Schweiueseuchebakterien in Reinkultur srewinnen. « Schweineseuche und Schweinepest. 605 Versuclie mit intratrachealer Infektion bei Schweinen werden auch von Welch & Clement angeführt. Die Injektion hatte zur Folge: »Exquisite characteristic pneumonia with neerosis, associated with fi))rinous pleurisy, so- metimes with pericarditis«. Von besonderer Wichtigkeit ist der ScHÜTZSche Inhala- tionsversuch. Ein drei Monate altes Schwein inhalierte in einem Kasten an zwei aufeinanderfolg-enden Tagen (4. und 5. Februar) zer- stäubte virulente Bouilloukulturen des Schweineseuchebacillus während jeweils mehrerer Stunden. »Am 7. Februar erkrankte das Schwein, es atmete beschleunigt und an- gestrengt, hustete zeitweise, fraß nicht und lag meist auf der Brust. Beim Berühren schrie es nicht. Am 8. Februar atmete das Tier 40 mal in der Minute, stöhnte bei jeder Exspiration und zeigte geringe Fresslust. Es stand, wenn es zum Aufstehen veranlasst wurde, mit gekrümmtem ßücken ruhig im Stalle. Vom 9. — 11. Februar dieselben Erscheinungen. Das Tier war auf- fallend mager geworden und zum Aufstehen schwer zu bewegen. In den nächsten Tagen nahm die Schwäche noch mehr zu, und am 14. Februar wurde das Schwein, weil äußere Gründe eine weitere Haltung desselben nicht mehr gestatteten, getötet. — Die Obduktion ergab eine multiple morti- fizierende Pneumonie. In den erkrankten Lungenteilen wurden große Mengen der ovalen Bakterien gefunden. Nach der Aussaat von kleinen Lungeuteilen in Fleischwasserpeptongelatine wuchsen üppige Kulturen der Bakterien. « Sowohl in dem vorbeschriebenen KAKLiSsKischen Falle, wie auch in dem ScHÜrzschen Inhalationsversuch hatten die auf natürlichem Wege in die Lungen des Schweines gebrachten Schweineseuchebakterieu eine multiple mortifizierende Pneumonie bedingt, die sich in nichts von dem natürlich acquirierten gleichen Prozesse bei der Schweineseuche unterschied. n) Allgemeines zu dem pathogenen Verhalten des Bacillus suisepticus bei experimenteller Infektion. Aus dem Ergebnis der vorbeschriebenen Tierversuche lassen sich einige allgemeine Schlüsse ziehen, auf die hier kurz eingegangen werden soll. Entzündungserregende und uekrotisiereude Wirkung des Ba- cillus suisepticus. Die Infektion mit dem Bacillus suisepticus, sofern derselbe in die Kontinuität des Gewebes oder auf zarte und resorp- tionsfähige Oberflächenbekleidungen (seröse Häute, Alveolarepithel der Lungen] gebracht wird, ist bei allen empfänglichen Tieren stets von einer mehr oder weniger heftigen Lokalreaktion an der Infektions- stelle begleitet. Bei subkutaner Inokulation des Virus finden wir stets ein ausgebreitetes entzündliches Oedem an der Impfstelle und deren Umgebung, welches vielfach einen hämorrhagischen und, bei protrahiertem Verlauf der Impfkrankheit, einen eiterigen Charakter ])esitzt und massenhaft die Schweineseuchebakterieu enthält. Nach Raccuglia be- ginnt die Lokalreaktion »mit einer einftichen ödematösen Durchtränkung des Unterhaut- und Muskelgewebes im Umfange der Impfstelle und schreitet bis zur eiterigen oder hämorrhagisch -eiterigen Infiltration derselben, zu einer eiterigen Lymphangitis fort und endet schließlich 606 E. Joest, iu der Bildung gelber, uekrotisclier Infiltrationsherde«. Die Lokalreak- tion wird nurbei sehr rapidem Krankheitsverlauf manchmal vermisst. — Die Wirkung des Schweiueseuchebacillus auf die serösen Häute und die Lungeualveolen ist eine ähnliche. Der Prozess beginnt mit Hyperämie. Infolge "der alterierenden Einwirkung der Bakterien auf die Gefäßwände kommt es zum Austritt sowohl von Blutplasma, als auch von zelligeu Blut- elementen, Erfolgt der Austritt von zelligen Elementen nicht iu größerem Umfange oder überwiegt die Menge des ausgetretenen Blutplasmas erheb- lich, so besitzt das entstehende Exsudat später einen mehr serösen Cha- rakter. Es werden infolge der Anwesenheit des im Blutplasma vorhan- denen Fibrinogens und der von den mitausgewanderten Leukocyten ge- lieferten fibrinoplastischen Substanz und des Fibrinfermentes mehr oder weniger umfangreiche Fibrinausscheidungen statthaben, die das Exsudat trüben und es llockig erscheinen lassen. Ist gleichzeitig mit dem Plasma- austritt die Extravasation von sehr zahlreichen Leukocyten erfolgt, so tritt eine rasche und massenhafte Fibrinabscheidung ein. In den serösen Höhlen entstehen so die sero-fibrinösen und fibrinösen Exsudate. — In der Lunge bildet sich so unter der Einwirkung des Schweine- seucheerregers ein Lungenödem aus, dem dann infolge der massenhaften zelligen Emigration eine krupöse Pneumonie folgt, deren Bild je nach der Menge der mitausgewanderten Erythrocyten und dem Stadium des Pro- zesses ein verschiedenes ist (rote und graue Hepatisation). Des wei- teren kommt es dann in den pneumonischen Herden während der ständig- fortschreitenden Vermehrung der Bakterien unter deren Einwirkung zum Absterben einzelner infiltrierter Luugenpartieen (multiple mortifizie- rende Pneumonie). Die entzündungserregende Eigenschaft, welche dem Schweineseuche- bacillus somit zuzusprechen ist, ist als eine Gift Wirkung aufzufassen. Wie weiter oben ausgeführt, scheidet der Bacillus suisepticus kein lösliches Gift ab, sein Gift ist ein iutracelluläres, welches erst bei der Auf- lösung der Bakterienzelle freiwird. Gleichzeitig neben der Vermehrung der Schweineseuchebakterien im infizierten Gewebe geht eine Auflösung eines Teiles derselben infolge der baktericiden Einwirkung der Körpersäfte einher. Das hierbei freiwerdende Gift ist es, Avelches die entzün- dungserregende Wirkung des Bacillus suisepticus bedingt. *) Die entzündungserregende Eigenschaft verbleibt den Schweineseuche- bakterien auch, wenn sie künstlich abgescliwächt werden. So konsta- tierten CoRNiL & Chantemesse, dass durch längere Züchtung bei 43° abgeschwächte Schweineseuchebakterien Kaninchen meist nicht mehr töteten, sondern lediglich an der Impfstelle einen käsigen Abszess be- dingten. Diese Beobachtung steht in Einklang mit der Feststellung von VoGES, dass die Toxizität abgetöteter Schweineseuchebakterien von ihrer Virulenz unabhängig ist. Allgemeininfektion. Die primäre Lokalerkrankung au der Impf- stelle, die stets mit einer massenhaften Vermehrung der Bakterien da- selbst einhergeht, führt bei der Verimpfung von genügend virulentem * ScHKEiBER unterscheidet neuerdings Zelltoxine und »in Wechselwirkung mit dem Kürpergewebe gebildete Giftstoffe« de? Bacillus suisepticus. Was Schreiber damit sagen will, ist unverständlich. Gewiss bildet der Bacillus suisepticus »in AVechselwirkung mit dem Kürpergewebo« Toxine, aber das sind doch, wie aus obigem hervorgeht, eben seine intracellalären Toxine. Andere Giftstoffe des Ba- cillus suisepticus sind nicht bekannt. Schweineseuclie und Schweinepest. 607 Bakterieumaterial sekimdär zu einer Allg'emeiniufektioii, zu einer Septikümie. Der Uebertritt der Bakterien von der Impfstelle in die Säftemasse des Körpers erfolgt durch Resorption seitens der Lymph- gefäße. Diese führen die aufgenommenen Keime den regionären Lymph- drüsen zu, welche das Virus vorläufig festhalten. Deshalb finden wir stets schwere entzündliche Veränderungen an den der Lnpfstelle be- nachbarten Lymphdrüsen. Hier setzen die Bakterien ihre Verinehrung fort und gelangen, sobald sie das Drüsengewebe ganz durchwachsen haben, nun in den Kreislauf Die ins Blut eingetretenen Keime werden zunächst zum Teil in den Kapillarsystemen der großen drüsigen Organe, besonders der Milz, zurückgehalten. Auch diese Organe werden von den sich rapid vermehrenden Bakterien durchwachsen, womit dieselben in den ganzen Kreislauf gelangen, und jetzt beginnt die Vermehrung in allen Teilen desselben, womit der Höhepunkt der Septikämie erreicht ist. Die schnelle tödliche Wirkung der Allgemeininfektion mit Schweineseuche- bakterien ist in erster Linie auf eine Giftwirkuug derselben zurückzu- führen. Wie weiter oben auseinandergesetzt, wird das Gift des Bacil- lus suisepticus erst frei bei einer Auflösung der Bakterienzelle. Eine solche Auflösung eines Teiles der Bakterien im Blute und den Körper- säften überhaupt findet aber, wie man durch mikroskopische Unter- suchung feststellen kann, im Verlaufe der Septikämie stets statt. Da die baktericiden Kräfte der Säfte bald aufgebraucht sind, so setzt im Endstadium der Septikämie noch einmal eine massenhafte Vermehrung der Bakterien ein, die nach dem Tode noch fortdauert (postmortale Vermehrung des Schweineseucheerregers). Entsprechend diesem Verlauf der Allgemein Infektion finden wir die Bakterien im Blute und in allen Organen, besonders aber in der Milz. Sie sind besonders zahlreich, wenn das Versuchstier nach dem Tode unter günstigen Temperaturver- hältnissen noch eine Zeit lang gelegen hat. Die Zahl der vorhandenen Bakterien steht, abgesehen von einer eventuellen postmortalen Vermeh- rung, im allgemeinen im umgekehrten Verhältnis zur Krankheitsdauer, i. e. der relativen Resistenz des Organismus. Die pathologisch-anatomischen Erscheinungen bei den Versuchstieren entsprechen der schweren Allgemeinerkrankung. Bei wenig virulentem, oder bei künstlich abgeschwächtem Bakterien- material kommt es nicht zu einer Allgemeinerkrankung, sondern der Krankheitsprozess bleibt anf die Impfstelle beschränkt, woselbst wir dann Infiltrate und käsige Abszesse vorfinden. Lunge und Leber. Eine besondere Prädisposition zur Erkrankung bei der Allgemeininfektion mit Schweineseuchebakterien besitzen nach dem Ergebnis der Tierversuche die Lunge und die Leber. Es ist hier nicht die primäre Erkrankung der Lunge nach intrapulmonaler Einver- leibung oder Inhalation des Infektionsstofi'es gemeint, sondern die Er- krankung der betr. Organe auf dem Blutwege. Ob die vorwiegende Erkrankung der Lunge und Leber auf eine elektive Wirkung des Schweineseuchevirus diesen Organen gegenüber zurückzuführen ist, ob Lunge und Leber somit »Prädilektionsorgane« für den Bacillus suisepticus darstellen, oder ob ihr Bau die Entwicklung der krankhaften Prozesse besonders begünstigt, lässt sich ohne weiteres mit Sicherheit nicht ent- scheiden; ich bin aber geneigt das erstere anzunehmen. Diese krank- haften Prozesse treten nur dann hervor, wenn das Versuchstier der Impfkrankheit nicht perakut erliegt, sondern wenn sich dieselbe in die Länge zieht. 608 E. Joest. Id der Luuge, besonders bei subkutan geimpften und nicht perakut gestorbenen Scbweiueu findet sich eine ähnliche nekrotisierende Pneu- nomie, wie wir sie bei der sporadischen Schweineseuche anzutrefi"en ge- wöhnt sind (Versuche von Preisz und KarliSski). Die Leber der bei gleicher Krankheitsdauer gestorbenen Schweine kann, wie die Versuche von Salmox lehren, eine typische Cirrhose mit mit konsekutivem allgemeinem Icterus aufweisen. Man könnte geneigt sein, die SALMOxschen Befunde für unwesentlich und zufällig zu halten, wenn nicht häufig bei mit Schweineseuchevirus chronisch vergifteten Pferden, wie ich zeigen konnte, genau das gleiche Krankheitsbild zu- stande käme. Es kann nach den Beobachtungen von Salmon beim Schwein und den meiuigen beim Pferde nicht zweifelhaft sein, dass das Schweineseuchevirus das Bild der Lebercirrhose erzeugen kann. Beim Pferde gewinnt der künstlich erzeugte Krankheitsprozess noch dadurch besonderes Interesse, dass bei diesem Tiere eine sehr ähnliche sporadische Krankheit auftritt. IV. Pathogenes Verhalten des Bacillus suisepticus bei natürlicher Infektion. a) Schwein. Bei der natürlichen Erkrankung des Schweines an Schweinseuche lassen sich zwei Hauptformen unterscheiden: 1. die septikämische Form, 2. die pektorale Form. Dem Verlauf nach giebt es eine perakute, eine akute und eine chronische Form der Schweineseuche. 1. Die septikämische Form dex' Schweineseuche. Der septikäraischeu Form gehörte der erste, von Löffler beschrie- ])ene Fall von Schweineseuche an. Löffler giebt von diesem Falle folgenden Sektionsbericht : »Die Haut am Bauche, an den Geschlechtsteilen und am Halse rötlich livide. Enormes Oedem der Haut am Halse, bis zwischen die Vorderbeine nach abwärts sich erstreckend. Pharynx gerötet und geschwollen. Kehlkopf- schleimhaut und Trachealschleimhaut intensiv dunkelrot. Lungen wenig ver- ändert, rechts einige Partieen dunkelrot, wenig lufthaltig. Am Herzen nichts Besonderes. Leber und Kieren parenchymatös getrübt. Magenschleimhaut intensiv rot, ebenso die Schleimhaut des Anfangsteiles des Zwölffingerdarmes. Darm im übrigen unverändert. Mesenterialdrüsen nicht vergrößert. Milz ziemlich groß, duukelblaurot, ziemlich derb.« In der ödematösen Halshaut, der Leber und den Nieren fand Löff- ler die von ihm zuerst beschriebenen Schweineseuchebakterien in Rein- kultur. Der von Löffler erhobene pathologisch-anatomische Befund kann im allgemeinen als typisch für die septikämische Form der Schweine- seuche gelten. Was noch hinzugefügt werden muss, ist das fast regel- mäßige Vorhandensein von Lungenödem und von mehr oder weniger ausgebreiteten Ekchvmosen an den serösen Häuten und am Herzen. Die Schweineseuche und Schweinepest. 609 Veräuderimg'cn au der Subcutis können fehlen, wenn die Eintrittspforte für da.s Virus niclit in der äußeren Haut geleg-eu war. In sehr seltenen Fällen können pathologische Veränderungen überhaupt fehlen, wie dies Preisz von einem intrauterin infizierten, totgeborenen Ferkel erwähnt. Die bakteriologische Untersuchung bei der septikämischen Form der Schweineseuche ergiebt das Vorhandensein des Bacillus suisepticus im Blute und in sämtlichen Organen. Der Verlauf der septikämischen Form der Schweiueseuche ist fast stets perakut. Der Begriff der perakuten Form der Schweineseuche deckt sich deshalb in den meisten Fällen mit dem der Schweineseuche- septikämie. Der Tod erfolgt fast stets innerhalb 24 Stunden. Pjithogenese. Bei der septikämischen Schweineseuche handelt es sich um eine Allgemeiniufektion, die von verschiedenen Stellen des Körpers aus eingeleitet werden kann. Vorbedingung für ihre Entstehung ist, dass das Virus Gelegenheit hat in die Blutbahn zu gelangen. In vielen Fällen dürfte die Infektiousstelle in der äußeren Haut gelegen sein. Wir wissen zwar durch die Versuche Prettxkrs, dass der Bacillus suisepticus von der skarifizierteu Cutis aus nicht infiziert; unter natürlichen Verhältnisse dürften indessen vielfach Verletzungen der Haut vorkommen, die ein Eindringen des Virus in die Subcutis gestatten. Von hier aus erfolgt dann fast regelmäßig, wie wir aus den experimentellen Infektionen wissen, eine Generalisierung der Krankheit. Auf eine Verletzung der äußeren Haut (etwa durch Peitschenhiebe, besonders aber durch Bisse anderer Tiere) ist auch der LöPFLERsche Fall, wie schon Schütz betonte, zu- rückzuführen. Dafür spricht schon der Befund »eines enormen Oedems« im LöFFLERSchen Falle, welches wir auch bei den experimentell auf sub- kutanem Wege infizierten Tieren finden. — Auch im übrigen weist der Sektionsbefund bei der septikämischen Form der Schweineseuche und der experimentellen subkutanen Infektion vielfache Analogieen auf. — Voges hat, von dem Löffler sehen Falle ausgehend, eine »kutane Form der Schweineseuche« aufgestellt. Wenn es sich in diesem Falle auch um »ku- tane« (besser wohl »subkutane«) Schweineseuche handelte, so ist damit noch nicht gesagt, dass die Schweineseucheseptikämie in jedem Falle von der äußeren Haut ausgehen muss; es ist vielmehr sehr wahrschein- lich, dass ein Teil der Septikämieen auf einem anderen Wege zustande kommt, über den Avir allerdings nur Vermutungen anstellen können. Sicher ist jedenfalls, dass die Fälle von Schweineseucheseptikämie, in welchen sich keine Veränderungen in der Subcutis finden, nicht auf »kutanem« (i. e. subkutanem) Wege entstanden sind; denn der Eintritt des Bacillus suisepticus durch dieses Atrium könnte bei seiner so ausge- prägten entzUndungserregenden Lokalwirkung nicht spurlos erfolgen. Die Voges sehe »kutane Form der Schweineseuche« ist somit nur ein Teil der septikämischen Form. Die Ansicht Jensens, dass die septikämische Form der Schweineseuche nichtzur eigentlichen Schweineseuche gehöre, sondern der Wildseuche zuzurechnen sei, ist nicht haltbar. Jensen führt alsBeweis für seine Ansicht an, dass »es nicht gelungen ist, mittelst der Pneumoniebakterie (der Bakterie der pektoralen Schweiueseuche] die eigentümliche Septikämieform hervorzurufen«. Solche Versuche im positiven Sinne lagen allerdings zur Zeit der zusammenfassenden Arbeit Jensens nicht vor, aber auch nicht im negativen Sinne, wie man aus den Worten Jensens vielleicht entnehmen könnte. — Bezüglich der Herkunft Handbuch der pathogeneu Mikroorganismen. HI. 39 610 E. Joest der Bakterien (mit Kücksicht auf die septikämische oder pektorale Form), mit welchen Schütz küustlieli durch subkutane Verimpfung bei Schwei- nen die Septikämieform erzeugen konnte, ist aus der Arbeit Schütz' Käheres niclit zu entnehmen. Ein Versuch Peettxers hat indessen später die vorstehend citierte Forderung Jensens erfüllt. Pkettner erzeugte mit Schweineseuchebakterien, die aus dem Lungensaft eines unzweifelhaft mit der pektoralen Form der Seuche behafteten Schweines stammten (»die Lunge war stark hepatisiert und au einigen Stellen waren schon kleine nekrotische Herde«), beim SchAveiu durch subkutane Einimpfung ein Krankheitsbild, welches der septikämischen Form ent- sprach. Besonders war auch hier das »enorme Oedem der Haut« von w^elchem Löffler spricht, vorhanden. — Gegen die jENSENSche An- sicht spricht auch der Umstand, dass die Septikämieform im Verlaufe von Epidemieen der pektoralen Form beobachtet wird, ohne dass eine An- steckung durch Wildseuche in Betracht kommen konnte. Im allgemeinen ist die Septikämieform der Schweineseuche, im Ver- gleich zur pektoralen Form, bei welcher die septikämischen Erschei- nungen in den Hintergrund treten, ziemlich selten. Es ist deshalb nicht zu empfehlen, die ganze Krankheit als »Schweine- septikämie« zu bezeichnen, wie es Preisz thut. Diese Bezeichnung ist auch ans Prioritätsgrtinden nicht berechtigt. Löffler nannte die von ihm be- obachtete septikämische Form »Schweineseuche oder Schweineseptikämie«. Schütz, dem Avir das erste genauere Studium der Seuche verdanken, beschrieb als erster die pektorale Form und nannte die ganze Krankheit »Schweineseuche«. 2. Die pektorale Form der Sehweineseuche. Die pektorale Form ist die gewöhnliche Erscheinungsform der typischen Schweineseuche. Dieselbe wurde von Schütz zuerst beschrieben. Die Erkrankung betrifft in der Hauptsache die Lunge, die Pleura und den Herzbeutel. Die pektorale Schweineseuche kommt, was ihren Verlauf anbelangt, in zwei Typen, akut und chronisch, vor. a) Die akute pektorale Schweine seuche. Pathologisch anatomischer Befund. Die Lunge ist der Sitz einer »multiplen mortifizierenden Pneumonie« (Schütz), die in ihrem Anfangsstadium im allgemeinen den Charakter einer krupös-hämorrha- gischen Bronchopneumonie trägt. Die Lungen sind in mehr oder minder großer Ausdehnung hepa- tisiert. Die SchnittÜäche der hepatisiertcn Partieen zeigt ein buntes Aus- sehen. Die einzelnen Lungeulobuli sind teils graurot teils dunkelrot und weisen in ihrem Innern matte, scharf begrenzte, rötlichgelbe oder fahlgelbe Stellen von mürber Beschaffenheit auf. Das interlobuläre Bindegewebe ist verbreitert und mit Flüssigkeit stark durchtränkt. Die nichthepatisierten Lungenteile finden sich vielfach im Zustande des Oedems und zeigen dunkelrote, derbe Stellen. Die Schleimhaut der Bronchien ist geschwollen, gerötet und mit schleimig-eiterigem Sekret bedeckt, welches die kleineren Bronchien häufig verstopft und sich pfropf ähnlich aus letzteren auf der Schnittfläche herausdrücken lässt. Die bronchialen und mediastinalen l^ymphdrüsen erscheinen vergrößert, stark durch- feuchtet und gerötet. Die Pleura ))efindet sich im Zustande einer serofibrinösen Ent- zündung. Die Pjrustfellsäcke enthalten eine mehr oder minder große Schweineseuche und Schweinepest. 611 Menge einer trüben, rötliehgelben Flüssigkeit, untermischt mit Fibrin- flocken. An den hepatisierten Lungenpartieen ist die Pleura rauh, glanzlos oder mit fibrinösen Auflagerungen bedeckt. Vielfach finden sich hier auch Verklebungen der Pleurablätter. Auch der Herzbeutel zeigt meist eine serofibrinöse Entzündung mit Ausscheidung einer trüben, rötliehgelben Flüssigkeit in den Herz- l)eutelraum und fibrinösen Auflagerungen und Verklebungen seines parie- talen und visceralen Blattes. Von den Veränderungen der übrigen Organe sind hervor- zuheben: Parenchymatöse Trübung der Leber, der Nieren und des Herz- muskels, sowie leichte Eeizungserscheinungen im Magen und Darm. (Eine schwerere charakteristische Erkrankung des Darmes fehlt).*) Ferner wird nicht selten eine partielle Lebercirrhose (Salmon) sowie Icterus und Schwellung sämtlicher Lymphdrüsen beobachtet. Ein Milztumor fehlt. In den hepatisierten Lungenpartieen lassen sich, wie schon ScutJTz angab, die Schweineseuchebakterien in großer Menge nachweisen. Sie finden sich ferner im Exsudat der Pleurasäcke und des Herzbeutels. In großer Menge sind sie auch in den bronchialen Lymphdrüsen vor- handen, wohingegen sie im Blute und den Organen der Bauchhöhle (wenn überhaupt) nur in geringer Zahl anzutreffen sind. Wie Schütz ferner beobachtete, sind die luhaltsmassen der Bronchien und der Trachea außerordentlich reich an Schweineseuchebakterien , was auch von Fiedeler & Bleisch bestätigt wurde. ) »• Entwicklung der Veränderungen, Die Erkrankung der Lunge beginnt meist mit einer Bronchiolitis, der sich Lungenhyperämie und Lungenödem zugesellen. Infolge der alterierenden Einwirkung der Schweineseuchebakterien auf die Gefäßwände kommt es oft zu mul- tiplen Hämorrhagieen und zur Bildung hämorrhagischer Infarkte. Es sind dies die erwähnten dunkelroten, derben Stellen im ödematösen Lungengewebe. Die eigentliche krupöse Pneumonie bei der Schweine- seuche kann nach Marek auf dreierlei Art entstehen. Sie kann her- vorgehen 1. aus der Bronchiolitis bezw. aus den durch diese be- dingten bronchopneumonischen Herden; 2. aus einem hämorrhagischen Lungeninfarkt ; 3. sie kann von vornherein als exquisit fibrinöse Ent- zündung auftreten. Die krupöse Pneumonie bedingt die Hepatisation der von ihr befallenen Lungenteile. Je nach der Entstehungsart und dem Stadium der krupösen Pneumonie in den einzelnen Lungenlobuli wechselt deren Bild: sie erscheinen bald graurot, bald dunkelrot neben- einander. Der toxischen Einwirkung der in den hepatisierten Lungenteilen massenhaft sich vermehrenden Schweineseuchebakterien ist es fast stets zuzuschreiben, dass es an verschiedenen Punkten der pneumonischen Partieen zur Nekrose kommt, die sich dadurch kennzeichnet, dass das Gewebe an der betr. Stelle ein mattes, gelbliches Aussehen annimmt. — ZscHOKKE sucht die Ursache der Nekrose in einer Zirkulationsstörung infolge zu praller Füllung der Alveolen mit extravasierten Bhitbestand- teilen. Diese Erklärung dürfte jedoch, wie bereits Marek hervorgehoben *^ Smith will zu den Veränderungen der Schweineseuche auch eine krupöse Dickdarmentziindung rechnen. Wie aber bereits Welch & Clement sowie Jensen hervorgehoben haben, müssen derartige Veränderungen der Schweinepest zu- gezählt werden. 39* 612 E- Joest) hat, Dur für eiueu kleiueu Teil der nekrotischen Herde zutreffen; sie lässt die weiter oben näher behandelte nekrotisierende Wirkung des Schweine- seuchevirus außer acht. — Die Nekrose beginnt in den ältesten Teilen der hepatisierten Lungenlobuli (denn diese waren ja der Einwirkung der Schweineseuchebakterien am längsten ausgesetzt), d. i. das Centrum derselben, die Umgebung der Eintrittsstellen der Bronchioli. Die Pneu- monie »ist hiernach als ein Multiplum von Krankheitsherden anzusehen, die nur dadurch, dass sie sich aneinanderfügen, den Eindruck der Ein- heit machen. Jeder gelbe Herd ist das Ergebnis einer lokalen Pneu- monie nnd hat seine selbständige Entstehung, folglich ist die ganze Lunge Sitz einer multiplen mortifizierenden Pneumonie« (Schütz). Die multiplen primären pneumonischen Herde bilden die Ausgangs- punkte eines Weiterwachstums, einer Weiterverbreitung der Bakterien und bedingen damit ein Fortschreiten des pneumonischen Prozesses in der Umgebung eines jeden primären Herdes. Durch ein Konfluieren der Herde und ihrer nekrotischen Zentren kommt es zu jenen, den größten Teil der Lungen kontinuierlich umfassenden schweren Verände- rungen mit großen nekrotischen Herden, wie wir sie bei subakut ver- laufenden Fällen häufig sehen. (Die nekrotisierende Einwirkung der Schweineseuchebakterien kann in solchen Fällen unterstützt werden durch andere, von außen eindringende Mikroorganismen mit nekrotisierenden Eigenschaften.) Diejenigen Primärherde, welche in der Nähe der Lungenoberfläche liegen, sind es, die durch Fortleitung des Entzündungsprozesses auf das Lungenfell die Pleuritis verursachen. Die Pleuritis steht somit, w4e Schürz hervorhebt, der durch graurote Hepatisation gekennzeichneten fortgeleiteten Entzündung im Innern der Lunge parallel. In subakuten Fällen bleibt es nicht bei der einfachen seroflbrinösen Entzündung; es werden im Gefolge umft\ugreicher fibrinöser Verklebungen Verwachsungen der Pleura1)lätter herbeig-eführt, die dann sogar ein Hinübergreifen der nekrotischen Prozesse auf die Interkostalmuskulatur gestatten (Joest). Die Pericarditis entsteht durch ein Uebergreifen der Entzündung (per contiguitatem) von der Pleura aus. Es giel)t auch Fälle, in welchen Pleuritis und Pericarditis die ein- zigen anatomischen Veränderungen der Schweineseuche bilden, in welchen also die Lunge intakt ist. Von der Pleura kann die Entzündung auch auf das Peritoneum übergreifen, so daß sich dann die Schweineseuche unter dem Bilde einer Erkrankung der serösen Häute repräsentiert (pektoral-abdominale Form nach Graffunder). Grafkunder unterscheidet (unter teilweiser Modifikation seiner ersten Abhandlung) als Hanptformeu der Schweineseuche, außer der pektoralen Form, noch eine »intestinale« und »exanthematische Form«. Die »intesti- nale Form« gehört nicht zur Schweineseuche, sondern zur Schweinepest. Die Aufstellung einer »exauthematischen Form« hat eine gewisse Be- rechtigung insofern, als bei Schweineseucheepidemieen nicht selten verschie- dene Erscheinungen seitens der äußeren Haut bei einzelnen Tieren l)eobachtet werden. Ausgang und Yerlauf. In weitaus den meisten Fällen tritt der Tod ein, noch bevor eine vollständige Zerstörung der Lunge stattge- funden hat. In nur wenigen Fällen vermag der Organismus so lange Widerstand zu leisten, dass an den erkrankten Brustorganen nach Ablauf der akut entzündlichen Prozesse sekundäre Veränderungen vor sich gehen Schweineseuche und Schweinepest. 613 können und in g-anz vereinzelten Fällen kommt es zur Genesung des betreifenden Individuums. Der Ausgang der Schweineseucliepneumonie bei länger- dauernder Erkrankung kann nach Marek ein vierfacher sein: 1. Es kommt zur Eesorption der Exsudatmassen und damit zur Restitutio ad integrum (selten). 2. Wenn die Nekrose ^iues Lungenteiles auf die Wand eines Bronchus übergreift und diese zerstört, so tritt der nekro- tische Herd in Kommunikation mit der Außenwelt, und es kommt infolge von Einwanderung fremder Bakterien zur Gangrän uud Kavernenbildung. 3. In der Peripherie des nekrotischen Herdes kann sich eine demarkierende Entzündung etablieren, welche zur Bildung eines Sequesters führt. 4. Es kommt zur teilweisen Induration oder Schrumpfung der Lungen. • — In den nicht akut zum Tode führenden Fällen von Schweineseuche nehmen die nekrotischen Herde eine trockene, käsige Beschafitenheit an. Der Ausgang der Pleuritis und Pericarditis bei länger- dauernder Krankheit ist meist eine mehr oder weniger umfangreiche VerwachsuDg der Pleurablätter und des Perikards mit dem Epikard. In seltenen Fällen wird eine gangränöse Pleuritis beobachtet, und zwar dann, wenn ein gangränöser Lungenherd nach dem Brustfellraum zu durchbricht. ß) Die chronische pektorale Schweineseuche. Der chronische Typus der pektoralen Schweineseuche ist zur Zeit in Deutschland der vorherrschende. Nach Ostertag*) hat sich der Charakter der Schweineseuche in Norddeutschland im Laufe der Jahre verändert: »Bis zur Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts trat die Schweineseuche so auf, wie sie von Schütz beschrieben worden ist, als eine akute Pneumonie, die häufig mit fibrinöser Pleuritis, fibrinöser Pericarditis und in Ausnahmefällen auch mit fibrinöser Peritonitis verbunden war. Seit Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zeigt sich die Schweineseuche vorwiegend als chronische Pneumonie .... Die Schweineseuche kann aber auch jetzt noch als akute Pneumonie mit Pleuritis und Pericarditis auf- treten. Dies ist dann der Fall, wenn die Seuche durch chronisch kranke Tiere in unverseuchte Bestände eingeschleppt wird, zuweilen auch wenn chro- nisch kranke Tiere den schädlichen Einfiüssen langer Transporte ausgesetzt sind. Die akute Form kann ferner neben der chronischen, namentlich bei jüngeren Tieren bestehen wie vor 10 Jahren.« In anderen mitteleuropäischen Ländern (z. B. Oesterreich und Ungarn) scheint jedoch auch heute noch die akute Form der pektoralen Schweine- seuche häufiger zu sein. Die chronische Schweineseuche, wie sie jetzt in Norddeutschland vor- herrscht, weicht in ihrem anatomischen Bilde etwas von dem der akuten Form ab. Wir finden seltener die typische »multiple mortifizierende Pneumonie« Schütz', sondern nach Grips**) eine »chronisch verlaufende Pneumonie, die sich durch eine graurote, schlaife Hepatisation mit feuchter, glatter Schnittfläche charakterisiert«. Das Auftreten von nekrotischen Herden ist dabei kein notwendiges Erfordernis. *) Ostertag, Zur Aetiologie der Schweineseuche. Deutsche tierärztl. Woch., 11. Jahrg., 1903. (Nachtrag bei der Korrektur.) **) Grips, W., Zur Aetiologie der Schweineseuche. Deutsche tierärztb Woch., 11. Jahrg., 1903. (Nachtrag bei der Korrektur.) 614 E. Joest, Der Versuch Grips", den von ihm entdeckten Bacillus pyogenes suis als Erreger dieser chronischen Form der pektoralen Schweineseuche zu prokla- mieren, hat bereits durch Ostertag eine treffende sachliche Zurückweisung erfahren. Das Studium der vorliegenden Monographie wird Grips des näheren darüber belehren, dass an der ätiologischen Bedeutung des Bacillus suisepticus nicht gerüttelt werden kann, , »^ /) Pathogenese der pektoralen S chweineseuche. Die Erkrankung der Liioge bei der Schweineseucbe kann eine pri- märe oder eine sekundäre sein. Die primäre Erkrankung der Lunge bildet die Regel, ihre sekundäre Erkrankung auf dem Blutvrege kommt selten vor, mit anderen Worten: Die Eintrittspforte für den Bacillus suisepticus in den Körper des Schweines liegt für gewöhnlich in der Lunge. Primäre Erkrankung der Lunge. Schon Schütz zeigte, dass nicht nur die direkte Injektion der Schweineseuchebakterien in das Luugen- gewebe, sondern auch die Inhalation von zerstäubten Kulturen eine mortifizierende Pneumonie bei Schweinen erzeugt, die in ihrem Bilde der natürlichen Krankheit entspricht. Schütz glaubt deshalb, dass die Lungen »den gewöhnlichen Angriffspunkt des Contagiums abgeben und dass von hier ausgehend die Bakterien sich im Körper verbreiten«. Das gleiche Ergebnis wie die ScHÜTZschen Versuche hatten die- jenigen von Karlinski sowie Welch & Clement mit intratrachealer Verstäubung bezw. intratrachealer Injektion von Schweineseuchekultur. Diese Versuche beweisen unzweideutig, dass eine Infektion des Schweines von der Lunge aus möglich ist. Die bakteriologische Untersuchung von Schweinen, die an der pekto- ralen Form der Schweineseuche zu Grunde gegangen sind, ergiebt, dass der Bacillus suisepticus sehr zahlreich in der erkrankten Lunge, in den bronchialen Lymphdrüsen und den Exsudaten der serösen Häute, spärlich dagegen im Blute und den übrigen Orgauen vorhanden ist. AVenn auch dies für eine Primärerkrankung der Lunge zu sprechen scheint, so möchte ich doch diesem Befunde keine besondere Beweiskraft beilegen, da, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, die Lunge ein Prädilektionsorgan für die Ansiedelung des Bacillus suisepticus ist. Den besten Beweis, dass die Schweineseucheerkrankung in der Mehr- zahl der Fälle von der Lunge ausgeht, liefern die Sektionsbefunde bei Schweinen, die im Anfaugsstadium der Erkrankung geschlachtet wurden. Solche Tiere zeigen sehr häufig die Schweineseuche- pneumonie mit den typischen Bakterien, ohne dass irgend welche Veränderungen in den übrigen Organen nachweisbar wären. Diesen Befund konnten Lorenz sowie Fiedeler & Bleisch in vielen Fällen erheben. Auch Joest konstatierte bei einem klinisch noch scheinbar gesunden, geschlachteten Ferkel aus einein verseuchten Bestände die beginnende Schweineseuchepneumonie, während er die übrigen Organe des Tieres gänzlich intakt fand. Zudem heben Fiedeleu & Bleiscii hervor, dass »immer der Bronchus den Mittelpunkt der hepatisierten Stelle bildete«. Endlich weist auch die rapide Aus- breitung der akuten Seuche in seither seuchefreien Beständen (ohne dass die Schweine verschiedener Buchten miteinander in Berührung kommen können] auf eine Infektion durch die Atmuugsluft hin (Walther). Schweineseuche und Schweinepest. 615 Die primäre Infektiou der Lunge kann sowohl dnrcli luluilation der Bakterien wie auch durch Aspiration von bakterienhaltigen Substanzen erfolgen. Die Inhalation der Bakterien setzt ein Zerstäuhtwerden der- selben voraus. Wir wissen, dass die Bakterien nicht nur an trockenem Staub haftend der Respirationsluft beigemischt werden können, sondern dass auch eine ausgiebige Verstäubung von Sputum in Form von feinsten Tröpfchen, die in der Luft einige Zeit schwebefähig bleiben, beim Husten erfolgt. Ist das Sputum bakterienhaltig, so wird jedes Tröpfchen, mit der Respirationsluft aufgenommen, der Vermittler einer Lungeninfektion werden können. Wie oben erwähnt, ist aber das Bronchial- und Tracheal- sekret schweineseuchekranker Schweine außerordentlich reich an Schw-eine- seuchebakterien, die bei den häufigen Hustenstößen in Massen verstäubt w^erden. Speziell die Tröpfcheninfektion dürfte bei der raschen Ver- breitung der Seuche in einem Bestände (ohne dass eine direkte Be- rührung der Tiere stattfindet) die Hauptrolle spielen. Wie der oben erwähnte Inhalationsversuch von Schütz zeigt, kann die Infektion mit Schweineseucbe bei intakter Lunge eintreten. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass das Vorhandensein krankkafter Veränderungen in den kleinsten Bronchien und im Lungenparenchym der Infektion besonders Vorschub leisten muss. Das Tracheal- und Bronchialsekret bietet, wie die Beobachtungen von Schütz sowie von Fiedeler & Bleisch lehren, den Schweiueseuchebakterien für ihre Vermehrung günstige Verhältnisse dar. Ka- tarrhalische Zustände der Bronchien werden deshalb die Infektion besonders begünstigen. Das Gleiche gilt von pneumonischen Veränderungen. Abgesehen von Erkältungskrankheiten der Respirationsorgane, ist es besonders der so häufige Parasitismus des Strongylus paradoxus in der Lunge des Schweines, der hier einen Locus minoris resistentiae schafft. Bereits Smith & Moore sowie v. Ratz wiesen auf die Bedeutung der Parasiten für die Schweineseucheinfektion hin. Nach Olt bedingt die An- wesenheit der Strongylideu in den kleinen Bronchien eine Anschoppung von Schleimmassen, welche die Luftzufuhr zu dem von dem betr. Bronchus ver- sorgten Luugenteil oft gänzlich aufheben. »Wenn in den verlegten Lungen- teilen durch Resorption der Luftgehalt nach und nach abnimmt, so steigert sich in gleichem Verhältnis bei der Inspiration der auf dem Bronchialpfropfe lastende Luftdruck. Die Folge ist, dass die Inhaltsmassen des Bronchus in der Richtung nach den Alveolen vorrücken, und Schleimmassen, verfettete Bronchialepithelien, ausgewanderte Zellen, sowie Eier und Embryonen der Würmer bis in die Infundibula uud Alveolen eindringen. Diese Exsudate und Fremdkörper genügen für das Zustandekommen einer Pneumonie der betroffenen Lungenläppchen . . . Durch die Strongylideu wird ein pneumonischer Herd geschaffen und damit in zweiter Linie ein geeigneter Boden für die Vegetation der pflanzlichen Parasiten«. Nach dem vorstehenden ist es ohne weiteres klar, welche Bedeutung der Parasitismus des Strongjdus paradoxus für die Schweineseucheinfektion haben kann. Die Aspiration von flüssigen Futterbestandteileu kommt bei gierigem Fressen der Schweine häufig vor. Die aspirierten Teile gelangen zwar im allgemeinen wohl kaum direkt bis in die Lunge, haben aber immerhin Gelegenheit mit dem Schleimbelag des Kehlkopfes und der Trachea in Berührung zu kommen und diesen, wenn sie bakterienhaltig sind, zu infizieren. Nach Fiedeler & Bleisch ist saure Milch ein guter Kährboden für den Bac.suisepticus. Die in den gemeinschaftlichen Futtertrögeu verbleibenden 616 E. Joest, säuernden Milelireste werden durch den während des Fressens von kranken Schweinen ausgehusteten Brouchialschleim infiziert. Die Schweineseuche- bakterien vermehren sich in ihnen und verwandeln so die saure Milch in ein äußerst infektiöses Material, das aspiriert, zur Erzeugung der Schweineseuchepneunionie Veranlassung geben kann. Fiedeler & Bleisch konstatierten auch experimentell die Gefährlichkeit infizierter saurer Milch. Sie injizierten einem Schwein saure Milch, welche Schweineseuche- bakterien enthielt, in die Trachea und spritzten gleichzeitig von derselben Milch dem Tiere in die Nase, so dass es sich verschluckte und stark hustete. Das Tier starb am 10. Tage. Bei der Sektion ergab sich eine multiple mortifizierende Pneumonie. Aus Versuchen von Preisz ist zu entnehmen, dass die Inkubations- dauer bei natürlicher Infektion mit Schweineseuche (pektorale Form) mindestens 5 Tage beträgt, dass von der Infektion bis zum Eintritt der ersten Todesfälle an pektoraler Seuche 14—20 Tage zu rechnen sind. Dem entsprechen auch etwa die in der Praxis gemachten Beobachtungen von Ulrich und Graffun der. Nach ersterem schwankt die Inkubations- zeit zwischen 5 und 15 Tagen, Graffunder berechnet dieselbe auf 5 bis 10 Tage. Sekundäre Erkrankung der Lunge. Die Lunge kann bei der Schweineseuche auch sekundär auf dem Blutwege erkranken. Diese Erkrankungsart findet sich indessen anscheinend sehr selten. Die Versuche von Preisz und KarliSski haben gezeigt, dass man durch subkutane Einverleibung des Bacillus suisepticus beim Schwein eine ähnliche nekrotisierende Pneumonie erzeugen kann, wie sie die natürliche pektorale Schweineseuche darbietet. In den meisten Fällen werden indessen die Schweine, die Gelegenheit haben, sich subkutan mit vollvirulenten Schweineseuchebakterieu zu infizieren, nicht die pekto- rale, sondern die septikämische Form der Schweineseuche acquirieren. Eine Infektion auf dem Blutwege (von der äußeren Haut aus) kann man mit Buch für die Fälle annehmen, in welchen lediglich eine Er- krankung der serösen Häute vorliegt, die Lungen aber intakt sind. Nach der Ansicht von Preisz erfolgt die Infektion des Schweines mit Schweineseuche in der Regel vom Verdauungskanal aus, und zwar bilden die Darmläsionen bei der Schweinepest die Eingangspforten für die Infektion mit dem Bacillus suisepticus, der dann auf dem Wege des Kreislaufes zu den Lungen gelangt und sich hauptsächlich in diesen ansiedelt. Dass der Bacillus suisepticus gelegentlich auch einmal vom Darme aus in den Organismus eindringen kann, insbesondere wenn bereits eine anderweitige Erkrankung des Intestinaltractus besteht, wird von nie- mand bezweifelt werden. Auch die Möglichkeit, dass auf diesem Wege, sofern es nicht zu einer Septikämie kommt, die pektorale Form der Schweineseuche entstehen kann, ist zuzugeben. Es muss aber ent- schieden bestritten werden, dass die Infektion vom Darme aus bei der Schweineseuche die Regel bildet. Wie die Fütterungsversuche und Vei'suche intraintestinaler Infektion von Schütz, Raccuglia, Salmon, KarliSski, Prettner, Welch & Cle- ment sowie auch Preisz ergaben, ist das gesunde Schwein der Infek- tion mit dem Bacillus suisepticus vom Verdauungstractus aus nicht zu- gänglich. Preisz sucht indessen die Eingangspforte für das Virus auch nicht im gesunden Darm, sondern im pathologisch veränderten Darm, Schweineseuche und Schweinepest. 617 und zwar in eleu Läsionen desselben bei der Schweinepest. Die Infektion des Schweines vom Darme aus hat zur Voraussetzung, dass der Schweineseuchebacillus »den Magen unbeschadet seiner Viru- lenz zu passieren vermag«. Das scheint thatsächlich, wenn auch nicht immer, unter besonderen Verhältnissen der Fall zu sein. Das häufige Vorkommen des Bacillus suisepticus im Darme von schweinepestkranken Schweinen*) und sein in einigen Fällen beobachtetes Nichtv^orkommen im Darme gesunder Schweine beweist nur, dass bei ersteren eine Ver- nichtung der Bakterien durch die Verdauungssäfte nicht stattfand, nicht aber dass die im Darm befindlichen Bakterien ihre Wirte wirklich vom Darme aus infizierten**); ebensowenig wie das Vor- kommen von virulenten »wilden« Schweineseuchebakterien auf der Schleimhaut der Nasen- und Rachenhöhle von Schweinen beweist, dass eine Infektion dieser Tiere von der Nasen- und Rachen Schleim- haut aus erfolgt. Den strikten Beweis, dass die oft im Darme schweinepestkranker Schweine vorhandenen Schweineseuchebakterien die Tiere von hier aus infizieren und die pektorale Form der Seuche erzeugen, bleibt Preisz schuldig. Dieser Beweis hätte nur dadurch erbracht werden können, dass Schweine, deren Nasen- und Rachensekret frei von schweineseucheähnlichen Bakterien befunden war, künstlich per os zunächst mit reiner Schweinepest und weiterhin durch die in den Magen eingeführte Schlundsonde mit Schweineseuche infiziert wurden. Dass zu einem solchen Versuche nur Schweine genommen werden, deren Nasen- und Rachensekret frei von »wilden« Schweineseuchekeimen ist, ist deshalb von großer Bedeutung, weil die etwa vorhandenen »Avilden« Keime bei dem durch die erzeugte Schweinepest seiner Widerstandskraft zum Teil beraubten Organismiis in die Bronchien und die Lunge eindringen und hier eine primäre Sclnveineseuchepneumonie erzeugen könnten. Die Benutzung der Schlundsonde zu der nachfolgenden Schweineseucheinfektion soll ans dem gleichen Grunde die etwaige Ansiedelung von Schweineseuchebakterien im Maul- und Rachenschleim verhüten. Wollte man, dem Vorgange von Preisz entsprechend, die Entstehung der Schweineseucheinfektion stets auf Pestläsionen im Darme zurück- führen, so müsste man konsequenterweise auch anderen Darnüäsiouen eine gleiche pathogenetische Bedeutung für die Schweineseuche beilegen. Als solche würden Entzündungszustände und Verletzungen durch Para-. siten besonders in Betracht kommen. Dass übrigens nicht nur die intakte, sondern auch die lädierte oder pathologisch veränderte Darmschleimhaut der Schweineseuche- infektion nicht so leicht zugänglich ist, zeigt ein Versuch Peettners. Derselbe fütterte vier junge Hunde, die für die (intraperitoneale) Infektion mit dem Bacillus suisepticus sehr empfänglich sind, drei Wochen lang mit schweineseuchebakterienhaltiger Milch, ohne dass die Tiere erkrankten, obwohl *) Das regelmäßige Vorkommen des Bacillus suisepticus im Darme schweine- pestkranker Schweine ist von Preisz nicht bewiesen worden. **) Da virulente Schweineseuchebakterien nicht selten auch bei gesunden Schweinen aus seuchefi'eien Beständen im Nasen- und Rachenschleim angetroffen werden (siehe weiter unten) und von hier aus unter besonderen Verhältnissen (Störung der Magenfunktion) auch in den Darm gelangen können , so ist die von Preisz erörterte Frage nach der Herkunft der im Darme der pestkranken Schweine gefundenen Seuchebakterien irrelevant. 618 E. Joest zwei von diesen Hunden überdies noch eine "Woche lang Glas- splitter verabreicht erhalten hatten. Bei der Sektion dieser bei- den Tiere wurde eine Enteritis festgestellt. Trotz der unzweifelhaft bestehenden Darmläsionen bei diesen empfänglichen Tieren kam es also nicht zu einer Infektion vom Darme aus. Endlich liefert das Vorkommen reiner Sehweineseucheepidemieen (siehe imter dem Abschnitt » Mischinfektion < dieses Kapitels) den end- giltigen Beweis, dass zum Zustandekommen der typischen Schweineseucheerkrankuug der Lunge Schweinepestläsioneu des Darmes durchaus nicht notwendige Vorbedingung sind. Für die Annahme einer Scliweineseucheinfektion vom Darme aus in dem Sinne, wie sie PßEisz verficht, liegt somit durchaus kein Grund vor. Wenn man die Momente, die für eine primäre Infektion der Lunge sprechen, vor allem auch den ScHÜrzschen Inhalations- V ersuch, gebührend würdigt (was Prkisz in seiner Arbeit nicht tbut), so muss mau vielmehr zu der Ueberzeugung gelangen, dass es sich bei der Schweineseuche in der Re£'el um eine primäre Infektion der Lunge handelt. b) Andere Tiere. Von verschiedenen Autoren wird über natürliche Uebertragung der Schweineseuche auf andere Tiere berichtet. Die meisten derartigen Mit- teilungen beziehen sich auf Wiederkäuer. Galtier studierte eine an verschiedeneu Orten herrschende, seither unbe- kannte Seuche der Schafe. Dieselbe bestand in einer Pneumoenteritis. Es wurde festgestellt, dass die Schafe mit schweineseuchekrauken Schweinen zusammen gewesen waren oder Weiden benutzt hatten, auf welchen die Kadaver schweineseuchekranker Schweine nachlässig verscharrt worden Avaren. Im einen Falle Avar ein Schwein erkrankt, während 55 Stück Hammel ein- gingen. Im anderen Falle erkrankten von 94 Schafen 73, und 45 von diesen verendeten. Durch Rückübertragung der Seuche von den Hammeln ließ sich bei Schweinen die Sclnveineseuche erzeugen. Der Nachweis der Bakterien wurde durch mikroskopische und kulturelle Untersuchung sowie durch Versuche an kleinen Tieren erbracht. Auch bei einem algerischen Schafe konstatierte Galtier die Schweineseuche. Aehnliche Beobachtungen wie Galtier machte Jefp'ries bei Schafen in Amerika. — Keleti beobachtete während des Herrschens der Schweineseuche unter den Lämmern desselben Gehöftes eine infektiöse Pleuropneumonie. Die Sektion ergab hochgradige Anämie, lobuläre Pneumonie mit punktförmigen Nekrosen, serotibrinöse Pleuritis und Pericarditis. (Der Befund entsprach somit vollständig der pektoralen Schweineseuche.) Die hepatisierten Lungenpartieen und der Bronchialschleim enthielten massenhaft, das Pleuraexsudat spärlicher, bipolar sich färbende Bakterien, die denen der Schweineseuche vollkommen glichen. Die Seuche hörte auf, nachdem die Lämmer in ein seuchefreies Gehöft gebracht worden waren. Das Vorkommen der Schweineseuche bei einem Ochsen beschreibt Gal- tier. Die Sektion ergab Hyperämie, beginnende Hepatisation und intra- lobuläres Oedem der Lunge, Ekcliymosen unter dem Endokard, fibrinöse Peritonitis, Hyperämie, markige Schwellung und punktförmige Blutungen in den Mesenterialdrüsen. — Alexander beobachtete, dass drei Kälber, welche mit verseuchten Schweinen auf der Weide gewesen waren, schwer erkrankten und in kurzer Zeit eingingen. In der Subcutis fanden sich neben ödematöser Scliweineseuche und Schweinepest. 619 Infiltration zahlreiche punktförmige Blutungen; die Lungen enthielten eine Anzahl thalergroße katarrhalische Herde. HuTYRA giebt an, dass Hunde während einer Schweineseucheepidemie massenhaft zu Grunde gingen, nachdem sie Fleisch von verendeten Schweinen gefressen hatten. Die Sektion ergab akute Magen- uud Darmentzündung. Derselbe Autor berichtet über ein Massensterben der Ratten Avährend des Herrschens der Schweineseuche. Die Frage, ob Geflügel von schweineseuchekrauken Schweinen angesteckt werden kann, findet sich in der Litteratur nicht mit Sicherheit beantwortet. Schreiber ist geneigt, eine Uebertragung der Seuche auf das Geflügel anzu- nehmen. — Umgekehrt beobachteten Stanc4 & Pferdorff eine Infektion von Schweinen mit Geflügelcholera. Wenn es auch in den meisten der vorstehend aufgeführten Fälle nicht als erwiesen g-elten kann, dass die beobachtete Krankheit wirklich durch den Bacillus suisepticus erzeugt wurde, so kann doch angenommen werden, dass die Schweineseuche unter besonderen, günstigen Bedingungen auf gewisse andere Tierspecies übertragbar ist. Diese Annahme erhält durch das Ergebnis der entsprechenden experimentellen Uebertragungen der Schweineseuche eine weitere Stütze. Der Mensch ist der Infektion mit dem Schweineseucheerreger nicht zugänglich. Wie Ostertag hervorhebt, ist vor der Entdeckung der spezifischen Natur der Schweineseuche das Fleisch der mit der nicht- septikämischen Form der Schweineseuche behafteten Tiere ausnahms- los genossen worden, ohne dass Schädigungen der menschlichen Ge- sundheit beobachtet wurden. Die von Ponchet und Zschokke beschrie- benen Fälle, in welchen das Fleisch schweineseuchekranker Schweine schädlich gewirkt haben soll, sind, wde Ostertag gezeigt hat, durchaus nicht einwandsfrei. Dasselbe dürfte für die von Lenket angeführten Fälle gelten. Deshalb ist die Forderung von Fiedeler & Bleisch, mit Rücksicht auf die eventuelle Gesundheitsschädlichkeit des Fleisches schweineseuchekranker Tiere diesen gegenüber die Fleischbeschau be- sonders vorsichtig zu handhaben, wie Ostertag betont, nicht gerecht- fertigt. V. Ueber das Vorkommen von Schweineseuche- bakterien bei gesunden Tieren. Smith, Moore, Baxg und KarliSski fanden, dass im Nasen- und Eachenschleim gesunder Schweine aus gesunden Beständen Bakterien vorkommen, die sich, abgesehen von ihrer geringen Virulenz, gar nicht oder nur wenig von echten Schweineseuchebakterien unterscheiden. Ueber die Häufigkeit des Vorkommens derartiger Bakterien bei ge- sunden Schweinen geben die von Karki.nski mitgeteilten Zahlen ein Beispiel. Dieser Forscher untersuchte in Bosnien im ganzen 214 Schweine aus Gegenden, in welchen weder Schweinesenche, noch Schweinepest herrschte, auf das Vorhandensein von Schweineseuchebakterien im Nasen- und Eachenschleim und fand dieselben in nur 27 Fällen nicht vor. Von den vorerwähnten anderen Autoren liegen genaue Angaben über die Häufigkeit dieses Befundes nicht vor. Jedenfalls ist anzu- nehmen, dass Schweineseuchebakterien oder schweineseuche- ähnliche Bakterien weitverbreitete Bewohner der Nasen- 620 E. Joest, und llacheuliülile gesunder Schweine sind. Smith wies dieselben Bakterien außerdem in den oberen Luftwegen der Katze, des Hundes, des Rindes und des Pferdes nach. Jensen fand dieselben in der Maulhöhle des Kalbes. KarliSski konnte das Vorkommen von Schweineseuchebakterien in den Luftwegen des Eindes, des Hundes und der Katze nicht bestätigen, er fand die Bakterien aber im Kote ge- sunder Enten und Hühner. Die Schweineseuchebakterien der Nasen- und Rachenhöhle des Schweines, die man als »wilde« Schweineseuchebakterien bezeichnen könnte, wachsen, wieKARLiSsKi angiebt, am besten in flüssigem Schweineserum oder Schweine- serumagar. Ihr Wachstum ist im allgemeinen schneller als das der echten Schweineseuchebakterien. Kulturell unterscheiden sie sich nach Karlinski dadurch von letzteren, dass sie auf alkalischen Kartoffeln einen »sehr zarten, strohgelben, auf den Strich beschränkten Belag« bilden. Nach Erlangung voller Virulenz durch Tierpassagen Avird das Wachstum jedoch dem des virulenten Schweineseuchebacillus gleich. Der im Nasen- und Rachenschleim gesunder Schweine gefundene Bacillus suisepticus zeigt fast stets eine sehr geringe Virulenz. Kar- liSski sah, dass eine subkutan mit 0,1 ccm einer zweitägigen Kultur geimpfte Maus erst nach vier Tagen, ein mit gleicher Menge intra- ]3eritoneal geimpftes Meerschweinchen sowie ein subkutan geimpftes Kaninchen nach sieben Tagen, ein intravenös geimpftes Kaninchen nach vier Tagen starb. Durch systematische Tierpassagen vermochte Kar- liSski die Virulenz so bedeutend zu steigern, dass sie diejenige der gewöhnlichen Schweineseuchekulturen fast erreichte. Mit einer derartig virulent gemachten Kultur konnte derselbe Forscher »ein Ferkel in der Menge von 1 ccm bei subkutaner Applikation binnen 17 Tagen unter Erscheinungen typischer Schweineseuche töten.« Dieser Versuch ist von besonderer Wichtigkeit; denn er beweist, dass in der Nasen- und Rachenhöhle gesunder Schweine echte Schweineseuche- bakterien vorkommen. Wirken diese Bakterien unter Umständen pathogen und in welcher Beziehung stehen sie zu der Verbreitung der Schw eines euc he? — • Diese Frage ist von großer Bedeutung. Zunächst steht fest, dass die »wilden« Schweineseuchebakterien durch ihre bloße Anwesenheit bei gesunden Schweinen keinerlei Krankheitserscheinungen bedingen. Es ist aber möglich und durch Versuche KarliSskis be- wiesen worden, dass die Bakterien bei anderweitiger Erkrankung des Organismus, z. B. Vergiftung mit abgetöteten Schweinepestkulturen (Kar- LLxSKi) aggressiv werden und dem eigenen Wirt gegenüber pathogen wirken können. Geht eine solche Invasion der Bakterien mit einer derartigen Steigerung ihrer Virulenz einher, dass sie nunmehr auch andere Schweine zu infizieren imstande sind, so würden die Vor- bedingungen für das Entstehen einer Epidemie von Schweiueseuche gegeben sein. Mehrere der obengenannten Autoren sind geneigt, den »wilden« Schweineseuchebakterien eine gewisse Bedeutung für die Entstehung von Schweineseucheausbrüchen und insbesondere für die Ent- stehung der Mischinfektion mit Schweinepest beizulegen. An der Möglichkeit der Entstehung von Schweineseucheepidemieen durch die »wilden« Schweineseuchebakterien und besonders einer Se- kundärinfektion beim Bestehen der Schweinepest ist nicht zu zweifeln. Ich bin davon überzeugt, dass die »wilden« Bakterien unter Umständen bei ihrem eigenen Wirt eine Erkrankung der Lunge (in die sie von der Schweineseuche und Schweinepest. 621 Rachenhöhle direkt zu gelaugeu vermögen) hervorrufen können, ich glaube jedoch nicht, dass sie in epidemiologischer Hinsicht allein (d. h. ohne Schweinepest oder andere die Eesistenz des Organismus heral)- setzeude Momente) sehr gefährlich sind. — Es ist zu bedenken, dass es mehrerer Tierpassagen bedarf, um den fast stets sehr wenig pathogen wirkenden Bakterien das Maß von Virulenz zu verleihen, das zur Auslösung einer spontanen Schweineseucheinfektion bei gesunden Schwei- nen notwendig ist. Sodann mUssten bei dem häufigen Vorkommen und der weiten Verbreitung der »wilden« Schweineseuchebakterien Spontan- ausbrüche der Seuche sehr häufig sein. Das ist aber nicht der Fall, vielmehr sehen wir, dass Ausbrüche von reiner Schweineseuche stets auf Ansteckung von anderen Seuchenherden aus zurückzuführen sind. Schweinepest. Syii.: Hogcholera (Saoion); Swineplague (Billings); Amerika- nische Schweineseuche; Swinefever (Brown [England]); Svinpest, Svinedip htheritis [Schweden, Dänemark]. Der Erreger der Schweinepest ist der Bacillus suipestifer (Flügge, Preisz). Wie in der Einleitung bereits erwähnt, ist Nordamerika als die Heimat der Sehweinepest zu betrachten. Die schweren Verluste, welche die Krankheit hier Jahr für Jahr verursachte, veranlassten im Jahre 1878 den Kongress eine Kommission zur Erforschung derselben einzusetzen. Von den Mitgliedern dieser Kommission war es besonders Detmers, der als erster die bakterielle Natur der Krankheit betonte. Derselbe beschrieb auch mehrere Bakterien (zunächst ein »Bacterium suis«, dann einen Micrococcus) als Erreger der Seuche. Es gelang ihm indessen nicht, den ursächlichen Zusammenhang dieser Mikroorganismen mit der Krankheit nachzuweisen; es muss bezweifelt Averden, dass er den wirk- lichen Erreger der Schweinepest vor sich gehabt hat. Sal:mon sprach zunächst ebenfalls einen in vielen Fällen der Krankheit gefundenen Micrococcus als den Erreger der Seuche an. Aber auch dieser Mikro- organismus konnte als das ursächliche Moment der Krankheit nicht gelten. — Die Entdeckung des eigentlichen Erregers der Schweinepest, des Bacillus suipestifer, geschah 1885 durch Salmon & Smith*) hn »Bureau of animal industry«. Dieses Institut hat sich auch bei der weiteren Erforschung der Seuche die führende Stelle zu wahren gewusst. Seinen Mitgliedern, iusljesondere Smith, verdanken wir zahlreiche wert- volle Arbeiten auf diesem Gebiete. I. Morphologie des Bacillus suipestifer. Der Bacillus suipestifer (Flügge, Preisz) — Syn.: Bacillus cholerae suis (Smith) — muss im System der Coli- und Typhusgruppe ange- gliedert werden. Flügge rechnet ihn mit Unrecht zur Gruppe der hämorrhagischen Sei)tikämie. Smith befürwortet die Schaftimg einer besonderen »Hogcholeragruppe«, in welche er außer dem Hogcholera- erreger mit seinen Varietäten alle Bakterien einreihen will, deren Größe annähernd mit dem Bacillus suipestifer übereinstimmt, welche Gelatine nicht A^erflüssiiien und deren 2:ärungserreirenden Eigenschaften dieselben ji^\.xi iiLii^i ^.ivivii c:^Die unge- färbte Milch lässt in den ersten Tagen keine Veränderung des Aussehens erkennen; im Verlaufe von längstens drei Wochen hat sie ihre Uudurch- sichtigkeit verloren, sie ist gelblich und durchscheinend geworden (diese Beobachtungen wurden nur durch einige Wochen fortgesetzt). Die mit Lackmus gefärbten Proben nahmen in den ersten zwei Tagen eine schwach rötliche Färbung an, die nach weiteren 8 — 10 Tagen in intensives Blau übergeht: nach etwa 7 Monaten war die Milch, die unterdessen stark verdunstet war, in eine starre alkalische Gal- lerte verwandelt, die auch beim Umkehren der Eprouvette keine Be- wegung zeigte«. — Mit diesen Beobachtungen Buxzl-Federxs würden sich auch die spärlichen Angaben einiger anderen Forscher in Einklang bringen lassen. So giebt Smith an, dass die Äülch »opalescent and partly translucent« wird. Moore sagt vom Hogcholerabacillus: »Sapo- nifies milk in from 3 to 4 weeks«. de Schweinitz konnte feststellen, dass Milch unter dem Einfluss des Schweinepesterregers in etwa drei AVochen dünn und wässerig wird, während ihre Reaktion entweder neutral oder alkalisch geworden ist. Caxeva spricht von »direkter Lösung fPeptouisierungj« der Milch »ohne vorherige Gerinnung«. Deüp- SER endlich fand bei der Kultivierung des Schweinepestbacillus in Milch, »dass die alkalische Reaktion in älteren Kulturen zugenommen hatte«. Das eigentümliche Verhalten der Milch ist wahrscheinlich auf die Wirkung von Fermenten, welche der Bacillus suipestifer produziert, zurückzuführen (siehe weiter unten). In Lackniusniolke erzeugt der Bacillus suipestifer nach Böder und JoEST deutliche Rotfärbung, die auch nach Wochen noch unverändert besteht. Die gebildete Säuremenge entspricht 5 — Q% Vio~^örmalnatron- lauge (Joest). Kfirtoffelkultur. Der Schweinepest erreg er wächst so- wohl auf gewöhnlichen (sauer reagierenden) als auch auf alkalisch gemachten Kartoffeln. Jedoch scheint das Wachstum auf letzteren etwas üppiger zu sein. Die Kartofielkultur entwickelt sich am besten bei Bruttemperatur. Bei 37° bildet sich in 24 Stunden, bei Zimmertemperatur später, ein dicker, feuchtglänzender, schmutzig grau- gelber oder gelblichbrauner Belag, der weich und leicht abhebbar ist. Die Farbe des üppigen, auf der Kartoffeloberfläche sich ausbreitenden Rasens wird von einzelneu Autoren etwas verschieden angegeben. So fanden Afanassiff und Karlin ski die Farbe (und auch die Ueppigkeit des Wachstums) verschieden je nach der Reaktion der Kartoffel: bei saurer Reaktion ein dünner weißlicher, bei alkalischer Reaktion ein dicker gelblichbrauner bezw. strohgelber bis lichtbrauner Belag. Deupsek sah auf gewöhnlicher Kartoffel »dunkclpostgelbe« Auflagerungen. Nach Salmox & Smiph ist das AVachstum im allgemeinen um so dunkler, je schneller die Kartoffel eintrocknet. Die Substanz der letzteren nimmt während des AVachstums oft eine Brauufärbuug an (Deupser). Selax- DER und auch Preisz behaupten, dass der Bacillus suipestifer auf der Kartoffel sich verhalte wie der Typhusbacillus. Bekanntlich wächst der letztere auf diesem Nährboden in Form eines farblosen, kaum erkenn- Schweineseuche und Schweinepest. 629 bareu Belages. Ein solches Waclistum des Scliweinepestbacillus ist, außer von den beiden geuanuten Forscheru, bis jetzt von niemand ge- sehen worden, und hat bereits Frosch auf die Unwahrscheinlichkeit eines derartigen Verhaltens dieses Krankheitserregers liinge wiesen.*) Im übrigen dürften geringere Differenzen in der Ueppigkeit des Wachstums und der Farbe des Easens, abgesehen von dem von Salmox & Smith hervorgehobenen Moment der Eintrocknung, wohl in der Hauptsache in der Verschiedenheit der im einzelnen Falle verwendeten Kartoffeln zu suchen sein. Vermehrung in Trinkwasser. Der Bacillus suipestifer ver- mag sich nach Salmon eKs Smith in gewöhnlichem Trinkwasser zu vermehren und vier Monate lang in demselben lebensfähig zu erhalten. Auch in sterilisiertem Heuinfus findet eine Vermehrung innerhalb gewisser Grenzen statt (Salmon & SxMIth). Gäriingserregung. Bei den Autoreu, welche Untersuchungen über das Gärungsvermögen des Bacillus suipestifer anstellten, findet sich die An- gabe, dass derselbe in traubenzuckerhaltigen Nährböden Gas- bildung verursache. Nur Preisz konstatierte, allerdings auf Grund einiger weniger Versuche, dass der Schweinepestbacillus in Traubenzucker- agar kein Gas bilde. Auch KarliSski sah nur sehr schwache Gasbildung bei frisch aus dem Tierkörper gezüchteten Kulturen in öproz. Trauben- zuckergelatiue. Diese abweichenden Eesultate finden indessen durch die nachstehend erwähnten, eingehenden Untersuchungen von Böder eine Erklärung. Voges & Proskauer haben zuerst das Gäruugs- vermögen der Schweinepestbakterien einer genaueren Prüfung unter- worfen, und zwar bedienten sich diese Forscher dabei ihrer oben er- wähnten »Peptonstammlösung«. Es wurden folgende gärfähige Sub- stanzen, im Verhältnis von \% zu der erwähnten Stammlösung hinzu- gesetzt, geprüft: Traubenzucker, Mannose, Lävulose, Eohrzucker, Milch- zucker, Maltose, Eaffinose, Dextrin, Kartoffelstärke, Glycerin, Adonit, Dulcit, Mannit. Die beiden untersuchten Schweinepestkulturen (eine von Voc4Es isolierte Kultur und Hogcholera Salmon) zeigten dabei in Bezug auf ihre Gärungsbreite, d. i. die Anzahl der von den Bakterien unter Gasentwicklung vergärbaren Substanzen, einen Unterschied: wäh- rend die VoGESSche Schweinepest sämtliche vorstehend ge- nannten Kohlehydrate unter starker Gasbildung vergärte, that dies die Hogcholera nur bei Traubenzucker, Lävulose, Maltose, Dextrin, Glycerin, Dulcit und Mannit, während Mannose, Eohr- zucker, Milchzucker, Eaffinose, Kartoffelstärke und Adonit nicht ange- griffen wurden. Hiermit stimmt auch eine Angabe von Smith überein, welcher fand, dass der Hogcholeraerreger zwar Traubenzucker, aber nicht Milch- und Eohrzucker angreift. Böder konnte die Vergärung von Traubenzucker, Dextrin, Dulcit, Lävulose, Maltose und Mannit durch eine sehr virulente Schweinepestkultur Preisz (ebenso Avie auch durch Hogcholera) in der VoGEs-PROSKAUEKSchen Nährlösung bestätigen. Da- gegen fand BÖDER , dass dieselbe virulente Schweinepest in Milch- und Eohrzuckerlösung nur dann eine geringe Gasentwicklung bedingte, wenn durch Zuführung von Luft in den geschlossenen Schenkel des Gärungs- rohres das Wachstum der Bakterien verbessert wurde, dass dieselbe *) Bei einer von einer PnEiszschen Originalkultur abstammenden Schweine- pestkultur konnte ich in zahlreichen Versuchen auf gewöhnlicher Kartoffel stets ein Wachstum in Form eines üppigen, graugelben Easens feststellen. 630 E. Joest. Kultur aber eine Spaltung' des Glycerius überhaupt uicbt berbeizufUbren vermochte. Wenn man der Thatsacbe Rechnung- trägt, dass Voges & Proskauer mit abnorm hochvirulenteu Kulturen arbeiteten, während die BÖDERSche Schweinepestkultur der natürlichen Virulenz weit näher kam, so gelangt man zu dern Schlüsse, dass die Schweinepest (Kultur Preisz) unter gewöhnlichen Verhältnissen (bei mäßig hoher Virulenz und bei der üblichen Versuchsauordnung) Milchzucker, Eohrzucker uud Glycerin nicht vergärt. Ein Vergleich mit den oben erwähnten Angaben Smiths über das Gärungsvermögen der Hogcholera lehrt weiter, dass bezüglich ihres Verhaltens gegen Milch- und Rohrzucker Schweinepest und Hogcholera sich nicht unterscheiden. Die Frage, ob ein Unterschied dieser beiden Kulturen bezüglich ihres Gäruugsvermögens gegenüber Mannose, Raffi- nose, Kartoffelstärke und Adonit unter gewöhnlichen Verhältnisen be- steht, muss vorläuiig offenbleiben, da eine Nachprüfung dieser Stoffe nicht vorliegt. Jedenfalls ist daran festzuhalten, dass der Bacillus suipestifer unter gewöhnlichen Verhältnissen Traubenzucker unter Gasbildung vergärt, dass er dag-egen Milch- und Rohr- zucker nicht anzugreifen vermag. BöDER hat, veranlasst durch nicht übereinstimmende Angaben ver- schiedener Forscher, die Bedingungen der Gärungserregung beim Bacillus suipestifer näher studiert. Aus seinen Untersuchungen geht zunächst hervor, dass das Auftreten der Gärungserschei- nung unabhängig ist (inuerlialb der für gewöhnliche Versuche in Betracht kommenden Grenzen) vom Zuckergehalt und von der Reaktion des Nährbodens. Der Zuckergehalt des Nährbodens schwankte in den BöDERSchen Versuchen zwischen 0,5 und 5,0 %^ »ohne dass dadurch Abweichungen bedingt waren«. »Durch größere Versuchs- reihen mit Traubenzuckerbouillon, die durch Zusatz von Soda oder Salzsäure verschiedene Abstufungen in der Reaktion erhalten hatte , ließ sich mittels Zählung der Bakterien feststellen, dass die Intensität der Gärung der Entwicklung der Mikroorganismen im Gärgemisch parallel ging. Der Säure- oder Alkaligrad an sich übte auf die Gasbildung keinen sichtbaren Einfluss aus«. — Aus den BÖDERschen Untersuchungen geht ferner hervor, dass das Auftreten der Gärungserscheinung dagegen abhängig ist 1. von der Temperatur, bei welcher die Kulturen gehalten werden; 2. von der Art des Nährbodens (abgesehen von der gärfähigen Substanz); 3. von dem Virulenzgrad der betreffenden Kultur. — ad 1. Die Menge des gebildeten Gases schwankte je nach der Temperatur, bei welcher die Kulturen gehalten wurden. Bei Zimmer- temperatur trat die Gärung später in die Erscheinung und war die Gas- entwicklung geringer als bei Bruttemperatur. — ad 2. In Trauben- zuckergelatine mit höherem Gelatinegehalt trat (auch bei Bruttemperatur) keine Gasentwicklung ein. Ein Gelatinegehalt von 15 % verhinderte so die Gasentwicklung völlig, bei 71/2 % zeigte sich geringe, bei 5 % ziemlich starke Gasentwicklung. »Auch in Traubenzuckeragar mit V2 % Agarzusatz trat die Gasbildung stärker wie bei der üblichen Zu- sammensetzung auf«. Diese Feststellungen Böders liefern auch die wahrscheinliche Erklärung für das abweichende Ergebnis der Gärungs- versuche von Preisz und KarliSski; denn der erstere arbeitete mit Agar, der letztere mit Gelatine. — ad 3. Die Schweinepest Preisz, in minder virulentem Zustande verursachte in traubenzuckerlialtigen ö' Nährböden lediglich eine Säuerung des Nährbodens, aber keine Gas- Schweineseuche und Schweinepest. 631 bilduug. Erst nachdem Böder die Kultur durch eine Reihe von Meer- schweinchen geschickt hatte, vermochte sie starke Gärung in trauben- zuckerhaltigen Nährböden zu erzeugen. Das Gas, welches der Bacillus suipestifer aus Traubenzucker ab- spaltet, besteht nach de Schweinitz zu einem Viertel seines Volumens aus H und zu drei Vierteln aus CO2. Diesem Befunde entspricht auch das Ergebnis der von Voges 10 Minuten (?) Wie Halmon & Smith richtig bemerken, würden die Versuche zweifellos andere Ergebnisse geliefert haben, Avenn die Bakterien in ge- trocknetem Zustande dem Desinticiens ausgesetzt worden wären und wenn ein mit einer beträchtlichen Menge organischer Substanz gemischtes Virus zu den Versuchen gedient hätte. Bezüglich der Schwefelsäure wurde konstatiert, dass zur Erreichung des vorstehend angegebeneu Effektes die zehnfache Menge erforderlich ist, wenn die zu desinfizierende Flüssigkeit viel organische Substanz enthält. Nach Karlinski erwiesen sich Formaldehyddämpfe, frisch ge- brannter Kalk und frisch bereitete Kalkmilch als sehr wirksame Abtötungsmittel für Schweinepestkulturen. Stalldesinfektionsversuche zeigten jedoch, wie KarliSski mitteilt, dass diese Mittel für gewöhnlich nicht ausreichend wirkten und dass eine vollkommene Desinfektion ohne Aufwendung großer Kosten undenkbar ist. Allerdings stellte KarliSski seine praktischen Desinfektiousversuche in sehr schlechten Stallungen mit durchlässigem Boden an. Es erscheint mir zweifellos, dass die Stallversuche mit Kalkmilch und Formaldehydlösung ein weit günstigeres Ergebnis geliefert haben würden, wenn sie in besseren Ställen mit un- durchlässigem Bodenbelage ausgeführt worden wären. Was den Kalk anlangt, so sind Salmon & S:mith, im Gegensatz zu KarliSski, schon früher zu weit günstigeren Ergebnissen bei ihren Desinfektionsversuchen gelangt. Diese beiden Forscher konstatierten zu- nächst, dass Kalkwasser, mit der dreifachen Menge destillierten Wassers verdünnt, genügte, um bei einer der vorstehend erwähnten, von Salmon & Smith bei anderen chemischen Mitteln augewandten ähnlichen Ver- suchsanordnung die Hogcholerabakterien in Flüssigkeiten, welche so gut wie gar keine organische Substanz enthielten, in einer halben Stunde abzutöten. Desgleichen tötete mit der sechsfachen Menge Wasser ver- dünntes Kalkwasser die l^akterien in drei Stunden, während eine zwölf- fache Verdünnung nicht imstande war, dieselben in 24 Stunden zu töten. Wenn man den Kalkgehalt des Kalkwassers mit 0,12^ annimmt, so würden 0,03 X genügen, um die Bakterien in einer halben Stunde, und 0,019X7 ^^^^ ^ie Bakterien in drei Stunden abzutöten. — Wenn der Desinfektionsversuch so angestellt Avurde, dass Bouillonkulturen in verschiedenem Verhältnis mit Kalkwasser gemischt wurden, so war zur Abtötung sämtlicher liaktericn ein höherer Prozentsatz Kalk er- forderlich. Wenn an Stelle der einfachen Bouillonkulturen Kulturen in einer Bouillon mit viel suspendierten Eiweißmassen zu den Versuchen verwandt wurden, so erforderte die Desinfektion einen noch höheren Kalkgehalt. Versuche mit ungelöschtem Kalk, in Substanz angewandt, ergal)en, dass 0,5 ^ Kalk ausreicht, um eine sehr trü))e, eiweißhaltige Schweineseuche und Schweinepest. 637 Flüssigkeit in vier Stuuden zu sterilisieren, 0,25^, um denselben Efiekt in 24 Stunden zu erreichen. Desinfektionsversuche in Erde ergaben, dass 0,75 — 1 % Kalk (in Form von Kalkmilch) Hogcholerabakterien in Erde abtötet. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass ein geringer Prozentsatz von Kalk das- selbe leisten würde, wenn mau letzteren einfach in einer dünnen Schicht auf die Oberfläche der zu desinfizierenden Erde aufstreut. Schließlich ist noch zu erwähnen, dass, wie Salmon & Smith fanden, der Bacillus suipestifer in konzentrierter Kochsalzlösung in vier Wochen vollständig abgetötet wird. III. Pathogenes Verhalten des Bacillus suipestifer bei experimenteller Infektion. a) Maus. Die Maus ist im allgemeinen sehr empfänglich für den Bacillus suipestifer. Ein Unterschied zwischen weißen und grauen Mäusen macht sich kaum bemerkbar; wenn man einen solchen gelten lassen will, so ist es der, dass bei der weißen Maus nach subkutaner Infektion der Tod oft etwas früher eintritt als bei der grauen Hausmaus. Jedenfalls hat Schreiber nicht recht, wenn er die weiße Maus für widerstands- fähiger gegen die Infektion erklärt. Nach subkutaner Infektion sterben die Mäuse in etwa 3 — 7 Tagen. Sehr selten erfolgt der Tod früher als in drei Tagen. Dagegen zieht sich bei minder virulenten Bakterienstämmen die Krankheit oft länger als 7 Tage hin. Meist erscheinen die Tiere nach der Infektion zunächst vollkommen munter. Erst relativ kurze Zeit vor dem Tode treten Krank- heitserscheinungen auf, die indessen nichts Charakteristisches bieten. (Von einigen Autoren wird angegeben, dass die Augenlider häufig ver- klebt sind.) Nach Frosch erfolgt der Tod unter den Zeichen der Respi- rationslähmung. Die Sektion ergiebt im allgemeinen folgendes Bild: Keine makroskopisch erkennbare Reaktion an der Impfstelle, Vergrößerung der Milz, Schwellung der Leber und multiple nekrotische Stellen an deren Oberfläche. Darmkanal nur wenig verändert. In der Milz und im Herzblute lassen sich die Schweine- pestbakterien in geringer Zahl nachweisen. Eine von Frosch durch Inhalation infizierte Maus zeigte bei der Sektion ausgesprochene hämorrhagische Veränderungen in den Lungen und im Dünndarm. Durch Fütterung mit Eeinkulturen oder mit Organen infizierter Tiere lassen sich Mäuse regelmäßig und fast ebenso schnell töten wie durch subkutane Inokulation des Virus. Die gefütterten Mäuse zeigen im allgemeinen dieselben Veränderungen in den inneren Organen, wie die subkutan geimpften; nur ist meist eine stärkere Erkrankung des Darmkanals vorhanden. Salmon & Smith weisen auf die Regelmäßigkeit in der Daner der Impf- krankheit bei Mäusen hin. Mäuse, die zu gleicher Zeit und mit annähernd gleichen Mengen von Virus infiziert Avurden, starben auch gewöhnlicli etwa zu derselben Zeit. Selten differierte die Krankheitsdauer um mehr als eiuen halben Tag. 638 E. Joest, b) Kaninchen. Das Kauincheu ist außerordeutlich empfäuglich für das Virus der Schweiuepest. Salmox & Smith betrachteu dieses Tier als das ge- eignetste kleinere Versuchsobjekt für den Bacillus suipestifer. Kutane und subkutane Infektion. Nach Salmon & Smith genügt ein einfaches Einreiben der Schweinepestbakterien auf eine geringe Hautab- schürfung an der inneren Fläche des Ohres, um Kaninchen zu infizieren. Stets gelingt die Infektion von der Subcutis aus. Welch geringe Bakterienmenge zur Erzeugung der typischen Impfkrankheit erforder- lich ist, zeigen folgende Angaben von Salmox & Smith: Kan. Nr. 17 erhielt V200000 ccm Kulturflüssigkeit und starb am 6. Tage » »18 » V2000ÜO * * » » » 9. » » 20 » V4000000 '' * » » » 8. » Die infizierten Kaninchen verhalten sich zunächst ganz normal. Erst wenige Tage vor dem Tode zeigen sie Krankheitserscheinungen, die von einem kontinuierlichen Fieber von 41.5 — 42° begleitet sind. Der Tod erfolgt 3 — 14 Tage nach der Infektion. Der Sektiousbefund ist überaus charakteristisch : An der Infektionsstelle findet sicli mir eine geringe Rötung und Infiltration der Subcutiä. Milz stark vergrößert (oft drei- bis fünfmal so groß als nor- mal), bläuliclirot und derb. Leber vergrößert, blutreicli; an ihrer Oberfläche sind zahlreiche, weißlichgelbe Herde sichtbar. Diese typische Leberveränderung fehlt selten, vorausgesetzt, dass das betrefi"ende Tier nicht zu früh starb. Kieren und Herzmuskel parenchymatös getrübt. Lungen geringgradig ödematös, selten mit Hämorrhagieen durchsetzt, Trachea hämorrhagisch entzündet (Frosch), Magen, Darm und Peritoneum sind meist unverändert. In einzelneu FäUen zeigt die Darmschleimhaut Ekchymosen (Salmon & S^oth führen die Ent- stehung derselben darauf zurück, dass Schweinepestbakterien aus den er- wähnten Leberherden durch die Gallengänge in das Duodenum gelangen). Bei langsamerem Verlauf der Impfkrankheit lassen sich oft noch weitere Darm- veränderungen konstatieren, welche in einer krupösen Entzündung besonders des Dickdarmes bestehen. Die Mesenterialdrüsen sind meist geschwollen. — Schweinepest))akterien lassen sich in allen Organen nachweisen. Am zahl- reichsten sind sie in der Milz, spärlich dagegen im Herzblute. Nach Salmox & Smith, Eaccuglia, Frosch und Karlinski handelt es sich bei den erwähnten weißlichgelben Leberherden um eine multiple Koagulationsnekrose des Lebergewebes. Die gelben Herde sitzen meist an der Oberfiäche des Organes, sie sind nicht prominierend, ragen aber in das Innere des Parenchyms hinein; nicht selten findet man die- selben auch im Inneren der Lebersubstanz. Jeder Herd entspricht einem oder mehreren nekrotischen Leberläppchen. In manchen Fällen ist die Nekrose der einzelnen Lobuli eine totale, meist ist jedoch nur ihr Centrum betroffen. Die ndkroskopische Untersuchung von Schnittpräparaten ergiebt, dass in den Herden die charakteristische Struktur des Leberparenchyms verschwunden ist. Die Leberzellen sind in eine farblose, homogene, kern- lose Masse verwandelt; nur hier und da findet man noch einige blasse, schlecht gefärbte Kerne ohne Kernkörperchen. Leukocytäre Elemente sind in den Herden kaum vorhanden, auch fehlen dieselben in der Um- gebung der letzteren (Salmox c'^c Smith). Nach Eaccuglia sind im Innern der nekrotischen Herde niemals Schweiuepestbakterien nach- Schweineseuche und Schweinepest. 639 weisbar, jedoch finden sich dieselben in g-rolku, rundlichen Haufen in den Kapillaren am Rande oder in der Nähe der Herde. In den größeren interlobulären venösen Gefjlßeu sind ebenfalls, wenn auch spärlicher, kleine Bazilleuhaufeu anzutreffen. In gefärbten Schnittpräparaten tritt diese Verteilung der Bakterien außerordentlich deutlich in die Erscheinung. Ähnlich wie in der Leber, finden sich die Bakterien auch in den übrigen Organen fast ausschließlich in den Gefäßen oder in der Nähe der letzteren, so daß man annehmen miiss, dass sie hierher durch Gefäß- ruptur gelangten. Vorzugsweise finden sich die Bakterien im allgemeinen in den Kapillaren, welche streckenweise vollkommen von ihnen aus- gefüllt sind. In kleineren Venen bilden die Bakterien meist kolonieen- ähnliche Haufen (Feosch). Auch Bunzl-Federx weist auf das charakte- ristische Bild hin, welches die mit Bakterien vollgepfropften Kapillaren aller Organe (besonders der Leber und der Nieren) bieten. Die Nekrose in der Leber ist nach Salmon & Smith sehr wahrscheinlich auf die Verhinderung der Blutzufuhr zu den einzelnen Läppchen durch die in den Gefäßen augehäuften Bakterien zurückzuführen. Bei intraperitonealer Infektion erliegen Kaninchen in 3 — 7 Tagen unter den Erscheinungen einer serös-blutigen, seltener einer serofibrinösen Peritonitis, wobei nur trübe Schwellung der Leber und Milzschwellung auftritt. In der Milz und sehr spärlich im Blute finden sich die Schweine- pestbakterieu (KarliSski). Intrapulmonale und intratracheale Infektion. Ein von Frosch intrapulmonal mit dem Bacillus suipestifer infiziertes Kaninchen ging nach 5 Tagen zu Grunde. Es bestand eine intensive blutig-fibrinöse Pleuritis. lu dem von dem Einstich der Kanüle zunächst betroffenen rechten Lungen- lappen saßen schrotkorngroße Knötchen. Die linke Lnnge erschien teils hepatisiert, und ihre Bronchialäste waren mit einer gelblich-käsigen Masse gefüllt, teils wies sie dieselben Knoten auf wie die rechte Lunge. Im allgemeinen zeigte die Erkrankung besonders der linken Lnnge einen bronchopneumonischen Charakter. Die stärkere Beteiligung der linken Lunge erklärte sich dadurch, dass, wie die nähere Untersuchung ergab, die Injektionstlüssigkeit mehr nach der linken Seite gedrungen war. Wie Raccuglia & KarliSski fanden, gehen Kaninchen, welche tracheotomiert und dann von der Trachea aus mit dem Bacillus sui- pestifer infiziert werden, in durchschnittlich 4 — 6 Tagen zu Grunde (in einem Falle von Karlinski erfolgte der Tod schon nach 48 Stunden; in diesem Falle fanden sich punktförmige Blutaustritte an der Pleura, aber keine Veränderungen der Lungen). Die Lungen erscheinen dann in größerer Ausdehnung granrot hepatisiert. Innerhalb der so veränderten Partieen finden sich knotenförmige, gelblichweiße, opake, käseähnliche Herde. Die bronchialen und mediastinalen Lymphdrüsen sind geschwollen und ebenfalls mit gelblichen Herden versehen. Raccuglia konstatierte auch hier nekrotische Veränderungen in der Leber. In den übrigen Organen fanden sich keine Veränderungen. In den erkrankten Lungen- partieen sind die Schweinepestbakterien sehr zahlreich, spärlich dagegen im Herzblute. Wie die mikroskopische Untersuchung in dem RACCUGLiAschen Versuch zeigte, waren die gelblichen Herde in der Lunge nekrotischer Art: An die Stelle des normalen Lungengewebes war hier ein feinkörniger, diffus gefärbter Detritus getreten. An den graurot hepatisierten Stellen erwiesen sich die ß40 E. Joest, Alveolen mit epitheloiden Zellen ausgefüllt. Die Bakterien fanden sich in den nekrotischen Herden im Inneren der verstopften Alveolen und im Lumen der größeren Bronchien und Blutgefäße. Ueberall lagen die Bakterien in kleinen Haufen angeordnet. Auch in den bronchialen Lymphdrüsen fanden sich spärliche Bazillenhaufen. Nach Frosch lassen sich Kaninchen auch durch Inhalation des Virus krankmachen. Der Bacillus suipestifer kauu also, in die Luuge eingeführt, beim Kaninchen eine nekrotisierende Pneumonie erzeugen. Intraintestinale Infektion und Fütterung. Ein besonderes Interesse l)ieten die Versuche, l)ei welclieu das Virus der Schweinepest in den Verdauuugskanal gebracht wurde. Die Infektion des Kaninchens auf diesem Wege gelingt fast ausnahmslos. Der Tod erfolgte, gleich- g'iltig, ob das Tier durch Injektion in eine Darmschlinge infiziert war oder ob es das Infektiousmaterial per os erbalten hatte, in den Ver- suchen von Eaccuglia am 2. bis 4. Tage. KarliSski verlor die ge- fütterten Kaninchen am 7. bis 9. Tage, die intraintestinal geimpften am 7. bis 26. Tage. Je nach der Dauer der Impfkrankheit sind die Veränderungen im Darmkanal leichterer oder schwererer Art. Dieselben stimmen bei der direkten Injektion des Virus in den Darm und bei der Fütterung im allgemeinen vollkommen überein. Nur beginnen die Ver- änderungen nach der Fütterung schon im Duodenum, während sie bei ersterem Infectionsmodus an der Injektionsstelle ihren Anfang nehmen und von hier aus nach rückwärts sich erstrecken. Man kann zwei Stadien der Erkrankung unterscheiden. Dieselbe beginnt mit einer Schwellung und Nekrose der PEYERschen Plaques und der sollt ären Follikel. Das erste Stadium der Erkrankung wird am besten durch den fol- genden von Raccuglia erhobenen Befund bei einem nach direkter Injek- tion des Virus in den Dünndarm gestorbeneu Kaninchen gekennzeichnet : »Im Dünndarm fand sich dünner, grünlichgelber Inhalt; nach dem Ab- spülen desselben erschien die Schleimhaut hier und da mit einer zähen, schleimartigen Masse bedeckt und in hohem Grade erkrankt. Die PEYERScheu Plaques im unteren Teile des Dünndarmes waren durchgehends geschwellt, von weißUchgelber Farbe, blumenbeetartig über das Schleimhautniveau empor- ragend. Je näher dem Coecum, desto ausgesprochener war die Schwellung; zu gleicher Zeit war die Oberfläche mit punkt- bis stecknadelkopfgroßen, dicht nebeneinanderstehenden Grübchen (Follikulargeschwüren) versehen, die teilweise noch u.iit nekrotischen Gewebspartikelchen bedeckt waren. Die Schnittfläche dieser Plaques war gelblichweiß, markig und ließ viel trüben Saft abstreichen. Im untersten Teile des Ileums war die Schleimhaut in der Ausdehnung von etwa 8 cm mit stecknadelkopfgroßen, runden oder ovalen, seichten Follikulargeschwüren dicht durchsetzt. Die Ränder dieser kleinen Geschwüre waren etwas verdickt, wallartig emporragend. Im BRUOHSchen Haufen waren ebensolche kleine Geschwüre neben opaken, weißlichgelb aus- sehenden Stellen. Im Dickdarm fanden sich zerstreut stark geschAvellte , im Oentrum nekrotische FoUikel. Die Schleimhaut des ganzen Processus vermi- formis war durch den intensiv geschwellten Lymphfollikelapparat bedeutend verdickt. In der Schleimhaut des Mastdarmes nichts NennensAvertes. Die mesenterialen Lymphdrüsen waren zwei- bis dreifach vergrößert, derb, auf dem Durchschnitte traten in der markig aussehenden Drüsensubstanz einige opake, gelblich gefärbte Punkte und Flecken hervor.« Im zweiten Stadium treten die aus den nekrotischen Follikeln hervorgehenden Geschwüre immer mehr in den Vordergrund und Schweineseuche und Schweinepest. 641 nehmen beträclitlieli an Ausdehnung- zu. Gleichzeitig- beginnen käsige Prozesse in den MesenterialdrUsen. So sagt KarliSski: »In einigen Fällen, namentlich dort wo der Tod erst sehr spät eintrat, konnte ich den unteren Teil des Dünndarmes, die üebergangs falte beim Blind- darm, und die ganze obere Hälfte des Dickdarmes in ein Geschwür verwandelt sehen und beinahe das ganze Darmlumen mit einer festen, missfarbigeu Kruste bedeckt beobachten .... Der Wurmfortsatz ist oft an seiner inneren Fläche in ein Geschwür verwandelt und absolut uudurchgängig. « Auch Afaxassieff und Preisz fanden hei ihren intestinalen Infektions- versuchen an Kaninchen die beschriebenen Schweinepestgeschwüre der PEYERschen Plaques bezw. des Dickdarmes. Karli.\8Ki versuchte die Reihenfolge der erwähnten Darm- veränderungen näher festzustellen. Er fand, dass in seinen Ver- suchen (bei welchen die Impfkrankheit ziemlich langsam verlief] »der Beginn der Darmveränderung überhaupt auf den 3. bis 4. Tag nach der Infektion fällt. Die käsige Veränderung der solitären Follikel und der PEYERSchen Plaques beginnt nicht vor dem 5. Tage. Die Verkäsung der MesenterialdrUsen und die Ulzeration sind erst vom 7. Tage an zu notieren.« — Diese Angaben KarliSskis sind natürlich nicht für alle Fälle zutreffend, wie denn z. B. die RACCUGLiASchen Versuche schon in 2 — 4 Tagen tödlich endeten. Karlinski betont noch, dass die einzelnen Stadien der Krank- heit sich nicht immer scharf trennen lassen; »man findet bei einem und demselben Tiere oft alle Stadien der krankhaften Verände- rungen des Darmes, von der einfachen Schwellung der solitären Follikel angefangen, bis zur tiefen Ulzeration der PEYERSchen Drüsen und diphtheritischen Belägen au der Schleimhaut des Dünn-, Dick- und Blinddarmes. « Außer den Darmveränderungen zeigen die intraintestinal oder durch Füt- terung infizierten Kaninchen fast regelmäßig Vergrößerung der Milz und häufig die obeu beschriebenen nekrotischen Herde in der Leber. Lungen und Nieren sind meist normal. Die Schweinepestbakterieu finden sich sehr spärlich im Herzblut, dagegen massenhaft in den geschwollenen Darmfollikeln, in den käsig veränderten MesenterialdrUsen und in der Milz (KarliSski). Raccuglia fand bei der Untersuchung von Schnittpräparaten, dass die nekrotischen Schleimhautteile der PEYERscheu Plaques eine beträchtliche Anzahl von runden Bazillenhaufen enthielten. In der Tiefe der Schleimhaut ließen sich kleinere Haufen und vereinzelte Bazillen nachweisen. Sie konnten, von den nekrotischen Follikeln ausgehend, »bis in die an der Basis der Follikel gelegeneu Lymphräume und bis in die zwischen der Siibmucosa und der Ringmuskellage gelegenen Blutgefäße verfolgt werden«. In den MesenterialdrUsen wurden ebenfalls Häufchen von Bazillen nach- gewiesen. Das mikroskopische Bild in der Leber war das gleiche wie obeu beschriebeu. Der Bacillus suipestifer erzeugt also bei intraintestiualer Einverleibung oder bei der Fütterungsinfektion beim Kanin- chen eine typische Erkrankung des Darmkanals, welche in einer Nekrose des Darmlymphoidapparates mit nachfolgender Geschwürsbildung besteht. Vom Darme aus kommt es weiterhin zu einer Allgemeininfektion, die teils durch die Lymphbalmeu, teils Handbucli der pathogenen Mikroorganismen. III. 41 642 E. Joest, diircli den Blutstrom vermittelt wird. Für den ersteren Weg sprechen die Veränderungen der Mesenterialdrüsen, für den letzteren die nekro- tischen Herde in der Leber (Raccuglia). c) Meerschweinchen. Das MeerschAveinchen steht in Bezug auf seine Empfänglichkeit gegen- über dem Virus der Schweinepest nur wenig hinter dem Kaninchen zurück. Fkosch scheint das Meerschweinchen für das empfänglichste kleinere Versuchstier zu halten. Derselbe Forscher giebt auch an, dass bei diesem Tier »bereits die rein kutane Impfung in der Mehrzahl der Fälle wirkt«. Subkutane Einverleibung des Bacillus suipestifer tötet das Meer- schweinchen in durchschnittlich 4 Tagen. Seltener tritt der Exitus früher ein. Bei der Sektion findet mau an der Impfstelle keine Reaktion. Leber und Nieren sind parenchymatös getrübt. Die Milz ist stark vergrößert, blut- reich, bLänlichrot und fest; Magen- und Darmschleimhaut unverändert. Ln Blut und in der Milz finden sich die Schweinepestbakterien in mäßiger Menge (RaCCTGLIA , IvAKLlSSKIj. Intraperitone.al infizierte Meerschweinehen sterben nach Karlinski innerhalb 3 — 5 Tagen. Die Sektion ergiebt starke Injektion der peri- tonealen und Darmgefäße und serös-blutigen Erguss in den Bauchfellraum. Die Schweinepestbakterien finden sich spärlich im Peritonealexsudat, ebenso spärlich im Blute und in der Milz. (Nach Schreiber sollen intra- peritoneal geimpfte Meerschweinchen sicher in 12 — 24 Stunden sterben.) Bei einem durch Inhalation infizierten Meerschweinchen fand Frosch zahlreiche Blutungen in fast sämtlichen Organen. In diesem Falle, sowie bei noch einigen anderen auf verschiedene Art und Weise infizierten Meerschweinchen ließen sich in der Darmschleimhaut vergrößerte Follikel nachweisen. d) Ratte, Raccuglia sowie Salmon & Smith gelang es nicht Ratten zu töten. (Ersterer experimentierte mit weißen, letztere machten ihre Versuche mit weißen und grauen Ratten.) Auch Selander hält die Ratte für un- empfänglich gegen den Bacillus suipestifer. Dagegen giebt Frosch an, dass weiße Ratten bei Anwendung größerer Bakterieumengen schon nach 24 Stunden der Infektion erliegen. e) Taube. Die Taube ist ebenfalls empfänglich für die Infektion mit Schweine- pestbazillen, jedoch nicht in dem hohen Grade, wie die vorstehend er- wähnten Tierspecies. Im allgemeinen bedarf es etwas größerer Bakterieu- mengen, um die Tiere sicher zu töten. Nach subkutaner oder intra- muskulärer Infektion mit einer größeren Dosis des Virus gehen Tauben in 24 Stunden bis zu 3 Tagen zu Grunde. Bei der Sektion zeigt die Muskulatur an der Impfstelle (sofern die Infektion intramuskulär geschah) schwere Veränderungen. Nach Raccuglia ist der betreffende Muskel »in eine konsistente, homogene, opake, trockene, graugelbliche Masse umgewandelt«. Salmon & Smith bezeichnen die Muskulatur als ent- färbt und wie gekocht aussehend. Die übrigen Organe weisen meist keine oder nur unbedeutende Veränderungen auf. Das mikroskopische Schweineseuclie und Schweinepest. 643 Bild der veränderten Muskulatur ist das gleiche wie bei der Infektion mit Schweine seu che bakterien (siehe oben). — Die Schweiuepestbak- terieu lassen sich in größerer Zahl in der veränderten Muskulatur, spärlich dagegen im Blute und in den inneren Organen nachweisen. Wenn die Infektionsdosis so klein gewählt wird, dass der Tod nicht so rasch eintritt, so bildet sich in der infizierten Muskulatur ein großer Sequester, welcher ganz allmählich resorbiert wird. Gelegentlich be- obachtet mau auch, dass die Taube erst nach etwa einwöchiger Krank- heit (bestehend in Durchfall und Somuolenz) zu Grunde geht. Auch in solchen Fällen sind die Schweinepestbakterien in den inneren Organen nachweisbar (Salmon & Smith). Nach denselben Forschern lassen sich Tauben durch Fütterung nicht infizieren. f) Huhn. Dieses Tier verträgt selbst große Mengen Impfmaterial ohne zu er- kranken (Frosch). Auch nach Salmox & Smith sind Hühner sowohl gegen subkutane und intramuskuläre, wie auch gegen FUtterungsiufektion unempfänglich. g) Größere Haustiere. Abgesehen vom Schwein, welches gesondert aufzuführen ist, lassen sich größere Haustiere (Schaf, Rind und Pferd) durch subkutane Impfung mit dem Bacillus suipestifer nicht töten. Auch der intravenösen Einverleibung des Krankheitserregers gegenüber sind diese Tiere weniger empfindlich als gegenüber der gleichen Art der Einverleibung des Bacillus suisepticus. Nach subkutaner Injektion des Schweinepestvirus entsteht bei den genannten Tieren ein Abszess an der Impfstelle (Salmon & Smith, Schreiber, eigene Beobachtungen). Nach Schreiber soll der Eiter der Schweinepestabszesse einen »furchtbaren Geruch« besitzen. Hier- von habe ich mich trotz vieler Versuche niemals überzeugen können. h) Schwein. Im allgemeinen ist das Schwein hochempfänglich für den Bacillus suipestifer. Jedoch lassen sich bei experimenteller Infektion verschiedene Grade der Empfänglichkeit unterscheiden, je nach dem in Anwendung gebrachten Infektionsmodus: das Schwein lässt sich im großen und ganzen von der Subcutis und von der Lunge aus mit Schweinepest weit schwerer infizieren, als vom Verdauungstractus aus. Man kann somit sagen, daß die Empfänglichkeit des Organismus des Schweines für die experimentelle Infektion mit dem Bacillus suipestifer eine regionär ver- schiedene ist. Subkutane Infektion. (Versuche von KarliSski, Salmon & Smith, Preisz und Welch & Clement.) Dieselbe gelingt nur in einem Teile der Versuche. Eine Allgemeinerkrankung des Schweines kommt auf diesem Wege nur bei hoher Virulenz der verimpften Bakterien und bei großen Infektionsdosen zustande. — An der Impfstelle bildet sich fast regelmäßig eine wallnuss- bis eigroße derbe Anschwellung. Die benachbarten Lymph- drüsen vergrößern sich. Mehrere Tage nach der Infektion zeigen die Tiere Zeichen einer Allgemeinerkrankung (verminderte Fresslust, Durch- ftill). Der eventuelle Tod erfolgt in etwa 7 — 18 Tagen nach der Impfung, und zwar tritt er im allgemeinen schneller ein bei virulenterem Material. Seltener dauert die Impfkrankheit länger als die angegebene Zeit. 41* 644 E- Joest, Bei der Sektion zeigen die rascher verlaufeueu Fälle einen mehr hämorrhagischen Charakter. Man findet Blutaustritte sowohl an der Impf- stelle und in den verschiedenen, gleichzeitig vergrößerten Lymphdrüsen, als auch unter den serösen Häuten, im Magen und Darm, sowie in der Lunge. In der Mehrzahl der Fälle (mit mittlerem Verlaufe) ist das Sek- tionsbild folgendes : Das subkutane Gewebe an der Impfstelle erscheint infiltriert, in eine derbe Masse verwandelt und mit Blutaustritten oder nekrotischen Inseln durchsetzt. Die benachbarten Lymphdrüsen sind vergrößert und oft verkäst. Schleimhaut des Magendarmkanals gerötet. PEVEusche Plaques und Solitärfollikel geschwollen (letztere oft bis zu Erbsengroße), nekro- tisiert oder nicht selten geschwürig verändert. Geschwüre finden sich auch manchmal an der Ileocökalklappe. Sämtliche Lymphdrüsen des Bauchraumes geschwollen und zum Teil verkäst. Milz mäßig vergrößert. Leber und Xieren parenchymatös getrübt. Lunge meist unverändert. Bronchial- und MediastinaldrUsen meist vergrößert. — In langsamer verlaufenden Fällen erscheinen die regressiven Veränderungen immer ausgeprägter. Die Kadaver in diesen Fällen sind abgemagert. Die Anschwellung an der Impfstelle und zahlreiche Lymph- drüsen des Körpers sind partiell oder total verkäst. Die Darmschleim- haut erscheint verdickt, stellenweise nekrotisch, mit käsigen Belägen und Geschwüren versehen. In der Rindensubstauz der Nieren finden sich oft knotenförmige Herde von Haselnussgröße, grauer Farbe und mit käseähu- lichem Inhalt. Die Schweinepestbakterien sind bei den nach subkutaner Impfung gestorbenen Schweinen im Blute sehr spärlich oder überhaupt nicht vor- handen. Spärlich, aber regelmäßig lassen sie sich in der Milz nach- weisen. Niemals fehlen sie in den nekrotischen Veränderungen der Impfstelle und in den verkästen Lymphdrüsen und Nierenherden. Salmon & Smith fanden, dass sich Schweine mit dem Blute an Schweinepest gestorbener Schweine auf subkutanem Wege sicherer infi- zieren lassen als mit Reinkulturen, trotzdem in dem Blute die Bakterien nur in geringer Zahl vorhanden sind. Diese Thatsache erklären sich die genannten Forscher dadurch, dass die Bakterien in dem injizierten und in der Subcutis bald gerinnenden Blute nicht nur vor den Angriff'en bakterienfeindlicher Einflüsse des Organismus geschützt sind, sondern auch in dem Blute einen guten Nährboden finden, in welchem sie sich ungestört vermehren können. Moore versuchte zu ermitteln, ob uud iu welchem Umtange in kleinen Mengen subkutan einverleibte Hogcbolerabakterien sich im Schweiuekörper verbreiten und wie lange die Bakterien in den einzelnen Orgauen am Leben bleiben. — Moore experimentierte mit vier gesunden Schweinen, die nach der Infektion mit 1 bezw. mit 1,5 ccm Bouillonkultur zu verschiedenen Zeiten getötet wurden. Es wurden dann stets Kulturen (liollröhrchen und Bouillon- kulturen) angelegt: 1. von der Impfstelle, 2. vom Herzblut, 3. von den Lungen, 4. der Milz, 5. der Leber, 6. den Nieren, 7. den Lymphdrüsen an der kleinen Kurvatur des Magens uud 8. von den Bronchialdrüseu. Die Schweiuepest- bakterieu wurden nachgewiesen 2 Tage nach der Impfung: in den Lokalveränderuugen der Impfstelle 7 » » » » in den Lokalveräuderungeu der Impfstelle in den Bronchialdrüsen in den Magendrüsen Schweineseuche nnd Schweinepest. 645 11 Tage nach der Impfung: in den Lokalveränderimgen der Impfstelle in den Brouchialdrüsen in den Magendriisen 30 » » » » nirgendwo Das Ergebnis des Versuches zeigt, dass die in kleiner Menge subkutan einverleibten Bakterien im ganzen Körper verbreitet wurden, denn sie konnten in Lymphdrüsen innerer Organe nachgewiesen werden. 30 Tage nach der Impfung waren sie aus dem Körper verschwunden. Zu keiner Zeit konnten sie im Blut, in der Milz, der Leber oder den Nieren nachgewiesen werden. Wahrscheinlich wurden die Bakterien allmählich im Körper vernichtet, eine Vermehrung derselben in größerem Umfange hatte nicht stattgehabt. Ueber Versuche mit eig'entlieher kutaner Infektion wird nirgendwo berichtet. Es ist anzunehmen, dass sich eine Infektion des Schweines auf diesem Wege gar nicht oder nur sehr selten erreichen lässt. Ein Versuch von Welch & Clement, welche »bv simply rubbing tlie lips of pigs with potato cultures« eine tödliclie Schweinepestinfektion erzeugten, kann hierher nicht gerechnet werden, weil die Infektion hier wahr- scheinlich per OS zustande kam. Intrayeuöse Infektiou. Die intravenöse Einverleibung des Schweine- pesterregers tötet Schweine in 1—3 Tagen unter dem Bilde einer hämorrha- gischen Septikämie. Während sich in dem Falle von Kaelinski, welcher innerhalb 24 Stunden tödlich verlief »nur vereinzelte Blutextravasate am Herzbeutel und Brustfell« vorfanden, zeigte ein von Salmon & Smith intravenös infiziertes Schwein sehr ausgebreitete hämorrhagische Läsiouen, insbesondere im Mageudarmkanal, au den Nieren, dem Epikard und verschiedenen Lymphdrüsen. Letztere waren außerdem zum Teil ver- größert. Die Milz erschien stark geschwollen und mit dunklem Blute prall gefüllt. — Die Schweinepestbukterien ließen sich in der Milz und im Blute nachweisen. Welch & Clement gelaug es in einigen Fällen von intravenöser In- fektion mit sehr kleineu Dosen (0,05 ccm Bouillonkultur und weniger] die Tiere längere Zeit am Leben zu erhalten. In diesen Fällen fanden sich bei der Sektion typische »buttons« (siehe weiter unten) im Dickdarm. Intraperitoneale Infektion. Schreibee infizierte auf diese Weise ein 6 Wochen altes Ferkel. Das Tier wurde 14 Tage nach der Impfung getötet. Bei der Sektion zeigte sich das viscerale Blatt des Peritoneums mit »häuf körn- bis haselnussgroßen, derben, gelbweißen Knoten besät. Dieselben waren auf der Durchschnittsfläche deutlich verkäst. Alle zugehörigen Lymph- drüsen waren geschwollen und enthielten im Innern ebenfalls käsige Herde. Im Darmkanal sowie im Parenchym der Leber, Milz und Nieren wurde nichts gefunden. Aus den käsigen Knoten und Drüsen konnten Reinkulturen des Bacillus suipestifer angelegt Averden. « Lungenversuclie. Von großem Interesse ist die Frage, 1. ob Schweine- pestbakterien von der Lunge aus in den Organismus des Schweines ein- zudringen und typische Schweinepest zu erzeugen vermögen und 2. ob die Schweinepestbakterien, in die Lunge des Schweines eingeführt, über- haupt eine spezifische Lungenerkrankung zu verursachen vermögen. Salmox & Smith haben diese Fragen zu beantworten versucht. Die angestellten Inhalationsversuche und die Versuche, die Tiere durch intratracheale Injektion der Bakterien zu infizieren, miss- 646 ^- Joest, laugen vollstäudig. Der Versuch Schweine, durch direkte Einfüh- rung- der Bakterien in die Lunge oder die Pleurahöhle von der Brust wand aus krankzumachen, niissglückte ebenfalls mehrere Male. Zwei Versuche dieser Art ergaben jedoch ein positives Resultat. Das eine intrapulmonal infizierte Schwein starb am 9. Tage nach der Impfung. Die Sektion ergab etwa folgendes: Einige Petechien im subperitonealen Bindegewebe; Milz vergrößert; Petechien in der Rinde einer Niere und in der Umgebung des Nierenbeckens der anderen. Mehrere Lymphdrüsen der Bauchhöhle vergrößert und hämorrhagisch. Im Blind- und Grimmdarm ist das Schleimbautepithel uekrotisiert. Die Lappen beider Lungen sind unter- einander und mit dem Perikard verklebt. Die Pleura erscheint verdickt und mit einem dünnen, netzförmigen Belage ausgestattet. Das Lungengewebe ist nirgends hepatisiert. Trachea und Bronchien enthalten eine geringe Menge rötlicher Flüssigkeit. Bronchialdrüsen und die an der hinteren Aorta gelegenen Drüsen hämorrhagisch. Kulturen aus der Pleurahöhle und der Milz ergaben das Vorhandensein der Schweinepestbakterien. Das andere Schwein starb sieben Monate nach der Infektion. Die hei diesem Tiere gefundene Lungenerkraukung war nach Salmon & Smith sehr wahrscheinlich dem Vorhandensein von Luugenwürmern und dem mechanischen Insult der Injektion zuzuschreiben. — Das Ergebnis des ersten der beiden vorstehenden Versuche würde zeigen, dass der Bacillus suipestifer, in die Lunge eingeführt, beim Schwein keine spezifische Pneu- monie bedingt. (Die charakteristischen Veränderungen des Darmes und der übrigen Bauchorgane in diesem Falle sind nach der Ansicht von Salmon & Smith dadurch entstanden, dass die Bakterien durch die Trachea in den Pharynx und von hier aus in den Mageudarmkanal gelangten.) Nach Welch & Clement aber erzeugt die intrapulmonale Ein- verleibung des Bacillus suipestifer von der Brustwand aus oft eine circumskripte Entzündung und Sequestration einer der Ein- stichstelle entsprechenden, begrenzten Lungenpartie; aber es kann auf diese Weise auch eine diffuse Hepatisation der Lunge mit konsekutiver Allgemeininfektion und Intestinalveränderungen zustande kommen. — »Characteristic pneumonia, associated with typical intestinal lesions« er- hielten Welch & Clement durch intratracheale Injektion von Bouillonkultur in mäßigen Dosen. Auf Grund der Versuche von Welch & Clement müssen die beiden eingangs gestellten Fragen in bejahendem Sinne be- antwortet werden. (Auch Salmon & Smith sind nicht geneigt, die Infektion von der Lunge aus bei der Hogcholera vollkommen auszu- schließen.) Iiitraiiitestinale Infektion und Fütterung. Gegenüber diesen Infektionsmodi sind Schweine, wie bereits oben erwähnt, außerordentlich empfänglich, vorausgesetzt, dass die Dosis des Infektionsmaterials nicht zu klein gewählt wird. Raccuglia infizierte zwei Schweine durch Injektion von je 7 ccm Bouillonkultur des Bacillus suipestifer in eine Ileum schlinge. Die beiden Tiere starben am 4. bezw. 5. Tage nach der Infektion. Der Sektionsbefund war folgender: »Stark abgemagerter Kadaver, Haut normal, Fettpolster fast vollständig verschwunden. In der Bauchhöhle fanden sich etwa 100 g klarer, wässeriger Flüssigkeit. Bauchfell normal. Darmkanal und Magen stärker ausgedehnt, Schweineseuche und Schweinepest. 647 im ganzen blas» aussehend. Magen mit gallig gefärbtem, breiigem Inhalt stark gefüllt, die Schleimhaut desselben in der Fundusgegend mit zähem, Aveißlichem Schleim bedeckt. Beim Abspülen solchen Schleims zeigte sich die Magenschleimhaut in der Fundus- und Pylorusregion sehr intensiv gerötet und weich. Der D a r m k a n a 1 war durchweg mit flüssigem, gelblichgrüu gefärbtem, stinkendem Inhalt gefüllt. Im Dünndarm war starke Schwellung sämtlicher PEYERScher Plaques vorhanden, die in der Nähe der Ileocökalöffuung gelegenen, stark intumeszierten PEYERSchen Plaques waren vollständig nekrotisch. Die Schleimhaut des ganzen Dickdarms war an den des Epithels noch nicht be- raubten Stellen mit einem gelblichen, kleieartigen Belag bedeckt, in großen Strecken war sie aber in ausgedehnte, verzweigte, miteinander zusammen- hängende, oder nur durch kleine Schleimhautinseln voneinander getrennte Ge- schwüre verwandelt, die bis in die Submucosa reichten und in flachen Rändern ausliefen. Die solitären Darmfollikel waren teilweise geschwollen, über das Schleimhautniveau emporragend, zu einer breiigen durch die noch erhaltene Schleimhaut gelblich durchschimmernden und auf Druck leicht herausfließenden Masse erweicht, teilweise an ihrer Oberfläche zu rundlichen, flachrandigen, lentikulären Geschwüren zerfallen. Die mesenterialen Lymphdrüsen w^aren drei- bis vierfach vergrößert, fest, von außen grauweißlich aussehend, auf dem Durchschnitt glatt, markig feucht. Milz unbedeutend vergrößert, von normaler Konsistenz, auf dem Durchschnitt waren die Pulpa, die Tra- bekeln und die MALPiGHischen Körperchen deutlich zu erkennen. Die Leber Avar etwas vergrößert, von normaler Farbe, an ihrer Oberfläche mit einer Unmasse (im anderen Falle mit einer geringeren Zahl] kleiner, stecknadelkopf- großer und noch kleinerer, weißlicher, flacher, sehr dicht nebeneinander ge- legener Herde überstreut. Schnittfläche glatt, zeigte auch eine Unmenge solcher Herde. Die Nieren von normaler Größe, Kapsel leicht trennbar, auf dem Durchschnitt war nur eine leichte Trübung der Rindensubstanz zu bemerken. « Die Brustorgane boten keine bemerkenswerten Abweichungen dar. — »In Ausstrichpräparaten vom Blute und von den Organen waren spärliche Bazillen; verhältnismäßig am reichlichsten waren sie in Deckglaspräparaten von der Leber und von der Lunge zu treffen.« Die mikroskopische Untersuchung' ergab im allgemeinen eine fast vollkommene Uebereiustimmung mit den oben beschriebenen Leber- und Darm Veränderungen des Kaninchens. Bezüglich der Leberveränderungeu waren Unterschiede nur insofern gegeben, als die nekrotischen Herde beim Schwein zahlreichere Kundzellen enthielten und dass die Bakterien nur in den größeren interlobulären Gefäßen (ebenfalls in kleinen Häuf- chen) nachgewiesen werden konnten. Die von Salmon & Smith, sowie von KarliSski ausgeführten Fttt- terungsversuche wurden teils mit Reinkulturen des Bacillus suipes- tifer, teils mit Organen von au Schweinepest verendeten Schweinen aus- geführt. Salmon & Smith stellten einen Fütterungsversuch an drei Schweinen mit Reinkulturen in folgender Weise an: Schwein a) hungerte 24 Stunden und erhielt dann zum Zwecke der Neutralisation der Magen- säure ca. 1 Liter einer 2proz. Sodalösung. Schwein b) hungerte lediglich und Schwein c) wurde gar nicht vorbereitet. Alle drei Schweine erhielten dann je 300 ccm Bouillonkultur des Hogcholeraba- cillus per os. Schwein a) starb am 3. Tage nach der Fütterung. Die Sektion ergab lediglich eine beträchtliche Kongestion der Magen- und Darm- 648 E. Joest, sclileimliaiit, sowie der Leber. Dass der Tod infolge einer Allgemein- infektiou mit Schweiuepestbakterien eingetreten war, zeigte die kulturelle Untersuchung der Milz, aus welcher dieselben reiugezUchtet werden konnten. Auch in der Leber fanden sich spärliche Schweinepestbakterien. Schwein b) ging am 10. Tage ein. Die bei der Sektion gefundeneu Veränderungen zeigten das Bild der Schweinepest weit typischer als a). Die Läsionen des Verdauungstractus waren sehr ausgeprägt. Die Magen- sehleimhaut war mit einer eigentümUehen Masse bedeckt, welche auf di- phtheroide Veränderungen hindeutete. Ileum allgemein injiziert; die PEYERschen Plaques erschienen tief gerötet und mit einer nicht abstreichbaren dünnen, gelblichen Auflagerung überzogen, welche wahrscheinlich aus nekrotischem Epithel bestand. Im Coecum und Kolon war die Schleimhaut oberflächlich nekrotisiert und in eine schmutzigweiße Masse umgewandelt. Die Wände des Darmrohres waren erheblich verdickt und sehr zerreißlich. In der Nähe des Rectums fanden sich isolierte Geschwüre, eingebettet in eine intensiv ge- rötete Schleimhaut. Die Ileocökalklappe war geschwollen, aber die Nekrose erstreckte sich nicht in das Ileum hinein, obgleich sich nahe der Klappe einige Geschwüre befanden. Leber hyperämisch. Milz desgleichen, nur wenig vergrößert. Lungen hypostatisch. Die Lymphdrüsen sind im allgemeinen nicht sehr stark affiziert. Im Blute und in der Leber konnten die Schweine- pestbakterien kulturell nachgewiesen werden. Schwein c) war am Tage nach der Fütterung etwas krank; es erholte sich indessen und schien mehrere Wochen lang gesund. Dann allerdings trat Kräfteverfall und Abmagerung ein. Es wurde am 44. Tage nach der Fütterung geschlachtet. Bei der Sektion stellte es sich herans, dass das Tier an einer schweren Erkrankung des Darmes ge- litten hatte. Die Schleimhaut des Coecum und Kolon war mit einer bräunlichen Schicht nekrotischen Gewebes bedeckt. Die Wand des Darrarohres erschien infiltriert und so erheblich verdickt, dass der Darm nach seiner Eröffnung nicht zusammen- fiel. Die Drüsen des Mesokolon waren stark vergrößert. Milz mäßig ge- schwollen; Nieren stark gerötet; Lungen und Herz normal. Ein von Karlinski ohne weitere Vorbereitung mit 300 ccm Schweine- pestkultur per OS infiziertes und dann noch im Laufe der drei nächsten Tage mit vier Agarkulturen des Bacillus suipestifer gefüttertes Schwein verendete am 20. Tage nach der ersten Fütterung, nachdem es vom 9. Tage an Durchfall gezeigt hatte. Die Sektion dieses Tieres ergab in der Hauptsache im unteren Teile des Dünndarmes, im Blind- und Grimmdarm vergrößerte und verkäste Solitär- foUikel und kreuzer- bis thalergroße Geschwüre. Einzelne Mesenterial- und Bronchialdrüsen erAviesen sich stark vergrößert und verkäst. Die Milz war wenig vergrößert, Leber und Nieren parenchymatös getrübt. Aus den ver-^ kästen Lymphdrüsen ließen sich die Schweinepestbakterien isolieren. Diese Fütterungsversuche wurden sämtlich mit großen Kulturmengeu (300 ccm Bouillonkultur) vorgenommen. Sie zeigen, dass sich mit dieser hohen Lifektionsdosis zwar stets die spezifische Schweinepesterkrankung auslösen lüsst, dass aber bei der Fütterung von Keinkulturen der Ver- lauf der Erkrankung außerordentlich abhängig ist von der Beschaffen- heit des Magens zur Zeit der Aufnahme des Infektionsmaterials Wir sahen, dass bei leerem Magen und nach gleichzeitiger Neutralisation des Schweineseuche und Schweinepest. 649 Magensaftes eine akut verlaufende Septikämie entstellt, dass bei leerem Magen ohne Neutralisation des Magensaftes eine verhältnismäßig rasch zum Tode führende typische Erkrankung des Verdauungstractus zustande kommt und dass endlich die Kulturfütteruug bei normalem Magen eine Schweinepesterkrankung mit mehr chronischem Verlauf zur Folge hat. Wir müssen aus diesem Ergebnis den Schluss ziehen, dass im normalen Magen weitaus der größte Teil der in Flüssigkeitskultureu verabreichten Schweinepestbakterien zu Gruude geht und dass nur wenige Individuen von ihnen, wahrscheinlich weil sie, von Nahrungspartikeln eingeschlos- sen, vor der Einwirkung des Magensaftes geschützt sind, in den Darm gelangen und hier pathogen wirken können. Mit dieser Auffassung würde auch die von Salmon & Smith ermit- telte Thatsache in Einklang stehen, dass die Fütterung kleiner Kultur- mengen bei den meisten Schweinen keinen krankmachenden Effekt hat. Im leeren Magen sind die verfütterten Bakterien der Einwirkung des Magensaftes weniger ausgesetzt. Ist endlich durch die vorherige Füt- terung von Alkali die Wirkuug des Magensaftes zum größten Teile auf- gehoben und passieren die Bakterien beim Fehlen von anderweitigem Mageninhalt den Magen schnell, so kann die verabreichte Bakterienmenge im Darm fast voll zur Wirkuug bezw. zur Kesorption gelangen, was eine akute Septikämie zur Folge haben kann. Im Gegensatz zu den Fütterungsversucheu mit Reinkulturen hat die Fütterung von schweinepestkrauken Organen beim gesunden, nicht weiter vorbereiteten Schwein fast stets typische, tödlich endende Schweinepest zur Folge. Nach Salmon & Smith gelingt die Infektion auf diese Weise in wenigsten 90 ^ aller Versuche. Der Tod tritt in etwa 7 bis 21 Tagen ein. Die Veränderungen, welche sich so erzeugen lassen, sind außerordentlich schwer. Die Schleimhaut des Dickdarmes erscheint in großer Ausdehnung ulzeriert oder vollständig nekrotisiert. Oft betrifft die Geschwürsbildung und die Nekrose auch das Ileum, was in natürlichen Fällen seltener beobachtet wird. So war in einem in 18 Tagen tödlich verlaufenen Fütterungsversuch von Salmon & Smith die Schleimhaut im hinteren Ileum vollständig nekrotisch, die Darmwand verdickt und die Serosa dieses Darmteils mit Ekchymosen übersäet, während sich im vorderen Teile des Hüftdarmes zerstreute Ge- schwüre auf einer tief geröteten Schleimhaut befanden. Auch im Duodenum fanden sich einige Geschwüre. — Karli.nski beobachtete bei einem mit schweinepestkranken Darmteilen gefütterten und am 21. Tage eingegangenen Schwein im Blinddarm »acht große, kuotenartige, dunkelschwarz gefärbte Wuche- rungen. Dieselben hatten eine ziemUeh breite Basis, ragten in das Lumen des Darmes hinein, waren von einer mäßig tiefen Furche umgeben und bestanden aus einer breiigen, durch einen dünnen Schorf bedeckten Masse, aus welcher sich die Schweinepestbakterien herauszüchten ließen«. — In der mäßig ver- größerten Milz lässt sich der Bacillus suipestifer in größerer oder geringerer Zahl nachweisen. Die Thatsache, dass Schweine, welche ohne weitere Vorbereitung mit schweinepestkranken Organen gefüttert wurden, viel häufiger und weit intensiver erkranken als Schweine, welche unter denselben Bedingungen eine große Menge Reinkultur erhielten, mag auf den ersten Blick um so auffalliger erscheinen als doch die Krankheitserreger in den Organen meist in nicht besonders großer Zahl vorhanden sind. Eine Erklärung findet dieses Verhalten aber dadurch, dass die Schweinepestbakterien im 650 E. Joest Innern der Gewebe der verfütterten Orgauteile vor der Einwirkung- des Magensaftes vorzüglich geschützt sind und so unbehelligt in den Darm gelangen können. Die Fütterung mit Reinkulturen des Bacillus suipestifer und mit schweinepestkranken Organen erzeugt somit Ver- änderungen des Darmes, welche der natürlichen Schweine- pest vollkommen entsprechen. Bei der Organfütterung sind die- selben nur meist viel schwerer, wie in natürlichen Fällen; auch verläuft hier die Krankheit meist rascher als in letzteren. Die Frage, weshalb bei der Schweinepestinfektion haupt- sächlich und in erster Linie stets der Dickdarm erkrankt, wird von Salmon & Smith etwa folgendermaßen beantwortet: Es ist Avahrscheinlich , dass die per os eingeführten Bakterien im Magen und Dünndarm keine Zeit finden • sich zu vermehren (woran sie im Magen auch durch den Magensaft gehindert werden). Dagegen begünstigt der lange Aufenthalt des Speisebreies im Dickdarm die Vermehrung der Bakterien außerordentlich und deshalb treten hier die ersten und schwer- sten Veränderungen auf. Wenn die letzteren an Intensität und Exten- sität so zugenommen haben, dass die Funktion des Dickdarmes voll- ständig gestört ist, so greifen sie auch auf das Ileum über, möglicher- weise infolge einer Rückstauung der infektiösen Ingesta vom Dickdarm aus. — Auf diese Weise würden die Dünndarmveränderungen nach der Organfütterung' eiue ungezwungene Erklärung finden, denn hier bestand ja stets eine sehr ausgedehnte und schwere Erkrankung des Dickdarmes. i) Allgemeine Bemerkungen über die pathogene Wirkung des Bacillus suipestifer. Im Vergleich mit dem Bacillus suisepticus erzeugt der Schweine- pesterreger im allgemeinen nur eine geringe Reaktion an der Impfstelle. Besonders auffällig tritt der Unterschied zwischen Tjeiden Bakterien bei der subkutanen Infektion kleiner Versuchstiere hervor. Beim Schwein und bei größeren Tieren (Pferd) verursacht der Bacillus suipestifer bei subkutaner Einverleibung circumskripte Anschwel- lungen mäßigen Grades mit nachfolgenden regressiven Veränderungen. Diese regressiven Veränderungen (besonders die Verkäsung) bilden über- haupt den regelmäßigen Ausgang fast aller durch den Schweinepest- erreger erzeugten lokalen Krankheitsprozesse. Insbesondere sind es die lymphoiden Gewebe (Lymphfollikel; Lymphdrüsen), die der Nekrose und Verkäsung unterliegen. KarliS.ski hat deshalb die Schweinepest als »eine Krankheit des Lymphapparates« bezeichnet und hat sie mit dem Abdominaltyphus des Menschen verglichen. Die Verkäsung der Lymphdrüsen ist entweder eine partielle oder eiue totale. Eine Ver- kalkung der Verkäsungen findet niemals statt. Die Gesamtheit der vorstehend beschriebenen Tierversuche zeigt uns die Schweinepesterkrankung als Allgeraeininfektion, bei der die Erkrankung des Darmes meist außerordentlich stark in den Vorder- grund tritt. Die Allgemeininfektion kann durch direkte Einführung des Virus in die Blutbahn oder in die Bauchhöhle erzeugt Averden. Sie kommt indessen auch bei anderer Art der Einverleibung des Virus häufig zustande. Von der Sul)cutis aus erfolgt die Verbreitung der Schweine- pestbakterien im Organismus zunächst in ähnlicher Weise, wie es oben für den liacillus suisepticus geschildert wurde. Der weitere Verlauf Schweineseuche und Schweinepest. 651 der Allgemeiuinfektiou \yeiclit jedoch etwas ab von dem Typus der eigentlichen Septikämie. Es kommt hier nicht zu jeuer immensen Ueber- schwemmuug des ganzen Kreishiufes mit Bakterien. Dieselben werden vielmehr größtenteils in den Gefäßsystemen, besonders den Kapillaren, der einzelnen Organe, zurückgehalten und ver- mehren sich hier außerordentlich stark. Diesem Verhalten ent- spricht auch die Verteilung der Bakterien im Organismus der Versuchs- tiere: wir finden sie am zahlreichsten in der Milz, gewissen Lymph- drüsen und in anderen parenchymatösen Organen (Leber, Nieren, Myokard u. s. w.). Sehr spärlich sind sie dagegen fast stets im Blute. Wenn man Schnittpräparate der einzelnen Organe von verschiedenen Versuchstieren, die der Allgemeininfektion mit dem Bacillus suipestifer erlagen, untersucht, so findet man die Bakterien hauptsächlich in den Gefäßen oder auch in Form von Haufen (ähnlich den Haufen des Typhusbacillus) in der Nähe von Gefäßen im Gewebe liegend. Diese Bakterienhaufen sind, wie aus ihrer Lage hervorgeht, dadurch entstanden, dass infolge von Gefäßruptur Bakterien in das benachbarte Gewebe ge- langten, wo sie sich vermehrten. Frosch schildert die Ergebnisse seiner diesbezüglichen Untersuchungen viie folgt: »Im allgemeinen fanden sich die Bakterien vorzugsweise in den Kapillar- gefäßen, welche sie auf weitere Strecken hin so vollständig ausstopften, dass man ein unvollkommenes Injektionspräparat zu erblicken glaubte. Hierbei hatten sie stets eine deutliche Kurzstäbcheuform. Wo sie in kleineren Venen auftreten, bilden sie immer die für Hüssiges Blutserum bezeichnenden, Kolonieen gleichzusetzenden Haufen, und man kann sich leicht vorstellen, dass bei der Passage durch die Kapillaren diese Haufen stecken bleiben und nun in der Längsrichtung der Kapillaren wachsen müssen. Ist eine gewisse Anzahl von Kapillaren auf diese Weise verstopft, so kann sowohl durch Steigenmg des Blutdruckes im Gesamtsystem, wie direkte Gefäßerkrankung, au der verstopften Stelle Ruptur eintreten und nun die Bakterien in das Gewebe gepresst werden « . Auch Bunzl-Federn hebt das charakteristische Bild hervor, welches in Schnittpräparaten die mit Bakterien vollgepfropften Gefäße aller Or- gane gewähren. ^ — Die experimentelle Allgemeiuinfektion mit Schweinepestbakterien nimmt also gewissermaßen eine Mit- telstellung ein zwischen den typischen Septikämieen und den durch Emboliebildung im Körper sich ausbreitenden In- fektionskrankheiten. Das eigentümliche Wachstum der Schweinepesterreger in den Ge- fäßen der inneren Organe liefert uns die Erklärung für das Zustande- kommen mancher der charakteristischen Organveränderungen, wie sie bei den dem Bacillus suipestifer erlegenen Versuchstieren gefunden werden. Wenn wir von dem fast nie fehlenden Milztumor, der ja eine Be- gleiterscheinung vieler septikämischer Allgemeininfektionen ist, absehen. so sind es besonders die bei manchen Impftieren beinahe regelmäßig auftretenden eigentümlichen Herde in der Leber, die unsere Aufmerk- samkeit zuerst in Anspruch nehmen. Wie weiter oben bereits bemerkt, handelt es sich bei diesen Herden um eine Koagulationsnekrose des Lebergewebes. Als Ursache derselben ist die Verstopfung von Gefäßen durch die Bakterien anzusehen, wodurch die Blutzufuhr zu dem betref- fenden Leberläppchen abgeschnitten wird. Eine ähnliche Genese haben die sogenannten »Pestknoten« in den Nieren und anderen Organen. Auch die regressiven Veränderungen in den Lymphdrüsen dürften 652 E. Joest, größtenteils auf eine Verstopfung von Gefäßen durch die Bakterien in Verbindung mit einer toxischen Einwirkung auf das Gewebe zurück- zuführen sein. Die in vielen Fällen bei den Versuchstieren beobachteten Ha- rn orrhagieen verdanken ihre Entstehung dem Wachstum der Schweine- pestbakterien in den Gefäßen der verschiedenen Organe. Die Hämor- rhagieen sind die Folge von Eupturen kleiner Gefäße, und diese Eupturen wiederum sind auf die durch die Bakterien bedingten Embolieeu zurück- zuführen (Salmox & Smith). Ob die bakterielle Embolieen dabei eine alterierende Wirkung auf die Gefäßwand ausüben oder ob ihre Wirkung eine mehr mechanische ist, lässt sich ohne weiteres nicht entscheiden. Es scheint beides der Fall zu sein. Das Schweinepestvirus hat eine spezifische Wirkung auf die Darmschleimhaut. Dieselbe kann primär und sekundär er- kranken. Eine primäre Erkrankung der Darmschleimhaut entsteht beiden empfänglicheren Versuchstieren regelmäßig nach der Einführung des Bacillus suipestifer in den Darm, sei es durch direkte intraintestinale Injektion, sei es durch in geeigneter Weise vorgenommene Verabreichung per OS. Die Erkrankung beginnt für gewöhnlich in den lymphatischen Ele- menten der Darmwand, den Solitärfollikeln und den PEYERschen Pla- ques. Wie oben bereits erwähnt, zeigen die Follikel zunächst Schwel- lung, werden dann nekrotisch und verwandeln sich endlich meist in kleine Geschwüre. In den nekrotischen Lymphfollikeln liegen die Bak- terien nicht innerhalb von Gefäßen, sondern frei zwischen den Zellen und meist an der der Oberfläche zugekehrten Partie des Follikels. Preisz ist der Ansicht, dass die Bakterien durch das unverletzte Epithel in die lymphatischen Organe gelangen; »denn häufig wurde die Schleimhaut über solchen, bereits stark infiltrierten und nekrotisierten Follikeln intakt gefunden«. Von den nekrotisierten Follikeln aus vermögen die Bakterien durch Vermittelung der Lymphgefäße und BlntgefäHe die Allgemein- infektion herbeizuführen (Eaccuglia konnte die Bakterien direkt bis in die an der Basis der Follikel gelegenen Lymphräume und die benach- barten Blutgefäße verfolgen). Die primäre Erkrankung der Darmschleimhaut kann indessen, wie es scheint, auch noch auf andere Weise zustande kommen. Nach Sal:mon & Smith beginnt der Krankheitsprozess an der Oberfläche der Mucosa. Nach diesen Autoren erscheint es sehr wahrscheinlich, dass die Bakterien in die Drüsen und Blutgefäße der Schleimhaut einwan- dern, die letzteren infolge ihrer rapiden Vermehrung bald verstopfen und so eine Koagulationsnekrose der oberflächlichen Schleimhautpartieen herbeiführen. Für diese Art des Krankheitsprozesses spricht die That- sache, dass diphtheroide Nekrosen bei der Schweinepest häufig auch auf der follikellosen Schleimhaut der Maulhöhle vorkommen, sowie dass Hämorrhagieen oft die Vorläufer der nekrotischen Veränderungen sind. Die Hämorrhagieen aber werden, wie vorhin dargelegt, durch die die Gefäße ausfallenden Bakterien bedingt. Durch die Anwesenheit der Bakterien in den Gefäßen ist ohne weiteres der Anlass zur Generali- sierung der Infektion gegeben. Die aus den Follikulargeschwüren und den oberfläch- lichen S c h 1 eimh a u tn e kr 0 s e u hervorgehenden weiteren schweren Veränderungen der Darmschleimhaut sind weni- ger dem Seh weinepestbacillus als vielmehr anderen im Schweineseuche und Schweinepest. 653 Darme der Versuchstiere Yorkommeudeu Bakterien zuzu- schreiben. Dieses wurde schon von Salmon & Smith betont. Baxg hat dann später die Aufmerksamkeit auf lauge Bazillen hin- gelenkt, welche sich in den nekrotischen Darm Veränderungen des Schweines in großer Menge vorfinden. »Eine mikroskopische Unter- suchung von Schnittpräparateu zeigte eine so charakteristische Ordnung dieser Bazillen, dass kaum ein Zweifel darüber bestehen konnte, dass sie im Prozesse eine Eolle mitspielten. Durch Impfung gelang es nach vielen vergeblichen Versuchen sie zu isolieren, und sie zeigten sich iden- tisch mit dem von Bang bei anderen nekrotisierenden Prozessen gefun- denen auaeroben NekrosebaciUus. Dieser Bacillus findet sich in großen Mengen in den erkrankten Darmteilen in regelmäßiger, parallel geordneter Lage an der Grenze des lebendigen Gewebes. Bang hat die Anwesenheit des NekrosebaciUus im Darminhalt gesunder Schweine nachweisen können, und er nimmt au, dass die Bazillen an denjenigen Stellen in die Darmwände hineinwandern, wo die Schweinepestbakterie bereits vorher mehr oberflächlich nekrotisierende Prozesse hervorgerufen hat. « (Jensen.) Eine sekundäre Erkrankung der Darmschleimhaut kann auf dem Blutwege bei Schweinen entstehen. Die nekrotischen Veränderungen der Darmschleimhaut entstehen in solchen Fällen dadurch , dass die Bakterien sich in den Gefäßen der Darmwand, insbesondere derSubmucosa, anhäufen und die Blutzufuhr zur Schleimhaut stellenweise abschneiden. Dabesonders die Gefäße der Submucosa betroffen sind, so gehen die entstehenden diph- theroiden Veränderungen und die nachfolgenden Geschwüre meist tiefer, als bei der primären Darmerkrankung. — Die beim Kaninchen nach subkutaner Infektion beobachtete Darmerkrankung (Hämorrhagieen, krupöse Entzündung) entsteht nach Salmon & Smith nicht auf dem Blutwege, sondern dadurch, dass aus den Herden in der Leber Schweine- pestbakterien durch die Gallengänge in den Darm gelangen. — Die Ur- sache der vorzugsweisen Erkrankung des Darmkanals bei der Scliweine- pest liegt nach Salmon & Smith im allgemeinen in dem anato- mischen Bau der Darmschleimhaut und ihrer exponierten Lage in Bezug auf die an die spezifischen Schweinepest- läsionen sich anschließenden weiteren nicht spezifischen regr es si v e u V er ä n dem n g e n. Kaun die natürliche Virulenz des Bacillus suipestifer durch Tierpassagen gesteigert werden? Diese Frage w^äre nach den An- gaben von VoGES zu bejahen. Dieser Forscher behauptet durch Tier- passagen bei einem Hogcholerastamme eine »ähnlich furchtbare Virulenz« wie beim Bacillus suisepticus erreicht zu haben. Bereits früher war eine ähnliche Angabe von Selander und von Metschnikoff gemacht worden. Es stellte sich jedoch heraus, dass Metschnikoff nicht mit dem Bacillus suipestifer, sondern mit dem Bacillus suisepticus gearbeitet hatte, bei welchem sich, wie oben erwähnt, eine Virulenzsteigerung durch Tierpassagen unschwer erreichen lässt. Es ist zu vermuten, dass Se- lander und auch Voges, welch letzterer damals den Bacillus suipestifer und suisepticus zu derselben Art rechnete, derselbe Irrtum passierte, wie Metschnikoff; denn alle weiteren Versuche auf diesem Gebiete haben die Angaben der genannten Forscher nicht bestätigen können. — Moore hat die Versuche Selanders mit dem Hogcholerabacillus wiederholt. Er ließ die betreffende Kultur eine ununterbrochene Iieihe von 26 Ka- 654 E. Joest, ninchen passieren, indem er jedes folg:ende Kaninchen mit einer Milz- emulsion des vorhergehenden infizierte. Eine Steigerung der Virulenz wurde nicht erreicht — im Gegenteil! die Bakterien zeigten gegen das Ende des Versuches eine geringe Abschwächung, was sich durch den etwas späteren Eintritt des Todes in der letzten Hälfte der Versuchs- reihe, verglichen mit der ersten Hälfte, dokumentierte. Welch & Cle- ment machten einen ähnlichen Versuch mit einer Serie von über 20 Kaninchen, ohne eine Abkürzung der Krankheitsdauer konstatieren zu können. Am Anfang wie am Ende des Versuches starben die Kaninchen regelmäßig in 4—6 Tagen nach der Impfung. Auch Schreiber giebt an, dass es ihm nicht gelungen sei, die Virulenz des Bacillus suipestifer durch Weiterimpfung von Maus zu Maus höher zu bringen. Auf Grund eigener Versuche an Mäusen kann ich die Angabe Schreibers bestä- tigen. — Wir müssen somit annehmen, dass die natürliche Virulenz des Bacillus suipestifer durch Tierpassagen künstlich nicht gesteigert werden kann. In Uebereinstimmung mit der von Moore bei seinem vorstehend erwähnten Kaninchen versuche gemachten Beobachtung, dass die Passage des Schweine- pestvirus durch eine Eeihe von Individuen derselben Art eine geringe Abschwächung desselben bedingt, konstatierten Salmon & Smith zu verschiedenen Malen, »that when a series of animals are fed with infected viscera, each from the one preceding it, the earlier ones of series will develop the most severe disease. The later ones are aifected by a more chronic malady and finally a point is reached when no disease is produced. In such an experiment seif inoculation or vaccination must be eliminated, as the animals are not exposed previous to the feeding.« Wiederholte Passagen durch Individuen derselben Art scheinen also eine Abschwächung des Virus der Schweinepest zur Folge zu haben. IV. Pathogenes Verhalten des Bacillus suipestifer bei natürlicher Infektion des Schweines. Nach den Untersuchungen von Salmon & Smith, sowie von Welch & Clement lassen sich zwei Formen der Scliweinepest unterscheiden, eine akute und eine chronische Form. Da diese beiden Formen der amerikanischen Autoren sich nicht vollständig mit dem decken, was man in Deutschland unter akuter und chronischer Schweinepest versteht, so scheint es mir richtiger, eine Einteilung weniger auf die Begriffe >akut« und »chronisch'; zu gründen, als vielmehr zu betonen, dass es zwei der Art und der Lokalisation des Krankheitsprozesses nach ver- schiedene Typen der Schweinepest giebt, die sich allerdings auch durch ihren Verlauf voneinander unterscheiden. Eine scharfe Grenze zwischen Ijeiden Formen existiert jedoch nicht, und es kommen mannigfache Uebergänge vor. Ob die Schweinepest mehr in der einen oder mehr in der anderen Form auftritt, ist in der Hauptsache ab- hängig von der Virulenz der Krankheitserreger, die nicht nur an verschiedeneu Orten, sondern auch zu verschiedenen Zeiten außer- ordentlich große Differenzen zeigt. Die Virulenz der Schweinepest- bakterien ist in manchen Jahren, wie Salmon (!t Smith beobachteten, eine höhere, und dementsprechend tritt in diesen Jahren die septikämisch- Schweineseuche und Schweinepest. 655 liämorrlmgische Form mehr in den Vordergrund, während in anderen Jahren bei geringerer Virulenz der Bakterien die intestinale Form tiber- Aviegt. Beide Formen entstehen fast ausschließlich durch die Ein- verleibung des Virus per os, obgleich die Möglichkeit, dass bei Epidemieen, die durch Bakterien von außergewöhnlicli hoher Virulenz verursacht werden, eine Infektion von der Cutis oder Öubcutis oder von der Lunge aus zu Stande kommt, nach Salmon & Smith immerhin besteht. Wir haben zu unterscheiden: 1. die septikämisch- hämorrhagische Form (akute Form der amerikanischen Autoren) und 2. die intestinale Form (chronische Form der amerikanischen Autoren). 1, Die septikämisch-hämorrhagische Form der Schweinepest. Dieselbe kommt häufig in Nordamerika, seltener in Mitteleuropa vor. Ihr Verlauf ist meist perakut; der Tod tritt oft in weniger als vier- uudzwanzig Stunden ein. — Die folgenden i\.ngaben sind der Monographie von Salmon & Smith entnommen. — Die hauptsächlichsten und fast die einzigen pathologisch-anatomischen Veränderungen bei dieser Form sind Hämorrhagieen in zahlreichen Organen. Am ausgeprägtesten finden sich die hämorrhagischen Läsionen in den Lymphdrüsen und an den serösen Häuten. Von ersteren sind am häufigsten betroffen die Drüsen des Mesokolon, die Bronchialdrüsen und diejenigen an der Brustaorta. Ferner weisen auch die Eetroperitoneal- drüseu und die Magendrüseu hämorrhagische Veränderungen auf. Sehr selten zeigen die Mesenterialdrüsen Extravasationen von geringem Umfang. Von den serösen Häuten sind Pleura und Peritoneum mit Hämorrhagieen versehen. Man findet dieselben in großer Zahl in Form von Petechien und größeren Flecken unter dem serösen Ueberzug des Dick- und Dünndarmes. Aber auch das parietale Blatt des Peritoneums (und der Pleura) w^eisen Blutungen auf — Die Milz ist mehr oder weniger vergrößert, weich und mit Blut stark gefüllt. — Der Digestionstractus ist gewöhnlich der Sitz umfangreicher hämorrhagischer Veränderungen. Die Fundusregion des Magens ist in der Regel tief gerötet. Der Dünn- darm weist in manchen Fällen in seiner ganzen Länge Ekchymosen auf. Im Dickdarm können dieselben so zahlreich sein, dass sie der Schleim- haut ein dunkelrotes Aussehen verleihen. ■ — Auch die Nieren sind gelegentlich von schweren hämorrhagischen Veränderungen betroffen. Die Glomeruli erscheinen als blutrote Punkte, während größere Extrava- sationen in der Marksubstauz und Blutergüsse rings um die Spitzen der Papillen vorkommen. — Die Lungen zeigen in einem kleinen Prozentsatz von Fällen subpleurale Ekchymosen in großer Zahl; auch das Lungengewebe selbst ist mit kleinen hämorrhagischen Herden durch- setzt. Seltener betreffen die Blutergüsse einen oder mehrere ganze Lappen. In einem Falle wies auch das Kleinhirn Petechien auf. — Das subkutane Gewebe am Bauche kann mit kleinen Blutimgen und hämatomähnlichen Blutansammlungen durchsetzt sein. Die septikämisch-hämorrhagischeu Fälle kommen besonders im An- fangsstadium von Epidemieen vor. Im weiteren Verlauf der letzteren machen sie meist der weniger rapid verlaufenden intestinalen Form der Krankheit Platz. 656 E. Joest, 2. Die intestinale Form der Schweinepest, Dieselbe stellt die gewöhnliche Erscheinungsform der Schweinepest dar. Ihr Verlauf kann akut, subakut oder chronisch sein. Meist er- kranken nach Schütz junge Tiere, Saugferkel oder Ferkel im Alter bis zu vier Monaten. Das Inkubationsstadium schwankt nach Graffuxder zwischen drei und zwanzig Tagen; bei jungen Tieren ist es kürzer, bei älteren länger. Auf die klinischen Erscheinungen kann hier nicht näher eingegangen werden. Die Dauer der Krankheit erstreckt sich auf zwei bis acht Tage oder mehrere Wochen. Bei milderen Seuchengängen zieht sich die Krankheit oft monatelang hin. Die Mortalität beträgt nach Salmon & Smith sowie Zschokke 80 — 90 %. Die bei der Sektion gefundenen Veränderungen sind in erster Linie diphtheroider*) Natur. Die Zunge weist häufig an ihrer Spitze, den Seitenrändern und ihrer unteren Fläche diphtheroide Stellen in Form grauweißer oder graugelber, trüber Flecke auf, aus welchen nach Abstoßung des Schorfes Geschwüre entstehen können. Aehnliche diphtheroide Stellen finden sich an der Schleimhaut der Backen, am Gaumen, Gaumensegel und an den Mandeln (Schütz). Die Magenschleimhaut zeigt katarrhalische oder hämorrhagische Erscheinungen, nicht selten auch krupöse Auflagerungen und diphtheroide Veränderungen. Der Dünn- darm weist im allgemeinen meist eine weniger schwere Erkrankung auf. Es können hier jedoch ebenfalls katarrhalische, hämorrhagische, krupöse und diphtheroide Prozesse auftreten. Die letzteren sind, wenn in größerem Umfange vorhanden, meist auf das Endstück des Ileums be- schränkt. In wohl allen Fällen von Schweinepest besteht eine katar- rhalische Reizung der Dünndarmschleimhaut, auch Hämorrhagieen sind nicht selten. Die letzteren betreffen oft nur die Darmzotten, häufiger jedoch die PEYERSchen Plaques, in manchen Fällen kommt es zu größeren Darmblutungen. Ist die Gefäßalteration durch die Schweine- pestbakterien eine hochgradigere, so kommt es zu krupösen Ausschwit- zungen auf der Schleimhautoberfläche. Die lymphatischen Apparate der Dünndarmschleimhaut sind stets geschwollen. Die uekroüschen Veränderungen im Dünndarm betreifen oft nur die Zotten, aber auch diffuse diphtheroide Verschorfungen der Schleimhaut kommen vor. — Die ausgeprägtesten und charakteristischsten Veränderungen bei der Schweinepest findet man regelmäßig im Dickdarm. Der Blinddarm ist meist am stärksten erkrankt und ist es besonders die Partie der Ileocökalklappe, welche in erster Linie und am stärksten af- fiziert wird. In weitaus der Mehrzahl der Fälle bildet der Rand der Ileocökal- klappe eine scharfe Grenze zwischen dem wenig erkrankten Dünndarm und der schwer veränderten Dickdarmschleimhaut. Nur bei sehr aus- gebreiteten schwereren Dickdarmläsionen greift der diphtlieroide Prozess auf das Ileum über. Die Ursache dieser Erscheinung wurde bereits *) In der Litteratur werden die entsprechenden Schweinepestveräuderungen fast stets als »diphtherische« bezeichnet. Dies ist nicht korrekt; denn nach un- seren heutigen Anschauungen haben die Worte »Diphtherie« und »diphtherisch« oder »diphtheritisch<' nicht mehr eine anatomische, sondern eine ätiologische Be- deutung. Diphtherie wird nur durch den KLEP.s-LöFFLERschen Diphtherie- bacillus verursacht. Die zahlreichen anderen nicht durch diesen Bacillus erzeugten charakteristischen Schleimhautnekrosen bezeichnen wir nach Weigert, Cohnheim und V. Behring als diphtherieähnliche oder diphtheroide Erkrankungen. Schweineseucbe und Scbweinepest. 657 oben (Seite 649] erwähnt. NUclist dem Blinddarm zeigt sich die vordere Hälfte des Grimnidarmes am stärksten von der Erkrankung betroifen. Das Eectum ist im allgemeinen weniger verändert und zeigt selten schwere diphtheroide Veränderungen. Neben einfachen Entzün- dungserscheinungen, Hämorrhagieen und krupösen Auflage- rungen herrschen im Dickdarm hauptsächlich diphtheroide Veränderungen vor. Die letzteren beginnen an den Lymph- follikeln oder mit oberflächlichen Verschorfuugen der Schleimhaut, wie oben (Seite 651) näher beschrieben. In akut verlaufeneu Fällen kann sich die Erkrankung der Darmschleimhaut auf diese Anfangsstadien beschränken. In weitaus den meisten Fällen aber finden wir die aus diesen Anfangsstadien hervorgegangenen schweren diphtheroideu Prozesse, welche der Dickdarmerkrankuug bei der Schweinepest ein so überaus charakteristisches Gepräge verleihen. Wir können drei Formen dieser schweren Veränderungen unterscheiden: 1. die circuinskripteu uekrotischeu Plaques. Dieselben bilden fünfpfennigstück- bis thalergroße runde oder ovale Schorfe, welche über das Schleimhautniveau nur wenig hervorragen, oft aber einen etwas gewulsteten Rand besitzen. Die Fläche der Plaques bildet eine schmutzig- gelbe, bräunliche, graue oder mehr schwärzliche, trockene, nicht selten zerklüftete, käseähnliche Masse, welche sich mit dem Messer abheben lässt, wobei man sieht, dass der Zerfallprozess im Ceutrum der Plaques tiefer reicht als nach den Rändern zu. Derartige nekrotische Plaques, welche infolge ihrer Neigung zu flächeuhafter Ausbreitung häufig kon- fluieren, werden von vielen Autoren als Geschwüre bezeichuet. Diese Bezeichnung ist indessen nicht zutreflend; ein Geschwür entsteht erst dann, wenn der nekrotische Schorf, wie es in langsam verlaufenden Fällen geschieht, abgestoßen wird. Die mikroskopische Untersuchung ergiebt, dass die Nekrose für gewöhnlich die ganze Mucosa betrifft. In diesem Falle ist die Submucosa stark infiltriert "und verdickt. Oft reicht die Nekrose, die nicht nur in der Fläche, sondern auch in die Tiefe fortschreitet, aber auch tiefer bis in die Muscularis und ruft dann Ent- zUndungserscheinungen und Infiltration in der benachbarten Serosa hervor. Ein Durchbruch der nekrotischen Herde oder der aus ihnen hervor- gehenden Geschwüre in die Peritonealhöhle findet niemals statt. Die reaktive Entzündung und Infiltration der Darmwaud an den von der Nekrose betroöenen Stellen führt vielmehr zu einer erheblichen Ver- dickung der Wand. Sind die nekrotischen Plaques sehr zahlreich und Ist durch Zusammenfließen derselben eine größere nekrotische Fläche ent- standen, so verdickt sich die Darmwand au solchen Stelleu allmählich derart, dass man, um einen sehr treöenden Vergleich von Petees zu ge- brauchen, beim Betasten des Darmes von außen den Eindruck hat, »als wären an der Innenfläche des Darmrohres feste Platten ausgespannt und hinderten das Zusammenfallen seines Lumens«. Nehmen die konfluierten nekrotischen Plaques die Oberfläche des ganzen Darmlumens auf einer größeren Strecke ein, so verwandelt sich der Dickdarm, besonders das Kolon in ein starres Rohr. Ist die Nekrose in solchen Fällen eine so tiefgehende gewesen, dass sie eine umfangreichere reaktive Entzündung in der Serosa bedingte, so kommt es zu Verklebungeu und Verwachsungen zwischen den einzelnen Grimmdarmlagen, so dass auf diese Weise das Dickdarmkonvolut zu einem einheitlichen derben Paket wird, welches sich unter Umständen schon von außen durch die Bauchdecken hindurch als solches fühlen lässt. Die Verdickung der Darmwand erfolgt zum Handtuch der pathogenen Mikroorganismen. III. 42 658 E. Joest, grüßten Teil auf Kosten des Lumens, so dass sich das letztere oft be- deutend verkleinert. Zu einer vollständigen Darmsteuose kommt es jedoch sehr selten. 2. Die diifuse diphtlieroide Nekrose. Während die circumskripten nekrotischen Plaques in allen Abteilungen des Dickdarmes vorkommen, ist die ditiuse diphtlieroide Nekrose fast stets auf den Grimmdarin be- schränkt. Dieselbe entsteht entweder durch Zusammenfließen sehr zahlreich vorhandener nekrotischer Einzelherde oder sie tritt von vorn- herein in diffuser Form auf. In leichteren Fällen ist dann die Schleim- haut mit einem kleieartigen Belage versehen, während in schweren Fällen die innere Darmoberfläche in größerer Ausdehnung mit einer diphthero'iden Pseudomembran von ähnlicher Beschaffenheit wie die nekrotische Fläche der circumskripten Plaques bedeckt ist. Meist ist nur die Mucosa von dem diphtheroiden Prozess betroffen. Die diffuse Nekrose der Darmschleirahaut kommt in spontanen Fällen nicht so häufig zur Beobachtung als nach künstlicher Infektion durch Fütterung. Auch bei dieser Form der Nekrose kommt es zur Verdickung der Darmwand und entsteht unter Umständen infolge Vertiefung der Zerfallsprozesse eine reaktive Entzündung des peritonealen Ueberzuges mit nachfolgender Verklebung der einzelnen Grimmdarmlagen. Nach Marek entsteht die diffuse Nekrose in der Weise, dass die Schweinepestbakterien »auf einmal oder schubweise in großer Quantität an einer ausgebreiteten Stelle in die Schleimhaut eindringen und verursachen dann daselbst ihrer Quantität, Virulenz und wahrscheinlich auch der Inklination des Tieres gemäß manchmal nur akuten Katarrh, ein anderes Mal aber hämorrha- gische Entzündung oder diffuse Nekrose«. 3. Die nekrotischen „Knöpfe" („buttons", „Pontons") stellen unzweifelhaft die charakteristischste Form der diphtheroiden Nekrose bei der Schweiuepesterkrankung des Dickdarmes dar. Die »Knöpfe« bilden circumskripte, erhabene, flachere oder mehr halbkugelförmige oder selbst der Kugelform sich nähernde nekrotische Herde von etwa der Größe einer Erbse bis zu der einer Haseluuss. Sie sind mit der Um- gebung fest verbunden, besitzen eine feste Konsistenz und eine gelbe, graugelbe oder mehr schwärzliche Farbe und oft eine konzentrische Schichtung. Sie sitzen in der Mucosa und reichen l)is in die Submucosa, oft aber bis in die Muscularis hinein. Eine scharfe Grenze zwischen den circumskripten nekrotischen Plaques und den nekrotischen »Knöpfen« lässt sich nicht ziehen. Man findet mannigfache Uebergangsformen. — Die »Knöpfe« entstehen stets aus Solitärfollikeln. Wie oben beschrieben, vergrößern sich die Follikel und fallen der Nekrose anheim. Ein derartiger nekrotischer Follikel bildet das Centrum des »Knopfes«. Infolge der reaktiven Entzündung und der Gewebsinfiltration an seiner Basis wird derselbe emporgehoben. Inzwischen ist die über dem Follikel liegende Schleimhaut ebenfalls verschorft worden, und das Ganze bildet nun infolge seiner Prominenz die Ablagerungsstelle von festen Partikeln des Darminhaltes, so dass um den Knopf sich gewissermaßen eine Schmutzkruste bildet, die bei längerer Dauer der Erkrankung natürlich an Dicke zunimmt. Die Vorbedingung für das Entstehen der Knöpfe ist also, dass der nekrotische Follikel sich nicht in ein Follikulargesch wür verwandelt, sondern seiner Form nach erhalten bleibt. Bei den diphtheroiden Nekrosen der Dickdarmschleimhaut handelt es Schweineseuche und Schweinepest. 659 sich um eine Koagulationsuekrose mit nachfolgender Ver- käsiing. Die vorstehend heschriebeuen schweren Veräuderung-en im Dick- darme sind, wie oben bereits bemerkt, nicht allein dem Bacillus sui- pestifer zuzuschreiben, sondern sie verdanken ihr Zustandekommen haupt- sächlich der sekundären Invasion von im Darmkanal vorhandenen anderen Bakterien, besonders aber dem Nekrosebacillus. Der Ausgang der schweren diphtheroideu Prozesse im Darmkaual ist ein verschiedener. Ausgebreitete Nekrotisierungen führen meist bald den Tod des betreffenden Tieres herbei. Tritt bei weniger umfangreichen Zerstörungen der Tod nicht ein, so kommt es nach Abstoßimg der diphtheroiden Schorfe zur Geschwürsbildung und zur Heilung der Ge- schwüre. Meist setzen die Heilungsvorgänge schon unter den Schorfen ein, indem sich eine Demarkatiouszoue bildet. Die Substanzverluste werden durch Granulationsgewebe ausgefüllt, welches des weiteren ver- narbt. Die Schweinepestnarben sind wenig auffällig; sie bilden glatte, grauw^eiße, im Niveau der Schleimhautober- fläche liegende Flecken. Stenosierung des Darmes infolge von Schrumpfungsprozessen im Narbengewebe, wie sie von Makek sowie von Gerosa & BiLLiTz beschrieben wird, scheint sehr selten zu sein. Bezüglich der Entstehungsgeschichte der Darmveränderungeu verweise ich auf meine oben gemachten Ausführungen. Von den Veränderimgen der übrigen Organe ist noch folgendes hervorzuheben: Die Lymphdrüsen des Verdauuugsapparates erscheinen stets vergrößert und nicht selten zum Teil verkäst. Die Verkäsung be- trifft besonders häutig die Mesenterial- und Kehlgaugsdrüsen. Verkal- kung wird, wie bereits bemerkt, in den Verkäsungen der Schweine- pest niemals beobachtet. — Die Milz ist in der Kegel nicht vergrößert und meist unverändert. — Leber und. Niereu erscheinen parenchymatös getrübt. In seltenen Fällen findet man nekrotische Herde (» Festknoten «) in Milz, Leber und Nieren (Preisz, Marek). Graffunder, Marek sowie Welch & Clement beobachteten die nekrotischen Veränderungen in der Leber häufiger. Marek beschreibt den mikroskopischen Befund der- artiger Lebernekrotisiernngen in ähnlicher Weise, wie bereits oben für das Kaninchen angegeben, woraus hervorgeht, dass es sich in beiden Fällen um den gleichen Prozess handelt. Welch & Clement heben als gelegentlichen Befund hyaline Thrombose der Nierenkapillaren hervor. — Nach Salmon & Siirrn gehört Pneumonie nicht zu den spe- zifischen Erscheinungen der reinen SchAveinepest. Die Ver- änderungen der Lunge, welche nicht selten bei schweinepestkranken Schweinen gefunden werden, sind nichts Spezifisches ; denn sie kommen auch bei nicht an Schweinepest leidenden Schweinen vor. Manche dieser Veränderungen können vielleicht auf die Schwächung des Or- ganismus durch die Schweinepesterkrankung zurückgeführt werden. Wo Lungen Veränderungen vorliegen, ist fast stets der Bacillus suisepticus im Spiele. Auch. der Nekrosebacillus kann nach Bang in der Lunge schweinepestkrauker Schweine nekrotisierende Prozesse hervorrufen. Die in erkrankten Lungenpartieen bei Sehweinepest ge- fundenen Schweinepestbakterien sind nach Salmon & Smith entweder durch den Blutstrom oder von außen dorthin gelangt und haben sich hier sekundär angesiedelt. Im Gegensatz zu Salmon & Smith glauben indessen W^elch & Clement sowie Preisz, dass Pneumonie auch bei unkomplizierter Schweinepest vorkommen kann. Nekrotische Prozesse 42* 660 E. Joest, können bei der Schweinepest auch in der äußeren Haut vorkommen. So beobachtete Schütz derartige Yeränderung-en an den Zitzen säugender Sauen. Auch andere Schleimhäute als diejenigen des Verdauungskauais können diphtheroide Stellen zeigen. Welch & Clement konstatierten solche auf der Nasenschleimhaut, den Konjunktiven, in der Vagina u. s. w. Was die Pathogenese der Schweinepest anbelangt, so unterliegt es keinem Zweifel, dass die Infektion fast ausschließlich durch den Verdauungstractus erfolgt. Andere Infektionsmodi (z. B. durch subkutane Einverleibung des Virus) sind zwar theoretisch als möglich zu bezeichnen, dürften jedoch praktisch kaum eine Rolle spielen. Im Darme siedeln sich die durch die Nahrung, das Trinkwasser oder beim Wühlen der Schweine im Boden oder in der Streu aufgenommenen Schweiue- pestbakterien au und verursachen eine Primärerkrankuug dieses Organs. Die intestinale Schweinepest darf jedoch nicht als reine Lokalaffektion des Darmes betrachtet werden. Vom Darme aus werden die Bakterien auf dem Wege der Lymph- und Blutgefäße resorbiert und verursachen eine Allgemeiniufektiou des Organismus, die sich in der Erkrankung der Leber, der Milz, der Nieren u. s. w. ausspricht. Allerdings ist diese Allgemeiuinfektion meist leichterer Art und tritt gegenüber der Erkrankung des Inte- stinaltractus vollständig in den Hintergrund. Von einer Uebertragung der Schweinepest auf andere Tiere ist nichts bekannt. V. Verschiedene Varietäten des Bacillus suipestifer. Die einzelne Schweinepestkultur zeichnet sich durch eine große Konstanz ihrer Eigenschaften aus. Bereits oben wurde hervorgehoben, dass die natürliche Virulenz der Schweiuepestbakterien nicht durch Tierpassagen künstlich gesteigert werden kann; eine ähn- liche Beständigkeit, wie die Virulenz, zeigen auch die übrigen Eigen- schaften dieses Krankheitserregers. Abgesehen von dieser Konstanz der Eigenschaften der einzelnen Kultur, zeigen die Schweinepestbakterien aus verschiedenen Seuchenherden oft derartig bemerkenswerte Differenzen, dass man von verschiedeneu Varietäten des Bacillus sui- pestifer sprechen kann. Die Eigenschaft, welche die größte Mannig- faltigkeit zeigt, ist die Virulenz. Alle Varietäten des Bacillus suipestifer stimmen aber in mehreren Haupteigenschaften und in der Art der von ihnen bei Schweinen erzeugten Krankheit überein. Jede einzelne Varietät hält, soweit die Beobachtungen reichen, ihre l)esouderen Eigen- schaften ziemlich fest, so dass eine Umwandlung einer Varietät in eine andere auf künstlichem Wege bis jetzt nicht beobachtet wurde. Nach der Beschreibung der »Marseiller Schweineseuche« durch R1ET.SCH c^ Jober r wurde mehrfach die Frage diskutiert, ob das von diesen Forschern gefundene bewegliche Bakterium mit dem Hog- cholerabakterium Salmoxs identisch sei oder nicht. Das Marseiller Bakterium unterscheidet sich in folgenden Punkten vom Hogcholera- bakterium: Es wächst rascher und üppiger auf verschiedeneu Nährböden (Rietsch & Joi3EKr). Es bringt Milch in längstens acht Tagen unter Säurebildung zum Gerinnen (Caneva, Bunzl-Federn). Im übrigen stimmt es mit dem Hogcholerabakterium überein. Rietsch & Jobert Schweineseuche und Schweinepest. 661 wie auch Caneva und Buxzl- Federn halten deshalb die Marseiller Seuche und die Hogcholera für verschiedene Krankheiten. Heute wissen wir, dass es sich hier lediglich um eine besondere Varietät des Bacillus suipestifer handelte. Smith, der die Ditfereuzen zwischen den Schweinepestbakterien ver- schiedener Herkunft zuerst richtig erkannt und gedeutet hat, unter- scheidet folgende Varietäten : Bacillus «. Es ist dies die zuerst gefundene und am weitesten ver- breitete Varietät, der Typus des Bacillus suipestifer, wie er in vorstehender Abhandlung beschrieben ist. Bacillus l^i wurde aus einem Schweinepestausbruch in Nebraska isoliert. In Bouillonkulturen bildet er nach 24 bis 36 Stunden eine dünne, zerbrech- liche, aber vollkommene Membran an der Oberfläche. Die mikroskopische Untersuchung der Kultur ergiebt, dass die Bakterien in der Flüssigkeit die- selbe Größe und Beweglichkeit haben, wie der Bacillus a. In der Ober- flächenmembran sind die Stäbchen indessen augenscheinlich eine Kleinigkeit länger und nicht beAveglich. Ferner unterscheidet sich der Bacillus ß dadurch von a, dass er eine stärkere alkalische Reaktion des Nährbodens fordert als ((. Wenn diese Forderung erfüllt ist, wächst ß sogar noch üppiger als a. Die Virulenz von ß war ursprünglich ein wenig geringer als diejenige von a. Der Bacillus ß tötete Mäuse und Kaninchen, zwei Meerschweinchen indessen widerstanden der Impfung. Ein Schwein konnte durch Fütterung einer großen Quantität Bouillonkultur getötet werden. Die Virulenz des Bacillus ß war nach 6 1,2 jähriger künstlicher Fortzüchtung noch vorhanden. Ebenso zeigte der Bacillus noch seine Beweglichkeit und sein Gärungsvermögeu in Glukosebouillon. Bacillus y. Diese Form wurde im Jahre 1890 aus der Milz eines Schweines erhalten. ;' ist weniger virulent als der Bacillus a ; denn es bedarf eines ganzen Kubikcentimeters Bouillonkultur, um ein Kaninchen durch intravenöse Injektion zu töten. Im übrigen weicht diese Varietät in ihren morphologischen und biologischen Eigenschaften nur wenig vom Bacillus « ab. Bacillus d wurde zu gleicher Zeit isoliert wie der Bacillus ;'. In mor- phologischer Hinsicht stimmt er im allgemeinen mit « überein, obgleich die Einzelindividuen ein wenig plumper erscheinen. Anfangs wuchs der Bacillus in Bouillonkulturen in Klumpen. Diese Eigentümlichkeit behielt er für Monate, und auch nachdem er mehrere Kaninchen passiert hatte, bei. Später scheint dieselbe indessen verschwunden zu sein. Die Virulenz ist sehr gering. Der Bacillus scheint auf Schweine keine Wirkung zu haben. Bacillus e. Diese Varietät wurde aus einem Schweinepestausbruch in Virginia im Jahre 1890 erhalten. Sie stimmt fast vollständig mit a überein. Nur in mehreren Punkten unterscheidet sie sich von der Hauptform: Das Wachstum auf der Gelatineplatte ist etwas abweichend; ferner besitzen die Kolonieen eine zähe Beschafienheit. Das Wachstum auf Agar ist mehr diffus. Bacillus 'S. Diese interessante Varietät des Hogcholerabacillus wurde im Jahre 1889 bei einem etAvas abweichend sich verhaltenden Schweinepest- ausbruch gefunden. Diese Form erscheint ein wenig größer als a und wächst üppiger in den verschiedenen Kulturmedien. Smith glaubt deshalb, dass diese Varietät der saprophytischen Form näher steht als a. Der Bacillus 1.' zeigt in seiner Virulenz bemerkenswerte Unterschiede gegenüber dem Bacillus cc. 662 E. Joest, er ist weniger virulent für Kaninehen, wirkt jedoch pathogen anf Mäuse. Meerschweinchen und Tauben. Diese Varietät erzeugt bei Schweinen echte Hogcholera. Die hauptsächlichsten Veränderungen findet man dabei im Dick- darm und im Magen. Die Krankheit verläuft mehr chronisch als diejenige, Avelche der Bacillus a verursacht. Bacillus ri wurde 1891 durch Moore aus den Organen eines Schweines gewonnen. Diese Varietät gleicht in allen Beziehungen dem Bacillus «, nur ist sie unbeweglich. Eine weitere unbewegliche Varietät des Hogcholerabacillus hat später Smith beschrieben. Auch diese gleicht, abgesehen von der Be- weglichkeit, vollkommen der Hauptform «. Bei der LöFFLERScheu Geißel- färbung konnten keine Geißeln nachgewiesen werden. Von verschiedenen Seiten (so von Preisz) ist bezweifelt worden, dass es sich bei diesen unbe- Aveglichen Formen um echte Schweinepestbakterieu handelt. — Da alle übrigen Merkmale dieser unbeweglichen Bakterien mit denjenigen des typischen Bacillus suipestifer übereinstimmen, so liegt kein Grund vor, daran zu zweifeln, dass diese Formen Varietäten der beweglichen Art sind, und das um so weniger, als wir wissen, dass die Beweglichkeit unter Umständen (z. B. durch längere Fortzüchtung in künstlichen Nährböden allmählich verloren gehen kann, indem die vorhandenen Geißeln eine Rückbildung erfahren. Ferner giebt es doch auch z. B. eine unbewegliche Varietät des Bacterium coli commune. Welch & Clejuent teilen mit, dass sie oft abgeschwächte Formen des Bacillus suipestifer angetroffen haben, welche Kaninchen auf subkutanem Wege nicht infizierten, dagegen den Tod dieser Tiere nach intravenöser Ein- verleibung durch eine intensive Darmerkrankung herbeizuführen imstande waren. Ferner behaupten Welch & Clement Schweinepestbakterien ge- funden zu haben, die für Kaninchen durchaus unschädlich waren, die aber nach Fütterung bei Schweinen diphtheroide Prozesse im Darmkanal hervor- riefen (meist ging diese Erkrankung allerdings in Heilung über). Auch Bang fand unabhängig von den SMiTHschen Untersuchungen, dass es verschiedene Varietäten des Bacillus suipestifer giebt. Im Jahre 1887 isolierte er eine Bakterieuform , welche der SMiTHSchen Hauptform cc sehr nahe stand, die nur etwas weniger virulent gewesen zu sein scheint. »Bei den späteren sporadischen Ausbrüchen der chronischen Schweinepest war es nicht möglich, denselben Bacillus aufzufinden, während dagegen eine Form sich vorfand, die weit lebhafter wuchs, nicht virulent war gegen Mäuse und Kaninchen, aber dennoch bei Fütterung eine Dickdarmdiphtherie von charak- teristischem Aussehen bei Schweinen hervorrief. Diese letzte Form kann nicht auf irgend Avelche von Smiths Varietäten zurückgeführt werden, nähert sich aber in gewissen Beziehungen den Formen ;' und C.« (Jensen.) Mischinfektion von Scliweineseuche und Schweinepest. Eine besondere P>ezeichnung für die Mischinfektion von Schweine- seuebe und Schweinepest ist nirgendwo gebräucblich. Jedoch deuten die Namen »Pueumoenteritis of swine« (Klein) und Pneumo- enterite du porc unzweifelhaft auf die Mischinfektion hin. Schweiueseuche und Schweinepest treten häufig gemein- schaftlich, nicht nur in ein und demselben Scbweinebestande, Schweineseuche und Schweinepest. 553 souderu auch bei ein und demselben Individuum gleichzeitig auf Bei der feektion tmden sich dann die pathologisch- anatomischen Merkmale beider Seuchen mehr oder weniger deutlich ausgeprägt vor S'stTt^ dt ? \'^^k*,^"<^l'^F«che Untersuchung ergiebt in solchenl^ällen tast stets das \orhaudensem sowohl des Bacillus suisepticus als auch des Bacillus suipestifer. Wie bei der reinen Schweinepest, so kann letzterer auch hier, besonders bei chronischem Verlauf der Erkrankun«. nicht mehr nachweisbar sein; in solchen Fällen lassen aber die für an c7erÄi ''''^''"'^'''^f ^' Darmveränderungen meist keinen Zweifel an clei Beteiligung des Bacillus suipestifer .euT.^^l '^'' ,^' r''e ¥ ^'"'^^ '^"'^■'^"^^^■^' *^*'^^^" '^'^^^^ die Schweine- seuche, als auch die Schweinepest ursprünglich in reiner Form auf Die Vermischung beider erfolgte in Europa nach Einschleppung der Schwein - pest, m Amerika trat, nachdem dort die Schweinepest Decennien ang die alleinherrschende Seuche gewesen war, ebenfalls die Misch- infekt on mit Schweineseuche auf. Ob die letztere von Europa aus nach Amerika eingeschleppt wurde oder ob sie als ein Autochthone dieses Landes anzusehen ist, ist zweifelhaft. Durch Vermischung der ful'ZuZ\'T^^ r^^ cler Schweinepest entstand eine Seuche, mehr wi A '^''m"'" Bösartigkeit ausgezeichnet ist und die \u br^pL 'J'V'" ^^"/^l^e^ Seuchen, zu explosionsartigen Ausbiuchen und besonders zur epidemischen, ja zur pan- demischen Ausbreitung hinneigt ^ sen.?r ^^n^l'^QT^'^-"' ^^^^«Jojkommen einer Mischinfektion von Schweine- rn ..1' fecliweinepest richtig erkannt hat, war Salmon. Dieser Fol scher erkannte bereits im Jahre 1886 bei der Entdeckung der Swine- plague m Amerika das Vorkommen einer Vermischung der letzteren mit Hogcholera. Sal.k.x schrieb damals in Bezug auf^ diesen Punkt ZlFTZl "A^ Ta' ^'''^ '^ *^^ '^'"'^'''^ ^"d even in the same auimal of two wholly different microbes, which produce them, compli- '^en r^ifri-r^-^T-'^'^V- ~.^''' f*^'^-^^^^^ ^ehn Jahre 'brachten iilktio.? V 1^"'^ die Existenz einer solchen Misch- infektion. Von BiLLiNGS bis zu VoGES versuchte man die Unmöglich- koLj'' ^^^^ Lächerlichkeit der Annahme einer Mischinfektion von Äe^tW t ""^^ Schweinepest zu beweisen, bis endlich Preisz der zu eröT/e^^^ ^'"''*^- ^' J^'*^^^^!* «^«1^ bei der hier suchte. Z?- ^^^^^:^!!"f*^^'\t^«» n^f^t. wie ihre Gegner zu behaupten vei- W \r.r ' ^^^^»^l'^^tische« Entstehung einer Infektionskraikheit im Kr-^.^Vh.it^:f ' ''"'^'™i ""\/^^' Vermischung zweier selbständigen Sd hie^^ ?;n.ri '"''' '■)[' Mi«^l"»fektion, die in ihrer praktischen deutu i bi^ Pf f "^1? T'^'* ?f "^'^ gewürdigten wissenschaftlichen Be- deutung bis jetzt allerdings ihresgleichen in der humanen und Veteri- nären Pathologie nicht gefunden hat. Experimentelle Misehinfektion. a) Kaninchen. AT- M'^M^'•''''^''' ^^' empfänglichen kleinen Versuchstieren eine echte M clmifek tion zu erzeugen, scheitern meist daran, dass die gleichzeit g mit dem Bacillus smsepticus und dem Bacillus suipestifer infizierten Tiere meist rasch der Infektion mit ersterem lü-ankheLseiTcger erlie^^^^^^^ 664 E. Joest, bevor eine Allgemeiuiufektion mit dem letzteren eintreten kann. Bei diesen Tieren findet man dann bei der bakteriologischen Untersuchung des Blutes und der inneren Organe nur den Bacillus suisepticus. Afanassiff umging diese Schwierigkeit dadurch, dass er eine abge- schwächte Schweineseuchekultur wählte, welche Kaninchen in derselben Zeit tötete wie die gleichzeitig benutzte Schweinepestkultur. — Von beiden Kulturen wurden gleiche Mengen einem Kaninchen an beiden Hinterschenkeln subkutan injiziert. Das Tier starb nach 31/4 Tagen. Die Sektion ergab folgendes: An den Injektiousstellen Infiltrate der Subcutis und der benachbarten Muskeln. Schleimhaut der Trachea stark in- jiziert, Lungen fleckenweise hyperämisch mit einigen Blutungen. Gering- gradige Peritonitis sero-fibrinosa. In der Leber ein erbsengroßer nekrotischer Herd, Milz vergrößert, derb. Darminhalt flüssig, Schleimhaut des Darmes injiziert, mit vereinzelten kleinen Blutungen, Follikel etAvas vergrößert, Mesenterialdrüsen vergrößert. Der Sektionbefund spricht, wie Afaxassieff bereits hervorhebt, für das Vorhandensein einer echten Mischinfektiou. Von den aufgezählten Erscheinungen sind die Hyperämie der Trachea, die Lungenverände- rungen und die Peritonitis der Schweineseuche zuzuzählen, während Leber, Milz und Darm für Schweinepest charakteristische Veränderungen aufweisen. — An den beiden Infektionsstellen fanden sich die jeweils injizierten Bakterien in Keinkultur vor. Das Blut enthielt dagegen, wie die Kultur ergab, beide Bakterienarten. Es handelte sich somit um eine Allgemeininfektion mit beiden Bakterien. b) Schwein. Zahlreiche Versuche über experimentelle Mischinfektion von Schweine- seuche und Schweinepest hat KakliSski angestellt. Auch Pefisz be- richtet über einen zufällig zustande gekommenen Fall. Diese Versuche lassen sich in drei Gruppen einteilen. 1. Die erste Gruppe umfasst Versuche, bei welchen lebende Schweineseuche- und Schweinepestbakterien gemischt oder getrennt voneinander, gleichzeitig oder durch einen kurzen Zeitraum geschieden, subkutan injiziert wurden. In den von Kaklinski mitgeteilten fünf Versuchen dieser Gruppe starben die infizierten Schweine in 14 — 21 Tagen. Bei der Sektion fanden sich mehr oder weniger charakteristische Ver- änderungen beider Seuchen vor; die Veränderungen waren in ihrer Aus- dehnung und Beschaffenheit in den einzelnen Fällen jedoch verschieden. Die Lungen, besonders deren unteren Partieen, wiesen käsige Prozesse und in zwei Fällen Kavernenbildung auf. Im Darm fanden sich in einem Falle »schwarzbraune Wucherungen von der Größe einer Maulbeere beim Eingange in deu Blind- darm« ; hier erwiesen sich ferner fast alle Mesenterialdrüsen geschwollen und die solitären FoUikel des Dünndarmes verkäst. Gleichzeitig bestand mäßige Milzvergrößerung. In zwei Fällen zeigten sich Darmgeschwüre (in einem Falle von der Größe eines Thalers; hier waren gleichzeitig die Milz mäßig vergrößert, die Mesenterialdrüsen geschwollen, die solitären Follikel verkäst und es fand sich ein haseluussgroßer nekrotischer Herd in einer ISiere; außer- dem bestand Verkäsung der rechtsseitigen Leistendrüsen). Bei einem Schwein wies die Magenschleimhaut mehrere kreuzergroße nekrotische Stellen auf; hier Schweineseuche und Schweinepest. 665 war auch Verkäsimg der Meseuterialdrüsen vorhanden. In einem Falle end- lich wurden »sehr geringfügige Veränderungen im Darmkaual« beobachtet, während hier die Lungen Veränderungen (»nussgroße, mit käsigem Inhalt ge- füllte Knoten in beiden Lungen«) sehr ausgeprägt erschienen. Die bakteriologische Untersuchung ergab, dass in allen Fällen die ver- änderten Lungenpartieen nur den Schweine se uchebacillus, die Meseuterial- drüsen, die Darmgeschwüre, die verkästen Darmfollikel sowie der Nierenherd und die verkästen Inguinaldrüsen des einen Falles dagegen den Schweine- pestbacillus in Reinkultur enthielten. In der mäßig vergrößerten Milz des einen Falles fand sich vorwiegend der Seucheerreger, gleichzeitig aber auch sehr spärlich der Pestbacillus, Avährend im anderen Falle die ebenso be- schafi'ene Milz nur den Seucheerreger beherbergte. In dem Falle von Preisz, iu welchem das Schwein hauptsächlich Seuchebakterieu, dagegen nur wenige Pestbakterien erhalten hatte, trat der Tod des Tieres erst 10 Wochen nach der Impfung ein. Bei der Sektion fand sich ein hühuereigroßer nekrotisierter Tumor an der Injektionsstelle (rechter Hinterschenkel). Die Lymphdrüsen und die Mus- kulatur der Nachbarschaft des Tumors enthalten »erbsengroße, runde, scharf- begrenzte, weiße, derbe Knötchen«. »Bauchwärts von der Inguinalgegend bis an den Psoas finden sich vergrößerte Lymphdrüsen, die zum Teil uekro- tisiert, zum Teil blutig infiltriert sind«, üeber die inneren Organe wird nichts mitgeteilt. Aus der Geschwulst au der Impfstelle und »aus einem nekrotischen Herd einer Lymphdrüse« wuchs nur der Pestbacillus. In »einem erweichten nekrotischen Herde einer Drüse« ließ sich durch Impfung einer Maus der Bacillus suisepticus nachweisen. Aus diesen Versuchen (vergl. auch den Kauinchenversuch von Afa- nassieff) ergiebt sich, dass Schweineseuche- imd Schweinepestbakterien nebeneinander, ohne sich gegenseitig zu stören in ein und demselben Organismus sich zu entwickeln und pathogen zu wirken vermögen. Die Sektionsbefuude zeigen uns im großen und ganzen charakteristische Ver- änderungen der Schweineseuche neben denjenigen der Schweinepest. Die bakteriologische Untersuchung ergiebt, dass im allgemeinen die für Schweineseuche charakteristischen Veränderungen nur den Bacillus suisepticus, die für Schweinepest charakteristischen Veränderungen nur den Bacillus suipestifer enthalten. Ueber die genaue Verteilung der Bakterien im Organismus in den vorliegenden Schweineversucheu lässt sich nichts aussagen, da die betreflfenden Arbeiten Angaben über die bakteriologische Untersuchung des Blutes und der nicht verändert gefundenen Organe nicht enthalten. Die vorliegenden bakte- riologischen Untersuchungsergebnisse bei den Schweinen machen es jedoch sehr wahrscheinlich, dass bei subkutaner Einverleibung die beiden Bakterienarten sich nicht wahllos über den ganzen Organismus ver- teilen, sondern dass jede derselben sich iu bestimmten Organen festsetzt und hier pathologische Veiänderungen der vorbeschriebenen Art erzeugt. Diese Versuche zeigen somit, dass jede der beiden Bakterienarten eine Prädilektion für bestimmte (für beide Bakterien ver- schiedene) Organe besitzt. 2. Ein besonderer Versuch KarliSskis hatte den Zweck, eine Misch - Infektion auf möglichst natürlichem Wege herbeizuführen, um die Rolle, welche beide Bakterien bei dem Zustandekommen der Misch- infektion spielen, näher kennen zu lernen. — Ein 2 Jahre altes Schwein 666 E. Joest. wurde 6 Tage lang mit erkraukteu Orgauen von au Schweinepest zu Grunde gegangeueu Schweinen und Kaninchen gefuttert. Vom 7. Tage au erhielt das Schwein durch 4 Tage hindurch 200 ccm einer voll- virulenten Schweineseuchekiiltur unter das aus Milchkleienträuke be- stehende Futter. Am 9. Tage nach dem Beginn der Fütterung mit Organteilen stellte sich mäßiger Durchfall ein. 3 Tage später traten Gehirnsymptome auf. Die letzteren dauerten bis zum Tode, der am 33. Tage erfolgte, au. Die Sektion ergab »Verkäsuug von vier Mesenterialdrtiseu und Schwelhiug der übrigen, äußerst geringe Schwelhiug der PEYERschen Drüsen auf sechs Stellen im Dünndarm, punktförmige Blutextravasate an der Magenschleimhaut, Verkcäsung der Brouchialdrüsen, Lockerung der Schleimhaut der Luftröhre und größeren Bronchien, zwei nussgroße käsige Herde in der linken und drei in der rechten Lunge. Die weiche Hirnhaut beider Gehirnhälften war mit einem dickUchen, an Kalkmilch erinnernden, eitrigen Belage bedeckt, die Gefäße der weichen Hirnhaut strotzten von Blut, ebenso waren die feineren Gefäße derselben stark mit Blut überfüllt. Nach Wegnahme der weichen Hirnhaut konnten aus der Oberfläche beider Gehirnhälften haseluussgroße, mit käsigem Inhalt gefüllte, mit einer derben, aus Bindegewebszellen bestehenden Kapsel umgebene Herde, acht an der Zahl, vorgefunden werden. Gleiche Herde fanden sich auch beiderseits an der Gehirnbasis, woselbst um die großen Gefäße herum dicklicher Eiter vorhanden war. Punktförmige Blutaustritte in der Auskleidung der beiderseitigen Gehirnkammer vervollständigten das Bild.« »Aus dem eitrigen Belage und den käsigen Herden in den Lungen wie der Gehirnmasse konnten die Schweineseuchebazillen in Reinkultur herausgezüchtet werden; sehr spärlich, jedoch ebenfalls in Reinkultur, Avaren sie im Blute und in der Milz vorhanden. Dagegen konnten aus den veränderten Drüsen des Mesenteriums, aus den Bronchialdrüsen und aus den PEYERschen Plaques weder der Schweinepest- noch der Schweineseuchebacillus herausgezüchtet werden«. — Bezüglich der durch den Schweineseuchebacillus verursachten Gehirnsymptome bemerkt KarliSski, dass er solche bei seinen Versuchen im ganzen fünfmal beobachtet habe. Dieses Schwein ist zweifellos der durch den Schweineseuchebacillus verursachten Meningitis und Encephalitis erlegen. Ob dieser Fall als wirkliche Mischinfektiou angesehen werden kann, erscheint fraglich; denn es fehlen nicht nur die schweren, charakteristischen Veränderungen im Darme, die sich durch Fütterung infektiösen Schweinepestmaterials fast regelmäßig erzeugen lassen, sondern auch die Schweinepest- hakterien in den Veränderungen, die eventuell als durch diese Krankheitserreger bedingt angesehen werden könnten. Allerdings ist die Möglichkeit zu berücksichtigen, dass etwaige, frühzeitig entstandene Schweinepestveränderungen leichterer Art bereits abgeheilt sein konnten. Auf welchem Wege die Schweineseuchebakterieu im vorliegenden Falle die zweifellos bestandene Allgemeiuiufektiou herbeizuführen ver- mochten, ist schwer zu entscheiden. 3. Bei der dritten Gruppe seiner Versuche au Schweinen suchte Karltnski zu bestimmen, ob die Injektion von abgetöteter Schw|einepestkultur einen begünstigenden Einfluss auf die künstliche und natürliche Infektion mit Schweineseuche- bakterieu ausübt. Zwei Schweine erhielten zunächst eine kleine Menge abgetöteter Schweinepestkultur subkutan und wurden dann nach Schweineseiiche und Schweinepest. 667 1 — 2 Tagen mit Scbweineseuclie ebenfalls sul)kiitau infiziert. Je ein Kontrollschweiu gleicher Rasse, gleichen Alters und Gewichtes erhielt, ohne mit abgetüteter Schweinepestkultur vorbehandelt zu sein, die gleiche Menge der gleichen Schweineseuchekultur, wie das zugehörige Versuchs- tier, subkutan. Während die mit Schweinepest vorbehandelten Schweine bereits am 14. bezw. 19. Tage starben, gingen die entsprechenden Kontrollschweine erst am 37. bezw. 31. Tage ein. Sämtliche Schweine zeigten die für Schweineseuche charakteristischen käsigen Veränderungen in der Lunge. Bakteriologisch konnte nur der Schweiueseuchebacillus nachgewiesen werden. Ein drittes, in ähnlicher Weise mit abgetöteter Schweinepestkultur vorbehaudeltes und dann mit dem aus dem Nasen- und Rachenschleim des zugehörigen Versuchsschweines gewonnenen Schweineseuchebacillus subkutan infiziertes Schwein starb am 17. Tage. Dieses Schwein diente als Kontrolle für das soeben erwähnte Schwein, welches in seinem Nasen- imd Rachenschleim reichlich Schweinescuchebakterien enthielt und welches dieselbe Menge abgetöteter Schweinepestkultur (aber keine Schweine- seuchekultur!) subkutan erhielt. Das letztbezeiclmete Schwein ver- endete am 21. Tage. Beim ersten Schwein : Kontrollschwein), »waren die Lungen mit erbsengroßen käsigen Herden dicht besäet«. Das zweite Schwein zeigte in der einen Lunge »lokalisierte käsige Herde«. Aus den Lungen beider Schweine ließ sich der Schweineseuchebacillus in Reinkultur gewinnen. Karliinski resümiert: »Wie aus diesem Ergebnis ersichtlich, scheint die Vorbehandlung mit abgetöteten Schweinepestbazillen- kulturen den Ausbruch der Schweineseuche begünstigt und den Tod beschleunigt zu haben.« Die Wirkung der abgetöteten Schweinepestbakterien kann nur auf das in ihnen enthaltene und bei ihrer Auflösung im Schweiuekörper freigewordene Gift zurückgeführt werden. Eine derartig auffällige Wirkung dieses Giftes auf den Organismus des Schweines, wie sie bei den vorstehenden Versuchen hervortritt, scheint, wenn man sich ver- gegenwärtigt, welch geringe Mengen (1 — 21/2 ccm) abgetöteter Schweine- pestkultur Karlinski injizierte, auf den ersten Blick geradezu erstaun- lich. — Nach VoGES beträgt die Dosis letalis minima der durch Chloro- form abgetöteten Hogcholerabakterien für ein 200 — 300 g schweres Meerschweinchen bei iutraperitonealer Injektion 10 mg. Wenn wir die Empfindlichkeit des Meerschweinchens und Schweines gegen das Gift des Hogcholerabacillus als gleich annehmen, so würde die Dosis letalis minima durch Chloroform abgetöteter Hogcholerabakterien für ein 50 kg schweres Schwein bei intraperitonealcr Injektion 2 g betragen. Nach dieser rechnerischen Feststellung erscheint die Wirkung von 1 — 21/2 ccm ebenfalls durch Chloroform abgetöteter Schweinepestkultur erklärlich. Von der Subcutis aus wird zwar immer nur ein kleiner Teil der toten Bakterien zur Resorption gelangen; aber es ist denkbar, dass das in dieser Menge enthaltene Gift genügt, um die Resistenz des Organismus gegen eine an und für sich tödlich wirkende Dosis injizieiter Schweine- seuchebakterien sow^eit herabzusetzen, dass der Eintritt des Todes, wie in zweien der vorliegenden Fälle, um 12 — 23 Tage beschleunigt wird. Auf dieselbe Art und Weise kann man sich erklären, wie die Vergiftung durch die abgetöteten Schweinepestbakterien den Organismus so schwächt, dass ihm die für gewöhnlich unschädlichen Schweineseuchebakterien des Nasen- und Rachensekrets geftihrlich werden. 668 E. Joest, Von größtem Interesse würde der iimgekehrte Versuch mit abge- töteten Schweine senc he- und lebenden Schweinepestbakterien sein. Hier müsste eine mindestens ebeusogroße Wirkung des Giftes sich bemerkbar macheu eine gleiche Resorptiousfähigkeit der toten Schweine- seuchebakterien vorausgesetzt) ; denn nach Voges beträgt die Dosis letalis minima der abgetöteten Schweineseuchebakterien bei Meerschweinchen 8 — 10 mg. Dieser Versuch ist bis jetzt allerdings anscheinend noch von niemand gemacht worden. Wechselseitige Beziehungen zwischen Schweineseuche und Schweinepest bei der Mischinfektion. Giebt es reine Schweineseuche und reine Schweinepest? Der Umstand, dass die beiden vorliegenden Seuchen so außerordent- lich häufig, ja heutzutage fast regelmäßig gemeinschaftlich in Form der Mischinfektion auftreten, hat Peeisz veranlasst, sich die Frage vorzu- legen, »ob es denn überhaupt reine, unkomplizierte Epidemieen von Sehweineseptikämie bezw. von Schweinepest giebt?« Bezüglich der Schweinepest lassen die eingehenden, exakten For- schungen von Salmox & Smith keinen Zweifel, dass diese Seuche ursprünglich in reiner Form in Amerika herrschte. Ferner geht aus den Arbeiten mehrerer europäischer Autoren unzweifelhaft hervor, dass sie es mit reiner Schweinepest zu thun hatten. Auch Preisz bejaht die Frage nach dem Vorkommen reiner Schweinepest und führt auch einige eigene diesbezügliche Beobachtungen an. Was dagegen die Schweineseuche anbelangt, so sagt Preisz: »Es kann meines Erachtens nicht als erwiesen gelten, dass die Sehweine- septikämie allein als eine selbständige verheerende, extensive Seuche bei Schweinen vorkommt.« Preisz hebt zum Beweise dieses Satzes zu- nächst hervor, dass der Nachweis des Vorhandenseins des Schweine- pestbacillus bei der Mischinfektiou oft schwer zu führen sei, dass da- gegen der Schweineseuchebacillus leicht gefunden würde, »und leicht kann auf solche Weise die Diagnose auf Septikämie gestellt werden bei einer Epidemie, wo eigentlich beide Krankheiten vorhanden sind«. Aus diesem Grunde sind die Arbeiten einzelner Forscher über Schweiue- seuche in dieser Hinsicht thatsächlich kaum zu verwerten. Wenn auch oft eine so exakte bakteriologische Untersuchung, als zum sicheren Aus- schluss des Pestbacillus notwendig gewesen wäre, nicht stattgefunden hat, so liefert doch in manchen Fällen der genau beschriebene patho- logisch-anatomische Befund einen ziemlich sicheren Beweis dafür, dass es sich um reine Schweineseuche handelte. Denn es giebt doch wohl keine Epidemieen von gemischter Schweineseuche und Schweinepest, bei welchen die charakteristischen Darmveränderungen der letzteren konstant fehlen! Aus diesem Grunde muss ich, entgegen von Preisz, auch jene 52 Fälle von Fiedeler & Bleisch, bei welchen nur der Seucheerreger nachgewiesen wurde und bei welchen die für Schweine- pest charakteristischen Darmveränderungen fehlten, als reine Schweine- seuche ansehen. Auch die von Schütz so genau beschriebenen und untersuchten Fälle erkenne ich als reine Schweineseuchc an. Von diesen Fällen ist es einer, der Preisz Veranlassung zu der Ver- mutung giebt, dass Schütz eine Mischiufektion mit chronischer Schweinepest Schweineseuche und Schweinepest. 669 vor sich gehabt habe. Es ist ein Fall, iu welchem zahlreiche Lymphdrüseu vergrößert und zum Teil verkäst gefunden wurden. Schütz giebt von diesem Falle an, dass die Schleimhaut des Dünndarmes »nicht verändert« war. »Im Dickdarm dickbreiiger Inhalt; die Schleimhaut hatte ein bläulich- weißes Aussehen« .... »An der Gekröswurzel lagen zwei haselnussgroße Lymphdrüsenkuoten, der eine in der Nähe der lumbalen Lymphdrüsen, der andere mehr nach vorn. Beide Knoten besaßen dicke Kapseln und käsigen Inhalt«. Wenn sich auch hier mit absoluter Sicherheit abgeheilte Schweine- pest nicht ausschließen lässt, so ist doch das Fehlen von Schweinepestnarben im Dickdarm, die Schütz sicher nicht entgangen Avären. auffällig. Trotzdem Schütz in diesem Falle keine Tuberkelbazillen fand, muss es doch, wie Jensen bereits betont hat, für nicht unwahrscheinlich gelten, dass Schütz hier eine Komplikation von Tuberkulose mit Schweineseuche vor sich hatte. Denn einerseits sprechen für Tuberkulose manche Anzeichen in dem be- treffenden Falle, andererseits wissen wir durch Olt, dass bei der Schweine- tuberkulose Ausstrichpräparate zum Nachweis der Tuberkelbazillen nicht aus- reichend sind. Die übrigen Fälle von Schütz sind indessen einwandsfrei und so ist auch deshalb anzunehmen, dass Schütz keine Mischinfektion mit Schweinepest, sondern reine Schweineseuche vor sich gehabt hat. Um die Führung: des Gegenbeweises nicht auf die von Prelsz be- strittenen Fälle allein stutzen zu müssen, führe ich im folgenden drei Beispiele aus den Arbeiten amerikanischer Forscher an, die auch von Prelsz wohl als einwandsfrei anerkannt werden dürften. 1. Smith untersuchte fünf Ferkel eines Wurfes, welche innerhalb weniger Tage zu Grunde gegangen waren. Die Brustorgane zeigten in allen Fällen die typischen Veränderungen der Schweineseuche ; dagegen fand sich in keinem der fünf Fälle eine Spur von Geschwüren im Darm. Eine sorgfältige bak- teriologische Untersuchung der Milz, der Leber, der Lungen und der Pleura ergab nur das Bakterium der Swiueplague, das Hogcholerabakterium wurde nicht gefunden. (In zwei anderen Beständen wurde gleichzeitig reine Hog- cholera ermittelt.) Smith sagt: »If we sum up the result of the investigations we have five animals in one pen affected with extensive luug disease, which is associated with swiueplague germs only. We have two other pens, not in communication with this one, affected with hogcholera onlv. These facts demonstrate as clearly as any which we have thus far been able to obtain that swiueplague or infectious pneumonia may appear as an independent disease, fraught Avith a high mortality«. 2. Welch & Clement äußern sich wie folgt: »We have no doubt of the occurrence of pure and uncomplicated swiueplague as an independent disease, and we have observed several such cases. These cases in our experience were scattered cases in hogs belonging to herds other members of which were affected with hogcholera. The evidence that the cases were pure swiueplague lay in the entire absence in some of them of intestinal lesions, in the negative result of the examination of all parts of the body, including the intestine, for hogcholera bacilli; in the anatomical and clinical evidences that the animals had not previousl}" been affected with hogcholera or other disease: in the presence of the characteristic lesions of swiueplague, particularly pneumonia and fibriuous pleurisy, and in the demonstration in pure culture, and iu large number of the swiueplague bacilli in the lesions, and offen also in other parts. To assume, under these circumstances, that these pigs were infected or had been infected with hogcholera as well as with swiue- plague is wholly gratuitous and unsupported by a particle of evidence«. 670 E. Joest, 3. Moore endlich berichtet folgendes: »Diuiug the past year I have examined several auimals from a number of outbreaks of iufectioiis swine disease in the State of New York. In two of these ontbreaks the lesions found in the pigs examined were pneumonia with and without plenritis. The spleens were usnally eularged. The intestines were not affected. The bac- teriological examiuation revealed the presence of swineplague-bacteria, but hogcholera bacilli were not found .... These investigations snpport the conclusions of Dr. Smith that swineplague is an independent disease although it often exists associated with hogcholera«. Diesen Angaben amerikanischer Autoren kann nur das noch hinzu- gefügt werden, dass in Deutschland auch in neuerer Zeit häufig Seucheu- ausbrüche gefunden werden, die, wie die genaue pathologisch-anato- mische und l)akteriologische Untersuchung ergiebt, ausschließlich durch den Bacillus suisepticus bedingt sind. Nach dem Vorstehenden unterliegt es keinem Zweifel, dass sowohl Schweinepest wie auch Schweineseuche als selbständige Seuchen in reiner Form auftreten können. Pathogenese und Verlauf der Mischinfektion. Nachdem dieses festgestellt ist, können wir uns jetzt den wechsel- seitigen Beziehungen beider Krankheiten zu einander bei der Misch- infektion zuwenden. Von Bedeutung ist die Frage, ob die Mischinfektion durch ein unabhängiges Angreifen beider Bakterienarten entsteht oder ob dieselbe dadurch zustande kommt, dass ein Infektions- erreger dem anderen den Weg bahnt und den Boden zu dessen EntAvicklung vorbereitet. Preisz ist, wie bereits erwähnt, der Ansicht, dass die Schweine- seuche nur in Form der Mischinfektion mit Schweinepest existiert, dass sie also als selbständige Krankheit nicht vorkommt. Diese Anschauung musste Preisz zu derAnnahme führen, dass die Schweinepest die In- fektion mit dem Bacillus suisepticus vermittelt. Die Ansicht von Preisz ferner, dass eine primäre Infektion des Organismus mit Schweineseuche auf respiratorischem Wege auszuschließen sei, ließ ihn annehmen , dass die Infektion mit dem Bacillus suisepticus von den Schweiuepestläsionen des Darmes aus erfolgt. Die Gründe, welche Preisz zur Stütze der letztangeführten Annahme beibringt, sind, wie ich weiter oben (S. 616 u. 617) bereits gezeigt habe, keineswegs geeignet, von der Kichtigkeit derselben zu überzeugen ; den strikten Beweis für die Eichtigkeit dieser Annahme bleibt Preisz vielmehr, wie oben dargelegt, schuldig. Wenn auch die Möglichkeit, dass der Schweineseucheerreger in einzelnen Fällen einmal von Läsionen des Darmes aus in den Organismus eindringen kann, nicht von der Hand zu weisen ist, so muss doch, wie ich oben gezeigt habe, als Kegel gelten, dass der Bacillus suisepticus auf respira- toriscliem Wege primär die charakteristische Erkrankung der Lunge bedingt, welche den Ausgangspunkt des weiteren Vordringens dieses Krank- heitserregers in den Organismus bildet. Die Annahme, dass die Infek- tion mit Schweineseuche nur durch Schweinepestläsionen vermittelt wird, wird vollkommen entkräftet 1. durch die Beobachtung, dass im Anfaugs- stadium vieler zweifellos auf einer Mischinfektion beruhenden Epidemieen von Schweineseuche und Schweinepest in zahlreichen Fällen Pestläsionen Schweineseuche und Schweinepest. 071 vollkommen fehlen, währeud in denselben Fällen die Seuclie zu gleicher Zeit schon eine schwere Ei'kmukung- oder den Tod bedingte: 2. durch die im vorstehenden näher erörterte und mit Beispielen belegte That- sache, dass die Schweineseuche gar nicht so selten in reiner unkompli- zierter Form auftritt. Bevor ich auf die Art des Zustandekommens der Mischinfektion ein- gehe, muß ich zunächst daran erinnern, dass jeder der beiden in Be- tracht kommenden Infektionserreger im allgemeinen mit großer Regel- mäßigkeit einen bestimmten Infektionsweg einhält, der ihm als eigentümlich gelten muss: der Bacillus suisepticus dringt fast stets von der Lunge aus ein, der Bacillus suipestifer fast ausschließlich vom Darme aus. Dementsprechend finden wir bei der Sehweineseuche eine primäre Lungenerkrankung, bei der Schweinepest eine primäre Darni- erkrankuug. Wenn wir nach diesen Feststellungen die Möglichkeiten abwägen, die bei der Entstehung der Mischinfektion bei einem Individuum eine Rolle spielen können, so müssen wir zu dem Schlüsse kommen, dass die Mischinfektion von Schweineseuche und Schweinepest sowohl durch ein gleichzeitiges, unabhängiges Angreifen beider Krankheitserreger zustande kommen, als auch dadurch ent- stehen kann, dass zuerst eines der beiden Bakterien angreift und dass zu dieser Primärerkrankung die Infektion mit dem anderen hinzutritt. Diese Sekundärinfektion wiederum würde dadurch zustande kommen können, dass der bctretfende zweite Krankheitserreger den ihm eigentümlichen Infektionsweg innehält, also selbständig angreift oder dass er durch die Läsionen, welche durch die Infektion" mit" dem ersten Krankheitserreger hervorgerufen wurden, in den Organismus ge- langt. Auf welche Art und Weise die Mischinfektion bei einem Individuum zustande kommt, hängt in den meisten Fällen in erster Linie von dem gegenseitigen Yiruleuzverhältnis der beiden hier in Frage stehenden Bakterieuarten ab. Bei der Verbreitung einer bereits vorhandenen Mischinfektion werden in den meisten Fällen beide Krankheitserreger gleichzeitig übertragen. Besitzen beide eine hohe Tiruienz, so werden sie, jeder "für sich, den Organismus gleichzeitig auf den ihnen eigentüm- lichen Wegen augreifen; d. h. der Bacillus suisepticus wird, in- haliert oder as])iriert, sich in der Lunge einnisten, während der Bacillus suipestifer, in den Darm gelangt, hier sein Zerstörungswerk beginnt. Es liegen hier für jeden der beiden Krankheitserreger zunächst durchaus keine anderen Verhältnisse vor als bei reiner In- fektion. Besitzt der eine der beiden Krankheitserreger eine hohe, der andere dagegen eine geringe Virulenz, so wird der erstere den Organismus zunächst allein angreifen. Ist dann die Resi- stenz des Organismus durch die erzeugte Krankheit genügend geschwächt, so vermag auch der minder virulente Infektions- erreger einzudringen. Dies thut er für gewöhnlich selbständig d. h. auf dem ihm eigentümlichen Wege, seltener unter Benutzung der durch den ersten Krankheitserreger geschaffenen Läsioneu. Auf ähnliche Art und Weise kann eine Mischinfektion auch entstehen, wenn zunächst die eine Krankheit in reiner Form übertragen wird und wenn abgeschwächte 672 E. Joest, Bakterien der audereu Krankheit in den oberen Luftwegen oder in der nächsten Umg-ebimg der Tiere vorhanden sind. Hierher dürften zwei Versuche KarliSskis zu zählen sein, in welchen die allein- mit Schweinepest künstlich infizierten Schweine bei der Sektion eine Mischinfektion von Seuche und Pest aufwiesen. Es ist wahrscheinlich, dass diese Tiere »wilde« Schweineseuchebakterien in ihren oberen Luftwegen be- herbergten uud dass diese Bakterien, nachdem die Widerstandskraft des Körpers durch die Pestinfektion genügend herabgesetzt war, in die Lunge eindrangen und hier pathogen wirkten. Die Herabsetzung oder gänzliche Vernichtung der Resi- stenz des Organismus durch eine der beiden Infektionskrank- heiten gegenüber der anderen ist weniger auf die anatomischen Läsionen zurückzuführen, welche der betreffende Krankheitserreger in bestimmten Orgauen verursacht, sie ist vielmehr hauptsächlich in einer Intoxikation des Organismus mit dem Gift des betreffen- den Krankheitserregers begründet. Wie aus den Auseinander- setzungen früherer Abschnitte bekannt ist, scheidet weder der Bacillus snisepticus noch der Bacillus suipestifer ein lösliches Gift ab. In der Bakterienzelle aber ist ein stark wirkendes Gift enthalten, welches bei der Auflösung derselben frei wird. Während des Krankheitsprozesses bei beiden Seuchen geht aber stets ein Teil der Bakterien zu Grunde. Das dabei freiwerdende Gift ist es, welches die Resistenz des Organis- mus zerstört. Dass eine solche Giftwirkung des Schweinepestbacillus von großem Eintluss auf die Schweineseucheiufektion ist, geht aus den oben mitgeteilten Versuchen KarliSskis einwandsfrei hervor. Umgekehrte Versuche über das Gift des Schweiueseuchebacillus liegen nicht vor; es ist jedoch, wie oben bereits erwähnt, anzunehmen, dass sie ein ähn- liches Ergebnis liefern würden. Nach den vorstehend gegebenen Ausführungen über das Zustande- kommen der Mischinfektion erledigt sich die von Peeisz und anderen aufgerollte Frage, welche der beiden Krankheiten bei der Misch- infektion von Schweineseuche und Schweinepest die primäre sei, eigentlich von selbst. Bei der gleichzeitig erfolgenden Infektion mit gleich hoch virulenten Scliweineseuche- und Schweinepesterregern kann mau meist eine primäre und sekundäre Infektion nicht unterscheiden, sondern es besteht vom ersten Augenblicke au eine Doppelinfektion, eine Mischinfektion im engeren Sinne. Wenn man die oben festgestellte uud mit Beispielen belegte Thatsache, dass sowohl der Schweinepest- wie auch der Schweineseucheerreger imstande ist selbständig krankheitserregend zu wirken, festhält, so erscheint eine solche Doppelinfektiou ganz selbstverständlich, uud das um so mehr, als beide Infektionserreger den Organismus auf verschiedenen Wegen anzugreifen pflegen. Im übrigen kann, wie aus obigen Auscinaudersetzuuffen her- vorgeht, sowohl die Schweiueseuche- wie auch die Schweine- pestinfektion das Primäre sein. Ich neige der Ansicht zu, dass bei vielen Mischiufektionen nicht die Pest, sondern die Seuche die Primäraffektion darstellt (dass hier somit Schweinepestbakterien von geringerer Virulenz im Spiele sind). Ich glaube das aus dem Grunde, weil bei vielen Mischiufektionen, besonders in den Anfaugsstadieu des je- weiligen Ausbruches, häufig nur die Lunge verändert gefunden wird, wäh- rend der Darm charakteristische Veränderungen nicht oder kaum aufweist. Schweineseuche nud Schweinepest. , 673 Man wird hier einwenden können, dass die Lungenveränderung-en des- halb zuerst so in den Vordergrund treten, weil die Lungenerkrankung einen rascheren Verlauf nehme als die Darmerkrankung. Dass dies der Fall ist, gebe ich zu. Aber jene Frühstadien aus zweifellos mit der Mischinfektion behafteten Beständen, in welchen die Lungen bereits er- krankt gefunden werden, der Darm aber noch vollkommen normal ist, sprechen doch ganz entschieden für eine Primärerkraukuug an Schweine- seuche. Solche Fälle hat Joest bei einem Ausbruch von Schweine- seuche und Schweinepest in einem großen Bestände beobachtet. Für die Richtigkeit der vorstehenden Ansicht spricht auch der Umstand, dass es ertahruugsgemäß bei manchen Mischinfektiouen, bei welchen die Pesterkrankung nicht besonders heftig auftritt (bei welchen es sich also um minder virulente Pestbakterien handelt) gelingt, durch Anwendung von Schweine Seuche serum die Epidemie zum Stillstand zu bringen. Die zwei Epidemieen, die Preisz zum Beweise dafür anführt, dass die Schweinepest die primäre Infektion sei, sind nicht geeignet, diesen Beweis zu erbringen. Diese zwei Seuchengänge sprechen eher für eine gleich- zeitige Infektion mit Seuche und Fest. Denn einerseits traten die Lungen- veränderungen in beiden Fällen von vornherein so in den Vordergrund, dass man sie, auch unter Berücksichtigung des langsameren Verlaufes der Schweine- pest, unmöglich als sekundär ansehen kann, während andererseits die Darm- veränderungeu zunächst wenig ausgeprägt erschienen. Preisz führt zur Bekräfti- gung seiner Ansicht, dass in diesen Versuchen die Pest das Primäre darstellt, an, »dass in beiden Infektionsversuchen die Pestläsionen des Darmes einem vom Beginn des Versuches gerechneten Alter entsprechen«; über das Alter der Seucheläsionen in diesen Fällen äußert sich Preisz nicht. Aus vorstehend angeführten Gründen müssen aber diese Läsionen bezüglich ihres Alters wohl den Pestveränderungen gleichgestellt werden. Es ist ja auch um so eher an- zunehmen, dass Seuche und Pest in diesen Fällen gleichzeitig einsetzten, als es sich um Tiere handelte, die absichtlich an eine Oertlichkeit gebracht wurden, wo beide Arten von Infektionsstoften in virulenter Form massenhaft vorhanden waren. Als Beweis für die von Preisz vertretene Annahme, »dass die Darm- verletzungen bei Schweinepest eine Ansteckung mit Septikämie ver- mitteln«, können die erwähnten beiden Epidemieen deshalb nicht gelten, weil sich eine derartige Art der Entstehung der Seuoheinfektion aus Sektionsbefunden nicht nachweisen lässt. Wie weiter oben bemerkt, genügt der Nachweis von Schweineseuchebakterieu im Darme kranker Schweine keineswegs um zu beweisen, dass diese Bakterien vom Darme aus in den Körper eindringen. Dass eine Entstehung der Sekuudär- infektion auf dem Wege der Läsiouen, welche durch die Primärafifektion geschaffen wurden, möglich ist, soll, wie ich noch einmal bemerken möchte, nicht bestritten werden. Die Regel bildet dieser Weg aber sicher nicht. Für die Richtigkeit dieser Anschauung spricht schon die Art der Organerkrankung bei der in einem gegebenen Falle als sekun- där anzusehenden Infektion (z. B. die Gruppierung der erkrankten Lungen- lobuli um die Eintrittsstelle der Bronchien bei der Schweineseuchepneu- monie) und die Uebereinstimmung der Organveränderungen bei der im ge- gebenen Falle als sekundär anzusehenden Infektion mit den Fällen, in welchen das betreffende Organ zweifellos primär erkrankt ist (z. B. bei reiner In- fektion). Dies gilt sowohl für die von Preisz angenommene Sekundär- infektion mit Schweineseuche auf dem Wege der Pestläsionen, wie auch Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. III. 43 674 E. Joest, für die von Smith diskutierte Möglichkeit, dass abgeschwäelite Seliweiue- pestbakterien durch die schweineseuchekranke Lunge einzutreten ver- mochten. Verlauf der Mischiiifektion. Für den Verlaut der Mischinfektion von Schweineseucbe und Schweinepest bei akuten Ausbrüchen kommen zwei Momente besonders in Betracht: 1. Der Umstand, dass die durch den Bacillus suisepticus verursachte Lungenerkraukung meist rascher verläuft und sich rascher ausdehnt als die durch den Bacillus suipestifer bedingte Darmerkrankung. Es liegt dies mehr an der Verschiedenartigkeit der befallenen Organe und dem pathologisch-anatomischen Charakter der Erkrankung als an der größeren oder geringeren Vermehrungsfähigkeit der beiden Bakterienarten. 2. Der Umstand, dass die Schweine einen verschiedenen Grad von Empfänglichkeit besonders für die Schweine- seuche besitzen. Die höchsten Grade der Empfänglichkeit treffen wir meist bei den jüngeren Tieren und zwar unmittelbar nach dem Absetzen an, Wcährend mit zu- nehmendem Alter die Resistenz steigt. Jedoch kommt auch, unabhängig vom Alter, eine individuelle Verschiedenheit der Empfänglichkeit zur Beobachtung. Endlich treten auch Differenzen in der Empfänglichkeit der verschiedenen Rassen hervor. So scheint die Berkshirerasse weniger empfänglich zu sein als die Yorkshirerasse (Joest). Joest konstatierte bei einem akuten Aus- bruch von Schweineseuche und Schweinepest in einem großen Schweine- bestande folgendes Mortalitätsverhältnis : Es starben von älteren Ebern 25,0^ zweijährigen sowie älteren Sauen 28,5 » Saugferkeln 49,5 » abgesetzten Ferkeln und Läufern 86,9 » Die Mehrzahl der Todesfälle war, wie die Sektionen ergaben, der Schweine- seucbe zuzuschreiben. Joest sagt: »Es fiel mir bei der Untersuchung und Beobachtung des Bestandes sofort die außerordentlich hohe Mortalitätsziffer bei den abgesetzten Ferkeln und Läufern auf Von diesen waren es be- sonders die jüngeren, erst vor kurzer Zeit abgesetzten Tiere, die von der Seuche rapid dahingeraft't wurden. Demgegenüber konstatierte ich, dass die Ferkel, solange sie bei der Mutter saugen, viel weniger durch die Seuche gefährdet waren, als die abgesetzten Ferkel. (In den vorstehenden Zahlen- angaben kommt dieses Verhältnis deutlich zum Ausdruck.) Die Er- klärung für dieses Verhalten ist darin gegeben, dass die Widerstandskraft der jungen Tiere durch den mit dem Absetzen (»Abspänen«) verbundenen Fütterungawechsel erheblich geschwächt wird, so dass sie nunmehr leichter Infektionskrankheiten erliegen. Auf der anderen Seite zeigt sich der die Widerstandskraft erhöhende Einfluss der natürlichen Ernährung durch die Muttermilch im hellsten Lichte. Allerdings ist nicht zu vergessen, dass der Ausbreitung der Seuche unter den abgesetzten Ferkeln und Läufern dadurch Vorschub geleistet wurde, dass dieselben in größerer Zahl in großen gemein- schaftlichen Buchten untergebracht waren, während jede Mutter mit ihren Saugferkeln eine abgeschlossene Bucht für sich besaß. Mit zunehmendem Alter steigerte sich, wie die Beobachtungen lehrten und Avie auch die vor- stehenden Zahlenangaben zeigen, die Widerstandsfähigkeit der jungen Tiere gegen die Infektion. Dies war deutlich bei denjenigen Tieren zu konstatieren, die schon etwas herangewachsen waren und die doch derselben Ansteckungs- gefahr ausgesetzt waren wie die jüngeren Ferkel«. Schweineseuche und Schweinepest. 675 Ueber den durch das Zusammenwirken jener beiden oben genannten Momente bedingten eigentümlichen Verlauf der durch die Mischinfektion erzeugten Epidemieen sagt Preisz: »Sobald es aber zu Darm las ionen gekommen ist, greift die Invasion des Organismus durch die Septikämiebazillen Platz, die in jenen Darmläsionen fast nie fehlen. Diese sekundäre, interkurrente Infektion durch den Öeptikämiebacillus nimmt einen rapiden, allerdings schnel- leren Verlauf, als die Pestseuche; die Tiere fallen der Pleuro- pneumonie massenhaft zum Opfer, noch ehe die Pest nam- hafte Verletzungen des Organismus hervorgerufen hätte. Nachdem alle, für Septikämie wenig widerstandsfähigen Tiere gefallen, folgt eine Remission dieser sekundären Seuche, indem die durch sie bedingten Pneumouieen an Ausbreitung und Intensität verlieren oder auch ganz ausbleiben; der Rest der Tiere aber zeigt das Bild der Schweinepest immer ausgeprägter, und ein Teil der von der Septikämie verschonten Schweine geht an den Läsionen der Pest zu Grunde.« Wenn man von der außerordentlich selten zutreffenden Annahme, dass die Seucheerreger sekundär auf dem Wege der Pestläsionen in den Organismus eindringen, absieht, so muss man sagen, dass Preisz das Bild und den Verlauf der akuten Mischinfektion hiermit sehr treffend charakterisiert hat. Die beiden von Preisz beschriebenen, absichtlich hervorgerufenen Epidemieen liefern typische Beispiele dafür, in welcher Weise Schweineseuche und Schweinepest bei Mischepidemieen neben- einander verlaufen. Auch Joest konnte sich von der Richtigkeit der Preisz sehen Angaben über den Verlauf der Mischinfektion bei dem oben schon erwähnten akuten Ausbruch von Schweineseuche und Schw^eiuepest überzeugen. Bei dieser von Joest beschriebeneu Epidemie zeigten sich zwei Krankheits- typen: Bei der Mehrzahl der jüngeren, weniger Aviderstandsfäbigen Tiere, bei welchen die Krankheit einen ganz rapiden Verlauf nahm, fanden sich bei der Sektion in der Hauptsache nur Erscheinungen der Schweineseuche, während bei den Tieren, bei Avelchen die Krankheit langsamer verlief (das w^aren hauptsächlich widerstandsfähigere, ältere Schweine), sich neben schweren Veränderungen der Seuche typische Pestläsionen im Verdauungstractus nachweisen ließen. Die von Preisz erwähnte Endphase der Epidemie konnte hier nicht beobachtet wer- den, weil die Seuche durch geeignete Bekämpfuugsmaßregeln zum Stillstand gebracht wurde. Es lassen sich bei den akuten Mischepidemieen von Schweineseuche und Schweinepest nach dem vorstehenden drei zeitlich aufeinander- folgende Stadien unterscheiden. Der Verlauf der akuten Misch- epidemie würde sich im allgemeinen also wie folgt gestalten: Im Beginn der Mischepidemie tritt gewöhnlich die Seuche infolge ihres schnelleren Verlaufes stark in den Vordergrund. Der Bacillus suisepticus tötet die empfäng- lichsten Tiere, bevor der langsamer wirkende Pesterreger erhebliche Läsionen erzeugen kann (erstes Stadium). Die Tiere, die der Seucheinfektion einen gewissen Wider- stand entgegenzusetzen vermögen, sterben weniger schnell. Bei ihnen zieht sich die Krankheit etwas in die Länge, und nunmehr finden auch die Pestbakterien Gelegenheit, ihre destruktive Thätigkeit zu entfalten, was ihnen um so leich- 43* 676 E. Joest, ter gelingt, als die Widerstandskraft des betreffenden Orga- nismus durch die Seuclieinfcktion zum Teil gebrochen ist. Diese Tiere mit langsamerem Krankbeitsverlauf erliegen schließlich der sich gegenseitig unterstützenden gemein- samen Einwirkung des Seuche- und Pesterregers. In diesem zweiten Stadium finden wir deshalb schwere Läsionen sowohl der Schweineseuche als auch der Schweinepest. Nachdem alle für die Seuche empfänglicheren Tiere zu Grunde gegangen sind, »zeigt der Rest der Tiere das Bild der Schweinepest immer ausgeprägter, und ein Teil der von der Septikämie verschonten Schweine geht an den Läsiouen der Pest zu Grunde« (drittes Stadium). Litteratur über Schweineseuche und Schweinepest. (Bis Ende des Jahres 1902.} Afaxassieff, W. A., Experimentelle Untersuchungen über einige Mikroorganismen aus der Gruppe der sog. Septicaemia haemorrhagica. Arb. a. d. Gebiete d. pathol. Anat. u. Bakteriol. a. d. path.-anat. Inst, zu Tübingen, Bd. 1, 1891/92. 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BouKGELAT ist der erste, der die Peripneumonie scharf von den anderen »Brustkrankheiten« unterscheidet (1765). Er beschreibt die charakteristischen Veränderungen von Lunge und Rippenfell und trennt die Peripneumonie von den »Eitei-fiebern«, mit denen man sie bis dahin zusammengeworfen hatte. Während des ganzen 18. Jahrhunderts wütete die Peripneumonie in der Schweiz i^. Albrecht v. Haller, der sie eingehend studierte, em- pfahl seit 1773 die Massenabschlachtung der kranken und krankheits- verdächtigen Tiere als bestes Mittel, um die Ausbreitung der Seuche zu verhindern. Von der Schweiz aus drang die Krankheit nacheinander in das Elsass, die Franche-Comte, die Champagne, Bayern, Württemberg, Oberitalien und Tirol ein. Um 1820 erschien die Peripneumonie im Norden Frankreichs und breitete sich von da über Belgien, Holland, Hannover, Brandenburg, Preußen, Sachsen und Dänemark aus. 1841, kurze Zeit nach Aufhebung des Vieheinfuhrverbotes wird in Eng- land die Krankheit durch holländische Kühe imd von hier aus 1847 nach Schweden eingeschleppt. Auf demselben Wege sind höchstwahrscheinlich auch die Vereinigten Staaten um das Jahr 1843 augesteckt worden. *) Anm. der Herausgeber. In der Zeit zwischen der Drucklegung und Heraus- gabe dieser Lieferung ist der ausgezeichnete Forscher, den die Wissenschaft in Edm. Nocard besaß, dahingegangen. Wir betrauern in ihm nicht nur den Mit- arbeiter, sondern einen Gelehrten, welcher die Tiermedizin und besonders die Bakteriologie durch hervorragende Entdeckungen und Arbeiten bereichert hat. Edm. Nocard ist zu früh dahingegangen. Die Peripneximonie der Binder. 688 1854 wird die Seuche durch einen holländischen Stier nach Südafrika gebracht und verbreitet sich daselbst mit ungeheurer Schnelligkeit. 1858 wird sie durch eine von England exportierte Kuh in Australien einge- schleppt. Der abwechselnd nach den jeweils herrschenden medizinischen An- schauungen abgeleugnete oder behauptete ansteckende Charakter der Krankheit wird in nicht zu bezweifelnder Weise i. J. 1852 festgestellt, und zwar gleichzeitig einmal durch die amtlichen Untersuchungen der französischen und der deutschen Kommission und dann durch die her- vorragende Arbeit des Dr. Willems v. Hasselt. H. BouLEY 3 und Ulrich 3* behaupten im Namen ihrer Kommissionen, deren Berichterstatter sie waren, mit aller Entschiedenheit, dass die Krankheit durch enges Zusammen wohnen übertragbar ist. Willems ^''J zeigt, dass die von den Lungen exsudierte, seröse Flüssig- keit gesunden Kindern eingeimpft werden kann und zwar nur Ange- hörigen dieser Tiergattuug; ferner, dass sie im Bindegewebe der ge- impften Stelle ein Exsudat hervorruft, das dem durch den natürlichen Krankheitsprozess entstandenen gleicht; endlich dass die Folgerscheinun- gen der Inokulation je nach der Impfstelle sehr verschiedene sind. Bis- weilen sind sie tödlich, wenn die Inokulation am Thorax vorgenommen wurde, gewöhnlich aber gutartig, Avenn sie mehr an der Peripherie stattfand. Die von den Folgen der Inokulation genesenen Tiere sind künftighin für die natürliche Ansteckung unempfänglich. Als Willems 1852 seine Arbeit veröftentlichte, war ganz Europa verseucht. In Frankreich waren mehr als 40 Departements infiziert; das Departement du Nord verlor allein 200,000 Stück Eindvieh im Werte von 52 Millionen Fr. Ahvart schätzt auf dem mittelfranzösischen Hochlande die Sterblichkeit infolge der Krankheit auf 35 % des Ge- samtbestaudes. 1850 zählte man 2745 erkrankte Tiere in Belgien, 7332 in Holland, 36,036 in Russland. Gegenwärtig ist die Peripnenmonie aus zahlreichen Staaten dank einer energischen sanitären Intervention verschwunden. Das früher so stark infizierte Rolland ist seit 1888 gänzlich frei von der Krankheit, das Groliherzogtum Baden seit 1882, die Schweiz seit 1892, Belgien seit 1896. Großbritannien, wo mau jedes Jahr bis 1880 3—4000 erkrankte Tiere zählte, wies von 1894 bis 1898 nur noch vereinzelte Fälle auf, und seit 1898 ist kein einziger Fall mehr angezeigt worden. Die Vereinigten Staaten, avo die Krankheit seit 1843 herrschte, sind ganz davon befreit. In Oesterreich verursachte die Peripnen- monie bis 1892 große Verluste; man zählte jährlich 3500 — 5500 Fälle. 1892 gelang es einer neuen Gesetzgebung, die Krankheit schnell aus- zurotten. Seit 1896 ist kein einziger Fall mehr beobachtet worden. In Ungarn bietet sich genau dasselbe Bild; früher erlagen der Seuche Tausende von Tieren; heute kann man dieselben zählen. Auch Frankreich sieht einer vollständigen Befreiung von der Krank- heit entgegen. 1902 zählte man über 2000 Kranke, 1892 hundert weni- ger, und jetzt existiert die Krankheit eigentlich nur noch in den Departe- ments der Pyrenäen, wo sie infolge des alljährlichen Zusammentreffens der französischen mit den permanent infizierten spanischen Herden auf den Weideplätzen der Grenze fortbesteht. In vielen Ländern ist die Peripnenmonie also verschwunden oder doch im Begriff zu verschwinden; immerhin bestehen noch zahlreiche 684 Ed- Nocard, Infektionsherde in allen Teilen der Erde und bilden eine stehende Ge- fahr für die seuchenfreien Eegionen. Spanien scheint durchweg infiziert zu sein und Frankreich hat be- sondere Maßregeln ergreifen müssen, um den sich aus der Gemeinsam- keit der Grenzweiden ergebenden Gefahren zu begegnen. ■ Der Gesundheitszustand des italienischen Viehes ist nie genau festgestellt worden. Bis heutzutage soll die Peripneumonie häufig in Piemont, der Lombardei und der Emilia auftreten, und man muss hoffen, dass die neue Sanitätsorganisation ausführlichere Auskünfte geben und die noch vorhandenen Ansteckungsherde entschlossen angreifen wird. Die noch ungenügenden russischen Statistiken werden mit jedem Jahre genauer; sie meldeten i. J. 1898 11,500 erkrankte Tiere im euro- päischen Eussland, Kaukasien und russisch Asien. Die Peripneumonie existiert mit Bestimmtheit in Serbien; denn man findet im Schlachthofe von Budapest von Zeit zu Zeit an Peripneumonie erkrankte Ochsen serbischen Ursprungs. In Deutschland bessert sich die Lage sichtlich; 1896 gab es 1608 Krankheitsfälle, während mau 1899 587 und 1901 nur 284 zählte. Britisch Indien ist hochgradig verseucht. 1894 zählte allein der Distrikt Kolaba (Bezirk Bombay) mehr als 1200 erkrankte Tiere. In Afrika richtet die Peripneumonie große Verheerungen an. Von Senegambieu aus hat sie sich über den ganzen französischen Sudan und die beiden Ufer des Niger bis zum Tschadsee verbreitet und herrscht auch im Kongostaat. Sie wütet geradezu in ganz Südafrika, im Kap- land, in Natal, in Transvaal und den deutschen Kolonieen. 1858 ist Australien zum ersten Male infiziert worden. 1889 schätzte LoiE die jährlichen Verluste von Queensland auf 16 Millionen Fr. Neu-Südwales ist nicht weniger schwer betroffen. Klinische Bemerkungen. I. Verschiedene Krankheitsformen. Verlauf, Die klinischen Anzeichen der Peripneumonie sind sehr verschieden- artig. Bisweilen verläuft die Krankheit mit äußerster Heftigkeit und tötet das erkrankte Tier in wenigen Tagen ; bisweilen zieht sie sich ver- steckt über mehrere Monate hin, ohne dass irgend welche Anzeichen die Aufmerksamkeit des Eigentümers erregen. Zwischen diesen beiden Ex- tremen kann man alle möglichen Zwischenstufen beobachten. Man unterscheidet eine akute oder subakute und eine äußerst akute Form; die chronischen Formen entziehen sich jeglicher Wahrnehmung und überraschen uns später bei der Sektion oder im Schlachthofe durch ihr Vorhandensein. Inkubation. In welcher Form auch die Krankheit auftreten möge, es verläuft stets eine gewisse Zeit zwischen dem Moment der Ansteckung und dem Auftreten der ersten Symptome. Diese Inkubationsdauer ist sehr verschieden. Es ist schwierig, sie lediglich durch klinische Beob- achtung abschätzen zu wollen. Selbst da, wo man absichtlich kranke Tiere in einen sonst gesunden Stall einstellt, wo man die der Ansteckung ausgesetzten Individuen genau beobachtet und täglich ihre Temperatur und die Schwankungen des Allgemeinzustandes notiert, kann man nur Die Peripneumonie der Rinder. 685 annähernd die Dauer der Inkubation abschätzen. Einerseits weiß mau nicht genau, in welchem Moment ihres Zusammenseins mit den erkrankten Tieren die Ansteckung- wirklicli erfolgte; andererseits sind die ersten Anzeichen des Leidens erst mehrere Tage nach seinem Auftreten in der Tiefe der Lungen wahrnehmbar; selbst in Fällen von subkutaner Ino- kulation tritt das Fieber stets erst 2 oder 3 Tage nach dem Erscheinen des sich lokal entwickelnden entzündlichen Tumors auf. Höchstwahr- scheinlich verhält es sich ebenso mit den Afifektioneu der Lunge. Man konstatiert ja in diesen Fällen zu allererst das Fieber, und zwar 24, 36 oder 48 Stunden vor den ersten auskultatorischen Anzeichen. Wie dem nun auch sein möge, unter natürlichen Bedingungen scheint die Inkubationsdauer zwischen 15 und 45 Tagen zu schwanken, ^i Bei. einem persönlich von mir beobachteten Falle von äußerst akuter Peripneumonie, wo in 4 Tagen ein Lungenlappen vollständig hepatisiert wurde, war das Tier bereits seit 14 Tagen aus dem infizierten Stalle entfernt; die Inkubation hatte also selbst in diesem so schweren Falle nicht weniger als 15 Tage gedauert. Bei zwei auf experimentellem Wege durch Einatmen von Virus füh- rendem Wasserstaub infizierten Kühen stellte ich eine Inkubationszeit von 12 bis 16 Tagen fest.2s Selbst wenn man das Virus in das subkutane Zellgewebe , subperi- toneal, oder in das Gehirn injiziert, ist die Inkubation doch von beträcht- licher Dauer und umfasst einen Zeitraum von 6 (selten beobachtetes Minimum) bis 25 Tagen und mehr. a) Akute Form. Der Beginn wird durch mehr oder weniger heftig auftretende Symptome allgemeiner Natur charakterisiert; der Appetit lässt nach oder hört gänzlich auf; das Tier ist niedergeschlagen ; das Wieder- käuen stockt ; der Puls ist voll und schnell ; die Milchabsonderung wird spärlich oder verschwindet; die Atmung ist beschleunigt, kurz und un- regelmäßig; die Temperatur steigt bis auf 40" und höher. Bald verstärken sich diese Symptome und man kann auch lokale Anzeichen wahrnehmen: Beklopfen der Thoraxwände ruft einen schwa- chen, halb erstickten von einem Klagelaut begleiteten Husten hervor; der Druck mit dem Daumen längs der Interkostalräume ist schmerzhaft; der Schall ist bei der Perkussion noch nicht verändert, aber beim Auskultieren nimmt man schon eine Verschärfung und Rauheit des Vesikuläratmeus wahr. Pvasch verschlimmert sich der Allgemeinzustand, das beständig fiebernde kranke Tier steht regungslos mit gespreizten Vorderbeinen und gesenk- tem oder auf den Hals gelegten Kopfe da. Man zählt 40 bis 50 Atemzüge in der Minute, der Husten kommt häufiger, ist schwach, tritt auch in heftigen unregelmäßigen Anfällen auf und ist offenbar schmerzhaft. Die Perkussion ergiebt entweder eine völlige Dämpfung der unteren, durch eine horizontale Linie begrenzten Region (Brustfellentzündung) oder an verschiedenen Punkten lokalisierte lobuläre Hepatisationsherde. Die gesunden Teile geben normalen Schall. Beim Auskultieren merkt man, dass an den Dämpfungsstellen das Vesikuläratmen ver- schwunden und bisweilen durch Bronchialatmen mit feuchten Rassel- geräuschen an der Grenze der gesunden Teile ersetzt wird. In einigen Tagen verschlimmern sich diese sämtlichen Symptome noch mehr, und der Tod tritt, vom 10. oder 15. Tage an gerechnet, ein. Er wird durch 686 Ed. Nocard, Verstopfung der bis daliiu noch durchlässigen Teile beschleunigt, und es geht ihm eine Erstickung anzeigende Periode der Agonie voraus. Bisweilen jedoch widersteht das erkrankte Tier ; sein Allgemein- befinden hebt sich nach und nach, nachdem es lange stationär geblieben war; die auskultatorischen Symptome werden weniger deutlich und ver- schwinden schließlich; der Appetit kommt wieder und allmählich scheint das Tier gesund zu werden. Eine gänzliche Genesung ist jedoch selten, wenn sie überhaupt eintreten kann; häufiger ist der Uebergang in das chronische Stadium, was durch das Fortbestehen des Hustens, Dämpfung beschränkter Partieen der Brust und ein wenig befriedigendes Allgemein- befinden gekennzeichnet wird, selbst dann, wenn das Fieber fort ist, die Milchabsonderung wenigstens wieder teilweise vor sich geht und der Appetit sich wieder normal gestaltet hat. b) Aeußerst akute Form. Bei gewissen Individuen nimmt die Peripneumonie einen äußerst rapiden Verlauf. Bald ist die Pleura vor- herrschend affiziert, was sich durch die ungeheure Angst, die mühsame, zitternde, unregelmäßige Atmung und eine übermäßige Empfindlichkeit beim Perkutieren des Thorax kundgiebt, wobei die Tiere klagende Laute ausstoßen; der Husten ist schwach und selten; es stellt sich Muskel- zittern und völlige Anorexie ein; das Wiederkäuen hört auf, ebenso die Milchabsonderung, das heftige Fieber steigt auf 41° und 41,5° und darüber, die Untersuchung der Brust ergiebt schließlich das Vorhanden- sein eines Exsudates, dessen Niveau in raschem Steigen begriffen ist. Bald ist die Lunge besonders angegrifieu; alsdann tritt der Husten häufig auf, ist schwächlich, kommt auch in unregelmäßigen heftigen Anfällen; ist halb erstickt und sehr schmerzhaft; die Atmung ist stark beschleunigt; Perkussion und Auskultation ergeben eine hepatisierte Zone, deren Ausdehnung rapide Avächst, so dass sie in 24 oder 86 Stunden die ganze Höhe eines Lungenlappens einnimmt. Der Erstickungstod bildet die Regel; er tritt innerhalb von 2 bis 6 Tagen ein. Durch die Peripneumonie gesetzte pathologische Veränderungen. Sie sind größtenteils in der Lunge und dem entsprechenden Teile des Brustfelles lokalisiert. Ihr Aussehen ist sehr verschieden je nach ihrem Alter und der jeweiligen Form der Krankheit. Bei den rapid verlaufenden Formen bilden die hepatisierten Teile eine kompakte Masse, dichter als Wasser; das Gewebe hat seine Ge- schmeidigkeit und Elastizität verloren und ist gleichzeitig fest und brüchig geworden. Beim Einschneiden quillt auf der Schnitttiäche reich- lich klare, gelbliche, stark albuminöse seröse Flüssigkeit hervor. Das Aussehen des Schnitts ist charakteristisch; die interlobulären, be- trächtlich verbreiterten Septen bilden eine Art von unregelmäßigem Damenbrett und begrenzen hepatisierte Läppchen, deren F'arl)enskala von lebhaftem Rot bis zum mattem Schwarz geht. Die Verteilung dieser Schattierungen ist sehr unregelmäßig; es hat den Anschein, als ob jedes Läppchen sich selbstständig, unabhängig von den Nachbarläppchen hepati- siert habe. Die Verbreiterung der Septen rührt von einer außerordent- lich reichlichen Exsudation her, die in den perilobuläreu Lymphräumen stattgefunden hat, deren Wände aufs äußerste gedehnt sind. Ganz im Anfang scheint die Veränderung ausschließlich in dieser serösen Aus- schwitzung zu bestehen, die sich nach und nach auf das Läppchen aus- Die Peripneumonie der Rinder. 687 dehnt und es von der Peripherie aus nach dem Mittelpunkt zu infiltriert. An der Grenze der erkrankten Teile sind die interlobuUiren Septen schon infiltriert, wenn die Läppchen noch gesund sind, und am Rande der hepatisierten Teile kann man Läppchen sehen, deren Peripherie schon schwarz, kompakt und brüchig ist, während die Mitte noch rosig, ge- schmeidig, elastisch und durchlässig erscheint. Diese Eigentümlichkeiten beweisen augenscheinlich, dass die Affek- tion in den interlobulären Septen der Lunge beginnt und dass die Läpp- chen erst in zweiter Linie, auf zentripetalem Wege, ergriffen werden.*) Die seröse Infiltration , die von den interlobulären Septen aus das Lungenparenchym ergreift, verschont auch die Bronchien nicht. Die dieselben umgebenden lymphatischen Scheiden werden gedehnt, ihre Membranen werden infiltriert und verdickt, und es bildet sich an der Oberfläche der Schleimhaut ein bisweilen an Fibrin so reiches Exsudat, dass das erkrankte Tier in einem heftigen Husteuanfall eine Ballen aus- wirft, der einen genauen Abguss sämtlicher Bronchialäste der hepati- sierten Masse darstellt. Die Blutgefäße werden ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen ; ihre Wände sind infiltriert und verdickt, ihr Lumen wird dadurch verkleinert, und bisweilen werden sie durch eine wirkliche Thrombose vollständig verstopft. Sie erscheinen alsdann unter dem Schnitt wie eine schwarze Perle in einer dicken, weißlichen Fassung, die aus den verdickten und infiltrierten Gefäßwänden gebildet wird. Schließlich nehmen die Bronchial- oder Mediastinaldrüsen an Um- fang zu und sind stark ödematos; unter dem Schnitt erscheint ihre Rin- denschicht mit kleineu hämorrhagischen Herden besät. Mit zunehmendem Alter verändert sich das Aussehen der erkrankten Teile; die interlobulären Septen bleiben gleich dick, aber die Wände der lymphatischen Säcke sind nicht länger durchscheinend ; sie sind dick und opak geworden durch den Niederschlag einer allmählich an Dicke zunehmenden Fibrinschicht, während gleichzeitig die Menge der in ihnen enthaltenen, klaren Flüssigkeit abnimmt. Noch später haben sich die Septen fast vollständig verdichtet; an Stelle der anfänglichen, fibrinösen Niederschläge ist eine bindegewebige Neubildung getreten, die man bis in die Dicke des Läppchens verfolgen kann, das jetzt eine ziegelrote oder schmutziggraue Färbung aufweist. In diesem Moment hat das Gewebe alle Kennzeichen der chronischen interstitiellen Pneumonie. Bei einer sehr ausgedehnten Affektion der Lunge sehen die ergriffenen Teile weder überall gleich aus, noch sind sie von gleichem Alter. Dies kann man nur bei äußerst akuten Fällen beobachten. Gewöhnlich ist der mittlere Teil der hepatisierten Masse dichter, die seröse Infiltration ist daselbst weniger reichlich als an der Peripherie. Offenbar ist die *i Diese Kennzeichen der Entwicklung der Lungenaffektion setzen uns in den Stand, mit bloßem Auge die Peripneumonie von derjenigen Krankheit zu unter- scheiden, mit der sie die größte Aehnlichkeit hat, nämlich von der Rinder - seuche oder infektiösen Bronchopneumonie (Pasteurellose bovine). Diese Krankheit schreitet von den Bronchien nach der Peripherie vor: ihr Gang ist also zentrifugal. Es finden sich in der That an den Stellen, wo die Hepatisation in der Bildung begriffen ist, noch unvollkommen verdichtete Läppchen, deren mittlerer Teil schon schwarz, kompakt und brüchig ist, während die Peripherie noch rosig, geschmeidig, elastisch und durchlässig ist. Bei Druck quillt aus dem zentralen Bronchus des Läppchens ein Tropfen sclileimig-zähen, weißlichen Eiters hervor; beim Einschneiden der kleinen Bronchien sieht man die entzündete, ver- dickte, hier und da von ihrer Epidermis losgelüste Schleimhaut. 688 Ed. Nocard, Veränderimg nicht überall gleichalterig ; anfänglich von ziemlich be- schränktem Umfange ist sie allmählich in die dem Parenchym benach- barten Teile vorgedrungen. Die Veränderungen der Pleura gehen meistenteils mit der Lunge parallel. Der ganze Teil der Serosa, welche die hepatisierte Lungenmasse bedeckt, ist verdickt, infiltriert, opak, und mit einem fibrinösen, pseudo- membranösen, mehr oder weniger dichten und zähen Exsudat bedeckt, welches oft dem entsprechenden Teile des gleichfalls entzündeten und infiltrierten parietalen serösen Blattes dicht aufliegt. Das Exsudat der Pleura ist in den meisten Fällen arm au Flüssig- keit (Pleuritis sicca) ; bisweilen jedoch ist die Flüssigkeit sehr reichlich, so dass man im Pleuralraum bis zu 20, 25 und 30 Liter klarer, gelb- licher Flüssigkeit antrifft, in der einige Fibrinflocken schweben. Dies kann man besonders bei vorherrschender und in gewisser Hinsicht ursprünglicher Affektion der Pleura beobachten; doch sind derartige Fälle selten und meist wird das seröse Blatt erst in zweiter Linie in- folge des kontinuierlichen Vordringens der anstoßenden Lungenaffektion ergriffen. Da Ausdehnung und Sitz der Hepatisation unendlich ver- schieden sind, so ist es begreiflich, dass die begleitende Pleuritis gleich- falls an den verschiedensten Stellen sitzen kann: auf der Portio costalis des Zwerchfells, in der Einne zwischen Wirbelsäule und Zwerchfell (Sulcus pulmonalis) oder am Mediastinum. In letzterem Fall greift die Exsudation der Serosa auf das Zellgewebe des Mediastinums über, nimmt Besitz von Luft- und Speiseröhre, den Drüsen der letzteren und den großen Gefäß- und Nervenstämmen. Wenn das Tier rasch stirbt oder frühzeitig geschlachtet wird, findet man das Bindegewebe auseinander- gezerrt und mit Flüssigkeit infiltriert, die sich bisweilen in umfangreichen Taschen sammelt; bei langsamem Verlauf und spät eintretendem Tod entwickelt sich dieses Exsudat jedoch, ebenso wie das der interlobulären Lungensepten, derartig, dass das Mediastinum sich schließlich in eine fibrinöse Masse verwandelt, die dann fibrös wird und die Organe, mit denen es zusammenhängt, komprimiert und Störungen hervorruft, analog denjenigen der traumatischen Pericarditis, der Verstopfung des Oeso- phagus oder der Bronchialdrüsenaffektionen. In dem Abschnitt über die Symptome war gesagt worden, dass die chro- nischen Formen zu Lebzeiten des Individuums kaum ausfindig zu machen seien. In der That entdeckt man sie am häufigsten bei der Autopsie, und derartige Ueberraschungen erwarten uns besonders dann auf den Schlacht- höfen, wenn infolge von sanitätspolizeilichen Maßregeln alle Bewohner eines infizierten Stalles abgeschlachtet werden. In solchen Fällen findet man häufig 20, 30, 40 und noch mehr Prozent der geschlachteten an- scheinend ganz gesunden Tiere an chronischer Peripneumonie erkrankt. Die pathologischen Veränderungen sind meist von geringer Ausdehnung und in der Tiefe des Parenchyms verborgen. Es sind Hepatisations- herde von dem Umfang einer Nuss, eines Hühnereies oder einer Faust, die scharf durch eine Art fibröser, dicker und zäher Schale abgegrenzt werden. Auf diese Weise sind sie eingeschlossen und vollständig von dem umgebenden Gewebe isoliert. Bald hängen sie noch mit ihrer ganzen Oberfläche mit der umgebenden fibrösen Schicht zusammen; bald sind sie vollständig frei im Innern der Schale; bald sind sie mehr oder weniger in ihrer Abgrenzung vorgeschritten. Diese Eiterpflöcke, die allgemein mit dem Namen »Sequester« benannt werden, sind eiuge- Die Peripneumonie der Rinder. 689 dickt, aber von ziemlich weicher Konsistenz. Ihre periphere Schicht ist uneben und mit einer grauen eiterartigen, spärlichen, meist geruch- losen und aseptischen Flüssigkeit infiltriert, welche von der granulieren- den Innenfläche der Umhüllung abgesondert wird. Ihr mittlerer Teil ist fest, kompakt und zeigt unter dem Schnitt das charakteristische, damen- brettartige Aussehen der Peripneumonie. Nur zeigen die hepatisierten Läppchen wenig intensive, gleichsam verwischte oder gedämpfte Farben, gleich denen auf altem Teppichwerk, das lange dem Einfluss von Luft, Sonne und Staub ausgesetzt war. Diese »Sequester« sind die Folge der obliterierenden Thrombose der ernährenden Gefäße; der so von Nekrobiose befallene hepatisierte Teil spielt die Rolle eines Fremdkörpers und verursacht am lebendigen Gewebe an seiner Peripherie eine Reizung, welche die Ursache seiner Abgrenzung und Einkapselung bildet. Die chronischen Formen sind nicht die einzigen, bei denen man Sequester antrifft; nicht selten findet man solche auch bei der Sektion von Tieren, welche alle Zeichen der akuten oder subakuteu Krankheits- form aufwiesen. Schließlich giebt es Fälle, wo die Sequester nach lang- samer Entwicklung in der Tiefe des Lungenparenchyms zum Ausgangs- punkt einer akuten Krisis werden, welche das kranke Tier mehr oder weniger rasch, bisweilen in einigen Tagen, dahinrafft. Man findet als- dann zu seiner Ueberraschung bei der Sektion inmitten einer offenbar frisch hepatisierten Masse einen gewiss schon mehrere Wochen oder Monate alten »Sequester«. Neben diesen Hauptaflfektionen laufen auch solche mehr untergeord- neter Art her, die ebenfalls von Interesse sind. Bei einer Entzündung der Pleura diaphragmatica findet man nicht selten an der entsprechenden Stelle ein peritoneales Exsudat, das die Leber mit dem Zwerchfell verlötet. Dieses Exsudat sieht ebenso aus wie das des Brustfells; es ist virulent und rührt augenscheinlich von dem Vordringen der Affektion durch die Lymphstomata her, welche das Zwerchfell durchsetzen. Seltener ist das Vordringen der spezifischen Entzündung der Pleura mediastinalis nach dem Perikard; es findet sich alsdann ein geringer rötlich trüber Erguss nebst einem fibrinösen Exsudat, welches die beiden serösen Blätter des Perikards miteinander verklebt. Die Synovialis der Gelenke oder die Sehnenscheiden sind gleichfalls bisweilen der Sitz der peripneumonischen Afifektion. Ihre Buchten sind durch pseudomembranöse Exsudate gedehnt, und die umgebenden Ge- websteile sind mit derselben virulenten serösen Flüssigkeit wie die bindegewebigen Septen der Lunge gefüllt. Diese Entzündung der Syno- vialis ist eine Ausnahme bei den erwachsenen Rindern, dagegen die Regel bei sehr jungen Milchkälbern, die auf natürlichem oder Experi- mentalwege infiziert worden sind. Aetiologie — Experimentalstudien. Die ausschließliche Ursache der Krankheit ist die Ansteckung. Die Hypothese einer imabhängig von jeder direkten oder indirekten Berüh- rung mit einem erkrankten Individuum stattfindenden Infektion (Degive) wird durch keine begründete Thatsache unterstützt. Jeder neue Herd Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. III. 44 690 Ed. Nocard, wird durch Austeckimg' geschaffen; da wo die Kraukheit seit langem herrscht, kann man sie eudgiltig durch Abschlachten der erkrankten und angesteckten Tiere ausrotten, ohne dass man ihr plötzliches Wieder- erscheiuen durch eine von der Erde ausgehende Infektion (analog der- jenigen von Milzbrand und Schweiuerotlauf) befürchten müsste. Das Virus kann nicht als Saprophyt leben, wodurch ein sanitäres Dazwischentreten erleichtert und wirksam gemacht wird. Fast immer entsteht die Peripneumonie in einem Stalle durch Einführen eines er- krankten Tieres. Die gefährlichsten Krauken sind die scheinbar Ge- sunden; denn man sieht sich ihnen gegenüber nicht vor, und die Ge- schichte der Krankheit zeigt, dass sie hauptsächlich durch infizierte Tiere verbreitet wurde, die auf den Markt statt auf den Schlachthof kamen, wohin allein sie gehörten. Die Ansteckung geschieht leichter in engen, vollen und schlecht gelüfteten Ställen; doch kommt sie auch auf der Weide vor, selbst bei Weideplätzen, die durch Hecken abgegrenzt sind, über welche die Tiere jedoch sich beschnüffeln können. Verlängertes Beisammensein ist die günstigste Bedingung für die Ansteckung; doch ist sie nicht immer ausreichend und in der Regel kommen einige Tiere gesund davon. Im Verfolg der Untersuchungen der Kommission Dumas ^ blieben 9 von 24 Tieren frei. Bei den Unter- suchungen zu Pouilly-le-fort^i erkrankten 9 von 27. Die Erklä- rung hierfür liegt in der großen Verschiedenheit der Empfänglich- keit der einzelnen Tiere. Dieselbe Tbatsachen kann mau auch bei den Experimental-Inokulationen beobachten. Wir haben bereits früher ge- sehen, dass die Hauptaffektiou bei der ansteckenden Peripneumonie in einer Dehnung des interlobulären oder subpleuralen Bindegewebes (lym- phatische Säcke) besteht; diese Dehnung wird durch eine große Menge von albuminöser, gelblicher, klarer Flüssigkeit erzeugt, die sehr virulent ist. Wenn mau sie in einer Dosis von 1 — 2 Tropfen einer bis dahin noch nicht benutzten Kuh subkutan injiziert, so verursacht sie nach einer mindestens 6tägigen, bisweilen aber auch 25 Tage und mehr umfassenden Inkubation eine entzündliche, heiße, gespannte, schmerzhafte Schwellung, deren Umfang je nach der Inokulationsstelle und der Individualität der betreffenden Tiere wechselt. Wenn die seröse Flüssigkeit unter die Haut des Rumpfes, des Halses, der Wamme, der Seite, der Basis der Oliren, des oberen Teils der Gliedmaßen gespritzt wird — alles l)ei Todesstrafe verbotene Stellen — so sieht man schnell eine beträchtliche, luich allen Richtungen um sich greifende Schwellung entstehen, die oft den Tod im Gefolge hat. Bei der Sektion findet man die Maschen des Ijindegewebes durch eine ungeheure Menge gelber, klarer, seröser Flüssig- keit gedehnt, die hier und da zu gelatinösen, zitternden Massen geronnen ist. Die Exsudation ist l)isweilen so reichlich, dass man mehrere Liter virulenter Flüssigkeit sammeln kann. Durch eine solche Schwellung wird häufig der Tod herbeigeführt; er ist offenbar die Folge einer In- toxikation; denn so ausgedehnt auch die seröse Infiltration sein mag, so ergreift sie doch nie die Lunge, noch ein anderes Eingeweide. Indessen sterben nicht alle so inokulierten Tiere; einige leisten Wider- stand; nach einigen Tagen bleil)t die Schwellung stationär, dann nimmt sie ab und verschwindet allmählich spurlos. Diese Individuen zeigen sich künftig sowohl der Injektion von Virus wie auch der natürlichen Ansteckung gegenüber unempfindlich. Dieser glückliche Verlauf ist die Regel, wenn die virulente Flüssigkeit entfernt vom Centrum des Rumpfes, etwa am Schwanzende oder an der Die Peripneumonie der Rinder. 691 Spitze des Ohres eiug-eimpft wird, also an Stellen, wo die Dichtigkeit des Gewebes und die niedrige Temperatur keine rasche Vermehrung- des Virus ermöglichen. Die infolge der Inokulation auftretende lokale Schwellung zeigt stets gleichen Charakter; sie ist heiß, gespannt und schmerzhaft, aber von geringer Bedeutung, zeigt keine Neigung, die au ihrer Grenze liegenden Teile zu ergreifen und verschwindet schließlich. So gering auch diese Schwellung gewesen sein mag, sie macht das Tier unempfäng- lich für natürliche oder künstliche Ansteckung. Bisweilen indessen ver- ursacht eine reichlichere Exsudation, selbst am Schwänze, eine derartige Spannung, dass ein Stück brandig wird und ein Schwanzstück abfällt; manchmal sogar (1 — 2%) dehnt sich die Schwellung über den ganzen Schwanz aus, ergreift das Zellgewebe von Kreuz und Becken und führt den Tod herbei, genau so, als ob die Impfung in der »verbotenen Region« vorgenommen wäre (Hals und Rumpf]. Die für die Rinder so virulente peripneumonische Flüssigkeit ist anderen Tiergattungen durchaus nicht gefährlich. Ziegen, Hammel, Schweine, Pferde, Hunde, Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen, Hausgeflügel — alles verträgt ohne jegliche Störung starke subkutane oder subperitoueale Dosen von virulenter Flüssigkeit. Das seröse Exsudat in den Lungen ist das einzige virulente Produkt des erkrankten Organismus ; man kann ungestraft gesunden Rindern be- liebig große Quantitäten von Blut- oder Gewebebrei erkrankter Tiere inokulieren: sie bekommen die Krankheit nicht uud bleiben ansteckungs- fähig. Hingegen sind alle Parenchyme, wo sich das spezifische Exsudat zeigt, gleich virulent, und so bringt die Impfung mit pleuraler oder peritonealer Flüssigkeit die gleiche Wirkung wie die Flüssigkeit aus den Lungen hervor, vorausgesetzt, dass das Exsudat an irgend einer Stelle der Serosa sitzt. Ebenso verhält es sich mit dem Gelenkexsudat der Milchkälber, der Masse der Bronchial- und Mediastinaldrüsen bei der akuten Form der Krankheit und dem Bronchialiuhalt, wenn wie ge- wöhnlich die Lunge der Sitz der spezifischen Affektion ist. Wir haben gesehen, dass die von den interlobulären Septen ausgehende seröse In- filtration allmählich das Gewebe eines Läppchens und die Wände der Bronchien ergreift und bis zur Oberfläche der Schleimhaut durchdringt. Der Bronchialschleim ist also gleichfalls virulent; er ist gewöhnlich Träger der Ansteckung. Alle diese Thatsachen waren 1850 von Willems festgestellt wor- den (39). Er hat hieraus die Gesetze für eine Prophylaxe abgeleitet und gezeigt, dass man nur eine Spur von Virus am äußersten Schwänz- ende gesunder Rinder einzuimpfen braucht, um sie vor der natürlichen Ansteckung zu schützen. Seitdem haben alle Forscher die von Willems festgestellten That- sachen bestätigt, indem sie hin und wieder einige neue, besonders auf Einzelheiten bezügliche Entdeckungen hinzufügten. a) Man hat z. B. lange geglaubt, dass ganz junge Milchkälber die Peripneunomie nicht bekämen. Man beobachtet in der That niemals bei ihnen eine Affektion der Lunge, und überdies bildet sich bei subkutaner Einspritzung kein nennenswertes Exsudat im Zellgewebe der Impfstelle; dahingegen entsteht nach verschieden lauger Zeit eine akute multiple, sehr schmerzhafte Arthritis, so dass das Tier sich nicht auf das er- krankte Glied stützen kann. Wenn diese Arthritis gleichzeitig mehrere Glieder befällt, so kann das Kalb sich nicht mehr auf den Beinen 44* 692 Ed. Nocard, halten; mau könnte vermeinen, es wäre gelähmt. — Diese Arthritis ist immer von einem mehr oder weniger heftigen Fieher begleitet, und die Fieberkurve des erkrankten jungen Tieres ist gleich der der ausgewach- senen Rinder, bei denen die Inokulation eine ödematöse um sich grei- fende Schwellung erzeugt hatte. Bei der Autopsie findet man sämtliche periartikulären Gewebe mit gelblicher und gleichsam gelatinöser Flüssigkeit infiltriert; die Syno- vialis ist verdickt und reichlich mit baumförmig verästelten Gefäßen bedeckt, welche auf die Ränder des knorpeligen Ueberzuges der Gelenk- flächen überzugehen scheinen. Die Buchten des Synovialis sind gedehnt durch eine große Menge dicker, gelber oder rötlicher Synovia, in der zahlreiche Fibrinflocken von verschiedener Dichtigkeit schweben. Bei spät eintretendem Tode wird die Synovia durch dicke, dichte, zähe, fibrinöse Exsudate ersetzt, welche die Buchten der Synovialis ausdehnen und sich zwischen die Gelenkflächen schieben. Die Sehnenscheiden weisen gleiche Veränderungen auf, und bisweilen sind alle Synovialmembranen gleichzeitig ergrifien; man kann diese Veränderungen sogar bis in die Gelenke der Halswirbelquerfortsätze verfolgen, die gleichsam mit dicken fibrinösen Pseudomembranen voll- gestopft sind. Wie schwer und wie ausgedehnt auch die Veränderung der Syno- vialis sein mag, jedenfalls ist das Exsudat der Gelenkhöhle ebenso giftig wie das des Zellgewebes und der Lunge. Dieser scheinbare, allgemeine Gelenkrheumatismus ist also thatsächlich pneumonischer Natur. b) Die Einspritzung von Virus in das Zellgewebe zieht oft den Tod nach sich. Die seröse Exsudation im Zellgewebe kann noch so reichlich sein, sie kann sogar bis ins Mediastinum vordringen, aber immer wird sie das Lungengewebe verschouen. Mit anderen Worten: diese Lijektion ist niemals imstande, die für die natürliche Krankheit charakteristische Veränderung hervorzurufen. Man hat auch nicht mehr Erfolg, wenn mau das Virus in die Luft- röhre, die Venen oder gar in das Lungeugewebe selbst einspritzt. Diese Injektionen werden von den Versuchstieren meist ohne Unbehagen er- tragen; in der Mehrzahl der Fälle verleiht sie Immunität. c) Die Einspritzung des Virus im Bauch- ödes Brustfell ruft eine exsudative pseudomembranöse Entzündung hervor ; dieselbe verläuft schnell und tödlich und ist genau iu gewissen Fällen natürlicher Pleu- ritis analog 27, 28 d) Eine vermittelst einer feinen stumpfen Kanüle in das Euter einer Milchkuh gemachte Injektion ruft eine heftige Euterentzündung hervor, wenn auch die Kanüle unter Vermeidung jeglicher Traumas und jeg- licher Erosion der Schleimhaut in die Zitze eingeführt wird; die Milch verändert sich rasch und wird gelblich, klumpig und eiterartig; die Drüse verhärtet sich, ist heiß, gespannt und sehr empfindlich bei der leisesten Berührung. Dann umgiel)t sich die Eitergegend mit einem umfangreichen, sich allmählich nach allen Richtungen ausbreitenden Oedem; schließlich wird es sehr stark und führt den Tod herbei, ganz so, als ob das Virus unter die Haut gespritzt wäre statt in die Milch- kanälchen. Bisweilen jcdocli hält sich das Tier; die ödematöse Schwel- lung bleibt stehen, schwindet allmählich und vergeht schließlich; aber das Euter bleibt hart und giebt fortgesetzt statt der Milch eine dicke, zähe, eiterartige Flüssigkeit. Wichtig ist die folgende Thatsache: Der Die Peripneamonie der Rinder. 693 Eiter des Euters bleibt virulent, solange wie er abgesondert wird; es scheint sogar, dass er noch virulenter ist als die seröse Flüssigkeit, aus der er stammt 2^. e) Die intracerebrale Injektion einer Spur virulenter seröser Flüssig- keit tötet ebenso sicher wie die peritoneale Injektion. Die Symptome wechseln je nach dem Alter der Tiere. Handelt es sich um ausgewachsene oder längst entwöhnte Tiere, so zeigt sich Betäubung, Niedergeschlagen- heit, Schläfrigkeit; das Tier kommt mir ruckAveise (allerdings häufig) aus diesem Zustand heraus. Alsdann zeigen sich Schwindelsymptome: es rennt gegen die Mauer, will nicht zurückweichen, knirscht mit den Zähnen und lässt ein klägliches Gebrüll hören. Bisweilen ist die Haut so überaus empfindlich, dass die leiseste Berührung, ein leichter Hauch des Mundes genügt, um einen Schwiudelanfall hervorzurufen. Da end- lich die Tiere seit dem Eintritt der Zufälle nicht mehr fressen, so magern sie zusehends ab, und wenn der Tod etwas auf sich Avarteu lässt, werden sie zu wahren Skeletten. Diese Zufälle rühren nicht von dem Trauma her ; sie treten erst nach einer Inkubation von 6 — ^14 Tagen wie bei den andern Inokulations- arten auf. Wenn man andrerseits dieselbe Injektion bei früher immu- nisierten Tieren macht, so äußern dieselben nicht das geringste Unbehagen. Wenn die intracerebrale Inokulation bei einem Milchkalbe gemacht wird, entsteht eine multiple Synovitis der Gelenke oder Sehnenscheiden wie gewöhnlich nach subkutaner Injektion; in jedem Falle tritt der Tod erst nach dem 25. oder 30. Tage der Impfung ein. Bei der Autopsie findet man immer die gleichen Veränderungen, welche Symptome sich auch gezeigt haben mögen: heftige Pachymeniu- gitis um die Stelle, wo die Nadel eingedrungen ist, gelatiueartiges oder fibrinöses Exsudat im Arachnoidealraume, sehr reichliche cerebrospinale Flüssigkeit, starke seröse Infiltration des ganzen inokulierten Gehirn- lappens, dessen sehr weiches Gewebe eine beträchtliche Exsudatmenge liefert. Das Exsudat der Arachnoidea, die cerebrospinale Flüssigkeit und die erweichte Nervenmasse sind äußerst virulent ^l f) Es war schon oben gesagt worden, dass die intravenöse Injektion die Lungenaffektion der Krankheit nicht hervorruft, und dass sie das Tier meist immun macht. Doch entspricht dies nicht ganz den Thatsachen. Wenn man eine Verunreinigung des subkutanen oder peri venösen Zell- gewebes bei der Injektion des Virus vermeidet, so bleibt das geimpfte Tier, wenn es kein Unbehagen infolge der Einspritzung empfindet, nach wie vor ansteckungsfähig. Diese Thatsachen widersprechen durchaus den von verschiedenen Autoren, namentlich Burdon -Sanderson, BouLEY, Thiernesse uud Degive veröäentlichten. Jedoch ist der Wider- spruch nur scheinbar und die Erklärung einfach. Die betreffenden Forscher geben, ohne der Sache sonderliche Bedeutung beizumessen, an, dass entzündliche, verschieden heftige, bisweilen selbst den Tod herbei- führende Schwellungen sich um die Impfstelle entwickelt hätten und schreiben überdies ganz mit Recht diese Schwellungen dem Eindringen einer kleinen Virusmeuge in das perivenöse Zellgewebe zu. Nun weiß man aber, »dass die Bedingung für die der sul)kutanen Inokulation fol- genden Immunität die Bildung eines, wenn auch noch so begrenzten Tu- mors an der Impfstelle ist«. Wenn also die intravenös geimpften Tiere späterhin der experimentellen oder natürlichen Ansteckung Widerstand leisteten, so waren sie eben durch die bewusste Schwellung des peri- venösen Zellgewebes immunisiert worden. 69-4 Ed. Nocard, Wir vermiedeu bei unseren Versuchen diese Quelle des Irrtums, in- dem Avir die virulente Injektion in die Randvene des Ohres machten, wonach wir sofort mit dem Thermokauter einen großen, das von der Nadel durchbohrte Venenstück umfassenden Teil des Ohres aus- schnitten. Die so geimpften Tiere zeigten niemals nennenswertes Unbehagen. Impfte man sie nach einem Monat innerhalb der »verbotenen Region«, so zeigen sie sich dem Virus gegenüber genau so empfänglich wie die Kontrolltiere 2^. g) Der Verdauungskaual ist für die Experimentalinfektion ungeeignet. Das Verschlingen großer Mengen hepatisierten Lungengewebes, peri- pneumonischer Flüssigkeit oder virulenter Kultur erzeugt weder die Krankheit noch verleiht es Immunität. Die so behandelten Tiere bleiben ebenso empfindlich wie die Koutrolltiere gegenüber der virulenten Ino- kulation in »verbotener Region«. h) Die Infektion wird gewöhnlich durch die Atmungswege bewerk- stelligt; sie auf diesem Wege experimentell zu erzeugen, ist jedoch schwierig. In Gemeinschaft mit Mollereau habe ich früher festgestellt, dass die Injektion virulenter seröser Flüssigkeit in die Luftröhre die Krankheit nicht hervorruft und dass die so behandelten Tiere trotz- dem gegen eine nachherige subkutane Inokulation unempfindlich sind. Roux und ich haben gleiche Resultate bei der direkten Injektion von Virus in das Lungenparenchym erzieltes. Trotzdem war es Chauveau gelungen, ein gesundes Tier zu infizieren, indem er es zwang, in einem Sack zu atmen, dessen anderes Ende über den Kopf eines kranken Tieres gestülpt war. Wir haben gleichfalls Peripneumouie bei einigen Rindern erzeugen können, die wir in einem über den Kopf gestülpten Sack pulverisierte virulente Kultur einatmen ließen. Mehrere boten das klinische Bild und die klassischen Veränderungen der Krankheit dar; selbst diejenigen, die bei dem Experiment kein sichtbares Zeichen von Unbehagen aufwiesen, vertrugen ohne die geringste Störung die virulente Inokulation an ver- botener Stelle. Es ist also höchstwahrscheinlich, dass die natürliche Ansteckung durch die Atmungswege bewerkstelligt wird 28. Der Mikroorgaüismus der Peripneumonie. Wenn die Inokulation nach Willems auch unschätzbare Dienste ge- leistet hat, so ist sie doch nicht ohne Schattenseiten. Sie erfordert die Einspritzung eines Tropfen seröser Lungenflüssigkeit in das Zellgewebe des Schwanzendes; dieselbe verändert sich jedoch sehr leicht, wird rasch putrid und verliert alsdann ihre Virulenz, selbst wenn sie nach PA.sTEUKScher Methode rein aufgefangen worden ist. Andrerseits giebt nicht jede peripneumonische Lunge eine gleich wirksame Flüssigkeit; dieselbe kann, wenn die Atfektiou älteren Datums und die Absonderung spärlich ist, jegliche Wirksamkeit verloren haben. Aus all diesen Gründen war es wünschenswert, den spezifischen Er- reger des peripneumonischen Virus zu entdecken und Kulturen von ihm zu erhalten. »Ich bezweifle nicht«, sagte Henry Bouley im J. 1880, »dass der Tag kommen wird, wo die zu inokulierende Flüssigkeit nichts anderes als Mikrobenkultur, d. h. eine von jedem fremden Element und ganz Die Peripneumonie der Rinder. 695 besonders von septischen Elementen freie Flüssigkeit sein wird«. (Brief an Willems ^oj Seit 1852 suchte Willems bereits zusammen mit van Kempen 3« die Natur des Viruserregers zu erforschen. Bei mikroskopischer Unter- suchung der Lungenflüssigkeit entdeckte er darin feine, stark licht- brechende Ivörperchen, die BuowNEsche Molekularbewegungen zeigten; aber die Technik war damals noch zu unvollkommen, als dass solche Versuche nutzbringende Resultate hätten ergeben können. Später isolierte Sussdorf (1879) Braylants & Verriert (1880), Sütz (1881) Himmel- STOSS (1884), LuSTig (1885), Molen (1886), Arloing (1886—1898) aus peripneumonischeu Lungen verschiedene Mikroben. Jeder Forscher sehrieb dem von ihm entdeckten Mikroorganismus den Hauptanteil an der Virulenz zu, ohne dies jedoch beweisen zu können. Und warum? Schon 1882 hatte Pasteur festgestellt: 1. »dass das peripneumonische Virus, in richtiger Weise von einer erkrankten Lunge entnommen, ein reines, keine fremden Keime in sich bergendes Produkt ist; 2. dass das Virus sich nicht in a'ewöhnlicher Bouillon, etwa Hühner- oder Kalbsbouillon, oder Bierhefe kultivieren lässt«29 Alle bis dahin für spezifische Erreger des peripneumonischen Virus gehaltenen Mikroben waren auf den gewöhnlich in den mikrobiologischen Laboratorien benutzten Medien isoliert worden. Die Thatsache, dass mau virulente Flüssigkeit erhalten kann, welche imstande ist, die Krank- heit zu erzeugen, ohne dass sie einen einzigen, auf gewöhnlichen Medien kultivierbaren Mikroorganismus enthält, wäre allein schon hinreichend gewesen, jenen verschiedenen Mikroben eine spezifische Bedeutung ab- zusprechen. Wenn man virulente peripneumonische Flüssigkeit erhalten will, die gleichzeitig bei Kultur auf geAvöhnlichen Medien steril bleibt, muss man dieselbe nicht in der Tiefe der hepatisierten Lungenmasse suchen. Dabei würde man sich der Gefahr aussetzen, einige mit der Luft eingeatmete und durch den Lungenfilter zurückgehaltene Mikroben mitzunehmen. Dass diese Furcht nicht unbegründet ist, zeigt die Mannig- faltigkeit der von einigen der genannten Forscher isolierten Mikroben- arten. Doch lässt sich diese Quelle des Irrtums leicht umgehen, wenn man eine au akuter Peripneumonie erkrankte Lunge benutzt. Bei einer solchen Lunge ist das Brustfell in der Höhe der hepatisierten Gegend oft gleichsam vom Lungengewebe durch eine dicke Schicht klarer Flüssigkeit, welche die subpleuraleu Lymphräume ausdehnt, getrennt. Mau kauterisiert die Serosa leicht an einem Punkte der flüssigen An- sammlung, und führt hier unter das Brustfell das fein zugespitzte Ende einer sterilisierten Pipette ein. Auf diese Weise kann man durch leichtes Ansaugen Y2 ccm und bisweilen mehr durchsichtiger bernsteinfarbener Flüssigkeit erhalten, die gleichzeitig virulent und mikrobenfrei ist. Ist das Brustfell zu stark verdickt, oder das subpleurale Exsudat zu spärlich, so kann man auch noch Flüssigkeit für die Aussaat aus den übervollen iuterlobuläreu Septen entnehmen, welche durch einen asep- tisch, in die hepatisierte Masse geführten Schnitt bloßgelegt werden. Hierbei kann man jedoch nur wenige Tropfen erhalten; denn die Pipette darf nicht zu tief, etwa in das immer der Verunreinigung verdächtige Lungenparenchym eindringen. In Kulturversuchen genügen überdies wenige Tropfen. Man könnte sie ja auch leicht bis ins Unendliche ver- vielfältigen, indem man sie rein einem jungen Kinde subkutan ein- spritzte; binnen weniger Wochen würde an der Injektionsstelle eine 696 Ed. Nocard, umfaugreiche Scbwelhmg entstehen, aus deren Tiefe man mit Leichtig- keit große Mengen seröser Flüssigkeit entnehmen könnte, die ebenso virulent nnd ebenso rein wäre wie der Same, von dem sie abstammt. Dank diesem von Pasteue angegebenem Verfahren hat Lom in Australien für ungeheure Gebiete das für die Schutzimpfung tausend- köpfiger Herden nötige Virus beschaffen können. Lange haben Roux und ich vergeblich versucht, den Erreger der Peripneumonie zu züchten, indem wir von der virulenten, serösen f'lüssig- keit, die wir unter Vermeidung jeglicher Verunreinigung aufgefangen hatten, ausgingen. Alle unsere Kulturversuche an der Luft oder im luftleeren Raum in den gebräuchlichen Medien, flüssigen, festen, künst- lichen, natürlichen und selbst in denen dem Organismus des Ochsen entlehnten, blieben erfolglos, desgleichen unsere Färbungsversuche. Wir waren genau so ratlos wie unsere Vorgänger gegenüber dieser klaren, serösen Flüssigkeit, in der das Mikroskop nichts zeigt, die keine Kultur ergiebt und die trotzdem in großer Menge ein furchtbares Gift enthält, von dem ein Tropfen genügt, einen Ochsen zu töten. Welches auch immer die Natur dieses geheimnisvollen Virus sei, sicher ist, dass es sich in den Säften lebender Rinder ungeheuer vermehrt, während es dies in den aus dem Körper entnommenen Säften nicht thut. Hätte man ein Kulturmedium, das in beständiger Beziehung mit dem leben- den Organismus bliebe, so würde man vielleicht den spezifischen Er- reger dieses Virus kultivieren können. Das Kulturverfahren in Kollodiumsäckcheu, die in das Peritoneum lebender Tiere gethan werden, erfüllt annähernd diese Bedingungen. Von Metschnikoff, Roux & Salimbeni, beim Studium des Toxins und Antitoxins der Cholera i^ angewendet, hatte es hinsichtlich des Reich- tums der Kulturen und der Bewahrung ihrer Virulenz zu ganz uner- warteten Resultaten geführt. Würde es auf den unbekannten Erreger der Peripneumonie angewandt auch zu einem Resultate führen? Bei diesem Verfjihren wurden kleine sehr dünnwandige Kollodium- säckchen benutzt, die im Autoklaven sterilisiert werden können ohne ihre osmotischen Eigenschaften zu verlieren. Man thut ein wenig Bouillon hinein, in die zuvor eine Spur des virulenten Produktes gesät ist. Man schließt die Säckchen genau und thut sie dann in das Peritoneum eines bis dahin noch nicht benutzten Tieres, sei es Meerschweinchen, Kanin- chen, Hund, Hammel, Kuh, Pferd u. s. w. Die aseptische Ausführung dieser Manipulationen erlernt sich sehr leicht, und das Tier scheint keinen Augenblick weder unter der überstandenen Laparotomie noch unter dem Vorhandensein der Säckchen in seiner Bauch- höhle zu leiden. Nach einem je nach der Natur des untersuchten Virus verschieden langen Zeitraum schlachtet man das Tier (oder man macht einen zweiten Bauchschnitt) um das Säckchen, bezw. die Säckcheu herauszuholen, die man hiiieiugethan hatte. Sie finden sich in einem Winkel der Bauchhöhle und siiid von einer mehr oder weniger dicken, Fibrin- oder Celluloseschicht oder von frischem fibrösen Gewebe umhüllt, aus dem man sie ohne große Schwierigkeit herausschält. Dann kann man, allerdings unter Vermeidung jeglicher Verunreinigung, den Inhalt des Säckchens herausholen und sehen, ol) sich eine Kultur gebildet hat. Wenn das betreffende Tier und das Kulturmedium gut gewählt waren, so erhält man überraschende Resultate, deren Deutung leicht ist. Die Kollodium wand bildet ein uuübersteigliches Hindernis sowohl für die Mikroben wie auch für die Zellen. Die Mikroben können sich im Innern Die Peripneumonie der Rinder. 697 des Säckcliens in völliger Freiheit und g-escliützt vor den Pliagocyten entwickeln. Das Tier selbst ist vor der direkten Wirkimg- der Mikroben geborgen, aber nicht vor ihren Toxinen. Die Wand des Säckchens ist in der That für Mikroben und Zellen unzugänglich und bildet gleich- zeitig eine osmotische Membran, die für jede dialysierbare Substanz durchlässig ist. Auf ihrem Nieveau findet ein Austausch statt, der die ursprüngliche Zusammensetzung der eingeschlossenen Flüssigkeit stark verändert ; es dringen Produkte des Organismus ein, welche die Kultur des ausgesäten Mikroorganismus begünstigen können, andererseits können auch von ihm bereitete oder von seiner fermentativen Wirksamkeit her- rührende Substanzen heraustreten und bei genügender Wirksamkeit mehr oder weniger schwere Intoxikationen herbeiführen und selbst den Tod des Tieres verursachen, ohne dass ein einziger Mikroorganismus in die Gewebe gedrungen wäre. Dieses Heraustreten von Sekretionsprodukten der Mikroben ist jedenfalls eine günstige Bedingung für die Kultur und die Erhaltung der Virulenz! »Dieses Verfahren ist sehr am Platze bei zarten Mikroben und ge- lingt bei vielen Arten « i^. Es bewährt sich ausgezeichnet bei dem Mikroorganismus der Peri- pneumonie. Das für diesen Versuch am besten geeignete Tier ist augen- scheinlich das Rind, da es allein Peripneumonie bekommt. Aber man hat nicht immer Rinder für derartige Experimente, die sehr oft wieder holt werden müssen, zur Verfügung; wir haben es daher zunächst mit dem Kaninchen versucht, obgleich es für die Krankheit unempfänglich ist. Es war zu fürchten, dass seine Säfte für die Kultur des Virus unge- eignet sein würden; es war jedoch auch anzunehmen, dass, wenn das Virus sich im Organismus des Kaninchens nicht entwickelte, es durch die Phagocyten verscheucht wäre, wie dies ja allen nicht pathogenen Mikroorganismen begegnet. Da die Kollodiumsäckchen für Zellen un- durchdringlich sind und gleichzeitig aufgelöste Substanzen durchtreten lassen, so konnten wir hoffen, dass das Virus bei dem Kaninchen zu züchten wäre; wir haben deshalb das Experiment unternommen und hatten das Glück, sofort auf ein Tier zu treffen, dessen Säfte sich für die Kultur dieser Mikroben eigneten 2« 9. Es muss hierbei folgendermaßen verfahren werden: Ein im Autoklaven sterilisiertes Kollodiumsäckchen wird mit Bouil- lon gefüllt, in die zuvor etwas seröse peripneumonische Flüssigkeit gesät ist; das Säckchen wird dann sorgfältig geschlossen und in die Bauchhöhle eines Kaninchens gethau. Nach 15—20 Tagen enthält es eine opalisierende, schwach albuminöse Flüssigkeit. Die Opaleszenz ist so gering, dass, um sie mit Sicherheit feststellen zu können, man klug daran thut, ein zweites Kollodiumsäckchen ohne peripneumonisches Serum in das Bauchfell desselben Kaninchens zu thun. Da der Inhalt des Kontrollsäckchens seine Durchsichtigkeit bewahrt hat, so kann mau genau den Grad der Opaleszenz des ersten Säckchens schätzen. Die opalisierende Flüssigkeit enthält jedoch weder Zellen noch Mikroben, die in den gewöhnlichen Medien kultivierbar wären. Hingegen lassen sich mikroskopisch bei starker Vergrößerung (1500) eine Unzahl kleiner lichtbrechender beweglicher Punkte wahrnehmen, die so winzig sind, dass es selbst mittelst Färbung unmöglich ist, ihre genaue Form zu be- stimmen. Diese beweglichen, stark lichtbrecheuden Punkte, die so zahl- reich sind, dass sie trotz ihrer außerordentlichen Kleinheit das Opalisieren 698 Ed. Nocard, der Bouillon bewirken, sind Lebewesen, welche sich in der Bouillon dank den Modifikationen der Kulturflüssigkeit und dem durch die Kollodiumwaud den Phag-ocyten entgegengesetzten Hindernisse haben ungeheuer ver- mehren können. Der Beweis hierfür ist leicht zu erbringen. Man bringe in das Peritoneum eines zweiten Kaninchens zwei neue, mit einer Aussaat versehene Säckchen, das eine mit einer Spur von der ersten Kultur, das andere mit mehreren Tropfen derselben, jedoch bis auf 60'^ erhitzten Kultur. Dieses wird sich genau so wie der Kontrollsack von vorhin verhalten, sein Inhalt bleibt klar und durchsichtig, während jenes bald die Opaleszenz und die unzähligen, beweglichen, stark lichtbrechenden Punkte aufweisen wird, die weiter oben beschrieben werden. Die Er- wärmung auf 60" hat genügt, um alle ausgesäten Mikroben zu töten. Mit der opalisierenden Flüssigkeit des fruchtbaren Säckchens kann man wiederum andere Säckchen besäen, welche man in das Bauchfell eines dritten Kaninchens thut, und so fort; man erzielt immer dieselben Eesultate. Es ist jedoch geraten, für jeden Durchgang verschiedene Säckchen zu verwenden, da dieselben häufig zerbrechen. Oft sind die Kaninchen sehr abgemagert, wenn man die Säckcheu herausholt; oft sogar sterben sie vor dem hierfür festgesetzten Tage ; sie sind dann stark kachektisch und haben nur noch Haut und Knochen. Bei der Autopsie findet mau trotzdem keine nennenswerte organische Veränderung; Blut und Gewebebrei, die in verschiedenen Medien selbst in Kollodiumsäckchen ausgesät werden, ergeben keine Kulturen. Folglich sind die Tiere nicht an einer Infektion gestorben, sondern höchst wahr- scheinlich an einer Intoxikation, die von dem Austreten der Toxine der Mikroben aus dem Säckchen herrühren. Ein neues Beispiel dafür, dass ein Tier für die Toxine eines Mikroorganismus empfänglich sein kann, während es für sie selbst gänzlich unempfänglich ist. Die Kultur in Säckchen gelingt auch sehr gut beim Ochsen; hin- gegen misslingt sie vollständig beim Meerschweinchen. Selbst nach 4^ — 6 wöchentlichem Aufenthalt im Bauche des Meerschweinchens bleibt die Flüssigkeit noch ebenso klar als wie im Anfang des Experiments, möge sie auch noch so reichlich besät worden sein. Es handelt sich hier also um einen Mikroorganismus, der sich in einer bestimmten, durch osmotische Vorgänge im Innern des Kollodiumsäckchens geschaffenen Umgebung stark vermehrt; diese ist sehr günstig bei Kaninchen imd Rindern, ungünstig dagegen bei Meerschweinchen. Statt Kollodiumsäckchen, die schwer mit dem gewünschten Grade von Durchlässigkeit zu beschaffen, schwierig genau zu verschließen und stets sehr zerbrechlich sind, kann mau auch noch gut Säckchen von reiner Cellulose (Viskose) benutzen, die leicht zu haben sind. Sie sind immer gleich geschmeidig, durchlässig, widerstandsfähig und gut im Auto- klaven zu sterilisieren. Man kann auch noch nach dem Beispiel von Metschnikoff die im Innern des Schilfrohres befindlichen feinen Häutchen verwenden (Phrag- mites communis). Diese dünne, zähe, celluloseartige Membran ist für zersetzte Substanzen sehr durchlässig und gestattet eine rasche Dialyse. Mau schließt sie leicht an den beiden Enden mit einem straften Faden und sichert den Verschluss, indem man auf jedes Ende einen Tropfen einer dicken alkoholischen Gummilösung thut. Die Peripneumonie der Rinder. 699 Kultur in vitro ^'^^ Die so iu Kollodiiimsäckclien nach 15 — 20 tägigem Aufenthalt im Bauchfell eines Kaninchens erzielte Kultur erg'iebt beim Aussäen an der Luft oder im Vacuum in irgend einem der in bakteriologischen Labora- torien benutzten Medien keine Kulturen, sei sie selbst noch so reichlich. Jedoch kann mau in vitro Kulturen erzielen, die denjenigen der Säckchen beinahe analog sind. Dies gelingt nämlich, wenn man z. B. als Kulturmedium sterile, nicht besäte Bouillon benutzt, die während einiger Wochen in Kollodium- säckchen im Peritoneum einer Kuh oder eines Kaninchens gewesen ist. Diese sterile Bouillon verändert sich gleichfalls während ihres Aufent- haltes im Peritoneum infolge der osmotischen Vorgänge, welche durch die Wand des Säckchens hindurch stattfinden; sie wird schwach albuminös und ist schließlich imstande, außerhalb des lebenden Organismus der Kultur der Mikroben der Peripneumonie in vitro zu dienen. Dies lässt sich auch noch auf andere Weise erreichen. Eines Tages hatten wir im Verlauf unserer Kulturversuche in vitro eine Kultur erzielt, die denjenigen in den Säckchen gleich war. Es handelte sich um eine Röhre mit MARTiNscher Bouillon, die reichlich mit mehreren Tropfen subpleuraler seröser Flüssigkeit besät war. Nach dreitägigem Aufenthalt im Brutschrank war die besäte Bouillon leicht opalisierend und wies die kleinen, beweglichen, stark lichtbrechenden Körnchen auf, die für die Säckchenkulturen charakteristisch sind; die von dieser ersten Kultur gemachten Aussaaten blieben jedoch steril. Trotzdem bestärkte uns diese erste Beobachtung in unserer Meinung, daß das peripueumonische Virus außerhalb des Organismus kultiviert werden kann, falls man ihm ein passendes Medium darbietet. Dies ist uns nach zahlreichen Versuchen gelungen. Die KulturÜüssigkeit, die bis zum gegenwärtigen Augenblick die besten Eesultate zu ergeben scheint, ist ein Gemisch von der Pej)ton- lösung, die Martin ^^ zur Bereitung des Diphtherietoxins benutzt hat, und Kuh- oder Kaninchenserum. Die brauchbarste Mischung enthält 6 bis 8 % Serum. Benutzt man die im Handel befindlichen Peptonlösungen, so erhält man keine Kultur, selbst bei Zusatz von Serum ; ebenfalls er- zielt man nichts, selbst wenn man MARTiNsehe Bouillon ohne Serum (»der reines Serum ohne MARTiNSche Bouillon besät. Wie weiter oben erzählt, war unsere erste Kultur geglückt, und zwar sicherlich deshalb, weil die reichlich ausgesäte virulente Flüssigkeit der MARTiNschen Bouillon das unumgänglich notwendige Quantum Kuhserum hinzugefügt hatte. Die späteren Kulturen waren misslungen, weil die- selbe MARTiNSche Bouillon nicht mit natürlicher seröser Flüssigkeit, sondern mit einer Bouillonkultur besät war, durch die ihr nicht die durchaus nötige Albuminmenge vermittelt worden war. Die MARTiNsche Bouillon mit einem Zusatz normalen Ochsenserums in dem oben ange- gebenen Verhältnis wird durch eine CnAMBERLAND-Kerze filtriert und dann wieder in Kolben oder sterilisierte Röhren verteilt; sie wird erst nach einer 48 stündigen Prüfung im Brutschrank benutzt^. Die so präparierte Bouillon ist eine bernsteinfarbene, gänzlich durch- sichtige Flüssigkeit; man kann daher mit Bequemlichkeit die Fortschritte der Kultur verfolgen. Aus diesem Grunde darf man der MARTiNSchen Bouillon kein durch die kontinuierliche Erhitzung sterilisiertes Serum zusetzen; die Mischung von Bouillon und erhitztem Serum bleibt selbst 700 Ed. Nocard, nach dem Filtrieren opalisierend. Da ja nun aber die Kultur des Peri- pneumouieerregers nur an dem Opalisieren des Mediums keuutlieli ist, so würde man sieh ja des einzigen Mittels begeben, um sich von dem Vorhandensein einer Kultur zu überzeugen. Köhrchen mit Serumbouillou, auf die eine Spur rein aufgefangener seröser Flüssigkeit mit einer Spur von einer frühereu Kultur ausgesät ist, sind schon nach einem Aufenthalt von 48 Stunden bei 37° im Brut- schrank leicht opalisierend. (Unter 30° entsteht keine Kultur.) Jedoch ist diese Opaleszenz sehr schwach ; man kann sie eigentlich nur konstatieren, wenn man neben das Kulturröhrchen ein anderes, mit nicht besäter Serumbouillon gefülltes Röhrchen hält, das gleichzeitig zur Kontrolle in den Brutschrank gethan werden muss. Lässt man durch das Kulturröhrchen mit Hilfe eines durchbohrten Schirmes einen Lichtstrahl fallen, so sieht man beim Schütteln des Röhrchens seidenglänzende Wellen, die man bei mattem Lichte nicht unterscheiden konnte. Untersucht man die opalisierende Bouillon mikroskopisch unter starker Vergrößerung (1200 oder 1500) und Beleuchtung, so erscheint sie mit sehr feinen, beweglichen, stark lichtbrechenden Granulationen angefüllt, deren genaue Form sich unmöglich bestimmen lässt. Neben diesen feinen Elementen finden sich dickere von unregelmäßigen, unbe- stimmten Konturen, welche ihren Standpunkt unter dem Antrieb der ersteren verändern. Dies sind wahrscheinlich in der Serumbouillon schwebende Eiweißteilchen, denn man findet sie gleichfalls in dem Kontrollröhrchen, wo die ersteren fehlen, Tartakowsky & DscHOUNKOWSKY^s, die gleichfalls Kulturen in Kollodiumsäckchen erzielten, sagen, dass die Mikroben rund und von verschiedenem Umfange seien ; uns ist es selbst bei einer Vergrößerung von 2000 unmöglich gewesen, bestimmt zu sagen, ob sie rund oder ei- förmig sind. Dennoch würden wir uns gern der Ansicht zuneigen, dass diese Mikroben von länglicher Form sind, wenn wir diese Behauptung wagen könnten. Das was Tartakowsky & Dschounkowsky über die Veränderlichkeit des Umfangs sagen, findet wahrscheinlich seine Er- klärung in dem Umstand, dass diese Mikroben häufig mehr oder weniger umfangreiche Konglomerate bilden. Tartakowsky & Dschounkowsky erkennen selbst diese Thatsache an. Kultur auf festem Medium '■''^^ Der Erreger der Peripneumonie vermehrt sich nur bei einer Tem- peratur von mehr als 30"; man muss also darauf verzichten, sich zu seiner Züchtung der Gelatinemedieu zu bedienen. Da Agar-Agar bei hoher Temperatur fest bleibt, so konnte der Versuch gemacht werden, den Mikroorganismus auf MAuriNscher Bouillon, die mit Agar und Kuh- serum versetzt war, zu kultivieren. Nachstehendes Verfahren ergiebt die besten Resultate: »Die MARTiNsche Bouillon, der 15 g Agar pro Liter zugesetzt sind, wird im Autoklaven auf 115" erhitzt, filtriert und dann in schrägsteheude Röhrchen verteilt. Wenn der Agar fest am Glase hängt, entzieht man mittels einer Pipette das Kondeuswasser, das sich auf dem Boden der Röhre angesammelt hat und ersetzt es durch V2 ocm normales Serum, das zuvor mittels Filtrierens durch eine Kerze sterilisiert worden ist. Die Röhrchen werden alsdann während 24 Stunden schräg gestellt. Die Peripneumonie der Rinder. 701 SO dass sich das Serum auf der Oberfläche des Mediums ausbreitet und den Agar durchzieht. Nach 48stüudig-er Prüfung- im Brutschrank sind sie zur Aussaat bereit. Dieser Agar ist fast ebenso durchsichtig wie Gehatine; man kann in ihm die kleinsten sich bildenden Kolonieen durch die Lupe beobachten.« (Dojardix-Beaumetz^]. Breitet man auf der Oberfläche dieses Agars eine Spur virulenter seröser Flüssigkeit oder Bouillonkultur aus, so erhält man nach drei- tägigem Aufenthalt im Brutschrank l)ei 37° Kolonieen, die nur noch durch die Lupe oder noch besser bei schwacher mikroskopischer Ver- größerung erkennbar sind. Diese Kolonieen sind rund, durchsichtig und Tautropfen vergleichbar; ihr Durchmesser beträgt etwa 0,2 mm. Nach fünf- tägigem Aufenthalt im Brutschrank erscheint im Mittelpunkt der Kolonie eine Art granulierter, opaker, brauner Warzenbildung, die von einer hellen, dünneren Zone umgeben ist, die sich allmählich über die Ober- fläche des Agars ausbreitet und eine Breite von 1 mm und mehr er- reicht. Werden diese Kolonieen älter, so werden sie weniger durch- sichtig und nehmen weißliche Färbung an; sie hängen fest am Medium und sind mittels Platindrahtes nicht loszulösen. Dies liegt daran, dass der Mittelteil, der unter dem Mikroskop wie eine opake bräunliche Warze erscheint, statt sich von der Oberfläche abzuheben, in dieselbe hinein- sinkt und sich gewissermaßen wie ein Nagel in das Substrat einbohrt. Färb ungs versuche. Tartakowsky & Dschounkowsky35 ist es nach ihrer Aussage gelungen, Mikroben ihrer Kulturen mit Methylviolett, Gentianaviolett und warmen Lösungen von Karbolfuchsin zu färben; doch soll nur eine beschränkte Anzahl von Mikroben die Färbung angenommen haben. Wir sind nicht so glücklicli gewesen; unsere Kulturpräparate in Bouillon, die wir mit basischen Anilinfarbstotfen behandelten, zeigten nur einen feineu Niederschlag von Eiweißteilchen, der mit den auf nicht besäten Präparaten von Kontrollbouillon identisch war; dieser Niederschlag scheint größtenteils von dem in der Kulturbouillon befind- lichen Serum herzurühren. Um diese Unzuträglichkeit zu vermeiden, kann man die auf der Oberfläche des Agars entwickelten Kolonieen abkratzen und daraus in destilliertem Wasser eine Emulsion machen, die man hierauf färbt; man erhält alsdann jedoch nur einen feinen Staub, in dem jedes Körnchen aus einem Konglomerat zahlreicher Mikroben besteht, in dem man aber kein einziges isoliertes Element zu unterscheiden vermag. Die warme ZiEHLsche Lösung setzt uns, selbst nach Beizung mit Eisentannat, auch nicht in den Stand, ein bakterielles Element von irgend welcher bestimmten Form zu unterscheiden. Doch ist die Färbung der gesamten Mikrobenanhäufung, aus der eine Kolonie besteht, nicht schwierig. Mit einem guten Easiermesser entnimmt man der Oberfläche des Agars eine dünne Scheibe, die einige dort inkrustierte Kolonieen enthält; man legt sie auf den Objektträger, so dass die äußere Fläche das Glas berührt und lässt das Präparat als- dann trocknen ; nach 24 Stunden kratzt man mit einem Skalpell den ge- trockneten, sich in Schuppen loslösenden Agar ab, während der obere Teil der Kolonie am Glase hängen bleibt. Leicht kann man nun sehen, dass alle basischen Anilinfarbstoffe die bakteriellen Anhäufungen rasch färben, während dieselben die GRAMsche Färbung nicht annehmen. 702 Ed. Nocard, Statt deu Schnitt parallel mit der Oberfläche des Agars zu machen, kann man ihn auch senkrecht ausführen; man sieht dann, dass der mittlere Teil der Kolonieen sich wie ein Nagel tief in den Agar ein- drückt, statt sieh von ihrer Oberfläche abzuheben. Auf diesen Präpa- raten kann mau selbst bei stärkster Vergrößerung kein isoliertes Element unterscheiden ^. Spezifische Eigenschaften des Mikroorganismus. Ist nun dieser sonderbare Mikroorganismus, welcher sich sowohl in KoUodiumsäckchen, in MARTixscher Bouillon mit Serum, in flüssigem oder durch Agar verdichtetem Zustande kultivieren lässt, wirklich das spezifische Agens des peripueumonischen Virus? Die experimentelle Untersuchung giebt uns eine bejahende Antwort. Impft man den Mikroorganismus in sehr kleiner Dosis in das sub- kutane Zellgewebe des Halses, der Schulter oder der Seite ein, so ver- ursacht er beim ausgewachsenen Einde eine um sich greifende, oft töd- liche Schwellung, die im ganzen derjenigen gleicht, die auf die Inoku- lation der serösen Flüssigkeit aus der Lunge folgt: die verschieden lange Inkubation, der heftige Fieberzustand, Veränderung des Zell- gewebes — alles ist identisch. Gleichfalls ertragen diejenigen Tiere, die erfolgreich der Entwicklung der inokulierten Kultur Trotz geboten haben, ohne jegliches Unbehagen die Inokulation enormer Dosen seröser Lungenflüssigkeit in der »verbotenen Gegend« und ebenfalls sind sie für natürliche Ansteckung unempfänglich 20 • 27 n. 2s Bei den Milchkälbern rufen sowohl Kultur Avie natürliche seröse Flüssigkeit multiple Synovitis der Gelenke und Sehnenscheiden- entzündung hervor, die meist mit dem Tode endigen. AVelches auch das Inokulationsverfahren sei, jedenfalls sind die Wirkungen der Kultur durchaus mit denen der serösen Luugeuflüssigkeit identisch. Selbst wenn mau die Injektion in das Zellgewebe der Schwanzspitze, der bevorzugten Stelle für die WiLLEMSSche Inokulation, vornimmt, merkt man keinen Unterschied: es erscheint daselbst nach dem gewöhn- lichen Zeitraum eine entzündliche, etwas heiße und empfindliche Schwellung, die in der Regel keine Neigung zeigt, bis zur Schwanz- Avurzel fortzuschreiten, während einiger Tage stationär bleibt, dann all- mählich al)schwillt, schließlich verscliwindet und das Tier für virulente Inokulation an verbotener Stelle wie auch für natürliche Ansteckung unempfänglich macht. Dies hat uns bewogen, den im Sanitätsdienste stehenden Tierärzten zu raten, anstatt der natürlichen serösen Flüssigkeit die Reinkultur zu inokulieren, da die erstere so leicht veränderlich, so unbeständig in ihren Wirkungen und im Notfalle häufig so schwer in hinreichender Menge zu beschaffen ist. Die erzielten Resultate sind, Avie wir weiter unten sehen werden, außerordentlich befriedigend (Constant^). Biologie des Mikroorganismus. Er ist hau])tsächlich aerob. Im luftleeren Raum oder beim Vorhanden- sein von indiflcrenten Gasen macht die Kultur nur langsame, kümmer- liche und mühsame Fortschritte. Die Peripneumonie der Rinder. 703 Das Temperatnroptimum ist zwischen 37 imd 38°; nach zwei Tagen sind die Eölircheu mit Serumbouillon bereits opalisierend; die Trübimg- steigt bis zum 10. Tage, ist aber zum Teil eine Folge der Phospliat- und Albuminniederscliläge, welche bei steigender Temperatur gleichfalls zunehmen. Macht man täglich eine Aussaat auf Serumagar, so be- merkt man, dass die Kolonieen zwischen dem 5. und 8. Tage am zahl- reichsten sind; später nimmt ihre Zahl ab und nach 20 Tagen bilden sich überhaupt keine mehr. Doch ist die Kultur noch lebendig, denn auf Serumbouillon ausgesät erzielt sie neue Kulturen; erst nach 4- oder 5 wöchentlichem Aufenthalt im Brutschrank kann sie sich nicht mehr regenerieren. Der Erreger der Peripneumonie stirbt bei 58° sowohl in der Kultur wie auch in der serösen LungeuHüssigkeit. Die Kultaren in versiegelten Ampullen bleiben nach 7 — 8tägigem Aufenthalt im Brutschrank und falls man sie geschützt vor dem Licht bei einer niederen Temperatur von 10° aufhebt, fast ein Jahr laug lebendig. Im Eisschrank scheint sich bei einer Temperatur unter 0° ihre Lebensfähigkeit unbegrenzt lange zu erhalten 9' ^K Der Mikroorganismus lässt sich nur in Serum enthaltenden Medien züchten; die Menge des Serums kann verschieden sein, sein Vorhanden- sein ist unerlässlich. Bei weniger als 5^ Serum kann sich noch eine Kultur entwickeln, doch ist sie mager und wächst nur langsam; bei mehr als 10 X bildet sie sich rasch und üppig, doch ist die Bouillon so stark opalisierend, dass mau unmöglich die Fortschritte der Kultur verfolgen kann; es ist also besser, dieses Verhältnis nicht zu überschreiten. In reinem Serum gedeihen keine Kulturen. Es muss verdünnt w^erden; die MAKTixsche Peptonlösuug scheint das beste Verdünnungs- mittel zu sein. Die Kultur lässt sich in jedem Serum erzielen. Alle Serumarten sind jedoch nicht gleich günstig; in Bouillon mit Serum vom Meerschwein- chen wächst die Kultur langsam und bleibt spärlicher als in Bouillon mit Ochsen- oder Kaninchenserum. Der Mikroorganismus gedeiht ausgezeichnet in den Säften des Ka- ninchens sowohl in vivo wie in vitro; aber nach einigen Durchgängen durch diese Medien wird seine Virulenz merklich schwächer. Dieselbe erhält sich hingegen in Medien mit Zusatz von Ochsenserum; dieses muss man also benutzen, um die Virulenz zu unterhalten. Diejenigen Rinder, die einem Krankheitsanfalle widerstanden haben, sind immun. Hängt mm diese Immunität von einer Modifikation ihrer Säfte ab? Ist ihr Serum künftighin ungeeignet für die Kultur? Die Erfahrung lässt uns eine verneinende Antwort geben. Eine von einem sehr ernsten Anfalle der auf experimentellen Wege erzeugten Krankheit genesene Kuh, deren Immunität durch progressive Injektionen von hochgradig virulenter Kultur verstärkt war, "lieferte Serum, dessen vorbeugende und heilende Eigenschaften offenkundig waren. Nun ist dieses Serum, in der gewöhnlichen Menge der Martin- schen Bouillon zugesetzt, ein ebenso günstiges Kulturmedium wie ein Serum von einer bis dahin noch nicht benutzten Kuh. In einer starken Dosis einer kleinen Menge Kultur beigefügt und mit dieser 24 bis 48 Stunden in Berührung belassen, ergiebt es schöne Kulturen, wenn man es in günstigen Medien aussät. In verschiedenen Mengen einer jungen Kultur beigemischt, bringt es weder bei Zimmertemperatur noch 704 Ed. Nocard, im Brutschrank irgend welche wahrnehmbare Agglutination hervor; die Kultur bewahrt ihre Opaleszenz. Das Serum hochimmunisierter Tiere ist demnach weder aggluti- nierend noch baktericid. Die im Handel befindlichen Peptonsorten sind von so ungleicher Zu- sammensetzung, selbst die, welche dieselbe Fabrikmarke tragen, dass es unklug wäre, sich ihrer zu Kulturzweckeu zu bedienen ; außerdem sind diejenigen, die bisweilen für die Kultur günstig zu sein scheinen, dies nur, falls man sie nicht den hohen Temperaturen des Autoklaven aussetzt; ihre Lösungen müssen mittels Filtriereus durch die Kerze steri- lisiert werden, imd selbst dann sind sie lange nicht so gut wie die Peptonlösung, die Martin aus Schweinemageu bereitet. Wenn man den erforderlichen Schweinemagen nicht beschaffen kann, so muss mau sich sein Pepton durch Herstellung einer künstlichen Ver- dauung aus Kalbfleisch selbst bereiten. Das im Laboratorium auge- fertigte Pepton kann dann im Autoklaven sterilisiert werden, ohne seine für den Mikroorganismus der Peripneumouie ernährenden Eigenschaften einzubüßen. Der Erreger der Peripneumonie passiert gewisse Porzellanfilter. Diagnostische Anwendung. Wenn man seröse peripneumonische Flüssigkeit durch Chamberland- sche Porzellaukerzen oder BERKEPELDsche Kerzen aus Infusorienerde filtriert, so kann die filtrierte Flüssigkeit bis dahin unbenutzten Rindern in großen Mengen inokuliert werden, ohne dass sie die Krankheit be- kommen. Sie werden aber auch nicht immun, denn die Flüssigkeit hat jegliche Virulenz verloren; die in ihr ursprünglich enthaltenen Mikroben sind durch das Filter zurückgehalten. Man erlangt dasselbe negative Resultat, wenn man statt der natürlichen serösen Flüssigkeit Kulturen in MARTixscher Serumbouillou filtriert. Das Filtrat kann ohne Schaden unbenutzten Rindern eingeimpft werden; sät man es in günstigen flüs- sigen oder festen Medien aus, so ergiebt es keine Kulturen. Ganz andere Resultate ergeben sich, wenn man die seröse Flüssig- keit oder die Kultur vor dem Filtrieren in einer großen Menge Wassers oder nicht eiweißhaltiger Bouillon verdünnt; die das Filter passierende Flüssigkeit bleibt virulent und ergiebt ausgesät üppige, fruchtbare Kulturen. Wie soll man sich so verschiedene Resultate erklären? Die natür- lichen serösen Flüssigkeiten oder die konzentrierten Eiweißlösungen passieren die Porzellanfilter nur mit Mühe, lagern aber auf der Wand des Filters eine Schicht ab, so dass die Flüssigkeit das Filter nur ver- mittels wahrer Dialyse passieren kann. Infolge zahlreicher Experimente ist festgestellt worden, dass der Erreger der Peripneumonie die porösesten Filter, selbst die BERKEFELDscheu nicht mehr passiert, wenn die Menge der serösen Flüssigkeit, die sich in der zu filtrierenden Masse verdünnt findet, ?>% übersteigt. Bei 2 bis 3^ ist das Ergebnis schwankend. Aus diesem Grunde werden die flüssigen Kulturen durch die Filtration sterilisiert, da die zur Kultur dienende Bouillon H bis %% Serum enthält. Will man daher seröse Lungenflüssigkeit filtrieren, so verdünne man sie zuvor um das 60- oder 80 fache ihres Volumens mit Wasser oder einfacher Bouillon. Handelt es sich um eine Kultur in Serumbouillon, Die Peripneiimonie der Einder. 705 SO genügt es, das 8- bis 10 fache ihres Volumens an Wasser hinzu- zufügen. Tartakowsky & DscHOUNKOWSKY haben sicher deshalb mit ihren Filtrierversuchen kein Glück gehabt, weil sie es unterlassen haben, die seröse Flüssigkeit oder die Kulturen in Kollodiumsäckchen zu ver- dünnen. Selbst nach der nötigen Verdünnung geht der Mikroorganismus nicht durch alle Filter; er wird noch durch die KiTASATOScheu Kerzen und die CHAMBERLAND-Kerze B, deren Masse sehr hart und dicht ist, zurück- gehalten; er passiert hingegen mit Leichtigkeit die ÜHAMBERLAND-Kerze F und die BERKEFELDSchen Kerzen. Diese Eigentümlichkeit des Mikro- organismus, gewisse Porzellaufilter zu passieren, hat nicht nur ein großes theoretisches Interesse, sie ist auch praktisch wertvoll. Die Lungenaffektiou bei der Peripneumonie kann nämlich mit Affektionen ganz anderer Natur verwechselt werden, die ebenfalls wie jene durch ein reichliches, seröses Exsudat der iuterlobulären bindegewebigen Septen gekennzeichnet werden. Die Differentialdiagnose ist bisweilen, besonders für den praktischen Tierarzt, sehr schwer zu stellen. Dank dem Filtrierverfahren ist es heute möglich, die Diagnose mit Sicherheit abzugeben; binnen weniger Tage weiß man, ob es sich um Peripneumonie handelt, und man kann dann mit gutem Gewissen die ernsten sanitären Maßregeln ergreifen, welche die Feststellung dieser Krankheit nach sich zieht. In einem solchen Falle verfährt man am besten folgendermaßen: Der Tierarzt, welcher genaue Auskunft zu haben wünscht, schickt ins Laboratorium entweder ein Stück der hepatisierten Lungenmasse oder seröse Flüssigkeit, die er ohne besondere Vorsichtsmaßregeln in der Tiefe einer trichterförmigen, vom Skalpell in der Masse gebildeten Höhlung aufgefangen hat. Diese seröse Flüssigkeit wird 60 bis 80 mal in MARXiNScher Bouillon ohne Zusatz von Serum verdünnt; es ist ratsam, diese Bouillon vor- her durch die CiiAMBERLAND-Kerze B zu filtrieren, um sämtliche feste Teilchen aus ihr zu entfernen, die möglicherweise darin schweben könnten. Diese Mischung von seröser Flüssigkeit und Bouillon wird dann durch die CiiAMBERLAND-Kerze F oder durch die BERKEFELDSche Kerze filtriert und in einem sterilisierten Rezipienten aufgefangen, der die nötige Menge Kuhserum enthält, damit die sich bildende Mischung den gewünschten Zusatz von 6 — 8^ Serum aufweise. Nach vollendeter Filtrierung braucht mau den Rezipienten nur noch in den Brutschrank zu stellen; 3 oder 4 Tage später ist die Bouillon opalisierend geworden, zeigt also das Vorhandensein einer Kultur des Peripneumonieerregers an. Seitdem wir so vorgehen, ist die Kultur des Mikroorganismus das einfachste und sicherste diagnostische Mittel für die peripneumonischen Affektionen geworden, die früher so schwer mit Sicherheit von analogen Lungen affektioneu zu unterscheiden waren. Es ist ziemlich gleichgiltig, ob die seröse Luugenfiüssigkeit unrein ist; die Kerze lässt nur den Er- reger der Peripneumonie passieren und hält alle andern in der serösen Flüssigkeit enthaltenen Mikroorganismen zurück. So erhält man in wenigen Tagen eine charakteristische Reinkultur. Alles in allem ist der Mikroorganismus der Peripneumonie einer der kleinsten, ja zweifelsohne der kleinste aller uns bekannten. Bei stärkster Vergrößerung ist er kaum wahrnehmbar, und mau kann nicht Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. HI. 45 706 Ed. Nocard, einmal geuau seine Form bestimmen. In den Kulturmedien, in denen er wuchert, tbut er sich durch eine fast unmerkliche Opaleszenz kund, und schließlich passiert er gewisse Porzellanfilter, die lange seihst für die kleinsten Mikroben nicht für durchgängig galten. Wir haben bereits im Jahre 1899 gesagt, dass der zwischen den gewöhnlichen Bakterien und den jenseits der Grenze der Sichtbarkeit stehenden befindliche Mikro- organismus der Peripueumonie einen Ausblick auf das Vorhandensein noch kleinerer Bakterien eröffnet und dass er uns den Weg zu deren Erkenntnis bahnt. Diese Voraussicht hat sich in weitestem Umfange erfüllt. Gegenwärtig kennen wir mehr als 10 für Menschen, Tiere und Pflanzen pathogene Mikroorganismen, welche man selbst bei den stärksten Vergrößerungen nicht wahrnehmen, aber deren Existenz man trotzdem behaupten kann, da die Flüssigkeiten, in denen sie enthalten sind, selbst nach dem Durchgang durch den Porzellaufilter ihre Virulenz bewahren. Eigenschaften des Serums der immunisierten Tiere. Das Serum der Tiere, die von Natur unempfänglich gegen die Krank- heit sind, hat keine schützende Wirkung gegenüber dem peripneumo- uischen Virus; selbst nach längerem Kontakt hat die virulente Ver- dünnung (Kultur oder seröse Lungenflüssigkeit) ihre Virulenz und ihre Fähigkeit, sich zu vermehren, bewahrt; sie ergiebt ebenso schöne Kul- turen, als wenn sie direkt ausgesät worden wäre. Das Serum von Rindern, die durch einen ersten Anfall der Krank- heit, auf den Heilung folgte, immun geworden sind, scheint nicht wirk- samer zu sein als dasjenige intakter Rinder; selbst wenn diese Immunität durch successive Injektionen von seröser Lungenflüssigkeit verstärkt worden ist, scheint das Serum keinerlei vorbeugende oder heilende Wirkung zu besitzen. Folgende Regel kann man auf die meisten Infektionskrankheiten anwenden : Will man ein irgendwie w^ertvolles Serum erhalten, so muss der Organismus mit dem Virus oder seinen Toxinen gewissermaßen ge- sättigt werden. Dies gelingt jedoch nur, wenn man den Erreger der Virulenz in seiner Macht hat und dem Versuchstier große Mengen Kultur injizieren kann. Ist die Bedingung erfüllt, so kann man die Beschafi'uug eines antiperipneumonischen Serums unternehmen. Leicht ist die Sache nicht. Selbst wenn mau immunisierten Rindern die virulente Kultur literweise einspritzt, erhält mau nur Sera von schwacher Heilkraft; dahingegen ist ihre vorbeugende Wirkung sehr ausgesprochen, wenngleich von geringer Dauer. Eine Kuh, die nur schwer von einer beträchtlichen Schwellung ge- nesen war, die man durch Inokulation eines geringen Quantums Kultur an verbotener Stelle hervorgerufen hatte, erhielt in 8 Monaten mehr als 6 Liter virulenter Kultur. Danach wurde ihr Serum geprüft. Die In- okulation einer Mischung von Serum und Kultur zu gleichen Teilen bringt keinerlei örtliche oder allgemeine Wirkung hervor; sie ver- leiht auch keine Immunität; denn das nach Verlauf eines Monats mit einer kleinen Menge Kultur oder seröser LungcnflUssigkeit wiedergeimpfte Tier bekommt eine umsichgreifende Schwellung genau wie das Kontroll- tier. Es scheint also, als ob der Mikroorganismus durch den Kontakt Die Peripneumonie der Einder. 707 mit dem Serum verniclitet worden sei. Wir haben weiter oben gesehen, dass dieses mit MAuriNscher Bouillon vermischte Serum ein gutes Kul- turmedium darstellt und dass die Mischung von Serum und Virus selbst nach 48stüudigem Kontakt eine normale Kultur ergiebt, wenn man sie in günstigen Medien aussät. Das Serum ist also nicht baktericid in vitro. Wir haben weiter oben gesagt, dass es gleichfalls keine agglutinierenden Eigenschaften besitzt. Das Serum hat also thatsächlich eine Präventivwirkung, die jedoch leider nur von kurzer Dauer ist ; selbst wenn man es in starken Dosen (40 ccm) einspritzt, so dauert die passive Immunität, die es verleiht, selten länger als 8 — 10 Tage. Nach diesem Zeitraum hat das Tier die Ansteckuugsfähigkeit wiedererlangt. Das Serum besitzt auch heilende Eigenschaften, aber sie zeigen sich nur, wenn man starke Serumdosen möglichst bald nach dem Auf- treten der Krankheit injiziert. Es ist z. B. möglich, das Umsichgreifen der Schwellung, die eine Folge der virulenten Inokulation an verbotener Stelle ist, zu hemmen und das Tier zu retten ; aber man muss alsdann gleich beim Auftreten der Schwellung eingreifen; alsdann genügt eine verhältnismäßig schwache Serumdosis (40 — 60 ccm), um das Wachsen des lokalen Tumors zu verhindern und sein rasches und vollständiges Verschwinden zu sichern. Wartet man mit dem Dazwischentreten, bis die Temperatur steigt, so muss man eine starke Serumgabe von 100, 150 oder 200 ccm einspritzen und dieselbe täglich wiederholen, bis das Fieber fällt. Greift man erst spät ein, wenn die Schwellung schon be- trächtlich ist und die Temperatur seit 2 oder 3 Tagen 40° und mehr beträgt, so geht das Tier fast immer ein, trotz der enormen eingespritzten Serumdosen. Aus diesem Grunde ist es uns wahrscheinlich niemals gelungen, das Fortschreiten von akuter natürlicher Peripneumonie zu hemmen; wenn die Diagnose gestellt werden kann, ist es schon zu spät zum Ein- schreiten ; denn die Lungenafifektion besteht schon seit mehreren Tagen. Hingegen ist es uns mehrere Male gelungen, die Ausbreitung der auf WiLLEMSsche Inokulation folgenden Schwellung zu hemmen ; wir mussten alsdann 2, 3 oder 4 Injektionen von 60, 80 und 100 ccm Serum machen, die in Zwischenräumen von 12 bis 24 Stunden wiederholt wurden. Aus allen diesen Thatsachen kann man den Schluss ziehen, dass gegenwärtig die antiperipneumonische Serumtherapie für die Praxis noch nicht verwendbar ist; die erforderliche Serumdosis ist viel zu groß; man kann nicht einmal daran denken, sie im vorbeugenden Sinne zu ver- abfolgen, denn die durch sie verliehene Immunität ist von zu kurzer Dauer. Prophylaxe"' 2*^' ^^'-^ Das Studium der Aetiologie der Krankheit lässt uns hoffen, dass ein energisches sanitäres Dazwischentreten sicher erfolgreich sein wird. Die Krankheit verbreitet sich nur durch Ansteckung, und diese scheint nur durch langes, enges Zusammenleben der Tiere zu erfolgen. Durch ein Zer- stören sämtlicher existierender Krankheitsherde würde man die Krankheit bestimmt und endgiltig unterdrücken. Die erste, überdies von der sani- tären Gesetzgebung aller Länder vorgeschriebene Maßregel liegt auf der Hand : das Abschlachten der krank befundenen Tiere. Einerseits bilden sie thatsächlich eine permanente Gefahr, andrerseits erhält durch die Schwere der Krankheit und die Seltenheit und Ungewissheit einer voll- 45* 708 Ed. Nocard, kommeneu Heiliiug das Abschlaeliten den Charakter einer wirtscbaftlicli förderlichen Maßregel. Was soll mau aber mit den Angesteckten beginnen? Die Erfahrung lehrt, dass in einem intizierteu Stall die Zahl der scheinbar gesunden Tiere groß ist; in Wirklichkeit sind sie jedoch Träger einer spezifischen Krankheit, die während langer Monate verborgen bleiben kann und gleichzeitig imstande ist, zahlreiche Ansteckungskeime zu verbreiten. Die Erfahrung lehrt ferner, dass die Angesteckten die Krankheit am Erlöschen hindern und dieselbeweiter verbreiten, wenn man den Eigen- tümern die freie Verfügung über sie lässt, da jedes von ihnen einen neuen Krankheitsherd in einem gesunden Stalle schaffen kann, wohin der Zufall es durch den Verkauf etwa bringt. Logischerweise könnte man also verlangen, dass gleichzeitig mit den kranken alle diejenigen Kinder abgeschlachtet würden, die mit ihnen zusammengeweseu sind. In verschiedenen Ländern ist dies geschehen, und tiberall, wo die Maß- regel energisch durchgeführt worden ist, hat sie als Resultat das end- giltige Erlöschen der Peripneumouie ergeben. Dank der allgemeinen Abschlachtung der Kranken und Angesteckten sind Dänemark, Schweden, Baden, die Schweiz, Holland, England, Oesterreich -Ungarn und die Vereinigten Staaten gegenwärtig von der Peripueumonie befreit. Diese Maßregel war teuer, aber die Ausgabe war eine einmalige, und bei genauem Zusehen erkennt man, dass der Gewinn den Verlust bei weitem übersteigt. Es giebt jedoch Fälle, wo eine Massenabschlachtung, dasStamping out der Engländer, nicht genügen würde, um die Krankheit vollständig auszurotten. Wenn z. B. die wirtschaftliche Lage eines Landes die Einfuhr von Vieh aus einem Nachbarstaat, wo die Peripneumouie in Permanenz herrscht, erfordert, würde die Massenabschlachtung undurch- führbar sein; denn sie müsste immer wieder von neuem vorgenommen werden. Der Südosten Frankreichs ist z. B. fortwährend von einem neuen Ausbruch der Peripueumonie bedroht, welche permanent in Spanien wütet. Die Einfuhr von spanischem Vieh ist verboten, aber diese Maßregel ist unzulänglich; denn auf der Grenze befinden sich Weideplätze, welche laut internationaler, nur schwer abzuändernder Verträge den Tieren beider Länder gemeinsam gehören. Während der guten Jahreszeit weiden zahlreiche Herden daselbst in vollster Gemein- schaft, und fast jedes Jahr, wenn unsere (d. h. die französischen) Herden im Herbst von den Bergen herunterkommen, bringen sie die ver- schiedensten Krankheiten mit: fast immer Räude und Schafpocken, seltener Dourine, häufiger Rotz und Peripueumonie. Sie waren gesund, als sie ins Gebirge zogen und kommen angesteckt durch ihr langes Zusammenleben mit den spanischen Herden zurück; denn in Spanien existiert die Sanitätspolizei nur dem Namen nach und jegliche an- steckende Krankheit kann sich daselbst frei ausbreiten. Auf diese Weise entstehen häufig neue Herde von Peripneumouie in den Departe- ments der Pyrenäen. In diesem besonderen Falle kann man also nicht das Stamping out zur Anwendung bringen; die zwangsweise Präventiv- impfung für alle Tiere, die auf den Grenzweiden übersommern sollen, ist bei weitem vorzuziehen. Durch die Impfung immun gemacht, können sie ohne Schaden mit den peripneumonisch infizierten spanischen Herden zusammenweiden; sie werden die Krankheit in Frankreich nicht ein- schleppen. Diese Praxis wird seit zwei Jahren befolgt und hat schon die erhofften guten Resultate ergeben. Die Peripneumonie der Rinder. 709 Erstreckt sicli die Präventivimpfung auf Tauseude von Tieren, so braucht man dazu beträclitliclie Virusmassen. Dies war damals eine große Schwierigkeit, als das einzige brauchbare Virus in der serösen Lnngenfiüssigkeit bestand. Gegenwärtig ist die Sache sehr einfach. Statt der erwähnten Flüssigkeit spritzt man unter die Haut des Schwanz- endes einige Tropfen Mikrobenkultur nnd erzielt, soviel mau bis jetzt beobachtet" hat, mit einem sehr geringen Prozentsatz von Verlusten eine sichere nud dauernde Immunität. Die Präventivimpfnng ist auch noch in einem anderen Falle an- gezeigt: wenn nämlich zahlreiche Infektionsherde in einer Gegend vor- handen sind, in der ein lebhafter Viehhandel getrieben wird, so genügt das Abschlachten der Bewohner der infizierten Ställe nicht, um die Ausbreitimg der Ansteckung zu verhindern; denn bei vielen Tieren wird die Krankheit erst spät erkannt, und durch sie können jeden Tag neue Ansteckungen stattfinden. Wenn man nun die Tiere der notorisch verseuchten Ställe abschlachtet und in den verdächtigen Ställen die Schutzimpfung vornimmt, so beschleunigt man wirksam das Ver- sehwinden der Krankheit nnd vermindert ganz bedeutend die Zahl der Opfer. Litteratiir. 1 Arloing, Etüde bacteriologique des lesiona de la peripneumonie. 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Die anfangs bestehende Obstipation weicht bald einer Diarrhöe mit dünnen, zuweilen blutigen Entleerungen ; auch können Schüttelfrost und Muskelzittern beobachtet werden. Bei ungünstigem Verlaufe steigern sich die Krankheitssymptome ; die Tiere bleiben liegen, nehmen zwar Wasser, verweigern aber jede Futter- Aufnahme; stehen sie auf, so sind sie kaum fähig- einige Schritte schwankend zu gehen, um ermattet wieder auf den Boden zu stürzen. Zeitweise kann sich ein rauher Husten hörbar machen, wohl als Folge von Bronchitis oder Lungenödem. Am ersten bis dritten Tage nach Ausbruch der ersten Krankheits- symptome erscheinen auf der Haut die für den Rotlauf ziemlich be- zeichnenden roten Flecke; sie treten an verschiedenen Stellen, mit Vorliebe jedoch dort auf, wo die Haut dünn ist, nämlich an den Ohren, um die Augen, am Bauche, an der Innenfläche der Schenkel, sie können aber, besonders bei schwach behaarten, feineren Rassen, auch an anderen Stellen, sowie am Rücken erscheinen, und sind anfangs hellrot, später aber dunkel- bis blaurot. An Stelle der Flecke, die zu- weilen auch miteinander zu größeren Flecken konfluieren, kann die Haut etwas erhaben und infiltriert sein. Unter Zunahme der allgemeinen Schwäche stellt sich Paraplegie der hinteren Extremitäten, Cyanose der Schleimhäute ein, und die Tiere verenden zumeist am 3. — 4. Tage; 712 H. Preisz, vor dem Tode sinkt die Körpertemperatur oft erlieblich. Ueberleben die Tiere den vierten Tag, so ist Hotinung auf Heilung vorhanden. Was die roten Hautfiecke betrifft, so können sieh an ihnen kleine Bläschen mit Flüssigkeit bilden, es kann aber die Entwickelung dieser sonst für Rotlauf bezeichnenden Flecke auch ausbleiben, namentlich dann, wenn die Krankheit binnen kurzem (innerhalb der ersten 24 Stunden) mit dem Tode endet; diese Form wird von französischen Autoren weißer Kotlauf (rouget blaue) genannt. Von den genannten Hauteruptionen, die sich erst im Verlaufe der Allgemeininfektion einstellen, sind zu trennen jene umschriebenen Rötungen der Haut, die bei feineren, schwach behaarten Rassen nicht selten die Ansteckungspforte umgeben. Man kann in angesteckten Be- ständen beobachten, dass noch einige Tage vor Ausbruch der Krank- heitssymptome an irgend einer Stelle, vorzüglich am Rücken, ein roter Fleck entsteht, in dessen Mitte die Haut geritzt oder abgeschürft wurde. Dieser Fleck wird im Centrum dunkelbraun bis schwarzrot und ist nach außen von einem rötlichen Hof umgeben; erst wenn dieser Fleck im Schwinden begriffen ist, erkranken die Tiere und erscheinen an ver- schiedenen Stellen die multiplen roten Flecke (Preisz '). In nicht tödlichen Fällen erfolgt oft vollkommene Heilung; es kann aber die akute Krankheit nach wesentlicher Besserung oder scheinbarer Heilung sich in chronischer Form fortsetzen, die sich dadurch kund- giebt, dass die Tiere in der Entwickelung zurückbleiben, auch später noch verminderte Fresslust zeigen, abmagern und stets kraftloser werden ; sie liegen viel, zumeist auf Brustbein und Ellbogen gestützt, hüsteln, atmen schwer, der Puls ist beschleunigt, die Schleimhäute sind cyauotisch, die Körperwärme kann erhöht sein ; an der Haut erscheinen rote Flecke von verschiedener Ausdehnung, ähnlich jenen bei akutem Rotlauf; außerdem besteht oft Diarrhöe, Gelenkentzündung und Oedem der Gliedmaßen, Geschwüre des Zahnfleisches, Lockerung der Borsten, Parese der hinteren Körperhälfte. Bei einem Teil dieser chronischen Fälle lassen sich die Symptome einer Endocarditis verrucosa und ihrer Folgen erkennen. Die Rotlauf- Endocarditis wurde zuerst von Hess & GuiLLEBEAu^ beobachtet an Schweinen, die nach Pasteur geimpft worden waren; v. Freudenreich wies in den Vegetationen die Rotlauf- stäbchen nach. Weitere Arbeiten hierüber verdanken wir besonders den Untersuchungen von Bang 3. Im Verlaufe der chronischen Form, die sich auf Wochen und Monate erstrecken kann, wird nicht selten Nekrose und Abstoßung der Ohren- oder Schwanzspitzen, oder von Hautstücken beobachtet. Häufig tritt der Rotlauf, namentlich bei jungen Schweinen, mit mil- dcrem Charakter auf, nämlich in der Form eines mehr oder weniger ausgebreiteten fieberhaften Hautausschlages, der als Nesselfieber (Urticaria fcbrilis), Backsteinl)lattern, Quaddelausschlag bezeichnet wurde. Am ersten bis zweiten Tage des Krankseins er- scheinen an der Haut die runden oder eckigen, thalergroßen , zuweilen konfluierenden Flecke, die etwas erhaben und scharf begrenzt sind; ihre Mitte ist gewöhnlich blass, ihre Ränder dagegen sind dunkelrot. Dass diese Krankheiten der Schweine ätiologisch mit dem Rotlaufe identisch sind, Avissen wir durch die Untersuchungen von Jensen ■* und Lorenz 5; auch in Form einer diffusen trockenen Hautnekrose kann der Rotlauf erscheinen, und auch nach Ueberstehen des Nesselfiebers kann Rotlaufendocarditis sich entwickeln (Jensen). Rotlauf der Scliweioe. 713 Mit dem Ersclieineu des Hautaussclilages bessert sich der Zustand der Tiere sclinell und zumeist folgt Heilung-; doch kaun auch diese ge- linde Form iu eine tödliche Septikämie ausarten oder aber in die chronische Form ausklingen. Pathologisch-anatomische Veränderungen. Der anatomische J^efund gestaltet sich selbstverständlich verschieden, je nach Verlauf und Grad der Krankheit. Nach akut verlaufenem Kotlauf werden außer den am lebenden Tiere zu beobachtenden roten Flecken, Ekchymosen oder Nekrosen der Haut folgende Veränderungen, und zwar nicht selten alle insgesamt auch an einem Kadaver, gefunden. Die serösen Höhlen enthalten mehr Flüssigkeit, ihre Häute sind ekchy- mosiert; Lungen, Herz, Bauchorgane sind oft mit sehr feinen Fibrin- fäden bedeckt. Sämtliche Lymphknoten sind geschwollen, saft- und blutreich , ekchymosiert. Im Bindegewebe unter der Haut und in den Muskeln finden sich Blutungen; die blutige Infiltration ist zuweilen in den Wänden der Herzvorkammern hochgradig. In den Lungen sind eiterig-schleimige Bronchitis, mehr oder minder ausgesprochenes Oedem, in den vorderen Teilen pneumonische Herde zu konstatieren. Nie fehlen Veränderungen im Verdauungskanal; sie bestehen iu milderen Fällen in Quellung und bis linsengroßen Ekchymosen der Schleimhaut und Submucosa, in Schwellung der Follikeln, in schweren Fällen hingegen in ausgedehnteren (bis nussgroßen) blutigen Infiltrationen der Mucosa und Submucosa sowohl des Magens wie des Darmes. Zerfall geschwol- lener Follikeln kann zur Entstehung von Geschwüren führen, ferner kann, namentlich im Dickdarme, die Schleimhaut stellenweise ober- flächliche Nekrose erleiden. Die Milz ist selten auffallend geschwollen, auch nicht weich. Die Nieren sind wenig geschwollen, von zahlreichen, punktförmigen Blutungen durchsetzt, sowie auch die Schleimhaut ihrer Becken; ihre Rindeusub- stanz ist häufig blassrötlich oder gelblichrot zufolge einer fettigen Ent- artung der Epithelien. Die Nieren sind also im Zustande einer hämor- rhagischen Nephritis. Die Schleimhaut der Harnblase kann ähnliche Veränderungen erleiden, wie jene des Magens und Darmes. Die Mus- keln, auch die des Herzens^ können verblasst und erweicht, parenchy- matös degeneriert erscheinen, desgleichen auch die Leber. Unter den chronischen Veränderungen des Rotlaufes kommt der Endocarditis die höchste Bedeutung zu; sie erscheint am häufigsten an den Klappen des linken venösen Ostiums, weniger häufig an den Semiluuarklappen der Aorta, und noch seltener an den Ostien des rechten Herzens. Sie entsteht offenbar aus Verletzungen des Klappen- endokards, die durch Auflagerung von Gerinnsel mit zahllosen Bazillen die Größe einer Haselnuss und darüber erreichen. Alle Folgezustände einer Endocarditis (Hydrops, Infarkte u. s. w.) können mit angetroffen werden. Außerdem können in der Brust- und Bauchhöhle Verwachsungen, an den Synovialhäuten schwammige Vegetationen, ferner vergrößerte, derbe Lymphknoten, verdickte und granulierende Darmsehleimhaut ge- funden werden. Auch Hautnekrosen , Geschwüre des Zahnfleisches, Lockerung der Zähne, leicht herausziehbare Borsten mit blutigen Wurzeln," Porosität der Knochen wurden als Folgen von chronischem Rotlauf beschrieben. 714 H. Preisz, Aetiologie, Morphologie und Biologie des Rotlauf bacillus. Die ersten Untersuchuugen und Experimente mit dem Virus des Eotlaufi? verdanken wir Pasteue & Tiiuillier^; ihren Besclireibung-en nach bezeichnen aber sowohl diese Forscher, wie Corxevix", nicht den eigentlichen Rotlauf bacillns als den Erreger des Rotlaufes, sondern an- dere Mikroorganismen (kokkenartige Körner, »granulations pouctiformes ou en huit de chififre« u. s. w.j, w^as darauf hinweist, dass ihre Kulturen keine Reinkulturen gewesen. Den Rotlaufbacillus als erster rein ge- züchtet und seine Eigenschaften genauer studiert zu haben, ist Löfflees^ Verdienst. Die wertvollen Arbeiten von Schütz'^, sowie Lydtix & ScHOTTELius ^^ Vervollkommneten die Kenntnisse über diese Seuche und ihre Erreger in hohem Maße. Der Erreger des Schweinerotlaufs ist ein Bacillus, der zufolge seiner Kleinheit, besonders wenn er nicht zahlreich vorhanden ist, auch in gefärbtem Zustande der Aufmerksamkeit des Beobachters unschwer ent- gehen kann. An Deckglaspräparaten, die man aus dem Blute oder dem Safte der inneren blutreichen Organe anfertigt und mit irgend einem wässerigen Anilinfarbstotfe (Fuchsin, Gentianaviolett) färbt, er- scheint der Rotlaufbacillus in Gestalt äußerst dünner Stäbchen, von verschiedener Länge, deren Dickendurchmesser aber gleichfalls etwas wechseln kann. Die feinsten und kürzesten Bakterienzelleu erscheinen bei etwa 900facher Vergrößerung als äußerst kleine Strichlein, die etwa 2 — 3 mal so lang sind, als ihre Dicke beträgt; die längsten aber können das Zehnfache ihrer Dicke (und noch darüber) erreichen. Lange geschlängelte, fadenförmige Bazillen, wie sie in Kulturen, namentlich in flüssigen, nicht selten sind, werden im Tierkörper der Regel nach nicht gefunden. Au längeren Stäbchen lässt sich häufig bereits Teilung in mehrere Zellen feststellen, sowie auch an den Enden paarweise zu- sammenhängende Stäbchen ein häufiges Bild darstellen. Der Regel nach sind die Bazillen gradlinig, doch giebt es auch schwach gekrümmte. Die Menge der Bazillen im Blute und in den Organen an Rotlauf gefallener Schweine (und auch Versuchstiere) kann eine sehr verschie- dene sein. Da die Aveißeu Blutkörperchen für die Rotlaufbazillen eine hohe Anziehungskraft besitzen, so werden letztere hauptsächlich in jenen Zellen zu suchen und zu finden sein; es gelingt dies aber nur an solchen Präparaten, wo die Leukocyten nicht überfärbt sind, am besten an solchen, die erst mit Pikrokarmin und nachher nach Gram gefärbt wurden. Oft sieht man in solchen Präparaten von Bazillen erfüllte Leukocyten mit wohlerhaltenem Kontur, ebenso häufig aber im Zerfall be- griffene Leukocyten, aus denen ein Bazillenhäufchen freizuwerden scheint. Im Vergleiche zu den eben geschilderten Formen, wie man sie im kranken TierkiJrpcr findet, können aus Kulturen stammende Bazillen in allen Dimensionen nicht unerheblich abweichend erscheinen; ihre Dicke kann liier das Doppelte und noch mehr erreichen, ihre Länge kann auch in festen, mehr aber noch in flüssigen Nährböden eine so bedeutende werden, dass gekrümmte oder wellige, lauge Fädchen ent- stehen. Die Zusammensetzung des Nährbodens scheint diese Formen- änderungen beeinflussen zu können. Ihren kulturellen Eigenschaften nach gehören die Rotlaufstäbchen zu jenen Mikroben, die an der Luft zwar auch gedeihen, noch besser Eotlauf der Schweine. 715 jedoch ohne selbe; sie sind bezüg-lieh der Temperatur nnd des Nähr- bodens nicht eben anspruchsvoll, ihr AVachstum auf künstlichen Nährböden ist aber stets wenig- ausgiebig-. Am bezeichnendsten sind ihre Kulturen in Gelatine. Auf den Gelatineplatten haben sich bei mittlerer Zimmertemperatur in einigen Tagen die ziemlich charakteristischen Kolonieen entwickelt; es sind kleine, äußerst zarte Flöckchen, deren weißliches Centrum sich peripheriewärts ohne sichtbare Grenzen verliert; ist die Platte dichter besäet (d. h. die Entfernung der Kolonieen nur wenige Milli- meter], so wachsen die Kolonieen später fast gar nicht mehr, und ihr Durchmesser überschreitet einen Millimeter nicht. Bei 30 — öOfacher Vergrößerung betrachtet, erweist sich das Ceutrum der Kolonie grob und unregelmäßig granuliert, nach der Peripherie löst es sich in ein wirres Geflecht auf, dessen unregelmäßig gekrümmte, knorrige Fäden von verschiedener Dicke ohne strahligen Verlauf in den Nährboden hineinragen. Zuweilen haben die knorrigen Verdickungen des um das Ceutrum gelegeneu Fadeuwerkes die Gestalt von Knochenzellen. Bei dieser stärkeren Vergrößerung haben die Kolonieen das Aussehen von unregelmäßigen Häufchen eines feinen Wurzelwerkes. Sind auf der Platte nur vereinzelte Kolonieen vorhanden, die vor Eintrocknung geschützt werden, so können sie nach Wochen eine be- deutende Ausbreitung (2 — 3 cm im Durchmesser) erreichen. Solche Kolonieen sind zarte, bläulich durchscheinende Wölkchen mit buchtigen Räudern, die eine der Baumflechte ähnliche lappige Struktur besitzen. In Gelatinestichkulturen kann der Rotlaufbacillus in sehr verschie- denen Formen wachsen, als deren Extreme einerseits bloß kleine weiße Punkte im Stichkanal, andererseits reichliche, bläuliche, fast struktur- lose Wolken um den Stichkaual zu nennen sind; oft aber bietet die Kultur ein zwischen diesen Extremen liegendes Bild dar, nämlich es entwickeln sich im Stiche erst kleine weiße Pünktchen, und nachher breiten sich von einzelnen Stellen des Stiches seitwärts in die Gelatine wolkenartige Fortsätze, die entweder äußerst zart, strukturlos und ohne sichtbare Grenzen sind, od,er sie sind etwas derber, von flockiger Struktur mit weißlichen Pünktchen und mit sichtbarer Begrenzung nach außen. Am häufigsten gestaltet sich die Entwickelung der Gelatine- stichkultur derart, dass dem ganzen Stiche entlang kleine (feinen Schneeflöckchen ähnliche) Flocken entstehen, und dass später aus ihm an verschiedenen Stelleu nach der einen oder anderen Seite hin sich ausgedehntere Wölkchen oder Flocken in die Gelatine vorschieben. Die Gelatine wird durch den Kotlaufbacillns eigentlich nicht ver- flüssigt, sie wird bloß ein wenig erweicht, aber nur im Bereiche der Kultur selbst, und nur bis zu einem Grade, der die Struktur der Kultur nicht beeinträchtigt. Auf der Plattenkultur macht diese Erweichung, und infolge ihrer, die Eintrocknung des Nährbodens sich durch eine geringe Einsenkuug an Stelle der Kolonieen, in Stichkulturen aber durch die Bildung einer kleinen Blase am Beginne des Stiches bemerkbar. Die Gegenwart oder das Fehlen des Luftsauerstofies scheint das Wachstum nicht zu beeinflussen; in der Tiefe des Stiches erreicht die Kultur zumeist eine größere Ausdehnung als in den oberen Schichten. An der Oberfläche selbst, um die Stichöfifnung, entwickelt sich bloß ein geringer, zarter, kaum sichtbarer Rasen. Auf schräg erstarrte Gelatine gestrichen wächst der Rotlaufbacillus zu zarten, bläulich-weiß durchscheinenden, schuppenartigen Kolonieen aus, 716 H. Preisz, deren Ceiitmm wenig: erhaben und uneben, ibre Ränder aber äußerst dünn und gezackt sind. Der Durchmesser solcher Kolonieen überschreitet selten 2 mm; bemerkenswert ist es aber, dass solche Strichkulturen in die Tiefe des Nährbodens hineinwuchern, in Form eines kleinen, Sclmeeflöckchen ähnlichen Mycels, eine Eigenschaft, die sonst besonders den Streptotricheen zukommt. Auf Kartoffel gedeihen Rotlaufstäbchen nicht. Auf schrägem Agar wachsen bei 37° C binnen 24 Stunden feine, bläulich durchscheinende, Tautröpfchen ähnliche Kolonieen, die zu- weilen mit freiem Auge kaum sichtbar sind und die sich an dicht be- säeteu Stellen gar nicht mehr vergrößern; nur wo sie spärlich verteilt sind, wie gewöhnlich im untersten und obersten Teile der Nährfläche, breiten sie sich mehr aus , erreichen aber nie mehr als 1 — 2 mm im Durchmesser. Auf Agar sind die Kolonieen strukturlos, im Centrum iiach konisch, an den Rändern sehr dünn mit glattem Saum. Aehnlich ist das Wachstum auf erstarrtem Blutserum. In schwach alkalischer, peptonhaltiger Bouillon ruft der Rotlauf- bacillus eine mehr oder weniger ausgesprochene allgemeine Trübung hervor, die aber nie l)edeutend ist und bei 37" C bereits in 1—2 Tagen ihr Maximum erreicht; nie bildet sich ein oberflächliches Häutchen oder Flocken. Später klärt sich die Flüssigkeit, indem die Bazillen zu Boden sinken, wo sie eine kohärente , zäh-schleimige Masse bilden, die nur durch starkes Rütteln aufzuwirbeln ist. Kulturen in größeren Kolben entwickeln in den ersten Tagen einen ziemlich intensiven, etwas fötiden Geruch. Die Rotlaufstäbchen haben keine Geißeln und entbehren der selb- ständigen Bewegung; das Wackeln und Zittern, welches im hängenden Tropfen beobachtet werden kann, ist sonach nicht mehr als molekulare Bewegung. Ferner bilden diese Bazillen keine Sporen; helle Lücken in gefärbten Bazillen, die von manchen Beobachtern für Sporen ange- sprochen wurden, können nicht als solche gelten, da sie weder jenen Glanz und jene scharfe Begrenzung besitzen, noch auf die üblichen Sporen- färbungen reagieren; endlich besitzen solche Bazillen nicht jene Wider- standsfähigkeit, die uns von zweifellos sporenhaltigeu Bakterien bekannt ist. Trotz Mangels der Sporeubildung erweist sich die Widerstandsfähig- keit der Rotlaufstäbchen doch bedeutend höher, als durchschnittlich ge- nommen jene der meisten sporenlosen Bakterien. So sollen sie an Gegenstände angetrocknet im Thermostaten bei 37" einen Monat, im direkten Sonnenlichte 12 Tage, in 2proz. PEARSONSchem Kreolin 24 Stunden lang lebensfähig bleiben (Sirexa & Alessi ^'), und Kulturen sollen, solange sie nicht gänzlich eingetrocknet sind, noch entwicklungs- fähige Keime enthalten (Lorenz i2]. Gegen höhere Wärmegrade sind sie nicht immer gleich empfindlich; nach PetriI^ überstehen sie zu- \veilen eine viertelstündige Erwärmung auf 70° C, während sie ein andermal bei 52° in gleicher Zeit getötet werden; noch viel zählebiger erweisen sie sich im Fleische von rotlaufkranken Schweinen, worin sie nach Petri durch 2 V2 stündiges Braten oder Schmoren nicht immer ge- tötet werden, wohl aber werden sie durch Kochen des Fleisches getötet. Gesalztes Fleisch enthielt die Bazillen nach einem Monat, geräucherter Schinken noch nach einem Vierteljahre nicht nur lebend, sondern noch virulent; in letzterem Fleische schienen sie erst nach einem halben Jahre zu Grunde zu gehen; nach Loeseneri^ können sie in beerdigten Kadavern monatelang (280 Tage) lebensfähig bleil)en. Rotlauf der Schweine. 717 Die Frage, ob es g-eluugeu sei, den Eotlaufbacilhis iu der Natur auch außerhalb des rotlauf kranken Schweines aufzufinden, hängt eug zusammen mit jener, ol) die Bazillen des llotlaufs identisch sind mit den von R. Koch^^ entdeckten Bazillen der Mäuseseptikämie iBae. murisepticus], die schon wiederholt von verschiedenen Forschern unter verschiedenen Umständen augetrotfen wurden. Bereits Löffler und ScHü rz deuteten auf die Möglichkeit einer Identität dieses Bacillus mit dem Eotlaufstäbchen hin. Wir haben uns sonach mit diesem Mäuse- bacillus etwas eingehender zu befassen. R. Koch fand ihn, indem er Mäuse mit faulender Flüssigkeit impfte, wonach das Blut ausschließlich diese eine Art von Bakterien enthielt; Löffler beobachtete eine unter seineu Mäusen aufgetretene und durch diesen Bacillus verursachte Seuche; Johne züchtete ihn aus faulem Fleisch, Preisz aus faulem Kinderblut. (Beide letzte Fälle nicht pub- liziert.) Morphologie und Kultur des Bac. murisepticus können unter Um- ständen mit jenen des Rotlauf bacillus die allergrößte Aehulichkeit be- sitzen; es können aber auch zwischen beiden unter ganz gleichen Bedingungen mehr oder minder auffallende Unterschiede hervortreten. Als solche Unterschiede bezeichnete Preisz bei seinen vergleichenden Untersuchungen folgende: Der Mäusebacillus erschien im Blute von Versuchstieren noch feiner, als die Kotlaufstäbchen, während aus ver- schiedenen Nährböden genommen, letztere sich dünner erwiesen. Auf der Gelatineplatte war bei Bac. murisepticus an der Peripherie der Verlauf der feinen Aestchen und Fäden radiär, und die äußersten Fäden liefen zuweilen in zierliche Schnörkel und Spiralen aus, was sich beim Kotlauf bacillus nicht zeigte. In Gelatinestichkulturen wuchs der Mäuse- bacillus auffallend schneller, so dass die Kultur des Kotlaufbacillus erst nach Wochen und Monaten jene Ausdehnung erreichte, die jenem schon nach mehreren Tagen zukam; zuweilen zeigte die Stichkultur des Mäuse- bacillus eine konzentrische Schichtung, die der Kotlaufstäbchen aber nie. Alle diese Form- und Kulturdifierenzen aber können nicht mehr dazu genügen, um die beiden Bazillen als verschieden zu betrachten, denn erstens können ähnliche Differenzen auch an Kotlaufbazillen ver- schiedenen Ursprungs beobachtet werden, und ferner wissen wir derzeit, zwischen welch weiten Grenzen Form und Wachstum gewisser Bakterien künstlich variiert werden können. Dasselbe gilt in noch höherem Maße aber von der Virulenz, weshalb auch die negativen Impfversuche an Schweinen für die Verschiedenheit dieser Bakterien keinen Beweis ab- geben können. Wissen wir doch, dass die Virulenz der Kotlaufstäbchen selbst recht verschieden und veränderlich sein muss, da die Krankheit das eine Mal als sehr bösartige, für die Mehrzahl der Tiere tödliche Seuche, ein anderes Mal aber als milde Hautaffektion erscheint; Avarum sollten diese Stäbchen ihre Virulenz nicht auch so weit einbüßen können, dass sie Schweine überhaupt nicht mehr augreifen können? Bisher gelang es nicht, mit dem Bac. murisepticus an Schweinen die Läsionen des Kotlaufs zu erzeugen. Einige Ferkel, die Preisz durch Einreiben von flüssiger Kultur auf die geritzte Haut infizierte, trugen eine mäßige Kötung der Haut um die Impfstelle davon, blieben jedoch gesund; dagegen soll es Lüpke gelungen sein, durch diesen Bacillus an Schweinen Backsteinblattern hervorzurufen. Von den kleineu Versuchstieren aber sind jene, die mit den Rotlauf- stäbchen zu töten sind, auch für den Mäusebacillus empfänglich. Ferner 718 H. Preisz, gelingt es nach Lorenz i'', mit letzterem Kaninchen imd Schweine gegen das Virus des Kotlaufs, beziehungsweise der Backsteinhlattern zu immunisieren. Man hat sonach keinen ernsten Grund, die Bazillen des Eotlaufs und die der Mäuseseptikämie als yerschiedene Arten zu betrachten. Weist nun schon das Auftauchen der Eotlaufseuche in Eotlauf- distrikten ohne vorangegangene Eiuschleppung darauf hin, dass die Keime der Krankheit an Ort und Stelle, sei es im Boden oder im Wasser, gesucht werden müssen, so ist, wenn Rotlauf- und Mäusesepti- kämiebazillen als identisch betrachtet werden, diese Vermutung zur Gewissheit geworden; denn der Mäusebacillus gelangte ja in jene faulende Stoffe, wo er angetroffen wurde, gewiss von außen infolge direkter oder indirekter Berührung mit dem Boden. Ist der abgeschwächte Rotlaufl)acillus im Boden (vielleicht nur ge- wisser Gegenden) vorhanden, so kann er auch leicht von Tieren auf- genommen werden, ohne diese zu schädigen. Es ist von großem Inter- esse, dass nach Ölt" der Rotlauf bacillus im Kolon, Coecum und in den Tonsillen gesunder Schweine regelmäßig als harmloser Schmarotzer vorkommen soll. Dieser merkwürdige Befund ist durchaus nicht allein- stehend, indem es auch von anderen, nicht weniger bedeutsamen Mi- kroben bekannt ist, dass sie gelegentlich imschädliche Bewohner der Schleimhäute der Tiere oder des Menschen sein können. Der Erreger der Septicaemia haeraorrhagica (Bac. bipolaris septicus) wurde wieder- holt in der Maul- und Nasenhöhle verschiedener gesunder Haustiere ge- funden; auch wurde er, ebenso wie der Bac. murisepticus, in faulenden Flüssigkeiten vermittelst des Tierexperimentes nicht selten nachgewiesen. Desgleichen bewohnt der Diplococcus lanceolatus {^= Fränkels Pneumo- coccus), der für den Menschen verderblich werden kann, nicht selten die Mundhöhle gesunder Individuen. Nach Gamaleia soll der Bacillus der Geflügelcholera (also ebenfalls der Bac. bipolaris) im Darm gesunder Tauben in avirulentem Zustande leben; er soll durch oftmaliges Ueber- impfen seine Ansteckungskraft erreichen. Diese Erfahrungen weisen darauf hin, dass jene Stätten, wo aus den harmlosen Saprophyten ein verheerender Seuchenkeim wird, nicht allein in den Bodenverhältnissen, sondern (vielleicht hauptsächlich) in jenen Tieren zu suchen sind, welche diese Keime zu beherbergen pflegen. Die Annahme, dass die Rotlaufstäbchen ihre mörderische Kraft auf irgend eine Weise in der Natur erreichen können, findet eine mächtige Stütze in der Erfahrung, dass die Seuche auch in solchen Beständen auftauchen kann, wo an eine Einschleppung nicht gedacht werden kann. Wie LuBOWsKYS^^ Fall zeigt, kann aber der Rotlauf bacillus auch im Darme des Menschen gelegentlich vorkommen ; Lubowsky fand ihn im Stuhle eines an gutartigem Darmkatarrh leidenden ikterischen Knaben in großer Menge und glaubt ihre Echtheit dadurch bewiesen zu haben, dass er damit infizierte Mäuse mit Susserin (also Rotlauf- immunserum) retten konnte. Die Identität des Rotlaufstäbchens mit dem Bac. murisepticus zu- gegeben, muss diese Bakterienspecies als eine häufig vorkommende und ziemlich weit verbreitete bezeichnet werden. Rotlauf der Schweine. 719 Virulenzschwankungen des Rotlaufbacillus. lu betreff der Virulenz der Rotlauf Stäbchen, besonders jener aus Kulturen, wurde bereits berührt, dass es sehr oft nicht g-elingt, mit den- selben Schweine zu infizieren. Die Ursache dessen liegt in der relativ schnellen Abnahme der Virulenz besonders für Schweine, ferner auch in der verschiedenen Empfänglichkeit und dem verschiedenen Alter der Versuchstiere. Bereits Pasteur und später Lydtin & Schottelius zeigten, dass durch Vcrfütterung von Orgauen kranker Schweine bei gesunden Schweinen Rotlauf erzeugt werden kann, während dies mit Verfütterung von Kulturen häufig nicht gelang. Preisz infizierte zwei 5 — 6 Wochen alte Ferkel Meissener Rasse tödlich, indem er auf die mittels einer feiuen Nadel skarifizierte Haut eine vor kurzem aus einem Schweine- kadaver gezüchtete Bouillonkultur einrieb. Dagegen gelang es z. B. VoGES & Schütz ^^ durch Verfütterung vou Organen oder durch Ein- impfung von Kulturen aus zahlreichen Rotlauf kadavern nicht, Schweine krank zu machen. CoRNEvix & Kitt 20 haben nachgewiesen, dass der Kot rotlauf kranker Schweine die Stäbchen in großen Mengen enthält; daraus folgt aller- dings, dass bei der Verbreitung und der Verschleppung des Rotlaufes solcher Kot eine wichtige Rolle spielt, nicht aber, dass die Infektion vornehmlich im Wege des Darmes zustande komme, denn letztere kann ebensogut von der Haut ausgehen. Sowohl Leichenteile aus an Rotlauf gefalleneu Schweinen, wie aus denselben gezüchtete Kulturen können ihre Virulenz binnen kurzem mehr oder weniger ein1)üßen; auch kann sich die Qualität der Virulenz insofern ändern, dass sich letztere für eine Tierspecies erhöht, während sie sich gleichzeitig für das Schwein verringert hat. Mit Objekten aus Schweinekadavern geimpfte Mäuse sterben gewöhnlich am 3. — 4. Tage; ausnahmsweise jedoch schou innerhalb 1 — 2 Tagen; Tauben sterl)en am 3. — 6. Tage. Bei erkrankten Mäusen sind die Augenlider mit reich- lichem Konjunktivalsekret bedeckt und verklebt. Werden Kaninchen unter die Haut des Ohres geimpft, so entsteht oft nur eine umschriebene erysipelatöse Entzündung, die mit Heilung verläuft; intravenös geimpfte Kaninchen aber erliegen in 3—6 Tagen. Laut Corneyixs Versuchen kann die Menge des eingeimpften Virus die Krankheitsdauer beein- flussen. Eine Aeuderuug der Virulenz bei Tierpassagen beobachtete zuerst Pasteur; er hatte schon vorher die Erfahrung gemacht, dass die aus dem Speichel eines Knaben gewonnenen Mikroben (jetzt unter dem Namen des Fränkel -WEicusELBAUMSchen Pneumococcus bekannt) Kaninchen leicht töten, für Meerschweinchen hingegen ungefährlich sind; als er aber das Material durch junge Meerschweinchen passieren ließ, gewann es auch für erwachsene Meerschweinchen Virulenz und tötete diese Tiere: gleichzeitig aber erwies sich ein so behandeltes Virus für Kanincheu weniger wirksam als das ursprüngliche. Auf diese Erfahrung gestützt ließ Pasteur das Rotlaufvirus wieder- holt den Körper von Kaninchen und Tauben passieren und fand, dass das Virus durch die Taubenpassage für Schweine verstärkt, durch die Kaninchenpassage aber geschwächt wird. Die Durchführung durch Kaninchen macht aber für Kaninchen selbst das Virus nach Pasteur 720 H- Preisz, imd CoKXEViN stärker. Wenn diese Angaben Pasteurs sich nicht be- stätigten, sondern z. B. Kitt im Gegenteil fand , dass bereits bei der zweiten Ueberimpfung anf Kaninchen die Tiere gar nicht mehr ein- gingen, so muss dies wohl darans erklärt werden, dass Pasteür seine Versuche noch vor der Einführung der exakten Isoliermethoden anstellte, und somit vielleicht mit unreinem (allerdings stets in flüssigen Nähr- stoffen gezüchtetem) Materiale arbeitete. VoGEs & Schütz sahen eine für Schweine stark virulente Kultur durch Taubenpassage für das Schwein gänzlich unwirksam werden; sie begegneten aber auch solchen Bazillen, die, aus einem an Kotlauf ein- gegangenen Schweine frisch gezüchtet, sogar für Mäuse unschädlich gewiesen. Durch Schweinepassage kann nach Kitt das Virus so weit ver- stärkt werden, dass es Schweine binnen 48 Stunden tötet; dagegen sah Kitt das Gift nach Durchschickung durch 30 Tauben für kleinere Versuchstiere nicht wirksamer werden. VoGES sah Rotlauf Stäbchen ihre Virulenz für Sehweine, Kaninchen und Tauben einbüßen, nachdem sie durch Hunderte von Mäusen ge- impft wurden; auch Prettner^^ berichtet, dass durch Mäuse geführte Rotlauf bazillen ihre Virulenz für Schweine verlieren; durch Ratten ge- führt, verstärkt sie sich nach Curxevin für Tauben. Nicht minder veränderlich ist die Virulenz der Reinkulturen der Rotlaufstäbchen. Eine Bouillonkultur, die heute in kleinsten Dosen (0,001 — 2 ccm) eine Taube iunerhall) 3 Tagen sicher tötet, kann in weiteren Generationen schon nach wenigen Wochen derart abgeschwächt erscheinen, dass bedeutend größere Dosen davon Tauben erst nach 6 — 8 Tagen, oder überhaupt nicht mehr töten. Durch fortgesetzte Impfung von Taube zu Taube kann eine solche Kultur, wenigstens für Tauben, ihre ursprüngliche Virulenz zurückbekommen (Preisz). Es erhellt bereits aus dem bisher Gesagten, dass die Erhaltung eines gleichmäßig virulenten Rotlaufstoffes keine leichte Aufgabe sein kann. Lorenz 22 erhielt eine für graue Mäuse ziemlich konstante Kultur, indem er die Bazillen in Bouillon ohne Pepton (mit 15 g NaoCOa auf 1000 g Flüssigkeit bei indirektem Sonnenlicht 5— 10 Tage wachsen ließ; Tem- peraturschwankungen zwischen 20—40° C sollen nach Lorenz die Virulenz der Kulturen nicht beeinflussen, Sonnenlicht aber soll sie schwächen; ferner sollen in einfacher Bouillon gewachsene Stäbchen virulenter sein, als in peptonhaltiger gewachsene. Nach VoGES & Schütz können Kulturen, die Schweine zu töten vermögen, nach Verlauf von wenigen Tagen so weit geschwächt sein, dass sie bei diesen Tieren bloß Backsteinblattern erzeugen. Die Schwankung der Virulenz des Rotlauf Stoffes , die zweifellos auch dem in der Natur zerstreuten Infektionsstoffe eigen ist, spielt eine wich- tige epizootische Rolle; durch sie ist es l)edingt, dass der Rotlauf das eine Mal als mörderische Seuche, ein anderes Mal als gutartige Haut- krankheit erscheint. Neben dem Virulenzgrade spielt aber auch die nach Alter und Rasse verschiedene Empfänglichkeit der Schweine keine unbedeutende Rolle. Im allgemeinen kann es als geltend erachtet werden, dass edle Rassen mit feiner, spärlich behaarter Haut gegen Rotlauf empfänglicher sind, als unveredelte, dichtbehaarte, auf Wiese und im Walde aufge- wachsene Rassen. Ferner macht sich ein Unterschied nach dem Alter erkennbar, da Ferkel etwa bis zum 5. Monat viel weniger empfänglich Rotlauf der Schweine. 721 sind, als ältere Individuen derselben Easse. Ein- und dieselbe Kultur kann Schweine edler Kasse tödlich infizieren, während sie für derbe Kassen völlig* unschädlich ist; es können aber auch wenige Monate alte Ferkel, die also der Kegel nach bedeutend weniger empfänglich sind, sowohl einer spontanen, wie der experimentellen Infektion erliegen, be- sonders wenn es sich um veredelte Rassen handelt. Tiere vom Alter über ein Jahr sind erfahrungsgemäß wieder weniger empfänglich als vorher, wodurch man geneigt sein könnte anzunehmen, dass bei älteren Schweinen sich durch ein- oder mehrmalige Einverleibung des weit verbreiteten, aber gewöhnlich für diese Tiere nicht, oder nur kaum virulenten Rotlaufbacillus ein gewisser Immunitätsgrad herausgebildet hat. Hierauf ist es vielleicht zurückzuführen, dass in Rotlauf distrikte importierte Schweine von der Seuche schwerer heimgesucht werden, als einheimische. Nach Lydtin sind besonders die englischen Kassen von hoher Empfänglichkeit; und zwar die Suäblk- und Polland-China-Rassen mehr als die Yorkshires; auch Voges & Schütz machten während ihrer Experimente die Erfahrung, dass das China-Schwein für jede Rotlauf- infektion empfänglicher ist, als das Schwein deutscher Abstammung. Als unempfänglich gilt das Wildschwein. Außer dem Schweine giebt es noch eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Tieren, die gegen das Virus dieser Krankheit empfänglich ist; in dieser Hinsicht herrscht zwischen dem Bacillus des Rotlaufs und dem Bacillus murisepticus volle Uebereinstimmung. Solch hoch empfängliche Tiere sind die weiße und die gewöhnliche graue Maus, ferner die Taube, während die Feldmaus gänzlich immun ist. Weniger empfindlich erweist sich das Kaninchen, welches oft nach umschriebener Entzündung der Infektionsstelle mit Heilung davonkommt. Nach Kitt soll auch die Waldmaus, nach Cornevin der Sperling empfänglich sein. Unempfänglich wurden befunden Esel, Maulesel, Hunde, Katzen, Meer- schweinchen, Hühner, Gänse, Enten, Pferde, Kühe, Schafe (Cüknevin, Kitt). Von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob und in welchem Maße der Mensch für den Rotlauf sto ff empfänglich ist? Bis in die jüngste Zeit wurde diese Frage verneinend beantwortet, offenbar deshalb, weil man zwischen Genuss von rotlauf krankem Fleische und eigentlicher Infektion nicht genau unterschied. Der Genuss des Fleisches von rotlaufkranken Schweinen ist nach bisherigen Erfahrungen für den Menschen unschädlich (Schneidemühl 2', DiECKERHOFF, OsTERTAG^^); hingegen kann dem menschlichen Organis- mus eine gewisse Empfänglichkeit für dieses Virus, wenigstens bei Ansteckungsgelegenheiten von der Haut aus, nicht abgesprochen werden. Mayer 25 sah bei einem Schlächter nach Verletzung des Daumens beim Schlachten eines kranken Schweines in drei Tagen Rötung der Haut entstehen; eine ähnliche Beobachtung machte Hildebrand. CASPER2fi sah durch Berührung der verletzten Hand mit Rotlauf kultur nach einigen Tagen Rötung der Haut an den Fingern, Schwellung der Gelenke derselben, am Unterarm rote Streifen entstehen; an einer Stelle schwanden die Flecke, um anderwärts zu erscheinen; Heilung folgte in 4 Wochen. Einen ähnlichen Fall kennt Preisz; beim Verpfropfen des Pasteur sehen Rotlauf impf Stoffes verletzte sich ein junger Mann; nach mehreren Tagen erschienen rote Flecke an seiner Hand und am Unter- Handbucli der patkogenen Mikroorganismen. HI. 4G 722 H. Preisz, arme, mit leichter Drüseuschwellimg ; imierlialb zweier Woclieu erfolgte Heilimg'. Trotz der Empfäuglichkeit mehrerer Tierspecies für die Rotlanf- stäbcheu wird eine spontane Erkrankimg durch letztere nur bei Schweinen beobachtet, ausgenommen solch seltene Fälle, wo kleine Versuchstiere durch den bisher als murisepticus bezeichneten Bacillus eingehen, wie dies Löffler bei seineu weißen Mäusen beobachtete. Hat die Stärke des Rotlaufvirus dort, wo es überhaupt vorhanden, auf irgend eine Weise einen für Schweine genügenden Grad erreicht, so kann eine Infektion dieser Tiere erfolgen. Ist es gestattet, aus den Ergebnissen der Impfversuche auf die Art und Weise der natürlichen Ansteckung zu schließen, so muss der ku- tanen Infektion eine wichtigere Rolle zuerkannt werden, als jener vom Darmrohr aus. Auch Voges und Schütz melden, dass ihre für Schweine bei subkutaner Impfung sehr virulente Kulturen im Darme wirkungslos blieben. Ueberhaupt müssen Berichte über positive Fütterungs versuche sehr vorsichtig beurteilt werden, da nichts leichter geschehen kann, als dass sich mit Rotlaufstoff gefütterte Schweine durch die Haut an- stecken. Zuweilen bekommt man den Eindruck, dass tiefer greifende Ver- letzungen des Darmes, wie sie durch Echinorrhynchen verursacht werden, die Rotlaufinfektion begünstigen (Preisz). Ist einmal in einem Bestände ein SchAvein erkrankt, so ist nicht nur eine reichliche Vermehrungsstätte und ein die Keime reichlich zer- streuender Herd gegeben, sondern es ist, wie Experimente lehren, auch die Möglichkeit einer Virulenzsteigerung eben für diese Tierspecies ge- geben, so dass die Erkrankungen und ihr böser Charakter schnell zu- nehmen können. Da die Rotlaufstäbchen sich im Organismus des kranken Tieres zumeist äußerst reichlich vermehren und die ver- schiedenen Organe in großen Mengen erfüllen und passieren, so ent- halten auch die Sekrete und Exkremente solcher Tiere den Rotlauf- bacillus zumeist in bedeutenden Mengen. Besonders Kot und Harn sind sehr reich an Bazillen, und kommen als Verbreiter des Contagiums in erster Reihe in Betracht. Mit solchen Exkrementen kann die Krankheit selbstredend auch durch gesunde Tiere oder durch Menschen, vielleicht auch durch Insekten fortgeschleppt werden; auch wäre es denkbar, dass Rotlauf bazillen beherbergende Mäuse, Ratten u. dergl. die Seuche ver- schleppen können. Ebenso kann eine Verschleppung erfolgen mit den Kadavern oder mit dem Fleische krank gewesener Schweine. Nach stattgehabter Infektion folgt das Stadium der Inkubation ohne sichtbare Krankheitszeicheu; es vollzieht sich dabei zwischen den Rotlaufstäbchen und dem tierischen Organismus ein Kampf, dessen Wesen uns hier, sowie bei andern Infektionskrankheiten, noch ziemlich unbekannt geblieben, dessen Ausgang aber sich in schweren Fällen zu Gunsten des Parasiten gestaltet. Von stattgehabter lokaler Infektion bis zum Erscheinen der Bazillen im Blute, d. h. bis zur allgemeinen Ueberschwemmuug des Organismus durch den Parasiten, verstreichen einige oder mehrere Tage; nach Voges und Schütz ist dies abhängig von der Virulenz des Krankheitsstoffes, indem virulente Bazillen bereits am 2.— 'S. Tage, abgeschwächte aber erst am 8.— 10. Tage im Blute erscheinen. Es lässt sich dabei beständig eine auffällige Erscheinung konstatieren, die bei anderen, gleichfalls septikämischen Bakterieninfektionen in Rotlauf der Schweine. 723 solchem Maße nie, oder Uberliaiipt gar niclit beobachtet wird; es ist dies die ausgesprochene positive Chemotaxis zwischen Rotlaufstäbchen und den Leukocyten. Sehr häufig sind sämtliche Leukocyten derart erfüllt von Stäbchen, dass es schwer fällt bei Ansicht eines solchen Bildes nicht die tiefgreifende Schädigung dieser Zellen als den tödlichen Effekt des Rotlauf bacillus anzusprechen; und doch giebt es, wie wir sehen werden, Beobachtungen, die zur Annahme zwingen, dass die pathogene Wirkung des Rotlaufvirus noch einen anderen Komponenten besitze. Die Rotlaufstäbchen können in den verschiedenen Organen an Rot- lauf verendeter Schweine sehr ungleich verteilt sein; besonders reichlich pÜegen sie in kranken Hautpartieen, in Lymphdrüsen, Leber, Nieren und Milz vorhanden zu sein, wo sie die Blutkapillaren, aber auch weitere Getäße fast gänzlich erfüllen. Die Wucherungen bei Endocarditis schließen zumeist gleichfalls unzählige Bazillen in sich, hauptsächlich die tieferen Schichten (Bang). Nach Gram gefärbte Schnitte machen oft den Eindruck, als wären die Gefäßchen mit einer blauen Masse injiziert; die blaue Masse sind natürlich unzählige Rotlauf bazillen, zu- meist in Leukocyten und Endothelien gelegen. Es giebt aber auch Fälle, wo trotz des tödlichen Ausganges der Krankheit, die Bazillen sehr spärlich vorhanden sind, ja ihr mikroskopischer Nachweis kann un- möglich werden, obgleich in solchen Fällen die Kultur und der Tier- versuch ihre Gegenwart verrät. Nach Jensex sollen die Stäbchen bei Nesselfieber nie in den Blut- kapillaren, sondern nur in den Lymphspalten der kranken Hautpartieen, und zwar in deren äußersten Schichten, vorhanden sein. Dieser Befund wäre dadurch zu erklären, dass die wenig virulenten Bazillen im Blut- strome vernichtet werden. Beachtet man an feinen Schnitten oder au Trockenpräparaten aus Blut und Organen das Verhältnis zwischen einschließenden Zellen und eingeschlossenen Bazillen, so bekommt man viel eher den Eindruck, dass die Zellen zerstört und von den frei werdenden Bazillen überlebt werden, als umgekehrt. Oft sieht man nämlich geplatzte, im Zerfall begriffene, verblasste Leukocyten erfüllt von gut gefärbten, ganz nor- mal aussehenden Stäbchen; auch sieht man aus solch zerklüfteten Zellen das Bazillenhäufchen wieder frei werden. Hiermit soll aber durchaus nicht gesagt sein, dass im kranken Organismus Rotlautbazillen nicht absterben. So leicht begreiflich die pathogene und todbringende Wirkung der Rotlaufstäbchen in jenen Fällen scheint, wo die Kapillaren sozusagen mit Bazillen vollgepfropft sind, ebenso schwer verständlich wird sie in solchen Fällen, wo die Stäbchen im Organismus sehr spärlich zugegen sind, oder gar — mit Ausnahme der Infektionsstelle — fehlen. Es bleibt da wohl nichts anderes übrig, als schädliche Produkte der Rot- laufbazillen anzunehmen. Preisz wurde zu dieser Annahme gezwungen, als er (1890) zwei annähernd 6 Wochen alte Ferkel mit einer Rotlauf- kultur kutan erfolgreich impfte; beide gingen (nach 6—9 Tagen) ein, beide zeigten sämtliche anatomische Läsionen des Rotlaufs, trotzdem aber konnten bei einem der Ferkel die Rotlaufstäbchen nur in der Haut, und zwar auch nur bis zu einer gewissen Entfernung von der Impf- stelle, nicht aber in Milz, Nieren, Lymphdrüsen mikroskopisch nach- gewiesen werden; des ähnlichen konnten beim zweiten Ferkel in Milz, Herzwand, Lymphdrüsen weder mikroskopisch, noch kulturell Bazillen 46* 724 H. Preisz, uachgewiesen werden. Die tiefgreifenden Veränderungen (njimentlicli zahlreiche nnd ausgedehnte Blutungen in den verschiedenen Geweben) wurden also wahrscheinlich durch Stoffe hervorgerufen, die in der Gegend der Impfstelle durch die Bazillen erzeugt wurden. Von manchen Forschern wurde nach giftwirkenden Stoffwechsel- produkten des Rotlauf bacillus gefahndet; eine augenfällige Toxizität dieses Bacillus aber konnte bis jetzt nicht festgestellt werden. Weder aus Organen au Rotlauf verendeter Tiere, noch aus Kulturen der Stäb- chen konnte eine Substanz nachgewiesen werden, die giftig wirkte, und die als nähere Krankheitsursache angesprochen werden könnte. Petri & Maassen27 fanden sowohl in frischen Rotlauf leichen, und zwar im Blute und in den blutigen Exsudaten, Schwefelwasserstoff; auch die Kulturen des Rotlaufbacillus bildeten dieses Gas reichlicher, als andere Bakterien, so dass die genannten Forscher, nachdem sie gar keine anderen schädlichen Stoffe nachweisen konnten, und da die Symptome des Rotlaufs mit Vergiftung durch H2 S manche Aehnlichkeit aufweisen, diesem Stoffe eine Rolle zuerkannten. Auch anderen Forschern gelang der Nachweis schädlicher Stoff- wechselprodukte bei Rotlauf bazillen nicht; hingegen sollen nach Voges^s die Leiber der Bazillen selbst, wohl nur in großen Mengen, im tieri- schen Körper eine Giftwirkung entfalten. Beiläufig sei erwähnt, dass nach Donath -9 wässerige oder alkoholische Extrakte von Rotlauforgauen (Schweinemilz , Taubenleber) bei Kaninchen und Schafen die Körper- wärme steigen machten. Trotz dieser fast negativen Ergebnisse muss doch mit Rücksicht auf solche Fälle, wie die obgenannten Beobachtungen von Preisz, an- genommen werden, dass beim Rotlauf im kranken Körper pathogen wirkende lösliche Stoffe gebildet werden, sei es durch die Bazillen oder die kranken Gewebe, oder sei es durch Zerfall derselben. Eigentümlich zu nennen ist die Vorliebe der Rotlaufstäbchen eine Endocarditis herbeizurufen, die wir im Geleite anderer bakterieller In- fektionskrankheiten bei weitem seltener beobachten. Man irrt vielleicht nicht, wenn man annimmt, dass diese Eigentümlichkeit des Rotlauf- bacillus die Folge seiner ausgesprochenen positiven Chemotaxis gegen- über den Leukocyten und Eudothelien ist. Anstopfung und Zerfall der Endothelien des Endokards, besonders an den Berühruugsstellen der Klappen, können leicht den Anstoß zur Geschwürbildung und zur Auf- lagerung von Gerinnsel an den Klappen geben, auch dürften die eljen- falls mit Bazillen gesättigten und im Zerfall begriffenen Leukocyten an solchen Stelleu des Endokards leichter haften und zu jenen, oft sehr beträchtlichen Auflagerungen beitragen. Auf ähnliche Weise entstehen jene Gefäßverstopfungen (Thrombosen), infolge deren einzelne Stellen der Haut, sowie mehr minder große Stücke der Ohren, des Schwanzes absterben, und ähnliche Vorgänge spielen sich oft auch in anderen Organen, so im Zentralnervensystem, ab und bedingen Siechtum und Lähmungserscheinungen. Verbreitung und Vorkommen des Rotlaufs. Der Schweinerotlauf ist eine über alle Länder Europas verbreitete Seuche, die den Landwirten zuweilen sehr erhel)liche Verluste ver- ursacht; einzelne Länder, oder Distrikte derselben sind besonders schwer Rotlauf der Schweine. 725 heimg-esnclit. Im Jahre 1895 sollen die Verluste des Köuigsberger Kreises allein einige Millionen Mark betragen haben; ähnlich schwere Verluste hat das Herzogtum Baden zu verzeichnen. In Frankreich schätzt man die jährlichen Verluste an Rotlauf zu mindest auf 100000 Stück Schweine im Werte von 5 Millionen Franks. Der Charakter der Seuche kann nicht nur in verschiedenen Ländern, sondern auch in unweit entfernten Gegenden ein sehr verschiedener sein, was sich durch die sehr veränderliche Virulenz des Erregers leicht erklärt. "Während zuweilen und in manchen Gegenden die Seuche als eine gelinde, nur in wenigen Fällen tödliche Krankheit auftritt, rafft sie in anderen Gegenden 50 — 90 % der erkrankten Tiere mit. Zu einer Zeit, wo man gegen Rotlauf noch nicht impfte, und wo auch noch keine Schweinepest und Schweineseuche herrschte, wurde in Ungarn nicht selten ein Verlust von 50^ der verseuchten Bestände, zuweilen aber ein noch höherer, verzeichnet. In England und den Vereinigten Staaten Nordamerikas soll der Rot- lauf ausschließlich in seiner milden Form und ohne Neigung zu weiterer Ausdehnung vorkommen. Wie für die Entwicklung anderer Infektionskrankheiten Bodeu- beschaffeuheiten und Witterung von Bedeutung sein können, so ist auch das Auftreten der Rotlaufseuche oft unverkennbar an warme und feuchte Witterung gebunden. Mit Antritt der Sommermonate, und besonders in tief liegenden Gegenden mit feuchtem Boden, mehren sich die Seuchen- ausbrüche, während sie mit Herannahen der Wiuterzeit sporadisch werden. Nach Lydtin soll hauptsächlich nasser, lehmiger Boden günstige Rotlaufstätten abgeben, viel weniger hingegen sandiger oder felsiger Boden. Es kann aber weder das Hochland, noch die Winter- zeit gegen Rotlauf geschützt genannt werden. Hat sich irgendwo ein Rotlaufherd gebildet, so taucht die Seuche alljährlich wieder auf, wenn nicht durch eine gründliche Reinigung des Bodens oder sonst eine wichtige Aenderung der Verhältnisse statt- gefunden hat. Bakteriologische Diagnose. Die bakteriologische Diagnose des Rotlaufs kann wohl leicht genannt werden; die Stäbchen sind zufolge ihrer Kleinheit und Zartheit nicht leicht mit anderen Bazillen zu verwechseln, und sollten sie eben ihrer Feinheit wegen dann, wenn sie spärlich vorhanden sind, mikroskopisch übersehen werden, so wird eine Agarkultur innerhalb 24 Stunden, Gelatinekulturen aber binnen wenigen Tagen stets zu einer sicheren Diagnose führen. An lebenden Schweinen wird man die roten Flecke der Haut, in Ermangelung solcher aber das Ohr gründlich reinigen und womöglich keimfrei machen, dann mittelst einer Nadel oder einer Messerspitze ritzen, mit dem so erhaltenen Safte (Blut und Lj^mphe) Trockenpräparate anfertigen und Kulturen anlegen. Zeigen beide letztere die Eigen- schaften des Rotlauf bacillus , so ist die Diagnose unzweifelhaft, denn wir kennen keinen Parasiten der Schweine, der mit den Rotlaufstäbchen morphologisch und kulturell Aehnlichkeit hätte. Schwieriger als die bakteriologische ist aber zumeist die anatomische Differentialdiagnose, auf die sich der praktische Tierarzt oft stützen muss. 726 H. Preisz, Anatomisch kann der Rotlauf verwechselt werden mit jeder anderen hämorrhagischen Krankheit, nnd mnss besonders von Schweinepest und .Schweineseuche ',= Septicaemia haemorrhagica) scharf getrennt und unterschieden werden. Von beiden letzteren Krankheiten sind es namentlich die akutesten Formen, die mit Eotlauf viel Aehulichkeit aufweisen können, da sie nur in Blutungen der verschiedensten Organe, und nebenbei vielleicht in fibrinösen Exsudaten der serösen Häute sich äußern. In solchen Fällen halte man daran, dass feine Spinnen- geweben ähnliche Fibringerinnsel der serösen Häute, sowie hämorrhagische Nephritis (hell gelblichrote Nieren) für Eotlauf, der Maugel dieser Zeichen aber, mit massenhaften Blutungen, oft mit Zerreißung der Xierensubstanz, unter der Kapsel und im Hilus der Nieren, mit ge- schichtetem Fibrin der serösen Häute, für Schweineseuche bezeichnend sind. Die nicht sehr akuten Fälle der Schweineseuche, wie sie gewöhnlich (mit Schweinepest kombiniert) beobachtet Averden und die etwa 12 — 14 Tage nach stattgehabter Infektion (Inkubation mit eingerechnet) tödlich enden, sind durch die fast nie fehlende Pleuropneumonie von Kotlauf leicht zu unterscheiden. Die Pleuropneumonie zeichnet sich aus durch geschichtete derbe Fibrinauflagerungen und durch eine der Rinder- hingenseuche sehr ähnliche lobuläre Entzündung der Lungen; auch das Perikard ist zumeist mit dicken Fibrinschichten bedeckt. Die nicht akute, mit Septikämie (= Schweineseuche im engeren Sinne) nicht kombinierte Schweinepest ist wohl mit Eotlauf nicht zu verAvechseln, da ihr torpider Charakter, und die bereits am Ende der dritten Woche im Darme ausgebildeten knopfartigen, nekrotischen Ver- dickungen der Schleimhaut an Rotlauf gar nicht mahnen. Man lasse aber nicht außer acht, dass in Gegenden, wo der Rotlauf überhaupt heimisch ist, die Schweinepest mit ihm kombiniert, d. h. in einem In- dividuum vorhanden sein kann; die im Gefolge der Pest entstehenden Darmgeschwüre scheinen sogar zuweilen die Infektion mit dem Rotlauf- stofife zu begünstigen. Prophylaxe. Die Maßregeln, die behufs Vermeidung einer Einschleppung und Ver- breitung des Rotlaufs befolgt werden müssen, siud selbstverständlich gleich jenen, die anderen ähnlichen Seuchen, beispielsweise der Schweine- seuche gegenüber beachtet werden müssen. Einer Einschleppung und Verseuchung seiner Stallungen vorzubeugen wird der vorsichtige Landwirt frisch angekaufte Schweine unbekannter Herkunft stets an irgend einem indifferenten Orte wenigstens eine Woche lang in Beobachtung halten, bevor er sie in seinen Stallungen unter- bringt. Diese Vorsicht aber ist auch bei Schweinen unverdächtiger Herkunft geboten, da die Ansteckung auch am ^Markte, oder während des Transportes der Tiere geschehen kann. Ist die Seuche in einem Bestände ausgebrochen, so kann ihre Aus- breitung nur durch Trennung der kranken von den gesunden Tieren, sowie durch Beobachtung der Reinlichkeit behindert werden. Da die Exkremente der kranken Tiere die reichlichste AnsteckuDgsqucUe dar- stellen, so wird deren je häufigere Wegschaffung, und eine je häufiger gewechselte Bestreuung des Stallbodens gute Dienste leisten. Zur Verhütung einer Verschleppung soll alles vermieden werden, was in dieser Hinsicht bedenklich erscheinen könnte, sowie Zulass von Rotlauf der Schweine. 727 fremden Personen, der Aufenlialt von Geflüg-el in den infizierten Stallungen. Die Kadaver der gefalleneu, falls sie nicht tecbniseli ver- wertet werden, sowie die Eingeweide uotgeschlacliteter kranker Schweine sollen gehörig tief, in trockeuem Bodeu und an solchen Orten verscharrt werden, die Schweinen unzugänglich sind. Mist und Streu werden am besten durch Verbrennung uuschädlich gemacht. Die erfolgreiche Desinfektion verseuchter Stallungen dürfte, wenn auch mit einiger Mühe, nicht unmöglich sein; sie muss darin bestehen, dass sowohl Boden, als Wände, Tröge und Thüreu zuerst mechanisch gereinigt, dann reichlich mit einem geeigneten keimtötenden Mittel ge- tüncht werden; dies kann mit frisch gelöschtem Kalk (20 Teile Kalk, 100 Teile Wasser) geschehen. Ist der Stallgrund lose, so empfiehlt es sich, die oberen Schichten desselben nachher durch frische Erde zu er- setzen. Aus hygienischen Rücksichten ist die Entziehung des Fleisches rot- laufkrauker Schweine, zu mindest zu Beginn der Krankheit, wenn das Aussehen des Fleisches noch normal ist, nicht geboten; mit Rücksicht auf die Verschlepjjungsgefahr aber, die seitens solches Fleisches droht, ist eine strenge Ueberwachung solcher Schlachtungen, und eine Be- schränkung der Verwertung solches Fleisches innerhalb des Seuchen- gebietes wohl angezeigt. Die Zeit, wonach die Seuche als erloschen gilt, ist in verschiedenen Ländern ungleich lang; sie variiert ungefähr zwischen 15— 30 Tagen, die von der Feststellung des letzten Krankheitsfalles an gerechnet werden. Die idealste Prophylaxe gegen Rotlauf wäre selbstredend eine wirk- same und andauernde Schutzimpfung der Schweine. Es erfreuen sich derzeit zweierlei Impfungen, eigentlich Immuni- sierungsverfahren, einer mehr oder minder ausgebreiteten Verwendung; erstens die Impfung mit abgeschwächten Kulturen der Rotlauf bazillen, zweitens die Behandlung mittelst Immunserum. Da aber die letztere Methode auch gegen Rotlauf, sowie gegen viele andere Infektionskrank- heiten, eine nur sehr vergängliche passive Immunität verleiht, so hat sich diese zweite Methode eigentlich dahin gestaltet, dass man die durch das Immunserum geschaifene passive Immunität dazu benutzt, um während ihrer Dauer die Schweine mit geschwächtem oder un- geschwächtem Virus zu impfen, d. h. sie dann aktiv immun zu machen. Ein solches Verfahren findet seine Begründung in gewissen Mängeln der Rotlaufvaccins, die sich unter Umständen geltend machen können, wie des weiteren noch besprochen werden soll. Näheres über die Immunität und Schutzimpfung gegen Rotlauf wird in Bd. IV mitgeteilt. Erklärimg: der Abbildungen auf Taf. XI 'des Atlasses. 260. Rotlaufstäbchen aus einer Agarkultur, 1 : 1000. 261. Bazillen der Mäuseseptikiimie aus einer Agarkultur, 1 : 1000. 262. Bazillen der Mäuseseptikämie aus Mäuseblnt, 1 : 1000. 263. Rotlaufstäbchen aus Mäuseblut, 1 : 1000. 261. Gelatinestichkultur von Rotlaufstäbchen, mit wenig ausgebreiteten flockigen Kolonieen. 265. Gelatinestichkultur von Rotlaufstäbchen, mit ausgebreiteten, wolkigen Kolo- nieen. Litteratur. 1 Preisz, Veterinarius, 1891. — - Hess & Guillebau, Schweizer Arch. f Tiermed., Bd. 28, 1886. — 3 Bang, D. Ztschr. f Tiermed.. 1891. — i Jensen, ref. Baumg. Jahresber., 1891. — 5 Lorenz, Wissensch. u. prakt. Tierheilk., 1893. — 728 H. Preisz, Eotlauf der Schweine. f' Pasteur & Thuillier, Compt. rend. de l'Ac., 1882—1883. — ^ Corxevin, Pre- miere etude sur le rouget du porc. Paris 1885, — ^ Löffler, Arb. Kais. Ges.-Amt, 1885. — 9 Schütz, ebd., 1885—1886. — w LydtixX & Schottelius, Rotlauf der Schweine. Wiesbaden 1885. — ii Sirena & Alessi. La Riforma med., 1892. — 12 Lorenz, Centralbl. f. Bakt, Bd. 20. — « Petri, Arb. kais. Ges.-Amt., Bd. 6, 1890. — " lösener. ebd.. Bd. 12. — i5 r. Koch, Wundinfektionskrankheiten, 1878. 1« Lorenz, Arch. f. Kinderheilk., Bd. 18. — " Olt, Deutsche tierärztl. Woch., 1901. — li^ LuBOwsKi, Deutsche med. Woch., 1901. — i9 Voges & Schütz, Ztschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 28. — 20 Kitt, Centralbl. f. Bakt., Bd. 2. — 21 Prettner. Berl. tierärztl. Woch., 1901. — 22 Lorenz, Zeitschr. f. T., Bd. 21. — 23 Schneidemühl, Deutsche med. Woch., 1893. — 24 Östertag, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg., Bd. 7. — 25 Mayer. Zeitschr. f. Medicinalbeamte. 1899. — 26 Casper, Deutsche t Woch.. 1899. — 27 Petri & Maassen, Centralbl. f. Bakt.. Bd. 11 u. 15. - 28 Voges, Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 22. — 29 Donath, Centralbl. f. Bakt, Bd. 15. XIX. Die Druse der Pferde. Von J. Bongert, Stadt. Obertierarzt in Berlin. 1. Begriff der Krankheit, kurzer historischer Ueberblick über das Wesen derselben. Die Druse ist eine ausschließlich deni Pferdegeschlecht eigeutlimliche lufektiouskraukheit , welche in einer difiuseu Entzündung; der Schleim- haut der oberen Luftwege und des Rachens mit eitrig-schleimiger Se- kretion besteht und in der Regel mit einer sekundären Schwellung und Abszedierung der regionären Lymphdrüsen verbunden ist. Die Druse kann aber auch als einfacher Katarrh der oberen Luftwege verlaufen, ohne Abszessbildung in den Lymphdrüsen zur Folge zu haben. Die Krank- heit tritt sporadisch, enzootisch und epizootisch auf, befällt meist nur junge Pferde, kann aber nach tierärztlicher Erfahrung und wie Sand & Jensen experimentell haben nachweisen können, auch bei alten Pferden, überhaupt Pferden jeden Alters vorkommen. Synonyme Begriffe der Druse sind Kropf, Streugel, Kehlsucht. Einmaliges Ueberstehen der Druse hinterlässt Immunität auf mehr oder weniger lange Zeit, oft für die ganze Lebensdauer. Es kommt aber gar nicht selten vor, dass Pferde wiederholt an Druse mit Ausbildung aller wesentlichen Merkmale derselben erkranken (Dickerhoff ^"). Die früheren Ansichten über das Wesen der Druse stützen sich alle auf die Humoralpathologie, Der Einfluss dieser Lehre hat sich bei den Definitionen der Druse bis in die letzte Hälfte des vorigen Jahrhunderts geltend gemacht. Man hielt die Druse allgemein für eine spezifische Jugend- und Entwickelungskrankheit des Pferdes, durch welche die im Blute und den den Säften angehäuften überflüssigen und unreinen Stotfe aus dem Körper zur Ausscheidung gelangten. Bei der gutartigen Druse sollte eine vollständige Entleerung des Drusengiftes durch den Ausfluss aus der Nase und durch die Abszedierung in den Lymphdrüsen statt- finden, während die bösartige, falsche oder verschlagene Druse die drusige IMaterie in den Lungen und den Baucheingeweideu absetze. Die Druse betrachtete man im gewissen Sinne als eine notwendige und heilsame Krankheit, und der natürliche Weg der Ausscheidung des Krankheits- stofies war die Respirationsschleinihaut mit ihren Drüsenausmündungeu. 730. J- Bongert, Nur bei iiuriclitiii-ei' Bebandluug- imd weuu die Druse bösartig- wurde, sollte sie iu waudeludeu Kropf, Steiudruse, Eotz und Wurm und audere gefährlicbe Kraukbeiteu übergeben köuueu (Viborg, Spinola). Es ist wohl kaum eine medizinische Irrlehre von so folgenschwerer Bedeutung gewesen, wie gerade die bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahr- hunderts weit verbreitete Ansicht, dass die Druse des Pferdes bei ungünstigem Verlaufe in die Rotz- und Wurmkraukheit übergehen könne. Um das Jahr 1830 stellten Vatel & Hustüel d'Arboral eine neue Theorie über die Entstehung und das "Wesen der Druse auf. Sie erklärten, dass dieselbe eine primäre, katarrhalische Entzündung der Respirationsschleimhaut darstelle , welche sekundär vermittelst sympa- thischer Verbindung eine Verstopfung und Vereiterung der regionären Halslymphdrüsen herbeiführe, und nicht als ein Reinigungsprozess des dyskratischeu Körpers aufzufassen sei. Diese neue Theorie hat eine allgemeine Anerkennung nicht gefunden. Selbst Hertwig, Hauptner, Spinola, Roll vermochten sich nicht von der alten humoralpatholo- gischen Anschauung freizumachen. Hertwig nahm einen teilweiseu vermittelnden Standpunkt zwischen der alten Anschauung und der Vatel- schen Lehre ein; er fasste die Druse als eine katarrhalische Reizung der Respirationsschleimhaut, verbunden mit Affektionen des Lymphgefäß- systems, auf und als direkte Ursache derselben, gewissermaßen als causa interna, die Zurückhaltung von Hautauswurfstofifen. In betreff der Entstehung der Druse nahm man an, dass alle mög- lichen ungünstigen äußeren Einflüsse der Witterung, Wartung und Pflege des Pferdes das Ausbrechen der Krankheit vermitteln, welche alsdann durch Ansteckung sich weiterverbreiten könne. Viborg war der erste, welcher experimentell bei Fohlen durch Verimpfung von Druseneiter in die Nasenschleimhaut die Ansteckungsfähigkeit der Druse nachwies. Dennoch vertrat er merkwürdigerweise die Ansicht, dass die Druse auch von selbst durch ungünstige Witterungsverhältnisse, Wechsel im Futter u. s. w. entstehen könne. Eine höhere ätiologische Basis wurde aber erst mit gleichzeitiger Beseitigung der bisherigen abstrakten Vor- stellungen über das Wesen und die Entstehung der Druse geschaifeu, als man in den achtziger Jahren des vori2:en Jahrhunderts die Ursache der Druse mit den modernen bakteriologischen Untersuchungsmethoden zu erforschen begann. Durch die fast gleichzeitig und unabhängig von- einander ausgeführten Untersuchungen von Schützes, Sand & Jensen 2^ und PoELS^^ wurde als Erreger der Drusekraukheit des Pferdes ein Streptococcus festgestellt, welcher 1873 bereits von Rivolta im Eiter von Druseabszessen gesehen und beschrieben worden ist. Die oben- genannten Forscher stellten Reinkulturen des Streptococcus her, und es gelang ihnen, mit diesen Reinkulturen durch Impfung die Druse mit ihren charakteristischen Erscheinungen bei anderen Pferden zu erzeugen. 2. Morphologie des Erregers (Drusestreptococcus, Streptococcus equi). In Ausstrichpräparaten des frisch entleerten Eiters aus Abszessen driisekranker Pferde flnden sich in großer Menge, zwischen den Eiter- körperchen liegend, lange Streptokokken. Dieselben liegen zum Teil in dicht verschlungenen Haufen zusammen, zum Teil bilden sie langgestreckte, wellige oder leicht gebogene vielgliedrige Ketten, welche das ganze Ge- Die Druse der Pferde. 731 siclitsfeld durcliziebeii imd am Ende vielfach peitsch enartig- umgebogeu sind. Außer diesen langen Ketten finden sich Einzelkokken, Diplo- kokken und kurze 2 — 4gliedrig-e Kokkenverbände, welche aller Wahr- scheinlichkeit nach zum größten Teil von den größeren Ketten durch die Manipulation des Ausstreiehens abgerissen werden. Innerhalb der Kette liegen die Drusekokken einzeln in regelmäßigen Abständen als runde oder undeutlich quadratische Gebilde, queroval, dicht zusammen- g;eschoben (Geldrollenform), oder als Diplokokken und, wenn die Teilung nicht erkennbar ist, als stäbchenartige, oblonge Gebilde (Rabe'-^). In den Streptokokkenverbäuden fallen einzelne große Kokken auf, welche zum Unterschied von den übrigen Gliedern der Kette sich intensiver färben. Sghütz^s hat diese größeren Glieder als Arthrosporen ange- sprochen. Man findet aber nicht nur einzelne größere Kokken inner- halb einer Kette, scmdern auch ganze Ketten, welche nur aus solchen großen, intensiv sich färbenden Kokken zusammengesetzt werden, und neben diesen langgestreckten großgliederigeu Streptokokken sieht man vielfach einzelne, aus bedeutend kleineren Kokken zusammengesetzte kurzgliederige Kettchen, welche parallel neben der dickeren und längeren Kette liegen oder in einem Winkel von derselben sich abzuzweigen scheinen. An diesen größeren Streptokokkengliedern lässt sich, nament- lich bei Färbung mit Methylenblau, sehr oft Tetradenform feststellen, ja man kann beobachten, dass die Glieder einer ganzen Kette aus solchen Tetraden zusammengesetzt sind. Bei Anwendung stärkerer Vergrößerungen kann man vielfach deutlich erkennen, wie von diesen Tetraden eine solche kleingliedrige kurze Streptokokkenkette ihren An- fang nimmt und sich abzweigt. Oder man findet kurze, kleingliedrige Parallelketten, deren Glieder in einer Höhe nebeneinander liegen, eine Erscheinung, welche sich nur so deuten lässt, dass eine großgliedrige aus Tetraden zusammengesetzte Kette sich in zwei kleinere Streptokok- kenreihen gespalten hat. Diese Tetradenform ist keine ausschließliche Eigentümlichkeit der Drusestreptokokken, sie ist unter anderem auch bei den Streptokokken der Cerebrospinalmeningitis des Pferdes (Bor- naische Krankheit) von Ostertag beschrieben worden und kommt auch bei dem Streptococcus pyogenes vor. Auf die Tetradenform bei den Drusestreptokokken hat zuerst Rabe^^ aufmerksam gemacht. Er giebt au, dass unter gewissen Umständen einzelne oder mehrere Glieder eines Verbandes in der Querrichtung" der Kette weiterwachsen, wodurch in- folge von Teilung Tetrakokkenformen entstehen. Auf diese Tetraden- bildung (Arthrosporen) innerhalb der Streptokokkenverbände sind die im Druseeiter und in Reinkulturen der Drusestreptokokken, namentlich in Zucker- oder Serumbouillou, neben den großgliedrigen langen Ketten vorhandenen kleiugliedrigen Streptokokken zurückzuführen. In Klatschpräparaten der auf der Agarplatte gewachsenen Kolonieen erscheinen die Drusestreptokokken als dicht zusammenliegende Tetra- kokken. Der Verband zu Streptokokken lässt sich nur stellenweise am Rande der Kolonie erkennen, wo einzelne kurzgliedrige Ketten heraus- zuwachsen scheinen. Im übrigen macht die Kolonie den Eindruck eines Staphylokokkenhaufens. In Ausstrichpräparaten tritt erst die Streptokokkenanordnung deutlich zu Tage. Hieraus geht hervor, dass eine Kohärenz der Kokken nur in einer Richtung besteht, dass die Kapsel oder Plasmahülle, welche die Streptokokken innerhalb der Kette zusammenhält, erst mit dem Wachstum in der Längsrichtung sich bildet. 732 J- Bongert, lieber die Bildung der Seiteuzweige der Streptokokken (Pseudo- dieliotomie) hat Stolz '-^' eingebende Untersiicbungeu angestellt. Diese Seitenzweigbildung ist nicbt auf abnorme Teilungen der Streptokokken zurUc'kzufülircn, wie Neumann & Lehmann annehmen. Aus den obigen Ausführungen geht hervor, dass es sich um einen ganz normalen Vor- gang handelt, welcher durch Tetradenbildung (Arthrosporen, eingeleitet wird, mit anderen Worten, dass die Streptokokken sich außer in der Längsrichtung der Kette auch in der Querrichtung derselben vermehren können. In betreff des Wachstums in Kulturen ist bezüglich der Form und des Aussehens der Drusestreptokokken zu bemerken, dass die- selben den Typus des Streptococcus longus zeigen. 3. Vorkommen des Streptococcus equi. In den geschlossenen Lymphdrüsenabszesseu drusekranker Pferde findet sich der Druseerreger (Streptococcus equi) stets in großer Menge und der Eegel nach in Ileinkultur. Nur von einem Berichterstatter (Bermbac'h^j liegen Beobachtungen des gleichzeitigen Vorkommens von Drusesti*eptokokken mit anderen Eitererregern in Druseabszessen vor. Bermbach konnte bei einem größeren Seuchengang außer auf der Nasen- schleimhaut in dem Eiter von sechs submaxillaren und zwei retropharyn- gealen Abszessen, ferner in einem mesenterialem und einem periproktaleu Abszess und in einem bronchopneumonischen Zerfallsherd mit pleuri- tischem Exsudat im Verlauf von Druse neben Drusestreptokokken Sta- phylokokken durch Plattenkultur nachweisen. Verfasser wies in einem Falle im Druseeiter aus einem steril eröffneten submaxillaren Abszess außer Drusestreptokokkeu diphtherierähnliche Stäbchen kulturell nach. Solche Stäbchen finden sich auch normal auf der Nasenschleimhaut und im Konjunktivalsack der Pferde und sind auch auf der Haut verschiedener Tiere nachgewiesen worden (Nakanishi i^, Czai'LEAVski ^). Es ist ohne Zweifel der Nachweis solcher Stäbchen im Druseeiter wohl auf eine Verunreinigung von der äußeren Haut aus trotz steriler Eröffnung zurückzuführen. Der Befund sei aber erwähnt, da Cobbett^ einen Diphtheriefall in ursächliche Beziehung mit solchen diphtherieähnlichen Stäbchen ])rachte, welche er im eitrig-blutigen Nasen- dejekt eines allem Anschein nach an Druse erkrankten Pferdes nach- weisen konnte. In dem eiterig-schleimigen Nasendejekt drusekranker Pferde findet sich ebenfalls der Drusestreptococcus in größerer Zahl zugleich mit an- deren Bakterien vor. Doch ist diesem Befunde eine entscheidende diagnostische Bedeutung nicht beizumessen, da auch auf der Nasen- schleimhaut gesunder Pferde Streptokokken vorkommen. In gleicher AVeise, wie in den regionären Lymphdrüsen der oberen Luftwege, des Primärsitzes der Krankheit, findet sich der Drusestreptococcus auch inncrhall) der in den verschiedensten Organen (Leber, Milz, Gehirn u. s. w^) im Verlaufe der raetastatischen Druse auftretenden Abszesse in Unmenge und in Reinkultur vor. Die erste Mitteilung über das Vorkommen von Streptococcus equi bei der nietastatischen Druse machte Zschokke^-^ bei einem Pferde mit vielen Abszessen in Milz und Nieren, bei welchem außerdem eine Eudocarditis mit umfangreicher Thrombenbildung an der Tricuspidalis bestand. Sowohl im Eiter aus den Abszessen wie in der Thrombenmasse fanden sich die Drusestreptokokken in großer Zahl vor. Die Druse der Pferde. 733 Auch dem Verfasser gelang der Nachweis derselben in Reinkultur bei einer Eudocarditis verrucosa im Verlauf der Druse. Durch eingehende bakteriologische Untersuchungen sind die verschiedeneu Erscheinungs- formen der Druse, namentlich der metastatischen Form derselben, ätio- logisch klargelegt worden; sie konnten alle mit der Ansiedelung der Drusestreptokokken durch Vermittelung der Blut- und Lymphbahuen in kausalen Zusammenhang gebracht werden. Jexsen^-* wies den Druse- streptococcus bei einer Reihe verschiedener Fälle von metastatischer Druse nach, bei Pleuritis suppurativa, bei allgemeiner Drusepyämie und in den multiplen subkutanen Abszessen und in den Pusteln. Schütz 2», Sand & Jensen 2« machten auf eine Mischinfektiou der Brustseuche mit Druse aufmerksam, welche sich durch das Entstehen von Lungenabszesseu im Verlaufe der typischen Brustseuchepneumonie charakterisiert und zu einer Pyämie führen kann. Es gelang den letztgenannten Autoren, aus dem Eiter solcher Lungenabszesse Drusestreptokokken neben den ge- wöhnlichen Pneumoniestreptokokken nachzuweisen und zu isolieren und durch Verimpfiing der Reinkulturen in die Nasenschleimhaut bei eiuem jungen Pferde eine typisch verlaufende Druse mit Abszessbildung in den submaxillaren Drüsen zu erzeugen. Nocarü^o^ Meguin^*, Pecus^^ be- richten von einer Uebertragung der Druse von dem Muttertier auf den Fötus durch placentare Infektion. Weiterhin wiesen Joly e^ Leclainche ^^ nach, dass die im Verlaufe der Druse in Form von zahlreichen Bläschen und Knötchen auftretende exanthematische Hautkrankheit (Hautdruse), welche vouTrasbot^s für identisch mit den »Pferdepocken« (liorse pox) gehalten wurde, auf eine Lokalisation der Druse in der Haut zurück- zuführen ist. Dieselbe beruht auf einer Ansiedelung der Drusestrepto- kokkeu in den Kapillaren und Lymphspalten der Haut. Die Unter- suchungen von Joly & Leclainche wurden durch Woronzow^o und Zmirlow^32 bestätigt. Durch Verimi)fung von Reinkulturen der aus dem Bläscheninhalt isolierten Streptokokken erzeugten die letztgenannten Autoren bei Pferden das typische Bild der Druse. Endlich führte Bigoute AU ^ in Gemeinschaft mit Nocard durch positiven Blutbefimd während des Lebens den Nachweis, dass die Drusestreptokokken selbst nach scheinbar leichtem Verlauf der Krankheit plötzlich eine Allgemein- infektion und Tod des Tieres durch Septikämie herbeiführen können. Andererseits beweist das Vorkommen der angeborenen Druse, dass die Drusestreptokokken im Verlauf der Krankheit durch die Blutbahn ver- breitet werden können, ohne mestatische Druse oder Pyämie und Septi- kämie zu erzeugen. 4. Färbbarkeit des Erregers. Der Drusestreptococcus färbt sich leicht mit den gewöhnlichen Anilin- farbstofien. In Ausstrichpräparaten aus dem Tierkörper beobachtet man oft, dass einzelne Glieder der Streptokokkenkette sich ungleichmäßig färben, mitunter gar keine Farbe mehr aufnehmen. Es können manch- mal die meisten Glieder einer Kette ungefärbt erscheinen, während die großen Kokken innerhalb der Kette sich intensiv färben. Mit Löffler- scher Methylenblaulösuug (Methylenbl. med. Höchst) färben] sich die großen Glieder der Drusestreptokokken zum Unterschied von den übrigen Gliedern auffallend rot. In Ausstrichpräparaten und in Schnitten ist der Drusestreptococcus nach der GRAMschen Methode färberisch darzu- 734 J- Bongert, Stelleu. Die Entfärbung in Alkohol darf jedocli nicht zu lange ausgedehnt werden, da die Drusestreptokokken sonst die Farbe wieder abgeben. Verf. sah Drusestreptokokken nach ^/^ Minute langer Alkoholeinwirkung l)ereits vollständig entfärbt. Die Färbung nach (Ieaim geliugt bei Ausstrich- präparateu aus dem Tierkörper leichter, wie bei solchen aus Kulturen. Um die Entfärbung in Alkohol möglichst abkürzen zu können, und eine distinkte Färbung nach der GRAMSchen Methode zu erreichen, ist ein Ausstreichen in möglichst dünner Schicht, event. nach vorheriü-er Ver- dünnung mit Wasser, erforderlich. Gut und distinkt gefärbte Präparate erhält man auch bei Färbung mit Karbolthionin. In Ausstrichpräparaten aus dem Tierkörper und aus Blutserumkulturen lassen die Drusestrepto- kokken sehr oft einen ungefärbten Hof (Plasmahülle) erkennen. 5. Züchtung. Nach Schützes wächst der Drusestreptococcus nur auf erstarrtem Blutserum und in Bouillon. Sand & Jensen und Poels^i konnten aber feststellen, dass der Streptoc. equi auch auf Agar und Gelatine wächst. Diese verschiedenen Angaben lassen schon von vornherein darauf schlie- ßen, dass der Drusecoccus an die Beschaffenheit des Nährbodens be- stimmte Forderungen stellt. Er verhält sich in betreff der Züchtung auf künstlichen Nährböden wie ein obligater Parasit. Während die Züchtung der übrigen Streptokokken, speziell des Streptococcus pyogenes, in keiner Weise irgend welche Schwierigkeit bereitet und auch bei ge- wöhnlicher Temperatur dieselben gut gedeihen, verlangt der Druse- streptococcus eine bestimmte chemische Zusammensetzung und Alkaleszenz des Nährbodens (Sand & Jensen, Kitt) und vermag nur bei Körper- temperatur gut zu wachsen. Auf die große Empfindlichkeit gegenüber der Beschaiienheit des Nährbodens sind die verschiedenen Angaben der obengenannten Autoren bezüglich des Wachstums und die häufigen Fehlresultate der Züchtung des Drusestreptococcus auf Agar und Gelatine zurückzuführen. In erster Linie verlangt der Drusestreptococciis eine schwach alka- lische, nur wenig über dem Lackmusneutralpunkt gelegene Reaktion. Wird letztere überschritten, so bleibt jegliches Wachstum aus; selbst Zusatz von Glycerin oder Traubenzucker in den gebräuchlichen Prozent- sätzen, welcher das Wachstum der Drusestreptokokken begünstigt, kaun den nachteiligen Einfluss der stark alkalischen lieaktion nicht aufheben. Die Beobachtung von van Eecke^^, dass Glyccrinzusatz und Behinderung des »0«-Zutritts (Stichkultur) zum Wachstum auf Agarnährl)öden erforder- lich ist, trifft nicht vollkommen zu. Der Drusestreptococcus wächst auch auf gewöhnlichem Schrägagar bei schwach alkalischer Reaktion, aller- dings kommt er in der Stichkultur leichter fort. Verfasser konnte mehrmals durch Verglcichung feststellen, dass im Agarstich ein Angehen der Kultur eintrat, während auf der schrägen Strichfiäche desselben Agars jegliches Wachstum ausblieb. Diese Beobachtung stimmt auch mit den Angaben Poels überein. Andererseits erfolgte bei Zimmer- temperatur auf Schrägagar kein Wachstum, wohl aber im Agarstich und auf Bhitserum, wälirend bei Bruttemperatur auch auf dem Schrägagar eine kräftige Kultur erzielt wurde. Am besten wächst der Drusestreptococcus auf erstarrtem Pferdeblut- serum (weniger gut auf Rinderserum], in Serumbouillon und Traul)en- Die Druse der Pferde. 735 Zuckerbouillon und in Stichkulturen von Zuckeragar, oder noch besser in Seru'magar. Die Züchtung gelingt am leichtesten direkt aus dem Tierkörper. In Kulturen verliert der Streptoc. equi schon nach wenigen Umzttchtungeu die Virulenz und Lebensfähigkeit. Oft schon nach 4 Wochen gehen beim Ueberimpfen die Kulturen nicht mehr an. Agar. Auf Schrägagar wächst der Drusestreptococcus in Gestalt von flachen, bläulichen, durchscheinenden Kolonieen. Dieselben lassen ein scharf konturiertes, dunkleres Centrum erkennen, welches von einem grauen, durchscheinenden, schleierartigen Hof umgeben ist, der nach Saxd & Jensen einen eigentümlichen, schwach prominierenden , halb- fließenden, schleimigen Oberflächenwuchs darstellt. Der Durchmesser dieser tellerartigen, dünnen Kolonieen kann bei isoliertem Wachstum 3 — 4 mm erreichen. Dieselben trocknen in wenigen Tagen ein. Im Kondenswasser der Agarröhrchen bildet sich ein weißer flockiger Boden- satz, welcher aus langen, teilweise verschlungenen ötreptokokkenketten besteht. Mitunter beobachtet man auf Glycerinagar einen dem Wachstum auf Blutserum ähnlichen Wuchs in Form von kleinen, bläulichgrauen, schleimigen Tropfen, welche zu einem ebensolchen Belage zusammen- fließen. Im Agarstich bildet sich nach 24 Stunden ein kräftiger, grauweißer Impffaden, welcher sich allmählich an mehreren Stellen eigentümlich verbreitert, indem senkrecht gestellte, abgerundete, flügeiförmige 3 — 4 mm lange Ausläufer von demselben abgehen. Um den Stichkaual herum bildet sich auf der Oberfläche ein kleiner, halbflüssiger, fadenziehender, flacher Tropfen. Das Wachstum im Agarstich in Gestalt der »flUgel- förmigen«, senkrecht gestellten Fortsätze ist nach Sand & Jensen gegen- über dem der übrigen Streptokokken so charakteristisch, dass es als ditferentialdiagnostisches Kriterium angesehen werden kann. Allein die Bildung dieser Fortsätze tritt nicht immer auf, meistens bildet sich ein flacher, ungleich breiter, bandartiger, weißer Impffaden, welcher die Zusammensetzung ans einzelnen Kolonieen meist nicht erkennen lässt. Gelatine ist ein ungeeigneter Nährboden für die Züchtung des Drusestreptococcus, da bei der niedrigen Temperatur, bei welcher die Kulturen gehalten werden müssen, derselbe schlecht gedeiht. Auf schräg erstarrter Gelatine gehen die Kulturen in der Regel nicht an. Im Gelatinestich ist erst vom 3. — 5. Tage an ein Wachstum in Gestalt von kleinen, stecknadelkopfgroßen, weißen Kolonieen zu erkennen, meistens schlägt aber auch im Gelatinestich die Kultivierung des Streptoc. equi fehl. Serum. Auf schräg erstarrtem Blutserum zeigt der Drusestrepto- coccus ausnahmslos ein charakteristisches Wachstum. Er bildet graue, glasige, unregelmäßig gestaltete Tröpfchen, welche alsbald zu einem zähen, fadenziehenden, schleimigen Belag konfluieren. Im Kondens- wasser tritt eine flockige, opaleszierende Trübung ein. Der schleimige Belag trocknet in wenigen Tagen zu einem dünnen, schillernden, zum Teil rissigen Ueberzug ein. In Bouillon wächst der Drusestreptococcus als ein flockiger, weißer Bodensatz, die überstehende Bouillon 'bleibt klar. Zusatz von Trauben- zucker, namentlich aber von flüssigem Blutserum, begünstigen das Wachstum. In sterilisierter Milch wächst der Drusecoccus gut, ohne das Aussehen und die Reaktion der Milch zu verändern. 736 J- Bongert, Auf Kartoffeln gedeiht derselbe zum Unterschied von den anderen Streptokokkenarteu, ohne einen makroskopisch erkennbaren Belag* zu bilden. Er wächst nach Sand & Jensex in das Gewebe der Kartoffel, wodurch letzteres ein grauweißes Aussehen annimmt. 6. Pathogenität. Durch Impfung mit Reinkulturen des Streptococcus equi haben Schütz, Sand & Jensen, Poels u. a. nach diesen den sicheren Bew^eis erbracht, dass derselbe der ursächliche Erreger der dem Pferdegeschlecht eigentümlichen Infektionskrankheit ist. Durch Einspritzung von Rein- kulturen des Drusestreptococcus in die Nasenhöhle von jungen, empfäng- lichen Pferden kann man den für Druse charakteristischen, eitrigen Katarrh der oberen Luftwege mit sekundärer Entzündung und Absze- dierung der regionären Lymphdrüsen erzeugen. Sicherer haftet die In- fektion, wenn die Kultur in die vorher gereinigte Naseuschleimhaut mit einer sterilen Bürste eingerieben wird. Da Sand & Jensen bei der einfachen nasalen Einspritzung der Kultur und bei Inhalation derselben vermittelst eines Handsprays eine Uebertraguug der Druse nicht gelang, dieselbe aber bei einer gleichzeitigen mechanischen Irritation und ober- flächlichen Exkoriation der Kasenschleimhaut erfolgte, so nahmen diese Autoren an, dass zum Zustandekommen einer Druseinfektion ein leichter katarrhalischer Zustand der Respirationsschleimhaut erforderlich sei. Im Gegensatz hierzu konnte Schütz feststellen, dass die Drusekokken bei ihrer Fähigkeit, die Gewebe zu durchwachsen, Eiterung zu erzeugen und in die Lymph- und Blutbahn einzudriugen, auch in die gesunde, intakte Nasenschleimhaut einzudriagen und eine Infektion herbeizuführen vermögen, welche außerdem durch die zahlreichen Winduugen der Nasenmuscheln, die ein Haftenbleiben und Ansiedeln der Drusekokken erleichtern, begünstigt wird. Sand & Jensen erbrachten experimentell noch den Beweis, dass die Druse als einfacher Katarrh verlaufen kann, ohne die anliegenden Lymphdrüsen in Mitleidenschaft zu' ziehen. In dieser gelinden Form tritt die Druse sehr oft unter den Militärpferdeu enzootisch auf. Nur in vereinzelten Fällen kommt es dabei zur Absze- dierung in den Lymphdrüsen. Dieser abweichende Seuchenverlauf findet seine Erklärung in der sorgsamen diätetischen Verpflegung und in den günstigen hygienischen Verhältnissen, unter welchen die Militärpferde, besonders die für Druse empfänglichen Remonten, gehalten werden. Bei subkutaner Impfung entsteht an der Impfstelle ein Abszess, welcher mit Nekrose des vereiterten Gewebes verbunden ist. Intravenöse Injektion von Reinkulturen hat eine Thrombophlebitis, dagegen keine Allgemeininfektion zur Folge (Sand & Jensen). Das Rind, Schaf, Schwein, der Hund und die Vögel sind nach Kitt vollkommen unempfänglich gegen Impfung mit Drusestreptokokken. Von kleineu Versuchstieren zeigten sich hochempfänglich die graue und weiße Hausmaus. Die Mäuse sterben bei subkutaner Impfung ent- weder in den ersten 3 Tagen an Septikämie mit Streptokokkenbefuud im Blute und den großen Parenchymen, oder später innerhalb 4—10 Tagen an Pyämie. Au der Impfstelle, der Schwanzwurzel, entsteht ein umfangreicher, phlegmonöser Prozess mit Schwellung und Abszedieruug der regionären Lymphdrüsen. Von den Kniefaltendrüsen, welche zuerst ergriffen werden. Die Druse der Pferde. 737 verbreitet sich der eitrige Prozess einerseits auf die lumbalen und mesenterialen Lymphdrüsen, andererseits auf die Axillardrüsen und mit- unter auf die am Brusteingang gelegenen Lymphdrüsen. Die Ausbreitung erfolgt, worauf Schütz aufmerksam macht, in der Eichtung des Ductus thoracicus. Es kann der Drusestreptococous aber auch sofort von der Impfstelle aus in die Blutbahn eindringen und Septikämie oder meta- statische Herde in den verschiedenen Organen erzeugen. Es entsteht Milztumor, trübe Schwellung der Leber und Nieren und multiple Abszess- bildung in den Organen der Impfmäuse. Die metastatischen Herde treten am häufigsten in der Leber und Milz als hirsekorn- bis reiskorn- große Knötchen und Abszesse auf, seltener in den Lungen. In der Milzpulpa fehlen die langen Drusestreptokokken nie, selbst wenn es noch nicht zur Abszedieruug gekommen ist. Hierdurch unterscheidet sich der Drusestreptococcus von dem Streptococcus der Pferdepneumonie, dem sog. Diplococcus Schütz, welcher in den Geweben der Impfmäuse stets als Diplococcus und nie in Streptokokkenverbänden auftritt. Zur Isolierung der Drusestreptokokken und Sicherung der Diagnose empfiehlt es sich, stets mehrere Mäuse gleichzeitig zu impfen. Die Flächeneiterung an der Impfstelle und die metastatischen Herde in den Lymphdrüsen, in der Leber und in der Milz enthalten in Reinkultur in großer Menge lange Streptokokkenketten, welche entweder gestreckt und in langen Schleifen, oder in Knäueln zusammengerollt zwischen den Eiterkörperchen liegen und auch in kleineren Haufen von letzteren ein- geschlossen sind. Feldmäuse sind, wie Kitt festgestellt hat, mit Druse nicht tödlich zu infizieren. Es bildet sich an der Impfstelle ein Eiterungsprozess, welcher nach Abstoßung des abgestorbenen Hautstückes in Heilung übergeht. Meerschweinchen und Kaninchen sind wenig empfänglich für eine Infektion mit Drusestreptokokken. Meerschweinchen lassen sich sub- kutan nach Schütz nicht infizieren, bei Kaninchen entsteht bei sub- kutaner Impfung am Ohr eine vorübergehende, erisypelatöse Anschwellung. Großen Dosen erliegen jedoch diese Tiere bei intraperitonealer Appli- kation. Durch fortgesetzte, intraperitoueale Impfung lässt sich die Virulenz für letztere außerordentlich steigern (Nocard). In zweifelhaften Fällen, in denen eine Unterscheidung zwischen Druse und Rotz schwierig ist, kann man die vergleichsweise subkutane Impfung von Meerschweinchen, Haus- und Feldmäusen als sicheres diiferential- diagnostisches Mittel verwerten. Gehen die Hausmäuse an Impfdruse ein, während die für Rotz sehr emptänglichen Feldmäuse die Impfung überleben, so ist die Diagnose für Druse gesichert (Kitt). 7. Der natürliche Infektionsniodus. r-:f||Das frühzeitige Absterben und Avirulentwerden des Drusestrepto- coccus in Kulturen lässt schon darauf schließen, dass die Tenazität desselben nicht groß ist, und dass derselbe außerhalb des Tierkörpers bald abstirbt. Kitt stellte fest, dass vertrockneter, stark streptokokken- haltiger Druseeiter sich bei Mäusen nicht mehr als infektiös erwies, während Nocard mit eingetrockneten Hautkrusten drusekranker Pferde eine wirksame Uebertragung noch gelang. Wir können indes mit Rücksicht auf den epidemiologischen Verlauf der Druse und die geringe Tenazität der Drusestreptokokken in der Kultur annehmen, dass die Handbucli der pathogenen Mikroorganismen. III. 47 738 J- BoQgert, Di-me eine exquisit koutag-iöse Krankheit darstellt, die Uebertrag-img der Eegel nach von Pferd zu Pferd erfolgt und Zwischenträger nur eine G-eriu2:e Rolle spielen können. Die Infektion wird vermittelt durch den Eiter und den Kasenausfiuss kranker Pferde. Aus dem Primärsitz der Krankheit und dem Erfolg der Impfversuche von der Nasenschleim- haut aus geht mit Sicherheit hervor, dass die Nasen- und Rachenschleim- haut die Eingangspforte für den Erreger bei der natürlichen Infektion darstellt, wohinter durch Aspiration von ausgeprustetem Nasenschleim (Tröpfcheninfektion) oder durch infiziertes Trinkwasser oder Futter ge- langt. Bermbach hat den Infektionsmodus vom Verdauungstractus aus experimentell nachweisen können, indem er Pferde in Wasser aufge- schwemmten Druseeiter trinken ließ. Ein Teil der Pferde erkrankte an typischer Druse durch Infektion von der Rachenschleimhaut aus, in keinem Falle aber erfolgte eine Darmaffektiou mit Abszedierung der Grekrösdrüsen. Schütz ist geneigt, die Gekrösdrüsenabszesse auf eine Infektion mit Drusestreptokokken vom Darme aus zurückzuführen. Sollte diese Anschauung zu Recht bestehen, dann müssten bei der Häu- figkeit der Erkrankung der Rachenschleimhaut im Verlauf der Druse, bei welcher die Pferde gezwungen sind, Druseeiter abzuschlucken, die Gekrösdrüsenabszesse viel häufiger zu beobachten sein. Bermbach ^ konnte unter 500 Drusepatienten" nur einmal Gekrösdrüsenabszesse fest- stellen. Es dürfte somit die Ansicht von Nocaed & Leclainche, dass die Gekrösdrüsenabszesse auf metastatischem Wege zu stände kommen, der Wirklichkeit entsprechen. Doch ist nicht ausgeschlossen, dass auch gelegentlich bei einem drusekrankeu Pferde, welches eine größere Menge Eiter zu verschlucken die Gelegenheit hatte, eine In- fektion der Schlundschleimhaut und des Darmes mit Abszedierung in den Gekrösdrüsen eintritt. Einen solchen Fall erwähnt Zimmermann ^i. Eine primäre Druseinfektion vom Darmkanal aus ist noch nicht beob- achtet worden; eher erfolgt die Infektion von der Eachenschleimhaut aus. Als Infektionsatrium für die Druseinfektion kann somit die Darm- schleimhaut nicht in Betracht kommen. Durch die Versuche von Joly & Leclainche 16 ist nachgewiesen worden, dass die Druseinfektion auch durch die Haut vor sich gehen kann. Doch dürfte dieser Infektionsmodus sehr selten sein. Eine Druseform, welche durch die Begattung erzeugt wird und in einem heftigen Katarrh der Vaginalschleimhaut besteht, ist in Frankreich von Letarü^'^ beobachtet und als gourme coitale bezeichnet worden. Sodann kann der Drusestreptococcus durch die Nabelvene oder von Wunden aus (Kastrationswunden) eindringen und eine Allgemeininfektion hervorrufen. Endlich ist durch drusekranke Saugfohlen die Möglichkeit einer Infektion des Euters mit Drusestreptokokken, der Entstehung einer Mastitis bei der Mutterstute, vorhanden. Fälle dieser Art mit tödlichem Ausgang sind beobachtet worden von Bermbach und Jensen 1. c. 8. Verhältnis des Drusestreptococcus zu dem Strepto- coccus Schütz, dem sog. Brustseuchecoccus. In neuerer Zeit ist die Frage über die Identität oder Verschiedenheit des Streptococcus pyogeues, der bei verschiedenen Krankheitsprozessen des Menschen nachgewiesenen Streptokokkenarten, des Streptococcus- Schütz und des Drusestreptococcus lebhaft diskutiert worden. Eine Reihe Die Druse der Pferde. 739 von Autoren stellt sieh auf einen iinistischen Staudpunkt, während andere die Verschiedenheit der Streptokokkenarteu bezw. bestimmte Gruppen von Streptokokken annehmen. Diese Frage, welche früher eine rein doktrinäre war, hat eine praktischeBedeutungerlangt, als mau begann, dieSerumtherapie auch auf die durch die Streptokokken bedingten Krankheitsprozesse auszu- dehnen. Bei unsererBetrachtuug ist zu entscheiden : ist derDrusestreptococcus spezifischer Natur, oder ist er mit dem sog. Brustseuchecoccus, dem Streptococcus Schütz, identisch? Hell '3 uud Futhi^ halten den Druse- streptococcus uud den Streptococcus Schütz mit Rücksicht auf ihre Aehn- lichkeit in morphologischer und kultureller Beziehung für nahe verwandt, für Subspecies einer Art, den letzteren aber für identisch mit dem Streptococcus pyogenes. Lignieres^'^ ist neuerdings noch weiter ge- gangen und hat erklärt, dass der Streptococcus Schütz, der sog. Brustseuche- coccus, nichts anderes sei, als der Drusestreptococcus, Streptoc. equi. Er schreibt dem Drusestreptococcus eine sekundäre Bedeutung bei der Brustseuche (Pneumopleuresie) des Pferdes zu. Als Beweis für die Identität führt er an, dass sich beide Streptokokkenarten nach Graji färben, der Unterschied, welcher hierin gemacht wurde, nicht zu Recht besteht, und dass es ihm gelungen sei, durch das Serum eines mit Drusestreptokokken immuuisierten Hundes Mäuse gegen die tödliche Infektion mit den Streptokokken Schütz zu schützen. Demgegenüber konnte Verf. feststellen, dass Streptokokkeuimmunserum, welches durch intravenöse Behandluug von Pferden mit Streptokokken Schütz erzielt wurde, Bouillonkulturen dieses Streptococcus verschiedener Provenienz stark agglutinierte, Drusebouilloukultur jedoch nicht. Im Mäuse versuch schützte dieses Serum gegen Streptococcus Schütz, jedoch nicht gegen Druse. Ein umgekehrter Versuch, eine Druseimmuuserum durch iutra- peritoneale Behandlung von Kaninchen mit Drusestreptokokken zu er- zielen, schlug fehl, da die Tiere nach der 3. bezw. 4. Impfung eingingen uud Schutzstoffe im Blute noch nicht nachzuweisen waren. Allein abgesehen von diesen Agglutinations- und Impfversuchen, welche für eine Artverschiedenheit der genannten beiden Streptokokken- species sprechen, wären noch folgende kulturelle uud biologische Unter- schiede hervorzuheben. Der Drusestreptococcus wächst auf Serum in Form eines glasigen, schleimigen Tropfenbelages, während der Strepto- coccus Schütz auf Serum iu Gestalt von kleinen, gelblichweißen, nur wenig durchsichtigen Kolonieen wächst, die keine Tendenz zur Kon- fluenz zeigen und eine glasig-schleimige Beschaffenheit vermissen lassen. Der Streptococcus Schütz wächst nur in flüssigen Medien als Strepto- coccus ; innerhalb des Tierkörpers, in den Geweben, auf der Agarstrich- fläche und im Gelatinestich tritt er uns als Diplococcus, als ein schein- bar ovales Bakterium entgegen, eine Eigentümlichkeit, welche im Ar- fang zu der irrtümlichen Ansicht geführt hat, dass er ein ovales, bipolar sich färbendes Bakterium darstellt, welches in die Gruppe der Erreger gehört. Der Drusestreptococcus zeigt nicht nur in flüssigen Medien, sondern auch auf und in festen Kulturnährböden und vor allen Dingen in den Geweben des Tierkörpers stets die lange Kettenform. In flüs- sigen Nährböden repräsentiert der Streptococcus Schütz den Typus des Streptococcus convolutus, während der Drusestreptococcus mit seinen gestreckten, wellig gestalteten Ketten mehr dem des Streptoc. longus entspricht. Nach LiGNiERES iVugaben (persönl. Mitteilg.) soll durch mehrmalige, fortgesetzte subkutane Uebertragung auf Pferde der Streptococcus Schütz 47* 740 J- Bongert, eine vollkommeue Uebereinstimmiiug mit dem Drusestreptococcus au- iiehmeu. leli habe dieses nachgeprüft und fand, dass nach Smaligem Ueberimpfcn der Streptococcus Schutz im Eiter lange Ketten bildete und sich deutlich nach Gram färbte, was nicht weiter auffallen kann und bereits schon von Hell konstatiert wurde. In den angelegten Gela- tine- und Agarkulturen und bei ^^erimpfung auf Mäuse zeigte der Strepto- coccus keine Veränderung in seinem Aussehen (Diplokokkenform), auch starben die Mäuse nicht an Impfdruse, und durch Einspritzung von großen Kulturmengen dieses hochvirulenten Streptococcus in die Nasen- höhle von 3 jungen Pferden nach vorherigem kräftigen Reiben der Nasenschleimhaut mit einer sterilen Bürste konnte eine Erkrankung', welche als Druse gedeutet werden konnte, nicht hervorgerufen werden. Die Tiere zeigten normale Temperatur und Fresslust und nur einen leichten serösen Ausfluss (ohne Husten), welcher nach 2 Tagen wieder verschwand. Dieses Resultat stimmt mit den Erfahrungen Hells über- ein. Bei den an mehreren Hundert Pferden zur Immunisierung gegen Briistseuche mit Kulturen des vermeintlichen Erregers, Streptoc. Schütz, wiederholt vorgenommenen intratrachealen Impfungen trat nicht ein ein- ziger Fall von Druse auf. Es ist somit bis jetzt noch nicht gelungen, mit den Streptokokken Schütz eine Drnseiufektion bei Pferden zu er- zeugen. In Uebereinstimmung mit der praktischen Erfahrung, dem kon- tagiösen Charakter und epidemischen Verlauf der Druse, müssen wir aus den oben erwähnten Versuchsresultaten annehmen, dass die Druse spezi- fischer Natur ist und von einem von den übrigen Streptokokkenarten verschiedenen Streptococcus hervorgerufen wird. Wenn es sich um die Identitätsfrage morphologisch ähnlicher Bakterien handelt, so sind die pathogenen Eigenschaften als das höhere Kriterium der Unterscheidung anzusehen. Nicht die Form, das Aussehen, Wachstum u. s. w., sondern die Wirkung der Bakterien auf den Organismus, ihre krankmachenden Eigenschaften, sind das Entscheidende. Die in morphologischer und kul- tureller Beziehung eine große Uebereinstimmung zeigenden Streptokokken stellen eine Bakteriengruppe dar, welche zum Teil mit ganz bestimmten pathogenen Eigenschaften ausgestattet sind. Es geht dieses aus dem Nachweis von Streptokokken als spezifische Erreger von bestimmten ansteckenden Krankheiten hervor (Streptokokken der Cerebrospinal- meningitis des Pferdes, Strept. des ansteckenden Scheidenkatarrhs des Rindes, Strept. des Abortus der Stuten). Zur Zeit ist es mit unseren heutigen Untersuchungsmethoden noch unmöglich, die verschiedenen Streptokokkenarten in morphologischer und kultureller Beziehung von-' einander zu unterscheiden. 9. Serumtherapie. Die Serumtherapie kann bis jetzt bei der Behandlung der Druse einen einwandsfrei sicheren Erfolg noch nicht verzeichnen. Es liegen Beobachtimgen vor, welche 1. mit dem Serum von Pferden, welche die Druse Überstauden haben, 2. mit MAiiMORECKSchem Serum, 3. mit Druse- immunserum, erhalten durch methodische Behandlung von großen Tieren mit Drusekulturcn, und 4. mit sog. polyvalentem Serum, dem Produkt verscliiedener Streptokokkenarten (Aroxsoiin^), neuerdiugs augestellt worden sind. Alle diese Versuche lassen einen sicheren Schluss auf den Wert dieser Behandlung noch nicht erkennen. Wie die sog. guten Resultate vielfach zu beurteilen sind, geht am besten aus den Mitteilungen Die Druse der Pferde. 741 von Delvos^ hervor. Derselbe bebaudelte 97 Pferde, welche teils an Druse erkrankt, teils der Ansteckung- ausgesetzt gewesen wareu, mit Serum von Pferden, welche in schwerer Form die Druse überstanden hatten, und zwar mit sehr gutem Erfolge: bereits erkrankte Pferde wurden angeblich sehr günstig beeinflusst, und von den immunisierten Tieren erkrankte keius. Die Konservierung- des Serums, welche nach Zusatz von Y2 % Karbolsäure durch Erwärmen auf 70° unter Verschluss geschah, lässt darauf schließen, dass der angeblich günstige Erfolg wohl nicht auf das Serum, welches durch die Erhitzung- inaktiviert Avurde, zurückzuführen ist, sondern auf andere äußere Verhältnisse, welche dem Berichterstatter entgangen sind. Capelletti & V1VALD16 experimentierten mit MARMORECKSchem Serum mit angeblich sicherem Erfolg, desgleichen Pflanz 23 mit Anti- streptokokkeuserum vom Institut Pasteur. Je.ss^^ will stets sichere Eesultate mit hochwertigem Druseimmunserum erzielt haben. Eine wesentlich sicherere Wirkung soll das Serum entfalten, wenn den zu immunisierenden Pferden gleichzeitig frisches normales Pferdeserum eingespritzt wird, (Zu welchem Zwecke außerdem Normalserum ein- gespritzt wurde, ist schwer verständlich, da die Impflinge doch über genügend Xormalserum verfügen. Verf.) Angersteix^ giebt als Resultat seiner Versuche mit Druseimmunserum au, dass nach der Impfung die Temperatur zurückging, der Nasenausfluss sistierte, die Abszessbildung jedoch gar nicht beeinflusst wurde. Die Drüsenanschwellungen absze- dierten ebenso, wie ohne Immunserum, auch wurde eine Abkürzung des Krankheitsverlaufes nicht erzielt. Die Zukunft wird erst zeigen können, ob von der Scrumtherapie für die Behandlung und Vorbeuge der Druse etwas zu erwarten ist oder nicht. Litteratur. 1 Angerstein, Berl. tier. Woch., 190-2, S. 171. — 2 Aronsohn, Berl. klin. Woch,, 1902, Nr. 42 u. 43. — 3 Bermbach, Berl. tier. Woch., 1895, S. 483. — 4 BiGOUTEAU, Eecueil vet., 1893. — 5 Bongert, Zeitschr., f. Hyg-. u. Inf., Bd. 37, 1901. — 6 Cappelletti & ViVALDi, Arch. f. Hyg., Bd. 34, S. 1. — " Cobbett, Centralbl. f. Bakt., Bd. 28, Nr. 19. — « Czaplewski, Deutsche med. Woch., Bd. 26, Nr. 15. — 9 Delvos, Eef. Berl. tier. Woch., 1898, S. 16. — 10 Dieckerhoff, Lehrb. d. spec. Path., 1888. — ^ van Eecke, Veeartsenijkund. bladen voor Ned. Indie, 1892. — 12 Fotii, Zeitschr. f. Vet. Kunde, Bd. 3, Nr. 4 u. 5, 1891. — i3 Hell, ebd., 1890, Bd. 1, Nr. 11, 1890, Bd. 2, Nr. 3. — " Jensex, Lubarsch & Ostertag, 1895, S. 75; Ders., Monatsh. f. prakt. Tierh., Bd. 2, 1891. — i5 Jess, Berl. tier. Woch., 1901, S. 636. — 16 JoLY & Leclainche, Eevue veter., 1893. — i" Lignieres, Rec. de med. veter., 1897; Bull, de la soc. centr. de med., 1897. — 10 Meguin, Bull, de la soc. centr. de med. vet., 1891. — i9 Naklvnishi, Centrabl. f. Bakt., Bd. 27, Nr. 18/19, Bd. 28, Nr. 10/11. — 20 Nocard, Recueil de vet., 1888, S. 428. — 21 Nocard & Leclainche, Les maladies micr.. 1898, 2. Aufl. — 22 Pecus, Journ. de med. vet., 1893. — 23 Pflanz, Berl. tier. Woch.. 1901. S. 354. — 24 Poels, Fortschr. Med., Bd. 6, 1888. — 2.5 Rabe, Berl. tier. Woch. — 20 Sand & Jensen, Deutsche Zeitschr. f. Tierh., Bd. 13, 1888. — 27 Stolz, Centralbl. f. Bakt., Bd. 24, 1898. — 28 Schütz, Arch. £ Tierh., Bd. 14, 1888. — 29 Trasbot, Arch. vet., 1879. — 30 WoRONZOw, Ref. Arch. f. Tierh., 1894. — 3i Zimmermann, Berl. tier. Woch., 1895, Nr. 49. — 32 Zmirloav, Ref. Arch. f. Tierh., 1894. — 33 Zschokke, Schweiz. Arch., 1888, S. 209. XX. Der Mäusetyplius. Von J. Bongert, städt. Obertierarzt in Berlin. 1. Einleitung. lu neuerer Zeit sind verscliiedeutlicli Versuche angestellt worden schädliche Tiere durch Auslegen von Kulturen pathogener Bakterien auszurotten. Wenn man von den Versuchen zur Vernichtung der Nonnen- raupen absieht, handelt es sich bei dieser Ausrottung schädlicher Tiere durch Bakterienkulturen ausschließlich um Nagetiere , Avelche zum Teil durch massenhaftes Auftreten zu einer wahren Landplage werden können (Kaninchen, Mäuse), zum Teil durch Verschleppung und Verbreitung parasitärer Krankheiten und gefährlicher Seuchen eine gefürchtete Rolle spielen (Ratten: Trichinosis, Pest). Während die Versuche zur Vertilgung der Ratten und zur Besei- tigung der Kaninchenplage vermittelst passender Seuchenerreger bis jetzt wenig befriedigende und zuverlässige Resultate geliefert haben, hat die Bekämpfung der Mäuseplage nach der LöFFLERSchen Methode mit dem von ihm entdeckten Bacillus sich fast ausnahmslos als sicher und prak- tisch bewährt. Im Jahre 1890 beobachtete Lüffleh^^^ unter den im hygienischen Institut zu Greifswald gehaltenen Vorratsmäusen eine Epizootie, welcher in kurzer Zeit 69 % der Tiere erlagen. Das Umsichgreifen der Seuche wurde augenscheinlich durch die Gewohnheit der Mäuse begünstigt, die toten Genossen anzufressen und zu verzehren. Durch die bakteriologische Untersuchung stellte Lr)FFLER als Ursache dieser Seuche ein kurzes, plumpes Stäbchen fest, Avelches er Bacillus typhi murium nannte, da dasselbe in morphologischer und kultureller Beziehung, namentlich aber in seiner Verbreitung im Tierkörper, eine große Aehnlichkeit mit dem Typhusbacillus des Menschen darbot. 2. Morphologie und Färbbarkeit des Erregers. Der Mäusebacillus ist ein kurzes, ziemlich plumpes Stäbchen mit ab- gerundeten Enden, welclies sowohl in der Kultur, wie im Tierkörper iPhot. 276) eine wechselnde Größe in Länge und Dicke zeigt. Manche Der Mäusetj-phus. 743 Bazillen erscheinen verkümmert, manche kräftig- entwickelt. Die Durch- schnittsgröße ist auf 1 — 3 /< : 0,6 — 0,8 /.i anzugeben. In flüssigen Nähr- medieu treten längere Stäbchenformen und Fäden auf. Der Mäusetyphusbacillus färbt sich mit den gewöhnlichen Anilinfarb- stofifeu, nimmt jedoch, wie der Typhusbacillus des Menschen und der Schweinepestbacillus, die Farbe etwas schwer auf. Er teilt mit den ver- wandten Coliarten die Eigenschaft, sich nach Gram zu entfärben. Er zeigt eine lebhafte Beweglichkeit, welche durch 10 — 14 peritrich ange- ordnete Geißelfäden vermittelt wird (vergl. Phot. Nr. 274). Sporen- bildung tritt beim Mäusetyphusbacillus in Uebereinstimmuug mit den übrigen Vertretern der Coligruppe nicht ein. 3. Züchtung des Erregers. Der Mäusetyphusbacillus vrächst leicht auf den gebräuchlichen Nähr- böden, am besten bei Körpertemperatur; bei Zimmertemperatur ist das Wachstum etwas langsamer, jedoch ebenso kräftig. Unter 10° C findet ein mikroskopisch sichtbares Wachstum nicht statt. In der Buchner- schen Röhre bei Sauerstofifabschluss wächst er fast ebenso gut, wie bei Sauerstoffzutritt. Aehnlich dem Typhusbacillus des Menschen zeigt er sich gegen Schwankungen in der Alkaleszenz des Nährbodens wenig empfindlich; er wächst bei stark alkalischer, neutraler und saurer Re- aktion. Auf Agar bildet der Bac. typhi mur. einen grauweißen, etwas durch- scheinenden, mehr oder weniger dicken, wenig charakteristischen Belag und bei getrenntem Aufgehen der Kolonieen (aus Herzblut) ebenso aus- sehende, wenig erhabene runde Kolonieen, welche bis zu 4 mm Durch- messer erreichen können. Das Kondenswasser wird stark getrübt. Auf Gelatine bilden die Mäusetyphusbazillen bei Zimmertemperatur nach Ablauf von 48 Stunden grauweiße, flache, runde, bläulich durch- schimmernde, etwa steckn^adelkopfgroße Kolonieen. Räumlich getrennte Kolonieen erreichen, wie auf dem Schrägagar, einen Durchmesser von 3 — 4 mm, verlieren dann meist ihre runde Gestalt und nehmen eine zackige und wellige Begrenzung au, ähnlich den echten Typhusbazillen- kolonieen, wobei die Gelatine sich leicht trübt. Die Gelatinestichkultur bietet wenig Charakteristisches. Es bildet sich ein kräftiger, grauweißer Impffaden, welcher aus kleineu, kugelförmigen, sehr bald konfluierenden Kolonieen zusammengesetzt wird, mit mäßiger Ausbreitung auf der Ober- fläche in Form eines unregelmäßig begrenzten, grauweißen Belages. Eine Verflüssigung der Gelatine tritt dabei nicht ein. In Platteukultureu von Gelatine und Agar erscheinen die tiefliegen- den Kolonieen rund, durchsichtig, grau und nur schw^ach gekörut, später nehmen sie eine gelblichbraune Färbung an und zeigen eine starke Körnung. Die oberflächlichen Kolonieen sind stark gekörnt und zeigen eine vom Nabel der Kolonie ausgehende zarte Fältelung, welche jedoch nicht so deutlich und charakteristisch ausgeprägt ist, wie bei den Kolo- nieen des echten Typhusbacillus (s. Phot. Nr. 273). Auf Kartoffeln wächst der Mäusetyphusbacillus als weiße, dicke Auf- lagerung, in deren Umgebung sich die Substanz der Kartoffel schnratzig graublau färbt. Auf schräg erstarrtem Blutserum bildet er einen durch- scheinenden Ueberzug. In Peptonzu^kerbouillon wachsen die Mäusetyphusbazillen sehr kräftig, 744 J- Bongert, trüben diesell)e und bilden unter starker Gasentwickelung- einen dicken, wolkig-en Bodensatz. Die vorher neutrale Keaktion der Bouillon wird dabei stark sauer. In Milch gedeihen sie ausgezeichnet; das Aussehen derselben wird durch das Wachstum nicht verändert, wohl aber soll nach Löffler, Kitt u. a. die Eeaktion stark sauer werden. Im Gegensatz zu diesen Angaben stellten Lehmanx & Neumaxn (bakteriol. Diagnostik) fest, dass der Mäusetyphusbacillus auf Milchzucker weder Säure noch Gas bildet, die Milch genau wie der echte Typhusbacillus flüssig lässt und alkalisch macht. Auch Verfasser konnte bei zwei in größeren Zwischenräumen von der Firma Schwarzlose & Sohn in Berlin (der Bezugsquelle von LöFFLERSchen Mäusetyphuskulturen) bezogenen Kulturen feststellen, dass in gewöhnlicher Bouillon, in sterilisierter Milch und in Milch- zuckerbouillon keine Säurebildung, sondern eine Erhöhung der Alka- leszenz eintrat. Lackmusmolke wurde unter Trübung stark gebläut, während eine zur Kontrolle verwandte Diphtheriebazilleukultur eine deutliche Eotfärbung der Lackmusmolke hervorrief. In nicht alkali- sierter, saurer Bouillon, welche zur Neutralisation bis zum Lackmus- neutralpunkt einen Zusatz von 0,8 %^ bis zum Phenolphthale'inpuukt 2,4^ Normalsodalösung erforderte, entsprach die Alkalibildung nach einem fünftägigem Wachstum des B. typhi mur. 1,4^ Normalsodalösung, in lackmusueutraler Bouillon betrug die Alkalibildung 1,13^' und in Bouillon, welche bis zum Phenolphthaleiupunkt neutralisiert ^vurde, war die Reaktion dieselbe geblieben : es hatte sich weder Säure noch Alkali gebildet. In traubenzuckerhaltiger Bouillon trat jedoch unter starker Gasbildung saure Reaktion auf. Lehmann & Neumann konstatierten ebenfalls eine Vergärung des Traubenzuckers, jedoch keine Gasbildung. Die Säurebildung betrug nach fünftägigem Züchten des Mäusetyphus- bacillus in lackmusneutraler IY2 proz. Zuckerbouillon 1,89 % norm. Säuregrade und in der bis zum Phenolphthaleinneutralpunkt alkalisierten Zuckerbouillon entsprach die gebildete Säuremenge 5,88 Säuregraden pro 100 ccm. Der Bac. typhi murium bildet kein Indol. 4. Sektionsbefund. Bei den an Mäusetyphus eingegangenen Mäusen zeigen sich die pathologisch -anatomischen Veränderungen hauptsächlich an dem Ver- dauungstractus und den mit ihm in Verbindung stehenden Organen. In den meisten Fällen ist bei den infolge der natürlichen Ansteckung ge- storbenen Mäusen eine hämorrhagische Entzündung des Magens und Darmes zu konstatieren. Im Pylorusteil des Magens und in der Schleim- haut des Dünndarmes befinden sich kleine Blutungen. Der untere Teil des Dünndarmes ist mit schwärzlichem Inhalt gefüllt. Die Mesenterial- drüsen sind geschwollen, graurot und mit Hämorrhagieen durchsetzt. Die Milz ist stark vergrößert, auffallend braunrot und meist von etwas derber Konsistenz. Die Leber zeigt sich sehr oft parenchymatös getrübt und besitzt in der Regel einen starken Fettgehalt; dann und Avann treten in der braunroten Substanz der Leber kleine, gelbliche Flecke auf (Nekrose). Mitunter ist an der Leber außer einer stärkeren Blutfülle nichts Abweichendes zu konstatieren. Die Nieren sind meist blass, zu- weilen parenchymatös getrübt; die Lungen erscheinen teils normal, teils Der Mäusetyphus. 745 rotfleckig- bezw. braunrot. Hin und wieder sah Lüffler inv freien Raum der Bauchhöhle Blut, ohue dass die Quelle der Blutung nachzuweisen war. In Ausstrichpräparaten von der Leber und der Milz sind in der Regel in größerer Zahl die oben beschriebenen plumpen Stäbchen nachzuweisen. Besonders in den Gekrösdrüsen finden sich große Anhäufungen dieser Bazillen. Im Herzblut sind dieselben stets nur in geringer Zahl vor- handen. Aber auch in der Leber und Milz können die Bazillen in außerordentlich geringer Menge sich vorfinden. Meist liegen sie aber in größerer Anzahl, mitunter in Haufen zusammen und sind zum Teil in Leukocyten eingeschlossen (Phot. Nr. 270). In Schnitten aus den Organen fand Löffler die Bazillen innerhalb der Kapillaren in Haufen zusammenliegend. Diese herdförmige Anhäufung in den Organen erinnert au den menschlichen Abdominaltyphus und veranlasste Löffler zu der Bezeichnung »Mäusetyphus«. In einigen Fällen gelang es Löffler, die Bazillen im Darm fast in Reinkultur nachzuweisen. Mit Hilfe der Kultur- methode lässt sich bei sämtlichen der künstlichen oder natürlichen In- fektion erlegeuen Mäusen der Mäusetyphusbacillus leicht nachweisen und isolieren, selbst wenn in Ausstrichpräparaten das Auffinden desselben Schwierigkeiten bereitet. Die Veränderungen im Darm und in den Gekrösdrüsen weisen da- rauf hin, dass die Infektion der Mäuse vom Darm aus erfolgt. Die natürliche Ansteckung vom Darm aus Avird herbeigeführt durch die Auf- nahme von Futter, welches mit dem Kote seuchenkranker Mäuse be- schmutzt wurde, und durch das Benagen von infizierten und verendeten Mäusen durch die überlebenden Genossen. Auf diese Eigentümlichkeit der Mäuse gründete Löffler seine Methode der Bekämpfung der Mäuse- plage mit dem für Mäuse pathogeuen Bacillus. 6. Empfänglichkeit der verschiedenen Tierspecies. Vom Darmkaual aus, bei Verabreichung von Mäusetyphusbazillen mit dem Futter, zeigten sich ausschließlich empfänglich die weiße und graue Hausmaus (Mus musculus) und die Feldmaus (Arvicola arvalis), und zwar ist nach Lunkewitsch ^^ die Feldmaus empfänglicher wie die Hausmaus, und die graue Hausmaus etwas resistenter wie die weiße Maus (Löff- ler i6^j. Den Zeitraum von der Infektion bis zum Tode stellte Löffler experimentell auf 1 — 2 Wochen fest. Die Krankheit übertrug sich im Käfig im Verlauf einiger Wochen von einem Insassen auf den anderen, so dass allmählich sämtliche Tiere ergriffen wurden. Kräftige Indivi- duen sah Löffler wiederholter Fütterung mit virulenten Kulturen wider- stehen, ohne dass sie erkrankten. Der subkutanen Impfung erlagen Mäuse innerhalb 1 — 4 Tagen. Außer der Haus- und Feldmaus soll noch die Wald- und Springmaus (Mus silvaticus) und die Wasserratte (Arvicola aquatilis) für die Infektion per OS empfänglich sein (Röhrig & Appel^o). Katzen, Ratten, Hamster, Ziesel, Brandmäuse (Mus agrarius), sowie kleine Singvögel, Tauben, Hühner, Meerschweinchen und Kaninchen zeigten sich in den LÖFFLERschen Infektionsversuchen mit den Bazillen per OS unempfänglich. Infolge der subkutanen Infektion starben die genannten Tierarten mitunter nach 3 — 10 Tagen. Es entwickelte sich an der Impfstelle eine ausgedehnte, speckige, gelbliche Infiltration, welche zu nekrotischer Abstoßung der erkrankten Partie führte. In diesen 746 J- Bongert, uekrutisehen Gewebsfetzeu fauden sicli in uug-elienreii Massen die Mäiise- typliusbazilleu, welche auch in den Org-ancu kulturell uachzuAveiseu waren. Kaninchen zeigten sich weniger empfänglich bei subkutaner Infektion. Es bildete sicIi eine ausgedehnte Eiterung an der Impfstelle , welche schließlich nach mehreren Wochen in Heilung überging. Von den großen Haustieren erwiesen sich Schafe, Pferde, Ziegen, Kinder und Schweine, welche mit infizierten Brotstücken gefüttert wurden, für die Infektion per OS unempfänglich 16''. Von zwei jungen 4 Wochen alten Ferkeln, welche literweise mit Kulturen gefüttert wurden, blieb das eine bei mehrmonatlicher Verabreichung gesund, das andere starb 8 Tage nach Beginn der Fütterung au einem Darmkatarrh, welcher nach Löfflers Angaben nicht durch die verfütterten Mäusebazillen verursacht sein konnte, da aus den Organen dieses Tieres mit Hilfe des Kulturver- fahrens Bazillen nicht nachzuweisen waren. Schafe vertrugen große Kulturmengen ohne Nachteil, während gleichzeitig damit gefütterte Mäuse prompt starben. Auch für den Menschen erwiesen sich die Mause- typhusbazillen unschädlich. Auf Grund dieser Versuche glaubte Löffler annehmen zu können, dass die Gefahr, andere Tiere durch Ausstreuen von Futter, welches mit dem Mäusetj^^husbazillen imprägniert ist, zu infizieren, sehr gering sei. Immerhin dürfte es mit Rücksicht auf die nicht genügend aufgeklärte Todesursache des mit großen Kulturmengen gefütterten Ferkels angebracht sein, die lufektionsversuche Löfflers durch Fütternngsversuche an jugendlichen Tieren, an Ferkeln, Kälbern und Lämmern, zu vervollständigen. Eine Beobachtung von Krickendt i* lässt darauf schließen, dass speziell Kälber für große Dosen Mäuse- typhusbazillen empfänglich sind und tödlich erkranken können. Auf einem Gute hatte man zur Vertilgung von Haus- und Feldmäusen Kul- turen des LöFFLERschen Mäusetyphusbacillus verwandt und den Rest der Aufschwemmung mit den übriggebliebenen Brotstücken in das Kälberfutter, gebrühtes Gersteuschrot, geschüttet, welches am nächsten Morgen verfüttert wurde. Nach der Verabreichung dieses Futters an 4 — 7 Monate alte Kälber erkrankte eine Anzahl derselben unter den Erscheinungen einer mykotischen Magen- und Darmentzündung. Die jüngeren Kälber gingen ein, während die älteren genasen. Aller Wahr- scheinlichkeit nach hat in dem mit den Mänsetyphusbazillen infizierten Futter, welches mit warmem Wasser angemacht wurde, eine starke Ver- mehrung derselben stattgefunden, Avelche eine künstliche Infektion der Kälber zur Folge hatte. Durch eingehende bakteriologische Untersuchung konnte Krickexdt als Ursache dieser Kälberkrankheit den Mäusetyphus- bacillus feststellen. Für die praktische Verwendung der Mäusetyphus- bazillen zur Vertilgung der Mäuse hat die Beobachtung Krickendts keine entscheidende Bedeutung, da eine zufällige oder unbeabsichtigte Infektion des Futters mit Mänsetyphusbazillen leicht vermieden werden kann. Es ist dieses der einzige beobachtete Fall bei der vielfachen Anwendung des LöFFLERsehcn Mäusetilgungsverfahrens, dass außer den Haus- und Feldmäusen ein für die Landwirtschaft wichtige Tierspecies einer Infektion vom Darm aus sich zugänglich zeigte. Der Mäusetyphus. 747 6, Verwendung der Mäusetyphusbazillen zur Bekämpfung der Feldmausplage und die Resultate dieser Versuche. Im Jahre 1892 bot sich Löfflee ^^^ die Gelegenheit, deu von ihm entdeckteu Bacillus bei der Feldmausplage in Thessalien praktisch zu verwerten. Er stellte Massenknlturen in Abkochungen von Hafer- und Gerstenstroh mit Zusatz von \% Pepton und 0,5^^ Traubenzucker her. In diese Kulturen wurden Brotstücke getaucht, welche alsdann in die Mäuselöcher gesteckt wurden. Nach einigen Wochen trat der volle Erfolg zu Tage. Die Zerstörung in den Feldern hörte auf, und man fand tote und halbtote Mäuse, welche die charakteristischen Verände- rungen des Mäusetyphus mit reichlichem Bazillenbefund zeigten. Die Infektion der Mäuse mit Hilfe der infizierten Brotstücke war also mit Sicherheit nachgewiesen. Nach diesem glänzenden Erfolge Löfflers in Thessalien sind vielfach praktische Versuche zur Vertilgung der Mäuse mit Hilfe des LöFFLERSchen Bacillus mit gutem Erfolge angestellt worden. Kornauth12^ Johne 7, Schmidt 22^ Zupnick24^ Brunner *, FoKKERö berichten alle über gute, zum Teil glänzende Eesultate. Un- zuverlässige oder selbst schlechte Resultate konnten stets auf unzweck- mäßige Behandlung und Verwendung der Kulturen zurückgeführt werden. Entweder hatten die letzteren durch zu langes Aufbewahren oder durch Einwirkung des Tages- oder Sonnenlichtes ihre Virulenz verloren, oder die Bazillenaufschwemmung war unsachgemäß hergestellt (heißes Wasser), oder bei ungünstigen Witterungsverhältnissen (trockenes heißes Wetter oder feuchte Niederschläge) ausgelegt worden. Brunner 4 empfiehlt zur Vermeidung der schädlichen Wirkung des Sonnenlichtes auf die Virulenz der Bazillen das Auslegen der Köder nur bei bedecktem Himmel oder in den Morgen- und Abendstunden vor- nehmen zu lassen. Das Hauptgewicht sei darauf zu legen, nur junge, virulente Kulturen nach vorheriger Passage durch die Maus zu ver- wenden, und zu gleicher Zeit auf einer großen, zusammenhängenden Fläche vorzugehen, weil sonst der Erfolg durch Zulauf von Mäusen aus der Nachbarschaft bald wieder illusorisch wird. Die zweckmäßigste Zeit zum Auslegen der Kulturen ist der Herbst und das Frühjahr, weil dann die Mäuse wegen Nahrungsmangel die infizierten Brotstücke leicht annehmen. Einige Autoren — Mereschkowsky^^^, Appel2, Brunner 4, empfehlen Bouilloukulturen zur Herstellung der Aufschwemmung. Am zweckmäßigsten für den Versand sind jedoch Agarkulturen. Zur Her- stellung von leicht zu beschaffenden Massenkulturen hat Apfel ohne be- sonderen Vorteil Abkochungen von Heu, Stroh, Kartoffeln, Erbsen u. s. w. verwandt; ebenso gut bewährte sich eine zehnfach verdünnte Bouillon. Vollkommen ausreichend für die Praxis ist die Aufschwemmung der Agarkultur in abgekochtem Wasser oder in abgekochter dünner, 6,2 proz. Salzlösung (ein Theelöffel Salz auf ein Liter Wasser). Auf ein Liter Wasser oder Salzlösung rechnet man eine Agarkultur. Die Aufschwem- mung bereitet man in einem sauberen Gefäß, spült erst den Kulturbelag gründlichst ab, überträgt alsdann auch die Agarmasse in die Flüssigkeit und zerdrückt dieselbe mit einem Holzspan. Diese Bazillenaufschwem- mung genügt, um etwa 1000 Brotwürfel von Haselnussgröße zu durch- tränken. Der Vorschlag Johnes^, bei der Auslegimg der Kulturen anstatt Schwarzbrot nur Weißbrot zu verwenden, weil ersteres leicht säuert und 748 J- Bongert, hierdurch die Virulenz der Bazillen geschwächt wird, dürfte nicht zu Recht bestehen , da, wie wir gesehen haben, der Mäusetyphushacillus keine Säure bildet, sondern Alkali, w^elches die event. entstehende saure Reaktion des Schwarzbrotes aufhebt. Verfasser hat konstatieren können, dass der Mäusetyphushacillus , in saurem Fleischwasser gezüchtet sich ebenso virulent zeigte, wie in alkalisierter Bouillon. Um unglückliche Zufälle, wie im Falle Krickexdt 1. c, zu verhüten, dürfte es augebracht sein, die Landwirte auf die Möglichkeit einer Gesuudheitsschädigung von Kälbern (Jungvieh) durch die Mäusetyphusbazillen bei zufälliger Ver- fütterung größerer Mengen aufmerksam zu machen und deshalb vor dem Zuschütten von Kulturrückstäuden oder infizierten Brotresten zum Kälberfutter zu warneu. 7. Sonstige für Mäuse pathogene Bakterien, der Coli- gruppe angehörig. Als Ursache einer spontanen Mäuseseuche fand Laser i^ einen dem Mäusetyphushacillus ähnlichen Bacillus. Es ist ein kurzes, bewegliches, bipolar sich färbendes Stäbchen, welches zum Unterschied vom B. typhi mur. die GRAMSche Färbung annimmt. Auf Agar bildet der LASERsche Mäusebacillus einen grauweißen, glänzenden Belag mit gezackten Rän- dern. Die Kolonieen sind bräunlich, scharf umschrieben, sehr fein granuliert, rundlich oder elliptisch. Auf Kartoffeln wächst der Bacillus als bräunlicher Ueberzug. Gelatine wird nicht verflüssigt, es entsteht in derselben Gas. Subkutane Impfung tötet Hausmäuse, Feldmäuse, Tauben, Kaninchen, Meerschweinchen. Per os tötet der Bacillus ohne Ausnahme Mäuse der verschiedenen Species innerhalb 6 — 7 Tagen, im allgemeinen in etwas kürzerer Zeit, wie der LÖFFLERsche Bacillus '^^ Tauben, Gänse, Hühner, Hunde, Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen sind gegen die Infektion vom Darmkanal aus immun. Zwei Schafe starben nach Ver- fütterung von 20 ccm Kultur nach 3 bezw. 7 Tagen an Gastro- enteritis. Aus den Organen der gestorbenen Tiere konnte der Bac. Laser kulturell nicht nachgewiesen werden. Ein Schwein und ein Rind blieben nach der Verfütterung von Kulturen gesund. Laser hält die Gefahr für die Schafe bei der Mäusetilgung mit seinen Bazillen für nicht groß, da die Bazillen schon nach 4 Tagen in den ausgelegten Brotstücken nicht mehr nachzuweisen waren. Zwei Feldversuche zur Vertilgung der Feldmäuse fielen gut aus. Einen dem Mäusetyphushacillus ähnliches Stäbchen hat ferner Mereschkowskt 19 als Erreger eines seuchenhaften Sterbens unter Zieselmäusen (Spermophilus musicus) festgestellt. Das Stäbchen fand sich stets in Leber und Milz. Verfütterung der Kulturen an Eichhörn- chen, graue Mäuse, Feldmäuse erzeugte Tod in 1 — 10 Tagen. Pferde, Schweine, Schafe und Kälber bleiben nach Verfütterung von großen Dosen Bouillonkulturen gesund, desgleichen Geflügel jeglicher Art Ver- suche zur Vertilgung der Feldmäuse (Russland) mittelst des aus den Zieselmäusen isolierten Bacillus fielen günstig ausi^"''^'. Danysz 5 fand gelegentlich einer spontan unter den Feld- und Wald- mäusen in Charny en Seine et Marne aufgetretenen Epizootie im Blute und in den inneren Organen einen Bacillus, der mit dem Bacillus der Eutencholera (Cornil-Toupet) Aehnlichkeit besitzt. Er wächst gut auf allen Nährböden und färbt sich nach Gram. Durch Fütteruugsversuche Der Mäusetyphus. 749 mit Reinkulturen stellte Danysz fest, dass dei- Bacillus per os pathogen ist für alle Mäusearteu, hingegen unschädlich ist für die größeren Nager und alle übrigen Haustiere und auch für den Menschen. Zur Bekämpfung der Feldmausplage hat Danysz verschiedene größere Versuche mit aus- gezeichnetem Erfolge ausgeführt. Schon nach 3 Tagen fand man kranke Mäuse und später massenhaft Kadaver in den Lüchern. Nach 14 Tagen vraren keine lebenden Mäuse auf den Feldern mehr zu sehen. Danysz gelang es weiterhin, den anfangs für Ratten nur wenig pathogenen Bacillus durch Passagen durch den Mäuse- und Rattenkörper (Kollodium- säckchen) in der Virulenz so zu steigern, dass er sich bei Verfütterung für Ratten äußerst virulent zeigte. Die mit diesem in der Virulenz gesteigerten Bacillus zur Vertilgung von Ratten teils im Laboratorium, teils in der Praxis ausgeführten Versuche lieferten ein gutes Ergebnis. Die Versuche von Danysz sind von Abel^, Kister & Köttgen^^^ Bronstein^ und Markl^^ ^nH demselben Erfolge wiederholt worden. Abel stellte praktische Versuche zur Vertilgung von Ratten auf einem Auslandsdampfer, in einem Zollschuppen, einem Lagerschuppen, in einer Desinfektionsanstalt und in einer Fuhrhalterei an. In drei Fällen konnte er eine bemerkenswerte Abnahme der Ratten konstatieren, so dass er die Verwendung des DANYSzschen Bacillus zur Rattentilgung nicht für ganz aussichtslos hält. Dahingegen gelangten Klein & Williams ^^, Krausz13 zu vollkommen negativen Resultaten. In den Versuchen von RosENAU^i starben von 115 Ratten nur 46 nach Verabreichung von großen Dosen. Die widersprechenden Versuchsergebnisse sind zweifellos auf die außerordentlich schwankende Virulenz des DANYSz-Bacillus zurück- zuführen, welcher nach Markl 1. c. ein exquisiter Mäuseparasit ist, dessen Pathogenität für Ratten nur künstlich erzeugt werden kann, aber rasch von selbst oder durch Passage des Rattenkörpers wieder ver- schwindet. Der DANYSzsche Bacillus erzeugt bei Ratten keine Septi- kämie, sondern die Tiere gehen infolge einer Intoxikation vom Darm aus zu Grunde, wie Markl feststellte. In dem DANYSzschen Bacillus ist nach Markl ohne Zweifel ein Mittel zur Bekämpfung der Ratten zu erblicken, mau wird jedoch nicht imstande sein, durch einmaliges Aus- legen der Kulturen eine ausgedehnte, sich rasch verbreitende Epidemie unter den Ratten zu erzeugen und ihre vollständige Ausrottung herbei- zuführen. Neuerdings hat Wiener 23=^ angeblich mit gutem Erfolge die gesunkene Virulenz des DANYSzschen Bacillus durch mehrmalige Ueber- impfung auf rohe Eier wieder steigern können, so dass die aus den Eiern wiedergewonnenen Kulturen nunmehr Ratten prompt per os töteten. Außerdem gelang es Wiener 23'^^ durch Züchten im rohen Ei und An- passimg an den Rattenkörper eine avirulente Colikultur in eine für Ratten virulente überzuführen, so dass dieselbe mit Erfolg zur Vertilgung von Ratten verwandt werden konnte. Mit dieser künstlichen Steigerung avirulenter Colibakterien zu vollvirulenten Krankheitserregern stellt Wiener das spontane Entstehen von Epizootieen unter den Nagern, deren Erreger alle der Coligruppe angehören, in Parallele. Endlich gelang es Issätschenko §, aus einer spontan gestorbenen grauen Ratte ein coliartiges Stäbchen zu isolieren, welches mit Erfolg als Vertilgungsmittel von Ratten in Speichern und Wohnräumen be- nutzt wurde. Die mit Kulturen gefütterten Ratten starben innerhalb 8 — 14 Tagen, Mäuse in 4 — 8 Tagen, für alle anderen Tiere zeigte sich das Stäbchen nicht pathogen. 750 J. Bongert, Der Mäusetyphus. Litteratur. 1 Abel, Deutsche med. Woch., 1901, S. 869. - 2 Appel. Centralbl. f. Bakt., Bd. 25, Nr. 11. — 3 Bronsteix, Deutsche med. Woch., 1901, S. 577. — * Brunner, Centralbl. f. Bakt.. Bd. 23, 1898. Nr. 2. — & Daxysz, Comptes rend. de FAc. A., t. 112, 1893. — 0 FoKKER, Ned. Tijdsckr. v. Geneesk., 1893. — " Johne, Bericht über d. Vet. Wesen Sachsens, 1896. — § Issatschenko, Centralbl. f. Bakt., Bd. 23, 1898, Nr. 20 und Bd. 31, 1902, Nr. 1. — 9 Kaspareck, Kochs Monatssch. f. Tierh., 20. Jahrg.. S. 529. — lo Kister & Köttgen, Deutsche med. Woch., 1901, Nr. 8. — 11 Klein Sc Williams, Eef. in Baumgartens Jahresber., 1897. — ^- Kornauth, Centralbl. f. Bakt., Bd. 16, 1894, Nr. 3. — i3 Krau.sz, Deutsche med. Woch., 1901, Nr. 22. — 14 Krickendt, Arch. f. Tierh., Bd. 27, 1901, S. 307. — is Laser, Centralbl. f. Bakt.. Bd. 11, 1892. H. 6/7 und Bd. 15, 1894, H. 2/3. — le^ Löffler, Centralbl. f. Bakt., Bd. 11, 1892, Nr. 5. — icb Ders., ebd., Bd. 12, 1892, Nr. 1. — iß' Ders., ebd., Bd. 13, 1893, Nr. 20. — " Luneewitsch, ebd., Bd. 15, 1894. — is Markl, Centralbl. f. Bakt., Bd. 31, 1902, Nr. 5. — lo» Mereschkowsky, Arch. f. Tierh., 1894. — 19b Ders., Centralbl. f. Bakt., Bd. 16, 1894, Nr. 15/16. — i9^ Ders., ebd., Bd. 17, 1895, Nr. 21. — wi Ders., ebd., Bd. 20, 1896, Nr. 2/3. — ^o RöhriCx & Appel, Landwirtsch. Woch. f. d. Prov. Sachsen, 1902, Nr. 4 u. 5. — ^i Rosenau, Bull, of hyg. laboratory, Nr. 25 und Ref. im Arch. f. Tierh., 1901. — 22 Schmidt, Sachs. Bericht ü. d. Vet. Wes., 1895. — 23a Wiener, Centralbl. f. Bakt., Bd. 32, 1902, Ref., Nr. 15. — 2.3b Ders., ebd., Bd. 32, 1902, Ref, Nr. 18. — 24 Zupnick, Centralbl. f. Bakt, Bd. 21. 1897, S. 446. XXI. Pseudotuberkulose. Von K. Grabert, Rossarzt in Berlin. H ist Ol- i seh es: Bald nachdem die Aetiolog-ie der Tuberkulose durch die Entdeckung- des Tuberkelbacillus klarg-eleg-t war, wurden Beobach- tungen über pathologische Prozesse veröffentlicht, bei denen die ana- tomischen Veränderungen der Organe makroskopisch und bis zu einem gewissen Grade auch mikroskopisch denjenigen Anomalieen, welche für die Tuberkulose charakteristisch sind, täuschend ähnelten, ohne dass es gelang, in ihnen den Kociischeu Bacillus nachzuweisen. Abgesehen von Befunden, in welchen der durch kleine Fremdkörper i' 2, 3, 4^ Emboli, tierische Parasiten, Kladotricheen, Schimmelpilze ausgeübte Reiz in den betroffeneu Geweben Bildung kleiner Grauulationsgeschwülste veranlasst hatte, wie sie Hippolite Martin auch durch künstliche Einverleibung von Staub, Lycopodium, Quecksilber, Kauthariden, Cayennepfeffer her- vorrufen konnte, wurden bei einer großen Zahl derartiger Veränderungen Bakterien als Erreger nachgewiesen. Mälassez & ViGNAL^ erhielten 1883 nach Verimpfung eines käsigen Unterhautknotens von einem an tuberkulöser Meningitis gestorbenen Kinde bei Meerschweinchen Knötchen, in denen sich keine Tuberkel- bazillen, wohl aber einzeln oder in Ketten oder zoogloeaartigen Haufen liegende Mikrokokkeu und Bazillen vorfanden. XocardS wies diese Zooglöeu bei einer Geflügelenzootie nach. Befunde von Mikrokokken und Bazillen in Veränderungen, für die er die Bezeichnung Pseudo- tuberkulose einführte , beschrieb Eber th ^ bei Meerschweinchen und Kaninchen. Nach Verimpfung von Watte, durch welche Luft aus einem Krankenzimmer von Phthisikern filtriert war, sah Chantemesse ^ bei Meerschweinchen sich eine Pseudotuberkulose entwickeln. Charrin & Eoger9, sowie DoR^o und ferner Zagari^i berichten über Befunde be- sonderer Bazillen in tuberkelähnlichen Knötchen iu der Leber und Milz von Meerschweinchen und Kaninchen. Nocard & Masselin 12 beobach- teten bei Meerschweinchen Pseudotuberkulose nach Verimpfung des Sputums einer tuberkuloseverdächtigen Kuh und Pfeiffer ^^ nach Ver- impfung- von Lungen- und Lymphdrüsenteilen eines rotzverdächtigen Pferdes, Parietti ^^ bei Kaninchen und Meerschweinchen nach Ein- spritzungen von Milch. Pfeiffer giebt eine genaue Beschreibung der 752 K. Graben, von ihm ang-estcllteu UutersucliuDgeu und ZUchtimg-sversuche. iS^ach- dem schon is'ocARi)^ sowie Grancher & Ledolx-Lebardi^ festgestellt hatten, dass die Erreger der als Tnberculose zoogleiqne und Pseudo- tubereulose bacillaire in Frankreich beschriebenen Organveränderungen bei [Nagetieren identisch sind, stellte Preisz i^' i^' i'** 1894 exakte ver- gleichende Untersuchungen zwischen den Bakterien von ISI^ocard, Pfeif- fer, Zagari und Parietti, ferner dem 1891 von ihm und Guixard, in verkalkten oder mörtelartigen, käsigen Knötchen einer Schafniere ge- fundenen und dem von Kutscher aus tuberkelähnlichen Knötchen und bröckligen Massen in der Lunge einer spontan eingegangenen Maus gezüchteten Bacillus au und kommt auf Grund derselben zur Aufstellung von 3 Gruppen der bazillären Pseudotuberkulose, nämlich A. der durch den Bacillus pseudotuberculosis rodentium Pfeiffer (Streptobacillus pseudotuberculosis Dor), B. der durch den B. pseudotuberculosis murium Kutscher, C. der durch den B. pseudotuberculosis ovis Preisz hervorgerufeneu. Als von diesen verschieden beschreibt Vallee^^ eine Form der Pseudotuberkulose, die er bei Saugkälbern beobachtet hat, und bei welcher die pathologischen Veränderungen ausschließlich in der Leber lokalisiert sind. Die von Vallee geschilderten Vorgänge gehören jedoch eher zur Nekrose als zur Bildung von Granulationsgeschwülsten. A. Pseudotuberculosis rodentium. Morphologie und Biologie: Die typische Form des von Pfeiffer zuerst in seinem morphologischen und biologischen Verhalten genauer beschriebenen Mikroorganismus ist die eines plumpen, kurzen, 1 — 2 /t laugen Stäbchens mit abgerundeten Enden, der die ausgesprochene Neigung l)esitzt, Kettenverbände zu bilden (Streptobacillus), oder sich in Gruppen und zoogloeaartigen Haufen zusammenzulegen. Unter bestimmten Wachstumsbedingungen, namentlich in alten Kulturen, aber auch in den Geweben, tritt er in ovo'iden und kokkenartigen Formen auf. Diese In- konstanz der Form erklärt die abweichenden iVngaben der verschiedenen Autoren bezüglich des morphologischen Verhaltens des Erregers der von ihnen beschriebenen Pseudotuberkulosen Veränderungen. Der Bacillus zeigt im hängenden Tropfen für gewöhnlich keine Eigenbewegimg; dennoch ist es Klein 21 gelungen, nach van Ermengems Silbermethode an einzelnen Individuen eine oder zwei endständige, kurze, spiralige Geißeln nachzuweisen. Die Färbung der Bazillen gelingt leicht mit den gewöhnlichen Anilinfarben. Die Aufnahme des Farbstoffes ist häufig eine ungleichmäßige, an den Enden stärkere. In Schnitten von Knöt- chen lassen sich die Stäl)chen schwer färberisch darstellen, da sie selbst bei schonender, nur ganz kurz dauernder Entfärbung der Schnitte den Farbstoff fast in derselben Weise wie das Protoplasma der Zellen ab- geben. Nach der GRAMSchen Methode färben sich die Bazillen in der Regel nicht; Klein hat jedoch eine Färbung erzielt, indem er die Präparate (Deckglasausstrich der Kultur oder der nekrotisch-eitrigen Massen der Lymphdrüsen, Leber oder Milz, sowie auch Schnitte der ge- härteten Organe) 1 Minute in Anilinwassergentianaviolett färbte und dann durch 4 Minuten in der üblichen Jodjodkalilösung gut auswusch. Der Bacillus wächst auf allen gewöhnlichen Nährböden. Auf der Gelatineplatte sind die oberflächlichen Kolonieeu gelbbräunlich, ziemlich Pseudotuberkulose. 753 dick, uuregelmäßig gestaltet, mit zackig-eu Rändern, 1 — 2 mm im Durch- messer; bei schwacher Vergrößerimg sieht mau um eine Papille im Centrmu eine blassgelbe, eigentümlich marmorierte, krystallinisch eis- blumenälmlich gezeichnete Wachstumsscheibe. Die tiefen Kolonieeu sind kleiner, rund, mit einem konzentrischen Ringe. Die Gelatine wird nie verflüssigt; durch die Ausscheidung feiner Krystalle tritt aber in der Umgebung der Kolonie eine Trübung ein, die nach längerer Zeit einen förmlichen Hof bildet. Im Gelatinestich ist das Wachstum in der Tiefe gering, so dass die Kultur ein nageiförmiges Aussehen annimmt. In Bouillon macht sich nach 18 — 24 Stunden eine Trübung bemerk- bar; auf der Oberfläche bildet sich ein Häutchen. Später scheidet sich unter Klärung der Nährstoflfflüssigkeit ein staubartiger Bodensatz ab. Die anfangs schwach alkalische Bouillon reagiert nach 1 — 2 Wochen stark alkalisch. Indol wird nicht gebildet. Auf Agar und auf Serum entwickelt sich namentlich im Brutschrank ein gelblichweißer, auf der Oberfläche wie Perlmutter oder wie eine auf Wasser ausgebreitete Petroleumschicht irisierender Bela«' von uuan- genehmem Geruch. Ein Zusatz von Glycerin zum Agar und zur Gela- tine befördert das Wachstum sehr merklich. Auf Kartoffeln, auch auf sauren, wachsen nur frisch aus den Knöt- chen entnommene Stäbchen. Es entstehen gelbbraune, später brauue Kolonieeu, die eine gewisse Aehnlichkeit mit Rotzkultureu besitzen. Die Kartoffel selbst wird dabei graugrünlich. In Milch wächst der Bacillus gut, ohne sie in ihrer Reaktion, Farbe, oder ihren sonstigen physikalischen Eigenschaften zu verändern. Eine Sporenbildung findet nicht statt. Durch Einwirkung einer Temperatur von 60" während einer Stunde, von 75" während 10 Minuten und von 85° während weniger Minuten werden die Bazillen abgetötet, ebenso durch 48 stündige Eintrocknung. Gegen Kälte sind sie weniger empfindlich. Gelatiuekulturen, die 2 Stunden lang bei einer Temperatur von — 16° und dann 7 Stunden lang bei einer solchen von — 9° gehalten waren, hatten an ihrer Virulenz und Wachstumsfähigkeit nicht im min- desten eingebüßt. Verbreitung und pathogenes Verhalten: Der Erreger der Pseudotuberkulose der Naa-etiere ist ein in der Außenwelt stark ver- breiteter Saprophyt. Man fand ihn in der Gartenerde, im Absatz von Fluss Wasser, welches durch Kanaljauche verunreinigt war, im Zimmer- staub, mit dem er in die Atmungsorgane eindringen kann, auf Futter, in der Milch. Nur zufällig erlangt er pathogene Eigenschaften. Durch ihn hervorgerufene spontane Erkrankungen, von teihveise enzootischem Auftreten, wurden bei Meerschweinchen, Kaninchen und Hasen, Hühnern, Katzen 22. 23 beobachtet. Auch auf Mäuse ist er übertragbar. Das Ver- halten der von Courmont24 in perlsuchtartigen Pleuraknoten einer Kuh, von Mazzini25 in ähnlichen Knötchen auf dem Peritoneum eiues Rindes, von Sabrazes26 in Hautknoten von Tauben, von GiLLi-VALEßio27 und Terni28 bei Schweinen, ferner von Manfredi, Mazza & Tensi29 und Haye.m-^o nach Verimpfung menschlicher Krankheitsprodukte auf Meer- schweinchen und Kaninchen gefundenen Bakterien zu dem Streptobacillus ist nicht geklärt. Da Klein durch Impfung mit dem letzteren den Tod zweier Affen in 10 bez. 14 Tagen herbeizuführen vermochte, so ist die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, dass auch der Mensch dafür empfänglich sein könnte. Die Pathogenität ist für die einzelnen empfänglichen Tierarten annähernd die gleiche. Meerschweinchen starben Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. III. 48 754 K. Grabert, bei intraperitouealer Einverleibung des Virus in 4 bis 7 Tag-eu. Bei der Sektion derselben findet mau ein reichliches sero-fibrinöses Exsudat in der Bauchhöhle. Miliarknoteu in der Leber, Milz, bisweilen in der Darm\Yand und in der Lunge. Nach subkutaner Impfung tritt der Tod bei Meerschweinchen nach 5 — 6 Tagen ein, während Kaninchen bei diesem lufektionsmodus öfter am Leben bleiben oder erst nach mehreren Wochen sterben. Man findet einen Eiterherd an der Impfstelle, Ver- größerung der Lymphdrüsen, Knötchen in den Eingeweiden. Bei In- fektion vom Verdauungstractus aus sterben Meerschweinchen in etwa 8 Tagen, Kaninchen in 20 Tagen, bei intravenöser Impfung nach 4 — 6 Tagen, jedoch bei Anwendung alter Kulturen erst nach 15 — 30 Tagen. Kach Einreiben der Bazillen in die verletzte oder intakte Conjunctiva-^^ des Kaninchens entsteht eine akute Conjunctivitis mit zahlreichen Knöt- chen, die bald in follikuläre, nach 2 Wochen abheilende Geschwüre tibergehen. Werden die Bazillen dagegen in die vordere Augenkammer gebracht, so entsteht eine akute Entzündung mit flockenförmigen Exsu- daten und Pseudomembranen, und von hier aus Disseminatiou in innere Organe mit Bildung zahlreicher Knötchen, wodurch die Tiere gewöhnlich zu Grunde gehen. Pferde, Ziegen, Hunde, Ratten, Fledermäuse, Wühl- mäuse sind für Impfungen mit dem PFEiFFERSchen Bacillus in der Regel nicht empfänglich; doch kann seine Virulenz durch Kaninchenpassagen so gesteigert Averden, dass er auch für Hunde und Schafe pathogen wird. Die gelegentliche Aufnahme des Krankheitskeimes unter natürlichen Verhältnissen erfolgt durch die Verdauungswege. Hierfür spricht der Umstand, dass bei spontaner Erkrankung ein auflalliges Beschränkt- bleiben der pseudotuberkulösen Organveränderungen auf die Eingeweide der Bauchhöhle zu konstatieren ist, so dass Knötchen in den Lungen meistens, bei Fütterungsversuchen fast regelmäßig vermisst werden. Gegenüber der direkten Einverleibung in die L3^mphbahn erfolgt der Tod der Versuchstiere bei Verfütterung infektiösen Materials überaus schnell und unter weit schwereren Darmerscheinungen. Bei spontaner Er- krankung kommt es zur Ausbildung lokaler Veränderungen im Darm Appendicitis) oder durch den Pfortaderkreislauf in der Leber. Von hier aus erfolgt auf dem Wege der Blutbahn Generalisation des Prozesses auf Niere, Milz und Lunge. Bei seuchenhaftem Auftreten spielt die Ansteckung eine augenschein- liche Rolle, da die Bazillen nicht nur in den veränderten Geweben (Leber, Milz, Nieren, Pleuraerguss, Lunge, Knochenmark), sondern auch im Inhalt des Verdauungstractus, im Urin und Auswurf vorhanden sein und zugleich mit dem damit beschmutzten Futter auf die übrigen Stall- insasseu übertragen werden können. Symptome und pathologische Veränderungen: Die einzigen Symptome sind in der Regel progressive Abmagerung und zunehmende Kraftlosigkeit. Die Muskeln sind schlaff, blass und atrophisch. Die hauptsächlich- sten Veränderungen finden sich an den Bauchorganen. Leber und Milz sind durchsetzt von zahlreichen weißlichen, runden Knoten bis zur Größe einer Erbse, die von der Umgebung scharf abgesetzt sind, über die Oberfläche hervorragen und im Centrum verkäst sind. Diese Pseudo- tuberkel sind vorzugsweise exsudativer Herkunft. Zuerst bemerkt man au den Zelloi des betroffenen Organes Abnahme der Färbbarkeit der Kerne, körnigen Zerfall des Protoplasmas, welches mit Bazillen häufig dicht erfüllt ist, ferner Erweiterung der Kapillargefäße, Anhäufung von Pseudotuberkulose. 755 Rimdzelleu. Echte LANGHAXssclie Rieseiizelleu wurden nicht beobachtet. Einige ähnlich beschaffene Knötchen sind ebenfalls in den Nieren vor- handen. Die Lymphdrüsen des Bauches sind vergrößert und von Knöt- chen, die ineiuandertiießen, durchsetzt. Ebenso enthält die Darmwand häufig- Knötchen. Ein Lieblingssitz der Erkrankung ist nach Charein ^2 und MosNY^i der Bliuddarmanhang. Dessen AVand ist beträchtlich ver- dickt. Die Mucosa ist von zahlreichen linsengroßeu Knötchen durch- setzt, deren Sitz den Follikeln entspricht. Einzelne verkäste Herde finden sich auch in den Lungen. Bisweilen greift der Prozess auf die serösen Ueberzüge der Organe über, so dass eitrige Bauchfell- und Brustfellentzündungen entstehen (Lignieres^^). B. Pseudotuberculosis murmm. Der KuTSCHERsche^ä Bacillus pseudotuberculosis murium ist durch die Mannigfaltigkeit seiner Formen und durch die ungleichmäßige Ver- teilung des Protoplasmas, sowie dadurch, dass er in Kulturen riesige Hantel- und Keulenformeu annimmt, dem Diphtheriebacillus sehr ähnHch. Er bildet auf Agar zarte gelbliche, gezahnte Kolonieeu, deren oberfläch- liche unter dem Mikroskop chagriniert aussehen, und kurze plumpe Aus- läufer besitzen. Auf Gelatine, die er nicht verflüssigt, wächst er in üppigen, ziemlich derben, großkörnigen Rasen von krystallinischem Gefüge; und im Gelatinestich strahlen von einem kräftigen^, weißen Impffaden kurze, plumpe Ausläufer nach allen Richtungen in die Gelatine aus. Bouillon wird nach 24 — 48 Stunden getrübt, unter Bildung eines aus Sargdeckel- krystallen von phosphorsaurer Ammoniakmagnesia bestehenden Häut- chens an der Oberfläche. Auf Kartoffeln gedeiht der Bacillus nicht. Er ist nicht beweglich und bildet keine Sporen. Färbung ist leicht mit den gewöhnlichen Anilinfarben, unsicher nach der GRAMSchen Methode zu erzielen. Es erwiesen sich nur Mäuse, und zwar vornehmlich graue, gegen Impfungen mit dem KuTSCHERschen Bacillus empfänglich. Ein dem KuTscHERschen in mancher Beziehung ähnliches Stäbchen, dass er Corynethrix pseudotuberculosis murium nannte, züchte Bongert ^e .^^g käsigen Knötchen in Leber, Milz, Lymphdrüsen und Lungen von Mäusen, unter denen seuchenhaftes Sterben aufgetreten war. Dieses Stäbchen zeigt gegenüber dem vorerwähnten Wachstumsunterschiede auf Gelatine, in der sich ein weißer Impffaden ohne Ausläufer bildet, und in Bouillon, in der keine Trübung auftritt. Auf Kartoffeln zeigt es ein deutliches Wachstum. Ein Hauptunterschied des BoNGERTScheu von dem Kut- scHERschen Bacillus ist die größere Virulenz für Mäuse bei der Infek- tion vom Verdauungstractus aus. Die Bedeutung dieser Pseudotuberkulosen der Nagetiere liegt haupt- sächlich darin, dass sie speziell bei unseren Laboratoriumstieren Krank- heitsprozesse herbeiführen, die bei diagnostischen Impfungen mit tuber- kulöse- und rotzverdächtigem Material für echte Tuberkulose, bezw. echter Rotz gehalten werden, und große Irrtümer veranlassen können. Zu der Möglichkeit einer spontanen Entstehung dieser Veränderungen kommt noch der Umstand hinzu, dass der B. pseudotuberculosis roden- tium gelegentlich als Saprophyt oder accidenteller Mikroorganismus in dem zur Verimpfung benutzten eitrigen oder nekrotischen Material vorkommen kann. Es ist daher erklärlich, dass diesen Prozessen von Anfang an großes Interesse entgegengebracht worden ist. 48* 756 K. Grabert, C. Pseudotuberculosis ovis. Von ii'rößerer Bedeutung als die A^orbezeiclineten Prozesse sind die bei den Haustieren vorkommenden tnberkuloseälinlicben Veränderuug-en, als deren Erreger der 1891 von Preisz & Guixard in baselnussgroßen, zum Teil konzentriscb gescbicbteteu und verkalkten, derben oder mörtel- artigen käsigen Herden gefundene Bacillus pseudotuberculosis ovis anzu- sehen ist. Morphologie und Biologie: Der B. pseudotuberculosis ovis ist ein sehr kleines feines Stäbchen, kaum dicker als der Erreger des Stäbchenrotlaufs der Schweine, mit abgerundeten Enden. Er färbt sich mit den wässerigen Anilinfarben und auch sehr gut nach der Gram- schen Methode, besonders in der WEiGERischen Modifikation. Die Stäbchen sind 2 bis 4 mal länger als breit, bisweilen aber auch länger; sie zeigen überhaupt in ihrer Größe und Gestalt mancherlei Verschieden- heiten untereinander. Bei genauer Betrachtung lässt sich eine ungleich- mäßige Färbung des Plasmas mit streifenähnlichen Lücken oder mäßige keulenförmige Auftreibung eines Endes erkennen; andere Avieder sind au den Enden leicht verjüngt. Zumeist bilden die Bazillen dichte Gruppen innerhalb oder außerhalb der Zellen. In dem erweichten Inhalt der Käseherde liegen sie oft dicht nebeneinander, wie kurze, enge Zähne eines Kammes, oder andererseits liegen sie reihenweise hintereiuauder. Außerdem kommen ovoide Formen vor. In frischen Kulturen beobachtet man längere, gerade oder leicht gekrümmte Stäbchen, die sich au den Enden satter färben und keulen- oder hanteiförmig verdickt erscheinen. Hier- durch besitzt der Bacillus morphologisch große Aehnlichkeit mit dem LöFFLERSchen Diphtheriebacillus, ist jedoch kleiner. In älteren Kulturen herrschen dagegen die ovoiden, kurzen Formen, die sich in hängenden Tropfen als Diplobazillen oder in unregelmäßigen Gruppen zusammen- hängend repräsentieren, vor. Der Bacillus ist fakultativ aerob, nicht beweglich, und bildet keine Sporen. Bei Zimmertemperatur gedeiht er nicht oder doch nur sehr spärlich. Zur Gewinnung von Kulturen eignet sich am besten Material aus den Randpartieen eines käsigen Herdes. Die ersten Kulturen Avachsen langsam und spärlich; wenn sich die Bazillen aber erst an den künstlichen Nährboden gewöhnt haben, erzielt man in den weiteren Generationen ein üppigeres Wachstum. Bei 37" werden auf Agar feine, punktförmige, grauAveiße Kolonieen erst nach Verlauf von 24 Stunden sichtbar und erreichen nach 6 — 8 Tagen einen maximalen Durchmesser von 05, — 3 mm; ihre Umrisse sind gezackt, ihre Oberfläche ist glanzlos, chagriniert. Um das nabeiförmig erhabene Centrum machen sich konzentrische, wellenförmige, zum Eande parallel laufende Hinge l)emerkbar. ]3ei dem schnelleren Wachstum der späteren Generationen fließen die Kolonieen zu einem dünnen, feuchten, undurch- sichtigen, der Oberfläche des Agars wenig anhaftendenden, leicht gefäl- telten Belag zusammen, der sich mit der Platinnadel in Fäden abheben lässt. In Agarstichkulturen treten längs des Impfstichs kleine grauAveiße, rundliche Kolonieen auf, die nicht ineinanderfließen, während sich aut der Oberfläche ein ähnlicher Belag wie auf dem Schrägagar ausbreitet. Glycerinzusatz zum Agar scheint das Wachstum zu beeinträchtigen. Bouillon wird in den ersten 6 Stunden gleichmäßig getrübt. Dann scheidet sich unter Klärung der Bouillon ein l^odenaussatz aus weiß- lichen brombeerartigen Körnchen, die aus Bazillcnhaufen zusammen- Pseudotuberkulose. 757 gesetzt sind, ab, wälireud sicli an der Oberfläclie ein trockenes, grau- weißes, brücLiges Häutcheu bildet, welcbes dem Glase ziemlich fest anhaftet. Der Bacillus wächst sowohl bei alkalischer wie bei schwach saurer Keaktion des Nährbodens. Auf erstarrtem Blutserum bilden sich nach 36 — 48 Stunden kleine, feuchtglänzende isolierte Kolonieen, von denen nach einigen Tagen ein Büschel wurzelartiger Fortsätze in die Tiefe des Nährbodens hineinwächst. Die Kolonieen haben auf Pferde- blutserum eine weiße, auf Rinderblutserum eine intensiv gelbe Farbe; nach einiger Zeit werden sie von einem breiten gelblich getrübten Hof umgeben. Auf Kartoffeln wächst der Bacillus je nach dem Säuregrad derselben schwerer oder leichter. Im letzteren Falle bildet sich ein trockener staubförmiger, schmutzigweißer Belag. In Milch findet Wachstum des Bacillus statt, ohne Veränderungen des Nährbodens herbeizuführen. In zuckerhaltiger Bouillon tritt keine Gasbildung auf; ebensowenig veran- lasst der Bacillus Phenol- oder Indolbildung. Das Temperaturoptimum für den PßEiszschen Bacillus liegt bei 37° C, bei 43° hört sein Wachstum auf. Durch Einwirkung einer Temperatur von 65° während 10 Minuten, von 70° während 6 Minuten wird er ab- getötet, dagegen Avird er durch wochenlauge Einwirkung einer Tempe- ratur von 6—8° nicht geschädigt. Durch Desinfizientien ist der Ansteckungsstoff leicht zerstörbar, durch ^VsPi'oz. Karbolsäurelösung in 1 Minute, 0,25 proz. Formalin in 6, durch 1 — 2 promill. Sublimatlösung in 4 Minuten. Dagegen ist er nach 24 Stunden langer Einwirkung von Kalkwasser noch entwickelungsfähig. Verbreitung und pathogenes Verhalten: Der von Preisz ver- öffentlichte Fall von Pseudotuberkulose blieb zunächst längere Zeit der einzige seiner Art bei Haustieren. Erst in den letzten 6 Jahren wurde durch die Fleischbeschau ermittelt, dass dieser Krankheit bei Schafen eine größere Bedeutung zukommt, als man ursprünglich annahm. Es zeigte sich, dass sie in einzelnen Teilen Australiens ^^ und Neuseelands ^s, des südwestlichen Gebiets der Vereinigten Staaten von Nordamerika ^^ und in Argentinien ^o^^i unter den Schafherden in nicht unerheblichem Umfange verbreitet ist; so berichtet Sivori, dass bei 10^ der in den Schlachthäusern von Buenos-Ayres geschlachteten älteren Schafe die typischen Veränderungen der Pseudotuberkulose zugegen sind. Aber auch in Deutschland (Westpreußen '2, 43 und Thüringen ^^) und in Frank- reich ^^ wurde sie mehrfach beobachtet. Sie scheint mit Vorliebe in Edelzuchten (Merinos und Elektorals) aufzutreten, in denen aus bestimmten wirtschaftlichen Gründen längere Zeit Inzucht getrieben wurde. Doch bleiben die gemeinen Rassen keineswegs davon verschont. Ob der PREiszsche Bacillus auch bei den übrigen Haustiergattungen eine krankheitserregende Rolle spielt, ist nicht mit Sicherheit entschieden. Einzelfälle von Pseudotuberkulose beim Rinde, die vielleicht auf ihn zurückzuführen sein dürften, beschreiben Kitt^« undLiENAUX^l Nach NocARD & Leclainche^s wären der von Grawitz & Dieckerhoff^s 1888 beschriebene Erreger der sogenannten englischen oder kanadischen Pferdepocke (iVcne contagiosa) sowie der in Frankreich nicht seltenen ulzerösen Lymphangitis der Pferde und der Lung-disease der Kälber in Irland mit ihm identisch. Der B. pseudotuberculosis ovis erweist sich bei intravenöser, intra- abdominaler und subkutaner Einverleibung und bei Verf ütterung pathogen für Meerschweinchen, Kaninchen, Mäuse und Schafe, dagegen nicht für 758 ^- Grabert, Tauben und Hülmer. Die nach der Impfung- entstehenden Läsiouen entsprechen den im Verlaufe der natürlichen Krankheit auftretenden, nur ist ihre Verbreitung in gewisser Beziehung von der Eintrittspforte des Ansteckungsstofifes abhängig. Die Virulenz des letzteren ist je nach der Herkunft des Ausgangsmaterials und auch nach der Art der Ver- suchstiere etwas verschieden. Sie ist für Meerschweinchen größer als für Kiuiincheu; daher nimmt die Impfkrankheit bei letzteren wneu mehr chronischen Verlauf, so dass die charakteristischen Organverände- rungen einen höheren Grad der Ausbildung erreichen, obwohl ihre Zahl allerdings geringer ist, als bei den erstgenannten Versuchstieren. In der Leber der Meerschweinchen beginnt die Neubildung durch Wuche- rung der Endothelzellen. Die Leberzellen blähen sich, zerfallen, werden körnig und von Vakuolen durchsetzt. Ausgebildete Herde sind beson- ders aus einkernigen Rundzellen zusammengesetzt. In den Knötchen bilden die Bazillen Haufen, oder sie sind gleichmäßig zwischen den Zellen zerstreut. Verkalkung tritt manchmal auf. Der käsige Inhalt der nach der Impfung entstehenden Knötchen hat bei Kaninchen eine mehr weiße, bei Meerschweinchen eine mehr gelbe Farbe. Bemerkens- wert ist die von Nocard gemachte Beobachtung, dass die subkutane Verimpfung des Eiters aus Geschwüren von Pferden mit ulzeröser Lymphangitis bei Meerschweinchen ebenso wie echter Rotz eine Schei- denhautentzündimg der Hoden hervorrufen kann. Symptome: In der Regel sind an den mit Pseudotuberkulose be- hafteten Schafen während des Lebens keine augenfälligen Erscheinungen bemerkbar, so dass man selten Gelegenheit hat, den Kr aukheits verlauf zu beobachten. Kommt man auf Grund des Befundes bei der Schlach- tung einiger Tiere dazu, die Herde, aus welcher diese stammten, ge- nauer in Augenschein zu nehmen, so kann man bei den jüngeren Tieren höchstens eine mäßige Vergrößerung einiger der Palpation zugänglicher Lymphdrüsen feststellen. Nur bei älteren Individuen, Böcken und namentlich Mutterschafen, pflegt der Krankheitsprozess soweit fortzu- schreiten, dass deutliche Symptome in Erscheinung treten. Bei diesen Tieren macht sich ein mangelhafter Nährzustand und selbst hoch- gradige Abmagerung bemerkbar. Die Schwellung der oberflächlich gelegenen Lymphdrüsen kann einen so beträchtlichen Umfang, bis zu Hülmereigröße und darüber, erreichen, dass der ordnungsmäßige Ge- brauch der Gliedmaßen dadurch beeinträchtigt wird. In weiter vor- geschrittenen Fällen kann es nach Generalisation des Prozesses zur Ausbildung einer chronischen Bronchopneumonie und Pleurosie mit ge- legentlichem Husten, leichter Atemnot, zunehmender Abmagerung und Anämie kommen. Pathologische Veränderungen: Die Eintrittspforte für den Er- reger bilden jedenfalls Hautabschürfungen an den Gliedmaßen, von wo aus er in den Lymphbahnen zu den benachbarten Lymphdrüsen gelangt. Auf dem Wege des kleinen Kreislaufs wird er in die Lungen verschleppt, und von hier aus kann es zur Generalisation des Prozesses kommen. Gegen die Aufnahme durch den Verdauungskanal spricht die verhält- nismäßig seltene Erkrankung der Mesenterialdrüsen. Die Lymphdrüsen sind in folgender Reihenfolge am häufigsten ergriften : Bug-, Knicfalten- und oberflächliche Leistendrüsen, Bronchial-, Mediastinal-, Lenden-, Darm- bein- und Schamdrüsen. Die Brustbeindrüsen sind ebenso selten wie die Gekrösdrüsen erkrankt. Nach dem Eindringen der Bakterien wird das Lymphdrüsengewebe hyperplastisch; der Umfting der Drüse nimmt Pseudotnberlmlose. 759 zu; die Scliuittfläche ist feucht. Durch eleu Bacillus Averden uicht wirk- liche Tuberkel- sondern Eiterherde hervorgerufen, die schnell eiuer käsigen Veränderung unterliegen. Es treten verschiedene Degenerations- zentren mit konzentrischer Schichtung auf, die allmählich zusammen- fließen, so dass his hUlmereigroße Herde entstehen. Schließlich ist die ganze Drüse in eine homogene, grünlichgelbe, käsige Masse umgewan- delt, welche bei oberflächlicher Lage perforieren und sich nach außen entleeren kann. Andernfalls wird der Käse mehr und mehr eingedickt und trocken, selten verkalkt. In weit vorgeschrittenen Fällen finden sich Veränderungen, die der Tuberkulose ähneln, in den inneren Organen, kleine, bis erbsengroße, in einzelnen Fällen bis walnussgroße, von einer fibrösen Kapsel ein- geschlossene, käsige Herde in der Limge, Milz, Leber, seltener und ver- einzelt in den Nieren. Das erkrankte Gewebe ist von dem gesunden meistens scharf abgesetzt; eine entzündliche Zone fehlt. Umfangreiche Veränderungen in den Lungen pflegen mit einer chroniscTien Pleuritis einherzugeheu, bei welcher es zu Verwachsungen der Pleurablätter und Ergüssen in die Brusthöhle kommt. In der Leber findet man statt der Abszesse bisw^eilen zahlreiche miliare Knötchen, die hauptsächlich aus Leukocyten und unregelmäßig gestalteten, kernhaltigen Rundzellen zu- sammengesetzt sind. Zwischen den Zellen sieht man die einzeln oder in Gruppen liegenden Bakterien, deren Stoifwechselprodukte den Zer- fall der Zellen im Centrum veranlassen. Die Rundzelleninfiltration des benachbarten Gewebes bildet sich zu einer bindegewebigen Kapsel um, durch welche der Herd scharf abgegrenzt wird. Riesenzellen werden nicht beobachtet. Wirtschaftliche Bedeutung: Da 95 X 'iUer Schafe in jugend- lichem Alter zur Schlachtung kommen, also zu eiuer Zeit, wo die pseudo- tuberkulösen Läsionen erst eine beschränkte Ausbreitung erlangt haben, so ist die wirtschaftliche Bedeutung der Krankheit nicht erheblich. Man hat berechnet, dass von 16 Millionen Schafen, die in den Jahren 1897 bis 1900 in den unter amtlicher Kontrolle stehenden Schlachthäusern von Chicago, Kansas City und Süd -Omaha geschlachtet wurden, nur 3237 wegen Pseudotuberkulose vom Gebrauch als menschliches Nahrungs- mittel ausgeschlossen wurden. DifFerentialdiagnose zwischen Pseudotuberkulose und echter Tuberkulose. Das generelle Merkmal der Verkäsung haben die pseudotuberkulösen Prozesse mit den echten tuberkulösen gemein. Dagegen ist an ihnen eine Verkalkung nur ausnahmsweise zu beobachten. In der Regel tritt an ihnen nur eine Eintrocknung mit zwiebelschalenähnlicher Schichtimg ein. In Bezug auf die Entwickelung der Knötchen unterscheidet sich die Pseudotuberkulose von der echten dadurch, dass bei ersterer die Knöt- chen schon 2—3 Tage nach der Impfung, z. B. auf der Iris nach In- jektion der Bazillen in die vordere Augeukammer ^o, eine gut sichtbare Größe erreichen können; dass sie ferner sofort nach ihrer Entstehung verkäsen, jedenfalls infolge einer besonders gesteigerten chemischen Thätigkeit der Bazillen, welche die Zellen frühzeitig zerstört. Die echten Tuberkel hingegen beginnen erst etwa 3 Wochen nach der Impfung sichtbar zu werden und zu verkäsen. 760 K. Grabert, Pseudotuberkulose. Makroskopisch unterscheidet sich der frische Pseudotuberkel vom echten durch weichere Konsistenz, durch weiße oder gelbliche (nicht durchsclieinende graue) Farbe, während alte pseudotuberkulöse Verän- derungen, sowie sie bei spontanen Erkrankungen angetrotifen Averden, der echten Tuberkulose ganz ähnlich sein können; doch fehlen die miliaren Knötchen in der Umgebung, die mau bei der letzteren gewöhn- lich antrifft. Der histologische Bau der pseudotuberkulösen Knötchen ist dadurch charakterisiert, dass in ihnen die Exsudation gegenüber der Vermehrung der fixen Gewebselemente (Endothelzellen) in den Vordergrund tritt. Echte LANG^ANSSche Riesenzellen werden in ihnen nicht beobachtet; doch kommen mehrkernige, aber kleinere Zellen vor. Litteratiir. 1 C. Meyer, Jena 1893. — - Gramer & Schultze, Arch. f. Augenheilk., 1894, S. 293. — 3 Manasse, Virch. Arch., Bd. 136, 1894. — 4 Rüge, ebd. — ^ Malassez & ViGNAL, Arch. de physiolog. norm, et pathol., t. 2, 1883, p. 369. — c Nocard, Bull, de la soc. centr. de med. vet., 1885, p. 207. — ' Eberth, Virch. Arch., Bd. 100, S. 15. Ders., ebd., Bd. 103, 1886, S. 488. — « Chantemesse. Ann. Pasteur, 1887, S. 97. — 9 Charrin & EoGER, C. r. de l'acad. de scienc, t. 106, 1888, p. 868. — w DoR, ibid., p. 1027. — n Zagari, Ref. Centralbl. i. Bakt. , Bd. 8, S. 208. — 12 Nocard & Masselin, C. r. de la soc. de biol., 1889, p. 177. — i3 a. 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Dessi & Tosi, Nuovo Ercolani, vol. 5, p. 81. — 42 Turski, Ztschr. f. Fleisch- u. Milchliyg., Bd. 7, 1897, S. 178. — 43 Preusse, Arch. f. wiss. u. prakt. Tierheilk., Bd. 25, S. 217. — 44 OsTERTAG, Haudbuch der Fleischbeschau. — 45 Guinard & Morey, C. r. de la soc. de biol., 1893, p. 893. — 46 Kitt, Monatsh. f. Tierheilk., Bd. 1, 1890, S. 145. — 4' LiENAUx, Ann. med. vet, 1902, p. 237. — i8 Nocard & Leclainche, Les mala- dies microb. des animaux. III. edit., 1903. — 49 Dieckerhoff & Grawitz, Virch. Arch., Bd. 102, S. 148. — so Apostolopoulos , Arbeiten aus dem patholog. Inst, zu Tübingen, Bd. 2, Heft 2. XXII. Kälbemihr.'') Von Prof. C. 0. Jensen in Kopenhagen. Mit 2 Figuren im Text. Ueberall in der civilisierten Welt, wo die ViehziTclit hochstellt, treten auffallend häufig Krankheiten, oft ansteckenden Charakters, bei den neu- geborenen Kälbern auf. So ist es in Europa, und aus Amerika er- schallen fortwährend Klagen in derselben Eichtung, und dasselbe scheint vor hundert Jahren der Fall gewesen zu sein. Es erleidet wohl keinen Zweifel, dass dieses »Kalb ersterben« im Zunehmen begriffen ist, was wahrscheinlich mit der stark einseitigen Entwicklung der Tiere bei der abnorm starken Fütterung in Verbindung steht. Jedenfalls spielt diese Sache eine weit größere ökonomische Rolle jetzt als früher, um so mehr, da dieses Sterben gerade unter unseren besten Beständen mit besonderer Vorliebe aufzutreten und hartnäckig anzudauern scheint. Unter der Bezeichnung »Kälbersterben« verbergen sich bekanntlich eine Reihe verschiedener Leiden, die früher zum Teil miteinander ver- mengt wurden. So müssen wir unterscheiden zwischen: 1. zufälligen Krankheiten (allgemeine Schwächung, mangelhafte Erweiterung der Lungen, Verletzungen während der Geburt u. s. w.). *) Anm. der Herausgeber. Den Abhandlungen, welche die über jeden Zweifel als spezifische Krankheitserreger festgestellten Mikroorganismen, wie z. B. die Erreger des Texasfiebers, der Trypanosomenkrankheiten. der Geflügelcholera, der Schweineseuche, des Schweinerotlaufs, der Schweinepest, des Mäusetyphus, des Milzbrandes, der Aktinomykose, der Peripneumonie der Kinder u. s.w. zum Gegen- stand haben, sind Kapitel über einige Tierkrankheiten angeschlossen, bei denen, wie bei der vorliegenden, es noch nicht endgiltig festgestellt ist, ob der betreffende Symptomenkomplex nur durch einen einzigen spezifischen Erreger oder eventuell durch verschiedene Mikroorganismen hervorgerufen wird. Dies betrifft z. B. die Abschnitte über Euterentzündung, Eiterung bei Haustieren, Kälberruhr u. s. w. Wir haben diese Krankheiten mit liebenswürdiger Hilfe des Herrn Prof. Dr. Ostertag ausgewählt. Der Genannte hat auch in entgegenkommender Weise die Mitarbeiter für die Bearbeitung der infektiüsen Tierkrankheiten vorgeschlagen. Wir möchten die in Frage kommenden Arbeiten, für deren Inhalt die einzelnen Autoren die Verantwortung übernehmen, in erster Linie als zusammenfassende Darstellungen des heutigen Standes der Forschung aufgefasst sehen. 762 C. 0. Jensen, 2. Krankheiten, die von Infektion durch den Nabel her- rühren, und 3. Darmleiden, Kälberruhr, die durch Aufnahme von Bakterien durch die Maulhöhle (oder die Darmotfnung-) entstanden sind. Bei älteren, zwei Monate bis ein Jahr alten Kälbern kommen andere Krankheitsformen vor und zwar namentlich Septicaemia haemorrha- gica, die auf verschiedene Weise auftreten kann (als »septische Pleuro- pneumouie«, als akute milzbrandähuliche Krankheit, als akute Darm- entzündung (?) von Peritonitis begleitet), Kälberdiphtherie und krupös-hämorrhagische Darmentzündungen, die mit der Ruhr der Öpankälber nicht verwechselt werden dürfen. Die Nabelinfektion kann auf sehr verschiedene Weise auftreten, indem sich teils akute, teils chronische, schleichende Krankheiten ent- wickeln können. Letztere bestehen meistens in embolischen, suppura- tiven oder nekrotisierenden Prozessen in der Leber und den Lungen, die am letztgenannten Orte oft mit einer schleichenden Bronchopneumonie enden. Die akuten Fälle können verschiedenartig verlaufen, indem die Kälber mitunter nach Verlauf einiger Tage an einer reinen Blutinfektion ohne Lokalisatiouen in den inneren Organen oder mit geringer seröser Entzünduug eines oder mehrerer Gelenke sterben, während sie in anderen Fällen entschiedene Gelenkentzündungen oder exsudative Ent- zündungen in der Brust- oder der Bauchhöhle zeigen. Im ersteren Falle findet man bei der Sektion das Blut ein wenig dunkel, jedoch, sehr wohl koaguliert; die inneren Organe bieten außer leichter De- generation nichts besonders Auffälliges dar; indes können die Milz und verschiedene Lymphdrüsen etwas angeschwollen sein. In den Arterien des Nabels finden sich feste, rote Thromben, die von den- jenigen Thromben, welche man an diesem Orte bei völlig gesunden neu- geborenen Kälbern findet, nicht sonderlich verschieden sind; jedoch sind diese Thromben ein wenig mehr festsitzend, und die Gefäßwand ist oft röter als normal, erst die mikroskopische Untersuchung liefert aber den Bew^eis, dass die Bakterien auf diesem Wege eingedrungen sind, indem die Thrombenmasse eine Unzahl von Bakterien enthält. Der Sektions- befund ist so wenig hervortretend, dass er einem unachtsamen Beobachter nicht einmal verdächtig erscheint. Diese Form wird deshalb sehr leicht mit solchen Fällen der Darminfektionen verwechselt werden können, wo sich noch keine Diarrhöe gezeigt hat. Bei der bakteriologischen UntersHchungT findet man in diesen Fällen, wenigstens in der Regel, Colibazillen, nicht immer aber derselben Art. Auch bei den erwähnten Gelenkentzündungen und Lokalisationen in den serösen Höhlungen sind es oft Coliformen, die die Entzündung erregen. Es kommen, W'Cnn auch selten, Fälle vor, wo man in den Nabelgefäßen, der Vene und den Arterien zerfallene Thromben und ausgesprochene Entzündung im Um- fange derselben, eventuell von metastatischen Vorgängen in den inneren Organen begleitet, antriöt. In dergleichen Fällen findet man als Ursache Streptokokken oder Staphylokokken, entweder allein oder im Verein mit anderen Bakterien, z. B. Colibakterien. Wieder in anderen Fällen findet man im Nabelgewebe nebst Umgebungen eine phlegmonöse In- filtration als Folge des Eindringens der Bakterien ; die Gefäße brauchen in diesen Fällen nicht thrombosiert zu sein, die Entzündung breitet sich oft längs der peritonealen Bekleidung der Nabclgefäße bis an die Bauchhöhle aus und veranlasst eine fibrinöse oder serofibrinöse Peritonitis. Dann und wann sieht man auch eine tiefeindringende vom Nabel oder von KälbeiTuhr. 763 den Nabelgefäßen ausg-eliende Nekrose mit zahlreichen Metastasen in der Leber , zuweilen auch in den Lungen ; das Leiden ist in diesen Fällen durch den Nekrosebacillus erregt. Uebrigens scheint nicht so gar selten eine Art Komplikationen von Nabelinfektionen mit Darm- infektionen vorzukommen, Fälle, in welchen es schwer ist, die ätiolo- gischen und die pathogenetischen Verhältnisse mit einiger Genauigkeit auseinanderzuhalten. Früher hielt man ohne weiteres die Kälberruhr und die Nabclent- zUudungen für identisch. Heutzutage sind gewiss fast alle darüber einig, dass diese beiden Gruppen von Krankheiten soweit möglich aus- einandergehalten werden müssen, und in den meisten Lehrbüchern wird deshalb jede derselben für sich besprochen. In der jüngsten Zeit hat der Holländer Poels in einer größeren monographischen Arbeit über die Krankheiten der Spankälber eine ganz andere Gruppierung der Krankheiten der Spankälber zu geben versucht, indem er das Haupt- gewicht auf die Art der Bakterien legt, welche die Krankheit erregt. Er redet z. B. von einer Colibazillose, um Krankheiten zu bezeichnen, die durch Einwanderung von Colibazillen verursacht werden, einerlei, ob die Bazillen durch den Verdauungskanal oder durch die Nabelgegend eingedrungen sind. Es wird doch sicherlich das korrekteste sein, soweit möglich auch ferner eine scharfe Sonderung der Kälberruhr von den Nabelinfektionen aufrechtzuerhalten, selbst wenn man zugeben muss, dass man bei beiden diesen Leiden dieselbe Bakterienart vorfinden kann, und dass jede dieser Krankheiten durch mehrere verschiedene Bakterien- formen erregt werden kann, und selbst wenn dann und wann Fälle vorkommen, die, wie gesagt, als Komplikationen von Darm- und Nabel- iufektion zu betrachten sind. Geschichtliches. Die Kälberruhr hat man, wie oben angeführt, schon vor mehr als 100 Jahren gekannt, und schon damals erregte sie die Aufmerksamkeit wegen ihrer Bösartigkeit. So gab Tolnay bereits 1799 eine ganz gute Beschreibung der Krankheit, und als deren Ursache giebt er das Gerinnen der Milch im Labmagen nebst der Entwicklung saurer und scharfer Stoffe im Darminhalt an. In der späteren Litteratar wird die Krankheit häufig erwähnt und oft mit einer ähnlichen der Sauglämmer zusammengestellt; wesentlich Neues in Betrett" der Aetiologie der Krank- heit erschien nicht; die Krankheit wurde fortwährend für eine einfache Folge von Diätfehlern gehalten. Der erste, der mit einigem Nachdruck behauptete, die Kälberruhr sei als eine ansteckende Seuche aufzufassen, ist Obich, der allerdings annahm, sie könne sich entwickeln, weil das Muttertier auf ungeeignete Weise gefüttert werde, der aber auf Grundlage einer Reihe klinischer Beobachtungen das größte Gewicht auf die Verbreitung durch einen flüchtigen Ansteckungsstoff legte, welcher seiner Ansicht nach aus den Exkrementen der kranken Tiere stammte. Obichs Auffassung gewann keinen ungeteilten Beifall, und es war Fraxck vorbehalten, festzustellen, dass die Kälberruhr eine Infektionskrankheit ist. Franck nahm an, der Ansteckungsstoff sei ein Miasma, das an den Fußboden des Stalles gebunden sei und sich darin entwickle. Zu ganz derselben Ansicht kamen Eoloff und Ehrle, denen die Gelegenheit ward, den Ausbruch der Krankheit zu beobachten. 764 C. 0. Jensen, NocARD war dagegen (1886) geneigt, die Krankheit mit dem in- fektiösen Verwerfen in Verbindung zu setzen, und glaubte an eine Infektion des noch ungeborenen Fötus. Auch Franck und mehrere andere waren zu der Ansicht geneigt, die Infektion finde schon im Uterus des ^Muttertieres statt; hierauf sollte die sehr kurze Zeit hin- deuten, die gewöhnlich zwischen der Geburt und den ersten Anzeichen der Krankheit verfließt. Friedberger und Fröhner hielten es für wahrscheinlicher, dass die Infektion während der eigentlichen Geburt geschehe, und dass sie von infektiösem Katarrh in der Scheide des Muttertieres herrühre. Was endlich Dieckerhoff betrifft, so war er fast derselben Ansicht wie die zuletzt genannten Forscher; er hielt es aber doch für am wahrschein- lichsten, dass die Infektion in der Regel bei der Aufnahme von Nahrung nach der Geburt stattfinde. Er hielt den Ansteckungsstoff für einen fakultativen Parasiten, der in unreinen Ställen leben und sich jahrelang in solchen erhalten sollte. Die ersten bakteriologischen Untersuchungen wurden vom Ver- fasser^' 3 (1891) angestellt, der namentlich Gelegenheit hatte, die Seuche unter einem größeren Bestände zu verfolgen und recht umfangreiche Ver- suche an Kälbern zu unternehmen. Er wies im Blute und in den inneren Organen wie auch im Darminhalt eine ovale, bewegliche Bakterienform nach, die mit dem damals nur wenig bekannten Colibacillus große Aehnlichkeit darbot. Mit dem reiugezüchteten Bacillus stellte er eine lange Reihe von Versuchen au, und mittels dieser wurde festgestellt, dass die Eingabe einer geriogeu Menge Kultur mit der Milch regelmäßig die Krankheit in ihrer typischen Form bei neugeborenen Kälbern hervorrief, ferner dass die Infektion durch Einführung der Bazillen in den Mastdarm stattfinden konnte; außerdem wurde festgestellt, dass der subkutan eingeführte Bacillus bei Kälbern teils lokale Entzünduugs- vorgänge zu erregen, teils eine akute tödliche Septikämie zu veranlassen vermochte. Durch fortgesetzte Untersuchungen fand der Verfasser, dass der Darminhalt gesunder Kälber Bakterien enthielt, welche sich kaum von den bei der »Käll)erruhr« gefundenen unterscheiden ließen; Rein- kultur der Darmbakterien war indes nicht imstande, eine eigentliche Enteritis bei Spankälbern hervorzurufen, sondern blieb entweder völlig ohne Wirkung oder verursachte nur geringe, vorübergehende Diarrhöe. Es schien also trotz der Aehnlichkeit zwischen den Bazillen aus dem Blute kranker Kälber und denen aus dem Darminhalte der gesunden Kälber eine wesentliche Verschiedenheit derselben zu bestehen. Aus dem Jahre 1895 liegen einige italienische Untersuchungen vor. So hat PiANA^2 ij2 einer kurzen Mitteilung einige Untersuchungen be- sprochen. Es gelang ihm, im Blute, im Darminhalt und zum Teil im Rückenmark eine ßakterienform nachzuweisen und zu isolieren, die er für mit dem Bacterium coli identisch hielt; seine Impfuugsversuche an Kälbern gaben indes ein zweifelhaftes Resultat. Monti & Veratti^ wiesen ebenfalls in dem Blute, der Leber, der Milz, den Nieren imd anderen Organen eine kleine kurze Bakterienform nach, die sich nach Grams Methode entfärbte, die aber aufgekochten Kartoffeln, auf Gelatine und Agar-Agar leicht zu züchten war; die Kultur verhielt sich in jeder Beziehung, auch was Indolreaktion und Säuerung der Milch betraf, ebenso wie das Bacterium coli, und Monti & Veratti erwähnen denn auch, dass die gefundene Form diesem Bakterium sehr nahestehe. Impfung auf kleinere Tiere zeigte, dass die gefundenen Bakterien virulent waren. KälbeiTuhr. 765 Wälireud Piana und Monti & Vi<;ratti also gewiss mit derselben Bakterienform zu sclmöeu hatten, die vom Verfasser frülier nachgewiesen war, gaben einige Untersuchungen von Mazzanti äVigezzi" in Parma etwas andere Resultate. Es wurden nämlich ovale Kokken oder Diplo- kokken nicht nur in dem Darm, der Leber und dem Zentralnerven- system, sondern auch in den GetaBen des Nabels nachgewiesen. Möglicherweise liegen hier also Verwechselungen der Kälberruhr mit der vom Nabel ausgehenden Infektion vor. Einen besonderen Beitrag zum Verständnisse der ätiologischen und pathogenetischen Verhältnisse der Kälberruhr haben diese italienischen Untersuchungen nicht geliefert. Von deutscher Seite liegt eine Arbeit Willerdings ^-^ (1899) vor, die indes nicht viel Neues bringt, sondern wesentlichst eine Zu- sammenstellung der in Kopenhagen und in Italien angestellten Unter- suchungen enthält. Auch dieser Autor glaubt am Bacterium coli oder allenfalls an einer nahestehenden Art die Ursache der Krankheit zu haben. In demselben Jahre erschien eine große Arbeit über Krankheiten der Spankälber in Holland, veröffentlicht von J. Poels'^ iu Rotterdam, der auf Anregung der holländischen Regierung die genannten Unter- suchungen angestellt hatte. Diese betreifen Krankheiten der Spankälber überhaupt und zwar besonders die Kälberruhr und Nabelinfektionen. Die Untersuchungen brachten nicht wenig Neues und Interessantes zum Vorschein. Poels hat die früher benutzte Einteilung dieser ge- wöhnlichen Krankheiten der neugeborenen Kälber in Ruhr und Nabel- iufektion verlassen und schlägt vor, die Krankheiten einzig und allein nach der Art der in die Kälber eingewanderten Bakterien einzuteilen, ohne zu berücksichtigen, ob die Einwanderungsstelle die Mundhöhle oder die Nabelgegend sei, da er fand, dass dieselben Bakterien zum Teil auf beiden diesen Wegen einzudringen vermögen, ja mitunter sogar bei demselben Tiere sowohl durch die Maulhöhle als durch die Nabelgefäße. Er stellt nun folgende Formen der Krankheiten bei neu- geborenen Kälbern auf: 1. Colibazillose 6. Proteusintoxikation 2. Streptomj^kose 7. Pyocyaneusbazillose 3. Colistreptomykose 8. Septicaemia haemorrhagica 4. Pseudocolibazillose 9. Polyarthritis specifica. 5. Pseudocolistreptomykose. Unter Colibazillose sammelt er alle diejenigen Fälle, wo die Krankheit, sie möge nun als Darmentzündung, als Peritonitis, als Septi- kämie oder anderswie verlaufen, durch »virulente Colibazillen« verur- sacht wird. Diese können nämlich, seiner Ansicht nach, teils durch Aufnahme durch die Maulhöhle, teils durch ihr Eindringen durch die zerrissenen Nabelgefäße, teils aber auch dadurch infizieren, dass sie durch die jS^abelwunde in das umliegende Gewebe eindringen und sich von hier direkt in die Bauchhöhle fortpflanzen; oft wird dasselbe Kalb durch den Nabel und den Darm zugleich infiziert. Als Pseudocolibazillose bezeichnet er Fälle, die auf Infektion auf beiden Wegen beruhen können, und die durch einen Bacillus erregt sind, der dem Colibacillus in vielen Beziehungen freilich ähnlich ist, sich von diesem aber doch mehrfach unterscheidet. In Fällen, wo der 766 C. 0. Jensen, Pseudocolibacillus durch den Verdauung-skanal aufgenommen wurde, sollen Veränderungen der Darmschleimhaut weniger hervortretend sein als bei der Colibazillose, die Bakterien sollten aber weit geschwinder in den Blutstrom eindringen, und die Krankheit trage deshalb einen mehr septikämischen Charakter. Als Streptomykose bezeichnet er Fälle, wo Streptokokken durch den Nabel eindringen und teils lokale, teils metastatische Vor- gänge erregen. Ziemlich häufig komplizieren sich die Coli- und die Pseudobazillose beim Eindringen des Streptococcus, der sich gerade in solcher Gesellschaft besonders wohlzubefinden scheint. Proteusintoxikation nennt er die — sicherlich seltenen — Fälle, wo Proteusbakterien ins Nabelgewebe eingedrungen sind, in wel- chem sie Giftstoffe erzeugen, die wegen der Kesorption die Tiere schnell töten. Die Pyocyaneusbazillose ist eine durch die Pseudomonas pyo- cyanea verursachte Darminfektion. Die Septicaemia haemorrhagica endlich kann bei Spankälbern durch Infektion durch den Nabel entstehen, wie denn auch die Poly- arthritis specifica auf einer Nabeliufektion beruht. Unter letzterer Bezeichnung werden diejenigen Gelenkleiden angeführt, die durch eine bestimmte Bazillenform erregt werden. Uebrigens vermögen auch die Colibazillen und Kokken Entzündungsvorgänge in den Gelenken hervor- zurufen, die Vorgänge verlaufen dann aber anders. Unter allen diesen Infektionen bei Kälbern ist die Colibazillose in reiner oder gemischter Form entschieden die häufigste. Von den In- fektionen durch den Nabel abgesehen, führt Püels mithin drei ver- schiedene Formen der Kälberruhr an, d. h. Euteritiden, die von einer Infektion durch den Verdauungskaual herrühren, nämlich die Coli- bazillose, die Pseudocolibazillose und die Pyocyaneusbazillose, wie denn auch Uebergangsformen zwischen den beiden ersteren und Komplikationen der Coli- und Pseudocolibazillose mit der Streptokokken- infektion vorkommen. Fast um dieselbe Zeit erschien in Frankreich eiue Arbeit von Lesage & Delmerö über die »Diarrhee des jeunes veaux«. Das Resultat dieser Arbeit unterscheidet sich in wesentlichen Stücken von den Er- gebnissen, welche sowohl PoELS als der Verfasser erreicht hatten. So wird angegeben, dass man bei Kälbern, die zwar von der Krankheit angegriffen, aber noch nicht am Sterben sind, niemals Colibazillen im Blute oder in den Organen finde, dass mau aber um diesen Zeitpunkt durch Impfung des Blutes auf Kaninchen, zuweilen auch durch Aussaat, einen Coccobacillus (eine Pasteurellaform) nachweisen könne, und dass dieser es eigentlich sei, der pathogene Eigenschaften besitze und die Krankheit errege. Die Exkremente der lebenden Tiere enthalten außer Colibazillen und anderen Bazillenformen auch dieses Bakterium, das sich durch subkutane Impfung auf Kaninchen aus den Faeces isolieren lässt; die Colibazillen bleiben an der Impfstelle, während die Kokko- bazillen in den Blutstrom eindringen und eine tödliche Septikämie erregen. Bei Annäherung des Todes wandern die Colibazillen indes aus dem Darmkanal in die Organe ein, so dass sie im gestorbenen Kalbe in großer Anzahl angetrolten werden, sowohl im Blute als auch in den Organen. Durch Aussaat aus dem Blute erzielt man unter diesen Umständen keine Kokkobazillen; es entstehen nur Kolouieen des Colibacillus ; diese Kulturen sind jedoch oft unrein und enthalten Kälberruhr. 767 Kokkobazillen. Feruer entliält die Naseusiclileimliaut, wenn die Krank- heit 2 — 3 Tage alt ist und das Kalb Austiuss aus der Nase bekommt, eine bedeutende Menge der genannten Kokkobazillen. Endlieh tritt während des Verlaufs der Krankheit oft eine Gelenkentzündung ein, und in der Gelenkllüssigkeit lassen sich schon am lebenden Tiere mit Leichtigkeit Kokkobazillen nachweisen. Impfung oder Fütterung mit den aus den toten Tieren isolierten Colibazillen ist bei Kälbern völlig erfolglos, indem die Colibazillen durchaus kein Darmleiden, auch keine Ruhr erregen. Eine Reihe von Versuchen , die mit dem Coccobacillus an Kälbern angestellt wurden, zeigten, dass Fütterung mit V2 Liter einer Kultur, die für Kaninchen sehr virulent war, bei Kälbern keine Krankheit verursachte; subkutane Impfung brachte in einigen Fällen keine Veränderungen hervor; war die Dosis hinlänglich groß, so ent- stand jedoch eine lokale Entzündung und Abszessbildung nebst Steige- rung der Temperatur. Impfte man den Mikroben vorerst auf Kaninchen, so nahm die Virulenz zu, und die Kultur war dann imstande, bei Kälbern ernstliche Krankheitsfälle zu erregen. Dasselbe erzielte man, wenn der Coccobacillus zugleich mit dem Colibacillus eingeführt wurde ; letzterer blieb dann im Entzüudungsexsudat an der Impfstelle, während der Coccobacillus weiter, ins Blut hinein, wanderte. Bei intravenösen Injektionen war das Ergebnis ein variables: zuweilen entstanden akute, rasch verlaufende Krankheitsfälle, so dass die Kälber schon ca. zehn Stunden darauf starben, zuweilen verlief die erschienene Krankheit langsamer, dauerte bis fünf Tage an, und es trat dann Diarrhöe auf. Wie aus obigem Berichte hervorgeht, behaupten Lesage & Delmer also, dass die Colibazillen überhaupt nicht mit der Krankheit in Be- ziehung stehen, dass die vom Verfasser, Poels u. a. m. fast konstant im Blute und in den Eingeweiden gefundenen Colibazillen erst im Todes- augeublicke und nach dem Tode eingewanderte Bazillen sein sollten, ja auf ihre Fütterungsversuche sich stützend, bestreiten sie, dass die Krankheit überhaupt durch das Eindringen von Bakterien durch die Maulhöhle und den Verdauungskaual entstehe, und behaupten dagegen, die Krankheit gehe in der That von einer Infektion in der Nabelgegend aus. Da es sich erwiesen hat, dass auch ältere Kälber einer Ein- wirkung der pathogenen Eigenschaften des gefundeneu Coccobacillus ausgesetzt sind, und da man hei solchen nicht au eine Infektion auf dem genannten Wege denken kann, nehmen Lesage & Delmek an, die Krankheit werde bei älteren Kälbern durch Infektion durch die Respirationswege verursacht. Zu diesen Untersuchungen ist jedoch manches zu bemerken. Erstens ist es überhaupt zweifelhaft, ob die Krankheit, die das Objekt ihrer Untersuchungen bildete, wirklich ganz dieselbe ist, wie die in Deutschland die »Kälberruhr« genannte. Wenigstens scheinen die französischen Fälle öfters einen mehr langwierigen Verlauf gehabt zu haben, und die als häufig vorkommend erwähnten Gelenkentzündungen erscheinen bei unserer Kälberruhr entweder gar nicht oder nur als seltenere Komplikationen. Indes scheinen die Symptome der Krankheit in vielem und manchem doch darauf hinzudeuten, dass es diese Krank- heit gewesen sein kann. Es wird deshalb richtig sein, die gefundenen Bakterien und die denselben beigelegte Bedeutung kritisch zu betrachten. Die genannten Autoren haben über ihre Versuche mit den aus den Organen isolierten Colibazillen keine näheren Aufschlüsse mitgeteilt, wir erfahren daher nicht mit Sicherheit, ob die erwähnten negativen Resul- 768 C. 0. Jensen, täte der Fütterung- wirklich nach Anwencluug von Colikulturen, die aus dem Blute oder den Organen der angegriffeneu Kälber isoliert Avurden, erschienen, oder ob Colikulturen aus dem Darmiuhalte benutzt wurden. Behaupten Lesage & Delmer ferner, es tinde stets, wenn Spaukälber sterben, eine geschwinde massenhafte Einwanderung von Colibazillen aus dem Darm in den Blutstrom und die Organe statt, so ist das nicht völlig korrekt. Verfasser hat früher einige Untersuchungen veröffent- licht, welche darlegen, dass dies nicht immer der Fall ist, und hat sich später durch Untersuchung einer außerordentlich großen Menge gestorbener Kälber überzeugen können, dass dies zwar häufig, jedoch bei weitem nicht immer vorkommt, ja oft war es bei Untersuchung zwei Tage nach dem Tode nicht möglich, Colibazillen im Blute oder in den Organen nachzuweisen. Es lässt sich deshalb nicht ohne weiteres be- haupten, dass in jedem Kalbe nach dem Tode eine solche Einwanderung stattfinden werde. Die gefundene Coccobacillus- oder Pasteurellaform ist in allen Stücken den früher bekannten Kokkobazillen (Hühnercholera u. s. w.) ähnlich imd lässt sich gewiss nicht leicht mit den Colibazillen verwechseln. Ihr Vorhandensein kann allerdings durch die Colibazillen verdeckt werden, insofern man keine mikroskopischen Untersuchungen anstellt und keine Impfversuche an kleineren Tieren unternimmt, sondern bei seinen Untersuchungen nur Aussaat auf Gelatine oder Agar-Agar benutzt, da die Colibazillen bekanntlich imstande sind, viele andre laug- sam wachsende Bakterien zu überwuchern und deren Aufkommen zu verhindern; es ist aber nicht wohl möglich, viele Jahre hindurch mit einer Krankheit wie dieser zu arbeiten und Untersuchungen an Massen von Kälbern anzustellen, ohne den fraglichen Bacillus anzutreffen, wenn er wirklich stets vorkommt. Von einigen Fällen von Diarrhöe bei etwas älteren Kälbern abgesehen, die durch heftige Darmentzündung verursacht und von serofibrinöser Bauchfellentzündung begleitet waren, hat Ver- fasser jedoch niemals weder bei der Kälberruhr noch bei ähnlichen Leiden kleiner Kälber dergleichen Kokkobazillen angetroffen, trotzdem häufig Versuche mit direkter Impfung aus Kälbern auf Kaninchen an- gestellt wurden , wie denn auch fast immer mikroskopische Untersuchung des Blutes und der Organe stattfand. Es scheint nun auch nur wenig wahrscheinlich, dass ein so sorg- fältiger Untersucher wie Poels das Vorhandensein der Kokkobazillen übersehen haben sollte, wenn solche Avirklich aufzufinden wären. Wie oben berührt, hat Poels eine besondere Krankheit bei Spankälbern unter der Bezeichnung Septicaemia haemorrhagica aufgestellt, d. h. als eine durch den Nabel stattfindende Infektion eben durch Kokko- bazillen. Seiner Ansicht nach sind derartige Infektionen indes selten, es scheint aber, dass die Infektionen einen etwas verschiedenen Verlauf nehmen können, indem außer den Kokkobazillen auch noch andere Bak- terien auf demselben Wege einzudringen vermögen. Poels sondert diese seltenere Infektion jedoch entschieden von der Kälberruhr, und gewiss mit Recht, und es scheint Verf zweifelhaft, ob die von den französischen Forschern untersuchte Krankheit sich wirklich mit Poels' Form der Septicaemia haemorrhagica zusammenstellen lässt. Es verdient ferner betont zu werden, dass Kokkobazillen in mehr oder minder virulentem Zustande nicht etwa Organismen sind, die gesunden Kälbern fremd wären, im Gegenteil, es ist eine schon längst nachgewiesene Thatsache, dass sowohl der Maulschleim als der Nasenschleim normal Kokkobazillen in großer Menge enthält, und wie es durch Untersuchungen von Olt, KälbeiTulir. 769 Baurmeistek imcl dem Verfasser dargelegt ist, dass man beim Schweine regelmäßig- Kokkobazillen im Darminhalte auch bei völlig gesundem Zustande "der Schleimhaut vorfindet, so hat der Verfasser auch durch Impfung des Darminhaltes auf Kaninchen das Vorkommen des Bacillus im Darmkanal gesunder Kälber zu konstatieren vermocht. Beim Beurteilen der Bedeutung der gefundenen Kokkobazillen ist auch zu bedenken, dass ihre Virulenz für Kälber in der That eine äußerst geringe war; sogar Verfütterung von 1/2 Liter Kultur brachte keinen Schaden, meistens auch nicht die subkutane Impfung, ja selbst die intra- venöse Injektion gab variable Resultate, und um ein sicheres Resultat zu erzielen, musste man vorher die Virulenz steigern, indem man die Bak- terien durch Kaninchen hindurchpassieren ließ. Es wird deshalb zweifel- haft, ob man dem betonten Vorkommen der genannten Bakterienform im Darminhalte und im Nasenschleime überhaupt irgend welche Bedeutung in ätiologischer Beziehung beilegen kann. Ihr Vorkommen und ihre Be- deutung bei Gelenkleiden lassen sich dagegen sicherlich nicht bezweifeln, diese sind aber, wenn sie überhaupt bei Kälberruhr vorkommen, nur als Komplikationen aufzufassen, die sehr wohl von der sekundären Ein- wanderung des Bakteriums herrühren können. Dem konstanten Vor- kommen von Kokkobazillen im Blute der kranken Tiere wäre dagegen größeres Gewicht beizulegen, an diesem Punkte stehen Besage & Delmers Untersuchungen aber im schärfsten Widerspruche mit den von Poels beobachteten Verhältnissen und mit den Untersuchungen des Verfassers, die sich auf eine lange Reihe von Jahren erstrecken und Hunderte von Fällen der Krankheit betreffen. Es ist möglich, dass Epidemieen vor- kommen können, wo es sich wie von den französischen Untersuchern angegeben verhält, jedenfalls ist dies aber nicht die Regel. Wenn Besage & Delmer ferner behaupten, die Aufnahme des An- steckungsstoffes könne nicht durch die Maulhöhle und den Verdauungs- kanal geschehen, weil ihre Fütteruugsversuche mit dem Kokkobazill ein negatives Resultat gaben, so ist dies selbstverständlich ein völlig unberechtigter Schluss, nachdem es seit langem unter anderem durch Untersuchungen von dem Verfasser und von Poels dargethan ist, dass Verfütterung einer geringen Menge (1 — 2, ja auch nur V4 ccm frischer Bouillon-) Kultur der Colibazillen , die aus kranken Kälbern isoliert wurden, die charakteristische tödliche Ruhr erregt. Wenn Lcsage & Delmer annehmen, frühere Untersucher hätten mit unreinen Kulturen, mit Mischungen von Colibazillen und Kokkobazillen gearbeitet, so ge- bricht es dieser Annahme an jeglicher Berechtigung; übrigens fällt dies durchaus nicht ins Gewicht, denn während die französischen Forscher nicht imstande waren, durch Verfütterung enormer Mengen ihres Cocco- bacillus die Kälber zu infizieren, gelang dies dem Verfasser und Poels, wie genannt, konstant durch Verfütterung ganz kleiner Mengen von Colibazillen. Es muss dahingestellt bleiben, ob Besage & Delmer mit einer Nabeliufektion oder mit einer Kombination der Kälberruhr und einer Nabelinfektion zu thun hatten. Eine andere Reihe von Untersuchungen wurde von Nocard^' i" an- gestellt, der sich eine Zeitlang in Irland aufhielt, um einige besonders bösartige Kälberkrankheiten, vorzüglich eine Pneumonie und die soge- nannte »white scour« zu studieren. Letztere Bezeichnung wird seit jeher in der englischen und amerikanischen Litteratur gerade für die Kälberruhr benutzt. Die von Nocard gegebene Beschreibung der an- Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. III. 49 770 C. 0. Jensen, getroffeneu Krankheit deckt sicli zwar nicht durchaus mit der Kälber- ruhr, iudem auch hier Fälle vorzukommeu scheinen, die vielleicht A'iel- mehr einer aS^abeliufektion zuzuschreiben wären; so kommen Gelenkleiden relativ häutig vor. Im großen und ganzen passt die Beschreibung indes auf unsere Krankheit, wie die irische white scour auch gerade während der ersten Tage nach der Geburt auftritt. Nocard giebt an, dass bakteriologische Untersuchungen der frischen Fälle kein sicheres Resultat lieferten, iudem er außer Colibazillen und Pseudocolibazilleu noch eine lange Reihe verschiedener anderer Bakterieuformen isolierte, uud dass es ihm erst gelaug, zu einem vermutlich sicheren Resultate zu kommen, als ihm ein Fall in die Hände geriet, in welchem Gelenkentzündung auftrat. Aus diesem isolierte er eine Pasteurellaform , die sich nach Einimpfung als für Kälber pathogene Eigenschaften besitzend erwies. Die veröffentlichten Versuche sind jedoch keineswegs überzeugend, was die Frage betrifft, ob diese Bakterienform mit der Kälberruhr in Beziehung steht, indem es erst durch Injektion großer Mengeu Kultur direkt in das Blut gelaug, krankhafte Veränderungen hervorzurufen. Aus dem Vorliegenden lässt sich wohl kaum mit Sicherheit feststellen, ob NocARD wirklich mit unserer Kälberruhr zu schaffen hatte, oder ob er eine andere Krankheit oder vielleicht eine Komplikation von Infek- tionen, die von der Nabelgegend ausgingen, mit der Kälberruhr vor sich hatte; seine Untersuchungen erschüttern aber keineswegs die durch frühere Versuche festgestellten Thatsachen in betreff des Zusammen- hanges der Kälberruhr mit dem Colibacillus. Der Verfasser hat seit seinen Publikationen über die Aetioloeie der Kälberruhr seine Untersuchungen eine Reihe von Jahren hindurch fortgesetzt und in der weitaus vorwiegenden Anzahl von Fällen der Krankheit stets eine Art von Colibazillen als deren Ursache nachzuweisen vermocht, und es ist ihm gelungen, einen ferneren Beweis für die ätiologische Bedeutung des Colibacillus zu beschaffen, indem er ein Immunserum gegen diese Colibazillen herzustellen vermochte, das sich mit Sicherheit als Vorbeugungsmittel in den verheerten Be- ständen anwendbar erwiesen hat*). Wir haben also fortdauernd die Kälberruhr als eine während der ersten Tage nach der Geburt entstandene Darminfektion zu betrachten. Während der Verfasser in seiner ersten Publikation nur den Coli- bacillus als Erreger der Kraukheit nennt, hat Poels konstatiert, dass auch ein »Pseudocolibacillus« und die Pseudomonas pyocyanea — wenn auch weit seltener — ähnliche Erkrankungen bedingen können, und später hat der Verfasser ganz einzelne Ausbrüche der Krankheit untersucht, die mit dem Bacillus aerogenes und mit Proteusformeu in Beziehung zu setzen sind. Im folgenden werden wir die einzelnen dieser Formen der Kälberruhr näher besprechen. *j Wie wir später bespreclien werden, kommen bei den verschiedenen Ans- briichen der Kälberriihr verscliiedene Rassen von Colibazillen vor; diis dargestellte Serumjiat vollkommen immunisierende Wirkung auf einige derselben (ist mitbin in einigen Beständen brauchbar), ist gegen andere aber unwirksam. Kälberruhr. 771 1. Colibazillose. Der sogenannte Colibaeillus, oder besser, der Bacillus coli communis wurde bekanntlich im Anfange der achtziger Jahre zum ersten Male von Emmerich isoliert, und unter der Bezeichnung »Bacillus Neapoli- tanus« wurde er mit der asiatischen Cholera in Verbindung gesetzt; später wies Weisser nach, dass dieser Bacillus häufig im Darmiuhalte des Menschen vorkommt, und dass er folglich durchaus nicht mit der Cholera in Beziehung stehen kann. Die Aufmerksamkeit wurde jedoch erst näher auf denselben gelenkt, als Escherich ihn 1885 als konstant im Darminhalte kleiner Kinder angab und ihm den Namen Bacterium coli commune beilegte. Es erschienen nach und nach eine große Menge Untersuchungen, welche darlegten, dass dieses Bakterium konstant im Darminhalte, vorzüglich im Dickdarminhalte und in den Faeces des Menschen, und el)enfalls bei den meisten Säugetierformen vorkommt. Bald zeigte sich jedoch auch, dass man ganz ähnliche Bakterien bei einer Reihe verschiedener Krankheitsprozesse des Menschen findet, so bei Leiden des Harnweges, Leiden der Gallengänge, bei Abszessen und unter vielen anderen Verhältnissen. Es zeigte sich ebenfalls, dass man bei Krankheiten der Tiere ähnliche Bakterien finden kann, so bei der Euterentzündung der Kuh, bei Nieren- und Blasenentzünduugen, bei Endokarditiden u. s. w. ; und ferner, dass dieselben auch sowohl beim Menschen als bei Tieren häufig in den Blutstrom eindringen, zuweilen unter Verhältnissen, die es wahrscheinlich machten, dass die Bakterien die vorhandenen Fiebererkrankungen erregt hatten. Nach und nach erschienen viele verschiedene Beobachtungen, die ferner darauf hin- deuteten, dass der Colibaeillus trotz seines konstanten Vorkommens im Darminhalte mehr oder weniger bösartige Darmleiden sowohl beim Menschen als bei Tieren verursachen könnte. Ein wenig später erhoben sich Zweifel, ob alles, was man Colibazillen nannte, in der That zu derselben Form gehöre. Von französischer Seite wurde darauf aufmerk- sam gemacht, dass dieses Bakterium in vielen Beziehungen an den Typhusbacillus erinnere, und man glaubte, als Thatsache feststellen zu können, dass sowohl der Typhusbacillus als der Colibaeillus außerordent- liche Variabilität besitze, ja man ging sogar so weit, dass man all- mählich den Typhusbacillus nur als eine Varietät des Colibaeillus be- trachtete, die unter nicht näher bekannten Umständen entstanden sei. Es erschien deshalb eine ziemlich bedeutende Verwirrung der Begriffe, teils in betreff der Aetiologie des Typhus, besonders aber in betreff des Colibaeillus und seines Verhaltens zu den verschiedenen Leiden, bei welchen er augetroffen wird; erst nach und nach ist es gelungen, einige Klarheit über die hierher gehörenden Fragen zu erhalten, und es ist jetzt als durchaus sicher zu betrachten, dass der Name Bacillus coli communis keine einzelne Bakterieuform, sondern in der That eine Bakteriengruppe, möglicherweise mit einer sehr großen Anzahl Arten oder Varietäten bezeichnet, ja sogar völlig differente Arten umfasst. Die bezüglichen Untersuchungen sind indes bei weitem noch nicht zum Abschlüsse gebracht, und überhaupt wird es gewiss schwierig sein, innerhalb einer Gruppe wie dieser durchaus sichere Arten oder Unterarten aufzustellen. In seiner ersten Abhandlung (1892) gab der Verfasser eiue kurze Beschreibung der bei spontanen Erkrankungen gefundenen Bakterien und wies auf deren große Aehnlichkeit mit den damals noch nicht näher 49* 772 C. 0. Jensen, iintersncliteu Bakterien des normalen Darmiulialtes hin; durch Versuche an Käll)eru zeigte er ferner, dass eine Coliform anderen Ursprunges (Bacillus foetidus lactis*)) imstande war, eine chronische Kuhr mit Entleerung weißer, lehmartiger Faeces (Acholie) von ganz ähnlichem Verhiufe wie die weniger akuten Fälle der Kälberruhr zu erregen. Da- gegen yermochten Kulturen von Darmbakterien aus gesunden Kälbern bei neugeborenen Kälbern nur eine leichte, vorübergehende Diarrhöe hervor- zurufen. Trotz letzteren Resultats hob der Verfasser die Wahrschein- lichkeit hervor, dass das Kälberruhrbakterium nur als ein Darmbakterium (Colibacillus^ zu betrachten sei, das auf irgend eine Weise virulente Eigenschaften erworben habe, und diese Ansicht stützte er auf Versuche, welche zeigten, dass die Eingabe einer geringen Menge Kreolin (Pyoktanin oder Jodtrichlorid) mit der Milch bei Spankälbern heftige, oft hämor- rhagische Diarrhöe erregte, die geschwind mit dem Tode endete oder auch sich in die Länge ziehen ließ. Im Blute und in den Organen der auf diese Weise ergriffenen Tiere fanden sich Colibazillen in Menge, und mit diesen angelegte Kulturen erwiesen sich bei Versuchen als für Kälber virulent und verhielten sich also ganz ebenso wie die Bazillen aus den spontanen Erkrankungen. Der Verf. zog aus diesen Versuchen den Schluss, dass die genannten Stoffe die Darmschleimhaut des jungen Tieres gereizt und hierdurch die Einwanderung der Darmbakterien be- günstigt hätten, die bei dieser Passage ins Blut in den Besitz stärkerer virulenter Eigenschaften gekommen seien. Dieser Ansicht trat Poels entgegen. Er stellte Fütterungsversuche mit Colibazillen aus gesunden Tieren an und fand, dass diese entweder für Kälber ganz avirulent waren oder doch nur eine leichte Diarrhöe er- regten, die nicht mit der Kälberruhr zu vergleichen Avar. Die Versuche mit Eingabe von Kreolin wiederholte er, indes mit negativem Resultate, und er schließt hieraus, dass die Kälberruhr von Infektion mit einer bestimmten virulenten Form oder Art von Colibazillen herrühre, die mit den normalen Darmbewohnern nichts zu thun habe. Die virulenten Coli- l)azillen seien in den infizierten Ställen, vorzüglich aber in der Scheide der Kühe und möglicherweise auch in deren Darminhalte und Faeces zu finden. In einer späteren Abhandlung verwies der Verfasser^ auf neue Versuche mit Kreolinbehandlung, die dasselbe Resultat gaben wie die früheren : tödliche , durch Einwanderung von Colibazillen verursachte Darmentzündung. Ferner verweist er auf das übrigens auch von Poels hervorgehobene Factum, dass neugeborene Kälber während der ersten 24 Stunden das Füttern mit gekochter Milch nicht vertragen können, sondern hierdurch gewöhnlich heftige, oft hämorrhagische Diarrhöe be- kommen, die schnell den Tod herbeiführt. Durch die angestellten Unter- suchungen hat er ganz dieselben Veränderungen und bakteriologischen Verhältnisse wie bei der spontanen Kälberruhr konstatiert, und er be- trachtet diese Thatsachc als einen neuen und sicheren Beweis, dass die normalen Darmbakterien imstande sind, virulente Eigenschaften anzu- nehmen und Enteritiden zu erregen. Ferner teilt er mit, dass bei den verschiedenen Ausbrüchen der Krankheit verschiedene Arten oder Varietäten des Colibacillus vorkommen, und auch aus *) 1887 vom Verf. als Ursache häufiger Fehler der Milch und der Butter ge- fanden. Kälberruhr. 773 diesem Grunde kann er der Ansicht Poels nicht beitreten, dass die Kälberruhr von einer bestimmten, virulenten Art von Colibazillen her- rühren sollte, wenngleich er nicht annimmt, dass jede Coliart oder -Varietät virulente Eigenschaften erwerben könne. Der Verfasser^ hat umfassende Studien der Colibazillengruppe unternommen, indem ca. 150 Formen aus dem Darmiuhalte von Menschen, verschiedenen zahmen und wilden Tieren, aus Enteritiden, aus Leiden der Harnwege u. s. w. hierzu benutzt wurden. Die Untersuchungen umfassten das Vermögen der Formen, die ver- schiedenen stickstoffhaltigen Stofie (Albuminstoöe , die verschiedenen Albumosen und Peptone; C41utin und Gelatosen; Amidverbindungen, Imid- und Ammouiakverbindungen; Hexonbasen u. s. w.) auszunutzen; es zeigten sich hierin aber keine auffälligen Verschiedenheiten, die durch Forderungen einzelner Formen verursacht wären. Es wurden ferner Untersuchungen über das Vermögen der Formen, Zuckerarten und polyvalente Alkohole zu vergären, angestellt. Den gewöhnlich gebrauchten Zuckerarteu (Dextrose und Laktose) gegenüber verhielten die Formen sich wesentlich auf dieselbe Weise (d. h. sie spal- teten den Zucker unter Säurebildung und Gasentwicklung), nur einzelne Formen gaben keine Gasentwicklung. Schon gegen die Saccharose ver- halten sich die Coliformen — wie von Th. Smith migegeben — auf verschiedene Weise, indem einige diese Zuckerart vergären, andere aber nicht hierzu imstande sind, und dieses verschiedene Gärungsvermögen tritt ebenfalls hinsichtlich der Raffinose, den Pentosen, den polyvalenten Alkoholen u. s. w. hervor, so dass man das Gärungsvermögen, eine konstante Eigenschaft, die sich jahrelang bei Kultur wesentlich unver- ändert erhält, als Basis einer Gruppierung der zur Coligruppe gehören- den Formen benutzen kann. Auch gegen die organischen Säuren verhalten sieh die Coliformen auf verschiedene Weise. Keine derselben scheint Oxalsäure oder die fetten Säuren (Ameisen-, Essig-, Butter- oder Valeriausäure) ausnutzen zu können; dagegen werden Bernsteinsäure, Milchsäure, Apfelsäure, Weinsäure, Zitronensäure, Glukonsäure, Zuckersäure, Schleimsäure u. s. w. von diesen Bakterien als Kohlcnstoffquelle benutzt, so zwar, dass einige Coliformen sich nur einige dieser Säuren, andre wieder nur andre nutz- bar machen können. In dieser Beziehung giebt es großen Unterschied, sogar stereoisomere Säuren können sich verschieden verhalten, und wir besitzen auch an diesem Verhalten ein recht gutes Unterscheidungszeichen der einzelnen Coliformen. *) Bei den angestellten Untersuchungen zeigte es sich nun, dass die aus verschiedenen spontanen Aus1)rüchen der Kälberruhr angelegten Kulturen sich oft in ihrem Gärungsvermögen wie auch in ihrer Be- ziehung zu den genannten organischen Säuren ziemlich verschieden ver- halten. Als Beispiel des verschiedenen Gärungsvermögens kann untenstehendes Schema für einige Käll)erruhrbakterien dienen. S bezeichnet Säurebil- duug, L Gasentwicklung, 0, dass keine Zersetzung des Stoffes statt- tindet. *) Zu den Untersuchungen bedient man sich am bequemsten einer neutralen Lösung des Ammoniaksalzes der betreffenden Säure, mit Zusatz der erforderlichen Salze [z. B. ein wenig Asche von Fleischextrakt. 774 C. 0. Jensen, Monohexosen Pentosen Disacchariden Trisac- chariden Polyvalente Alkohole Kälber- C3 o ff) nilir- •^ S O 03 CO JC^cS es O Ö 00 O o 13 • r-l OQ a CS m O 1— ( 'S. "03 C .-^ :S n ü cS o CS "5 ff) o '»-1 4-9 •P-« o •t-t t-l Q '5 i3 es 1 cri^o fe Ol <3 X « s J c» p:3 S 3 w Nocard, Rec. de med. vet., 188r). — 10 Ders., The journ. of eomparative pathology and therapeu.tics, J902. — " Obich, Woch. f. Tierheilk. u. Viehzucht, 1805. — i^ Piana, L'allevatore, 1895. (Ref Cen- tralblatt f. Bakt., Bd. 18.) — i» Poel.s, Rapport over de Kalverziekte in Nederland. Gravenhage 1899. — ^ Thümassen, Annales de med. vet., t. 46, p. 542, 1898. — lä Willerding, Arch. f. wiss. u. prakt. Tierheilk., Bd. 25, S. 93. Handbncli der pathogenen MilToorganismen. III. 5Q XXIII. Die Eiterimgen bei den Haustieren. Von Friedrich Giage in Hamburg. Während mau früher die Eiterung für das spezifische Werk einer sehr geringen Zahl von Mikroorganismen ansah, da bei den grund- legenden Untersuchungen von Ogston, Rosenbach, Passet, Garre, Fehleisen u. a. im Eiter stets dieselbe kleine Anzahl von Keimen auf- gefunden wurde, durch welche auch zuverlässig wiederum Eiterung bei dem Menschen und den Tieren hervorgerufen werden konnte, ergaben die späteren Forschungen, dass die Fähigkeit, Eiterung zu erzeugen, einer verhältnismäßig sehr großen Zahl von Mikroorganismen eigen ist. Die Eiterung stellt lediglich eine bestimmte Stufe in den Entzüudungsprozesseu dar. Selbst die pyogenen Staphylokokken und Streptokokken, welche man als Ursache der Eiterung anzusehen sich gewöhnt hatte, erwiesen sich bei d-er weiteren Erforschung ihrer biologischen Verhältnisse als Organismen, die zwar mit besonders starker pyogener Fähigkeit aus- gestattet sind, indessen nur in der Mehrzahl der Fälle beim Eindringen in den Tierkörper thatsächlich pyogen werden. Man kann deshalb nicht von ausschließlich pyogenen Kokken sprcclien. Die Liste der Keime, bei welchen pyogene Eigenschaften ermittelt wurden, vergrößert sich ständig. Während Rosenbach mit Hilfe des Kocnsclien Plattenverfahrens im Jahre 1884 fünf Species isolieren konnte, hielt Doyen im Jahre 1891 die pyogene Wirkung von mehr als 20 Arten für bewiesen. Lemiere zälilt bis 38 Eitererreger. Nach Jordan kommen beim Menschen als wiclitigste Eitererreger in Frage der Staphylococcus pyogenes aureus, der StapliyloGoccus pyogenes albus, der Staphylococcus pyogenes citreus, der Streptococcus pyogenes, der Stapliylococcus cereus albus und der Streptococcus flavus Passet, der Micrococcus pyogenes tenuis Rosenbacb, der Micrococcus tetragenus Gafl"ky, der Pneumococcus Fränkel- Weichel- baum, der Bacillus pyogenes foetidus Passet, der Typhusbacillus, das Bacterium coli commune und der Bacillus pyocyaneus. Kurt Müller rechnet dazu an Keimen mit gelegentlich pyogenen Eigenschaften den Tuberkelbacillus, den Gonococmis, tlen Strahlenpilz und den Rotzbacillus. Ebenso wie beim Menschen sind auch bei den Haustieren die Eite- rungen ausgesproclien polybakterielle Prozesse. Dabei sind die Eitererreger teils mit denjenigen des Menschen identisch, teils finden sich Die Eiterungen bei den Haustieren. 787 besondere Species vor, welche für den Menschen keine Virulenz besitzen. Auch bei den Tieren rekrutieren sich die Eitermikroorganismen aus den verschiedensten Gruppen der Bakterien. Bald trifft man dabei die Keime in Reinkultur in dem Eiter an, ein anderes Mal sind mehrere Erreger gleichzeitig in demselben vorhanden oder sie finden sich gemischt mit saprophytischen Bakterien verschiedenster Art. Als Eiterereger sind Kokken, Bakterien, Bazillen, Aerobier und Anaerobier, bekannt, jedoch ist die Fähigkeit, Eiter zu erzeugen, in sehr ungleich hohem Grade den einzelnen Arten eigen. Während sie bei den Drusestreptokokken den fast ausschließlichen pathogeuen Effekt ausmacht, tritt sie z. B. bei dem Eotzbacillus gegenüber der sonstigen pathogeneu Wirkung sehr in den Hintergrund. Die bis jetzt bei den Haustieren ermittelten Eitererreger sind der Staphylococcus pyogenes aureus, albus, citreus, der Botryo- coccus ascoformans, der Streptococcus equi und Streptococcus pyogenes, der Bacillus pyelonephritidis und der Bacillus pyo- genes suis. Gmelin fand ferner einen spezifischen Eitermikroorganismus bei der »Lähme« der Kälber, Voges einen obligaten Anaerobier als Ursache einer periartikulären Phlegmone des Rindes. Als Eitererreger des Rindes nennt Lucet den Staphylococcus pyogenes bovis, den Streptococcus pyogenes bovis, den Bacillus pyogenes bovis, den Bacillus liquefaciens pyogenes bovis und den Bacillus c ras SU 8 pyogenes bovis. Ein von Hericourt & Richet unter dem Namen »Staphylococcus pyosepticus« als eine besondere Art hin- gestellter Eitermikroorganisnnis gleicht dem Staphylococcus pyogenes albus, der Staphylococcus Sohnle darf auch nur als eine Varietät des Staphylococcus pyogenes aureus angesehen werden. Seltener wurden bei Haustieren gefunden das Bacterium coli commune, der Bacillus pyocyaneus, der Bacillus pyogenes foetidus, der Micrococcus tetragenus und Staphylococcus cereus albus. Dieckerhoff & Grawitz beschreiben ein Stäbchen als Ursache einer pustulösen Derma- titis des Pferdes. Bei Kaninchen wurde von Schlmmelbusch im Eiter ebenfalls ein Bacillus angetroffen. Weniger wichtig mit Rücksicht auf das gesamte pathogene Verhalten ist die eitererregende Kraft bei den Rotz- und Pseudorotzbazillen und den Nekrosebazillen. Ein von Grips im Eiter bei Rindern aufgefundener, angeblich eine besondere Art repräsentierender Bacillus dürfte mit dem Nekrosebacillus iden- tisch sein. Der wiclitigste Eitererreger des Rindes wurde erst kürzlich von Künnemann beschrieben. Nach den Untersuchungen des Verfassers ist das von Künnemann als eine besondere Art hingestellte Stäbchen in- dessen identisch mit dem Bacillus pyogenes suis. Vorkommen der pyogenen Staphylokokken und Strepto- kokken des Menschen bei den Haustieren. Die gemeinsten Eitererreger des Menschen, der Staphylo- coccus pyogenes aureus, albus, citreus und der Streptococcus pyogenes, sind auch bei den Haustieren liäufig anzutreffen und müssen beim Pferde als die regelmäßige Ursache der Eiterung- gelten. Lucet trat 1894 für die Identität der Eitermikroorganismen des Pferdes mit denjenigen des Menschen auf Grund seiner Untersuchungen 50* 788 Fr. Glage, ein. ebenso urteilten Schütz, Nocard, Jex.sex und andere Autoren, wie das nachstehende kasuistische Material erg-iebt. Luc ET hatte 93 Fälle a'ou Eiterung-en beim Pferde bakteriologisch ii-eprüft und zwar 8 Druseabszesse, 7 Eiterungen als Komplikation katarrhalischer Erkrankungen der oberu Luftwege, 21 heiße Abszesse, 3i) eitrige Entzündungen im Anschlüsse an traumatische Einwirkungen, 19 Eiterungen nach chirurgischen Eingriffeu und 2 Zahneiterungen. In 86 Fällen fanden sich die genannten pyogenen Mikroorganismen des Menschen im Eiter vor, entweder der eine oder der andere allein oder mehrere zusannnen, mit Ausnahme des Streptococcus pyogenes, den LucET niemals antraf. Am häufigsten w^ar der Staphylococeus pyogenes albus, nämlich in 3/4 der untersuchten Fälle. In 11 Befunden war der Staphylococeus pyogenes albus in Reinkultur, in 63 mit anderen ge- ndscht. Den Staphylococeus pyogenes aureus ermittelte Lucet dreimal in Reinkultur, 44 mal in Gemengen mit anderen Eitererregern, den Staphylococeus pyogenes citreus 18 mal und den Staphylococeus cereus zehnmal. Kach Schütz und Nocard, die gleiche Resultate Avie Lucet erhielten, werden die Eiterungen (und Septikämieen) bei Pferden mit seltenen Ausnahmen durch Staphylococeus pyogenes aureus und albus verursacht, nur zweimal fand Schütz in Abszessen den Staphylococeus jjyogenes citreus. Jensen ermittelte bei den Eiterungen des Pferdes gleichfalls Staphylokokken. In einem Abszess fand er den Staphylo- coceus pyogenes albus, in einem anderen am Buggelenk entstandeneu und einem dritten in der Sattellage den Staphylococeus pyogenes aureus, in zwei Fällen von purulenter Lymphangioitis dagegen den Streptococcus pyogenes. In dem Nasenausflusse von 65 an Druse erkrankten Pferden konnten neben den spezifischen Streptokokken von Bermbach durch Ausstriche auch Staphylokokken nachgewiesen werden. Am häufigsten wuchs in den angelegten Platten der Staphylococeus pyogenes albus, weniger reichlich der Aureus und Citreus. Der Gehalt an Stapliylokokken war am höchsten in den ersten Krankheitstagen, solange das Sekret wässerig bis schleimig blieb. Bei chronischen Entzündungen der Lymph- drüsen im Kehlgange des Pferdes stieß Schwarznecker in Eiterherden, welche sich in den bindegewebig indurierten Lymphdrüsen eingelagert fanden, auf den Staphylococeus pyogenes albus, ein Fund, der differential- diagnostisch gegenüber der Rotzkrankheit bemerkenswert ist. Auch Hell traf in verschiedenen Abszessen beim Pferde den Staphylococeus pyo- genes aureus und albus, bisweilen gemeinsam mit Botryokokken, ebenso Bossi bei eitrigen Gelenkwunden, gelegentlich neben dem Streptococcus pyogenes und dem Bacterium coli eonnnune. Mitteilungen von Foth, ZscüOKKE und BoLDONi bringen weitere Beispiele dafür, dass die pyo- genen Kokken des Menschen aucli beim Pferde häufig vorkonmien. Besonders bemerkenswert sind die Funde von p^-ogenen vStaphylokokkeu und Streptokokken bei der pyämischen, metastatischen Gelenkentzündung, bei der sogenannten Lähme. Mit dem Begrifle »Lähme«, welcher eigentlich weiter nichts l)esagt, als dass die erkrankten Tiere erhebliche Störungen im Ge- brauche des Bewegungsapparates zeigen, umfasste man frülier eine ganze Reihe von Krankheiten, die ihrem Wesen nach so verschieden waren, dass Träger die Lähme als ein wahres »Krankheitslexikon« ansprechen zu sollen glaubte. Mit der fortschreitenden Vervollkonmmung der Diagnostik j.st der Ik'griff" eingeengt worden, besonders nach den Untersuchungen Bollinüehs, und dem Gros, den septischen und Die Eiteraugen bei den Haustieren. 789 pyämisohcu, sich in den ersten Tagen naeli der Geburt einstellenden Polyartliritideu, verblieben. Die Krankheit, welche vornehmlich bei Fohlen und Kälbern vorkommt, ist eine vom Nabel ausg-ehende Wundinfektion, fUr welche bei der vielfach mangelhaften Nabelpflege durch Verunreinigungen des Nabels mit den im Dünger und Stallboden reiclilich vorhandenen Infektiousstoffen häufig Gelegenheit geboten ist. Bisweilen tritt die Lähme enzoo tisch auf. Grade solche Fälle, die man in edeln Zuchten und Gestüten nicht selten beobachtete, sind es, welche die Bedeutung der Krankheit für die Pferdezucht innner wieder vor Augen führen , da die Aufzucht junger Tiere sehr schwierig werden kann. Gmelin erwähnt in einer eingehenden Arbeit die erhebliehen Verluste, welche das württembergische Landgestüt Marl)ach durch die Lähme erlitt. In den Jahren 1871 — 1880 betrug der Abgang an Füllen jährlich durchschittlich 5^, in den Jahren 1881 — 1889 jährlich 4^. Von den erkrankten Tieren verenden nach Bollingek und Hering 70 — 75^, diejenigen, welche die Infektion überstehen, bleiben in der Entwicklung zurück und können Deformitäten der Gelenke be- halten, welche den Gebrauchswert der Tiere stark herabsetzen oder über- haupt illusorisch machen. Das Sektionsbild hat im wesentlichen die Signatur einer Pyämie oder Septikämie. Die Nabelwunde kann Entzündung, Abszessbildung, ditfuse eitrige Infiltration oder geschwürige Entartung aufweisen, in anderen Fällen auch abgeheilt sein, Avährend in der Tiefe eine fort- schreitende eiterige oder jauchige Entzündung der Nabel vene sich etab- liert hat. Weiterhin ergiebt die Sektion Metastasen in den verschiedenen inneren Organen und eiterige Entzündungen der serösen Häute, der Synovialmembran der Gelenke, besonders oft im Knie- und Sprunggelenk, ebenso der Sehnenscheiden, und dazu fällt nicht selten eine eiterige Iritis auf. Nach Ostertag sind die Gelenkentzündungen nicht rein- eiterige, sondern serös-eiterige oder sero-fibrinöse. In Fällen, in denen ein septikämischer Charakter der Lähme mehr hervortritt, stellen die trübe Schwellung der großen Parenchyme und multiple kleine Blutungen unter den serösen Häuten die wesentlichsten Abweichungen dar. Außer früheren wenig detaillierten, bakteriologischen Unter- suchungen der Füllenlähme, die von Uffreduzzi, Türner u. a. vor- genommen wurden, liegi eine 1901 erschienene Arbeit von Sohnle vor, die sich mit der Aetiologie der Krankheit beschäftigt. Nach Sohnle ist der Erreger der Lähme ein Coccus, welchem der Autor die folgenden morphologischen und biologischen Eigenschaften zuschreibt: »Die Ursache der Lähme ist ein Kapselcoccus. Seine Größe schwankt zwischen 0,5 — 1 /<. In den kranken Gelenken, Sehnenscheiden, im Blute der Fohlen sowie in der Gebärmutter der mit AusÖnss behafteten Mutter- stuteu findet man ihn gewöhnlich als Diplococcus, aber auch zu mehreren Exemplaren vereinigt, häufig als Tetradencoccus. Der Hof, der die Kokken umgiebt, ist sehr deutlich und in künstlichen Kulturen selbst noch in der dritten und vierten Genei'ation sichtbar. Die Hülle, ohne Zweifel eine Schleim- schicht, nimmt den Farbstoff nicht an. Sie vermittelt die Kohäsion bezw. Aneinanderlagerung der einzelnen Kokken. Die Färbung gelingt mit den ge- Avöhnlichen Anilinfarben, sowie nach Gram. Auf den gewöhnlichen Nähr- böden wächst der Erreger gut, bei Bruttemperatur besser als bei Zimmer- wärme. In Platten auf Fleischwasserpeptongelatiue bilden sich 24 Stunden nach der Aussaat, bei einer Temperatur von 15°, nadelstichgroße, weiße 790 Fr. Glage, Pünktchen, welche inmitten einer Verflüssigungszone liegen. Nach 24 Stunden vertiüssigt sich die Gelatine. Die einzelnen Kolonieen schwimmen als feine, silbergraue Schüppchen in dem Üüssigen Nährboden. Betrachtet man diese Schüppchen unter dem Mikroskop bei öOfacher Vergrößerung, so stellen sich dieselben als gelbliche, runde bis länglich-ovale Kolonieen dar, bestehend aus einem dunkeln Centrum und einer helleren Peripherie. An der peripheren Zone lässt sich ein feines, vielumschlungenes, wellig gewundenes Maschen- werk mit deutlicher Körnung unterscheiden. Im Gelatinestich bildet sich bei derselben Temperatur in dem Stichkanal entlaug innerhalb 11 Stunden ein silbergrauer Faden, welcher von einer dünnen Schicht vertlüssigter Gelatine umgeben ist. Nach ca. 24 Stunden verflüssigt sich das obere Ende des Einstiches trichterförmig. Der Verfltissigungstrichter, in eine feste Gelatine- schicht eingeschlossen, senkt sich mit seiner Spitze langsam und allmählich nach abwärts, um nach geraumer Zeit auch die ihn umgebende starre Gelatine- ■\vand in den Verflüssigungsprozess mit hineinzuziehen. Der ganze Yer- tlüssigungsvorgang ist unabhängig von der Außentemperatur. Bei einer Zimmerwärme von 10'^' lässt sich noch 4 Wochen nach dem Stich die trichter- förmige Einsenkung innerhalb einer festen Gelatine schön beobachten, während bei höherer Zimmertemperatur eine allgemeine Verflüssigung schon in wenigen Tagen eintritt. Auf Agar lassen sich die Mikroorganismen bei einer Bruttemperatur von 37° am besten kultivieren. Sie wachsen auf der Oberfläche und im Stiche, auf der Oberfläche als weiße, saftige oder gelbe Auflagerungen. Der weiße Belag wird nach einigen Tagen gelb. Die gelbe Färbung breitet sich von der Peripherie gegen das Centrum aus. Häufig gruppiert sich das Ober- flächenwachstum um die Einstichstelle in blattartiger Zeichnung. Bei üppiger Vegetation dagegen nimmt es die ganze Agarfläche bis zum Glasrande gleich- mäßig ein. Im Agarstiche wachsen die Kulturen als breite, bandartige, seg- mentierte, gekörnte, gelbe Streifen mit deutlich gezähnelten Räudern. Auf der Agarplatte entwickeln sich bei 37° binnen 24 Stunden auf der Ober- fläche und in der Tiefe der Agarschicht stecknadelkopfgroße, rundliche oder ovale, weiße Kolonieen. Die oberflächlich gelegenen zeigen Perlmutterglanz, prominieren über den Nährboden und konfluieren nicht selten. Nach 1 — 2 Tagen färben sich die Kolonieen intensiv gelb. Sät man recht wenig Keime aus, so erreichen die einzelnen Herde nach 3 — 4 Tagen die Größe einer Erbse und darüber. Mikroskopisch betrachtet zeigen die einzelnen Kolonieen ein dunkleres, rundes oder spitzovales Centrum, gleichsam als Kern, um den sich entweder halbkreis- oder kreisförmig eine dunklere homogene Schicht lagert, deren Ränder hinwiederum von einem helleren, zierlichen, aus vielumschlungenen Fäden bestehenden Maschenwerke umsäumt sind. Der Kern ist meist zentral gelagert, kann jedoch auch an die Peripherie gerückt sein. In recht gut ent- wickelten Kolonieen zeigt der Kern nicht selten seitliche Protuberanzen, sowie eine geschichtete, schollig-gekörnte Zusammensetzung. In älteren Kolonieen nimmt er an Größe ab und wird häufig polyedrisch, während die um den- selben ausgebreiteten, dunkleren und helleren Schichten an Ausdehnung zu- nehmen. Die Kulturen sind ausnahmslos fadenziehend, eine Eigenschaft, welche bei älteren Kulturen besonders auffällig ist. Der Geruch der Plattenkulturen erinnert an Essigdämpfe. In alkalischer Peptoubouillon erfolgt allgemeine Trübung. Die Flüssigkeit klärt sich jedocli bald über einem zähen, weißen, kleisterähnlichen, schleimigen Bodensatz. Beim Schütteln erhebt sich dieser schwer vom Boden sich Die Eiterungen bei den Haustieren. 791 ablösende Satz zopfartig verschlungen, um sich dann in schleimige Klumpen aufzulösen und gleichmäßig unter starker Trübung der Bouillon in der Nähr- flüssigkeit zu verteilen. Auf Kartofleln wächst der Coccus recht üppig. Er bildet auf denselben schöne, orangegelbe, feuchtglänzende, dicke Beläge. Sterile Milch fängt, bei 37^ gehalten, 48 Stunden nach der Aussaat lang- sam zu gerinnen an, indem in der Längsrichtung des Glases eine wandständige Flüssigkeitssäule klarer Molken sich abscheidet. Die Gerinnung erfolgt äußerst langsam und ist bei obiger Temperatur erst in ca. 3 Wochen vollständig. Auf zuckerhaltigen Nährmedien erfolgt keine Gasentwicklung. Auf alka- lischen Nährböden tritt Säurebildung ein. Die Nitrosoiudolreaktion geben die Kulturen nicht. Im hängenden Tropfen zeigen die Gebilde keine selbstständige Bewegung. Wir sehen sie auch hier in ungefärbtem Zustande als Mono- häufiger als Diplokokken, von einer hellen, durchscheinenden Hülle umgeben. Stoßen die in der Flüssigkeit suspen- dierten Körperchen infolge der BROWNschen Bewegung zusammen, so erfolgt sofort eine Verkittung bezw. Aneinanderlageruug. Es entstehen Gruppen von 2, 3 und 4 Exemplaren, mit der Breit- oder Stirnseite zusammengelagert.« Eine besouclerc Öpecies dürfte der Coccus nicht sein. Nach SoHNLE sind die Hanptnuterscbiedc darin zu suclien, dass die gewöhn- lichen pyogenen Stapliylokokken , was die Virulenz anbelangt, einen Vergleich mit dem Lähmeerreger auszuhalten nicht imstande sind und dass die SchleimhUlle oder Plasmarinde um den Coccus, sowie das cliarakteristisclie Wachstum in Bouillon Besonderheiten darstellen, Unterschiede, die selbst nach Sohxle bei einer Abwägung nicht allzusehr ins Gewicht fallen dürften. Mäuse starben bei subkutaner Einverleibung von 0,5 ccm der Kokken nach 12 — 24 Stunden und wiesen in der Leber, Milz und in dem Blute die Kapselkokken auf, Kaninchen innerhalb 2 — 3 Tagen unter Erschei- nungen der Septikämie. Meerschweinchen erkrankten nach subkutaner Impfung an lokalen Abszessen. Der Tod erfolgte bei den Impflingen unter starker Abmagerung oft erst nach Wochen. Bei Füllen gelang es, durch Einimpfen in die Blutbahn typische Lähme mittelst der Kokken zu erzeugen. SoHNLE nimmt an, dass die Infektion der Füllen bereits im Mutter- leibe statthabe, und erklärt das gehäufte Auftreten der Lähme dadurch, dass der spezifische Coccus durch den Deckakt von Stute auf Stute übertragen werde. Daneben könne auch eine Infektion nach der Geburt vom Nabel aus erfolgen. Dagegen hält Ostertag die intrauterine Infektion nicht für bewiesen und auch nicht für wahrscheinlich. Nach den sorgfältigen Untersuchungen von Casper und Oster- TAG handelt es sich bei der Füllenlähme um eine Form der gewöhnlichen Sepsis und Pyämie. Casper wies im Herzblute, in der Nabelvene und Milz bei zwei Füllen, die an Lähme eingegangen waren, den Streptococcus pyo genes einmal in Eeinkultur, das andere Mal mit Colibakterien zusammen nach. Oster tag hatte bei fünf Lähme- fohlen den Streptococcus pyogencs in reinem bakteriologischen Befunde. Bei den akut zu Grunde gegangenen Tieren fand sich der Streptococcus im Blute und in sämtliclien Organen, bei den nach längerem Bestehen der Krankheit getöteten dagegen nur in den ergriffenen Gelenken oder im Herzblute und im Knochenmark. Wie Ostertag durch Impfungen feststellte, können die Streptokokken die Erscheinungen der Lähme 792 Fr. Glage, nicht nur bei Füllen erzeugen, sondern es gelaug- auch, die typischen Yeränderung-en iSepsis und Polyarthritis) bei Schafen und Ziegen hervor- zurufen. Des weitereu ermittelte Ostertag, dass die Fohlen lähme und das seuchenhafte Ter fohlen nicht, wie vielfach, besonders in Züchter- kreisen, angenonunen wurde, auf der nämlichen Ursache beruht. Als Erreg:er des Yerfohlens wurde ein besonderer, an einer anderen Stelle dieses Werkes behandelter Coccus ermittelt, der sich von den geAvöhn- lichen pyogenen Streptokokken der Lähme erheblich unterschied, be- sonders dadurch, dass derselbe für Mäuse, Meerschweinchen und Kanin- chen nicht pathogen Avar. Lediglich insofern kann ein Zusammenhang ZAvischen den beiden Krankheiten bestehen, als Fohlen von Stuten, die den Infektionsstolf des seuchenhaften Abortus aufgenommen haben, für die Ansteckung mit dem Erreger der Fohlenlähme leichter empfänglich sind, da sie schAvächlicher sind, als die Fohlen normaler Stuten. Ein bei der Kalb er lähme Aon Gmelin aufgefundener Erreger ist unter den Eitermikroorganismen des Kindes behandelt Avorden, bei der Lämmerlähme Avies Buch Mikrokokken nach, ohne dieselben eingehend zu bearbeiten. Den Streptococcus pyogenes ermittelte Casper ferner als Ursache eines hartnäckigen Ekzems am SchAveife bei Pferden. Das Leiden l)egann stets an den Seitenflächen und der unteren Seite der SchAveifwurzel, etAva da, avo der Schwanzriemen zu liegen pflegt. Zuerst schied sich ein klares Sekret ab, dann bildeten sich gelbliche Krusten und entstanden allmählich tiefe Rhagaden, Das Exsudat Avar von grauer Farbe. Es sah nicht aus Avie Eiter, enthielt indessen massenhaft Leukocyten. ZAvischen den letzteren fanden sich Kokken meist zu zweien, aber auch einzeln und solche in kurzen Ketten. Die subkutane Impfung von Mäusen führte zu tödlicher Erkrankung unter den Erschei- nungen der Pyämie oder eiterigen Infiltration der Unterhaut. Das Ekzem konnte soAvohl durch Einreiben von Eiter als auch der gezüchteten Kul- turen prompt beim Pferde Aviedererzeugt Averden. Die LTrsache der Weiterverbreitimg des Ekzems in dem Pferdebestande Avar das Thermo- metrieren und die Verwendung desselben Thermometers bei vielen Pferden, wodurch die Verschleppung des Infektionsstoffes verschuldet Avurde. Angaben von Mollerau, Lucet und Semmer über das Auffinden von pyo- genen Staphylokokken und Streptokokken bei Hautkrankheiten des Pferdes können übergangen werden. Auch beim Esel spielen die Staphylokokken und Streptokokken als Eitererreger eine Rolle. Bossi impfte, um die LTrsächlichkeit der Eiter- erreger für die purulente Arthritis festzustellen, 6 Talo-Tibialgelenke von mehreren Eseln n)it 2 — 5 Zehnteln eines ccm einer Reinkultur des Strepto- coccus pyogenes, teils mittelst sehr feiner, teils unter VerAvendung grö- berer Hohlnadeln. Mit letzteren erzeugte er zugleich Verletzungen des Gelenkknorpels. Die Gelenke, bei Avelcheu er die Knorpel lädiert hatte, und ein nicht in dieser Weise verletztes verfielen der akuten eiterigen Arthritis. Sul)kutan verimpft, erzeugten nach demselben Autor auch der Staphylococcus pyogenes albus und der Staphylococcus pyogenes citreus bei Eseln Abszesse. Außer diesen Experimenten sind Mitteilungen von DE Blasi & Ortolaxi erAvähnensAvert, Avonach dieselben den Staphylo- coccus pyogenes albus im Eiter bei Eseln antrafen. Die Eiterungen bei den Haustieren. 793 Sehr spärliclie Notizen g-iel)t es über das Vorkommen der pyogenen Staphylokokken und Streptokokken des Mensehen im Eiter des Rindes. Bei einer Kuh sah Haas in den Produkten einer eiterigen Osteomyelitis und dem Eiter von Abszessen den Staphylocoecus pyogenes aureus und albus, und Lucet züehtete soAA^ohl gelegentlieli aus Abszessen pyogene Staphylokokken Avie auch bei einem phlegmonösen Erysipel einer Kuh einen Streptococcus, den er nicht von denjenigen des menschlichen Ery- sipels unterscheiden konnte. Die subkutane Injektion von Strept. pyog. hom. erzeugt nach Künnemann beim Kinde keine Eiterung, nach der Einspritzung von Kulturen des Staph. pyog. aureus und albus hom. trat an der Impfstelle eine geringgradige Schwellung auf, welche in 8 Tagen wieder völlig zurückging. Die subkutane Einverleibung einer Kultur- aufschwemmung des Staph. p. aureus, der aus dem Eiter einer Briist- beule des Pferdes stammte, rief dagegen in 24 Stunden eine handteller- große, schmerzhafte Anschw^ellung hervor, die sich in 6 Tagen zu einem doppelt-faustgroßen Abszess umbildete. Bemerkenswerter ist das Auftinden von Staphylokokken und Strepto- kokken in der Gebärmutter von Kühen, welche an Kalljctieber erkrankt waren. Nach Ligxiekes sind Staphylokokken sogar normale Gäste der Uterusschleimhaut. Nocard fand bei seinen bakteriologischen Unter- suchungen des Kalbefiebers im Uterus eine große Zahl Mikroben ver- schiedener Art, darunter den Staphylocoecus pyogenes aureus, albus, citreus, ferner Colibakterieu und Streptokokken. Die Keime waren ent- weder einzeln in Reinkultur oder in Gemischen zusammen, und die konstante Gegenwart schien Nocard für die Pathogenese der Krankheit nicht gleichgiltig zu sein. Unter Bestätigung- der Ergebnisse Nocards betrachtet Cüzette das Kalbetieber als eine Staphylokokkentoxämie. Ebenso ermittelte van de Velde in dem Uterus bei an Kalbetieber er- krankten Kühen Staphylokokken, Streptokokken und Colil)akterien. Die Streptokokken w^aren weder morphologisch noch biologisch, noch durch ihre Fähigkeit, Erysipel zu erzeugen, von denjenigen des Menschen zu unterscheiden. Nach Favereau sollen öfters Streptokokken als Staphylo- kokken bei der Gebärparese nachzuweisen sein. Eine Kläruug der Ursachen des Kalbetiebers ist indessen bislang noch nicht gelungen. Im Anschlüsse hieran sei erwähnt, dass in dem Fleische einer an Kalbetieber erkraukten Kuh, nach dessen Genüsse eine Fleischvergiftung aufgetreten Avar, von Kuborn gelbe und weiße Staphylokokken in großer Menge ermittelt werden konnten. Ueber pyogene Wirkungen der Staphylokokken und Streptokokken der menschlichen Eiterung ist für Schafe nichts mitgeteilt worden, ebenso nicht für Schweine, was um so erwähnenswerter erscheint, als die fraglichen Keime nach Bauermeister normale BeAvohner der Ton- sillen des Schweines sind und nach Kälble auch in den gesunden Bronchialdrüsen dieser Tiere öfters vorkommen. Beim Hunde hat man dagegen Aviederholt die pyogenen Kokken des Menschen auch pyogen Averdeu sehen. Lucet fand eine Abszess- bildung im Gesäuge einer Hündin, die am siebenten Tage zum Tode führte. Aus dem Eiter, dem Blute, der Leber, Milz und den Nieren war der Staphylocoecus pyogenes albus zu züchten, der sich besonders zahlreich in kleinen, metastatischen Abszessen in der Leber und Milz aufhielt. Ebenso stieß Cadiot bei den Eiterungen des Hundes öfters auf Staphylo- coecus pyogenes albus, und andererseits gelang es Bossi durch subkutane Injektion von Kulturen des Staphylocoecus pyogenes aureus bei diesem 794 Fr. Glage, Tiere iiiäcliti,i;;e Ab.szesse zu erzeugen. Almy berichtete Über das Vor- baudeusein des Stapbylococeus pvogenes albus iu den Lymphdrüsen, der Milz und dem Knochenmarke bei einem Hunde, der au Pseudoleukämie gestorben -war. den Streptococcus pyogenes dagegen wollen Megnix & Veillox in dem eiterigen Exsudate bei einer Pleuritis des Hundes diagnostiziert haben. Der von Hericourt & Eichet aus einem ge- schlossenen Hautabszess des Hundes isolierte > Stapbylococeus pyosej)- ticus« kann als eine besondere Species nicht angesehen Averden. Er sollte sich von dem Stapbylococeus pyogenes albus, dem er sonst mor- phologisch und in den Kulturen gleicht, vornehmlich durch seine heftigere phlogogene resp. pyogene Wirkung unterscheiden. Statistische Angaben über die bakteriologischen Befunde bei den Eiterungen der verschiedensten Tiere machte KarliSski. Er notierte bei der Untersuchung von 10 Hunden, 2 Katzen, 4 Füchsen, 1 Wolf, 3 Steinmardern. 2 Igeln, 6 Schafen, 8 Hasen, 16 Meerschweinchen, 29 Mäusen und 2 Fledermäusen 25 mal als Fund den Stapbylococeus pyogenes aureus, 5 mal den Stapbylococeus pyogenes citreus, 15 mal den Stapbylococeus pyogenes albus, 23 mal den Streptococcus pyogenes, 9mal den Micrococcus tetragenus, 4mal den Bacillus pyogenes foetidus und 2 mal den Bacillus mallei. Ganz ähnlich fielen die bakteriologischen Prüfuugs- resultate von Eiterungen bei 71 Vögeln verschiedener Art (Jagdbeute) aus. LucET sah den Stapbylococeus pyogenes aureus als den Erreger einer infektiösen Osteomyelitis und Arthritis bei jungen Gänsen au, Krausz wollte (sicherlich zu Unrecht) den Stapbylococeus pyogenes albus als Ursache einer Huhnerseuche ermittelt haben, ebensowenig be- wiesen ist die Annahme Charrins, dass der Stapbylococeus pyogenes aureus ein seuchenhaftes Fischsterben in der Rhone veranlasste. Litteratur. Almy, Bull, de la soc. centr. de med. vet., vol. 49, p. 522. Bauermeister, Arch. f. wiss. u. prakt. Tierh.. Bd. 28, S. 66. Bermbach, Berl. tierärztl. Woch., 1895, S. 483; 1896, S. 437. BoLDONi, Clin, veter., 1893, p. 21. BoNi, Deutsches Arch. f. klin. Med., 1901, Heft 5 u. 6. Bossi, II nuovo Ercolani, 1897, p. 231. Buch, Deutsche tierärztl. Woch., 1893, S. 29. Casper, ebd., 1896, S.27; 1897, S. 159. Charrin, Compt. rend. de la soc. de biol., 1893, p. 901. 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Unter der Bezeichnung- »Botryomykose« fassen wir eine Beihe von Erkrankungen zusammen, die vielfach an die ak- tinomykotischen Krankheiten erinnern, aber von einem an- dern Mikroorganismus und zwar einem Coccus veranlasst werden. Während die Aktinomykose nur ausnahmsweise l)ei dem Pferde auftritt, ist die Botryomykose für dasselbe eigentümlich, selten beobachtete man auch Botryomykose beim Rinde (Günther, Czokor, Immelmann, Reali) und beim Schweine (Wilbrandt, ScHNEiDEMtJHL), dagegen etwas öfter beim Menschen. Die Aehnlichkeit der anatomischen Veränderungen bei der Botryo- mykose mit denjenigen bei der Aktinomykose gab zuerst zu Unrecht Veranlassung, auch an eine Verwandtschaft der beiden spezifischen Erreger zu glauben. Rivülta stellte zwei Varietäten des Actinomyces bovis auf, einen granulierenden Aktinomyces und einen Abszessaktino- myces, und unterschied daneben einen ähnlichen, beim Hunde gefundenen Pilz, den Discomyces pleuriticus canis familiaris und endlich einen Discomyces equi. Im Jahre 1869 hatte Bollinger in der Lunge eines Pferdes Knoten von grauweißer Farbe gefunden mit erbsen- bis hanfkoru- g-roßen Erweichungsherden. In letzteren saßen charakteristische Pilze, die Bollinger als Zoogloea pulmonis equi bezeichnete. Rivolta beschrieb den Pilz 1879 im Verein mit Micellone. Bianchi er- klärte zuerst den Botryomyces als eine vom Actinomyces bovis Harz abweichende Form. Die ersten eingehenden bakteriologischen Unter- suchungen der Krankheit rühren von Rabe und Johne her. Rabe nannte den Erreger der Botryomykose Micrococcus botryogenus, Johne Micrococcus ascoformans, Kitt schlug den Namen Botryococcus ascoformans xov. Die Bezeichnung Ascococcus Johnei (Cohn) hielt JouNE selbst nicht für passend gewählt. Die von Bollinger einge- führte Beneunung der Krankheit als Botryomykose hat sich dagegen allgemein eingebürgert. Wie bei der Aktinomykose entstehen auch bei der Botryo- mykose Neubildungen, deren Grundlage grauweiße, libröse, speckige Bindegewebsmassen darstellen, welche eine netzartig gelagerte Stütz- substanz bilden. Dieses Stroma ist stärker und mehr fibrös als bei den Aktinomykomen. Eingebettet in die Bindegewebszüge sind kleinere oder größere, weiche Knoten und Knötchen von grauer oder gelbroter Farbe, die aus einem gefäß- und zellenreichen Granulationsgewel)e bestehen lind im Centrum Erweichung zeigen. Die größeren Knoten können abszessartige Herde oder fistulöse, miteinander kommunizierende Gänge mit gelbbräuulichem, weichem, schleimig-eitrigem Inhalte bilden (Johne). Sie sind schwammig, quellen über die Schnittfläche polsterartig hervor 796 Fr. Glage, und können leicbt mit einem Messer lierausg-estrichen Averden. Zentral findet sicli in allen Herden ein sandkorngroßer Pilzrasen, umgeben von einer spärlichen, eiterigen Zerfallsmasse. Johne nannte die Geschwülste Mykodesmoide oder Mykofibrome. Ein Liebliugssitz der Tumoren ist die äußere Decke. Die Haut- botryomykome sind nach Bayer ziemlich scharf begrenzt, nicht ver- schiebbar, derb, höckerig und weisen stellenweise undeutliche Fluktuation auf. Die kleinen Tumoren sitzen in der Lederhaut selbst, heben sich aber hervor und sind mit einer dünnen, atrophischen, nackten Oberhaut bedeckt, die größeren und großen reichen bis zur Subcutis. Die Haut darüber, die mit der GeschAvulst verwachsen ist, erscheint narbig und enthält kleine Oefifnungen, aus denen sich ein dunkler, klümpriger Eiter entleert, der die charakteristischen Pilzrasen enthält. Die Oberfläche der GeschAvulst ist mit Krusten bedeckt, die Haare fallen aus oder stehen vereinzelt gesträubt. Oft linden sich mehrere Tumoren vor. Jensen konnte bei einem Pferde bis über hundert derselben zählen. Die Geschwülste sitzen nicht selten gruppenweise zusammen, größere in der Mitte, daneben ein Kranz kleiner, erbsengroßer. In anderen Fällen tritt die Botryomykose als chronische Myositis auf, am häufigsten in Form der sogenannten » Brustbeule « im Armwirbelwurzelmuskel. Beschreibungen derselben liegen vor von Rabe, Johne, Jensen, Soula^ Fröhner, Kitt, Bang u. a. Man beobachtet in dem Muskel entweder cirkumskripte oder diffuse, bindegewebige Herde, kompakte, speckige, sehnige, zähe bis knorpelharte Massen von weißlicher Farbe. Diese strahlen in die Muskulatur der Nachbarschaft aus und sind von erbsen- bis gänseeigroßeu Gramüationsmassen oder fistulösen Gängen mit eitrigem Inhalte durchsetzt. Ein besonderes, chirurgisches Interesse haben in der Tierheilkunde die Samen strangfisteln, welche ebenfalls gewöhn- lich botryomykotischen Ursprunges sind und sich nach der Kastration entwickeln. Die Geschwülste nehmen hier nicht selten eine Pilzform (Champignonformj an und werden eventuell so umfangreich, dass der erkrankte Samenstrang wie ein Kuheuter aus dem Hodensacke herab- hängt und fast l)is zum Sprunggelenke reicht (Kittj. Bisweilen sind beide Sanienstränge ergriffen, in anderen Fällen nur der eine. Die Botryomyk(mie können einen enormen Umfang erreichen. Felizet fand einen Tumor, der 60 kg wog. Bei einer botryomykotischen Geschwulst an der Brust des Pferdes vor dem Schultergelenke stellte Bayer den Durchmesser in der Weite auf 53 — 60 cm, in die Tiefe auf etwa 20 cm fest. Der herausgeschälte Tumor wog 27 kg. Kopfgroße Geschwülste sind wiederholt gesehen worden. Sitz der Botryomykome sind die verschiedensten Körperteile. Man fand die Geschwülste an den Maulwinkeln (Johne), den Lippen, der Zunge, der Nasenschleimhaut, in den Kieferhöhlen (Storch), am Augenlide, an der Spitze der Ohrmuscheln, an der Brust, dem Widerrist, dem Vorarm, in der Ellenbogengegend, der Innenfläche des Unter- schenkels, an der Fessel und Huf kröne, am After und dem Schweife. Botryomykose des Euters beschriel)en Sand, Möller, Fröhner und Unterhössel, Tragsack- und Eierstocksl)otryomykose erwähnt Rieck, eine Erkrankung des Schlauches notieren Fally & Lenaux. Bisweilen kommt es ziu- Generalisatiou der Botryomykose (Fröhner, Rieck, Tempel, Kafler). Es können dann alle Innern Organe mehr oder minder von Geschwülsten durchsetzt sein. So fand man Botryomykome in der Lunge, Lel)er, Milz, am Brustfell, Bauchfell, in den Nieren, Die Eiterungen bei den Haustieren. 797 Nebennieren, in den Achsel-, Lenden- und Gekrosdrüsen, ferner in den Knochen (Kitt). Mikroskopisch beschaut, präsentiert sich das Gewebe, in welchem die Pilze eingebettet liegen wie die Eosinen im Kuchenteig, als typisches Granulationsgewebe. In unmittelljarer Nähe der Käsen sieht man fast nur Euudzellen, zum gering-en Teile in nekrobiotischem Zerfall, mehr nach außen Fibroblasten. Die Kernfärbung tritt präzise ein und kenn- zeichnet die Abwesenheit der Koagulationsnekrose. Die Kundzellen sind grob oder fein granuliert von verschiedener Größe, daneben sieht man sehr große, unregelmäßige, glatte Zellen von dem vier- bis fünffachen Durchmesser der weißen Blutkörperchen, die zuweilen mit zwei oder mehr Kernen versehen sind, und platte hautartige, fast hyaline Zellen mit bläschenförmigem, doppelt konturiertem oder homogenem Kern. Die Herde sind umschlossen von einem an Masse prävalierenden Spindel- zellengewebe mit teils librillärer, teils homogener Grundsubstanz. Feine Bindegewebsfasern lagern sich in den zelligen Kegionen zu einem wenig massiven, netzartigen Gerüste zusammen (Kitt, Johne). Zum Färben von Schnitten durch Mykofibrome ist es nach A. Eber empfehlenswert, sofern man gute Strukturbilder erhalten will, eine 1 proz. wässerige Eosinlösung 1 Stunde lang einwirken zu lassen, das Präparat leicht in Alkohol auszuwaschen und in Hämatoxylinlösung bis zur deutlichen Kernfärbung zu bringen, darauf in Alkohol auszu- waschen und nach Behandlung mit Nelkenöl in Balsam einzubetten. In Schnitten, welche mit Boraxkarmin tingiert wurden, sind die Pilzrasen als homogene, leicht gelbliche Herde zu erblicken, welche von dem in der Kernfärbuug tiefroten Gewebe scharf abstechen (Kitt). Die schon dem bloßen Auge sichtbaren, saudkornartigen, in den Herden zentral gelagerten, gelblichweißen Pilzrasen erweisen sich bei der mikroskopischen Betrachtung als trauben- oder maulbeerförmige Konglomerate von Mikrokokken, die von einer Zoogloeasubstanz ein- geschlossen sind. Bei Selmitteu, die nach Gram oder der NicollescIicu Thioninmethode behandelt wurden, kommt die Brombeergestalt der Kugelrasen gut zu Gesicht, schon Gefrierschnitte zeigen bei einfacher Methylviolettfärbung die Käsen ungemein scharf in sattblauer Farbe (Kitt). A. Eber empfiehlt zur Darstellung der Pilzstöcke und der eigen- tümlichen ZoogloeahUlle eine möglichst intensive Färbung nach Gram- Günther, am zweckmäßigsten unter Vorfärbung mit Pikrokarmin oder Pikrolithionkarmin. Bei der Färbung mit Pikrinsäure nimmt die Zoogloea eine gelbe Farbe an, intensiv tingiereu dieselbe auch Gentianaviolett und LÖFFLERS Methylenblau. Durch Behandeln mit Pikrinsäure tritt an der Kandzone der Zoogloea eine doppelt konturierte, glänzende, kapselartige Hülle hervor (Johne). An dieser Kapsel macht sich nur ganz vereinzelt und sehr undeutlich eine feine Streifung bemerkbar, sonst aber keine Struktur. Die Kapsel ist um so dicker, je größer die Pilzkolonie ist und muss als ein Produkt derselben angesehen werden. Sie steht in keinem organischen Zusammenhange mit dem benachbarten Granulationsgewebe. An der Peripherie der Kapsel finden sich kleinere oder größere sprossen- oder knospenartige, selbst knopfartige Ausstül- pungen, Aussackungen des Inuenraumes, die auch mit Mikrokokken gefüllt sind, welche sich mit Anilinblau oder Bismarckbraun sehr intensiv fingieren lassen (Kivolta, Johne). Die Sprosse können sich wahr- scheinlich abschnüren und sekundäre Kolonieen bilden. In einigen Pilzsäcken ist die Zoogloea im Vergleiche zu der Zahl der eingelagerten & 798 Fr. Glage, Kokken auffällig- reichlicli entwickelt. Die ganzen Rasen sind körnig und messen 5 — iOO ,« im Durchmesser. Durch Eisessig sind die Kör- perchen sehr durchsichtig zu machen, gegenüber Alkalien und Säuren verhält sich aber die Kapsel im allgemeinen sehr indifferent und löst sich erst nach mehrstündiger Einwirkung in diesen Zusatzflüssigkeiten. Werden die ganzen Rasen in Essigsäure oder Alkohol gekocht, so er- scheinen sie sauberer und klarer, bleiben aber im übrigen ganz unverändert. Durch Druck lassen sich die Pilzstöcke öffnen und entleeren dann ihren Inhalt, zahlreiche Mikrokokken, die verhältnismäßig* groß, 1—1,5/7, und kugelrund sind. Sie liegen einzeln oder paarweise, auch in größeren Gruppen zusammen und können leicht gefärbt werden mit Jod, Anilinblau oder Bismarckbraun. Ihre Färbung behalten sie auch beim Behandeln mit sehr verdünnter Essigsäure bei. Nach Rabe färben sich die Kokken am besten mit Anilingentianaviolett. In den Kulturen wachsen die Pilze als kapsellose Kokken. Sie bilden, wie Rabe genau beschrieb, auf Fleischwasserpeptongelatineplatten kugelrunde, scharf begrenzte Kolonieen, die anfangs silbergrau, später, wenn sie größer werden, mehr gelblichgrau sind, in beiden Fällen aber metallischen Glanz haben. Die Platten sehen schließlich aus wie mit Blütenstaub bepudert. Verflüssigung hat nicht statt. Nach Kitt zeigen die Gelatineplatten des Botryococcus mit denjenigen des gelben Trauben- coccus insofern eine große Uebereinstimmung, als in 6 Tagen isolierte, nadelstich- bis stecknadelkopfgroße Kolonieen entstehen, die in den späteren Tagen Verflüssigung zeigen und napfartig- einsinken. Die Kolo- nieen fand Kitt dabei geballt, sie bildeten kein Sediment. In Impf- stichen in Gelatine entsteht nach Rabe zuerst ein matter, weißlichgrauer Faden, der im Verlaufe von einigen Tagen etwas dicker, dichter und mehr milchweiß wird. Darauf erscheint am oberen Ende des Impfstiches eine kelch- oder tulpenförmige Blase, die sich nach und nach ver- größert. Eine kaum bemerkbare Verflüssigung bewirkt, dass der Faden allmählich abwärts und in sich zusammensinkt, so dass er nun für einige Zeit schrauben- oder korkzieherartige Windungen macht. Zuletzt sinkt der ganze Faden zu einem unregelmäßigen Klümpchen zusammen. Die Verflüssigung am oberen Ende erreicht nicht die Glaswand. Kitt fand, dass die ersten Generationen der aus dem Tierkörper gezüchteten Kokken im Gelatinestiche mäßige Verflüssigung mit trichterförmigem Einsinken zeigten, während in den späteren Generationen die Art der Verflüssigung derjenigen des Staph. pyog. aureus glich. Auch nach Hell erhält man beim Botryococcus ähnliche Verflüssigung in Gelatine wie bei Kulturen des Staph. pyog. aureus und des albus. Die Art der Verflüssigung hängt ab von der Alkaleszenz, Sprödigkeit und dem Gehalte an Gelatine, der Menge des Peptons im Nährboden und der Quantität des Aussaat- materiales. Auf Kartoffeln entsteht nach Rabe ein mattgelbcr, reifartiger Ueberzug. Sowohl die Kartofifelkulturen wie diejenigen in Platten zeich- nen sich durch einen an Erdbeeren erinnernden, eigentümlichen, aroma- tischen und erfrischenden Geruch aus. Während sich nach Rabe Agar zum Kultivieren des Coccus wenig eignet, sondern augenscheinlich die Kartoffel den gedeihlichsten Nährboden bildet, konnten de Jong und Kitt auch üppige Agarkulturen heranziehen. Nach Kitt gedeiht der Coccus auf geradem und schräg erstarrtem, 6 proz. Glycerinagar und bildet chromgelbe oder schön orangefarbene, wie Oeltropfen aussehende Kdlonicen, ähnlich wie der Staph. pyog. aureus. Auch die Farbstoif- bilduiig variiert gleich wie bei dem gelben Traubencoccus. Der Coccus Die Eiterungen bei den Haustieren. 799 wächst nach Kitt schon hei Zimmertemperatur. Das Temperaturoptimum giebt Parascandolo auf 20 — 30° an. Bei 36 — 38° wuchsen die Kul- turen langsamer, sie verloren ihre goldgelbe Farbe, bei 38 — 40° kamen sie nur sehr kümmerlich fort und bei 40° überhaupt nicht mehr. Das Temperaturminimum betrug 18°, bei 10° hörte jede Entwicklung auf. Die Kulturen blieben 7 — 9 Monate am Leben. Dem Austrocknen wider- stand der Botryococcus 35 — 38 Tage, in der Sonne nur 28 — 30 Tage. Bei Zusatz von 10 — 20^ Glycerin zur Nährbouillon wuchs der Pilz nicht mehr, sonst bildete er in Bouillon kräftig Alkalien, entfärbte da- gegen nicht Nährböden mit Zusatz von 0,5^ indigschwefelsauren Natriums. Meerschweinchen gehen nach Kitt bei der Impfung unter den Erscheinungen der Septikämie ein, bei Kaninchen giebt die kutane und subkutane Einverleibung verschiedene Eesultate. Bald bleibt dieselbe wirkungslos, ein anderes Mal tritt lokale Eiterung oder eine Intoxikation ein. Die subkutane Injektion von 0,5 ccm Aufschwemmung einer Agar- kultur wirkte bei Tauben und Enten von der Impfstelle aus toxisch. Die Tiere starben aber nicht. Die Impfstelle erschien sehr aufgedunsen, jedoch ohne knotige Prominenz, wie bei der Geflügelcholera, die Unter- baut ödematös, die Muskulatur gelbbraun. Das Blut blieb von Kokken frei, nur die Impfstelle war reich besiedelt. Injektionen in das Kuheuter erzeugten eine heftige Mastitis. Bei Schafen und Ziegen entsteht an der Impfstelle ein entzündliches Oedem, das entweder mit Hautnekrose ver- läuft oder auch tödlich enden kann. Bei Haustieren, die nicht zu den Einhufern gehören, konnte Rabe das Mykofibrom durch Impfung mit den Kokken nicht erzeugen. Bei Pferden bildet sich zuerst ein ent- zündliches Oedem aus, welches in 8 — 10 Tagen abheilt. Erst 4 — 6 Wochen später entsteht unter fortschreitender Bindegewebswucherung eine lang- sam wachsende Geschwulst, indem auch gleichzeitig die erbsen- bis kirschgroßen weicheren Knötchen in und auf der Geschwulst hervor- treten, die die typischen Mikrokokkenrasen enthalten. Sehr kleine Meogen Impfmateriales erzeugen in den gesunden Geweben des Pferdes aber nicht einen sichtlichen pathologischen Effekt. Eine Immunität erwirbt das Pferd nicht. Die Kokken bewahren nach Parascandolo ihre Virulenz in den Kulturen 5 — 8 Monate. Die Infektion erfolgt beim Pferde von Wunden aus (Kastrations- wunde, Verletzungen, Geschirrdruck), oder der Ansteckungsstoff" wird durch das Geschirr energisch in die Haut eingerieben. Die seröse Durchtränkung und Lockerung des Gewebes, die verstärkte Saftströmung und eine erhöhte Vulnerabilität mögen die Kolonisation begünstigen. Der Erreger der Botryomykose gelangt wahrscheinlich in die Haarsack- und Drüsenmündungen (Jensen). Ist eine Infektion erfolgt, so kann durch Verschleppung des Eiters, das Scheuern, das Wechseln des Ge- schirrs fortgesetzt eine neue Infektion und Weiterverbreitung statthaben. Wester beschrieb einen Fall von Uebertragung der Botryomykose von einem Pferde auf ein anderes. Das Pferd hatte in der Nähe des Kum- mets und Brustzeuges Botryomjdvome verschiedener Größe gehabt. Als mit demselben Geschirre ein anderes Pferd eingespannt wurde, traten an einer Druckstelle bei demselben Tumoren von der Größe einer Erbse auf. Auch Verletzungen durch das Gebiss können die Eingangspforte darstellen (Johne). Heustaub hat man als Ursache der Infektion bei Botryomykose der Conjunctiva beschuldigt (Gutbrod), und Johne ver- mutete das Vorkommen von Botryokokken im Stroh. Nach Rieck kann die Uebertragung durch den Begattungsakt geschehen. 800 Fr. Giage. Die Evkrankuug- an Botryo mykose, welche, wie Möller & Frick sagen, beinahe als eine Berufskrankheit der Pferde l)ezeichuet werden könnte, kann in jedem Alter erfolgen. Von 21 erkrankten Pferden Avaren 1 zwei Jahre, 1 drei, 2 vier, 5 sechs Jahre alt, 7 standen im Alter von sieben Jahren, während 2 acht, 1 neun und 2 zehn Jahre zählten (Siedaaigkotzky). Die Botryomykome, welche nach Fröhner die häutigste Neubildung des Pferdes sind, entwickeln sich sehr langsam, und die Krankheit kann jahrelang dauern. Nur ausnahmsweise ver- läuft die Infektion nach Möllkr & Frick anfjings unter entzündlichen Erscheinungen, sonst sind die Geschwülste schmerzlos und nicht vermehrt warm. Eine Störung des Allgemeinbefindens der betroffenen Tiere beobachtet man nur bei erheblicher Ausbreitung oder Generalisation der Krankheit. Die Beseitigung der Botryomykome und Heilung kann erfolgreich nur durch die Operation geschehen, doch rezidivieren die Geschwülste leicht. Versuche, durch innerliche und lokale äußerliche Anwendung von Jod Heilung zu erzielen, führten zu verschiedenen Er- gebnissen. Einen Nutzen der Behandlung sahen Thomassen, Realt, Siegmund, Malkums, dagegen hatten Fröhner, Vennerholm nnd WiNTHER Misserfolge zu verzeichnen. Der Botryococcus ist der erste Micrococcus mit geschwulstbildender Tendenz (Johne), indessen hat man viel darüber gestritten, ob der fragliche Coccus eine besondere Art darstellt oder nur eine Varietät des Staph. pyog. aureus ist. Diese Frage ist heute noch nicht entschieden. Für die Identität sprachen sich Kitt, de Jong, Hell, Galli-Valerio aus, dagegen Rabe, Poncet & Dor, Parascandolo. Kitt hält den Botryococcus nur für eine Rasse des Staph. pyog. aureus und meint, dass derselbe nur eine Ruheform des Staph. darstelle. Für die Identität spricht nach Kitt nicht nur die Gleichheit des Wachs- tums des Staph. mit dem Botryococcus, sondern auch das Resultat eines Impfversuches beim Pferde, der kurz beschrieben werden mag. Kitt injizierte eine Reinkultur des Botryococcus subkutan am Halse, worauf ein faustgroßer Abszess entstand, der sich spontan entleerte nnd im Eiter nur freie Kokken, keine Kugelrasen enthielt. Die Kokken glichen den Staph. In der entstandenen Avulstartigen Narbe l)ildeten sich später zwei neue, taubeneigroße Knoten, von denen der eine abszedierte und keine Kugelrasen, sondern Kokken enthielt, der andere blieb bestehen, und 4 cm von ihm entfernt entstand ein Knoten, welcher sich später in eine granulöse, oberflächlich leicht eiterige Wucherung umwandelte. Bei der Sektion des Pferdes zeigten beide Knoten den Charakter des Myko- fibroms und enthielten brombeerartige Konglomerate von Kokken. Kitt ghuil)t den Botryococcus um so eher nur als Wuchsform des Staph. pyog. aureus ansehen zu dürfen, als letzterer bekanntlich in seiner Virulenz sehr schwankt und bald Abszesse oder nur oberflächliche, bald dagegen intensive, maligne Eiterungsprozesse, verrukös-nlzcröse Endokarditiden, maligne Pyämieen oder Septikämieen erzeugen kann. Die Kapselbildung im Pferdekörper hält Kitt nicht für einen genügenden Unterschied. Vielleicht stellt der Pferdekörper einen Nährboden besonderer Art für den Stapli. vor oder spielt das relativ anaerobe Dasein des Coccus eine Rolle für das Entstehen der Konglomerate. Die Bildung könnte als Involutionsform aufgefasst werden, worauf auch die gelegentlich ein- tretende Verkalkung der Rasen hindeutet, de Jong vermisste ebenfalls konstante Unterschiede in den Kulturmerkmalen. Wenn man die Farb- stoffbildung vernachlässigt, so ist der Botryococcus nach de Jong auch Die Eiterungen bei den Haustieren. 801 dem Stiiph. pyog-. alb. gleich. Er maelit wie jener beim Verimpfeu Septikämie und Septikopyämie oder Eiterung, und die Form der er- zeugten akuten Entzündungen ist in beiden Fällen die gleiche. Auch Mäuse sind entgegen der Annahme von Rabe gegen Botryokokken nicht immun. Nach Galli-Valerio ist bei der Variabilität des Staph. pyog. aureus keine Abweichung des Botryococcus bis jetzt typisch genug, um denselben als eine besondere Art aufstellen zu dürfen. Rabe hatte auf eine Verschiedenheit zwischen Staphylokokken und Botryokokken wegen der von ihm beobachteten Unterschiede in den Kulturen, der DiÖerenzen in der Farbstofifbildung und der Impfergebnisse geschlossen. Poncet & Dor legten bei der Unterscheidung ein be- sonderes Gewicht auf die Erzeugung des Pigments in den Kulturen. Hält man eine Agarkultur von Botryomyces bei 18", so entwickeln sich goldgelbe Kolonieen, die am achten Tage der schönsten goldgelben Kolonie des Staph. pyog. aureus ähneln. Sät man aber diese Kultur dann auf eine neue Agarplatte aus und stellt diese bei 37° auf, dann bemerkt man nach 24 Stunden vollständig weiße Kolonieen. Dem gegen- über bildet der Staph. pyog. aureus sein Pigment bei jeder Temperatur. Gewichtiger ist der Einwand, dass der Botryococcus zwar pyogene Eigen- schaften annehmen kann, dass aber andererseits noch niemals botryo- gene Fähigkeit bei dem Staph. pyog. aureus ermittelt wurde (Spick). Nach Parascaxdolo unterscheiden sich die Staphylokokken und Botryo- kokken außer durch ihre Gelatiuekultur besonders durch ihre physio- logischen und biologischen Eigenschaften , und eine Trennung kann serodiagnostisch herbeigeführt werden. Der Botryomyces wird am kräftigsten agglutiniert durch Pferdeserum, weniger durch Kuh- und Meerschweinchenserum, überhaupt nicht durch Menschenserum. Wenn Parascandolo ferner Kaninchen wiederholt mit Staph. pyog. aureus oder Botryokokken impfte, so erwies sich, nachdem die Tiere die In- fektion überstanden hatten, dass das Blutserum für denjenigen Mikro- organismus, gegen den das betrefiende Kaninchen immunisiert war, agglutinierende Eigenschaft hatte. Dagegen wurde niemals Agglutination gesehen, wenn man den Staph. pyog. aureus mit Blutserum der Kanin- chen zusammenbrachte, die gegen Botryokokken immunisiert waren, und umgekehrt. Für die Stellung einer sicheren Diagnose der Botryomykose genügt in der Regel die makroskopische Besichtigung, immerhin kann das Botryomykom gelegentlich mit anderen Geschwülsten verwechselt werden. Die Unterschiede von Aktinomykomen sind durch das Mikro- skop leicht zu ersehen. In Frage kann weiterhin hinsichtlich einer Verwechselung Hautrotz kommen oder Lungenrotz, eine Angelegenheit, die veterinärpolizeilich bedeutsam ist. Der Nachweis der brombeer- artigen Rasen sichert indessen auch hier die Diagnose. Anschließend sei bemerkt, dass Sameustrangfisteln oder Brustbeulen beim Pferde keineswegs ausschließlich durch Botryokokken erzeugt werden. Kitt traf in einer Samenstrangfistel das Bakterium der Ka- ninchenseptikämie, Johne und Noniewicz begegneten dem Strahlen- pilz. Schmidt züchtete aus einer Bugbeule Kokken, die den Schütz- schen Drusekokken glichen und konnte durch Ueberimpfen dieser Keime in die Buggelenksgegend bei zwei anderen Pferden akut verlaufende Bugbeulen erzeugen. Ein besonderes Interesse gewann die Botryomykose dadurch, dass ihr Vorkommen beim Menschen festgestellt wurde. Zuerst gelangten Handbucli der pathogenen Mikroorganismen. III. 51 802 Fr. Glage, hierüber von Poncet & Dor, Faber & Ten Siethof Mitteilmigeu in die Oeffeutliclikeit. Galli-Valerio stellte die beim Meuseheu beschriebeneu Fälle zusammen, außer den erwähnten solche von Legraest, Sabrazes & LaUBIE, REVERDIX & JULLIARD, BUSQUET, BaRACZ , PaRASCANDOLO und anderen Autoren gesehenen. Aus den Beschreibungen geht hervor, dass die Krankheit durch das Auftreten von Knötchen und Geschwülsten von der Grijße einer Erbse bis zu derjenigen einer Faust charakterisiert ist. Die Knoten, welche besonders an den Fingern, am Thorax und Ellenbogen entstehen, können pilzarfig gestielt erscheinen, eine ulze- rierende Oberfläche zeigen und bestehen aus Granulationsgewebe, wel- ches die Mikroorganismen birgt. Der histologische Aufbau ähnelt dem Fibroadenom, nach Baracz dem Myxotibrom. Poncet & Dor gelang es, die Krankheit vom Menschen auf einen Esel, Galli-Valerio auf ein Kaninchen zu übertragen. Bemerkenswert ist, dass Pferdepfleger und Landleute das Hauptkontingent zu den Erkrankungen stellen. Die Prognose ist nach Spourgitis gut, die Behandlung besteht in der Exstirpation. Litteratur. Baracz, Przeglad Lekarski. 1901, S. 19.5; Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 21. S. 35. Baranski, Arch. f. prakt. Tierheilk., 1889. S. 246. Bayer, Oesterr. Ztschr. f. Veterinärk.. 1892, S. 202; Handb. d. tierärztl. Chir., 190O. Bolin, Journ. de med. vet., 1898. S. 415. BoLLixGER, Virch. Areb., 1870, S. 583; Deutsche Ztschr. f. Tiermed., 1888, S. 176. Brauet, Arch. de Parasit., 1901, p. 590. BusQUET & Cre.spin, Arch. de parasit.. 1901, p. 308. Cadiot, Etud. de Path., 1899, S. 480. CoHNS Beitr. z. System.. Bd. 1. S. 154. CsoKOR, Oesterr. Rev. f. Tierheilk., 1885; Tierärztl. Centralbl., 1894, S. 326. Degive, Annal. de med. vet. 1892, Heft 12. DE JoxG, Inaiig.-Diss., Gießen 1899. 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Außer dem Streptococcus pyogenes ist bei den Pferden ein wichtiger und wohlbekannter Eitererreger der Streptococcus equi, der Druse- streptococcus , der in einem besonderen Abschnitte dieses Werkes be- handelt wird. Nach den von Jex.sex und Sand ermittelten Kulturmerk- malen und dem abweichenden pathogenen Verhalten hat man in dem Streptococcus equi eine von den gewöhnlichen Eiterkokken entschieden zu trennende Art, wofür auch die kontagiöse Ausbreitung der Druse spricht. FoTH prüfte vergleichend die gemeinen Eiterstreptokokken, die Druse- und die bei der Brustseuche von Schütz beschriebenen Kokken und hält alle drei für Subspecies eiuer Art, die er schleimbildender Streptococcus pyogenes« nannte. Bei Pferden, die an Pneumonie einge- gangen waren, fand Ltgxieres in der Lunge und im Pleuraexsudate verschiedene Arten Streptokokken, am häufigsten diejenigen der Druse und der Brustseuche. Ebenso betrachtet Ligxieres die Blut flecke n- kraukheit, den sogenannten Pferdetyphus oder das Petechialfieber, als eine besondere Infektionskrankheit, bei deren Pathogenese Streptokokken 51* 804 Fr. Glage, eiue bedeutende Rolle spielen, denn es gelang ihm, in dem Blute und den Organen der verendeten Tiere neben anderen Bakterien Strepto- kokken zu finden. Die letzteren waren bisweilen selbst in Reinkultur anzutreffen. Die Streptokokken, welche er aus 5 Pferden erbalten, schienen in Bezug auf Wachstum unter sich und mit dem Strept. pyog. identisch zu sein, während Kulturen aus anderen Kadavern mehr an den Erreger der Druse erinnerten. Indessen glückte es Lignieres nicht, durch seine Kulturen den charakteristischen Typus der Blutflecken- krankheit zu erzeugen. Frairey glaubt, dass die Streptokokken bei der Blutfleckenkrankheit durch Assoziation mit einem noch unbekannten Infektionsstofle wirksam seien und den Verlauf der Krankheit zu einem schwereren gestalten. Lucet fand in einem Falle von Petechialfieber in den serösen Flüssigkeiten nicht Streptokokken, sondern den Staph. pyog. albus. Die Häufigkeit der Streptokokken bei den Lungenentzündungen des Pferdes und der Blutfleckenkrankheit veranlasste Lignieres und mehrere andere Autoren, das 1895 von Marmorek hergestellte Antistrepto- kokkenserum zu therapeutischen Zwecken anzuwenden. Bei Mäusen und Kaninchen ergaben die Vorversuche, dass die Wirkung des Serums gegen Drusekokken gleich Null war, ja die Entwicklung dieser Keime schien bei Serumbehandhmg sogar beschleunigt zu werden, auch gegen Brustseuchestreptokokkeu war die Wirkung nur sehr gering. Von 14 mit Lungenentzündung behafteten Pferden, denen Lignieres alle 24 Stunden 40 com Serum injizierte unter gleichzeitiger Anwendung von Sinapismen, starben 4. Mehrmals beobachtete Lignieres ein be- merkenswertes Abfallen der Temperatur, und obgleich sich unter den 14 Pferden 2 sehr schnelle Heilungen in 7 Tagen erzielen ließen, schien der Verlauf, die Dauer der Krankheit und das Allgemeinbefinden nicht bemerkenswert beeinflusst zu werden. In 2 Fällen wandte Cadiot ohne Erfolg das Antistreptokokkenserum von Roger an. Einen günstigeren Einfluss der Serumbehandlung beobachtete Lignieres bei der Blutfleckenkrankheit. Er spritzte durch je eine Stichöff- nung 10 ccm Antistreptokokkenserum Marmoreks subkutan ein. Da das erste Mal 40 ccm zur Injektion gelangten, so wurden 4 Stiche in der Entfernung von 25 ccm voneinander nach sorgfältiger Reinigung der Haut gemacht. Bis zum Eintritte der Besserung wurden täglicli 30 ccm weiterhin subkutan eingespritzt, so dass die Gesamtmenge bisweilen 150 ccm erreichte. Mouilleron & Rossignol verbrauchten auf mehrere Injek- tionen verteilt 20 — 110 ccm Serum. Sie modifizierten die Behandlungs- weise von Lignieres, indem sie nicht große Dosen nahmen, mit welchen sie einige Male weniger gute Resultate erzielten, sondern statt dessen kleine, aber oft wiederholte. Um die Einstiche entstanden, wie Lignieres angiebt, nach 8 Tagen stets heiße, teigige Anschwellungen, die jedoch in 1^ — 2 Tagen wieder spurlos verschwanden. Unter 15 erkrankten Pferden erzielte Lignieres 13 Heilungen. Mouilleron & Rossignol bestätigten die günstigen Resultate nach zweijähriger praktisclier Erprobung des Serums in 31 Fällen. Während ohne serotherapeutisches Verfahren 17 ^ der Pferde starben, sank die Zahl der Todesfälle nachher auf 19^. Bei 11 Tieren, die an reiner Blutfleckenkrankheit litten, dauerte die Behandlung 2—10 Tage, aus- nahmsweise 21 — 23 Tage, die Rekonvaleszenz nicht über 2 Wochen. In 21 anderen Fällen, die im Gegensatze zu den vorigen durch Druse oder Angina kompliziert waren, währte die Behandlung 8 — 21 Tage, Die Eiterungen bei den Haustieren. 805 'O die Rekonvaleszenz nicht über 6 Woclieu. Nach jeder Injektion sah man die Symptome sich verringern, die Oedeme kleiner werden. H(3rte man mit der Behandlung- zu lange auf, so verschlimmerte sich der Zu- stand von neuem, um einer Besserung bei wieder eingeleiteter Behand- lung Platz zu machen. Auch Lavalard sah die ödematöseu Schwel- lungen an den Beinen und am Bauche nach den Injektionen schnell zurückgehen. Erfolgreich behandelte Hollixgwortii einen Fall von Blutfleckenkraukheit, der im Anschlüsse an eine Pneumonie entstanden war, und Pecus zwei Tiere. Nach Nocard scheinen die Injektionen, theoretisch gedacht, nur den Nutzen zu haben, die etwa vorhandene Infektion durch Strept. pyogenes zu paralysieren. Die erwähnten, an- scheinenden Erfolge mit der Serumbehandlung, denen jedoch auch un- günstige Resultate (Mouquet) gegenüberstehen, haben nicht vermocht, der Serumtherapie bei der Blutfleckenkrankheit in der Tierheilkunde einen Platz zu sichern, da bei der großen Variabilität der Streptokokken das Antiserum unzuverlässig ist und nur gegen die Rasse der Keime sich wirksam erweist, die zur Gewinnung des Serums selbst diente. Erwähnenswert sind aber Untersuchungen Ligxieres', das Serum zur Unterscheidung der pyogenen Streptokokken des Menschen und der Drusestreptokokken des Pferdes zu verwenden. Versuche, das Kalbefieber durch Antistreptokokkenserum zu heilen, waren erfolglos. Cozette. Litteratur. Angerstein, Berl. tierärztl. Woch., 1902, S. 171. Capalletti & ViVALDi, Annal. d'igien. sperim., 1898, vol. 7. fasc. 1. HoLLiNGWORTH, Amer. vet. Rev., 1897. vol. 21, Nr. 10, p. 708. Jess, Berl. tierärzt. Woch., 1902, S. 172. LiGNiERES, Ball, de la soc. centr. de med. vet, 1895, p. 369, p. 587; J896, p. 173; 1898, p. 719, p. 722. Marmorek, Ann. Pasteur, 1895, S. 593. MouiLLERON & RossiGNOL, Bull. de la soc. centr. de med. vet., 1896, p. 768 ; 1898, p. 168. Pequs, Journ. de med. vet., t. 51, p. 704. Die Eiterungen des Rindes. Die Eiterungen des Rindes verhalten sich in vieler Beziehung anders, als bei den übrigen Haustieren, haben insbesondere nach den Unter- suchungen von Luget, die dieser z. T. gemeinschaftlich mit Nocard ausführte, Erreger, die von denjenigen beim Pferde erheblich abweichen. Lüget fand im Eiter, der verschiedener Provenienz war, nämlich in 32 Fällen aus gewöhnlichen Abszessen, in 9 Fällen von traumatischen Entzündungen imd 11 mal aus pyämischen Herden stammte, fünf Bak- terienspecies vor, denen er eine pyogene Wirkung zuschreibt, während andere gleichzeitig vorhandene nur als zufällige Beimengungen angesehen werden mussten." Diese fünf Arten traten konstant und in größerer Menge auf, fanden sich besonders auch in geschlossenen Abszessen und bei den meisten Pyämieen, häufig einzeln oder mehrere zusammen, oft in Reinkultur. Lucet benannte diese fünf iVrten folgendermaßen: 1. Streptococcus pyogenes bovis, 2. Stapbylococcus pyogenes bovis,' 3. Bacillus pyogenes bovis, 4. Bacillus liquefaciens pyogenes bovis und 5. Bacillus crassus pyogenes bovis. 806 Fr. Glage, Am liäufigsteu fand sich der Streptococcus, nächstdem der Bacillus pyogenes und der Bac. liquefac. pyog., während der Staph. und der Bac. crassus seltener waren. In den 52 Fällen waren sie in nachstehender Weise verteilt: Streptokokken allein 9 mal, Staphylokokken » 2 » Bac. pyog. bov. » 6 » Bac. liquefac. pyog. bov. ■> 4 » Bac. crassus pyog. bov. » 1 » In Gemischen gruppierten sie sich, wie die folgende Tabelle zeigt: Streptococcus und Staphylococcus 3 mal, Strept. und Bac. pyog. bov. 4 » Strept. und Bac. crassus pyog. bov. 2 » Strept., Staph. und Bac. crass. pyog. bov. 2 » Bac. pyog. bov. und Bac. liquef. pyog. bov. 2 >» Bac. pyog. bov. und Bac. crass. pyog. bov. 1 » Vierzehumal ermittelte Lucet die eine oder andere der genannten Bakterien mit saprophytischen Keimen zusammen, besonders bei den traumatischen Eiterungen. Der Staph. pyog. alb. war einmal, der Staph. pyog. aureus zweimal gleichzeitig im Eiter nachzuweisen. Alle fünf Keime wachsen auf Agar, sind fakultativ anaerob, färbbar nach Gram und nach Gram-Weigert. Nur der Bac. crassus nimmt die GRAMsche Färbung nicht an, tingiert sich aber leicht mit allen Anilin- farben in wässrig-alkoholischer Lösung. Sie sind in den Kulturen nur bis zur 5. — 6. Generation lebend zu erhalten, wachsen auf den Nähr- böden kümmerlich mit Ausnahme des Bac. crassus, der ,im Gegenteil in allen Nährmedien üppig fortkommt und dort lange leben und virulent bleibt. Außer diesen allgemeinen Eigenschaften sind bei jedem noch Besonderheiten hinsichtlich der Form, Virulenz und biologischen Ver- hältnisse vorhanden, so dass sie leicht voneinander unterschieden werden können. Streptococcus pyogenes bovis. Der Strept. pyog. bov. besitzt einen etwas kleineren Durchmesser wie der Strept. pyog. hom., ist unbeweglich und bildet besonders in flüssigen Nährböden sehr lange Ketten. Die Einzelzellen sind sphärisch- ovoid und haben oft einen etwas wechselnden Durchmesser. Der Coccus verflüssigt Gelatine nicht und wächst nicht auf Kartoffeln. Die Bouillon wird zunächst getrübt, klärt sich darauf, indem ein stets wenig reich- licher Bodensatz sich abscheidet. Der Keim ist nicht virulent bei sub- kutaner und intraperitonealer Injektion für Meerschweinchen und Kanin- chen. Letztere werden auch intravenös nicht infiziert. Entgegen Lucet behauptet Shattock, dass der Strept. pyog. bov. auf den gewöhnlichen Nährböden gut wächst und lange lebend zu erhalten ist. Bei einer eu- zootisch an den Füßen und Unterschenkeln bei Bindern auftretenden eiterigen Zellgewebsentzündung isolierte Moore einen Streptococcus, der sehr demjenigen Lucets ähnelte, Kaninchen aber unter dem Bilde der Septikäraie tötete. Alle diese Funde und ebenso Mitteilungen von Bourxay und Crookshaxk gewähren vorerst keine Berechtigung, einen beson- deren Strept. pyog. bovis, der von dem Strept. pyog. hom. verschieden ist, als selbständige Art anzusprechen. Auch Künnemann lässt die Frage offen, ob die im Eiter des Rindes bisweilen vorkommenden Die Eiterungen bei den Haustieren. 807 Streptkokken eine besondere Art darstellen. Künnemaxn traf im Eiter dreimal neben dem von ihm Bacillus pyog-enes bovis genannten Stäbchen, der weiter unten beschrieben ist, die Streptokokken als Diplokokken oder in Form von kurzen Ketten. In Agar-Serumplatten bildeten sie auf der Oberfläche tröpfchenförmige, anfangs durchsichtige, später gelb- lich werdende und mehr undurchsichtige Kolonieen. In Strichkulturen auf schräg' erstarrtem Agar und Agar-Serum entstand anfangs ein feiner, durchsichtiger Belag, der allmählich undurchsichtig wurde und dann gelblichgrau aussah. In Bouillon bildete sich ein flockiger Bodensatz, dagegen blieb die Flüssigkeit klar. In dem Satze waren die Kokken in kurzen Ketten vorhanden. Die Streptokokken erzeugten bei einer Kuh nach subkutaner Injektion keine Eiterung und verhielten sich Kaninchen, Mäusen und Meerschweinchen gegenüber, wie auch Lucet beobachtete, nicht pathogen. Ein anderer Streptokokkenstamm, der aus dem Eiter eines Abszesses am Sprunggelenke gezüchtet war und ähn- liche Wachstumsformeu aufwies, wie der vorhin erwähnte, erzeugte nach subkutaner Einverleibung bei einer Kuh nur eine sich wieder zurück- bildende, warme Anschwellung. Von den LucETSchen Streptokokken weichen diese insofern ab, als sie kürzere Ketten bilden. Staphylococcus pyogenes bovis. Der Staph. pyog. bov. ist kleiner wie der Staph. pyog. aur. des Menschen, unbeweglich, liegt im Deckglaspräparate isoliert oder in Grup- pen, färbt sich gut nach Gram oder Weigert und ändert die Eeaktion der Nährböden nicht. Die Kulturen erreichen bald ihre maximale Ausbil- dung, werden nicht üppig und lassen sich nur kurze Zeit reproduzieren. Auf Agar entsteht ein zarter, grauer, körniger, trockener Belag mit ge- zähnten Räudern, im Stiche eine Linie, die sich aus punktförmigen Kolonieen zusammensetzt. In der Agarplatte bilden sich kleine, runde, graue, wenig entwickelte Rasen. Auf schräger Gelatine entsteht ein durchscheinender, leichter Belag mit unregelmäßigen Rändern, im Stiche ein Streifen aus punktartigen Kolonieen. Kalbsbouillon wird in den ersten 24 Stunden leicht getrübt, die Trübung klärt sich aber bald, wobei sich ein grauer, nicht adhäreuter Bodensatz abscheidet. Der Staph. ist harmlos für Kaninchen und Meerschweinchen bei jeder Art der Einverleibung. Durch das Fehlen der Fähigkeit, Gelatine zu verflüssigen, weicht der Staph. pyog. bov. von dem Staph. pyog. hom. erheblich ab. Aus übelriechenden Muskelabszessen des Rindes isolierte De Jong einen Coccus, den er für identisch mit dem Staph. pyog. bov. hält, obwohl derselbe geringe Unterschiede vornehmlich hinsichtlich der Vitalität, Wachstumsschnelligkeit und Ueppigkeit aufwies. Bemerkenswert war das Verhalten in Gelatineplatten, in welchen sehr bald, in 24—48 Stun- den, kleine, weißlichgelbe oder gelbe, ovale, kuglige Kolonieen mit scharfen Konturen und daneben sparsamer größere, weiße Rasen, die weniger scharf umschrieben, mehr glatt waren und einen dunkeln Kern aufwiesen, aufgiiigeu. Bisweilen ist der Unterschied zwischen den gelben und weißen Kolonieen so prägnant, dass man zwei verschiedene Bakterien vor sich zu haben glaubt. Auf dem Boden der Platte können sich die weißen Kolonieen zu milchweißen Scheiben ausl)reiten. In vielen Fällen wird später die Farbe der gelblichen Kolonieen hochgelb. Auf schräger Gelatine bildet der Staph. entweder gelbe, runde Tropfen oder gelbe bis goldfarbene Beläge, im Stiche sieht man weiße bis gelbe, 808 Fr. Glage, runde oder ovale Kolouieeu, bei reichlicherem Wachstum einen gleich- farbigen Streifen mit gesägten Rändern ohne Verflüssigung, während an der Oberfläche ein kleiner, ziemlich starker Ueberzug mit abgerundeten Rändern, welcher die Wand des Röhrchens nicht erreicht, allmählich zum Vorscheine kommt. Auch auf Agar und Glycerinagar ist das Wachstum sehr üppig. Wird der Staph. bei 37° gezüchtet, so sind die Kulturen in der Regel weiß, bei 22° werden dieselben gelb. Auf Rinder- serum entsteht ein weißgelber Ueberzug, Milch wird nicht zum Gerinnen £:ebraclit. Der Bodensatz in Bouillon erwies sich als adhärent. Die alkalische Reaktion der Nährböden wird erst nach ziemlich langer Zeit sauer, in alkalischer, nach Koch bereiteter Peptou-Kochsalzlösung wird kein Indol gebildet, in Milch-, Trauben- oder Rohrzuckerlösungen kein Gas. Die Größe der unbeweglichen, leicht färbbaren Kokken giebt De Jong auf 0,6 — 1,0 u an. Sehr gering war, wie auch Lucet fand, die Virulenz. Bei subkutaner Injektion beim Hunde, Kaninchen, Meer- schweinchen, bei intravenöser bei Kaninchen, trat keine Erkrankung ein, bei intraokulärer Einverleibung beim Hunde und Kauincheu nur eine schwache Reaktion. Beim Hunde allerdings konnte auch in an- deren Fällen Iritis mit Eiterabsonderung oder Panophthalmitis erzeugt werden. Künnemaxx fand beim Rinde Staphylokokken im Eiter häufiger als Streptokokken und zwar meist, nämlich 14 mal, gemeinsam mit dem von ihm Bacillus pyogeues benannten Stäbchen und nur einmal allein. Die Kokken verflüssigten Gelatine mit Ausnahme eines Stammes, wobei allerdings erhebliche Unterschiede in der Schnelligkeit bemerkt wurden. Die Kokken wuchsen in den Nährböden mit weißer oder gelber Farbe. Die weißen traf Küxnemann 10 mal, die gelben Imal, 4 mal beide zu- sammen. Die Farbstoffbildung war nie so intensiv wie beim Staph. pyog. aureus. Die subkutane Injektion der Kulturen erzeugte beim Rinde keine Veränderung oder nur eine Schwellung au der Impfstelle. Bei Kaninchen entstand bei der Einverleibung nur einmal ein Abszess. Die Virulenz war also sehr gering. Künnemann glaubt trotzdem nicht, dass die Staphylokokken eine von dem Staph. pyog. aureus und albus hom. abweichende Art darstellen. Einmal traf Künnemaxn im Eiter einen nicht verflüssigenden Coccus, der auffällig groß war im Vergleiche zu den vorigen. Bacillus liquefaciens pyogenes bovis. Der Bac. liquef. pyog. bov. ist ebeusogroß wie der Bac. P3'og. bov., unbeweglich, verflüssigt Gelatine sehr langsam und ohne jede Trübung. Er wächst nicht auf Kartoffeln, l)ildet in Bouillon einen grauen, spär- lichen Bodensatz und ruft nach intravenöser Injektion bei Kaninchen Abszesse hervor. Für Meerschweinchen ist der Bacillus nicht virulent. Bacillus crassus pyogenes bovis. Der Bac. crassus pyog. bov. ist beweglich, dicker wie die andern stäbchenförmigen Eitererreger und leicht in allen Nährböden zu züchten. Er bildet in Gelatine metallisch glänzende Kulturen, ebenso auf Kar- toffeln einen dicken, weichen, metallglänzenden Belag und trübt die Bouillon. Letztere wird fadenziehend. Der Bacillus ist für Kaninchen nicht virulent , dagegen starben Meerschweinchen nach intraperitonealer Einverleibung in 36—48 Stunden an Peritonitis. Die Eiterungen bei den Haustieren. 809 Bacillus pyogenes bovis. Der Bac. pyog. bov. ist ein wenig- kürzer wie der Tuberkiüose- erreger, sonst ihm aber in seinem Aussehen ähnlich. Er wächst nicht auf Kartottelu, schlecht in Gelatine und trübt kaum die flüssigen Nähr- böden. Die Virulenz für Meerschweinchen ist wechselnd. Bald rea- gieren die Tiere nicht, bald entsteht bei subkutaner Injektion eine töd- lich verlaufende Krankheit. Die Charakteristik der Eitererreger Lugets ist ziemlich unvollkommen. Der Bac. pyog. bovis dürfte identisch sein mit dem nächsten beschriebenen, dem Bacillus pyelonephritidis bovis. Mit Recht sagt Künnemann, dass der Bac. pyogenes bovis, da er ein zweifelhaftes, wegen der ungenauen Beschreibung nicht zu identifizierendes Bakterium sei, seineu Namen nicht länger tragen dürfe, und benennt daher ein von ihm im Eiter gefundenes Stäbchen mit dem gleichen Namen. Es giebt also in der Litteratur zwei Bakterien Namens Bacillus pyogenes bovis. Litteratur. BouRNAY, Rev. veter.. 1896, p. 482. DE Bruin, Holl. Ztsehr. f. Tiermed., Bd. 26, S. 27. DE JoNCr, Centralbl. f. Bakt, Bd. 25, 1899, S. 13. Grips, Mitt. f. Tier., 1896. S. 321. Kitt, Monatsh. f. prakt. Tierh.. Bd. 2, Heft 1. KÜNNEMANN, Arch. f. wiss. u. prakt. Tierh., 1903, Bd, 29, S. 128. LucET, Rec. de med. vet.. 1893, p. 273; Ann. Pastenr, 1893, t. 7, p. 325. Moore, Amer. vet. Rev., 1898, vol. 22, p. 169. Shattock, Transact. of the path. Societ. of London, vol. 47, p. 375. Bacillus pyelonepliritidis bovis. Ein aparter, gut bekannter Eitererreger des Rindes, auf dessen Schmarotzertum die meisten Fälle von Pyelonephritis des Rindes zurück- geführt werden müssen, ist der Bacillus pyelonephritidis bovis. Pflug fand im Jahre 1876 im Nierenbecken und Nierenparenchym erkrankter Rinder gelbliche, reich mit Bakterien durchsetzte flockige Massen, ebenso sah Dammann in den Harnkanälchen zahllose Bakterien, ließ aber die Frage offen, ob die letzteren die Ursache der beobachteten Nierenerkran kuug waren. Zschokke & Hess wiesen in zwei Fällen bei Pyelonephritis des Rindes in den Nieren teils Kokken, teils feine, unbewegliche Stäb- chen nach, die gelegentlich zu Fäden auswuchsen und Gelatine nicht verflüssigten. Hess beschrieb noch vier weitere Fälle hinsichtlich des klinischen Verlaufes. Die bakteriologische Untersuchung ergab Gelatine verflüssigende Kokken, außerdem gelbe Kolonieen von Stäbchen, die die Gelatine nicht einschmolzen. Mit Hilfe der GRAMSchen Färbumr gelang es Mazzanti, in den Nieren Bakterien aufzufinden, ebenso fielen Johnston in Schnitten nach Gram tiugible, kleine, schlanke Bazillen auf. Auf diese Bakterien machten auch Bang & Schmidt aufmerksam. RivoLTA bildete den Bacillus 1887 ab. Die entscheidenden, gründ- lichen, bakteriologischen Arbeiten indessen lieferten fast gleichzeitig En[derlen und Höflich 1891 und bewiesen, dass die Pyelonephritis des Rindes eine spezifische Infektionskrankheit ist. Die Pyelonephritis des Rindes stellt einen diphtherischen, nekrotisierenden Prozess dar, der sich vorwegs in den Pa- pillen der Reniculi abspielt und zu progressiver Zerstörung 810 Fr. Glage, dieser Partieen und der Markzone führt. Als Begleiterscliei- uuDgeu treten eine chronische Entzündung- der Nierenrinde, des Nierenbeckens und des Harnleiters ein. Kitt. Bei ausgebildeten Krankheitsfällen sehen die Nierenpapillen aus wie zernagt. Sie sind im Zustande diphtherischer Nekrose, gelb oder grau verfärbt, fetzig und von Gerinnseln und eitrigen Schwarten bedeckt. Das noch nicht ergriffene Gewebe ist hyperämisch oder serös durch- tränkt und umschließt oft reihenweise angeordnete, kleine Abszesse mit weichem Inhalte. Diese Abszesse, die in gleicher Weise die Mark- schicht und die Binden Schicht durchsetzen können, sind Steck- nadel- bis bohnengroß, kapseln sich ein oder vernarben allmählich völlig unter Zurücklassung von Narben, an welchen sich später Retraktion des Bindegewebes bemerkbar macht. Diese Veränderungen, welche in ver- schiedenen Stadien dem Beschauer zu Gesichte kommen, verleihen dem Durchschnitte durch die Niere ein buntfleckiges Aussehen. Dazu treten neben den Eiterherden öfters Blutungen ein und solche veränderten Partieen sind getrennt von normalem oder vikariierend hypertrophischem Nierengewebe. Die Oberfläche der Niere sieht fleckig grau oder weiß aus. Die fibröse Kapsel ist stellenweise mit der Rinde verwachsen, so dass sie sich nicht abziehen lässt. Sie ist trüb und verdickt. Die Nierenoberfläche erscheint glatt oder höckrig, knotig, und Eiterherde wölben sich bisweilen beulig über dieselbe hervor. Die Fettkapsel ist ödematös und sulzig. Die Schleimhaut des Nierenbeckens wird wulstig, verdickt. Sie ist gerötet oder sieht wie die Papillen geschwürig zerfressen aus, ebenso sind die Nierenkelche mehr oder minder von Ulzerationen besetzt. Das Nierenbecken erweitert sich und kann in einen großen, fluktuierenden Sack umgewandelt werden, in welchem eine schlickerige, schleimig- eitrige, graue bis graugelbe Flüssigkeit sitzt. Letztere enthält Harn- sedimente, Konkremente, schleimige Fetzen oder Blutgerinnsel. In an- deren Fällen kommt es zu ausgebildeter Pyonephrose, wobei die Niere in einen Eitersack mit mehreren Litern Inhalts umgewandelt sein kann. Der Harnleiter ist verdickt, wurstförmig, erweitert und mit schlicke- rigen Massen oder trübem, dickem, blutigem und flockigem Urin an- gefüllt. Die Schleimhaut erscheint sehnig, warzig oder verquollen, rami- form gerötet, ulzerös zerfressen und pigmentiert. Die erkrankten Nieren werden sehr groß imd wiegen statt wie nor- mal 400 — 500 g nunmehr bis 1500 g. Es pflegen die sämtlichen Lappen mehr oder minder zugleich ergriflen zu sein. In der Regel bleibt die Krankheit auf die Nieren beschränkt, manchmal indessen tritt aber auch circumskripte Bauchfellentzündung ein (Künnemann). Als Begleiter- scheinung sah Bunge ein Emphysem der Schleimhaut des Nierenbeckens und der Harnblase. Die Kadaver trifft man gelegentlich stark abge- magert, indessen nur, wenn die Krankheit erhel)lich vorgeschritten war. Dann kann sich auch Urämie einstellen und das Fleisch einen urinösen Geruch annehmen. In einfach gefärbten Schnitten erweisen sich die hellen gelblichen Flecke und Streifen in der Niere als nichts weiter wie ausgeweitete, mit degenerierten Epithelien und Wanderzellen oder schleimigen Massen gefüllte Harnkanälchen , neben welchen frische zellige Infiltration von verschiedener Ausdehnung zu erkennen ist. Außerdem tritt eine Ver- melirung des Bindegewebes in der Niere ein. Die Epithelien der Harn- kanälchen sind getrübt, verquollen, die Wand der Blutgefäße erscheint Die Eiterungen bei den Haustieren. 811 verdickt (Kitt], ebenso weisen die Glomeruli eine Verdickung der Kapsel anf. Die Wand des Nierenbeckens ist verbreitert und zeigt herdförmig kleinzellige Infiltration. Enderlen. Die mikroskopische Untersuchung des Harnleiter- und des Nierenbeckeninhaltes ergiebt viele Harnniederschläge, besonders Tripelphosphatkrystalle, Detritus, Körnchenkugelu, Eiterkörperchen, Cy- linder- und Plattenepithelien in verschiedenen Stadien der Nekrobiose, meist im Zustande der Verfettung. Dazwischen sind gelbbraune oder graubraune Bakterienhaufen gelagert und Fibrin. Höflich. Dieser destruierende Prozess an der Rinderniere wird ver- anlasst durch den Bacillus pyelonephritidis bovis oder, wie er auch heißt, den Bacillus renalis bovis, den Enderlen und Höflich in sämtlichen Fällen in den untersuchten Nieren fanden. Neben anderen, in geringer Menge vorhandenen Pilzen, wie Kokken, waren in dem schleimig-eitrigen Inhalte kleine, unbewegliche, 2 — 3 u lange und 0,7 ,u breite, z. T. etwas gekrümmte, an den Enden abgerun- dete oder manchmal etwas verdickte und sich ganz gleichmäßig färbende Bazillen zu sehen, die sich ferner besonders dadurch auszeichneten, dass sie fast nur in Haufen bei einander angetroffen wurden. Sehr schön sind sie nach Gram färbbar. In Schnitten kann man sie ebenfalls regel- mäßig sehen, meist ohne jede weitere Beimengung von anderen Bakterien; besonders in den geraden Harnkanälchen, selten dagegen in der Glome- rulis. Eine Sporenbildung hat nicht statt. Auf Agar entwickelt sich in Platten der Bacillus in Form kleiner, punktförmiger Kolonieen mit scharfem Rande. Striche auf Agar zeigen bei der Temperatur von 37" schon am folgenden Tage längs der Impfzone in geringer Breite kleine, graue Pünktchen. Der Rand des Striches ist wenig über das Niveau des Nährbodens erhaben. Die Kolo- nieen haften fest an der Agarfläche au. Bei schwacher Vergrößerung erscheinen die jüngeren Kolonieen als rundliche, braungraue Punkte, mit ziemlich scharfem Rande, wobei Centrum und Randzone keine Ver- schiedenheit in Farbe und Aussehen hervortreten lassen. Die Kolonie scheint sich aus feinen, schwarzbraunen, dicht geflochtenen Stäbclien zusammenzusetzen. Die älteren Herde besitzen eine unregelmäßige Peripherie. Bei starker Vergrößerung sieht man von ihrem Rande ein- zelne, gewundene, kurze Fädchen in die Agarmasse ausstrahlen, in ge- ringerem Grade bei den jüngeren Kolonieen. In der Agarstichkultur entsteht ein feiner Streifen von grauweißer Farbe, an dessen Rändern mau feinste Kügelchen bemerkt. An der Einstichstelle sind nur Avenige Körnchen zusammenhanglos gelagert. Auf Blutserum wachsen bei Blut- wärme in 24 Stunden längs des Impfstriches feine, graue, punktförmige Kolonieen, die um ein geringes größer sind, wie diejenigen auf Agar. Der Streifen ist kaum einen Millimeter breit. Die Körnchen stehen dicht beisammen und ragen wenig über die Serumfläche hervor. Der Streifen verbreitert sich allmählich, aber nur sehr wenig. Das Kondens- wasser wird nicht getrübt, am Boden scheidet sich ein feiner Nieder- schlag ab, der beim Aufschütteln eine wolkige Trübung bewirkt (Enderlen). Die Kulturen des Bacillus sind glänzend, die Kolonieen auf frischen Nährböden fadenziehend (Höflich). In Milch entsteht kein Wachstum, in Bouillon lagert sich bei 37° nach 2 Tagen ein Bodensatz ab, wäh- rend die darüber befindliche Flüssigkeit klar bleibt. Beim Aufschütteln bilden sich graue Wolken. Die Präparate aus der Kultur zeigen das sich nach Gram und Weigert gut färbende Stäbchen meist in Haufen 812 ^r. Glage, zusammeD, selten einzeln. Auf Kartoifeln erfolgt kein Waclistum. Ana- erob vermehrt sieh das Stäbchen nicht. Spärlich gedeiht es bei Zimmer- temperatur. Trotz häufigen Umimpfens nimmt die Wachstumsenergie bald ab, und die Kultivierung ist wegen der geringen Wachstumstendenz im allgemeinen eine schwierige. Die Entwicklung erfolgt am besten bei Blutwärme und frisch bereiteten Nährböden. Die Gelatine ist zum Züchten ungeeignet. MassELiN & PoRCHER trafen in einer Niere mit Pyelonephritis eine einzige Bakterienart an, die genau mit der Enderlens und Höflichs übereinstimmte, aber auch bei Zimmertemperatur auf Gelatine wuchs. Die Gelatinekulturen waren erst grau, dann gelb. Verflüssigung trat nicht ein. Die intraperitoneale und intravenöse Verimpfung blieb bei Kaninchen, Meerschweinchen und Hühnern wirkungslos. Bei Mäusen und Meerschweinchen erzielte Enderlen durch sub- kutane Impfung teils Eiterung, teils blieb die Einverleibung ohne Ef- fekt. Letzteres geschah auch bei intraperitonealer und intrapulmonaler Injektion bei Meerschweinchen. Beim Verimpfen in die vordere Augen- kammer entstand eine Iritis, die wiederum heilte (Kitt). Beim Ein- bringen von Kulturmaterial in die Blase der Kühe unter Anwendung eines Katheters trat eine typische Erkrankung nicht ein, Höflich fand aber hierbei eine Vermehrung und lange Haltbarkeit des Bacillus in der Blase. Der Harn wurde griesig. Die Kügelchen bestanden aus festen Massen, welche eine schleimige Peripherie besaßen und ließen sich schlecht zerdrücken. Erfolglos spritzte Enderlex die Kulturen bei Meerschweinchen in die Blase, auch nach intravenöser Injektion l)ei Kaninchen und beim Pände kam es zu keiner Erkrankung. Höflich. Als aber Enderlen den Ureter unterband und so eine Harnstauung er- zeugte, vermochte die intravenöse Injektion in der nunmehr prädispo- nierten Niere eine Nekrose der Papillen zu erzeugen, wobei sich die Bazillen in enormer Menge im Nierengewebe angesiedelt hatten. Auch PoRCHER & LiNEAUX vcrsucliten die Krankheit zu reproduzieren. Lineaux brachte den Bacillus in eine künstlich erzeugte Scheidenwunde einer Kuh. Dabei bildete sich indessen nur ein Abszess aus. Die Krankheit verläuft chronisch, und die Symptome sind unbestimmt. Die Tiere zeigen Störung des Allgemeinbefindens, zeit- weilig Kolikerscheinungen und mangelhaften Appetit. Allmählich erfolgt der Kräfte verfall. Die Temperatur kann um V2 — 1" erhöht sein, das Haar ist glanzlos und struppig. Die Konturen des Skeletts treten überall hervor. Die Haut lässt sich nicht in Falten legen. Der Gang wird schwankend. Die Tiere sind unruhig, treten hin und her und schlagen mit den Hinterbeinen nach dem Bauche. Die Milchergiebigkeit wird geringer. Besonders wichtige Veränderungen zeigt der Harn. Derselbe wird flockig, eiterähnlich, oder ist bierbraun bis blassrot. Es können ihm Blutgerinnsel beigemengt sein. Stets ist der Harn sehr eiweißreich. Die Peaktion ist stark alkalisch, das spezifische Gewicht war nach Bartels in einem Falle 1020. Mikroskopisch findet man im Harn Cylinder, rote und weiße Blutkörperchen, kohlensauren Kalk, nie- mals nach Hess Nierenepithelien, dagegen fällt eine Vermehrung des Ammoniakgehaltes auf. Man sieht Krystalle von Harnsäure, Epithel- fetzen aus dem Nierenbecken und der Blase. Der Schwanz und die Scham nebst deren Umgebung können von eitrigen und blutigen Massen besudelt sein. Oefteres Harnen ist eine häufige Begleiterscheinung der Pyelonephritis. Die Untersuchung per rectum ist nur dann von Nutzen, Die Eiterungen bei den Haustieren. 813 wenn die Krankheit schon weit vorgeschritten ist. Mau kann dann die Verdickung der Harnleiter und die Vergrößerung der Nieren direkt fühlen. Daneben machen sich eventuell Symptome eines Blasenkatarrhs bemerkbar (Friedberger & Fröhner). In hochgradigen Fällen stellt sich Abmagerung bis zum Skelett ein, und urämische Zutalle kompli- zieren das Krankheitsbild. Die Diagnose kann gesichert werden durch den Nachweis der Bazillen im Harn mit Hilfe der GRAMschen Färbung. Rasberger und Bartels stellten in mehreren Fällen so schon die bakteriologische Diagnose zu Lebzeiten des Tieres. Die mikroskopisch ermöglichte, früh- zeitige Erkennung der Krankheit ist wichtig, weil bei der Unheilbarkeit derselben das Tier rechtzeitig zur Schlachtung gebracht werden kann, ohne dass man vorher nutzlose therapeutische Versuche anzustellen braucht und ehe infolge einer Abmagerung der Wert des Tieres sinkt. Die Krankheit ist dem Einde eigentümlich und nicht auf den Menschen übertragbar. Schmidt beschreibt indessen einen Fall von nekrotisierender Nierenentzündung bei einem Füllen, bei welchem es ihm gelaug, in den erkrankten Nierenpartieeu Bazillen mit den morphologischen Eigenschaften der Pyelonephritisbazillen neben Kokken aufzufinden. Er hält dieselben als wahrscheinlich für identisch mit dem Erreger der Pyelonephritis des Rindes. Die Krankheit bildet sich meist beiderseitig aus. Dieses lässt an eine hämatogen e Entstehung denken, wofür auch die oben geschil- derten Experimente von Enderlen sprecheu. Doch deuten die prak- tischen Erfahrungen auch auf eine urogene Infektion hin. Verletzungen der Geschlechtsteile bei der Geburt, Zerreißungen derselben, das Zurück- bleiben der Nachgeburt oder Katarrhe der Gebärmutter scheinen oft die Eingangspforten für den Bacillus zu sein resp. die Gelegenheit zu seiner Ansiedelung zu bieten, jedenfalls ist es sicher, dass die Krankheit oft nach der Geburt zum Ausbruche kommt. Ochsen erkranken zwar auch an der Pyelonephritis, aber seltener als Kühe. Eine Ansteckung der Nachbartiere und direkte Uebertragung wurde noch nicht beobachtet. Oefters liegt bei der Pyelonephritis eine Mischinfektion vor mit Eiterkokken oder Colibakterieu (Kitt, Jensen), und es können nach Kitt auch diverse andere Kleinwesen allein ohne den Bac. pyelonephri- tidis bovis eine Pyelonephritis machen, wenn dieses auch selten geschieht. Man vermag eventuell in den erkrankten Nieren nur Streptokokken nachzuweisen, in drei Fällen ermittelte Albrecht lediglich Staphylo- kokken, einmal sahen Morot & Cadeac den Bacillus pyocyaneus bei einer Pyelonephritis in Reinkultur. Kitt hält die Infektion für eine anfangs öfters polymikrobische, erst weiterhin vereinfachen sich die Bakterienarten allmählich mehr und mehr. Litteratur. Albrecht, Woch. f. Tierh. u. Viehz., 1901, S. 409. Bang, Tidskrift f. Vet, 1889. Bartels, Deutsche tierärzt. Woch., 1897. S. 303. BoLLiNGER, Deutsche Ztschr. f. Tierm., 1891, S. 346. BUxNGE, Ztschr. f. Fleisch- u. Milchh.. 1897, S. 169. Cadeac & Morot, Journ. de Lyon, 1897, S. 6ö. Dammann, Deutsche Ztschr. f. Tierm., 1877, S. 26ö. EiCHENBERGER, Schw. Aich., 1884, S. 194. Enderlen, Deutsche Ztschr. f. Tierm.. 1891, S. 325. Freytag, Sachs. Vet.-Ber. f. 1895, S. 100. 814 Fr. Glage. Friedberger, Müncli. Jahrb., 1889/90, S. 164. Friedberger & Fköiixer, Lehrb. d. klin. Unters., 1900, S. 553. — Dies.. Spec. Path. u. Th.. 1901, S. 410. Fröhxer, Monatsh. f. prakt. Th., 1892, S. 230. GiLLOT. Rec. de med. vet, 1888, p. 159. Grimm, Sachs. Vet.-Ber. f. 1892, S. 103. HE.SS, Schwz. Arch. f. Tierh., 1888, S. 269; 189f), S. 224; 1892. S. 70. Höflich. Monatsh. f. prakt. Tierh.. 1891. S. 337. iMMixGER, Woch. f. T. u. Viehz , 1896, S. 2. Ejtt, Monatsh. f. prakt. Tierh., 1893, S. 492. — Ders., Bakterienk. u. path. Mikr., 1899, S. 461. — Ders. Path. Anat, 1901, Bd. 2. S. 471. Knoll. Berl. klin. Woch., 1894, S. 197. Knud.sen. Maanedskr. f. Dyrl., 1897, S. 157. KüNNEMANN, Deutsche tierärztl. Woch., 1897, S. 303. Lajrsek, Monatsh. f. prakt. Tierh., 1895, S. 517. LixEAUX & ZwAENEPOEL. Annal. de med. vet, 1902, Nr. 9 et 10. Mazzanti, Giorn. di med. vet., 1889. Masselix & PoRCHER, Eec. de med. vet., t. 72, p. 657. NocARD & Leclainche, Les malad, microb., 1896, p. 790. Pflug. Krankh. d. uropoetisch. Syst., Wien 1876, S. 134. Rasberger, Woch. f. Tierh. u. Viehz., 1899, S. 314. RivoLTA, Giorn. di med. vet., 1887. Rüder, Sachs. Vet.-Ber., 1891, S. 96. Schmidt, Maanedskr. f. Dyrl., 1890/91, p. 149; 1898/99, p. 179. SCHXEIDEMÜHL, Path. u. Ther., 1898, S. 794. SiEDAMGROTZKY, Sächs. Vet.-Ber. f. 1875, S. 30. Leberabszesse beim Rinde. Die häufig in der Riuderleber anzutreffenden multipen Abszesse sind bis apfelgroß oder noch größer, von einer dicken, bindegewebigen Kapsel umschlossen und enthalten einen außerordentlich zähen, dicken, innig zusammenhängenden, meist grünlich gefärbten, geruchlosen Eiter. In diesem sind in der Regel nur Bazillen nachweisbar, die identisch sind mit den Xekrosebazillen und nach der Methode von Stribolt mittelst Schüttelkulturen in Gelatine-Agar-Serum anaerob leicht zu züchten sind. Auch nach Jensen und Johne gehen die multiplen Leberabszesse aus der multiplen Lebernekrose hervor, und Johne fand alle Uebergänge von der ausgesprochenen Lebernekrose l)is zum Abszess. Ein von Grips aus dem Eiter der fraglichen Abszesse isolierter Bacillus dürfte mit dem Nekrosebacillus identisch sein, obwohl er sich gegenüber Meerschwein- chen abweichend pathogen von jenem verhält. In 9 Fällen fand Künne- MANN den Nekrosebacillus in den genannten Abszessen in Reinkulturen vor, in einem Falle mit dem von ihm Bac. pyog. bov. genannten Keim zusammen. In einem Leberabszess waren neben dem Bac. pyog. bov. Kokken. In diesem Falle war der Eiter dünnflüssig und übelriechend. Vielfach besitzt der Eiter beim Rinde einen eigentümlichen, unangenehmen Geruch, wenn man von den erwähnten nicht riechenden Leberabszessen absieht. Künnemann vermutet, dass dieser Geruch vielleicht auf eine gemeinsame Wirkung des Nekrosebacillus und des Bac. pyog. 1)0vis zurückzuführen sei. Eine eingehende Beschreibung des Nekrosebacillus findet sicli an anderer Stelle. Litter.atur. Giup.s, Mitteilungen für Tierärzte, 1898, S. 321. KÜNNEMANK..Arch. f. wiss. u. prakt. Tierheilk.. 1903, Bd. 29, S. 128. Die Eiterungen bei den Haustieren. 815 ^o Gmelinscher Eitererreger. Unter cleujeuigeu Bakterien', welche man als Erreger der Lähme ansprechen zu soÜeu glaubte, ist ein Fund Gmellins bei einem Kalbe bemerkenswert. Die Sektion des Kalbes ergab das Vorhandensein eines Abszesses im Urachus, dessen Inhalt mit graurofen, krümlichen Gerinnseln gemischter Eiter darstellte, und eine im Anschlüsse hieran eingetretene Allgemein- infektion. Pyämisch erkrankt waren Knie-, Sprung-, Schulter- und EUenbogengeieuke. Dieselben waren geschwollen, verdickt und beher- bergten in der Gelenkkapsel ein schwefelgelbes, trockenes Exsudat. In Deckglasausstrichen, besonders aus dem Inhalte der Gelenke ließen sich massenhaft leicht färbbare Mikroorganismen von rundlicher Form nachweisen, die meist zu zweien aneinauderlagen. Bei SOOfacher Vergrößerung indessen zeigte es sich, dass die scheinbaren Doppel- bildungen ein einziges, oben und unten abgerundetes Stäbchen darstellten, dessen" Pole stärker gefärbt waren als die Mitte. Die Länge der größten unter den Bakterien betrug 1,75 ,«, und mikroskopisch hatte die Art der Tinktion einige Aehnlichkeit mit der bei den Erregern der hämorrha- gischen Septikämie bekannten. Das Bakterium nimmt die Färbung nach Gram-Günther nicht an, verhält sich auch Karbolfuchsin gegenüber ablehnend, ist aber mit den gebräuchlichen Anilinfarben sonst leicht färbbar. In Gelatineplatten bilden sich runde, kleine Kolonieen, in Gelatine- und in Agarstichkulturen im Laufe des ersten Tages schleierartige Trübungen, die sich allmählich verdichten. Sehr oft ist das Wachstum im Impfstiche gegen die Tiefe hin ein unterbrochenes, und man sieht dann getrennt liegende, kuglige, perlschnurartig aneinandergereihte Eiuzelkolonieen. In Bouillon erfolgt bei 37° eine sehr rasche Vermehrung. Die Flüssigkeit wird trüb und enthält am zweiten und dritten Tage zahllose, kleine Einzelkolonieen, die teils auf der Oberfläche schwimmen, teils an der Wand des Glases haften oder am Boden als reichlicher Niederschlag sich ansammeln. Das Bak- terium ist unbeweglich. Mäuse starben durchschnittlich 21/2 Tag nach der Impfung, Kaninchen in 2 Tagen. Im Blute, in der Milz und den Nieren iindet sich dann das Bakterium in Unmengen vor, ebenso empfäng- lich sind Meerschweinchen, wogegen Tauben schwerer zu infizieren sind. An der Impfstelle entsteht bei letzteren ein gelbes, nekrotisches Gewebe, im Blute sind zahlreiche Bakterien nachweisbar. Es ähnelt der Befund demjenigen bei der Geflügelcholera. Eine Verimpfung in den Nabel eines Kalbes von 3 ccm Kultur erzeugte eine faustgroße, heiße, schmerzhafte und harte Schwellung mit multipler Nekrose des Nabels und partieller Peritonitis, Polyarthritis und Durchfall mit übelriechendem Kote, so dass das Bild der Lähme typisch erzeugt werden konnte. Litteratur. Gmelin, Monatsh. f. prakt. Tierheilk., Bd. 2, 1891, S. 503; Bd. 8, 1897, S. 262. Periartikuläre Phlegmone des Rindes. Im ganzen tropischen und subtropischen Südamerika kommt bei Käl- bern und jungen Rindern eine Erkrankung vor, welche von den Ein- geborenen Paleta-Rurü genannt wird und in Brasilien Manquea heißt. 816 Fr. Glage, Gleiche Symptome finden sich bei einer in Argentinien unter dem Namen Cawhiia bekannten Erkrankung. Letztere wurde von Weenicke & Her- RERA beschrieben. Wissenschaftlich ist die Krankheit als Phleg-mona periarticularis bovina zutreffend zu bezeichnen. Dieselbe ver- läuft bisweilen so bösartig, dass in Herden 40^ aller Tiere befallen werden, ja die Viehzucht kann einfach unmöglich werden, so dass ihre Erforschung für die Einderhaltung von großer Bedeutung ist. Die Symptome sind nach Voges ganz außerordentlich charakte- ristisch, so dass jeder Laie sofort die richtige Diagnose stellen kann. Die Tiere werden lahm. Es stellt sich dann an irgend einem Teile der Vorder- oder Hinterbeine eine geringfügige Anschwellung der Haut ein, die allmählich zunimmt und tumorartig wächst. Die bis hühnerei- große Geschwulst zeigt eine teigige Konsistenz und entleert beim Oeffnen Eiter. Da eine spontane Oeffnung des Abszesses nur selten vorkommt, entstehen später außerordentlich große Ansclnvelluugen, die hervor- gerufen werden durch die Bildung ganz enormer Eitermassen in der Unterhaut. Kompliziert wird das Bild durch das Auftreten von Phleg- monen und Eiterversenkungen. Der Eiter ist anfangs, wenn er in ge- ringer Menge vorhanden ist, dickflüssig, von der Farbe des Eahmes und charakterisiert durch einen entsetzlichen Gestank. Dieser Geruch ist ganz spezifisch. In späteren Stadien entleert sich beim Oeffnen der Abs- zesse eine große Menge Eiters, der mehr schmutziggrau oder durch beigemischtes Blut manchmal rötlich erscheint und dünnflüssiger ist. Daneben sieht man im Eiter Gewebsfetzen und Fibrin. Die Krankheit kann generalisiert werden und in das Bild einer Septikämie übergehen oder die dem Abszesse benachbarten Knochen und Gelenke ergreifen, wobei es dann zu argen Zerstörungen derselben kommt. Es stellen sich eiterige Periostitiden, Auftreibung der Knochen oder Ankylose der Ge- lenke, ferner Gelenkfisteln ein. Die Krankheit verläuft dann unter star- ker Abmagerung tödlich. Selten geht sie nach Entleerung des Eiters in Heilung über. BetroÖeu werden nur Kälber und 1 — 2 Jahre alte Einder. Voges konnte durch Ueberimpfung einer kleinen Menge Eiters in das Uuterhautgewebe eines Kalbes das Krankheitsbild genau reprodu- zieren. Er suchte wie schon Wernicke & Herrera nach dem ursäch- lichen Eitererreger, aber mit besserem Erfolge wie die genannten Autoren. Mikroskopisch sieht man im bakteriologischen Ausstrichpräpa- rate zu Milliarden im Eiter neben spärlichen Eiterkörperchen und ein- zelnen roten Blutkörperchen kleinste Stäbchen mit leicht abgerundeten Enden, deren Centrum die Farbe weniger gut aufnimmt, wie die Pole. Die Stäbchen sind so fein, dass Voges sie als die kleinsten Bazillen bezeichnet, die überhaupt bekannt sind, und stehen an der Grenze der Sichtbarkeit, wenn man das Präparat mit ZEiss-Oelimmersion Vi 2 ^^- trachtet. Der fragliche Bacillus war nur anaerob zu züchten. Er trübt, unter Wasserstoffgas gehalten, Bouillon, indem er einen nicht unbeträcht- liclien Bodensatz abscheidet. Die Kulturen haben dabei denselben stinkenden, charakteristischen Geruch wie der Eiter. In überschichteter Agarstichkultur entwickeln sich kleinste, grauweiße Perlknötchen, am besten bei Blutwärme, wobei sich dieselben in 2 — 3 Tagen vollständig ausbilden. Die Wachstumsbreite liegt bei 20 — 40", bei 50° werden die Bazillen in kürzester Zeit abgetötet. Die Kulturen sind nur 4 — 5 Gene- rationen hindurch auf künstlichen Nährböden fortzupflanzen und die Bazillen werden in denselben größer wie im Tierkörper. Die Eiterungen bei den Haustieren. 817 Durch die Verimpf uug- von Reiukultureu konnte die Krankheit beim Kalbe typisch reproduziert werden, selbst noch mit vier Wochen alten Keimen. Mit Eiter glücken sogar noch nach Monaten Ueber- tragungsversuche. Bemerkenswert ist, dass der Tod der geimpften Tiere nur bei hoher Lufttemperatnr eintrat, während sich in der kälteren Jahreszeit nur eine chronische Form der Krankheit entwickelte. Die Bazillen fanden sich bei den infizierten Tieren sowohl im Blute, wie in den inneren Organen vor. Mäuse, Eatten, Kaninchen sind nicht zu infizieren, Meerschweinchen starben bei intraperitonealer Impfung in 48 Stunden, wobei die Bazillen in der Bauchhöhle, im Herzblute und in allen inneren Organen nach- gewiesen werden können. Eine toxische Wirkung keimfrei gemachter Bouillonkulturen beobachtete Voges nicht. Die Therapie ist die denkbar einfachste. Mau spaltet die Abszesse mit einem ausgedehnten Schnitte und zwar möglichst frühzeitig und er- zielt dann bei gewöhnlicher Wundbehandlung in kürzester Zeit Heilung. Litteratur. Voges, Centralbl. f. Bakt. 1902, Bd. 31, S. 136. Bacillus pyogenes bovis Künnemann. Unsere Kenntnisse über die Bakteriologie der Eiterungen des Rindes haben eine wesentliche Erweiterung durch eine erst kürzlich erschienene Arbeit Küxnemanns erfahren. Künnemann untersuchte 56 Fälle von Eiterungen verschiedener Art und zwar meist Abszesse in den Organen oder an den diversen Körperteilen. Darunter befanden sich Eiterungen im perirenalen Gewebe, die multipeln Abszesse in der Rinderleber, ein Abszess in der Nabelgegend und ein solcher vor dem Euter. Vier Fälle betrafen eine eitrige Pyelonephritis, ein Fall eine Pyonephrose und vier- mal handelte es sich um Pyämie. Dazu prüfte Künnemann die Krank- heitsprodukte bei einer Anzahl eitriger Metritideu, eitriger und brandiger Vaginitiden und eitriger und jauchiger Mastitideu. Einen besonderen Bacillus traf Künnemann in dem Eiter bei 38 Eite- rungen, meist Abszessen, welche chirurgisch geöffnet wurden oder ge- legentlich bei geschlachteten Tieren gefunden worden waren. Dieses Stäbchen nennt der Entdecker Bacillus pyogenes bovis. In 15 Fällen war der Bacillus in Reinkultur vorhanden, in 23 Fällen in Gemeinschaft mit anderen Mikroorganismen. Das Stäbchen ist im Eiter immer in un- gemein großer Menge vorhanden und auch bei Gegenwart anderer Keime entschieden an Zahl überwiegend. Die sehr zarten, in den Größeuverhältnissen etwa den Rotlaufbazillen ähnlichen, geraden Stäbchen sind im Eiter leicht mit den gebräuchlichen Anilinfarben nachweisbar und färben sich auch nach Weigert, dagegen nicht nach Gram. Die Größe der Stäbchen im Euter wechselt, häufig werden sie so klein, dass man sie für Kokken halten könnte, indessen ist die Stäbchenform auch hier bei stärkerer Vergrößerung zu erkennen. Die Länge schwankt zwischen 0,3—2 //. Ein Wachstum erfolgt auf Gelatine, Agar, Glycerinagar, Traubenzuckeragar, Kartoffeln und in Bouillon nicht. Dagegen gedeiht der Bacillus gut auf Serum und Serum- Agar. Die Isolierung glückt am leichtesten aus Agar-Serumplatten. Man beschickt nach der HuEPPEschen Methode flüssiges, steriles Blutserum mit einer Spur Eiters und vermischt dieses mit etwa 42" warmem, Handbuch der pathogeneu Mikroorganismen. III. 52 818 Fr. Glage o^) verflüssig:tem Agar. Die Kultivierimg gelingt dann sicher, wenn die Seriimmenge etwa 1/3 ^^^ Agarmenge beträgt. Nach 36 — 48 Stunden sieht man in den Platten kleine, punktförmige Kolonieen von etwa 50 u Größe, an denen man bei schwacher Vergrößerung feine, stachel- förmige Auswüchse bemerkt, so dass die Kolonie ähnlich einem Stech- a])fel aussieht. Die Rasen wachsen in 5 — 6 Tagen bis zur maximalen Größe von etwa 30 ^< heran. Dann erblickt man sie im Agar als feine, graue Punkte, auf der Oberfläche als kleine, graue, flache Herde. In den Oberflächenkolonieen erscheinen die Ränder bei geringer Ver- größerung glatt, bei den tief gelagerten schwach ausgebuchtet oder ebenfalls glatt. Die Kolonieen bestehen aus feinen, 1 — 2 jn langen Stäbchen, welche denjenigen im Eiter gleichen. Auf schräg erstarrtem Agar-Serum gezüchtet, bilden die Bazillen kleine, durchsichtige, tropfen- artige Kolonieen, die zu einer glänzenden, durchsichtigen, dünnen Schicht zusammenfließen, während im Kondensationswasser sich ein grauweißer, feinflockiger Bodensatz absetzt. In Serum-Agarstichkulturen entsteht ein grauer Streifen, auch hier wachsen die Mikroorganismen wie auf dem Agar-Serum als ausgesprochene Stäbchen. Auf schrägem Serum bilden die Stäbchen einen glänzenden, zarten Belag, in flüssigem Serum und in Bouillon -Serum einen grauen, feinflockigen, leicht aufwirbelnden Bodensatz. In und auf Serum gewachsen, sind die Bazillen kürzer wie auf Agar- Serum und werden kokkenartig, so dass ihre Länge nur wenig die Dicke übersteigt. In Bouillon entstand bei Zusatz größerer Mengen Serums ein Kürzerwerden des Stäbchens. Eine Abimpfung der auf Serum gewachseneu, sehr kurzen Stäbchen auf Agar-Serum veranlasst wieder die Bildung längerer Bazillen. Von den drei stäbchenförmigen Eiter- erregern LucETs, dem Bac. pyog. bov., dem Bac. liquefac. pyog. bov. und dem Bac. crassus pyog. bov., unterscheidet sich das Stäbchen durch die morphologischen und kulturellen Merkmale bedeutend. Der Bacillus ist der häufigste Eitererreger des Rindes und in 90 ^ aller Fälle in dem Eiter anzutreffen, dabei in 50 ^ in Reinkultur. In zahlreichen Fällen von eitrig-jauchigen Gebärmutterentzündungeu, Scheiden- und Euterentzündungen war der Bacillus außerdem ebenfalls nachweisbar, wenn auch neben anderen Keimen. Bei subkutaner Verimpfung einer Aufschwemmung einer Serum- Agarstrichkultur bei einer Kuh am Halse entstand 24 Stunden nach der Einspritzung an der Injektionsstelle eine warme, flache Anschwellung, die in den nächsten Tagen noch größer und enteneigroß w^urde. Beim chirurgischen Oeffnen der Geschwulst nach 14 Tagen entleerte sich ein rötlichweißer, dickflüssiger Eiter, der die fraglichen Bazillen in Rein- kultur enthielt. In anderen Fällen ging die nach der subkutanen Impfung zuerst entstandene Anschwellung ohne Eiterl)ilduug wieder zurück. Ferner wurde von Künnemann einer Kuh Kulturmaterial mit einem Wattebausch in die Scheide gebracht, nachdem dieselbe vorher mit der Watte gerieben war. Schon nach 24 Stunden entstand neben leichter entzündlicher Rötung eine Auflagerung von schleimigen Massen, und in den folgenden Tagen bestand ein schleimig-eitriger Ausfluss, der allmählich wieder verschwand. In dem Ausflusse waren fortwährend die Stäljchen aufzufinden, oft in Gruppen von 6 — 8 eingelagert in den Eiterkörperchen oder Epithelzellen. Bei Pferden erzeugte die subkutane Impfung nur eine ganz vorübergehende Schwellung der Impfstelle, bei Hunden, keine bemerkbare Veränderung. Auch Mäuse verhalten sich völlig indifierent gegenüber der subkutanen und intraperitonealeu Verimpfung des Die Eiterungen bei den Haustieren. 819 Bacillus, ebenso Meerschwemchen. Nur einmal entstand bei einem Meerschweinchen nach peritonealer Einverleibung ein haselnussgroßer Abszess im Nebenhoden. Bei Kaninchen entwickelt sich nach sub- kutaner Injektion an der Impfstelle ein Abszess oder nur eine vorüber- gehende Anschwellung. In den 23 Fällen der Eiterung, in welchen Künnemann den Bacillus pyogenes bovis nicht in Reinkultur antraf, waren daneben verschiedene Beimengungen vorhanden, mehrere Male der Nekrosebacillus, ferner ovoide oder kurze den Kolonbakterien ähnliche Mikroorganismen, drei- mal Streptokokken und öfters Staphylokokken. Litteratur. KÜNNEMANN, Archiv f. wissensch. u. prakt. Tierheilk., 1903, Bd. 29, S. 128. Eiterungen beim Schweine. Der wichtigste und bis jetzt allein bekannte Eitererreger des Schweines ist von Grips beschrieben worden. Auf denselben wurde seine Auf- merksamkeit zuerst gelenkt, als er die mit multipler Abszess- bildung verlaufende Pleuritis und Peritonitis der Schweine bakteriologisch näher untersuchte. Man findet diese Krankheit bei Schweinen nicht selten zufällig nach der Schlachtung vor, und sie ist gekennzeichnet dadurch, dass das Brustfell entweder mit zottigen An- hängen oder beträchtlichen, bindegewebigen Auflagerungen bedeckt ist. Eine besondere Eigenart erhält dieser Befund durch das Vorhandensein von erbsen- bis haselnussgroßen Abszessen. Dieselben haben eine glatte und starke Kapsel, sind von kugliger Gestalt und sitzen entweder der Serosa direkt auf oder frei in den bindegewebigen Auflagerungen, so dass sie nach Herausnahme der Lunge an dieser oder an der Brustwand baumeln. Verfolgt man die Entstehung der Abszesse, so entwickeln sich zuerst kleine, solide Knötchen von Kugel- oder Linsenform, die aus einem gleichmäßigen, zarten Gewebe bestehen. An den größeren Knöt- chen scheidet sich eine grauweiße Peripherie und ein gelbes Centrum. Im Beginne der eiterigen Einschmelzung, welche nun an den Knoten statthat und im zentral gelagerten, gelben Gewebe einsetzt, sieht man dort auf Druck kleine Eitertröpfchen an mehreren Stellen hervortreten. Der ausgebildete Abszess enthält später in einer dicken sehnigen Kapsel einen dicklichen, zähen Eiter von eigentümlicher gelbgrüner oder grün- licher Farbe. Derselbe ist nicht übelriechend und reagiert alkalisch. Abszesse gleicher Beschaffenheit kommen auch in den Lymphdrüsen und Speicheldrüsen am Kopfe und der Muskulatur vor, ebenso in der Lunge und am Herzbeutel. Bisweilen sind alle Organe betroffen, so dass ana- tomisch das Bild der Pyämie vorliegt. In besagten Abszessen fand Gkips fast ausnahmslos einen bestimmten Mikroorganismus, entweder in Reinkultur oder in Gemengen mit andern Bakterien zusammen, den er Bacillus pyogenes suis nennt. Der Bacillus ist der häufigste Eitererreger des Schweines und seiner Gestalt nach ein kurzes, zartes Stäbchen, das noch etwas kleiner ist, wie der Rotlaufbacillus. Eigenbewegung besitzt es nicht. Es ist im Eiter vielfach in solcher Massenhaftigkeit vorhanden, dass selbst in dünn- ausgestrichenen Präparaten das ganze Gesichtsfeld bedeckt ist und die Bazillen einen erheblichen Teil der Eitermasse bilden. In solchen Fällen 52* 820 Fr. Glage. findet man aucb, besonders in älteren Abszessen, viele scblecbt färb- bare, etwas stärkere Stäbchen, vermutlich luvolutionsformen. Die Bazillen liegen meistens einzeln, selten in Verbindung zu längeren Stäbchen- formeu. Sie färben sich gleichmäßig, aber nur schwer mit einfachen wässerig-alkoholischen Anilinfarben oder Methylenblau, am besten mit Anilin wasser-Gentianaviolett und Karbolfuchsin. Die GRAMSche Methode versagt, auch ist der Bacillus nicht säurefest. Gelatine ist als Nährboden nicht zu gebrauchen, weil der Bacillus nur bei höherer Temperatur gedeiht, bei welcher die Gelatine schmilzt. Auch Agar erwies sich als ein nicht günstiger Nährboden. In Agar- stichkulturen vermehrt sich der Bacillus allerdings und bildet einen zarten, grauweißen, feinkörnigen Streifen, während ihm dagegen ein Oberflächenwachstum auf diesem Nährmaterial nicht zusagt. In Bouillon bildet sich ein spärlicher, weißer Bodensatz, der sich beim Schütteln gleichmäßig verteilt. Die Bouillon bleibt klar oder es tritt eine ganz leichte Trübung ein. Das Wachstum ist in diesem Nährboden ein laug- sames und kann sogar zuweilen ganz ausbleiben. Der beste Nährboden ist erstarrtes Blutserum, auf dem das Stäbchen eine charakteristische Kultur bildet. Es wächst hier in Form weißlicher, zarter, punktförmiger und ziemlich trockner Kolonieen, die sich im Brütofen erst nach meh- reren Tagen entwickeln und stets eine kleine, trichterförmige Ein- schmelzung des Serums bewirken. Bei zusammenhängenden Rasen auf der Oberfläche tritt eine gleichmäßige, diffuse, oberflächliche Verflüssigung ein. Hierbei ist bei auffallendem Lichte lediglich eine feuchtgiänzende Beschaffenheit der Oberfläche des Serums zu bemerken, während bei durchfallendem Lichte ein zarter, weißer Belag zu erkennen ist. Auf Kartofleln entsteht ein rein weißer, dünner und trockener Belag. In Traubenzuckerbouillon erfolgt keine Gasbildung. Das Stäbchen ist pathogen für Kaninchen und Mäuse bei Verim- pfung relativ großer Mengen Kulturmateriales. Bei Kaninchen ent- stehen nach subkutaner Impfung Abszesse, bei interaperitonealer Ein- verleibung gehen die Tiere entweder in 8—14 Tagen an einer eiterigen Peritonitis ein oder es bilden sich nur Adhäsionen und Verwachsungen der Bauchfellblätter mit einzelnen Abzessen. Erscheinungen der Septi- kämie bemerkt man nicht. Bei Mäusen entsteht nach iutraperitonealer Impfung eine diffuse, eiterige Bauchfellentzündung, oder es entwickeln sich nur einzelne Abszesse in der Bauchhöhle oder endlich die Tiere er- liegen einer entzündlichen Erkrankung der Lunge. Ins Blut gehen die Stäbchen höchstens vereinzelt über. Auch bei den kleinen Versuchstieren ergab sich, dass die durch dieses »Stäbchen hervorgerufenen Eiterungen Neigung zur r>ildung von abgekapselten Abszessen haben, und die eigen- artige Entwicklung aus erst soliden, der Serosa aufliegenden Knötchen findet man bei den Impftieren ebenso deutlich ausgeprägt, wie beim Schweine. Der Infektionsmodus ist beim vSchweine nicht immerzu ermitteln. In den Fällen von Eiterung in den Lungen mit gleichzeitiger broncho- pneumonischer Erkrankung müssen zweifellos die Bronchien als Eintritts- pforte des Bacillus angesehen werden. In anderen Fällen dürften die Erreger von äußeren Wunden aus in die Blutbahn gelangen und in dieser verschleppt werden. Dafür spricht der Umstand, dass die serösen Häute Prädilektionsstellen für die pathogene Thätigkeit des Bacillus bilden und auch beim Kaninchen durch intravenöse Injektion eine eiterige Peritonitis erzeugt werden konnte. In Frage kommen fernerhin als Die Eiterungen bei den Haustieren. 821 Eintrittsstelle speziell KastratiouswuDden, der Nabel und die Sclileimliaut der Maul- und Racbenliölile, vielleicht kann auch die Infektion vom Darme aus erfolg-eu. Differentialdiagnostisch gegenüber dem Bac. pyogenes suis kommen in Betracht das Bakterium der Schweineseuche, der Eotlauf- bacillus, die pyogenen Staphylo- und Streptokokken, die aber bei Be- rücksichtigung ihrer morphologischen und biologeu Verhältnisse und des pathogenen Verhaltens leicht abzutrennen sind. Litteratur. Grips, Ztschr. f. Fleisch- u. Milchli., 1898, Bd. 8, S. 166; Deutsche tierärztl. Woch., 1902, S. 213; Inaug.-Diss., Gießen 1902. EgmerkuDgen über den Bacillus pyogenes bovis Künnemann und den Bacillus pyogenes suis G-rips. Der von Grips im Jahre 1898 erstmalig beschriebene Bac. pyog. suis und der 1903 bekannt gewordene Bac. pyog. bovis Künnemann, d. h. der häutigste Eitererreger des Schweines und des Rindes, sind nach den Untersuchungen des Verfassers identische Bakterien. KtJNNE- MANN behandelt zwar dififerentialdiagnostisch die meisten stäbchen- förmigen Eitererreger des Rindes gegenüber seinem Bac. pyog. bovis, aber beachtet nicht die Arbeiten von Grips und Voges. Der Bacillus Voges unterscheidet sich von dem Bacillus pyogenes bovis erheblich dadurch, dass er ein obligater Anaerobier ist, in Agar gut wächst, und dass seine Kulturen einen stinkenden Geruch verbreiten. Dagegen gleichen die Beschreibungen des Bac. pyog. suis und des Bac. pyog. bovis sich sehr. Wenn Grips im Gegensatze zu Künnemann anführt, dass sein Bakterium in Agarstichen, auf Kartoffeln und gelegentlich in Bouillon gedeiht, so waren nach mündlicher Mitteilung seitens Grips diese Züchtuugsresultate nur selten erhalten worden, und die Kulturen blieben kümmerlich. Die pathogenen Eigenschaften, welche Grips im Gegen- sätze zu Künnemann für Mäuse und Kaninchen angiebt, äußerten sich nur bei Einverleibung sehr großer Mengen Kulturmaterials. Im übrigen finden sich Abweichungen in den Arbeiten nicht vor. Ich habe Gelegenheit gehabt, die eitrigen Mastitideu der Milchkühe zu untersuchen, und dabei in den Abszessen ebenfalls das Stäbchen au- getroffen, in den kleinsten Eiterherden meist in Reinkultur, sonst öfters in Mischung mit anderen Bakterien, vornehmlich Kokken. Die Mastitiden sind durch ihre neigenartigen pathologisch-anatomischen Befund gut charakterisiert. Ohne akut entzündliche Erscheinungen bilden sich im Euter graue, solide Knötchen, die histiologisch An- häufungen von Rundzellen mit gut färbbarem Kern darstellen und an mehreren Stellen, zuerst im Centrum, puriforme Erweichimg zeigen. Peripher bildet sich eine dicke, bindegewebige Kapsel, von der um- fangreiche Bindegewebsmassen in das Drüseugewebe der Nachbarschaft ausstrahlen. Der Eiter ist grünlich gefärbt. Die Krankheit verläuft ohne erkennbare Störung des Allgemein- betindeus, indessen wird das Euter wegen der starken Biudegewebs- wnicherung' allmählich sekretionsuntüchtig. Ein vorgeschritten erkranktes Euter ist auf dem Durchschnitte weiter nichts als ein speckiges, von multipeln Abszessen durchsetztes, nur Spuren von Drüsensubstanz um- schließendes Gewebe. 822 Fr. Glage, Das Stäbchen konnte ich wie Grips und Küxxemann nur durch Anwendunc; von Serum isolieren, wobei sich Schweine- und Rinder- serum als besseres Nährmaterial erwies wie Pferdeserum. Im übrigen zeigte der Bacillus sonst völlige Uebereinstimmung in seinen biologischen und morphologischen Verhältnissen mit dem Bac. pyog. suis und dem Bac. pyog. bovis. Auf Kartofleln wuchs der Infektionsstolf nicht, in Agarsticheu selten und sehr kümmerlich, ebenso in Bouillon. Die patliogenen Eigenschaften glichen den von Grips beschriebenen. In Platten auf Serum-Agar verhielt sich das Stäbchen, wie Künnemaxn angab, auf Serum wie das von Grips beschriebene Bakterium. Zum Vergleiche standen mir von Grips, sowie eigene aus dem Eiter des Schweines isolierte Kulturen zu Gebote. Erweitern darf ich die Beschreibungen dadurch, dass das Stäbchen, für welches ich den Namen Bacillus pyogenes vorgeschlagen habe, auch auf Möhren und Wruken nicht gedeiht, dagegen bemerkenswerter- weise sehr gut in Milch, was um so erwähnenswerter ist, als bislang nur ein einziger brauchbarer Nährboden, das Serum, für die Züchtung zu Gebote stand. Die Milch gerinnt in 1 — 2 Tagen zu einer gleich- mäßigen Gallerte und scheidet in 1 — 2 Tagen nachher eine fast wasser- klare Molke in reichlicher Menge ab, wobei sich ein dickes, weiches Milchgerinnsel am Boden oder der Seitenwand des Glases absetzt. Ebensowenig pathogen wie für die kleinen Säuger ist der B. pyogenes für Tauben. Es bildet sich nach subkutaner Einverleibung eine flache, ausgedehnte, heiße Anschwellung an der Impfstelle, welche weniger knotig ist wie bei der Geflügelcholera und nicht tödlich endet. Das Exsudat ist serös und bernsteingelb gefärbt. Beim Schweine entsteht, wie Grips neuerdings feststellte, nach intravenöser Verimpfung eine in einigen Wochen tödlich ausgehende Pyämie, wobei sich vornehmlich metastatische Abszesse in der Muskulatur bilden, was man bei den Pyämieen des Schweines auch in der Praxis iDeobachtete. Oster- TAG. Die üppige Vermehrung des B. pyogenes in Milch und sein Vor- kommen bei den eitrigen Mastitiden des Rindes deuten an, dass die Eiterung auf Schweine durch die Milch übertragen werden könnte. Dafür spricht auch der Umstand, dass bei Schweinen oft eine multiple Abszessbildung in der Darmwand vorkommt, die von hier aus auf das parietale Blatt des Bauchfelles übergreift und dann die von Grips zuerst beachtete, multiple abszedierende Peritonitis darstellt. Diese Abszess- bildung sieht aus wie eine Fütterungseiterung. Beim Rinde kommt ebenfalls, aber nur ausnahmsweise, eine multiple Abszessbildung am Bauchfell, veranlasst durch den B. pyogenes, vor. Bemerkt sei hinsichtlich der Eiterung des Schweines und des Rindes noch, dass es sich nicht um eine akute Emigration von Leukocyteu handelt, sondern der Eiter einer rapiden, puriformen Einschmelzung eines tumor- artigen Rundzellengewebes seine Entstehung verdankt. Es bilden sich »kalte« Abszesse. Die Eiterkörperchen sind nur vereinzelt gut erlialten und befinden sich in vorgeschrittenem nekrobiotischem Zerfalle. Der Prozess kann mit der Botryomykose verglichen werden, doch ist bei dieser die Eiterung weit weniger umfangreich. Erwähnenswert ist ferner, dass die Abszesse, trotzdem dieselben eine bindegewebige Kapsel haben, die Neigung zur Bildung neuer Abszesse in der Nachbarschaft und zum Uebergang in Pyämie zeigen. Eine Mitvereiterung der regionären Lymph- drüsen ist selbst bei ausgedehnter Abszessbildung selten. J^KJ^K^LL^^U^.. U.3..J,JlJK.,O.DK,Xl.^KtL±^ Die Eiterungen bei den Hfiustieren. 823 Der Bacillus pyogeues, der durch die wertvollen Untersucliung-eu von Grips und Künxemaxx genügend charakterisiert ist, bereichert die Zahl der pathogenen Bakterien um eine anscheinend sehr wichtige Art. Litteratur. Glage, Zeitschrift für Fleiscli- und Milchhygiene, 1903, Heft 6. Verschiedene Eitererreger bei den Haustieren. Der Bacillus pyocyaneus ist wiederholt bei Tieren im Eiter angetroffen worden. Nach Poels besitzt derselbe auch bei dem en- zootischen Kälbersterben, das der genannte Autor studierte, eine be- sondere Bedeutung, und eine Form derselben wird von Poels als »Pyocyaneusbacillosis« bezeichnet. Charkin & Gley fanden den Pyocyaneus in den Lymphdrüsen eines an Bronchopneumonie gestorbenen Schweines und im Herzblute eines Hundes. Der Pyocyaneus ist nach diesen Beobachtern in den Geweben und Körpersäften bei 17 Tierarten gesehen worden. Cadeac traf den Bacillus bei einem Hunde, der lange an Lymphadenie gelitten hatte und kachektisch geworden war, in der Milz, ohne dass er denselben als Erreger der Krankheit betrachtet und hält auch den von Galtier bei jungen Schweinen gefundenen »Microbe chromoaromatique« für identisch mit dem Bacillus pyocyaneus. Die Mitteilung von Morot & Cadeac über die Anwesenheit des Bacillus pyocyaneus in einem Falle von Pyelonephritis des Rindes ist schon erwähnt worden. Ein anderes bei Haustieren im Eiter wiederholt ermitteltes Bakterium ist das Bacterium coli commune. Dasselbe sah Jensen bei akuter purulenter Peritonitis des Hundes teils in Reinkultur, teils in Gemischen mit anderen Keimen, ebenso bei eitriger Pyelonephritis des Hundes, des Schweines und des Hirsches. Als weitere Fundstätten nennt Jensen Prostataabszesse, den Eiter bei purulenter Endometritis des Hundes und die Lunge bei Staupepneumonie. Bossi und Casper trafen das Bakterium im Eiter bei Pferden an. Bei Hühnern entdeckten Legratn & Jacquot in großen Abszessen, die besonders am Kopfe und Halse auftraten und deren Inhalt sehr übel roch, einen kleinen, ziemlich kurzen und dicken, beweglichen Bacillus mit abgerundeten Enden, mit welchem sie bei Mäusen nach Verimpfung Septikämie erzeugen konnten. Der Bacillus hatte die größte Aehnlichkeit mit dem Bac. pyogen es föetidus. Die Abszesse waren von maligner Beschaffenheit und riefen bei den befallenen Tieren eine chronische Septikämie hervor. Sie führten, wenn sie nicht rechtzeitig geöffnet wurden, unter starker Abmagerung zum Tode. Einen dem Bac. pyog. föetidus gleichen Bacillus beobachtete Mircüli bei einer Nierenerkrankung eines Pferdes. Den Micrococcus tetragenus und den Staph. cereus albus will KarliSski mehrfach bei Tieren ermittelt haben. Bei. einer eiterigen Periostitis des Pferdes wies endlich Jensen ein kleines, ovales, dem Erreger der Geflügelcholera ähnliches Bakterium nach. In vier Fällen von Eiterung beim Rinde fand Künnemann nicht den gewöhnlichen Erreger, den Bac. pyog., sondern andere Bakterien, ein- mal große, nicht verflüssigende Staphylokokken, einmal Streptokokken, 824 Fr. Glage, einmal coliartige Bakterien, einmal ein Stäbchen, welches ovale Sporen bildete. Die eitererregeude Kraft der Eotz- und Pseudorotzbazillen, die gelegentlichen eiterigen Einschmelzuugen bei Pseudotuberkulose, Aktino mykose, die ätiologisch noch dunkeln eiterigen Erweichungen bei der Tuberkulose des Kindes, die Eiteruugen bei der Staupe der Hunde seien hier nur kurz erwähnt. Im ganzen sind bei den Haustieren über 20 Eitererreger bekannt, von denen indessen nur ein geringer Teil genügend eingebend studiert worden ist. Litteratur. Cadeac, Compt. reiid. de la soc. de biol., 1890, p. 41. Charrin & Gley, ibid., 1892, p. 930. Jensen, Maanedskr. f. Dyrl., vol. 8, p. 193. Koch, Wundinfektionskrankh. Leipzig 1878. Legrain & Jaquot, Rec. de med. vet., 1888, p. 775. MiRCOLi, Clin, veter., t. 13, p. 392. Poels, Eapport over de Kalverziekte in Nederland. Haag 1899. Anhang. Acne contagiosa equorum. Durch engUsche Pferde wird nicht selten ein eigentümlicher, anstecken- der, pustu löser Hautausschlag nach Deutschland verschleppt, die so- genannten »englischen Pocken«, welche von Dieckerhoff & Grawitz be- schrieben sind. Nach England soll die Krankheit, wie AxE erwähnte, von Kanada gelangt sein. Dieselbe ist charakterisiert durch das Auftreten von Pusteln auf der Haut. Die Eruption beschränkt sich meist auf den Piücken in der Sattellage, weil hier die Uebertragung durch das Satteln und die Decken besonders leicht erfolgt, doch erkranken öfters auch andere Partieen der Haut. Letztere schwillt stark an, und es bilden sich dann haselnuss- bis hühnereigroße eitrige Knoten. Nach und nach können in den nächsten Wochen noch neue Nachschübe von einzelnen Pusteln erfolgen. Die Heilung geschieht in 4 — 6 Wochen, und das Leiden führt niemals zum Tode. Es bleibt stets lokal, ist aber an sich sehr lästig. SiEDAMGROTZKY verimpfte das Sekret der Pusteln auf Kaninchen und Meerschweinchen mit dem Erfolge, dass die Tiere ein malignes Oedem an der Impfstelle und Septikämie acquirierteu. Grawitz fand den spezifischen Krankheitserreger, ein Stäbchen, in den Pusteln und Schorfen, später schlössen sich Untersuchungen von Tokishige an. Der Bacillus ist etwa halb so laug wie Tuberkelbazillen oder nin- 0,2 « groß. Er bildet auch länglichovale und rundliche Kügelchen, die besonders nach Gram gut färbbar sind. Die Stäbchen sind gerade oder leicht gebogen, oft zu zweien verl)unden oder mehrere parallel gelagert. Sie färben sich außer nach Gram gut mit Fuchsin, weniger eignen sich Gentianaviolett oder Me- thylviolett, unbrauchbar ist Methylenblau. Die Kultur glückt aus frischen Pusteln leicht. Das Stäbchen wächst am besten auf Blutserum bei Körpertemperatur, auf dem man schon in 24 Stunden zahlreiche punktförmige, weiße Kolonieen entstehen sieht. Nähr- gelatine giebt keinen guten Nährboden ab. Es entwickeln sich hier ohne Verflüssigung weiße Kolonieen, die im Stiche einen Faden aus Kügelchen bilden. Auch auf Kartofieln geschieht die Vermehrung sehr wenig, bei Temperaturen unter 17° hört die Entwicklung auf Schwach alkalische oder Die Eiterungen bei den Haustieren. 825 neutrale Nährböden eignen sich zur Züchtung am besten. Auf HühnereiAveiß entstehen ziemlich reichlich kleine Kolonieen. Aus Trauben- oder Milchzucker bildet der Bacillus weder Alkohol noch Milchsäure. Die Kulturen werden durch Erhitzen auf 80 — 90'^ sicher abgetötet, in trockenen Schorfen halten sich die Keime lange lebensfähig. Die Wirkung des Bacillus ist eine toxische. Die Uebertragung glückte bei Pferden, Schafen, Kälbern, Hunden und kleinen Versuchstieren. Bei Hunden entstand nach subkutaner Verimpfung eine umfangreiche Phlegmone, die tödlich endete, in einem anderen Falle nur eine geringe Infiltration der Impfstelle. Durch Einreiben der Kultur war der Ausschlag leicht typisch zu erzeugen, wobei die reaktive Hautentzündung am heftigsten sich bei Kaninchen und Pferden einstellte, milder bei Kälbern, Schafen und Hunden verlief. Mäuse gehen nach subkutaner Einverleibung an Pyämie ein, sind aber unempfindlich gegen das einfache Aufstreichen der Kultur auf die äußere Decke. Als die empfindlichsten Tiere müssen Meer- schweinchen angesehen werden, welche schon beim bloßen Einreiben der Bazillen in die Haut an einer hämorrhagisch-erysipelatösen Schwellung der Subcutis erkranken und in 48 Stunden unter Erscheinungen der allgemeinen Intoxikation sterben. Bei Pferden bilden sich 2 — 3 Tage nach der Ansteckung ringförmige oder mehr ovale, ungleichmäßig konturierte Entzündungsherde in der Haut von ähnlicher Form wie bei Herpes tonsurans. Die Haare erscheinen empor- gerichtet, gesträubt, die Haut ist feucht, geschwollen und mit einer Schicht serösen, etwas klebrigen Exsudates bedeckt. Es entstehen Pusteln im Um- fange einer Erbse. Am 5. — 8. Tage trocknen die Exsudatmassen allmählich zu einer dicken, mit Haaren durchsetzten Kruste ein, bei deren Loslösung der in lebhafter Granulation befindliche, fleischrote Grund freiliegt. Auch durch Verreiben von Krusten von der Haut erkrankter Pferde in Wasser und Aufstreichen dieser Verreibung in die etAvas angefeuchtete Haut oder nach vorherigem Abscheren der Haare ließ sich in ein paar Tagen bei an- deren gesunden Pferden eine entzündliche Schwellung mit Bildung zahlreicher Pusteln hervorrufen. Litteratur. AxE, Oesterr. Monatsschr., 1879. DiECKEKHOFF, Spec. Path. u. Ther., 1888, S. 913. DiECKERHOFF & Grawitz, Virch. Arch., 1885, S. 148. Kitt, Bakterienkunde. 1899, S. 509. ScHiNDELKA, Oesterr. Vierteljahrsschr., 1883, S. 61. SiEDAMGROTZKY, Drcsd. Ber., 1884, S. 18. Bacillus des Kaninclienelters. Schimmelbusch & Mühsam züchteten aus Abszessen bei Kaninchen ein Bakterium, das in Eeinkultur im Eiter vorhanden war und nach der Verimpfung wiederum Eiterung- hervorrief. Der Mikroorganismus ist unbeweglich, ein zartes kurzes Stäbchen und nicht färbbar nach Gram. Auf Gelatine wächst derselbe nicht, dagegen auf Agar am besten bei Blutwärme. In Bouillon bildet er einen zähen Bodensatz ohne Trübung der überstehenden Flüssigkeit. Auf Kartoffeln gedeiht der Bacillus nicht, wohl aber auf Brotbrei. Austrocknen tötet die Keime leicht. Nach sub- kutaner VerimpfuDg bei Kaninchen an Stelleu mit lockerer Subcutis entstehen Abszesse mit gelblichweißem, zähem Eiter, der wenig Bakterien aufweist. Entleerung der Abszesse führt zur Heilung. Bei der Ein- verleibung an Stelleu mit straffer Unterhaut verläuft die Krankheit 826 Fr. Glage, Die Eiterungen bei den Hanstieren. chronisch, wobei die Tiere stark abmagern. In tödlich endenden Fällen ergiebt die Sektion eine Pneumonie, Hämorrhagieen in den Lungen, purulente Entzündung der serösen Häute, Abszesse in der Leber und eine Nephritis. In alten Bouillonkulturen und bei Erhitzen auf 52° für eine halbe Stunde geht die Virulenz der Bazillen verloren. Lexer ver- suchte mit dem fraglichen Bacillus bei Kaninchen eine der menschlichen Osteomyelitis ähnliche Lokalerkrankung zu erzeugen, indessen entstanden nur bei direkter Injektion der Bazillen in das Knochenmark streng be- grenzte Eiterungen. Litteratur. Baumgartens Jahrb., Bd. 12, 1896. Lexer, Arcb. f. Idin. Chirurgie, Bd. 52, S. 576. Schimmelbusch & Mühsam, ebd., Bd. 52, S. 564. XXIV. Seiichenhafter Abortus der Haustiere. Von Prof. Dr. Ostertag in Berlin. Mit 4 Figuren im Text. Wesen der Krankheit. Bei den Haustieren kommt außer dem sporadischen, durch Traumen und andere äußere Einflüsse bedingten, und dem seuchenartigen, durch sogenannte Befalhmgspilze auf dem Futter (Mutterkorn, Brandpilze auf dem Mais) hervorgerufenen Abortus auch ein infektiöser Abortus vor, welcher durch bestimmte Erreger erzeugt und verschleppt wird. Aetiologisch geklärt sind der seuchenhafte Abortus des Kindes (Ver- kalben) und des Pferdes (Verfohlen). Die Erreger dieser beiden Infektions- krankheiten sind verschieden. In welchem Verhältnis der bei den übrigen Haustieren vorkommende Abortus (Verlammen, Verferkeln) zu dem seuchenhaften Abortus des Eindes und Pferdes steht, ist noch nicht ge- klärt. Nur so viel steht fest, dass bei trächtigen Schafen und Ziegen durch künstliche Uebertraguug des Erregers des seuchenhaften Abortus des Rindes gleichfalls Abortus hervorgerufen werden kann. Charakteristisch für den seuchenhaften Abortus ist, dass er ohne nachweisbare äußere Veranlassung und gewöhnlich in bestimmten Perioden der Trächtigkeit eintritt. Der seuchenhafte Abortus stellt sich beim Rinde am häufigsten im 3. und 7. Monat, bei der Stute im 4. und 9. Mo- nat und beim Schweine in der 10.— 12. Woche der Trächtigkeit ein. Der seuchenhafte Abortus verläuft ferner in der Regel ohne auffällige Allgemeinerscheinungen. Häufig verzögert sich der Abgang der Frucht- hüllen und bleibt ein längere Zeit andauernder Gebärmutterausfluss zurück. A. Das seuchenhafte Verkalben der Rinder. G-eschichtliches über ätiologische Untersuchungen. Dass es sich beim seuchenhaften Verkalben der Rinder um eine ansteckende Krankheit handelt, ist vom sächsischen Bezirkstierarzt Bräuer, später von Lehnert, Trinchera u. a. bewiesen worden. Das 828 Ostertag, Verdienst aber, den Erreger des infektiösen Abortus des Rindes gefunden zu haben, gebührt Baxg, der gleichzeitig die Pathogenese der Krankheit klargestellt hat. Vor Bang hatte bereits Nocakd sich mit ätiologischen Untersuchungen über das infektiöse Verkalben der Kühe bescTiäftigt. Er fand in dem zwischen den EihUllen und der Gebärmutterschleimhaut befindlichen Exsudat Mikrokokken, zu zweien und in kurzen Ketten an- geordnet, und außerdem plumpe Stäbchen. Nocard ist aber der Be- weis nicht geglückt, dass diese Mikroorganismen zu dem seuchenhaften Verkalben in einer Beziehung stehen. Bang führt die abweichenden Befunde Nocards darauf zurück, dass letzterem kein ganz tadelloses, d. h. absolut frisches Untersuchungsmaterial zur Verfügung stand. Erreger des seuchenhaften Abortus des Eindes. Allgemeines und Morphologie. Als Erreger des seuchenhaften Abortus des Rindes hat Bang einen Mikroorganismus von merkwürdigen biologischen Eigenschaften nach- gewiesen. Bang fiel in Deckglasausstrichpräparaten aus dem gelblichen Exsudate zwischen Gebärmutterschleimhaut und Frucht das Vorhandensein sehr kleiner Bakterien auf, die anscheinend in Reinkultur zugegen wa- ren. Die Bakterien waren in sehr bedeu- tender Menge vorhanden. Viele Exemplare lagen frei. Am auffälligsten aber waren große Hau- fen von dicht zusam- menliegenden Bak- terien. Die genauere Untersuchung ergab, dass diese Haufen in Zellen eingeschlos- sen waren, deren Leib Fig. 1. Uterusexsuclat von der Kuh mit Abortns- bazillen, die zum Teil intracellulär, zum Teil extra- cellulär liegen (Bang;. Vergrößerung 500 fach. sie oft in hohem Grade ausgedehnt hatten. Bis- weilen war der Zell- körper recht undeutlich ; in der Regel jedoch konnte man außerhalb des Haufens Teile des Zellkörpers, oft auch den Zellkern nachweisen. In den dichten Haufen sahen die Bakterien meist wie Kokken aus. Die freiliegenden Bakterien waren zum Teil länglich und wurden ursprüng- lich als kurze ovale Gebilde aufgefasst. Genauere Untersuchungen bei Anwendung starker Vergrößerungen zeigten jedoch deutlich, dass es sich um einen Bacillus handelt, dessen Körper ein bis zwei, seltener drei rundliche oder längliche Körner enthält, welche die Farbe am leichtesten aufnehmen (Fig. 1 und 2). Die Länge der Bazillen wechselt. Die größeren sind ungefähr so lang wie Tuberkelbazillen. Die Körner liegen oft an den Enden des Bacillus. Seuchenhafter Abortus der Haustiere. 829 Pärbbarkeit. Die Bazillen färben sich mit den gewöhnlichen Anilinfarben, nicht aber nach Gram. Beweglichkeit. Die Bazillen sind nnbeweglich. Kultur. Verhältnis des Erregers zum Sauerstoff. Die Züchtung- gelang leicht in Treunungskulturen in mit Serum- agargelatine gefüllten Keagenzgläschen bei Brutwärme. Bang hebt hervor, dass der Serumagar, welcher seinerzeit von Stribolt eingeführt worden ist, für die Untersuchung von auaeroben Bakterien sehr vorteil- haft ist. Nach Schmelzung der Agargelatine (Fleischwasserpepton mit 3/4^ Agar und 5 % Ge- latine) wird die Flüssig- keit bis auf etwa 45° C .^f *« s?« abgekühlt und hierauf mit etwa der halben Menge flüssigen sterilen Serums gemischt. Dann macht man die Aussaat in das erste Eeagenzglas ^^^^^ und stellt in der gewöhn- ^«w liehen Weise durch Uebergießen einiger Tropfen in das zweite Glas, von diesem in das dritte u. s. f verschie- dene Verdünnungen her. Die Gläser werden sofort unter dem Wasserstrahle abgekühlt und erstarrt. Die ano-es'ebene Mi- ^t^^y^ ^ *• -•*•. r * ^ "S^"f <>-«.■ f:^./ '»^»'' ^ » V« •v*^ schung von Serum und Fig. 2 Abortusbazillen des Eindes aus einer Serum- bouillonkultur (Bang). Vergrößerung lOOOfach. Gelatineagar bleibt sehr schön durchsichtig und gestattet die genaue Be- obachtung der sich isoliert entwickelnden Keime sowie nach Entleerung des Glases die weitere Züchtung der einzelnen Kolonieen. Auch für die Anlegung von Stichkulturen mittelst einer Glasnadel eignet sich die erstarrte Mischung sehr gut. In dem Serumagar wächst der Erreger des seuchenhaften Verwerfens der Kühe in Form sehr kleiner Kolonieen, die nur in einer be- stimmten Zone der Kulturgläser auftreten. Diese Zone liegt etwa 0,5 cm unter der Oberfläche des Nährsubstrates und hat die Breite von 1 — 1,5 cm (Fig. 3). AVeder oberhalb noch tmterhalb dieser Zone entwickeln sich die Kolonieen des Erregers des seuchen- haften Verwerfens. Es handelt sich somit nicht um ein im gewöhnlichen Sinne aerobes Bakterium, welche ja bis an die Oberfläche des Nährsub- strates hätte vordringen müssen, noch weniger aber um eine anaerobe Form, die bis an den Boden des Glases hätte gedeihen müssen. Die untere Grenze der Kulturzone liegt dort, wo sich die obere Grenze des 830 Ostertag, "Wachstums eines streng anaerobeu Bakteriums (wie z. B. des Nekrose- bacillus) befindet. Baxg versuchte das Uterinexsudat auch auf andere Nährsubstrate und unter anderen Bedingungen auszusäen. Auf Gehxtineagar kam kein Wachstum zustande. In Bouillon mit Glyceriu (5^) gelang es, ein — jedoch sehr kümmerliches — Wachstum zu erhalten. Es entwickelte sich nach etwa 14 Tagen ein sehr spärlicher, feiner Bodensatz, welcher einige kleine weißliche Körner enthielt. Die Körner stellten Kolonieen Fig. 3. Kultur von Abortusbazillen des Rindes in Serumagar unter gewöhn- lichen Verhältnissen (Bang). Fig. 4. Kultur von Abortusbazillen des Rindes in Serumagar unter einem Druck von 5 Atmosphären (Bang). der Abortusbazillen vor. Auch in reinem flüssigem Serum wächst der Bacillus nur spärlich, leichter dagegen in einer Mischung von Serum und Glycerinbouillon (1 : 2j. lieber die Beziehungen des Abortusbacillus zum Sauerstoff hat Bang interessante Versuche angestellt. Wie zu erwarten war, gelang es nicht, den Bacillus zu züchten, wenn man den Sauerstoff durch alka- lische Pyrogallollösung entfernte. Stribolt glückte es dagegen, die Wachstumsverhältnisse der Bazillen dadurch zu verändern, dass er die oberhalb des Agarserums stehende atmosphärische Luft so gut wie möglich durch Sauerstoff ersetzte. Er säte die Bazillen in flüssiges Agarserum, welches er dann in kleine viereckige Flaschen (Nielsens Seuchenhafter Abortus der Haustiere. 831 Kulturflascheu) ausgoss, wo es an der einen Wand eine dünne Schicht bildete. Hierauf leitete er Sauerstoff in die Flasche und verschluss den Hals mittelst geschmolzenen Paraffins. Es wuchsen jetzt die Bazillen sehr lebhaft in der dünnen Schicht von Agarserum sowie an deren Oberfläche. Stribolt ist es ferner gelungen, in Glycerinbouillonserum das Wachs- tum der Bazillen bedeutend zu verstärken, indem er Sauerstoff reichlich durch die Flüssigkeit streichen ließ, und dann den Flaschenhals mit Paraffin verschloss. Unter diesen Verhältnissen bildete sich eine diftuse Trübung und ein reichlicher, feiner Bodensatz von Abortusbazillen. Der Zusatz von 4 — b% Kohlensäure zu dem Sauerstoff änderte an dem Eesultat der SrRiBOLTSchen Versuche nichts. Hiernach kann die in der atmosphärischen Luft enthaltene Kohlensäure es nicht sein, die das Wachstum der Abortusbazillen an der Oberfläche und in der obersten Schicht des Agarserums verhindert. Die Entfernung der Kohlensäure aus der atmosphärischen Luft — durch Natronlauge — hatte auch keinen Einfluss auf das Wachstum der Bazillen. Aus den SxRiBOLTSchen Versuchen muss geschlossen werden, dass die Abortusbazillen zwar die Gegenwart von Sauerstoff in einer Konzentration von 21% — • wie in der atmosphärischen Luft — nicht ertragen konnten, dass aber auf der anderen Seite die Gegenwart einer sehr sauerstoffreichen Luft einen das Wachstum fördernden Einfluss auf die Bazillen ausübte. Bang hat nun weiter festgestellt, dass es für die Abortus- bazillen in ihrem Verhältnis zum Sauerstoff zwei Optima giebt und zwar erstens das zuerst gefundene, welches einer Sauer- stoffspannung im Nährboden entspricht, die geringer ist als die- jenige der atmosphärischen Luft, und zweitens die Gegenwart einer sehr hohen Sauerstoffspannung im Nährboden, die jedoch etwas unter 100^ liegt. Zwischen diesen beiden Optima giebt es eine inter- mediäre Zone, in welcher die Abortusbazillen schlecht oder gar nicht gedeihen. Wenn man nämlich die über dem Agarserum in einem Keagenzglase stehende atmosphärische Luft durch Sauerstoff verdrängt, indem man denselben mittels eines feinen Glasrohres durch den Watte- pfropf in das Kulturgefäß einleitet und dann mit geschmolzenem Paraffin verschließt, dann nimmt die Wachstumszone folgendes Aussehen an : Un- mittelbar unter der Oberfläche liegt eine Schicht, in der man mit bloßem Auge keine oder äußerst wenig Kolonieen entdeckt. Dann folgt mit scharfer Grenze nach oben hin eine Schicht, welche eine gesättigt weiß- graue Farbe angenommen hat, weil sie von sehr zahlreichen und ver- hältnismäßig großen Kolonieen erfüllt ist. Nach unten hin wird diese Zone allmählich heller, weil die Kolonieen weniger gedrängt liegen und auch etwas kleiner werden. Und nun folgt eine ziemlich breite Schicht, in der man mit bloßem Auge nur wenige Kolonieen entdeckt. Hierauf kommt wieder plötzlich eine nach oben scharf begrenzte Schicht mit dicht gedrängten und mittelgroßen Kolonieen, das untere Optimum. Auch diese Wachstumszone verliert sich stufenweise nach unten, wo alles Wachstum aufhört. Wenn die über dem Nährsubstrat stehende Luft stark verdünnt wird, erreicht die Wachstumszone der Bazillen die Oberfläche. Wenn die Verdünnung bis 2 Zoll Quecksilberdruck getrieben wurde , hörte alles Wachstum auf. Bang verweist bei dieser Gelegenheit auf Analogieen bei höheren Pflanzen. Wieler fand z. B., dass eine Beschleunigung des Wachstums 832 Ostertag, mehrerer Pflanzen eintrat, wenn sie unter Glasglocken gebracht wurden, welche mit verdünnter Luft gefüllt waren, und er stellte hei einer ge- wissen Luftverdünnung ein Optimum des Wachstums fest. Vorkommen des Erregers. Bang hat den Abortusbacillus in einer großen Zahl von Fällen Seuchenhaften Verwerfens bei Kühen nachweisen können. Er fand die Abortusbazillen stets in dem Uterin exsudat, einigemale auch im Fötus, einmal im Düundarminhalt in Reinkultur, in einem anderen Falle im Blute, im gleichen Falle auch in der Medulla oblongata und in dem Inhalte des Labmagens sowie des Darmes. Endlich hat Bang die Bazillen auch im Uterus von Kühen nachgewiesen, welche abge- storbene und mumifizierte Früchte (Steinfrüchte) enthielten. Ein Fall ist besonders bemerkenswert. Am 15. Februar 1897 obduzierte Stribolt eine über 2 Jahre alte Färse, welche am 19. März 1896 den Stier angenommen hatte. Anfang September bot sie auf der Wiese die Erscheinungen des sich nähernden Verwerfens dar, die jedoch wieder zurücktraten. Bei der Sektion der im übrigen ganz gesunden Färse fand Stribolt einen mumifizierten Fötus in der Gebärmutter und in dem gelbbraunen zähen Exsudat in der Gebärmutter Abortusbazillen, die auch noch züchtbar waren. Hieraus geht die große Lebenszähigkeit der Abortusbazillen im Tierkörper hervor. Bang hat wiederholt festgestellt, dass die Abortusbazillen wenigstens 5 — 9 Monate in dem Uterus geblieben waren und noch lebensfähig sich erhalten hatten. Dies würde auch erklären, warum eine Kuh, die einmal verworfen hat, wieder- holt verwirft. Pathogenität. Die Pathogenität der Abortusbazillen hat Bang durch gelungene Infektiousversuche bei Kühen gezeigt. Er impfte zwei Kühe in die Scheide und erzielte Abortus mit Gegenwart von Abortusbazillen in dem Exsudat des Uterus. Bei einer dritten Kuh trat dasselbe ein. Auch bei Schafen konnte durch Einbringung der Abortusbazillen in die Scheide und in die Blutbahn Abortus hervorgerufen werden. Endlich gelang der Versuch auch bei einer Stute. üebertragung der Krankheit. Die Üebertragung der Krankheit erfolgt von Tier zu Tier durch die mit dem Ausfluss aus den Geschlechtsteilen ausgeschiedenen Erreger, ferner durch die infizierte Streu und durch infizierte Geräte sowie durch Geburtshelfer, die ihre Hände nicht desinfiziert haben, hauptsächlich aber, wie Bang nachgewiesen hat, durch den Sprung von Stieren, welche abortierende Kühe gedeckt haben. Die Bullen zeigen dabei selbst keine Erscheinung einer Erkrankung der Geschlechtsteile. Endlich soll nach Bang auch eine Üebertragung der Krankheit durch infiziertes Futter möglich sein. Pathogenese vom ätiologischen Standpunkte. Bei Tieren, welche infolge seuchenhaften Verwerfens verkalben, findet man eine ödematösc Durchtränkuug des Bindegewebes zwischen Chorion Seuchenhafter Abortus der Hcanstiere. 833 und Allantois, ferner schwieriges Abgehen der Nachgeburt und schleimig- eitrige Ausflüsse nach der Geburt. Von hohem Interesse ist der Befund, Avelchen Bang bei einer Kuh festgestellt hat, welche nach dem Auftreten der ersten Symptome des Verwerfens geschlachtet wurde. Es war eine fünfjährige Kuh, welche am 21. Mai den Stier empftingen hatte und seit dem 15. Dezember die ersten Erscheinungen des Verwerfens (Drängen) gezeigt hatte; am 19. Dezember wurde das Tier geschlachtet. Am Uterus wurde folgender Befund erhoben: Die äußere Seite des Uterus war normal, das Oriticium fest geschlossen, der Cervixkanal von dem normalen zähen Schleim gefüllt. Nach Desinfektion der Serosa durch Brennen wurde ein Schnitt durch die Uteruswand angelegt. Als die Schleimhaut gespalten worden war, zeigte sich zwischen derselben und dem Ei ein reichliches geruchloses Exsudat, einen schmutzig-gelb- lichen, ziemlich dünnen Brei von schleimig-klumpiger Beschafieuheit bildend; an einigen Stellen, an denen die flüssigen Bestandteile abgeflossen Avaren, hatte das Exsudat einen halbfesten Charakter. Die Reaktion war alkalisch. Beim Stehen in einem Glase trat eine Scheidung in zwei Schichten ein: nach oben ein rötbchgelbes trübes Serum, nach unten ein dicker, schmutzig graugelber Bodensatz. Beim Durchschneiden des Chorion sah man unterhalb desselben eine dünne klare, scheinbar gallertige Substanz, von sehr feinen Häuten durchzogen. Die nähere Untersuchung ergab, dass es sich um ödematöse Durchtränkuug des feinen, zwischen Chorion und Allantois liegenden Bindegewebes handelte. Das Oedem war über die ganze Frucht verbreitet und bildete eine etwa 1,5 cm dicke Schicht. Die Allantoisflüssigkeit war von natürlichem Aussehen, dünn, gelbbch, nur mit ganz feinen Flocken gemischt. Auch in der Amnionflüssigkeit wurde nichts Ungewöhnliches bemerkt. Der Nabelstrang war durch Oedem verdickt. Die Größe und Behaarung des Fötus entsprach einem Alter von 7 Monaten. Er war vollkommen frisch und zeigte auch bei der Sektion keine auffallenden Veränderungen; nur fand sich in dem Herzbeutel etwas rötliches Serum, und die Darmschleimhaut war vielleicht etwas rötlicher als gewöhnlich, die Milz in sehr geringem Grade geschwollen, das Blut flüssig. Nach diesem, durch ähnliche bestätigten Befunde handelt es sich beim seuchenhaften Verkalbeu der Kühe um spezifischen Katarrh der Gebärmutterschleimhaut, welcher zur Lockerung der Verbindung der Eihüllen mit der Gebärmutter und auf diese Weise, was die Eegel bildet, zur Ausstoßung oder zur Mumifikation der Frucht führt. Epidemiologie. Der seucheuhafte Abortus bei den Kühen war eine der gefürchtetsten Krankheiten in Zuchtbeständen, weil sie den gesamten Zuchtbetrieb in Frage stellte. Viele Züchter haben wertvolle Zuchtbestände zur Mast bestimmen müssen, weil eine rentable Zucht infolge des seuchenhaften Abortus unmöglich gemacht wurde. Es steht fest, dass Kühe, welche infolge Infektion mit dem Keime des seuchenhaften Abortus verkalbt haben, während der nächsten und, wenn es gelingt, sie wieder trächtig zu machen, auch während der übernächsten Trächtigkeitsperiode wieder abortieren. Es gehört aber zu den Ausnahmen, dass eine Kuh später noch verkalbt. Somit hört das Verkalben in einem seuchenhaften Be- stände in der Eegel nach einigen Jahren von selbst auf, wenn nicht Handbuch der pathogeneii Mikroorganismen. III. 53 834 Ostertag, fortwährend neue Kühe eingeführt werden. Wenn letzteres nnterhleiht, verkall)en in verseuchten Beständen in der Regel mir noch die Primi- parae, seltener diejenigen Tiere, welche zmn zweiten Male kalben imd nur ausnahmsweise Kühe, welche zum dritten oder späteren Male nach dem ersten infektiösen Abortus wieder trächtig geworden sind. Bakteriologische Diagnose und Differentialdiagnose. Die l)akteriologische Diagnose des seuchenhaften Verkalbens wird nach Untersuchung des auf den Fruchthüllen lagernden Exsudates ge- stellt. Entscheidend sind der Befund von Haufen kleinster, nur teil- weise sich färbender und intracellulär gelagerter Bakterien, ferner das charakteristische Wachstum in Serumagar. In Fällen, in welchen vor- geschrittene Fäulnis die bakteriologische Diagnose erschwert, würde eine intravaginale Infektion bei trächtigen Schafen oder Ziegen die Entscheidung ermöglichen, ob seuchenhafter Abortus vorliegt oder nicht. Die infizierten Tiere abortieren in der Regel 9 — 21 Tage nach der Ein- bringung des infektiösen Materiales in die Scheide. Therapie und Prophylaxe, Die Behandlung des infektiösen Verkalbens besteht in der 'gründ- lichen Desinfektion der Kühe nach dem Abortus vermittelst 0,5 proz. Lysollösung bis zum Verschwinden jeglichen Ausflusses, in der unschäd- lichen Beseitigung der abortierten Früchte samt den Hüllen, in der sorgfältigen Desinfektion des Standplatzes und in der Desinfektion des Penis und der Vorhaut der Bullen in verseuchten Beständen vor und nach jedem Sprunge vermittelst 0,5 proz. Lysollösung. Durch diese Behandlung ist es Bang und Ostertag gelungen, die Krankheit, die früher für unheilbar galt und ganze Zuchten vernichtete, wirksam zu bekämpfen. Bang ist neuerdings der Meinung, dass auch durch Fütterung eine Uebertragung möglich sei; hieraus würde sich ergeben, dass Weiden, auf denen Kühe abortiert haben, längere Zeit zu meiden wären, wenn nicht eine Desinfektion der Abortusstelle möglich ist. Aus unerklärten Gründen hört bisweilen der Abortus in den ver- seuchten Beständen vorübergehend ganz auf. Auf diese Thatsache ist es wohl zurückzufuhren, dass man geglaubt hat, durch subkutane Karbol- injektionen — 0,5proz. Karbolwasser nach Bräuer — die Krankheit bekämpfen zu können. Denn gelegentlich wurden hiermit Erfolge er- zielt, in der Mehrzahl der Fälle dagegen nicht. Immunität. Aus den bereits unter >' Epidemiologie« angeführten thatsächlichen Feststellungen über den Verlauf des seuchenhaften Verkalbens in einem verseuchten Bestände geht hervor, dass nach ein- oder mehrmaligem Verkalben Immunität bei den betrcÖ'enden Kühen eintritt. Bang ist mit Versuchen darül)er beschäftigt, eine künstliche Immunität durch Einver- leibung abgeschwächter Erreger zu schaffen. Diese Versuclie sind indessen noch nicht abgeschlossen. Seuchenhafter Abortus der Haustiere. 835 Litteratiir. 1 Bräuer, Ueber das seiichenhafte Verwerfen. Sachs. Veterinürber. f. 1880, S. 72 u. 76; 1884. S. 106; 1886. S.90; 1887. S. 109; 1889, S. 76; Woch. f. Tierheilk. u. Viehzucht, 1884, S. 429; Deutsche Ztschr. f. Tiermed., 1888, S. 95; 1895, S. 455. — 2 Leiinert, Sachs. Veterinärber. f. 1878, S. 95. — 3 Trinchera, Clinica vet., 1888. — 5 NocARD, Recherches snr l'avortement epizootique des vaches. Rapport ä M. le ministre de l'agriculture. Rec. de med. vet., 1886, S. 689. — ■''' Bang, Die Aetiologie des seuchenhaften (»infektiösen«) Verwerfens. Ztschr. f. Tiermed., N. F. d. Deutschen Ztschr. f. Tiermed., Bd. 1, 1897, S. 241. — f. Ders., Weitere Unter- suchungen über das Verwerfen. Maanedsskrift for Dyrkeger, 1900. — ? Wieler, Untersuchungen aus dem botanischen Institut zu Tübingen, Bd. 1, S. 189. B. Seuchenhafter Abortus der Stuten. Morphologie, Färbbarkeit und Züchtung des Erregers. Als im Jahre 1899 und 1900 iu mehreren norddeutschen Gestüten das Verfehlen unter den Mutterstuten seuchenhaft auftrat, erhielt Ostertag Gelegenheit, eine größere Anzahl abortierter Fohlen samt den Fruchthüllen zu untersuchen. Das Resultat dieser Untersuchungen überraschte dadurch, dass — entgegen der Erwartung — die von Bang beim seuchenhaften Verkalben des Rindes gefundeneu Abortusbazillen nicht nachgewiesen wer- den konnten. Diese Bazillen fehlten sowohl in den Ausstrichpräparaten, als auch in den nach den Angaben Bangs in Serumagar angelegten Kulturen. Es sind mehrere hundert Kulturen in Serumagar aus insgesamt 12 abor- tierten Früchten angelegt worden. In keinem einzigen dieser Röhrchen sind aber Kolonieen aufgegangen, deren Wachstum sich auf die für die Entwicklung der BANGschen Abortusbazilleu charakteristische Nährboden- grenze beschränkte, dagegen ließen sich in den subchorialen Oedem, im Herzblut, in der Brustböhlenflüssigkeit und im Mageninhalt solcher Föten, welche tot geboren worden waren, kurze Streptokokken nachweisen, welche unbeweglich sind und sich nach Gram entfärben. Sie sind sehr schwer züchtbar. Die Kultur gelingt am besten in Serumbouillon, in dem Transsudat aus der Brusthöhle der Abortusfohlen und auf Serum- agar. In Seruml)ouillon und im Transsudate erzeugen die Streptokokken nach zweitägigem Wachstum eine gleichmäßige Trübung, um sich nach weiteren 2 Tagen zu Boden zu senken. Auf Serumagar wachsen sie in Form eines zarten, kaum mit bloßem Auge wahrnebmbaren Belages, im Serumagar als schwacher, von der Oberfläche bis zum Boden des Kulturröhrchens reichender Faden. In Gelatine und Milch kein Wachs- tum. In Fleischwasserpeptoubouillon , ohne Zusatz von Blutserum, nur ein mäßiges Wachstum, zuerst diffus wie in Serumbouillon, später am Boden. Die Kulturen akklimatisieren sich an den künstlichen Nährboden nicht, sondern werden mit jeder Generation schwerer überimpfbar. Von der vierten und fünften Generation ab müssen große Mengen der alten Kultur zur Ueberimpfuug verwandt werden, um eine neue Generation zu erzielen. Diese Streptokokken ftmden sich im subchorialem Oedem, im Herz- blut, in der Brusthöhlenflüssigkeit und im Mageninhalt der untersuchten Fohlen 7 mal in Reinkultur, in den übrigen Fällen vermischt mit anderen Bakterien, welche Zersetzungen tierischer Teile zu begleiten pflegen. In dem Belage der Chorionoberfläche waren ebenso wie in den Frucht- wasserresten stets Bakteriengemische zugegen, deren Gegenwart durch 53* 836 Ostertag, • die unter gewöhnlichen Umständen unvermeidliche Beschmutzung der Eihäute Avährend des Gebäraktes zu erklären war. In den Chorion- beläg-en fielen aber schon in den Ausstrichpräparaten Kokken auf, welche im Protoplasma von Epithelien zu zwei und mehr Exemplaren eingeschlossen waren und in ihrer Form sowie in ihrem Verhalten gegenüber Farbstotfen mit den in anderen Teilen vorgefundenen Kokken übereinstimmten. Mittels des Trennungsverfahrens gelang es, die hier in Frage stehenden Kokken auch aus dem Chorionbelage zu isolieren. Pathogenität. Dass die geschilderten kurzen Streptokokken die Erreger des seuchen- haften Verfohlens sind, hat Ostertag durch Infektiousversuche bei zwei trächtigen Stuten bewiesen. Eine derselben wurde intravenös, die andere vaginal mit Bouillonkulturen der Streptokokken infiziert. Die erstere abortierte nach 20 Tagen, die zweite trug regelrecht aus, brachte aber ein sehr schwaches Fohlen zur Welt. Bei beiden Fohlen wurden die zur Infektion verwendeten Kokken auf der Lederhaut, bei dem totgeborenen Fohlen der ersten Stute auch im Herzblut nachgewiesen. Die Strepto- kokken sind ebensowenig wie das Ausgangsmaterial für Mäuse, Meer- schweinchen und Kaninchen pathogen. Kesistenz. Die Streptokokken des seuchenhaften Verfohlens werden durch 1 promill. Sublimatlösung momentan, durch Yo proz. Karbol-, Kreolin- und Lysollösung in 1 Minute getötet. Desgleichen vernichtet sie Aus- trocknen, während Fäulnis ihre Lebens- und Ansteckuugsfähigkeit nicht zerstört. Natürliche Uebertragung. Die natürliche Uebertragung erfolgt wie beim seuchenhaften Ver- kalben der Kühe mittelbar durch Streu, Geräte, Stroh und unmittelbar durch den Geschlechtsakt. Inkubationsstadium, In dem bereits angeführten Versuche trat das Verfohlen zwanzig Tage nach der intravenösen Einverleibung des Ansteckungsstoffes ein. Bei einer w^eiteren Stute, welcher von Ostertag ein Stückchen Choriou eines zu früh und tot geborenen Fohlens in die Vagina gebracht worden war, erfolgte schon nach acht Tagen die Ausstoßung einer toten Frucht. Somit kann sich nach diesen beiden Versuchen der Abartus bereits acht l)is zwanzig Tage nach künstlicher Ansteckung einstellen. Aus dem regelmäßigen Auftreten des seuchenhaften Aborts in bestimmten Mo- naten der Trächtigkeit uud der Thatsache, dass die Ansteckung der Stuten sehr häufig durch den Deckakt geschieht, rauss gefolgert werden, dass das Inkubationsstadium bei natürlicher Ansteckung erheblich länger ist. Vorkommen des Erregers im Tierkörper. Die bereits erwähnte Stute, welche zwanzig Tage nach der intra- venösen Infektion mit Abortuskokken verfohlt hatte, ist unmittelbar nach dem Akte des Verfohlens getötet und bakteriologisch untersucht worden. Seuchenhafter Abortus der Haustiere. 837 Hierbei wurden die injizierten Streptokokken lediglicli auf der Gebär- inutterschleimhaut nacligewiesen. Auf dieser fand sieb eine dünne Scbicht eines grauroten, trüben, gerucblosen und dickflüssigen Bebiges, in welchem die Streptokokken im Bereicbe der Gebärmutterhörner in Eeinkultur zugegen waren. Alle übrigen Organe waren unverändert und aucb bakterienfrei. Ausscheidung des Erregers aus dem Tierkörper. Die Ausscheidung der Abortusstreptokokken der Pferde findet wie die der Erreger des seuchenhafteu Verkalbens durch die abortierten Früchte und den Ausfluss statt, welcher sich an den Abortus gewöhn- lich anschließt. Pathogenese vom ätiologische Standpunkte. Die Sektion der mehrfach genannten Versuchsstute im unmittelbaren Anschluß au den Akt des Verfohlens lieferte den Beweis, dass sich die Entwicklung des Krankheitsprozesses beim seuchenhaften Verfohlen ebenso abspielt wie es Bang für das seuchenhafte Verkalben geschildert hat. Die Streptokokken des Verfohlens dringen bei der natürlichen vaginalen Ansteckung durch den Gebärmuttermund in die Gebärmutter und erzeugen einen chronischen Katarrh, der zur Lockerung und Lö- sung der Verbindung der Eihüllen mit der Gebärmutterscbleimhaut führt. Die Folge dieser Trennung des natürlichen Zusammenhangs sind Tod der Frucht und vorzeitige Ausstoßung derselben aus der Gebär- mutter. Epidemiologie. In epidemiologischer Hinsicht ist die Feststellung des Oberlandstall- meisters V. Lehndorfp von Interesse, dass Stuten, welche frühestens sechs Wochen nach dem Ablauf der normalen Tragezeit wieder gedeckt werden, der Regel nach zum zweiten Male nicht verfohlen. In T. wur- den versuchshalber von 60 Stuten, welche im Jahre 1899 verfohlt hatten, 15 Stück sechs Wochen nach dem Verfohlen, 45 andere sechs Wochen nach dem Ablauf der normalen Tragezeit wieder gedeckt. Von den ersteren 15 verfohlten fünf zum zweiten Male, von den letzteren 45 nur drei. Diese Versuche berechtigen zu dem Schlüsse, dass die Abortus- kokken, welche etwa trotz vorgenommener Gebärmutterausspülungen in der nichtträchtigen Gebärnmtter noch in lel)ensfähigem Zustande zurückbleiben, nach wenigen Monaten von selbst zu Grunde gehen. Ol) l)eim seuchenhaften Verfohlen wie beim seuchenhaften Verkalben eine Immunität eintritt, steht noch nicht fest. Bakteriologische Diagnose und DiflPerentialdiagnose. Die Streptokokken des seuchenhaften Verfohlens haben außer der teilweisen Lagerung im Protoplasma von Zellen keine charakteristische Eigenschaft. Deshalb ist zur Entscheidung, ob seuchenhafter Abortus in einem Bestand vorliegt, in der Ptegel die künstliche Uebertragung von verdächtigen Chorionteilen in die Vagina einer geringwertigen Mutter- stute aus seuchefreiem Bestand erforderlich. 838 Ostertag, Verhältnis des seuchenhaften Verfohlens zum seuchenhaften Verkalben, Um das Verhältnis des seiicheuhafteu Verfohleus zum seucheuhafteu Verkalben festzustellen, wurden auf Veranlassung von Ostertag in die Seheiden von 10 Kühen und 2 Ziegen Eihautteile von zu früh und tot geborenen Fohlen eingebracht. Bei keinem dieser Tiere trat Abortus ein, während das gleiche Material bei einer trächtigen Stute nach acht Tagen Verfehlen zur Folge hatte. Mithin dürfte erwiesen sein, dass der Ansteckungsstofif des seuchenhaften Verfohlens mit demjenigen des seuchenhaften Verkalbens nicht identisch ist. Therapie und Prophylaxe, Die Stuten, welche den Erreger des seuchenhaften Verfohlens auf- genommen haben, scheiden denselben bei dem Akte des Verfohleus und nach dem Verfohlen aus den Geschlechtsteilen aus und können auf diese Weise zu einer Verschleppung des seuchenhaften Verfohlens Ver- anlassung geben. Die erste Aufgabe bei der Bekämpfung des seuchen- haften Verfohlens muss deshalb die unschädliche Beseitigung der abortierten Früchte samt Eihüllen sein. Diese sind nach Ueber- giessen mit Sublimatwasser (1 : 1000) einen Meter tief zu vergraben. Gleichzeitig hat eine gründliche Desinfektion des Standplatzes und der Jaucherinnen mit demselben Desinfektionsmittel stattzufinden. Die Streu der Stände ist mit den abortierten Früchten zu vergraben. Hat das Verfohlen auf der Weide stattgefunden, so empfiehlt es sich, die betreffende Koppel mindestens drei Monate laug nicht mit trächtigen Stuten zu beweiden. Denn die Abortuskokken gehen in Kulturen nach Verlauf von 4—8 Wochen zu Grunde. Widerstands- fähigere Dauerformen Avcrden von den Abortuskokken nicht gebildet. Die Wärter, welche bei einem Falle von seuchenhaftem Verfohlen Hilfe geleistet und die unschädliche Beseitigung der verworfenen Früchte und der Streu besorgt haben, haben nach Beendigung dieser Arbeiten Hände und Stiefel nach gründlicher Reinigung mittels Seife gleich- falls mit Sublimatwasser in der angegebenen Konzentration zu des- infizieren. Zur Vernichtung des in der Gebärmutter der Stuten vorhandenen Ansteckungsstoffes sind die Stuten unmittelbar nach dem Ver- fohlen bis zum Verschluss des Muttermundes und zum Verschwinden jeglichen Ausflusses aus den Geschlechtsteilen täglich zweimal mit lauwarmem V^pi'oz. Lysolwasser mit Hilfe eines Irrigators auszuspülen. Mit den ersten Ausspülungen ist ein Abwaschen der Scham und ihrer Umgebung mit Lysolwasser in derselben Stärke zu verbinden. Bis zur Beendigung der Ausspülungen sind die Stuten, welche ver- fohlt haben, zu isolieren und durch einen besonderen Wärter, der mit den übrigen Stuten nicht in Berührung kommen darf, zu pflegen. Das Putzzeug der Stuten und die übrigen Geräte, welche in ihrem Stande Verwendung gefunden haben, dürfen bei anderen Stuten nicht verwendet werden. Nach Beendigung der Ausspülungen sind Putzlappen, Kar- tätschen und Besen zu verbrennen, die Striegel, Gabeln und Eimer dagegen durch geeignete Behandlung mit öproz. Lysol wasser zu des- infizieren. Nach Beendigung der Ausspülungen ist nochmals eine Des- Seuchenhafter Abortus der Haustiere. 839 Infektion des Standplatzes mit Snblimatwasser nach sorgfältiger Reinigung desselben vorzunehmen. Was die Wiederbedeckung von Stuten, welche verfohlt haben, anbelangt, so ist nach den bereits augeführten Beobachtungen v. Lehn- DORFFS zur Vermeidung eines wiederholten Verfohlens zu empfehlen, die Stuten erst sechs Wochen nach Ablauf der normalen Tragezeit von neuem decken zu lassen. Eine zweite wichtige Aufgabe bei der Bekämpfung des seuchenhaften Verfohlens ist die Desinfektion der Hengste, welche Stuten, die verfohlt haben, decken. Wenn die in den Geschlechtsteilen der Stuten behudlichen Erreger des seuchenhaften Verfohlens durch die vorgenom- menen Ausspülungen nicht völlig zerstört wurden, so besteht die Möglich- keit einer Üebertragung des Ansteckungsstofies durch den Deckhengst auf andere Stuten. Die Verhältnisse liegen hier ebenso wie bei dem seuchenhaften Verkalben der Kühe, bei welchem es feststeht, dass es in weitaus den meisten Fällen durch den Deckakt verbreitet wird. Es ist notwendig, die Rute und Vorhaut des Hengstes, welcher eine Abortusstute beschält hat, nach dem Beschälakte mit lauwarmem ^/2\n'0'A. Lysolwasser gründlich zu desinfizieren. Da die Untersuchungen von OsTERTAG gezeigt haben, dass infizierte Stuten auch anscheinend normal abfohlen können, so empfiehlt es sich ferner, während des Her r- schens des seuchenhaften Abortus die Hengste ganz allge- mein nach jedem Sprunge in der bezeichneten Weise zu des- infizieren. Außerdem dürfte diese Maßregel auch, wie dies bereits Matthias vorschlug, in seuchefreien Zeiten nach jeder Deckung einer fremden Stute durchzuführen sein, um die Einschleppuug des seuchenhaften Verfohlens in die (lestüte zu verhüten. Von präventiven Waschungen und Ausspülungen der Geschlechtsteile der trächtigen Stuten nach dem Ausbruch des seuchenhaften Verfohlens ist Abstand zu nehmen, weil die in die Gebärmutter eingedrungenen Abortuskokken hierdurch nicht zerstört werden, und andererseits die Gefahr besteht, dass bei nicht ganz zweckmäßiger Ausführung der Waschungen und Ausspülungen die Krankheit von infizierten auf noch nicht infizierte Stuten übertragen wird. Litteratur. OsTERTAG, Zur Aetiologie der Lähme und des seuchenhaften Abortus des Pferdes. Monatsb. f. prakt. Tierheilk., Bd. 12, S. 386—408. XXV. Der ansteckende Scheidenkatarrli der Rinder. Von Prof. Dr. Ostertag in Berlin. Mit 1 farbigen Figur im Text. Wesen, Inkubationsstadium, klinische Erscheinungen und Verlauf der Krankheit. Der austeckende Sclieideukatai-rb der Pduder ist durch seinen eliro- iiisclien, auf die Dauer von Monaten sich erstreckenden Verhiuf und seine schwere Heilbarkeit ausgezeichnet. Die ersten Erscheinungen des Katarrhs vermögen sich schon wenige Tage nach Aufnahme des An- steckungsstoffes auszubilden. Wenn gesunden weiblichen Rindern Schei- denausfluss erkrankter Tiere in die Scheide gebracht wird, so beobachtet man bereits nach Verlauf von 2 bis 3 Tagen die Symptome des begin- nenden Katarrhs. Diese Symptome wechseln. Als erste Erscheinungen des ansteckenden Scheidenkatarrhs zeigen sich nach den Untersuchungen von ZscHOKKE, Ostertag, Eaebiger u. a. Schwellung der Scham, Rötung, Schwellung und Schmerzhaftigkcit der Schleimhaut der Scheide und ein schleimig-eitriger Belag auf der Scheidenschleimhaut. Nach 1 bis 2 Tagen heben sich von der gleichmäßig geröteten und geschwol- lenen und in Längsfalten gelegten Scheidenschleimhaut Hervorraguugeu ab, welche in letzterer und zwar in der Schleimhaut des Scheidenvor- hofes ihren Sitz haben. Diese Hervorragnngen haben die Form von Kugelabschnitten, besitzen die Größe eines halben Hirsekorns bis zu der eines halben Hanfkorns, sind zuerst dunkelrot, dann hellrot, auf der Oberfläche glatt und von derber Konsistenz. Die Hervorragungen finden sich namentlich in den beiden Seitenflächen der Schleindiaut des Schei- denvorhofes und in der Umgebung des Kitzlers. Die in den Seiten- flächen der Schleimhaut des Scheidenvorhofes belegenen Knötchen sind in Gruppen und reihenförmig angeordnet. Die Reihen verlaufen ziem- lich wagerecht von hinten nach vorn und beginnen in der Entfernung einer Fingerbreite vor dem Scheideneingange. Um die Clitoris herum sind die Knötchen häufig dicht gedrängt; außerdem kann im oberen AYinkel des Scheidenvorhofes eine einfache Reihe von Knötchen auf- treten. Die Knötchen entstehen, wie durch histologische Untersuchungen von ZsciiOKKE und Osteutag festgestellt wurde, durch Schwellung der Der ansteckende Scheidenkatarrh der Rinder. 841 normaleu, iu der Sclileimliaut des Scheidenvorhofes gelegenen Lymph- foUikel. Die Knötchen treten namentlich bei juugeu weiblichen Tieren stark hervor, während sie bei älteren Kühen weniger ausgeprägt sein können. Mit dem Auftreten der Lymphfollikelschwellung im Bereiche der Schleimhaut des Scheidenvorhofes zeigt sich ein Ausfluss aus der Scham und infolgedessen eine Verklebung der am unteren Schamwinkel gelegenen Haare, sowie eine Beschmutzung der die Scham bedeckenden Schwanzfläche. Der Ausfluss ist geruchlos und zu- Partie der erst eitrig- schleimig - unteren oder eitrig und sammelt sich in geringer Menge ^^rÄilK^'V m Umgebung ^^.,,jS«»ll5t,. \ im untern Scham Winkel sowie der der Clitoris an; er trocknet an den Schamhaareu sowie an der un- teren Schwanz- fläche zu schmut- zigbraunen Kru- sten ein. Die erkrankte Schei- deuschleimhaut blutet leicht auf Berührung (Zschokke). In seltenen Fällen schreitet der in- fektiöse Katarrh auch auf die Schleimhaut der Gebärmutter über. Das Allge- meinbefinden der Tiere ist nicht auffällig gestört, insbesondere zei- gen die Tiere kein Fieber. Die Schwel- lung der Scham, die gieichinäBige Rötung und Schwellung der Schleimhaut der Scheide, die dunkle Röte der ^se. Ansteckender Scheidenkatarrh des Rindes, Initialstadium. Schwellung der Sehaiu, der Schleimhaut des Scheidenvorhofs und der hier gelegenen Lymphfollikel. Knötchen in der Schleimhaut des Scheidenvorhofes, der mig-eitrige Ausfluss die Schmerzhaftigkeit eitrige oder schlei- beim Berühren der Scham können 3 — 4 Wochen anhalten. Nach 3 — 4 Wochen nimmt die Scham wieder ihre gewöhnliche Beschaffenheit an; ferner blasst die Scheiden- schleimhaut ab und verliert außerdem die gleichmäßige Schwellung; die in der Schleimhaut des Scheidenvorhofes gelegenen Hervorragungen werden hellrot bis gelbrot uud nehmen etwas an Größe ab. Auch die Schmerz- haftigkeit beim Berühren der Scham wird eine geringere. Der Ausfluss 842 Ostertag, aus der Scheide gestaltet sich im weiteren Verlaufe der Krankheit ver- schieden. Er kann bei einzelnen Tieren eine rein eitrig-e Beschaffenheit zeigen. Die Schwellung der Lymphfollikel und die Kötung in ihrer unmittelbaren Umgebung sowie der Ausfluss aus der Scham können bis zu 3 Monaten bestehen. Zu bemerken ist, dass die mit dem an- steckenden Scheidenkatarrh behafteten Rinder schwer aufnehmen und dass bei denjenigen, welche trächtig geworden sind, sehr oft Verkalben nach mehrmonatlicher Trächtigkeit eintritt. Aetiologie. Der ansteckende Scheidenkatarrh wird nach den Feststellungen von Ostertag, welche von Hecker, Raebiger u. a. bestätigt wurden, durch einen Streptococcus hervorgerufen. Dieser lässt sich in dem eitrigen Scheidenausfluss und in den Schnittpräparaten durch die erkrankten Teile der Scheide nachweisen. Die Streptokokken liegen überwiegend extra- cellulär, können aber vereinzelt auch im Zellleibe von Eiterkörperchen zugegen sein. Die Streptokokken des ansteckenden Scheideukatarrhs finden sich nur im pathologischen Sekret der Scheide und beim Ueber- greifen des Katarrhs auf die Gebärmutter auch im Gebärmutterausfluss, dao-esen nicht im Blute. •o'^Js" Morphologie des Erregers. Nach seiner Form gehört der Erreger des ansteckenden Scheideu- katarrhs zu den kurzen Streptokokken. Er bildet Ketten von 6 — 9 Gliedern, die durch eine schwache, nicht färbbare Hülle zusammen- gehalten werden. Der Streptococcus des ansteckenden Scheidenkatarrhs ist unbeweg- lich, vermag aber durch seine Wachstumsenergie auch in das Epithel und in den Papillarkörper der Scheideuschleimhaut einzudringen. In Schnittpräparateu findet er sich sowohl zwischen den Epithelien als auch in dem Papillarkörper. Diese Fähigkeit des Erregers des ansteckenden Scheidenkatarrhs der Rinder, in das Schleimhautgewebe einzudringen, erklärt die Schwierigkeit der Behandlung des durch diesen Streptococcus bedingten Katarrhs. Färtabarkeit. Die Streptokokken des ansteckenden Scheidenkatarrhs lassen sich mit den basischen Anilinfarben leicht färben. Besonders schöne Bilder erzielt man durch die Färbung des Eiters und der Schnittpräparate mit Löfflers Methylenblau. Nach Gram werden die Streptokokken des ansteckenden Scheidenkatarrhs entfärbt. Züchtung. Die Züchtung gelingt ohne Schwierigkeiten auf gewöhnlichem und auf Glycerinagar , erstarrtem Blutserum, in Gelatine und in Bouillon. Blutserum und Gelatine werden nicht verflüssigt. Die Bouillon wird diffus getrübt. Auf erstarrtem Blutserum ist das Wachstum spärlich, in flüssigem findet ein solclies überhaupt nicht statt. Als Nährböden, auf welchen die Kokken sehr üppig gedeihen, haben sich der Glycerin- und der Ur inagar erwiesen. Auf saureu Nährböden lässt sich ein schwaches Wachstum konstatieren. In Bouillon und im Kondenswasser Der ansteckende Scheidenkatarrh der Rinder. 843 der schräg- erstarrten Nährböden bildet der Mikroorganismus kurze Ketten von 6—9 Gliedern. Auf den geeigneten Nährböden tritt Wachstum so- wohl bei Brutwärme als auch bei Zimmerwärme ein. Der Streptococcus des ansteckenden Scheidenkatarrhs bringt Milch nicht zur Gerinnung, erzeugt weder H2S noch Indol noch Gas in Traubenzuckerbouillon. Pathogenität. Auf die Versuchstiere des Laboratoriums, Mäuse, Kaninchen, Meer- schweinchen, Ratten und Tauben, sind die Streptokokken des anstecken- den ScheidcnkatarrhiV nicht übertragbar, dagegen lassen sie sich leicht auf die Genitalien weiblicher Rinder übertragen. Mit den Streptokokken des ansteckenden Scheidenkatarrhs sind von OsTERTAG Ansteckungsversuche bei Rindern, Schafen, Ziegen, Schweinen und Pferden angestellt worden. Die Einbringung von Reinkulturen der Streptokokken in die Scheide von weiblichen Rindern erzeugt einen chronischen eitrigen Katarrh der Scheide, gleichwie die Einbringung von eitrigem Schleim aus der Scheide spontan erkrankter Tiere. Bei Schafen, Ziegen, Schweinen und Pferden dagegen waren alle Uebertragungsver- suche ebenso erfolgslos wie die Uebertragungen auf die Genitalien von weiblichen Meerschweinchen und Kaninchen. Die Unempfänglichkeit der Schafe, Ziegen, Schweine und Pferde für den ansteckenden Scheidenkatarrh wurde auch dadurch nachgewiesen, dass die genannten Tierarten erfolglos mit Ausflussmaterial von spontan an Scheidenkatarrh erkrankten Kühen geimpft wurden. In dem Ausfluss von künstlich infizierten Rindern lassen sich die Streptokokken zuerst fast in Reinkultur, im weitereu Verlaufe der künst- lich erzeugten Krankheit dagegen in Begleitung derjenigen Bakterien nachweisen, welche gewöhnlich Bewohner der Scheide sind. Begleitbakterien. Neben den Streptokokken lassen sich in dem Ausfluss von Rindern mit ansteckendem Scheidenkatarrh gewöhnlich noch Staphylococcus pyo- genes aureus und Bacterium coli commune nachweisen. Die Einführung von Reinkulturen des Staphylococcus pyogeues aureus und des Bacterium coli commune, welche neben den geschilderten Streptokokken in dem Scheidenausflusse nachgewiesen werden konnten, in die Scheiden von je zwei Kühen vermochte den Scheidenkatarrh nicht zu erzeugen. Differentialdiagnose. Der ansteckende Scheidenkatarrh ist schon mit dem Bläschenaus- schlage verwechselt worden. Letzterer unterscheidet sich von dem ansteckenden Scheidenkatarrh durch folgende Merkmale. Der Bläschen- ausschlag ist ein akutes und gutartiges Leiden. Die am Bläschenaus- schlage erkrankten Rinder genesen nach 8 bis 14 Tagen, spätestens nach 4 Wochen ohne jegliche Behandlung. Ferner bilden sich bei Bläschen- ausschlag auf der Schleimhaut der Scham und der Scheide hirsekorn- bis erbsengroße Bläschen oder Blasen, welche mit Eiter gefüllt sind, bald platzen und oberflächliche Geschwüre in der Schleimhaut hinter- lassen; mit dem Platzen der Bläschen oder Blasen stellt sich ein reich- licher eitriger Ausfluss ein, nachdem ein schleimiger Ausfluss vorher- gegangen ist. Die Geschwüre heilen in kurzer Zeit glatt ab; nur bis- 844 Ostertag, weileu hinterlassen ^ie weiße Narben. Das Allgemeinbefinden der an Bläscbenaussehlag- erkrankten Rinder ist, im Gegensatz zu den an ansteckendem Scheidenkatarrli leidenden Tieren, vorübergebend gestört. Der Bläscbenausscblag befällt nicht mir die weiblichen sondern aueh die männlichen Tiere. Ferner unterscheidet sich der Bläschenausschlag von dem ansteckendem Scheidenkatarrh dadurch, dass der erstere nicht nur bei Rindern vorkommt, sondern auch bei Pferden, Schafen, Ziegen und Schweinen auftritt. Endlich ist der Erreger des Bläschenansschlags nicht bekannt. Natürliche Uebertragung. Der Ansteckungsstoff des ansteckenden Scheidenkatarrhs zeichnet sich durch seine außerordentlich leichte Uebertragbarkeit aus. Es ist durch Beobachtung und Versuch erwiesen, dass der ansteckende Schei- denkatarrh Übertragen wird durch Kontakt kranker Tiere mit gesunden, ferner durch Zwischenträger: infizierte Streu, infizierte Putzgeräte, haupt- sächlich aber durch den Geschlechtsakt. Dabei ist hervorzuheben, dass die männlichen Tiere (Bullen) die Krankheit zu übertragen ver- mögen, ohne dass sich an ihren Geschlechtsteilen Erscheinungen eines Katarrhs ausbilden. Ein Katarrh ist zwar vereinzelt bei Bullen in ver- seuchten Beständen gesehen worden, in zahlreichen anderen Fällen waren aber die Bullen, nach deren Sprung die Krankheit ausbrach, nachweis- lich gesund geblieben. In diesen Fällen muss angenommen werden, dass der Erreger des ansteckenden Scheidenkatarrhs im virulenten Zu- stande sich in der Vorhaut und auf derselben erhalten hat. Resistenz des Erregers gegenüber Desinfizientien und Therapie. Die Streptokokken des ansteckenden Scheidenkatarrhs der Rinder werden in Reinkulturen durch 0,5 prozentige Höllensteinlösung, 2 pro- zeutige Milchsäurelösung und 2,5 prozentige Lysol- oder Kreolinlösung nach einer Minute sicher vernichtet. Schnell tötend wirkt auch Sublimat in der Verdünnung 1 : 5000. Tannin in einprozentiger Lösung hat sich selbst nach 20 Stunden langer Einwirkung als wirkungslos erwiesen, desgleichen 0,5 prozentige Kreolinlösung und einprozentige Karbollösung. Essigsaure Thonerde in der offizinellen Stärke hatte nach einstündiger Einwirkung keinen vernichtenden Erfolg; ebenso verhielt es sich mit den zusammenziehenden Mitteln mineralischer Herkunft in den gewöhn- lichen Konzentrationen: Zinksulfat, Kupfersulfat, Eisensulfat 2,5 prozentig, Bleizucker 1 bis 5 prozentig. 0,5 prozentige Lysollösung zerstörte die Streptokokken nach 15 Minuten, 2,5 prozentige Karbollösung nach einer p]in Wirkung von 10 Minuten Dauer (Ostertag). Zur Behandhmg empfiehlt sich die Tamponade der Scheide mit Tam- pons, die mit einem der wirksamen Mittel getränkt sind (Raebiger). Sublimat ist nicht zu verwenden, weil Sublimat für das Rind auch in kleinen Mengen giftig ist (Idiosynkrasie des Rindes gegen Quecksilber- präparatc). Raehigkr wies nach, dass die Streptokokken des ansteckenden Scheid(!iikatarrhs unter anderen vernichtet werden durch 0,5 proz. Ba- zillollösung, 2,5 proz. Lysoformlösuug und 2,5 proz. Septoformlösung in je 1 Minute, sowie durch einpromillige Ichtharganlösung in 2 Minuten. Raehiger hat bei den praktischen Versuchen einer Behandlung des ansteckenden Scheidenkatarrli s insbesondere die Ichtharganlösung be- Der ansteckende Sclieidenkatarrli der Rinder. 845 währt gefunden und zwar in der Form, dass die Scheiden der Tiere täg-lich dreimal mit einpromilliger Lösung- ausgespült und hierauf mit Wattebäuschen tamponiert wurden, die mit der gleichen Lösung getränkt worden sind. Prophylaxe. Die private Prophylaxe besteht darin, dass Kühe mit verdächtigen Erscheinungen in Zuchtbestände nicht eingestellt -werden. Gegen die Verschleppung des Leidens durch Bullen, welche Kühe aus verschiedenen Beständen bespringen, ist die regelmäßige Desinfektion des Gliedes und der Vorhaut der Bullen vor imd nach dem Sprunge zu empfehlen. Bekämpfung der Seuche durch veterinärpolizeiliche Mafsregeln. Die Kgl. Preuß. Technische Deputation für das Veterinärwesen hat es als zweckmäßig bezeichnet, den ansteckenden Scheideukatarrh wegen seiner großen wirtschaftlichen Bedeutung durch veterinärpolizeiliche Maßregeln zu bekämpfen. In erster Linie wurde die Anzeigepflicht empfohlen und die Sperre der verseuchten Zuchttiere bis zur Heilung der Krankheit befürwortet; der Ausführung der Tiere zwecks Schlach- tung würde kein Hindernis entgegenstehen. Litteratur. 1 E. ZscHOKKE, Ueber die Ursachen der Unfruchtbarkeit des Rindes. Landw. Jahrbuch, Bd. 12. — 2 Ders., Die Unfruchtbarkeit des Rindes. Zürich 1900. — 3 OsTERTAG, Der ansteckende Scheidenkatarrh der Rinder. Monatsh. f. prakt. Tierheilk., Bd. 12, S. 533. — 4 Hecker. Mitteil, über den ansteckenden Scheiden- katarrh. 46. Generalversamml. des tierärztl. Zentralvereins der Prov. Sachsen, der anhält, u. thüring. Staaten am 13. Mai 1900. Berl. tierärztl. Woch., 1900, Nr. 35/38. — 5 H. Raebiger, Der ansteckende Scheidenkatarrh der Rinder. Ebd., 1902, Nr. 2. — 6 Ders., Der ansteckende Scheidenkatarrh der Rinder, seine Behandlung u. Bekämpfung. Jahresber. 1901/02 d. Landwirtschaftskammer d. Prov. Sachsen. XXVI. Hühnerpest. Von Prof. Dr. Ostertag in Berlin. Wesen. Die Hühnerpest ist eine Infektionskrankheit des Geflügels, welche sich durch ihre außerordentliche Ansteckiingsfähigkeit und rasch töd- liche Wirkung- auszeichnet. Die Seuche führt in wenigen Tagen zum Tode und kann in kurzer Zeit ganze Hühnerbestände hinwegraffen. Sie äußert sich durch Nachlassen der Munterkeit, Sträuben des Gefieders, Schlafsucht und Lähmungser.scheinungen; der Tod tritt gewöhnlich in 2 bis 4 Tagen, seltener später ein. Bei der Sektion findet man Schleim in den Nasenhöhlen und in der Rachenhöhle, Trübung der Leber, Blutungen in den Schleimhäuten der Verdauungs- und Luftwege und des Eileiters, in der Herzüberkleidung und in der die Leibeshöhle auskleidenden Haut. Außerdem können oberflächliche Rötung der Dünudarmschleimhaut, Trübung des Herzbeu- tels, Flüssigkeitsansammlungen im Herzbeutel und in der Bauchhöhle, Oedem unter der Haut des Kopfes, des Halses und der Brust und aus- nahmsweise auch eine Entzündung der Lungen sowie der die Leibes- höhle auskleidenden Haut bestehen. Bei weiblichen Hühnern findet man häufig in der Bauchhöhle Eidotter oder eidotterähnliche Massen, welche nach der chemischen Analyse (Abderhalden) als Eidotter angesehen werden müssen und wahrscheinlich aus dem Eileiter oder den Dotter- follikeln stammen (Ostertag & Wolffhügel). Diese Masse wird nur bei legereifen Hennen, niemals bei jungen Hennen oder bei Hähnen ge- funden. Die Flüssigkeit kann nicht als das Produkt einer Bauchfellent- zündung (Sciieuulen & Buhl) aufgefasst werden, weil das Bauchfell in den fraglichen Fällen gewöhnlich vollkommen frei von entzündlichen Veränderungen ist. Geschichte der Seuche. Die Seuche herrscht nach den Angaben von Centanni seit ungefähr zehn Jahren in Italien. Der am meisten heimgesuchte Teil ist die obere Hälfte der Halbinsel, wo die Krankheit beständig verbreitete Herde zeigt Hühnerpest. 847 und häufi^i;-er eine fast allgemeine Ausdehnung erlangt. In den Jahren 1898—99 hat die Seuche in ganz Piemont und der Lombardei geherrscht. Ferner ist eine schwere Epizootie in den Provinzen Parma und Reggio- Emilia aufgetreten. Von Italien wurde die Seuche nach Tirol und auch nach Deutschland eingeschleppt. Eine größere Verbreitung erlangte die Seuche in Deutschland durch Verschleppung von der Brannschweiger Geflügelausstellung aus {Braunschweiger Gefliigelseuche). Ansteckungsstoffo Wesen. Der Ansteckungsstoff der Hühnerpest gehört zu den filtrierbaren Virus. Lode & Gruber haben nachgewiesen, dass der Ansteckungsstoff das Berkefeld-Filter zu passieren vermag, und diese Feststellungen sind von den übrigen Untersuchern, namentlich von Cen- TANNi sowie von Ostertag & Wolffhügel bestätigt worden. Der Ansteckungsstoff der Hühnerpest findet sich im Blute, im Nasen- schleim und Kot. Lode & Gruber ermittelten den Ansteckungsstoff auch in der Galle der erkrankten Tiere. Im Kot ist der Ansteckungs- stoff besonders in den subakut verlaufenden Fällen zugegen. Centanni wies nach, dass der Ansteckungsstoff der Hühnerpest auch in die Eier übergeht. Der Ansteckungsstott' lässt sich auf empfängliche Tiere durch Fütterung und Impfung übertragen. Die Kultur des Ansteckungsstoffes gelingt auf keine Weise, selbst nicht in Kollodiumsäckchen (Lode & Gruber, Ostertag & Wolff- hügel). Biologische Eigenschaften des Ansteckungsstoffes. Lode & Gruber haben festgestellt, dass der Ansteckungsstoff' der Hühnerpest durch halbstündige Erwärmung auf 60° C nicht zerstört wird, auch bei 37" aufbewahrt noch nach zehn Tagen tötet, dagegen schon durch geringe Fäulnis unwirksam gemacht wird und dass er sich im nicht sezierten Hühnerkörper bei Aufbewahrung in luftigen kühlen Räumen bis zu 33 Tagen wirksam erhält. Im faulenden Kote geht der An- steckungsstoff schon nach wenigen Tagen zu Grunde. Trockene, unter Ausschluss von Fäulnis aufbewahrte Organstücke töteten in den Ver- suchen von Lode & Gruber noch nach vier Wochen. Sublimat 1 : 1000 vernichtete den Ansteckungsstoff nach 30 Minuten, Schwefelsäure 1 : 100, Kalilauge 2 : 100, Chlorkalk 3 : 1000 nach 10 Minuten, desgleichen Er- hitzung auf 80° nach einer halben Stunde. Kieselgurfilter lassen, wie Lode & Gruber zuerst nachgewiesen haben, den Ansteckungsstoff der neuen Seuche passieren, während er von dem Porzellanfilter zurückgehalten wird. Centanni wies nach, dass das Virus sich durch Chamberland- und Berkefeld-Filter filtrieren lässt, und dass es zerstört wird durch einstün- dige Erhitzung auf 64 und 74" C, durch Austrocknung nach 20 Tagen, durch Fäulnis nach 3 Tagen, durch Sublimat 1 : 1000, Karbol 5 : 100 und Salicylsäure in gesättigter Lösung. Dagegen erhielt sich der An- steckungsstoff wirksam in Glycerin 30 Tage und in zugeschmolzenen Röhrchen 3 Monate. Maggiora & Valenti haben ermittelt, dass der Ansteckungsstofi' durch Erhitzung auf 65° C nach 5 Minuten Dauer, durch Einwirkung von 40proz. Kalkmilch, einpromilligem Sublimat, öproz. Salzsäure sowie 848 Ostertag. von öpromilliger Laplacescher Mischung: sofort zerstört wird. Einge- trocknetes iJliit fanden Maggiora i.t Valenti nocli nach 22 Tagen wirk- sam, wenn es dunkel aufbewahrt wurde, 15 Tage bei zersti'eutem Licht und 40 Stunden bei Einwirkung von Tageslicht. Maggtoka & Valenti wiesen auch nach, dass 4 ccm einer Blutverdünnung 1 : 125000000 zur Tötunü" eines Huhnes ausreichte. Empfänglichkeit des Geflügels und anderer Tiere für die Hühnerpest. Außer auf Hühner konnte Centanxi die Seuche übertragen auf Trut- hühner, Gänse, Enten, Perlhühner, Sperlinge und Distelfinken. 2 Meer- schweinchen, 1 Ratte, 1 Hund und 1 Fuchs widerstanden den Ansteckungs- versuchen. Bei Kaninchen war der Impferfolg unsicher. Erwachsene Tauben wurden wiederholt ohne Erfolg geimpft; dagegen erkrankten 4 junge Tauben nach der Impfung unter den Erscheinungen des Laby- rinthschwindels. Nach Maggiora & Valenti starben Sperlinge, Stare, Distelfinken, Eulen und Falken sowohl nach subkutaner Impfung, als nach Verfüt- terung von Fleisch erkrankter Tiere. 6 Kaninchen, 5 Meerschweinchen, 2 Mäuse und mehrere Ratten hingegen widerstanden den Austeckungs- versuchen. In den Versuchen von Lode & Gruber konnten Meerschweinchen nicht angesteckt werden. Bei Mäusen, Kaninchen und Tauben waren die Uebertragungsergebnisse schwankend. Einige Tauben konnten von Lode & Gruber tödlich infiziert werden. Greve konnte die Seuche auf eine Bantahenne, nicht aber auf Tauben und Mäuse übertragen. Sciieurlex t^ Buhl vermochten die Seuche lediglich auf Hühner, nicht dagegen auf Mäuse, Meerschw^einchen, Kaninchen, Tauben und Enten zu übertragen. Os rERTAG c^ Wolffhügel konnten Hühner, Gänse und Truthühner, dagegen nicht Enten, Schwanengänse und ältere Tauben, Mäuse, Meer- schweinchen und Kaninchen mit dem Ansteckungsstoff der Hühnerpest infizieren. Untersclieidung der Hühnerpest von der Geflügelcholera. Die Hühnerpest hat mit der Geflügelcholera das seuchenhafte Auf- treten, den rasch tödlichen Verlauf, das Auftreten von Fieber, Schwäche und Schlafsucht gemein. Gewöhnlich führt aber die Geflügelcholera schneller zum Tode als die neue Seuche: die Tiere sterben an der Ge- flUgelcholera nach 1 bis 3 tägigem Kranksein, nicht selten aber auch ganz plötzlich. Die Hühnerpest ergreift bei natürlicher Ansteckung vom Hausgeflügel ausschließlich oder vorwiegend die Hühner, während von der Geflügel- cholera auch Gänse, Enten, Tauben, Truthühner, Pfauen und Fasauen befallen werden können. Ferner ist die Geflügelcholera durch das Auftreten eines Durchfalls während des Verlaufs der Krankheit und durch dunkelrote Färbung des Darmes, namentlich des Dünndarmes (Darmentzündung) nach dem Tode Hühnerpest. 849 gekennzeichnet. x\nßer der Darmentzündung- können eine Entzündung der Lungen und des Herzbeutels bestehen. Ferner finden sich im Bhite der an Geflügelcholera erkrankten Tiere die GeflUgelcholerabakterien, welche mikroskopisch und durch Züchtung unschwer nachweisbar sind. Endlich lässt sich die Geflügelcholera leicht auf Tauben übertragen, welche binnen 12 bis 48 Stunden mit charakteristischem Befund an der Impfstelle (Nekrose) und Anwesenheit zahlreicher Bakterien im Blute zu Grunde gehen. Alle diese zuletzt genannten Merkmale fehlen der neuen Geflügel- seuche. Immunität bei der Hühnerpest. Die Krankheit endet bei akutem Seuchenverlauf regelmäßig tödlich. Bei subakutem Verlaufe können einige Prozent der erkrankten Tiere wieder genesen. Diese Tiere sind für spätere Infektionen auch mit sehr großen Mengen infektiösen Materiales nicht mehr empfänglich. Durch- geseuchte Tiere, welche in der Folge wiederholt mit größeren Mengen in- fektiösen Blutes nachgeimpft wurden, liefern ein Blutserum, welches in größerer Menge (1,0—5,0 cm) Hühner gegen die tödliche Infektion mit Hühnerpest schützt (Ostertag & Wolffhügel). Litteratur. 1 Lüde & Gruber, Bakteriologische Studien über die Aetiologie einer epi- demischen Erkrankung der Hühner in Tirol (1901). Centralbl. f. Bakt. , I.Abt., Bd. 30, Nr. 16. — ~ Lode, Notizen zur Biologie des Erregers der Kyanolophie der Hühner. Ebd., Bd. 31. Nr. 10. — '^ Ders., Eine ätiologisch interessante Hühner- epizootie. Beil. zur Hyg. Eundsch., 1902, Nr. 5. — * Mac4CtIOra & Valenti, Su una epizoozia di titb essudativo dei gallinacei. Accad. med. di Mod., 1901, 20. giugno u. Ztschr. f. Hyg. u. Inf., Bd. 42. 1903. H. 2, S. 185. — 5 Centanni, Die Vogelpest. Centralbl. f. Bakt., I. Abt., Bd. 31, Nr. 4 u. 5. — c Jess, Die Braun- schweiger Hühner- und Putenseuche. Berl. tierärztl. Woch., 1901, Nr. 12. — ~' Scheurlen & Buhl, Zur Kenntnis der seuchenhaften Bauchfellentzündung des Haushuhnes. Ebd., 1901, Nr. 24. — § Greve, Beobachtungen über eine von der Braunschweiger Geflügelausstellung in die Stadt und das Amt Oldenburg ein- geschleppte Hühnerseuche. Deutsche tierärztl. Woch. , 1901 , Nr. 37. — 9 Lüpke, Die neue Geflügelseuche, 73. Versaniml. deutscher Naturforscher u. Aerzte in Ham- burg, Abt. 26, Tierheilkunde. Berl. tierärztl. Woch., 1901, Nr. 41. — oi Joest. Beitrag zur Kenntnis der Bakterienflora des Hühnerdarmes nebst einigen Be- merkungen über eine neue Hühnerseuche. Ebd., 1902, Nr. 16. — " Enders, Bei- träge zur Kenntnis einer neuen Infektionskrankheit — Phasianidenseuche, Pha- sianidenseptikämie, Darmseuche, Intestinalmykose — der echten Hühner (Phasia- niden). Ebd., 1902, Nr. 23—26. Handbucli der patkogenen Mikroorganismen, in. 54 XXVII. Euterentzündiiiigen und deren Erreger.*) Von Prof. Dr. Th. Kitt in München. Mit 6 Figuren im Text. Die Eutereutzündungeu der Haustiere entstehen durch poly- bakterielle Infektion, welche vorwegs von der Mündung der Aus- führungsg'äng-e, von den Zitzen der Milchdrüse her (galaktifer, galak- togen) zu erfolgen pflegt; einzelne Erkrankungsformen nehmen von traumatischer Läsion der Euterhaut, Zitze oder des Drüsenparenchyms Ursprung oder sind hämatogenen Charakters. Nach klinisch anatomischen Merkmalen teilt man die Euterentzün- dungen am besten in akute und chronische ein; die Intensität der Erkrankung, die Beschaffenheit des Eutersekretes, die lokalen Residuen des Krankheitsprozesses und seine Folgen für den Gesamtorganismus zeigen mannigfache Abstufungen und Verschiedenheiten. Man kann sowohl als Kraukheitstypen wie auch lediglich als Stadien ein und der- selben Erkrankung eine katarrhalische, parenchymatöse, puru- lente, apostematöse, sklerosierende, ichoröse, mortifizierende Mastitis unterscheiden. Solche Unterschiede und graduellen Be- sonderheiten sind abhängig teils von der Art und dem Patho- genitätsvermügen des Krankheitserregers, teils von dem Lakta- tionszustande der Milchdrüse und der natürlichen Resistenz der Tiergattuug. Historisches. Die Euterentzündungen der Kühe sind bei ihrer Häufigkeit und Avegen ihrer störenden Nachteile für die Milchnntzung der Gegenstand vieler tier- ärztlichen Untersuchungen, litterarischer und wissenschaftlicher Bearbeitungen gewesen. Eine übersichtliche Zusammenstellung der letzteren gab A. Lucet 1891, S. 77 — 81). Die zu Anfang und Mitte des vorigen Jahrhunderts über die Entstellungsursachen der Euterleiden gehegten Anschauungen beschuldig- ten namentlich Erkältungseinflüsse, Reteution der Milch und traumatische Be- *) Anm. der PTerausgeber. Bei der großen Bedeutung, welche die Milch als Nahrungsmittel des Menschen besitzt, haben wir Wert darauf gelegt, die verschie- denen bei Mastitis gefundenen Bakterien, wie das hier von Herrn Prof Kitt in kritischer Weise geschehen ist, zusammenfassend beschrieben zu haben. Euterentzündungen und deren Erreger. 851 Schädigungen des Euters als Anliisse oder man brachte die Euteraffektionen in Verbindung mit dem Geburtsvorgange und Tragsackentzündungen in dem Sinne metastasierender Krankheiten. In den siebziger und achtziger Jahren begann man Vermutungen auszusprechen und mit Erfahrungen zu begründen, dass die Genese der Euterentzündungen eine kontagiöse, bakterielle sei; der erste, welcher in bestimmter Weise solche Anschauung vertrat, experimentell bewies und an der Hand anatomischer Merkmale weiter belegte, war Ludwig Franck (1875). Die Begrenzung und Verbreitung des Entzündungsprozesses auf die einzelnen anatomisch getrennten Euterabteilungen betonend, zeigte L. Franck, dass durch Einspritzung fauliger, bakterienhaltiger Flüssigkeiten, z. B. der Nachgeburtsreste, von dem Strichkanal der Zitzencisterne aus eine heftige Mastitis hervorgerufen werden könne und dass in gleicher Weise die Erkrankung von Tier zu Tier übertragbar sei. RlVOLTA (1875), DlECKERHOFF (1878), MOLLEREAU & NOCARD (1884), Kitt (1885), Hess & Bourgeaud (1888), Bang (1889), A. Lucet (1889), GuiLLEBEAU (1890), ZscHOKKE (1895), C. 0. Jensen (1897), u. a. erweiterten unsere diesbezüglichen Kenntnisse in umfangreichen namentlich bakteriologi- schen Studien, welche durch neuzeitliche Detailforschungeu (G. Gröning 1901, K. Zobel 1902, H. Streit 1901) noch mannigfache Ergcänzung fanden. Die Kasuistik der genau bakteriologisch geprüften Krankheitsfälle ist eine außerordentlich große (s. Guillebeau & Hess, Lucet, C. 0. Jensen, Kitt). Die Euterentzündungen bei der Kuh. Erkrankungen an Euterentziindung treten bei der Kuh am meisten in den ersten Wochen nach dem Gebnrtsakte auf; die Drüse ist in ihrer höchsten Laktationsperiode mehr disponiert als später, wenn die Milchproduktion sinkt, es können aber auch trocken stehende Kühe und Kälber eine Mastitis bekommen (Dieckerhoff, 1878). Die Erkrankungen erfolgen spontan und sporadisch, sowie in kontagiöser Ausbreitung. Das Symptomenbild ist variabel; die akuten setzen meist über Nacht, bezw. in wenigen Stunden mit erheblicher derber Schwellung der Drüse, starkem kollateralem Oedem, überhaupt mit allen Kardinalsymptomen der Entzündung ein, die chronischen gehen aus ersteren hervor oder sind von vorneweg schleichend, durch geringfügigere Entzündungs- symptome gekennzeichnet. Bei den akuten ist regelmäßig eine auf- fällende Veränderung des Sekretes eines der Hauptmerkmale; die Milch erscheint voll Gerinnsel, in Molken und Kasein geschieden, schmutziggrau bis gelb, manchmal blutig, flockig. Bei den chronischen Formen kann die Milchveränderung weniger ausgebreitet sein. Es kommt zur Verringerung oder gänzlichem Versiegen der Milchabsonderung. Die Erkrankung kommt viertel weise zur Schau; oft ist nur ein Viertel der Drüse erkrankt, während die anderen drei Viertel und Striche rela- tiv normale Milch geben, oder es können zwei, drei und alle Viertel- gleichzeitig oder hintereinander erkranken. Einzelheiten über die Beschaffenheit der pathol. Milch, ihre chemische Zusammensetzung u. s. w. s. Guillebeau & Hess, 1891. Die Mastitiden haben jeweils eine schwere Allgemeinerkrankung im Gefolge, z. B. hohes Fieber, Unvermögen aufrechter Stellung des Kör- pers, Lahmheit, Abmagerung, Affektionen der Gelenke. In solchen Fällen toxischer Allgemeininfektion kann ein tödlicher Aufgang sich einstellen, welche Befürchtung oft Notschlachtuugen veranlasst. Das 54* 852 Th. Kitt, Fleisch mastitiskraukcr Kühe kann toxische Eigenschaften besitzen, ebenso die Milch. J. F. Lameris & VAX Hassevelt berichten, ciass in einem Krankenhause Masseucliarrhüeu auftraten, welche von einer streptokokkenhaltigeu Milch her- rührten, obgleich die Milch gekocht war. Bei Inspektion der Ställe des Milchlieferanten ergab sich, dass einige Kühe an katarrhalischer Strepto- kokkenmastitis erkrankt waren (Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhygiene, 1901, S. 114;. Die Eiitereutzünduugen können in 10 — 30 Tagen abheilen, oder "Wochen und Monate laug dauern, mit Agalaktie oder Euteratrophie, oder Euternekrose enden. Die Erreger der Euterentzünduugen der Kühe sind in der patho- logisch veränderten Milch meistens in förmlicher Reinkultur zu finden, andererseits liegen oft Mischinfektionen vor; man kann diese Mastitiserreger der üebersicht halber in vier Abteilungen bringen : 1. Mastitis-Colibakterien, 2. Mastitiskokken, 3. Mastitis- Streptokokken, 4. Heterogene Bakterien, welche gelegentlich auch Mastitis erzeu2:en. '»' Mastitis-Colibakterien, Am häufigsten trifft man bei den Euterentzündungen der Kühe Bak- terien, welche der Colibakteriengruppe sich anreihen lassen, in der pathologischen Milch. Es sind, wie die Untersuchungen von C. 0. Jensen & H. Streit ergeben haben, teils typische Stämme des Bact. coli commune, teils Varietäten, welche Zwischenformen von diesen zur Gruppe des Bacillus aerogenes vorstellen. Sonderheiten einzelner Stämme und der Umstand, dass die ersten Forschungen in eine Zeit fielen, in welcher man über die Variabilität und pathogene Vielseitigkeit der Colistämme noch nicht genug orientiert war, brachten es mit sich, dass die Fundorts Varietäten besondere Namen erhielten. Die von mir 1884/85 in 5 Fällen, dann späterhin noch oftmals ge- fundene und durch Impfungsversuche als gewöhnlichster Mastitiserreger erkannte Bakteriensorte beschrieb ich als Bact. oder Bacillus phleg- masiae uberis. Unter 86 Euterentzündungsfällen konstatierte Guillebeau 20mal einen Stamm in drei Varietäten, welche Bac. Guillebeau «, b, c ge- tauft wurden. Unter 12 von Lucet gezüchteten Mastitisbakterien fanden sich 11 Stämme, welche mehr oder weniger den vorgenannten Colistämmen glichen; H. Streit gewann solche aus 9 Fällen. Die allgemeinen Charaktere dieser Gruppe sind folgende: Morphologie. Die Mastitis-Colibakterien, welche bei einfacher Tinktion*) gut färbbar sind, aber bei GRAMScher Methode Entfärbung erleiden, erscheinen als 1/3 — 3 /< große Zellen von rundlicher bis stäbchen- förmiger Gestalt. Einzeln, unregelmäßig gehäuft, oft zu zweien, manch- mal zu 3 — 5 verbunden, lagern sie in den Kaseingerinnseln der Exsudat- zellcn, sparsamer im Serum der pathologischen Milch; ebenso regellos *) Die Anwendixn^ von Fuclisin in 2—5 proz. KarboUösung babe ich bei dieser Gelegenheit schon 1884/85 notiert und zweckmäßig gefunden. Euterentzünduncen und deren Erreger. 853 in den Kulturkolouieen. Die runden Formen sind von Kokken und Diplolvokken nielit zu unterscheiden, die stäbchenförmigen liaben eben- falls abgerundete Enden, Mittelformen sind oval. In den Kulturen trifft man auch fadenförmig ausgewachsene, bis 50« lange, ungliech dicke Gestalten in geradem oder geschwuni Verlauf; sind teils mögen fä nehmen sie nur schwach weisen da lieh einzelne stärker mente auf. Form Avechs Nährsubsti der Kultur, Gelatine in tureu oft nur runde Ge- T _.^JijV;'}^li;#;/Mr stalten, in Kartoffelkul- turen nur Stäbchenfor- men bei ein und dem- selben Stamme zu sehen sind, und ergeben sich entsprechend den Absterbezuständen der Bak- terien in älteren Kulturen die bekannten Abweichungen des Gequollen- seins, Verunstaltungen und ungleiche Farbstoffimprägnieruug. Sporen- bilduDg wurde nie beobachtet. Fij?. 1. Bac. phlegraasiae uberis (Agarkulttir). 1200tache Vergr. Fig. 2. Bac. phlegiuasiae uberis. Geißelfärbnng. Fig. 3. Bact. phlegmasiae uberis, zwei Rasen auf der Kartoffel. Das Vorhandensein einer Kapsel tritt färberisch nicht hervor, auch nicht bei intraperitonealer Impfung (Streit), an Photogrammen ist gelegentlich ein Hof sichtbar, welcher vielleicht einer zarten Hülle oder einem Verquellungszustande entspricht, weil die Zellen gleichmäßige Abstände aufweisen (also kaum ein Fehler des photogr. Bildes vor- liegen kann). Es giebt unbewegliche, mäßig und gut bewegliche 854 Th. Kitt, Stämme (Streit). Uusere Kulturstämme von Bact. phlegmasiae uberis zeigien sich nur monotrich , die eine polständige Geißel ist bis zu 50 ,u laug in welligem Verlaufe (W. Ernst). Kultur. Die Mastitis-Colibakterien wachsen sehr gut bei Zimmer- temperatur (15—20°, manche Stämme auch bei 10 — 12"), üppig bei Brutofenwärme. Streit sah bei 50" C in den ersten 24— 36 Stunden kein Wachstum, dann aber in Bouillon Bodensatzbildung, und gediehen die 2 — 3 Tage in solcher Wärme gehaltenen Kulturen normal weiter, Fig. 4. Bac. plilegmasiae uberis. Gelatineplatte (gekerbte Kolonieen). Fig. 5. Bac. phlegmasiae uberis. Gelatineplatte (runde Kolonieen). wenn man sie ins Temperaturoptimum zurückbrachte; Erhitzung der Kulturen auf 65° (15 — 20 Minuten) schädigte die Vegetationsfähigkeit. Auf Kartoffeln entstehen bei Zimmerwärme in 1 — 3 Tagen Rasen von schmutzig grauweißer Farbe, welche später ins schmutzig Gelbliche, (Vemefarbige oder Bräunliche nuanciert; die Kolonieen sind sehr saftig, dickrahmig, scharf berandet, glatt, wie Wachs, in der Brütofenwärme rasch sich ausbreitend. Ein paar Wochen stehengelassen, können sie gebirgsrelielähnlich , mehrere Millimeter prominent und von Gasblaseu aufgetrieben werden. In gewöhnlicher Nährgelatine lässt die Plattenaussaat kreis- runde weißliche, knorpelälmliche Kolonieen bald fürs bloße Auge sicht- bar werden, die oberflächlichen vergrößern sich schnell zu glatt Euterentzündungen und deren Erreger. 855 abgenmdeteu oder gekerbten Tropfen und Belägen von Linsen- bis Bohnengröße, während die Kolonieen der Tiefe nur hirse- bis hanfkorn- klein bleiben. Die weiße Farbe ist leicht transparent (wie 01)laten oder Knorpel) und manchmal irisierend. Auf schräger Gelatine bildet sich ein gleichartiges kameeähnliches Reliefband mit welligen Konturen, später zu rahmigem dicken Belag über die ganze Fläche sich ausbrei- tend. In der Stichkultur treten die Kolonieen entlang des Stiches und über die Oberfläche zusammen (nageiförmig mit ge- kerbtem Rande); in kräftigem Wachstum erscheint der Rasen als weißliche glänzende Masse. Einzelne Stämme indes (Streit) geben nur dünne, irisierende Beläge. Gasentwicklung erfolgt in wechselndem Maße; bei manchen Stämmen sofort in den ersten Generationen in zuckerhaltiger und Milchgelatine, andere Stämmen wachsen jahrelang ohne Gasproduktion (selbst in zuckerhaltiger Ge- latine), und fjxngen später an. Gas zu produzieren, oder bilden bloß auf Kartoffeln Gasblasen, nicht in Gelatine und nicht in Agar. Auf Nähr agar wachsen alle Stämme als grauweiße bis schmutziggelbliche, schleimige, saftige Beläge, ebenso im Kondeuswasser. Bouillonkulturen erscheinen nach 6 — 24 Stunden diffus getrübt, mehr oder weniger lebhaft Gas produzierend, so dass teils nur beim Schütteln und Beklopfen des Glases Gasbläschen aufsteigen, teils stets sofort solche empor- treten und sich an "der Oberfläche zu einem schaumigen Kranze ansammeln; nach 24 Stunden pflegt diese Gas- produktion zu verschwinden (Streit). Im Verlaufe dieser Gärung wird die neutrale Bouillon sauer und bekommt einen süßlich faden Geruch, die Reaktion wird aber später- Fig. 6. Bac. phlegm. uberis. Kolonieen auf schiefem Agar. hin (nach 51/2 Tagen) allmählich in stark alkalische ver- wandelt (Ammoniak, Würtz, Streit). (Einzelne Stämme bilden Ausnahmen, insofern die Bouillon trotz Trübung immer neutral und ohne Luftblasen bleibt.) Bei den meisten Stämmen entsteht auf der Bouillonoberfläche ein dünnes, trocknes, grauweißes irisierendes Häutchen, das sich beim Schüt- teln in Stücke spaltet, die zu Boden sinken; der Bodensatz ist anfangs locker, durch Schütteln zerteilbar, später klümprig körnig (Streit). In Iproz. Peptonlösung ohne und mit Zucker oder Glycerin ähnliches Aus- sehen (Näheres s. Streit). In frischer (aseptisch aufgefangener), sowie in sterilisierter Milch vermehren sich die Mastitis-Colistämme rapid, so dass im Brütofen schon nach 6 Stunden, bei 20° nach 12 Stunden die ohne Schütteln einge- brachten Keime zu großer Menge angewachsen sind und bereits Säuerung eingetreten ist. Gleichzeitig tritt flockige Gerinnung ein, die bald so fein ist, dass keine Serumabscheidung erkennbar wird, sondern die Milch äußerlich wie eine im Dampf gekochte sich gleich bleibt, anderer- seits aber mit Trennung der Coagula vom Serum einhergeht. Einzelne Stämme bilden auch in der Milch Gas. Das Wachstum auf genannten Nährböden vollzieht sich auch anaerob. Alle Mastitis- Colibakterien, welche Streit untersuchte, zeigten in den Kulturen Indol 856 Th. Kitt, ''Methode Salkowski & Kitasatoi, einzelne Stämme Nitritbildiing; in Fleisch bouillon mit freiem Schwefel wurde stets H2S produziert. GuiLLi':i5EAUs Mastitis-Colibacillus vergärt energisch Kohlehydrate und Glycerin zu Aethylalkohol unter gleichzeitiger Bildung von Wasserstoff, Essigsäure und Kohlensäure. Agglutination. Versuche über Agglutination sind an den Mastitis- Colibakterien durch Streit ausgeführt worden, wobei nur das makroskopische Verhalten Beachtung fand. Von den 24 stündigen Bouillonkulturen der Mastitis-Colistämme wurden durch gewöhnliches Coliserum (Ziege gegen Bac. coli commune immunisiert) viele stark agglutiniert (Sedimentierung von Klumpen unter völliger Klärung der Bouillon), andere Stämme wurden mittel- gut, andere wieder nur sparsam agglutiniert. Immunserum gegen Mastitis- Colistämme (durch sirbkutane Impfungen bei einer Ziege gewonnen) agglu- tinierte (1 : 40) zwar Mastitisstämme und einen gewöhnlichen Cohstamm voll- kommen, andere unvollkommen oder gar nicht. Typhusserum agglutinierte spurenweise oder gar nicht, nur zwei Stämme vollkommen. Mastitis-Streptokokken. Streptokokken sind ein sehr häufiger Fund in der Milch. Wofern die Milch in den Gefäßen einige Zeit gestanden hat, kann es sich um zufällige Beimengungen nicht pathogener, saprophytischer Streptokokken handeln, welche in Kuhställen, im Dünger und Darminhalte weite Verbreitung haben (Grönixg). Wo aber Milch, welche soeben aus dem Euter gemolken wurde, bereits Streptokokken enthält, verkündet dies das Bestehen einer Euter- oder Zitzenaffektion, welche teils als kaum merkliches katarrhalisches Leiden, teils als intensivere chro- nische Entzündung auftritt und zur Agalaktie zu führen pflegt; die Streptokokken müssen dann als Krankheitserreger gelten. Die mikroskopische Untersuchung der Milch aller in einem Stalle befindlicher Kühe, unter denen einzelne Mastitiserkrankungen vorkamen, ist daher sehr wertvoll für eine frühzeitige Diagnose und Ausfindigmachung der bereits angesteckten Tiere, zumal die Streptokokkenmastitiden zu- meist sehr kon tag lösen Charakter haben. NocARD & MoLLüREAU (1884) warcu die ersten, welche Streptokokken als Erreger einer als Stallseuche aufgetretenen Mastitis erkannten und beschrieben, sodann haben Lucet, Bang, Borgeauu, Güillebeau & Hess, Zschokke, Adametz, Klein, Dele, Gröning bei Einzelerkran- kungen und seuchenhaften Mastitiställen Nachweise von Mastitis-Strepto- kokken erbracht, bakteriologische und experimentelle Studien darüber publiziert. Inwieweit die angetroifenen Streptokokken differente Arten oder nur Varietäten waren, lässt sich nicht entscheiden. Die anfänglich unternommene Trennung zwischen sporadischer Streptokokken-Mastitis und kontagiöser Streptokokken-Mastitis (sogenannter gelber Galt) konnte nicht aufrechterhalten Averden, ebenso sind die Unterschiede zwischen kurzen und langen Streptokokken nicht mit Verschiedenheiten der Krankheitsbilder in Einklang zu bringen, sondern hat es den An- schein, dass ein und dieselbe Art sowohl sporadische wie seuchenhafte Erkrankungen verschiedener Intensität zeitigt und als ob eine Vielheit von Stämmen und Varietäten bestehe. Die von Kocard & Mollereau beschriebenen gewöhnlichen Erreger kontaginöser chronischer Mastitis und Agalaktie (Streptococcus masti- Euterentzündungen und deren Erreger. 857 tidis sive agalactiae contagiosae) sind als lange Kettenverbände schon ohne Färbung in der Milch zu erkennen. Die aseptisch auf- gefangene Milch zeigt anfangs keine auffallende Veränderung, sie ist bläulich und wässrig (amphoter oder neutral nach Zschokke), gleichwohl besonders viel Leukocyten enthaltend, später schleimig, gelblich bis rötlichbraun und sauer reagierend. Beim Stehen scheidet sich nach 24 Stunden ein schmutzigweißer, grütziger Bodensatz ab, der die Hälfte des Glases erfüllt, darüber steht ein opaleszierendes gelblichweißes oder rötliches Serum, welches eine Fettschicht trägt. Nach Zschokke kann sie auch dickeitrig aussehen. Die Ausstrichfärbung gelingt mit Methylenblau, Gentianaviolett, Fuchsin, Thionin, nach Zschokke und den genannten französischen Autoren aber nicht gut bei GuAMScher Methode*), wenn man Alkohol zur Entfärbung verwendet, besser, wenn man Anilinöl hierzu be- nutzt. (Färbung in einer Methylviolett- Kalilösung, letztere 1 : 10000 Wasser, hiervon 2 ccm mit 4 Tropfen konzentrierter alkoholischer Methylviolettlösung, Schwimmenlassen, hiernach in Lugolsche Jodlösung 5 Minuten, direkt in Anilinöl, Abtrocknen, dann Xylol und Balsam.) Nach NocARD & Mollereau haben die Streptokokken kleine unter 1 |(t messende Zellen, welche teils kürzere 8 — 40gliedrige Ketten bilden, teils zu 100 — 200 aneinandergereiht sind. Die Kultur erfolgt**) am besten bei 37° und zwar sowohl bei Luft- zutritt wie anaerob. In neutraler oder alkalischer Bouillon bildet sich ein weißlicher Bodensatz und bleibt bei ruhendem Glase die Flüssigkeit darüber klar, während bei Bewegungen ein Aufwirbeln und Trübung stattfinden. Zusatz von Zuckerarten (2 — 5^) oder Glycerin fördert das Wachstum, während ClNa und Peptonzusätze schaden. Die neutral oder leicht alkalisch gewesene Bouillon wird schon nach 24—48 Stunden sauer. Das Wachstum setzt sich mehrere Tage fort und kann bei täglicher Umzüchtuug in gleichbleibenden Charakter fort und fort bethätigt werden. Wartet man aber einige Wochen mit der Umzüchtung, so erlischt die Keimfähigkeit der bei Luftzutritt gezüchteten Streptokokken in der immer stärker sauer gewordenen Bouillon. Giebt man jedoch eine kleine Quantität pulverisierten kohlensauren Kalk hinzu, so die neutrale Reaktion konservierend, wird die Kultur dann üppiger und bleiben die Streptokokken noch nach 4 — 8 monatelangem Stehen des Kulturglases vermehrungsfähig. Gelatineplatten lassen bei 16—18° am 3.-4. Tag oberflächlich und in der Tiefe kleine und runde, leicht körnige, scharf begrenzte Kolonieen auftreten, welche anfangs transparent, dann gelblich und bräunlich unter dem Mikroskop aussehen, für das unbewaffnete Auge weißlich. Gelatine Strichkultur zeigt aneinandergereihte sehr kleine rund- liche Kolonieen, die weißlich, halbtransparent, am Eande mehr opak sind. Im Gelatinestich formiert sich die Masse solcher Kolonieen als Linie mit gezähnelten Rändern, auf die Oberfläche nur wenig als dünner kreisförmiger Belag übergreifend. In einem Falle entsandte der Stich zarte baumähnliche Verzweigungen. Die Gelatine bleibt fest. *) Vielleiclit ist diese Angabe auf Verwendung eines nicht absoluten Alkohols zurückzuführen (vergl. Günthers technische Anleitung z«r ^RAM-Färbung). **) Citiert nach Thoinot & Masselin, Precis de microbie, IV. Auü., lyuz. 858 Th. Kitt, In gleicher Weise aber weniger gut wachsen die Streptokokken auf Agar; auf Kartoffeln scheint die Kultur nicht zu gelingen. Das mikroskopische Aussehen und färberische Verhalten der Streptokokken in den Kulturen ist das gleiche wie in der Milch, indes werden die Kettenverbände in Bouillon bedeutend länger. Mastitis-Streptokokken (Streptococcus mastitidis vacca- rum), welche die GRAMSche Färbung gut annehmen, außerdem sehr schön mit Nicolles Karbolthionin sich nachweisen lassen, sind von Bang, auch von mir in sporadischen und seuchenhafteu Erkran- kungsfällen wiederholt konstatiert worden. Vergleichende Untersuchungen, welche G. Grönixg (1901) über solche Bakterien aus dem pathologischen Eutersekret, sodann über Streptokokken des Darminhaltes gesunder Rinder sowie des Stallbodens anstellte, hatten folgende Ergebnisse. Die entweder kurzen zu 2 — 8 oder langen zu 8 — 1000 angereihten Kettenkokken messen in der Einzelzelle 0,4 — 0,6 /t Länge, 1—1,2 ^a Dicke. Bei den kurzen Verbänden erfolgt die Teilung nach der Längs- und Queraxe: diese Zellen zeigen ab und zu eine gallertige Umrandung, welche bei den langgliedrigen Verbänden deutlicher kapselartig ist (halb so breit als das färbbare Korn). Im hängenden Tropfen ist die den kurzen Ketten lebhafte Beweglichkeit zu ersehen, während bei längeren Ketten langsamer schlängende, wurmähnliche, peristaltische Be- wegungen ausführen. Kulturell ergeben sich zwischen beiden Gruppen keine durchgreifen- den Unterscheidungsmerkmale. In Bouillon entsteht nach den ersten 24 Stunden Trübung, dann Bodensätze von schleimiger Beschaffenheit; in den Bouillonkulturen sind die Kokken bei Luftzutritt meist nach 4 — 5 Tagen nicht mehr vegetationsfähig, manchmal indes (Zusatz von Serum oder Galle) 8—12 Tage am Leben. Bei Luftabschluss ist die Keimfähigkeit 2 — 3 Monate bewahrt und das Kulturaussehen insofern etwas anders, als die Trübung selten eintritt, an dem Boden und Glas- wänden schleimige Flocken, Schuppen und Bröckel ersichtlich werden. In Milch wachsen auch die kurzen Streptokokken zu 10— 20glie- drigen Ketten an; Gerinnung und Säuerung tritt ungleich ein. Von 15 Kulturstämmen aus Eutern waren 11 säurebildend, während kein einziger Darm- oder Stallbodenstreptococcus diese Eigenschaft besaß *). Gelatine wird von den langen Streptokokken nicht verflüssigt, die Kolonieen sind klein, oft kaum sichtbar, hell durchscheinend, weißlich, gelblich und bräunlich, glatt und scharf konturiert; die meisten langen Streptokokken wachsen nicht im Stich. Die kurzen Streptokokken ver- flüssigen teils schwach trichterförmig, teils vollständig. Agar lässt trübwässrig aussehende, kaum sichtbare Kolonieen her- vorkommen, die späterhin eine etwas stärkere graue bis gelbe Auf- lagerung bilden. Auf Kartoffeln gewöhnlich kein Wachstum, oder Bildung eines dünnen, gelatinösen, schmierigen Häutchens, manchmal gelbe, grünlich glänzende Auflagerungen über die ganze Fläche. Die Unfähigkeit zur Zuckerferment-, bezw. Säurebildung und Nichtpathogenität der im Darminhalt und Stallboden von Grüning *) Wie Vennerholm citiert, sind Bangs Mastitis-Streptokokken kleiner als die von NocARD studierten und keine Säuerung der Milch bedingend. Enterentzüudungen und deren Erreger. 859 vorgefundeneu Streptokokken giebt den Hauptunterschied gegenüber den Mastitis-Streptokokken. Nach Bangs Versuchen veranlasst die Einimpfung- des Strepto- coccus der Druse des Pferdes (Streptococcus equi] in die Zitze der Kuh eine fieberhafte chronische purulente Mastitis. Die zum Impfungsversuch verwendete Kuh war in ein anderes Driiseuviertel mit dem Streptococcus der seucheuhaften Mastitis geimpft; das Sekret aus diesem Viertel verwandelte sich iu eine schmutziggelbe mit Flocken und Klumpen von Kasein durchmeugte seröse Flüssigkeit, während das mit Drusestreptokokken geimpfte Viertel einen dicken weißen Eiter ab- sonderte. Das Sekret behielt diese Beschaffenheit mehrere Monate hindurch. Mastitis-Staphylokokken. Von den diversen Kokken, welche als Mastitiserreger gelegentlich gefunden wurden, hat Guillebeau folgende Arten aufgezählt*). Staphylococcus mastitidis von Y2 — 2 /< Größe, der unbeweglich ist, vereinzelt oder iu Form 5— 20glied"riger Verbände sichtbar wird. Dieser Coccus verflüssigt Milchgelatine trichterförmig, bildet orange- farbigen oder weißen Niederschlag, häufig- auch ein dünnes Häutcheu, welches über der Flüssigkeit schwimmt. Auf Kartoffeln entsteht ein schmutzigweißer oder brauner trockener Ueberzug. Milch wird durch die Vegetation dieses Coccus sauer, bald nur mit kleinem Bodensatz, bald mit rascher Koagulierung. Der Coccus färbt sich nach Gram, Avächst aerob und auaerob, ähnelt den pyogeuen Kokken des Menschen, ruft aber keine Eiterung hervor. Galactococcus versicolor. Kokken von ungefähr 1 f^i Durch- messer, unbeweglich, nach Gram färbbar, auf Kartoffeln als mäßig dicker, schmutzigweißer oder grauer oder zitronengelber oder endlich dunkelgraubrauner Ueberzug- wachsend, in welchem kleine Glasblasen wahrzunehmen sind. In Milchgelatine weiße Nagelkopfkolonieen, Milch säuernd, in der ausgeschiedenen Molke Kettenformen; aerobisches und sehr üppiges anaerobes Wachstum. Galactococcus fulvus. Kokken von höchstens 1 /< Durchmesser, nach Gram färbbar, unbeweglich. Weiße Kolonieen auf Gelatine ohne Verflüssigung, auch ockergelber Ueberzug der Oberfläche. Milch säuernd. Aerob und anaerob. Sonst wie der vorige. Galactococcus albus. Kokken von ca. 1 /< Durchmesser, nach Gram färbbar, in Milchgelatine weiße Nagelkopfkolonieen, auf Kar- toffeln reinweiße, schmutzigweiße, feuchte, ziemlich dicke Kolonieen. Milch schwach sauer machend, Gerinnung ausbleibend. Aerob und anaerob. LucET beschrieb des näheren fünf Mikrokokkenarten (ohne Sondernamen), welche teils in Reinkultur, teils neben Bazilleuformen in Fällen von Mastitis vorlagen; diese Kokken waren 0,7—1,5 ,« groß (eine Sorte nur 0,5-0,6 /<) und ließen sich alle nach Gram färben. In einem Falle waren sie so massenweise in den Milchkanälen und Alveolen *) Die von Guillebeau gemachten Angaben über auffallende Farbenver- schiedenheiten ein und derselben Art und der Umstand, dass dieser Autor erwähnt, es sei in der Regel die Mastitismilch nicht zu Platten verarbeitet worden, sondern Milchtropfen in flüssige Nährböden (Bouillon) zur Primäraussaat gekommen, lässt die Frage und Zweifel zu, ob genannter Autor Reinkulturen vor sich ge- habt hat. 860 Th. Kitt, vorhanden (1. cit. S. 62 — 69), class die nach Gram gefärbten Selmitte die Kokkenbaufen als scbwarzblaue Pimktflecken dem bloßen Auge ersicbtlicli werden ließen. Das Kultnrwacbstnm war mehr oder weniger dem der pyogenen Kokken äbulicb, insofern Gelatine verflüssigt w^urde, Aveiße bis gelbe Bodensatzbildmig hierbei auftrat, auf Kartoffeln teil- weise schöne gelbe Rasen entstanden und eine Sorte bei Kaninchen nach subkutaner Injektion Abszesse, bei Meerschweinchen tödliche Phlegmone hervorrief, während andere Sorten nicht in diesem Sinne pathogen waren. Nachdem auch Staphylococcus aureus stark variiert und nicht immer bei subkutaner Impfung Eiterung bedingt, so ist bloß wegen des Kicht- eintritts der letzteren eine Trennung der von Lucet & Guillebeau be- schriebenen Mastitiskokken nicht zu folgern, zumal auch Bang ähnliche Kokkenfunde notierte und bei einem Versuche des Referenten sich zeigte, dass Staphylococcus pyogenes aureus des Menschen thatsächlich bei Einführung in die Milchcisterne der Kuh eine parenchymatöse Mastitis und entsprechende Milchveränderung hervorrufen kann. Da indes bei diesem Experimente die Kraukheit von kurzer Dauer (Stägig) und die Vermehrung der Staphylokokken in der Milch sehr beschränkt war, ferner, wie Guillebeau betonte, mehrere Differenzen bestanden, so kann die völlige Identifizierung aller beschriebenen Arten mit den Eiterkokken nicht unternommen werden, sondern muss man die Mastitis- kokken mindestens als Standortsvarietäten gelten lassen. Außergewöhnliche Mastitiserreger. Experimente haben gezeigt, dass außer den eigentlichen Mastitisbakterien auch einige specifische Erreger heterogener Infektionen, ebenso ansonst un- schädliche Saprophyten bei Einführung durch die Zitze Euteraflektionen be- dingen können. So vermag nach Guillebeau & Hess der Schweinepestbacillus (Bacillus suipestifer) eine heftige Mastitis zu erzeugen, ferner, wie schon erwähnt nach B^vjsG der Streptococcus equi eine chronische puruleute Mastitis, und bewirkt eine Einspritzung von Hühuercholerabakterien (Bac. avisepticus) im Kuheuter einen Katarrh der Cysterne (eig. Vers.); eine akut einsetzende mit knotiger Verhärtung des betreffenden Euterviertels war bei der Kuh auch durch galaktifere Injektion des Botryococcus asco- formans equi zu erzielen (eig. Vers.). Von den gewöhnlichen Fänlnisbakterien vermochte, wie Guillebeau kon- statierte, der Bac. mesentericus vulgatus und fuscus (Flügge) nach galaktiferer Impfung Symptome einer Euterentzündung bei Ziegen und ent- sprechende Sekretionsanomalieen zu erzeugen. Natürlicher Infektionsmodus, Impfungsversuclie. Pathogenese. Die natürliche Eintrittspforte für die Erreger der Infektion ist, wie zuerst L. Franck gelehrt hat; die Zitzenöffnung und der Strichkanal; letzterer repräsentiert eine kapillare Spalte, Avelche ge- wöhnlich etwas Milch, die überdies oft tropfenförmig an der Oeffnung hängt, enthält. Hier finden Bakterien somit eine Nährflüssigkeit und den Weg zum Vordringen in die Cisterne. Die rapide Vermehrung der Mastitisbak- Euterentzündunsren und deren Erreger. 861 'ö terien in der Milch (s. Kiiltur) iiud ilirc Beweguugsfäliigkeit (Coligruppe) machen es versüludlich, dass sie in der warmen Milchmasse der Cisterne, sowie der größeren und kleineren Milchgänge über das ganze Hohl- gangssystem des zur infizierten Zitze gehörigen Drüsengebietes sich verbreiten. Dass die Infektion von der Zitzenmündung her auf dem Wege der Milchbahn erfolgt, verkündet sich gerade durch dieses Beschränktbleiben der Entzündung auf das betreffende Euterviertel; das Kuheuter zerfällt in zwei durch eine mediane Scheidewand getrennte Hälften und das Drüsenparenchym jeder Hälfte ist der Quere nach wieder in zwei Ab- teilungen getrennt, so dass also vier Viertel vorhanden sind, deren Drüsenalveolen nicht untereinander kommunizieren, sondern viertelweise durch die Milchkanäle ihr Sekret in je eine Zitze bezw. deren Cisterne ergießen. Schon L. Franck brachte für seine Anschauung über diese galak- tifere Entstehungsart beweiskräftige experimentelle Belege, indem er Milch aus entzündeten Eutern, Eiter, Jauche u. s. w. durch die Zitzenöif- nung ins Euter gesunder Kühe einspritzte und Mastitiden damit hervorrief. in zahlreichen Versuchen ist dieser Infektionsweg von allen späteren Forschern beschritten und als der gewöhnliche bestätigt worden. Leicht und prompt gelingt es durch Einspritzung von Keinkulturen der Mastitisbakterien in die Cisterne (ohne jede Verletzung, mit ab- gerundeter Kanüle) mitunter auch durch Einführung eines mit Kulturen benetzten Glasstabes u. s. w. Euterentzündungen zu erzeugen. Schon zwei Stunden nach der Injektion ist die intensivste Erkrankung an einem vorher ganz gesunden Kuheuter zu demonstrieren, wenn man eine viru- lente Bakterienrasse (Coligruppe) verwenden konnte. Andere Male dauert die Inkubation 12 — 36 Stunden. Ausnahmsweise stellt sich die Entzündung sogar erst nach mehreren Tagen ein. Dies ist der Fall, wenn durch Melken nach der Infektion ein Teil der Krankheitserreger bald wieder entfernt wurde oder wenn man die Bakterien nicht ein- spritzt, sondern bloß an die Zitzenöffnung anklebt oder anreibt, z. B. mit einer Kartoffelkultur die Zitzenöfifnung berührt; das Zustande- kommen der Erkrankung bei solchem Versuche, welcher den natürlichen Infektionsmodus am besten kopiert, beweist am exaktesten die ätiolo- logische Bedeutung der Mastitisbakterien. Da beim Liegen der Tiere die Zitzen mit dem Erdboden, mit Dünger, Jauche und anderen Faulflüssigkeiten in Berührung kommen, ist gelegentlich vorhandenen Mikrophyten, welche als Mastitiserreger wirksam sein können, der Uebertritt in die Zitzenöfinung möglich. Häufig besorgt die Hand der melkenden Person die Uebertragung und vermittelt namentlich die seuchenhaften Euterentzündungen; der Usus, die Zitzen mit Milch zu benetzen, sogenanntes Hanteln, leistet dabei den meisten Vorschub, denn die Milchtropfen laufen au der Zitzenmündung zusammen. Abtrocknen der Zitze mit schmutziger Schürze, Abkratzen der Schmutzkruste an der Zitzenöflfnung und namentlich die Verwendung vonMelkröhrchen, Darmsaiten, Federkielen, Speckstückchen, welche die Tierbesitzer gelegentlich den Tieren in die scheinbar oder wirklich verstopfte Zitze zu stecken versuchen, geben zu direktem Im- port von Entzündungserregern Anlass. Hiermit im Einklang steht die erwähnte viertelweise Erkrankung des Euters; experimentell kann man beliebig ein Viertel um das andere durch Zitzeninfektion in Entzündung versetzen. Wenn es vorkommt, dass zwei, drei oder alle vier Viertel 862 Th. Kitt, die EntzüuduDg tragen, so sind eben gleichzeitig oder naelieinauder ebensoviele Zitzen angesteckt worden. Eine förmliche Impfung der Zitzen mag wohl auch durch den Säugling geschehen, welcher Speichel au die Zitzenöfinung bringt und bei blasenden Atembewegungen dabei Spritztröpfchen in die Cisterne befördert. Ein Uebergreifen der Entzündung von einem Viertel auf das zweite Viertel derselben Hälfte durch das Parenchym ist nicht ausgeschlossen, wenigstens beobachtet man gelegentlich starkes kollaterales Oedem am Nachbarviertel und entsprechende Milchveränderuugen (Verbreitung der Bakterien und ihrer Gifte durch die Lymphbahnen). Nicht jede beliebige Mikrophytensorte vermag eine Mastitis zu er- zeugen, sondern von der Art, Biologie und Virulenz der Keime ist es abhängig, ob sie pathogene Effekte haben und welche anatomischen und klinischen Entzünduugsformen ausgelöst werden. Z. B. habe ich Oidium lactis, Heubazillenkulturen, virulente Oedembazillen (5 ccm Lebersaft), Tuberkelbazillen der Menschen Kühen ins Euter gespritzt, ohne dass irgend eine entzündliche Keaktion darnach folgte. Wie die Septikämieen und Eiterungen durch verschiedene Arten Mikroorganismen herbeigeführt werden, welche teils einzeln, teils assoziiert in die Gewebe gelangen, so nehmen auch die Mastitiden einmal von dieser, andermal von jener Bakteriensorte allein, manchmal durch Bakteriengemische ihre Entstehung. Die Verbreitung solcher Keime in der Natur ist gleich derjenigen der Eiterbakterien, was die spontanen und sporadischen Erkrankungsfälle erklärt. Die Verbreitung steigert sich, wenn die melkende Person das Sekret eines kranken Euters auf den Stallboden, in die Streu u. s. w. abmilkt bezw. schüttet oder sonst mit den Händen überträgt, woraus seuchenhafte Kontaktinfektionen sich ergeben. Je nach der Art des betreffenden Erregers entstehen gewisse Typen von Mastitis, aber die einzelnen Arten bringen auch, je nachdem sie gerade mehr oder weniger virulent bezw. toxisch sind und je nachdem das Euter reaktionsfähig ist, verschiedene klinisch-anatomische Formen hervor. So veranlasst das Bact. phlegmasiae uteri bei frischmilchenden Kühen eine ganz enorme Euteranschwellung, hoch akute und heftige Mastitis, bei Kühen, welche schon am Ende der Laktation stehen, eine bloß katarrhalische, milde Eutererkrankuug. Die Wirkung der Mastitisbakterien beruht auf der Spaltung des Milchzuckers unter Bildung von Säure und Toxinen (C. 0. Jensen, Streit). Das Euterparenchym ist außerordentlich empfindlich gegen chemische Stoffe, welche in die Milchkammer eingeführt werden (GtUillebeau, ZscHOKKE, eig. Vers. *)), so reagiert es auch auf die Anwesenheit toxi- scher Spaltungsprodukte jener Bakterien mit Entzündung, wobei die Verpfropfung der Kanäle durch die Milchgerinnsel und Aufstauung des Sekrets das Gewebe noch weiter alterieren. Die Schädigung betrifft zuerst die Epithelien, welche degenerieren, mazerieren und sich abstoßen, Leukocytenaus Wanderung, Zerreißung der Alveolen, Kapillarblutungen, *) Sogar körperwarme, physiologische (0,7proz.) sterile Kochsalzlösung kann bei Einspritzung in die Cisterne des Kuheuters deutlich Entzündnngserscheinungen veranlassen (Guillebeau), katarrhalische Mastitis kann durch Einspritzung von 1 gräd. wässriger Kroolinlösung, 1 — 3 proz. Resorcinlösung entstehen, dagegen wird Jodkaliumlösung vertragen. Euterentzündungen und deren Erreger. 868 Lymphestammgeu folgen nach und veranschaulichen den entzündlichen Zustand. Die chemische Schädigung des Euterparenchyms wurde be- reits 1888 von C. 0. Jensen dadurch illustriert, dass bei Einspritzung des bloßen Filtrates einer Mastitisbakterienkultur ebenfalls eine Ent- zündung eintrat. Im allgemeinen sind die Mastitiscolibakterien bei subkutaner Impfung weder für kleine Versuchstiere, noch für das Rind pathogen, sie bewirken gewöhnlich nicht einmal Eiterung; doch berichtet Lucet von toxischer in 36 Stunden tödlicher Erkrankung von Meerschweinchen, welche eine subkutane Injektion von Kolistämmen erhalten hatten, ferner Bang, dass Mastitisstreptokokken bei subkutaner Impfung Ratten in 2—5 Tagen töteten, wobei im Blute und der Milz die Streptokokken wiederzufinden waren*). Guillebeau & Hess konnten durch Injek- tion von Reinkulturen zweier Arten Mastitisbakterien in die Sprung- gelenkskapsel bei einer Kuh und zwei Ziegen eine akute Arthritis erzeugen, welche serösen Charakter hatte und ohne Eiterung abheilte. (Die Arthritis stellte sich 24 Stunden nach der Impfung ein, hielt sich 2—3 Tage, wobei das Gelenk heiß, geschwollen, empfindlich, sogar fluktuierend erschien und verschwand in 4 — 13 Tagen.) Bei int r aperitonealen Impfungen von Meerschweinchen, welche Streit vornahm, zeigte sich, dass manche Stämme eine tödliche serös- fibrinöse Peritonitis hervorrufen, andere nur geringe örtlich entzündungs- erregende Wirkung und Toxizität besitzen. Wenngleich gewöhnlich die Vegetation der Mastitisbakterien auf das milchgefüllte Kanalsystem der Drüse beschränkt bleibt, so sind die Bakterien nicht selten auch in den supramammären Lymph- drüsen zu finden (Lucet, Zschokke) und gelegentlich sogar im Blute, in den Lungen, wohin sie mit dem Blute getragen werden (konseku- tive Pleuropneumonie), und im Fleische. Der Uebergang der Bakterien aus dem Euter in die Lymphgefäße und ins Blut mag durch die Lymphestauungen, welche bei den Mastiti- deu Platz greifen, begünstigt werden und scheint hauptsächlich durch wandernde Leukocyten, welche den Transport vermitteln, zu geschehen. In dem Kanalwerk der kranken Drüse bleiben die Mastitisbakterien sehr lange Zeit; Zschokke konnte bei Ziegen nach zehnwöchentlichem Be- stand der Impfkrankheit, bei einer Kuh nach sechsmonatlicher Dauer der Krankheit noch austeckungsfähige Streptokokken in der Milch nachweisen (wenn die Tiere nicht mehr gemolken wurden, statt Milch nur mehr rötliches Serum von der Drüse sezerniert wurde). Scheidewandbildung in den Zitzen. Bei Vorhandensein einer die Milchkammer abschließenden Scheidewand, zu deren Bildung chronische Entzündung der Cisternenschleimliaut (Ver- wachsung während des Trockenstehens) Anlass giebt, traf Svend Larsen in der Flüssigkeit, welche sich dabei in der Cysterne ansammelt, fast regelmäßig Bakterien, zumeist Kokken (8 Arten), zweimal Bazillen, einmal einen Strepto- coccus. Die Anwesenheit dieser Mikrophyten, welche der Autor kurz be- schrieb, ist außer für die Aetiologie der Entzündung namentlich für die chirurgische Behandlung des Leidens von Interesse. *) Cit. nach einem Referate Vennerholms. 864 Tb. Kitt, Insofern n.nmlich Svexd Larsex für einige der gefundenen Bakterien den Nachweis erbrachte, dass sie bei galaktiferer Injektion mehr oder weniger heftige akute oder chronische Euterentzüudungen hervorrufen können, erklärt es sich, warum bei der Durchbohrung oder Durchschneidung der Scheidewand trotz Verwendung steriler Instrumente und cäußerlicher Desinfektion der Zitze oft statt Heilung eine starke Mastitis einsetzt. Das Instrument führt eben die vorher im unteren Cisternenraum abgesackten Bakterien höher hinauf in die Cisterne. Nur durch vorherige Entfernung der Flüssigkeit aus jenem Raum und Ausspülung desselben lässt sich die operative Mastitis vermeiden. Bedeutung der Mastitisbakterien für die Molkerei. Die Beimenguug- von Mastitisbakterien zur Sammel milch kann in verschiedener Richtung- das Gesammtquantum solcher Milch nachteilig beeinflussen, insofern die sehr rasch beim Stehen der Milch (namentlich wenn solche nicht alsbald gekühlt wird) sich darin vermehrenden Mikro- phyten sowohl der Milch, wie den hieraus gefertigten Butter mid Käse abnormale Eigenschaften geben. Freudenreich hat von ver- schiedenen der genannten Mastitiserreger festgestellt, dass sie den Ge- schmack der betreffenden Produkte verschlechtern. Nach Adametz ist vielfach das Bitterwerden und die Blähung der Käse der Beimengung von Mastitisbakterien zuzuschreiben ; unter den Colistämmen finden sich solche, welche derart stürmische Gasentwicklung zur Folge haben, dass hierdurch die Käseleibe wie ein großlöcheriger Schwamm aufgetrieben und ganz unbrauchbar werden. Behandlung und Vorbeugung. Nach den ätiologischen Gesichtspunkten erscheint die praktische Gepflogen- heit, mastitiskranke Tiere oftmals auszu melken, das Richtige, da hierdurch Massen des Ansteckungsstoifes und deren Depots (Kaseinklumpen) aus der Drüse entfernt werden. Beim Abmelken darf man das Sekret nicht auf den Stallboden rinnen lassen, sondern es muss in einem mit desinfizierender Flüssigkeit (Liq. Cresoli sapon.) gefüllten Kübel aufgesammelt und anderwärts ausgegossen werden. Das säugende Junge ist natürlich abzusetzen. Ferner sollen die kranken Stücke als die letzten in der Reihe der zu melkenden Tiere eines Stalles daran kommen, damit Ansteckungen der noch gesunden durch das Melkpersonal vermieden werden. Letzteres hat sich vor und nach dem Melken gründlich die Hände abzuseifen. Einspritzungen antiseptischer Flüssigkeiten in die Cisterne haben wohl in der Regel wenig Einfluss auf den Gang der Heilung; doch sahen Nocard & Mollereau bei Streptokokken- niastitis von 4proz. Borsäurelösung sehr guten Heilerfolg*). Melkröhr- chen dürfen nur, nachdem sie kurz vorher in kochendem Wasser des- infiziert wurden, in die Cisterne geführt werden. Reinhaltung der Zitzen durch Waschen mit reinem Wasser und weichen sauberen Tüchern dient gleichfalls der Prophylaxis. Hämatogene Mastitis. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch von der Blutbahn her eine Infektion des MilchdrUsenparenchyms mit Entzündungserregeru statt- *) Es kann sich dabei nur um eine Ausspülimg der Cisterne handeln, wenn- gleich die Flüssigkeit durch Kneten auch etwas höher hinaufgetriebenwerden kann. Euterentzündungen und deren Erreger. 865 fiudcu könne. Die Entzündung- AYürde hierbei diffus über alle Driisen- nbteilungen sieh erstrecken, wenn die Infektionskeime aus dem Blute allenthalben zur Auscheidung kommen, anderseits kann die embolische Einführung ins Eutergevvebe auch eventuell lokale Veränderungen be- dingen, welche indes unregelmilBig herdförmig, und kaum in der scharfen anatomischen Begrenzung wie bei galaktiferer Erkrankung ersichtlich werden. In solch hämatogenem Import erfolgt die Infektion mit Tuberkelbazillen (disseminiert und herdförmig), sowie mit Nekrose- bazillen (nach C. 0. Jensex). Experimentell haben Guillebeau & Hess durch subkutane Impfung mit dem Bac. Guillebeau der Coligruppe bei Ziegen einen sekun- dären Euterkatarrh hervorzurufen vermocht, welcher durch Uebergang der Erreger aus dem Blute entstanden sein muss (cit. nach C. 0. Jensen), und dieselben Autoreu beobachteten eine infektiöse Agalaktie der Ziegen, welche stets mit schwerer Allgemeinerkrankung derart kompliziert war^ dass an hämatogene Affektion der Milchdrüse gedacht werden muss, indes konnte die Aetiologie nicht geklärt werden. Sichere Vorkommnisse von hämatogener Mastitis sind nicht bekannt und steht die Frage offen, ob die bei Maul- und Klauenseuche, bei Verdauungskrankheiten und anderen Allgemeinstörungen sich einstellenden Veränderungen des Milchsekrets durch den Uebergang von Mikroorganismen aus dem Blute in die Milch bedingt sind, üie aus einem gesunden Euter frisch ge- molkene Milch ist stets keimfrei (Lister, eig. Vers., Sciiuppan, J. Simon); gegenteilige Angaben z. B. v. L. Schulz, K. B. Lehmann fußen auf Untersuchungsmethoden, bei welchen eine zufällige Beimengung von Keimen zur Milch bei der Probeentnahme nicht ganz vermieden war. Selbst bei intravenöser Einverleibung von Bakterien, Avelche auf galaktogeuem Wege Mastitis veranlassen, z. B. von Drusestrepto- kokkeu, ist ein Uebertritt derselben in die Milch nicht zu konstatieren, wobei allerdings die baktericide Wirkung des Blutes (bei der Kuh) in Betracht kommt. Lymphogene traumatische Mastitis. Aeußere Verletzungen des Euterintegumentcs und der Zitzen können zur Wundinfektion mit Eiterbakterien, Oedembazillen und ähnlichen Mikrophyten Veranlassung geben, wobei die Entzündung durch die Lymph- bahnen auf die Interstitien und das Parenchym des Euters übergreifen kann. Experimentell ist solche Affektion bei subkutaner Einspritzung von Oedembazillen erzielt worden (eig. Vers.), die Aetiologie spontaner Erkrankungsfälle, deren namentlich Lucet Erw^ähnung macht, ist, außer was Botryomykose des Euters der Stute betrifft, nicht näher untersucht. Euterentzündungen bei der Ziege. Obgleich bei der Ziege intensive parenchymatöse und katarrhalische Mastitideu nicht allzu selten sind, haben sie noch wenig bakteriologische Bearbeitung gefunden. Eine senchenhafte, schmerzliche Euterauomalie, welche durch plötzliches Aufhören der Milchsekretion und durch KompUkation mit Hornhautentzündung, Erblindung durch Star und Entzündung der Geleuke auffällig ist, als infektiöse Agalaktie der Ziegen bezeichnet, ward von Hp:ss & Guillebeau näher studiert uud eingehend beschrieben; der Infektions- Handbucli der pathogenen Mikroorganismen. III. 55 866 Th. Kitt, erreger koimte aber nicht erniert werden, zumal Impfnngsver suche keine Er- krankung schufen. Die Mastitisbakterien der Kuh sind mehrfach auf das Ziegeneuter verimpft worden. Mit dem Bac. phlegmasiae uberis erzielte ich bei Ziegen zwar temporäres Versiegen der Milch und katarrhali- sche Aflfektion, aber keine intensiveren entzündlichen Veränderungen der Drüse. Hess & Guillebeau konnten dagegen bei zwei Ziegen durch galaktifere Impfung von Mastitisbakterien eine heftige Mastitis erzeugen, ferner bei dieser Tierart durch Streptococcus pyogenes und erysipelatos, Bac. mes- entericus vulgatus und fuscus Symptome der Euterentzündung und ent- sprechende Sekretionsanomalieen veranlassen. Nocard & Mollereau sowie ZsCHOKKE übertrugen Mastitis-Streptokokken mit Erfolg auf die Ziege. Euterentzündungen beim Schafe. Aetiologische UntersuchuDg-eu sind namentlich über eine Form publi- ziert worden, nämlich über die gangräneszierende Mastitis, welche als Stallseuche und Herdeukrankheit aufzutreten pflegt, durch rapiden Ver- lauf und tüdtlicheu Ausgang besonders malignen Charakter besitzt, und sich vorwegs in Gegenden zeigt, in welchen der Käsebereitung halber Milch- schafe gehalten werden. Nach den Studien Nocards, welchem wir die nähere Kenntnis des Leidens verdanken, ist der Erreger ein sehr kleiner Coccus (Micrococcus mastitidis gangraenosae ovis), welcher reich- lich in der pathologischen Milch und dem serösen Safte der odematösen perimammellen Hautregionen, ferner auch in der Bauchhöhle sich findet. Der Micrococcus erreicht nicht die Größe der Hühnercholerabakterien, färbt sich nach Gram und lagert einzeln, in Tetraden oder größeren Haufen agglomeriert. Kultur. Er gedeiht aerob und anaerob sehr leicht auf allen alka- lischen und neutralen Nährböden. In Bouillon rapid zur Vermehrung gelangend, erfolgt eine fast milchige Trübung und schon nach 48 Stunden ein reichlicher pulveriger Aveißer Bodensatz, wobei Säuerung eintritt; letztere veranlasst in gleicher Weise wie bei Streptokokkenkulturen baldiges Absterben der Mikrophyten, das jedoch durch Zusatz von Kalk bezw. Kreide sich hintanhalten lässt. Kuhmilch oder Ziegenmilch Avird schon in 24 Stunden koaguliert, die Ketraktion des sehr festen Kaseingerinnsels bedingt den Austritt von farbloser Molke; beide reagieren stark sauer und beherbergen große Mengen der Kokken. Peptongelatine lässt auf Platten bei 20° schon am 2. Tage rundliche, weiße Rasen oberflächlich und in der Tiefe erscheinen; die oberflächlichen vergrößern sich schneller und geht das Wachstum mit schneller Verflüssigung einher. Im Stich formiert sich unter gleichfalls schneller und trüber Verflüssigung ein wollfadenähnlicher Stichstreifen, welcher in 8—10 Tagen kegelförmig gestaltet bis auf den Boden reicht. Auf Agar bringt der Stich einen weißen, festonierten Kulturfaden, die Strichkultur eine erst weiße, dann gelbliche häutige Belagsmasse. Kartoffeln, welche etwas weniger günstig für Kultur dieses Micro- coccus sind, lassen einen schleimigen grauen Kolonienbclag aufkommen, der an den Kändern dicker ist als im Centrum, welches allmählich ein gelbes Kolorit annimmt, während die Peripherie hell grauweiß bleibt. Bei galaktiferer Impfung von Schafen mit ein paar Tropfen der mikrokokkenhaltigen Milch oder Kultur konnte Nocarü prompt Euterentzündungen und deren Erreger. 867 die maligne gangränesziereiide Mastitis, gefolgt von bedeutender bä- morrbagiscb ödematöser Infiltration der Haut im Umkreis des Euters bervorrufen, deren Entstebung auf ein stark wirksames lokal nekroti- sierendes Toxin zurückzufübren ist; eine heftige Allgemeinreaktion, welebe rasch tödlieb verläuft, ist weiteres Zeichen der toxischen Wirkung. In- teressanter Weise erscheint der Micrococcus für die Ziege gar nicht pathogen; Nocard konnte 1 ccm virulentester Kultur in die Milch- gänge dieses Tieres spritzen ohne irgend welchen Effekt; nicht einmal die Milch erfuhr eine Alteration, sondern enthielt schon 48 Stunden später keine Mikrokokken mehr. Auch bei Injektion in das Parenchym entstand nur eine lokale in 14 Tagen abheilende Anschwellung ohne besondere Milchveränderung. Ebenso brachte subkutane Injektion bei einem sechswöchentlichen Zicklein nur lokales Oedem. Pferd, Rind, Schwein, Katze, Huhn und Meerschweinchen verbleiben bei subkutaner Impfung großer Dosen sehr virulenter Kulturen ohne wesentliche Gesundheitsstörung. Nur Kaninchen vertrugen das Virus weniger, insofern sie nach 5 bis 6 Tagen einen akuten Abszess von subkutaner Impfung erlangen fohne besondere Allgemeinstörung), wobei der Abszessinhalt die Mikrokokken konserviert. In einem Anhang zu seiner großen Arbeit über die Euterentzündungen beschrieb Luget den vorgenannten Mikrokokken ähnliche, aber doch durch einzelne Merkmale differente oder variable Arten. Erstens einen Micrococcus von 0,8 /< Durchmesser, nach Gram färbbar, Gelatine verflüssigend aber nicht säuernd, auf Kartoffeln orangegelb, gar nicht pathogen für Kaninchen, dagegen pathogen bei subkutaner Impfung für Meerschweinchen. Zweitens einen Micrococcus von 0,5 — 0,6 fi Kleinheit, nach Gram färb- bar, ohne Reaktionsänderung wachsend, gelb auf Agar, gelbrötlich auf Kartoffeln, ohne Wirkung auf Meerschweinchen, dagegen bei intra- peritonealer Impfung Kaninchen tötend. Drittens einen 2,5 ii großen beweglichen Bacillus, der nach Grajsi färb- bar war, auf Gelatine und Kartoffeln nicht Avachsend, auf Agar eine magere, weißglänzende üppige Belagsmasse bildend, die später rötlichbraunen Ton gewinnt, Milch in feinen Flocken koagulierend. Ohne Wirkung auf Kaninchen und Meerschweinchen bei intraperitonealer oder subkutaner Impfung. Euterentzündungen beim Pferde. Bei der Stute sind die beiden eine Euterhälfte zusammensetzenden Drüsenteile nicht so scharf geschieden, wie bei der Kuh, auch münden an jeder der zwei Zitzen zwei Strichkanale aus, welche zu zwei nahe bei einander gelegenen Cisternen führen. Eine galaktogene Infektion triöf deshalb leicht beide Strichkanäle und die Erkrankung dann das halbe Euter. Bakteriologische Studien sind hier noch wenig unternommen worden. LucET untersuchte das pathologische Sekret eines stark geschwollenen Stuteneuters und fand Streptokokken, welche mit den übrigen Strepto- kokken derart übereinstimmen, dass es sich nicht sagen lässt, ob eine besondere Art vorlag. Interessant sind die von Bermbacii gemachten Beobachtungen über Infektion des Euters durch den Streptococcus equi. Zwei Stuten, deren Füllen an Druse erkrankt waren, bekamen 868 Th. Kitt, eine heftige, zur Abszessbilduug führende Mastitis, welche bei der einen Stute tödlichen Ausgang nahm (Mortifikation des Euters, ausge- breitete Lympliangitis und Lympliadenitis.) In dem Euterexsudate fanden sich Streptokokken , welche denen der Pferdedruse komform erschienen und offenbar aus der Maulhöhle der Fohlen durch das Saugen in die Milchdrüse gelangt waren. C. 0. Jensen, welcher dies citiert, erwähnt, dass er einen dritten übereinstimmenden Fall beobachtet habe. Schon bei Saug fohlen soll die Milchdrüse manchmal ein Sekret (Hexen- milch) liefern und ist im Zusammenhang damit ein Fall von eitriger Mastitis bei einem drei Wochen alten Fohlen konstatiert worden (Hartmann). In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich bei den Entzündungen des Stuteneuters um Botryomykose, welche einerseits von der Haut her also als kutane Infektion einsetzt und auf das Euterparenchym übergreift oder, worauf die halbseitige Erkrankung der Drüse hinweist, ebenfalls galaktifere Genese hat. Das erkrankte Euter schwillt außer- ordentlich an, zeigt derbe knotige Verhärtungen, Fisteln und Abszesse, in deren bräunlich safran- oder ockerfarbigem schleimigem Eiter mikroskopisch leicht die brombeerförmigen Kugelrasen des Botryo- coccus as CO form ans zu finden sind (Einzelheiten s. Fröhner). Euterentzündungen beim Schwein. Entzündliche Anschwellungen am Gesäuge des Schweines sind in der Regel durch Aktinomykose bedingt, welche als kutane Wundinfektion sowohl äußerlich vorbrechende rote fungöse Granulome Avie in der Tiefe des stark schwielig verhärteten subkutanen und Eutergewebes charakte- ristische schlabberig weiche, polsterartig vorquellende, vereiternde grau- gelbe Herde von Nuss- bis Eigröße entstehen lässt (C. 0. Jensen, eig. Beob.). Litteratur. Adametz, Ueber die Ursachen und Erreger der abnormalen Reifungsvorgänge beim Käse. Bremen 189;j. Bang, Aarsagerre til Voerbetaendelse hos Kraeget Tidskrift f. Veterinaerer 1889 und Beredning fra den kgl. Veteriuaer og Landbohüjskoles Laborat. 1S89. Bermbach, Berl. tierärztl. Wochenschr., 1896. DiECKEUHOFF, Die zu Stendortif herrschende infekt. Euterentzündung der Kühe. Wochenschr. f. Tierheilk., 1878, Nr. 11. Franck, Tierärztl. Geburtshilfe, I. Aufl. und Deutsche Zeitschr. f. Tiermedizin, 1876. Fröhner, Botryomykose d. Euters. Monatsh. f. pr. Tierh., 1896, Bd. 7, 1897, Bd. 8. GuiLLEBEAU, Uebcr Ursachen d. Euterentzündung. Landwirtsch. Jahrb. d. Schweiz, Bd. 4, 1890. GuiLLEKEATi & Hess, Ueber Symptomatologie der Milchfehler u. Euterentzündungen bei Rindern u. s. w. Landwirtsch. Jahrb. d. Schweiz, Bd. 5, 1891, Bd. 8, 1894, Bd. 7, lS9:i. GuÖNiN«, Vergl. Unters, ü. d. Streptokokken d. Stallbodens u. s. w. Inaug.-Diss. Bern 1901. Hess & Borgeaud, Eine kontaginöse Euterentzündung, gelber Galt genannt. Schweizer Arch. f. Tierheilk., Bd. 30, 1888. C. 0. Jensen, Mastitis bei Tieren. Ergebnisse d. allg. Pathologie von Lubarsch & OsTERTAG, Bd. 4, 1897; daselbst weitere Litteraturangaben. Kitt, Unters, über d. versch. Formen der Euterentzündung. Deutsche Zeitschr. f. Tiermedizin, Bd. 12, 1885. Neue Mitteilungen ü. Mastitis. Monatshefte f. prakt. Tierheilk. (Stuttgart) Bd. 2, 1890. Sammelreferate daselbst, 1894 n. s.w. Bakterienkunde f. Tierärzte. Wien , IV. Aufl., 1902. Lehrbuch d. pathol. Anatomie der Haustiere. II. Aufl. Stuttgart 1901. Euterentzündungen und deren Erreger. 869 LucET, De la congestion des Mamelles et de mammites aigues chez la vache. Paris (Carre) 1891. Eecueil de med. veter., 1889 et 1895. Bulletin de la soc. cent. d. med. veter., 1893. NoCARD & MoLLEREAU, Sur une mammite contag. d. vaches lactieres. Bulletin de la soc. de med. vi'ter. , 1884, 1885. Sur une mammite gangr. de brebis. Annales de l'inst. Pasteur, 1887. NocARD & Leclainche, Les maladies microbiennes des animaux. Paris, II. Aufl., 1898. SvEND Larsex, Monatshefte f. prakt. Tierheilk., 189.3, 4. Bd., S. 289. Simon, Ueber Bakterien im u. am Kuheuter. Inaug.-Diss. Erlangen 1898. Streit, Vergl. Unters, über Colibakterien u. s. w. Inaug.-Diss., 1901. Vennerholm. Die Krankheiten der weibl. Geschlechtsorgane und Milchdrüsen. Bayer-Fröhners Handbuch der tierärztl. Chirurgie u. Geburtshilfe. 1897, III, Bd., 2. T.. S. 257. Zobel, Beitr. z. Kenntn. d. anat. Veränd. d. Milchdrüsen bei Euterentz. u. s. w. Inaug.-Diss. Bern 1902. ZscHOKKE, Beitrag z. Kenntnis d. gelben G altes. Landwirtsch. Jahrb. d. Schweiz, Bd. 7, 1895. Weitere Unters, hierüber Schweiz. Archiv, f. Tierheilk., 1897. XXVIII. Die Kapselbazillen (Bac. pneumoniae Friedländer und verwandte Bazillen). Von Dr. Rudolf Abel, Regierungs- und Medizinalrat in Oppeln. Die Eigenschaft, Kapseln oder besser gesagt kapselartige Schleim- liüllen zu bilden, besitzen viele und untereinander sehr verschiedene Bakterienarteu. Den Besitz von Kapseln als Kriterium für die Ab- grenzung einer bestimmten Bakteriengruppe zu wählen hat daher eigent- lich keine Berechtigung. Indessen hat man sich gewöhnt, mit dem Namen Kapseibazillen eine Gruppe von Bakterien zusammenzufassen, die sich durch die Neigung zur Entwicklung einer sehr starken Schleim- hltlle auszeichnen, und deren Prototyp der Bacillus pneumoniae Fried- länder ist. Besser ist es, um alle Missverständnisse auszuschließen, die Benennung nach diesem Prototyp als Familiennamen zu wählen und die Bakterien als Gruppe des Bacillus pneumoniae Friedländer oder kurz des Friedländerbacillus zu bezeichnen oder sie mit Fricke Gruppe des Bacillus mucosus capsulatus zu nennen. Außer durch die Fähigkeit der HUllenbilduug, die als biologische Funktion nach den äußeren Lebensbedingungen (Herkunft, Nährboden, Alter des Stammes u. s. w.) in ihrer Intensität natürlich wechseln kann und muss, kennzeichnet sich die Gruppe durch folgende Merkmale: Kurze plumpe Stäbchenform, die oft so weit geht, dass der Längs- durchmesser den Querdurchmesser kaum übertritt (Kokkobazillenform), während andererseits hin und wieder auch längere Stäbchenformen erscheinen. Unbeweglichkeit und daher auch Abwesenheit von Bewegungs- organen (Geißeln). Mangelnde Sporenbildung. Leichte Färbbarkeit mit den gebräuchlichen Anilinfarben. Nicht- empfänglichkeit für die GRAMSche Färbung (Ausnahmen siehe später). Anspruchslosigkeit hinsichtlich des Nährbodens. Wachstum bei Luftzutritt und Luftabschluss, jedoch besseres Ge- deihen unter aeroben Verhältnissen. Wachstum auf Gelatine ohne Verflüssigung. Neigung zur Bildung von Schleimmassen in den Kulturen. Fehlende Indolbildung. Die Kapselbazillen. 871 Eine gewisse Pathogenität für den Menschen und für die kleinen Versuchstiere, darunter namentlich für weiße Mäuse und bei intra- peritouealer Applikation für Meerschweinchen unter septikämischer Ver- breitung im Körper. Von bekannteren Bakterienarten gehören in die Gruppe der Bacillus pneumoniae Friedländer, der Bacillus des Rhinoskleroms (des Skleroms kurzweg), der als Ozaenabacillus bezeichnete Mikroorganismus. Ferner rechnen dazu eine ganze Anzahl in pathologischen Prozessen bei Mensch und Tieren oder in der Außenwelt gefundener Bakterien, die meist mit einer ihre Haupteigenschaft (Kapsel- und Schleimbildung) oder ihre Her- kunft angebenden Bezeichnung belegt worden sind, wie der Bac. cap- sulatus Pfeiffer, der Bac. canalis capsulatus Mori, der Bac. capsulatus mucosus Fasching, der Bac. icterogenes capsulatus Bandi u. a. m. Sehr nahe steht den eigentlichen Kapselbazillcn der Bac. lactis aerogenes, der zuerst von Escherich 1886 als regelmäßiger Gast im Säugliugsdarm beschrieben worden ist. Man hat daher auch wohl die Gruppe der Kapselbazillen mit dem Bac. lactis aerogenes zusammeu- gefasst und mit dem Namen : Gruppe des Bac. lactis aerogenes und Rhinosklerombacillus« belegt (so Kruse in Flügges Mikroorganismen, HL Auflage), während andere wiederum den Bac. lactis aerogenes unter die Kapselbazillcn subsumieren und unter dem Gesamtnamen »Gruppe des Bact. pneumoniae Friedländer« mit begreifen (so Lehmann & Neu- MANX in ihrem Atlas und Grundriss der Bakteriologie). Kruse & Wilde sowie auch Lehmann & Neümann wollen weiter- hin in die Gruppe auch Bakterienarten aufgenommen wissen, die dem Bact. coli ähnliche kulturelle Eigenschaften zeigen und nur durch den Mangel der Beweglichkeit sich von der Bact. coli-Gruppe imterscheiden. Sie begründen dies damit, dass man bei Kapselbazillen- und Aerogenes- stämmeu spontane oder durch systematische Züchtung erreichbare Varia- tionen beobachten kann, durch die sie dem Bact. coli sehr ähnlich werden. Ja, es macht sich sogar das Bestreben geltend, auch diesen letzten, durch die fehlende oder vorhandene Beweglichkeit gegebenen Unter- schied zwischen der Aerogenes- und der Coligruppe als wenig wesentlich und kaum eine Trennung rechtfertigend hinzustellen. Wilde, ein Schüler Kruses, äußert direkt: »Wenn sich auch die Beweglichkeit als eine veränderliche Eigenschaft herausstellen sollte, wie es leicht möglich ist, so fällt jede Berechtigung zur Trennung dieser beiden so nahe ver- wandten Gruppen fort und sind dieselben dann zu einer einzigen zu vereinigen.« Durch ähnliche Erwägungen haben sich andere Autoren sogar noch weiter führen lassen, so Denys & Martin, die 1893 zu dem Schlüsse kamen, dass die Variationen des Bac. Friedländcr ihn dem Typhusbacillus »erstaunlich« nahebringen. Wie weit oder wie eng man eine Bakteriengruppe fassen will, ist nun schließlich und wesentlich eine Frage der botanischen Systematik und für die Zwecke dieses Handbuches, das die pathogenen Bakterien behandeln will, daher im Grunde gleichgültig. Leider liegen die Dinge aber so, dass ebenso wie die Abgrenzung der Gruppe nach außen hin nicht leicht ist, so auch innerhalb der Gruppe die Trennung der einzelnen Stämme voneinander bisher nicht mit absoluter Sicherheit möglich ist. Die Kapselbazillen sind Mikroorganismen mit äußerst labilen, schon durch geringfügige Einflüsse variierbaren Lebenseigenschaften. Einzelne solcher Einwirkungen hat de Sbioni experimentell studiert. Er will gefunden haben, dass schon 872 R. Abel, eiustüudige Wirkung einer Wärme von 40 — 45°, Einfluss des Sonnen- lichtes, Züchtung in der menschlichen Nase Stämme von Kapselbazillen in ihrer Erscheinungsform ganz wesentlich verändern können. Die verfeinerte Ijakteriologische Technik, die in den letzten Jahren für wichtige pathogene Mikroorganismenarten, so die Gruppe der Cho- leravibrioneu, der Typhusbazillen, der Diphtheriebazillen, der Tuberkel- bazillen , sichere Unterscheidungsmerkmale zwischen den einzelnen Gruppenangehörigen aufgezeigt hat, ist für die Kapselbazilleu bisher ohne Ergebnis geblieben. Das könnte darauf schließen lassen, wie es von manchen Seiten auch schon geschehen ist, dass die Kapselbazillen untereinander überhaupt nicht artverschieden seien, sondern nur Varie- täten darstellten. Indessen kann eine solche Folgerung nicht als ge- nügend begründet und im Interesse der Diagnostik der pathogenen Bakterien auch nicht als zweckmäßig erscheinen. Es ist sicher richtiger, lieber zu viel zu trennen als zu viel zusammenzuwerfen. Bis zum Auffinden besserer Difterenzierungsverfahren bleibt nichts weiter übrig als die einzelnen Bakterieustämme nach ihren Fundorten zu benennen, selbst kleine Unterschiede zwischen ihnen als wichtig zu registrieren und wenn es noch nicht gelingt, Arten zu unterscheiden, so doch we- nigstens klar definierte verschiedene Typen innerhalb der Gruppe auf- zustellen. Versuche zu einer solchen Trennung sind von verschiedenen Seiten gemacht worden. Ihrer Besprechung gehe zunächst eine nähere Schilderung der morphologischen, kiilturellen und biologi- schen Eigenschaften der Kapselbazillen voraus, wobei besonders die von Wilde, Strong, Fricke, Clairmont u. a. an einer größeren Zahl von Bazilleustämmen verschiedener Herkunft angestellten ver- gleichenden Untersuchungen Berücksichtigung finden müssen. Morphologie. Die Kapselbazillen bilden Stäbchen mit etwas ab- gerundeten Enden von etwa 0,5 — 1,25 u Breite und 0,6 — 6,0 u Länge. Die Länge schwankte bei Bazillen an demselben Fundorte und in der gleichen Kultur ungemein. Am häufigsten sind Formen, die etwa drei- mal so lang als breit sind. Die sogenannten Friedländerbazillen im pneumonischen Sputum bilden oft kürzere, fast kokkenfürmig erschei- nende Formen; unter den Kapselbazillen im Rhiuoskleromg:ewebe und im Ozaenasekret sind diese ebenfalls neben mittleren und längeren vor- banden. Sehr oft findet man die Bazillen im Körper zu zweien oder mehreren kettenförmig aneinandergereiht. Auch der morphologisch gleich beschaffene Bac. aerogeues findet sich vielfach zu Doppelstäbchen oder kurzen Fäden angeordnet im Inhalt des Säuglingsdarmes. Stets und unter allen Bedingungen sind die Bazillen unbeweglich, entbehren daher auch der Geißeln. Die Molekularbewegung an un- gefärbten Stäbchen aus Kulturen ist meist wenig erheblich, wohl wegen der reichlich gebildeten Schleimsubstanz, die die Bazillen ziemlich festhält. Sporenbildung ist früher gelegentlich vermutet worden (Cok- xiL u. a.), aber noch nie mit Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit beob- achtet worden. Die Kapselbazillen im Pneumoniesputum und im pneumonischen Lungengewebe, im Skleromgewebe, im Ozaenasekret, im Speichel, Blut und Eiter zeigen sich regelmäßig mit einer Kapsel umgeben, die sehr deutlicli entwickelt, oft jederseits doppelt so breit wie der Bacillus ist und, wenn mehrere Stäbchen aneinandergereiht liegen, diese als Die Kapselbazillen. 873 gemeiusame ummterbrocheue Hülle umsclilieBt. Der Aerogeues im Darm- inlialt zeigt diese Kapsel nicht, auch die im Urin bei Cystitis vorkom- meudeii aerogenesartigen Bazillen haben keine Kapsel. Die im Körper gekapselten Bazillen zeigen auf den üblichen künst- lichen Substraten gezüchtet nur in den ersten Generationen noch hier und da deutlich abgegrenzte Kapseln. Meist fehlen sie und sind ersetzt durch eine dichte Öchleimmasse, in die Bazillen eingebettet sind. Bei den Aerogenesstämmen aus dem Darm ist die Schleimentwicklung viel geringer, sie wechselt aber auch bei den Kapselbazillen in ihrer Inten- sität. Deutlich und häufig, aber doch nicht regelmäßig, sieht man Kapselbildung bei Züchtung der Kapselbazillen in Milch, wie Paulsen zuerst angegeben hat; am sichersten erreicht mau sie bei einer Züch- tungsteuiperatur von etwa 25°. Impft man Kapselbazillen aus Kulturen in den Körper empfänglicher Tiere ein, so sieht man sie hier wieder mit Kapseln wie im menschlichen Körper sich umgeben. Auch die Aerogenestämme bilden, wenn sie pathogen sind und im Tierkörper sich vermehren, dort vielfach Kapseln. In alten Kulturen erscheinen die Bazillen verkrümmt und aufgequollen, ohne besondere typische Degenerationsformen zu zeigen. Färbbarkeit. Die Kapselbazillen sind leicht mit allen üblichen Farblösungen zu tingieren. Stark schleimige Kulturen färbt man am besten nach recht langsamer Antrockuung der Schicht und Fixierung ohne Erwärmen, weil sonst die unregelmäßig sieh um die Bazillen zu- sammenziehende Schleimmasse diese eigentümlich verzerrt oder mit fädigen Ansätzen versehen erscheinen lässt Zur Darstellung der Kapsel in schwacher Tinktion um den stärker gefärbten Bacillus herum genügt bei Gewebsausstrichen und Schnitten kräftige Färbung mit verstärkten Farblösungen (Karbolfuchsin, Anilin- fuchsin, Anilinmethylviolett). Auch die zunächst für die Kapselbazillen erdachten Kapselfärbemethoden von Fkiedländek und Ribbert sowie andere Kapselfärbeverfahren geben recht gute Bilder. Nicht anwendbar ist die GRAMsche Methode. Auch die Rhino- sklerombazillen, für die früher lange Zeit hindurch der positive Ausfall der GRAMschen Färbung als Charakteristikum gegenüber den anderen Kapselbazillen angesehen worden ist, färben sich in Kulturen nicht, in Gewebsschnitteu nur bei besonderer Vorbereitung (Fixierung in Müller- scher Flüssigkeit oder Osmiumsäure) und bei sehr vorsichtiger Entfärbung nach Gram (Paltauf, Wilde u. a.; siehe auch dieses Handbuch, Bd. HI, S. 415). Ein von Kreibohai dreimal aus Sputum- und Zungenbelag gezüchteter, den Kapselbazillen augenscheinlich zugehöriger Bacillus (Bac. sputigenes crassus) soll nach Gram färbbar sein. Stroxg, der den Bacillus im selben Institut studierte, erwähnt aber von dieser an- geblichen Abweichung nichts, sondern rechnet den Bacillus ohne weiteres der Gruppe zu. Auch die eingäbe von Bordoni-Uffreduzzi, dass von seinem zu den Kapselbazillen zu rechnenden Proteus hominis capsulatus die längeren Formen GRAM-färbbar seien, scheint Nachprüfungen zufolge nicht haltbar zu sein. Kulturelle Eigenschaften und biologische Leistungen. Die leichte Züchtbarkeit und das schnelle Wachstum auf allen gebräuchlichen Nährböden gehört mit zu den Kennzeichen der Kapselbazillen. Am üppigsten gedeihen sie bei Körperwärme. Unter 12 '^ wird das Wachstum sehr gering. Vorübergehendes Erhitzen auf 50 — 55" überstehen die Bazillen, Erhitzen auf 60° tötet sie schnell. 874 R. Abel, In der Gelatiueplatte bilden die Kapselbazillen in der Tiefe runde, scharfrandige, dem bloßen Auge weißlich, unter dem Mikroskop braun- schwarz erscheinende, fein schraffierte oder granulierte Kolonieen. Die oberflächlichen Kolonieen sind je nach dem Maße der Schleirabildung halbkugelig gewölbt oder flacher, schleimtropfenartig ; ihre Farbe ist porzellanweiß bis hellglasig. Ihrem starken Schleimbildungsvermögen entsprechend bilden die aus Sputum, Ozaenasekret und Skleromgewebe gezüchteten Kapselbazilleu dicke, nicht gewölbte, schleimig-glasige, bei Berührung mit der Platinnadel oft fadenziehende Kolonieen. Die Aero- geneskolonieen sind fester, gewölbt und mehr weiß, entsprechend der geringeren Schleimbeimiscliung. Bei den längere Zeit fortgezüchteten Stämmen kommen von dieser typischen Form der Kolonieen auf Gelatine Abweichungen vor. Mau bemerkt da manchmal Oberflächenkolonieen, die ganz flach, nicht rund, sondern unregelmäßig gestaltet sind, also mit dem Wachstum des Bact. coli eine gewisse Aehnlichkeit zeigen. Am stärksten ist solche Verän- derung des Wachstumstypus beim Bac. aerogenes zu bemerken, wo sie manchmal schon wenige Generationen nach der Züchtung aus dem Körper eintritt ; sie stellt sich aber andeutungsweise auch bei den Kapsel- bazillen bisweilen ein, als Folge der verminderten Schleimproduktion. Umgekehrt beobachtet man auch manchmal, dass die Schleiment- wicklung bei der Fortzüchtuug zunimmt, so dass z. B. ein Aerogenes- stamm, der anfangs konsistente gewölbte Kolonieen bildete, später schleimig zerfließende, fadenziehende Kolonieen liefert (Wilde). Kiemais zeigt sich auch nur eine Andeutung von Verflüssigung der Gelatine. Als charakteristisch für die Kapselbazillen galt früher die Gelatine- stichkultur, die sogenannte Nagelkulturform: das Wachstum im Stichkaual stellt den Nagelstift vor, auf der Oberfläche bildet sich eine halbkugelige dicke Auflagerung ähnlich dem Porzellanknopf bei einem Tapezierernagel. Friedländer hatte bereits 1883 diese Art des Wachs- tums als besonders bezeichnend für seinen Pneumoniebacillus beschrieben. Indessen ist dieses uagelartige Wachstum im Gelatiuestich ebenfalls keineswegs konstant. Sein Zustandekommen hängt wiederum von der größeren oder geringeren Schleimbildung der Kultur ab. Am besten geben den porzellanweißen oder mehr grauweißen Nagelkopf die frisch- gezüchteten Aerogenesstämme und die in den Laboratoriumssammlungen vorhandenen Friedländerbazillen. Alte Kulturen mit geringer Schleim- produktion (namentlich Aerogenesstämme aus Darm und Cystitisharn) liefern statt des Nagelkopfes flache Auflagerungen ähnlich wie das Bact. coli. Frische Kulturen aus Rhinosklerom, Ozaenasekret, Eiter bilden dagegen in der Regel dicke, schleimige, auseinanderfließende, nicht halbkugelig sich türmende glasigweiße Kulturmassen auf der Gelatine- oberfläche. In der Strichkultur auf der schräg erstarrten Gelatine sieht man dieselben Verschiedenheiten. Die frisch aus den zuletzt genannten Fund- orten gezüchteten Kapselbazillen bilden meist weißliche oder grauglasige, spermaähnliche Beläge, die so flüssig sein können, dass sie auf der Gelatineoberfläche hinabzurinnen streben und bei üppiger Entwicklung sich als Schleimmassen in der IJeagensglaskuppe ansammeln können. Die fortgezüchteten Friedländerbazillen und die Aerogenesstämme formen erhabene, festere, grauweiße oder rein weiße Auflagerungen. Degene- rierte ältere Stämme können üppigen Colikulturen ähnlich wachsen. Die Kapselbazillen. 875 Eigeutümlicli ist eine im Laufe der Zeit mauclimal eiutretene Bräu- mmg der Gelatine in den Kulturen. Diese Ersclieinung, auf die für den Pneumouiebacillus schon dessen Entdecker aufmerksam gemacht hat, ist selbst bei Stämmen derselben Herkunft und bei Züchtung- auf dem gleichen Nährboden sehr unregelmäßig, bald sehr ausgesprochen, bald ganz fehlend. Sowohl Kapseibazillen wie auch Aerogenesstämme können sie zeigen. Ebenso wachsend und wenig charakteristisch ist die in Gelatine- und auch in Agarkulturen vorkommende Bildung von dicken Krystallnadelbüschen. Aeltere Kulturen zeigen oft eine ganz geringe diöuse weißliche Trübung der Gelatine. Das Wachstum auf Agar mit oder ohne Glycerin- und Serumzusatz ist dem auf Gelatine ähnlich. Es geht nur schneller vor sich, da man höhere, dem Temperaturoptimum von etwa 35° entsprechende Wärme- grade zur Züchtung anwenden kann, und infolgedessen treten auch die Unterschiede in der Schleimbilduug und den dadurch bedingten Er- scheinungsformen besser hervor. Die stark schleimbildenden Kapsei- bazillen liefern auf schrägem Agar einen grauglasigweißen spermaartigen fadenziehenden Belag, der in die Keageuzglaskuppe hinabfließt und nur einen dünnen glasig durchscheinenden Ueberzug auf der Agaroberfläche zurücklässt. Alte Pneumoniebazillen und die Aerogenesstämme bilden dicke weiße erhabene Koloniemassen ohne Neigung zum Hinabrutschen, durch Dauerzüchtung degenerierte Stämme weniger dicke Auflagerungen. Einige Autoren haben im Wachstum der einzelnen Stämme von Kapsel- und Aerogenesbazillen auf Agar Verschiedenheiten beobachtet, die ihnen brauchbar für die Unterscheidung von Typen erscheinen. So beschreibt Clairmont zwei Arten der Koloniebildung auf Agar. Die eine Gruppe von Stämmen, zu der die meisten Pneumoniebazillen, Ozaena- bazillen und Sklerombazillen gehören, bildet Kolonieen, die im Centrum homogen graubraun oder dunkelbraun erscheinen, .nach der Peripherie heller werden, entsprechend ihrem allmählichen Abblassen eine immer deutlicher hervortretende Granulieruug erkennen lassen, deren hellgrau- brauner oder blassbrauner Band außerordentlich deutlich und dicht ge- körnt und deren Begrenzung vollkommen scharf ist, wobei der Kontur bisweilen von einer oder zwei Reihen hintereinander gelagerter Stäbchen gebildet wird. Die Kolonieen der anderen Gruppe, der die meisten Aerogenesstämme und der Bac. capsulatus Pfeiffer angehören, sind zen- tral dunkelbraun, trüb, wie bestäubt aussehend, gegen die Peripherie nur wenig abblassend, die äußerste Eandzoue nach plötzlichem Ueber- gang immer hell und fiirblos, bald deutlich bald undeutlich granuliert, der Eandkontur feinst gezähnelt. DE SiMONi will Stämme von Kapseibazillen und Ozaenasekret beob- achtet haben, deren Kulturen auf Agar nach einigen Tagen deutliche Fältelung aufwiesen, nach dem der Publikation beigefügten Photogramm anscheinend ähnlich wie Kartoffelbazillen; dabei ist der Belag sehr zäh. so dass mau mit der Platinöse nur Stücke abreißen kann, und haftet fest auf dem Nährboden; nach 20—25 Tagen soll der Belag wieder flüssig-schleimig, dabei honiggelb werden und in die Röhrchenkuppe hinabsinken. — Es erscheint fraglich, ob es sich hier nicht um unreine Kulturen gehandelt hat. In älteren Agarkulturen bräunt sich das Substrat bisweilen ähnlich wie in Gelatinekulturen. Auf erstarrtem Serum von Tieren und vom Menschen wachsen die Kapseibazillen ganz wie auf Agar. Verflüssigung tritt niemals ein. 876 K- Abel, In Bouillon g-edeilieu die Bazillen unter dififiiser Trübung und mit Bildung- eines Bodensatzes reiclilicli. Deutlich tritt auf diesem Nähr- boden die Förderung des Wachstums durch regen Luftzutritt hervor; stets erscheint nämlich eine Häutchenbildung an der Oberfläche, beson- ders rings um die Glaswand her. Die Beschatfcnheit dieses Häutcheus wechselt wiederum gemäß der Intensität der Schleimbildung. Bei den wenig Schleim produzierenden Bazillen (Aerogenes, degenerierte Kapsei- bazillen) ist es dünn, wenig kohärent, mitunter ffist trocken aussehend, bei den reichlich schleimbildenden Stämmen dick, weich, zerreißlich, oft eine dicke, zähe, ringförmige Schleimmasse an der Berührungsstelle von Flüssigkeitsobertläche und Köhrchenwand darstellend. Auf der Kartoffel gedeihen die Kapselbazillen als dicke zäh- schleimige, glasigweiße bis gelblichgraue Beläge. Die verschiedene Farbe des Belages soll nach Angabe einiger Autoren (Ury, Wilde, FßiCKE, Claiemont) übrigens mit zur Unterscheidung von Typen brauch- bar sein. — In dem Belage erscheinen bei manchen Stämmen Gasblasen, bei anderen fehlen sie. Diese Unterscheidung im Gasbildungs-, im Gärvermögen ist beson- ders deutlich in stark zuckerhaltigen Substraten zu beobachten. Manche Stämme besitzen ein so starkes Gärvermögen, dass bei Züchtung in Agar oder Gelatine mit Zuckerzusatz der Nährboden durch die Gas- blasen vollkommen zerrissen wird; andere zeigen niemals auch nur eine Spur von Gasbildung. Das verschiedene Gärvermögen ist von mehreren Forschern zur Unterscheidung von Typen der Kapselbazillen-Aerogenesgruppe benutzt worden. Wilde fand, dass die von ihm untersuchten Aerogenesstämme Traubenzucker vergärten, die Friedländerstämme ebenfalls, wenn auch vielleicht etwas weniger, die Skleromstämme dagegen nicht. Clair- MONTs vier Ehinoskleromstämme vergärten ebenfalls Traubenzucker nicht, auch Paltauf fand kein Gärvermögen, dagegen besaß einer der beiden von Strong untersuchten Ehinoskleromstämme Gärvermögen. Claiemont wiederum hatte auch einen Friedländerbacillus in Händen, der Trauben- zucker nicht vergärte. Im ganzen scheinen jedenfalls die Aerogenesstämme das größte Gär- vermögen zu besitzen, die Rhinosklerombazillen meist des Gärvermögens überhaupt zu entbehren. Nach Strongs Untersuchungen sollen die Aerogenesstämme Rohr-, Trauben- und Milchzucker stark vergären, die Kapselbazillen, soweit sie überhaupt vergären, am stärksten den Rohr- zucker, weniger den Traubenzucker und noch weniger den Milchzucker. Auch Smith sah einen Fiiedländerstamm am wenigsten von den drei Zuckerarten den Milchzucker zerlegen. Das gebildete Gas besteht im wesentlichen aus Kohlensäure und Wasserstoff. Wie das Gärvermögen ist auch die Säurebilduug verschieden und daher ebenfalls zur Unterscheidung von Bakterientypen benutzt worden. Steono fand bei einer Reihe von Kapselbazillen des Friedländer-Rhino- skleromtypus keine Säurebildung in Milchzuckerbouillon. Wilde fand bei seinen drei Rhinoskleromstämmen keine oder sehr geringe Säurebildung in Milchzuckerbouillou, mehr bei den Friedländer- und Aerogenesstämmen. In Lackmusmolke bildeten in Claiemonts Versuchen die Rhino- sklerombazillen weuig Säure, die Fricdländerbazillen mehr, am meisten aber die Aerogenesstämme, denen jedoch einige aus Ozaenasekret ge- züchtete Stämme gleichkamen. Die Kapselbazillen. 877 Die gebildeten Säuren sind uaeli Grimbekt ä Legros Essig-, Milch- iind Berusteinsäure. In Milch wachsen alle in die Kapselbazillengruppe zu rechnenden Bazillen im allgemeinen gut, wie schon erwähnt oft mit Kapselbildung. Koagulation veranlassen manche Stämme, andere nicht, so dass auch darin ein Unterscheidungsmerkmal gesucht worden ist. Claikmont fand das Koagulationsvermögen bei sämtlichen zwölf von ihm untersuchten Aerogenesstämmen sehr stark entwickelt, zum Unterschied von den Kapselbazillen aus dem Körper, die zum Teil gar nicht (Rhinosklerom, Friedländer, einige Stämme aus Ozaenasekret) zum Teil wohl, aber doch viel langsamer als die Aerogenesstämme Gerinnung verursachten (Bac. capsulatus PfeiÖ'er, einige Stämme aus Ozaenasekret). Auch Wilde hält das Verhalten in Milch zur Abgrenzung von Typen für brauchbar, da seine Aerogenesstämme stets Koagulation hervorbrachten, die Rhino- sklerom- und Pueumoniebazillen nicht. Fricke fand bei den friedländer- artigeu Bazillen aus verschiedenen pathologischen Prozessen (Eiterungen, Darmkatarrhe) gezüchteten Bazillenstämmen das Gerinnungsvermögeu sehr verschieden stark entwickelt, zum Teil ganz fehlend. In Harn wachsen die Bazillen meistens, trüben ihn diffus und bilden einen Bodensatz. Die Reaktion wird durch ihr Wachstum stärker sauer. Ammoniakalische Gärungen finden nicht statt. Fehlen der Indolbildung kann als gemeinsames Merkmal aller der Gruppe der Kapselbazillen und des Aerogenes zuzuzählenden Bak- terienstämme gelten; es liegt darin ein wichtiges Kennzeichen zur Ab- grenzung gegen die Coligruppe. Die Lebensfähigkeit der Bazillen in Kulturen erstreckt sich meist über Monate hin, doch kommt es auch vor, dass sie schon nach 2 — 3 Wochen absterben. Die Reaktion der Nährböden kann inner- halb ziemlich weiter Grenzen schwanken, ohne dass die Entwicklung aufhört. Ein Zuviel an Alkali wirkt aber eher hemmend als ein Ueber- schuss an Säure. Nach Paltauf sind die Rhinosklerombazillen gegen Säure empfindlicher als die Pneumoniebazillen. Gegen Antiseptica sind die Bazillen ziemlich widerstandsfähig, auch gegen die Wirkung des Lichtes. Wahrscheinlich werden sie durch ihre Schleimhülle ge- schützt. In der pathogenen Wirkung im Tierexperiment verhalten sich die Angehörigen der Kapselbazillengruppe untereinander sehr ähnlich, nur finden sich auch in dieser Beziehung wieder quantitative Difl'erenzen jeden Grades. Die empfänglichsten Tiere sind die weiße Maus und das Meer- schweinchen, letzteres bei intraperitonealer Applikation der Bazillen. Von den frisch aus pneumonischem Sputum, Rhinoskleromgewebe, Ozaenasekret, Eiter gezüchteten Kapselbazillen genügen fast stets sehr kleine Dosen, um weiße Mäuse und Meerschweinchen zu infizieren. Weiße Mäuse, subkutan mit virulenter Kultur geimpft, erkranken schon nach 12 — 16 Stunden, werden struppig, bekommen verklebte Augen und sterben meist nach 36 — 48 Stunden. Die Sektion ergiebt ein sebr starkes, glasiges bis weißliches Exsudat an der Impfstelle, das aus Fibrin, massenhaft gekapselten Bazillen und wenig zahlreichen Eiter- körperchen besteht. Die nächstgelegenen, oft auch die entfernteren äußeren Lymphdrüsen und die Mesenterialdrüsen sind geschwollen, um- geben von stark injizierten Blutgefäßen, mit dichten Bazillenmassen durchsetzt. Die Milz ist sehr blutreich und stark vergrößert, Nieren und 878 R- Abel, Leber sind oft etwas pareucliymatös g-etrübt, auch finden sich manch- mal kleine Xekroseherde (Nicolaier, Kockel, Fricke). Im Herzblut und in allen Organen finden sich die Bazillen massenhaft, und zwar liegen sie, wie Schnitte zeigen, in den Blutgefäßen. Die Infektion ver- ursacht also eine typische Septikämie. Bei Impfung in die Bauchhöhle oder in die Lunge entsteht bei Mäusen und Meerschweinchen Peritonitis oder umschriebene Lungeu- hepatisation mit Septikämie. Das sehr reichliche peritonitische Exsudat, fadenziehend und eiterähnlich, etwas glasig aussehend, enthält über- wiegend Bazillen und Schleimmassen, wenig Eiterkörperchen. Wie sich bei Meerschweinchen durch Messung nachweisen lässt, erfolgt der Tod unter starkem Temperatursturz. Manche Stämme töten bei intraperitonealer oder intravenöser Injektion auch Kaninchen unter denselben Erscheinungen wie vorbeschrieben, auch wohl mit Hämorrhagieen im Dünndarm und Schwellung der Peyer- schen Haufen. Subkutane Impfung des Kaninchens ergiebt meist nur lokale Exsudatbildung und Nekrose an der Impfstelle. Nach Fricke gehen auch Tauben bei iutraperitonealer Impfung manchmal mit Peritonitis und Septikämie zu Grunde. Derselbe Autor sah bei Hunden nach Verfütterung von Kapselbazillen verschiedener Herkunft bisweilen Diarrhöen auftreten, wobei die Bazillen reichlich im Stuhl aufzufinden waren. Auch Bordoni-Uffreduzzi er- zeugte mit seinem Proteus capsulatus hominis bei Tieren Diarrhöen. Von den weniger pathogenen Stämmen, zu denen namentlich die meisten Aerogenesstämme und die fortgezüchteten Kapselbazillen zählen, sind größere Kulturmengen zur Infektion nötig. Es wird sich dabei teilweise wohl sicher um Wirkung der in den Bazillenleibern enthaltenen Giftstoffe handeln, wie sie sich auch bei der Einimpfung abgetöteter Kulturen zeigt, die akut oder mit starker lokaler Eeaktion (Exsudat, Nekrose) und langer Kachexie zum Tode führen können. Aehnlich, nur schwächer, wirken auch Kulturfiltrate. Beim Menschen sah Büchner nach Injektion abgetöteter Kultur von Pneumoniebazillen unter die Haut Entzündung der lujektiousstelle, Lymphangitis und Fieber eintreten. Wie manche anderen Bakterien (Streptokokken, Bac. pyocyaneus, Bac. prodigiosus) wirken die Kapselbazillen im Tierkörper hemmend auf die Entwicklung einer Milzbrandinfektion ein. Die ersten genaueren Beobachtungen derart machte Buchner. Wenn er Kaninchen an der- selben Körperstelle, wo die Infektion mit Milzbrandbazillen erfolgte, oder auch an einer anderen Körperstelle, sterilisierte Friedländerkultur injizierte, so überlebten die Tiere entweder ganz oder starben wenigstens langsamer als die nur mit Milzbrand geimpften Kontrolltiere. Bestätigt und erweitert wurden diese Versuche durch v. Dungern, der den gleichen Erfolg der Hemmung von Milzbrandinfektionen auch mit lebenden, für Kaninchen avirulenten Kapselbazillen erreichte, v. Dungern fand, dass die Kapselbazillen weder direkt entwicklungshemmend noch virulenz- vermindernd auf die Milzbrandl)azillen und Serum wirkten. Ihre Wirkung erklärt sich vielmehr so, dass unter ihrem Einflüsse an der Injektions- stelle der ^lilzbrandkeime eine stärkere Keaktion des Gewebes in Gestalt einer lebhaften Leukocytenauswaudcrung stattfindet und dass dadurch das Eindringen der Milzbrandbazillen in die Körpergewebe verhindert wird. Die Erhöhung der Widerstandskraft des Tierkörpers war sogar nachweisbar, wenn man Kaninchen abgetötete Kapselbazillen in die Die Kapselbazillen. 879 Blutbahu injizierte imd die Tiere einige Tage daranf mit Milzbrand sub- kutan impfte. Die Tiere starben dann zwar, lebten aber länger als die nicbt mit Kapselbazillen vorbehandelteu Versuchstiere. Die Züchtung der Kapselbazillen aus dem Körper macht bei ihrer leichten Kultivierbarkeit und ihrem raschen Wachstum nie Schwierig- keiten. Unter Umständen kann man neben der Aussaat auf Nähr- substraten auch die Verimpfung auf empfängliche Tiere zur Isolierung zu Hilfe nehmen. Versuche, durchgreifende Unterscheidungsmerkmale zwischen den an verschiedenen Fundorten (Pneumonie, Rhiuosklerom, Ozaenasekret u. s. w.) vorkommenden Kapselbazillen ausfindig zu machen, sind so ziemlich von allen Autoren gemacht worden, die sich mit den Bazillen beschäftigt haben. Man hat die Gestalt, das Kapsel- und Schleimbildungsvermögen, die Wachstumserscheinungen auf den verschiedenen Nährböden, die Gär-, Säurebildungs- und Milchkoagula- tionsfähigkeit, die Pathogenität und früher, ehe man die augebliche Färbbarkeit der Rhinosklerombazillen nach Gram richtig einschätzen lernte, auch das Verhalten der Bazillen gegen die GRAMsche Färbung bei der Aufstellung von Arten als unterscheidende ^Merkmale benutzen wollen. Mit der zunehmenden Ausdehnung und Vertiefung der Unter- suchungen ist man aber immer mehr zu der Ueberzeugung gekommen, dass sichere, ganz spezifische Kennzeichen für bestimmte Arten der Kapselbazillen bei unseren heutigen Hilfsmitteln nicht nachweisbar sind. Bis zu einem gewissen Grade brauchbar ist ein von Wilde aufge- stelltes Schema zur Unterscheidung einer Reihe von Typen in der Gesamtgruppe der Aerogenes- und Kapselbazillen, das daher hier wieder- gegeben sei: 1. Typus: Bacillus lactis innocuus. Kuppenförmige, porzellanartige oder flachere, bacterium-coli-ähnliche Kolonieen auf Gelatineplatten, keine Gasbildung in Traubenzuckeragar, keine Säurebildung (sondern Alkalibilduug) in Milchzuckerbouillon, keine Koagulation der Milch, keine Indolbilduug, graubräunliches Wachstum auf Kartofiel, keine Gasbildung auf derselben, sehr geringe Pathogenität für Versuchstiere. 2, Typus: Sklerombacillus. Schleimige, kuppenförmige Kolonieen auf Gelatineplatten, keine Gas- bildung in Traubenzuckeragar, keine oder sehr geringe Säurebildung in Milchzuckerbouillon, keine Koagulation der Milch, keine Indolbildung, hellgraues durchsichtiges Wachstum auf Kartofleln, gelegentlich Gas- bildung auf derselben, mittlere Pathogenität für Versuchstiere. 3. Typus: Bacillus pneumoniae Friedländer. Kuppenförmige, porzellanartige Kolonieen auf Gelatineplatten, Gas- bildung in Traubenzuckeragar, Säurebilduug in Milchzuckerbouillon, keine Koagulation der Milch, keine Indolbilduug, rahmartiges, etwas gelbliches Wachstum auf KartoÖeln mit meist starker Gasbildung auf derselben, mittlere bis starke Pathoo-enität für Versuchstiere. ^»^ 4. Typus: Bacillus aerogenes. Kuppenförmige, oder mehr flachere, bacterium-coli-ähnliche Kolo- nieen auf Gelatineplatten, reichliche Gasbildung in Traubenzuckeragar, 880 R. Abel, Säurel)il(limg in Milchziickerhouillon, Koag'ulatiou der Milch, üppiges Wachstum auf Kartoft'elu mit Gashiklimg-, keine Patho^-enität für Versuchstiere. ludolbildung, starke 5. Typus: Bacillus coli immobilis. Flaches, bacterium- coli -ähnliches oder kuppenförmiges Wachstum auf Gelatineplatteu, Gasbildung in Traubeuzuckeragar, Säurebilduni;- in ludolbildung, mittlere oder schwankende starke Pathogenität Gasbildung für Milchzuckerbouillon, Koagulation der Milch auf Kartoffeln, Versuchstiere. Erweitert worden durch Hinzufüguug der Typhus-Coligruppe ist das WiLüEsche Schema von Escherich (vergl. d. Handbuch, Bd. II, S. 407], der zu folgender Zusammenstellung kommt : Tranben- O" zuckcr- verga- sung (auf Agar) Säuerung aufMilch- zucker- Milch- gerin- Indol- bildung Geißeln Kapsel bouillon nung Bac. faecalis alca- _ _ _ _ sehr _ ligenes (Alkali- bildung) zahlreich » typhi abdom. schwach — — zahlreich — Bact. coli a ) stark =F =F mehrere ■ — » » b + stark + + wenige — » » immobile + stark ± -+- keine — » lactis aerogenes 4- sehr stark + keine ± Bac. pneumoniae 4- stark . — keine + Sklerombacillus (od. gering) — — + Bac. lact. innocuus (Alkali- bildung) - + Ohne Frage verwendbar ist das WiLDEsche Schema zur Abgrenzung- der Typen I und V von den dazwischenstehenden. Auch Typus IV, der Bacillus aerogenes, ist mittels desselben von Typus II und III, den eigentlichen Kapselbazillen, noch einigermaßen gut zu trennen. Nach Claikmoxts Untersuchungen würde den Unterscheidungsmerkmalen noch das oben beschriebene abweichende Aussehen der Aerogeneskolonieen auf Agar und das stärkere Säurebildungsvermögen des Aerogenes in Lackmusmolke zuzuzählen sein. In den Eigenschaften der Typen II und III, den eigentlichen Kapselbazillen finden sich aber so zahllose Uebergänge und Schwankungen selbst bei Stämmen gleicher Herkunft, dass für sie das Schema bisher nur als ein recht unzureichender Not- behelf gelten kann. Es hat natürlich sehr nahegelegen, die Immunitäts- und Serum- reaktionen, die bei anderen einander sehr nahestehenden Bakterienarten so gute Hilfsmittel für die Unterscheidung abgegeben haben, auch für die der in der Kapsell)azillengruppe zu vermutenden verschiedenen Bak- terienarten heranzuziehen. Solche Versuche, die von Löwexberg, Abel, Wilde, Paltauf, Kraus, Landsieixer u. a., neuerdings namentlich von Clairmont (dort Litteratur citiert) und von F. Klemperer und Scheier angestellt worden sind, haben aber bisher ebenfalls ein sicheres Kesultat Die Kapselbazillen. 881 nicht ergeben. Es ist noch nicht einmal über alle Zweifel erwiesen, (lass durch die übliche Immunisier luigsmethode, die Injektion steigender Dosen lebender oder abgetöteter Kulturen, bei den Kapselbazillen Über- haupt Immunität, auch nur gegen den zur Immunisierung dienenden Stamm, erzielt werden kann. Im Blute derjenigen Tiere, die die Injektion steigender Dosen ver- tragen haben, Schutzstotfe oder agglutinierende Substanzen nachzuweisen, ist zwar für den Bacillus aerogenes teilweise gelungen (eingehende Ver- suche von VAX Emdex über Bildung der Agglutiuationsstoft'e), aber für die eigentlichen Kapselbazillen noch nicht. Klemperer und Sciieier geben zwar unter Beibringung von Versuchsprotokollen an, dass das Blutserum von Kaninchen, die mit steigenden Dosen von Bazillen aus Pneumonie, Rhinosklerom und Ozaena behandelt worden w^aren, Mäuse nicht nur gegen die Wirkung des immunisierenden Stammes, sondern auch gegen Bazillenstämme anderer Herkunft schütze und dass ebenso das Blutserum eines mit einem der Stämme vorbehandelten Tieres die sämtlichen Bazillen verschiedener Herkunft agglutiniere. In völligem Widerspruch damit stehen aber die sehr umfangreichen sorgfältigen Ver- suche von Clairmoxt. Dieser kam zu dem Schlüsse, dass bei Behand- lung von Kaninchen mit steigenden Dosen Kapselbazillen oder Aerogenes Schutzkörper überhaupt nicht auftraten, dass ferner agglutinierende Sub- stanzen nur von einigen aus dem Darm gezüchteten Stämmen des Ba- cillus aerogenes erzeugt wurden und dass das Agglutinationsvermögen dabei nur gegenüber Aerogenesbazillen von demselben Fundorte, nicht gegen Aerogenesstämme von anderen Körperstellen oder gegen die Kapselbazillen des Ehinoskleroms, der Pneumonie u. s. w. sich äußerte. Demnach muss die Frage der Identität oder Xichtidentität der Kapsel- bazillen verschiedener Herkunft auch nach den Ergebnissen der Immu- nitätsreaktionen zur Zeit als nicht entschieden gelten. Es bleibt, wie schon gesagt, nichts übris,', als die Bazillen nach der Art ihres Fundortes zu bezeichnen, ihre hervorstechenden Eigenschaften zu vermerken und die Entscheidung über ihre Zusammengehörigkeit oder Verschiedenheit den vervollkommneten Methoden einer späteren Zeit zu überlassen. Die Beziehungen der Kapselbazillen zu Krankheits- prozessen. In der Pathologie spielen die Kapselbazillen eine zwar nicht hervor- ragende, aber immerhin nicht unwesentliche Rolle. Für eine Reihe von Erkrankungen sind sie mit Sicherheit oder doch Wahrscheinlichkeit als Erreger anzusprechen, in anderen Fällen sind sie wohl nur als sekundäre Eindringlinge in die durch die Wirkung anderer Bakterien erkrankten Körpergewebe zu betrachten. Wie die Pneumokokken, pyogenen Streptokokken und andere patho- gene Keime können auch die Kapselbazilleu in den mit der Außenwelt unmittelbar in Verbindung stehenden Körperhölilen sich finden, ohne krankheitserregend zu wirken. Prädilektionsort sind für sie die oberen Luftwege, insbesondere die Nasenrachenhöhle. Die Häufigkeit, in der sie sich bei gesunden Menschen hier finden, wird von den Autoren ziemlich verschieden geschätzt. Manche bezeichnen die Kapselbazillen als nicht seltene Gäste in Nase und Mundhöhle. So fand Netter Friedländerbazillen bei Untersuchung zahlreicher Personen in 4,5^ der Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. III. 56 882 R. Abel, Fälle in der Mimdhölile , Hasslauer in 111 gesunden Kasenliälften 13 mal. Anderer systematische Untersuchungen ergeben weniger häutig Kapselbazillen. Ja, einige Autoren, wie Paulsen und Abel, neigten sogar dazu, das Vorkommen echter Kapselbazillen in der normalen Nase für eine Ausnahme anzusehen. Es wird sich jedenfalls wohl nicht leug- nen lassen, dass Kapselbazillen gelegentlich in Mund- und Nasenhöhle vorkonuuen, ohne dass irgend welche auf ihre Anwesenheit zu be- ziehenden oder ihre Vermehrung fördernden Krankheitserscheinungen vorhanden sind. Vielleicht waren auch die von Miller als Bacillus buccalis mucifereus und Bacillus der Sputumseptikämie beschriebeneu Bakterien, die aus dem Blute mit Speichel gesunder Menschen geimpfter Mäuse gezüchtet Avorden sind, zu den Kapselbazillen gehörige Bewohner der gesunden Mundhöhle. Ebendaher stammt auch die von Kreibohm als Bacillus sputigenes crassus beschriebene Spielart von Kapselbazillen. Wenn man den Bacillus aerogenes den Kapselbazillen zurechnet, so würde auch der Darmkanal ein Sitz der Bazillen sein können, ohne dass Krankheitserscheinungen auftreten. Denn im Darme des Säuglings ist der Aerogenes ein regelmäßiger Gast und auch im Darm des Er- wachsenen ist er nicht selten. Auch in der Außenwelt scheinen Kapselbazilleu ziemlich verbreitet zu sein. Mit dem Bacillus pneumoniae Friedländer identische oder ihm ähnliche Bazillen wurden in der Luft von Pawlowsky, Uffelmann, Wilde gefunden, im Erdboden von Chrostowski & Jakowski, in der Zwischendeckenfüllung von Emmerich, im Staube von Solowjew und ZiELENiEW, im Kaualwasser von Mori, im Flussschlamm von Nicolle & Hebert. Der Bacillus aerogenes ist in Milch, Luft und Wasser gefunden worden. Die Gelegenheit zur Aufnahme von Bazillen der Gruppe in den Körper dürfte daher nicht eben selten sein. Die Erkrankungen nun, die mit den Kapselbazillen in Zusammenhang gebracht werden, betreffen vor allem die Luftwege, die Lunge, die Nase nebst ihren Nebenhöhlen und das Mittelohr. Ferner sind bisweilen entzündliche Erkrankungen des Vcrdauungskanals und der HaruAvege Kapselbazillen zur Last zu legen. Endlich aber können durch Kapselbazilleu auch Allgemeininfektionen pyämischen oder septikämischen Charakters verursacht werden. Im Jahre 1882 beschrieb Friedländer als Erreger der krupösen Pneumonie einen Kapsclbacillus , das nach ihm als Bacillus pneu- moniae Friedländer bezeichnete Prototyp der ganzen Gruppe. Er schilderte ihn als Diplococcus, legte besonderen Wert auf die Kapsel- liildung uud die Nagelkopf kultur im Gelatiuestich und gab an, bei Mäusen durch Injektion von Kulturmaterial in die Lunge Pneumonie erzeugt zu haben. Es scheint, dass Friedländer den Bacillus nur gelegentlich aus der erkrankten Lunge gezüchtet, in der Regel aber sich mit der mikroskopischen Untersuchung des erkrankten Lungengewebes und des Sputums begnügt hat. Dabei verfiel er in den Irrtum, die dort wahr- nehmbaren, damals noch nicht näher bekannten Pneumokokken (Diplo- coccus lanceolatus) mit den von ihm gelegentlich gezüchteten Kapsel- bazilleu zu identifizieren. 1885 zeigte aber A. Fränkel, dass die bei der Pneumonie vorhandenen lanzettförmigen Diplokokken von den FRiEDLÄNDERschen Mikroorganismen ganz verschieden sind und be- zeichnete die Pneumokokken, wie schon vor ihm Talamon, als die Pneumonieerreger. Die Kapselbazillen. 883 Der Allteil, der eleu FRiEDLÄXDERsclien Bazillen imd den Füänkel- schen Kokkeii als ätiologisches Moment der kriipösen Pneumonie zu- kommt, wurde dann in den folgenden Jahren besonders von Weichsel- baum, Wolf und Netter durch systematische Untersuchungen festgestellt. Diese führten zu dem Schlüsse, dass in weitaus der Mehrzahl der Fälle der Pneumococcus den Erreger darstellt und weit seltener der Pneumo- hacillus der Erreger ist. Weichselbaum fand unter 83 kulturell unter- suchten Pneumonieen in 6 den FmEDLÄNDERSchen Bacillus; Honl schätzt den Prozentsatz der durch ihn erzeugten Pneumonieen auf 8 — 10^. Durch weitere Befunde anderer Autoren ist die Thatsache bestätigt worden, dass typische krupöse Pneumonieen durch den Friedländer- schen Bacillus hervorgerufen werden können und zwar ohne Mithilfe an- derer Bakterien. Wie die Pneumokokken können die Pneumobazillen bei schweren Fällen von Pneumonie im Blute kreisen und dort durch Kultur nachgewiesen werden (Pässler, Philippi u. a.). In den Leichen der an Pneumonie Gestorbenen fanden sie schon 1886 Weichselbaum sowie Senger in den entzündlichen Ergüssen in Pleura, Perikard, Peritoneum, Meningen, im Blute und in den verschiedensten Orgauen. Klein hat einen dein FRiEDLÄNDERSchen Bacillus mindestens sehr nahestehenden Mikroorganismus als Erreger in einer Pneumonieepidemie beim Menschen, ferner auch bei epidemischer Pneumonie unter Mäusen und Meerschweinchen gefunden. Eine Spielart züchtete Marchand in einem Fall lobärer Pneumonie. Bemerkenswert ist, dass die Bazillen bei Injektion in die Blutbalm von Katzen Pauophthalmie erzeugten. Eine andere Spielart hat Müller beschrieben. Als Erreger von Bronchopneumonieen schilderte den Pneumo- bacillus neben Weichselbaum zuerst Pipping. Später ist er dann noch manchmal als einziger Mikroorganismus, w^eit öfter aber noch in Gesell- schaft von anderen Mikrobieu bei Bronchopneumonieen gefunden worden. Netter giebt an, dass von Bronchopneumonieen beim Erwachsenen 23,08^ der Fälle, in denen sich nur eine Bakterienart fand, durch Pneumobazillen veranlasst waren, bei Mischinfektionen fand er sich in 22,64^ der Fälle. Das Sputum der durch Kapselbazillen erzeugten Lungenerkraukungen zeichnet sich durch viscöse Beschafienheit aus. Die Prognose der Fälle soll schlecht sein (Weichselbaum und Netter; letzterer, der etwa zehn Fälle beobachtete, sah alle bis auf einen tödlich enden). In Bronchopneumonieen nach Diphtherie fand Strelitz, in solchen nach Masern sahen Mosny und Honl den Bacillus Friedländer. Eine Spielart bei Bronchopneumonie haben Wright & Mallory beschrieben. Im Sputum bei Influenza fand Kruse Pneumobazillen einmal unter 30 Fällen, ferner beobachteten ihn dort Kowalski, Pansini und Pas- quale u. a. gelegentlich. Prior hat einen Fall von krupöser Pneumonie bei Influenza beschrieben, in dem die Punktion der Lunge Pneumo- bazillen neben Pneumokokken ergab. Im Auswurf von Phthisikern traf Pansini die Bazillen dreimal unter 45 Fällen , Ehrhardt einmal unter 30 Fällen. Aus einem Luugenabszess nach Pneumonie züchtete Cohx Kapselbazillen. Auch im bronchitischen Auswurf ohne Komplikation mit pneumonischen Erscheinungen sind manchmal Kapselbazillen bemerkt worden. Barthel u. a. fanden sie in den tiefen Brouchialverzweigungen auch ohne krankhafte Veränderungen, Dürck und Boni in gesunden Tierlungen, Kälble auch in normalen Bronchialdrüsen beim Schwein. 56* 884 R. Abel, Für die Vielseitigkeit der Befunde in der kranken und gesunden Lunge werden diese Beispiele genügen, ohne dass es nötig ist, die zahllosen Einzclmitteilungen sämtlich wiederzugeben. Gelegentliche Befunde von Kapselbazillen, die als Bacillus Fried- länder bezeichnet worden sind oder ihm nahestehen, bei Stomatitis ulcerosa (Bernabei) und Anginen (Stooss) lassen Zweifel darüber otfen, inwiefern die Bazillen bei diesen Erkrankungen als ätiologisches Moment beteiligt gewesen sind und ob sie nicht nur einen zufälligen Befund dargestellt haben. Eine besondere Form von Angina, ausge- zeichnet durch das Fehlen von Allgemeinerscheinungen und durch fest- haftende, nach Entfernung sich wiederbildende 1 — 5 mm große gelbe oder weiße Beläge, in denen sich Kapselbazillen finden, haben Nicolle & Hebert beschrieben; es handelt sich um Beobachtungen, die mit den von Abel und Paulsen als Aufaugserscheinuugen der Ozaena gedeuteten (s. unten) Aehulichkeit haben. Fasching züchtete in zwei Fällen von zäher »Schleim- und Borkenbildung im Rachen mit typhoiden Erscheinungen einen stark schleimbildendeu Kapselbacillus aus dem Eachen, den er als Bacillus mucosus capsulatus beschrieben hat. Im eitrigen Sekret einer Parotitis fand Girode Kapselbazillen in Eeinkultur. Außer Frage ist die Bolle der Kapselbazillen als gelegentlicher Er- reger von Eiterungen in der Nase und ihren Nebenhöhlen, sowie in der Paukenhöhle. Weichselbaum, E. Fränkel, Dmo- ciiowsKi, Howard und viele andere fanden sie bei Naseneiterungen, in den Nebenhöhlen bisweilen in Pveinkultur. Bei Mittelohreiterungen sah sie zuerst Zalfal, später fanden sie viele andere, so z. B. Kossel in Otitis media bei Säuglingen, einmal sogar in Eeinkultur. Ueber diese Bedeutung als Erreger von Eiterungen in den oberen Luftwegen und ihrer Nachbarschaft hinaus hat man aber Kapselbazillen außerdem als spezifische Erreger zweier ganz bestimmter Krankheiten der oberen Luftwege ansehen zu können geglaubt, nämlich des Skle- roms (Ehinoskleroms) einerseits, der Ozaena simplex andererseits. Von den Beziehungen zwischen Sklerom und Kapselbazillen ist bereits an anderer Stelle dieses Handbuchs gehandelt worden (Bd. HI, S. 408 fif.). Kapselbazilleu von der Art des Typus II in Wildes Klassifikation finden sich beim Sklerom regelmäßig und innerhalb des krankhaften Gewebes so gelegen, dass ihre ursächliche Bezieliung zur Entstehung der Krank- heit als kaum zweifelhaft erscheinen kann. Noch sehr umstritten aber ist die Frage, ob auch die Ozaena Simplex als eine durch Kapsell)azillen erzeugte Infektionskrankheit gel- ten kann. Bereits 1885 fiel es Löwenberg auf, dass in den zähen, schnell zu Borken eintrocknenden Schleimmassen in der Nase bei Ozaena simplex (non ulcerosa, Ehinitis atrophicans foetida) regelmäßig in großer Menge Kapselbazilleu sich finden, die dem Bac. Friedländer ähnlich sind. Andere Untersucher bestätigten in den nächsten Jahren diesen Befund im allgemeinen. Da sie jedoch auch bei nicht fötider Ehinitis atro- phicans (quasi Ozaena sine foetore) die gleichen Kapseibazillen fanden, ja selbst bei einfachen Katarrhen und im Sekret anscheinend gesunder Nasen , so glaubten sie eine kausale Beziehung zwischen der Ozaena und den Kapselbazilleu ablehnen zu müssen. Arbeiten von Abel (1893 und 1895) und von Paulsen (1894) gaben der Angelegenheit eine andere Wendung. Abel kam bei seineu auf die Bakterienflora von mehreren hundert Nasen sich erstreckenden Unter- Die Kapselbazillen. 885 suclmng-en im Verein mit Strübing, der den klinischen Teil bearbeitete, zu einer ganz neuen Autfassung vom Wesen der Ozaena. Nach Strübing & Abel sind die beiden gewöhnlich als Hauptsymptome angesehenen Erscheinungen, die Atrophie und der Foetor, nicht das Wesentliche der Krankheit. Die Atrophie ist nur das Endresultat des Prozesses nach jahrelangem Verlauf. Der Foetor schwankt selbst bei demselben Kran- ken; es giebt Krankheitsfälle, die dauernd ohne Foetor bleiben und dabei klinisch das gleiche Bild wie die Ozaena liefern (Rhinitis atro- phicans non foetida). Das eigentlich Spezifische für den »Ozaena- prozess« in allen seineu Phasen ist vielmehr die Sekretion eines zähen, schleimig-eitrigen Sekrets, das an der Oberfläche schnell zu Borken eintrocknet. Die Ozaena beginnt mit der Bildung isolierter kleiner Herdchen solchen Sekrets auf der Schleimhaut. Entfernt man das Sekret, so bildet es sich au derselben Stelle wieder. In einem Falle laugsamer, im anderen schneller verbreitet sich die eigenartige Sekret- bildung über größere Flächen der Nasenschleimhaut. Die gereizte Schleimhaut kann hypertrophieren, schließlich aber bei dauerndem Be- stehen des Prozesses atrophiert sie, nach Ansicht von Sfrübing & Abel teils durch den Druck der Borken, teils durch Giftwirkung der auf ihr wuchernden Kapselbazillen. Das Sekret zersetzt sich in vielen Fällen durch Einwirkung mannigfacher, bei ihrem Stoffwechsel übelriechende Stoffe erzeugender Mikroorganismen, und so entsteht schließlich das dem Kliniker als Ozaena bekannte Krankheitsbild. Der Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung von der Entstehung der Ozaena wurde darin gefunden, dass man bei fortgesetzter Beobach- tung thatsächlich aus den kleinsten Sekretherden immer größere entstehen sehen kann, und ferner in dem Umstand, dass man bei ausgebildeter Ozaena, wenn sie, was nicht so ganz selten ist, von der Nase auf die Nachbarorgane, den Rachen, das innere Ohr, Larynx und Trachea sich zu verbreiten beginnt, an diesen Stellen als erstes Symptom immer die eigentümlichen kleinen zur Eintrocknung neigenden Sekretherde sich bilden sieht. Abels ausgedehnte Untersuchungen ergaben nun, dass alle Fälle, die nach ihren eben geschilderten Erscheinungen als Stadien des Ozaena- prozesses anzusehen sind, sich auch bakteriologisch als zusammengehörig charakterisieren. Sie zeigen nämlich bei der Untersuchung sämtlich in dem schleimig- eitrigen Sekrete Kapselbazillen vom Typus des Rhino- sklerom- und Friedländerbacillus in großer Menge. Diese Bazillen, die er von den Pneumonie- und Rhinosklerombazillen durch allerdings nur sehr geringe Differenzen unterschieden glaubte, beobachtete Abel niemals bei Untersuchung gesunder oder nicht vom Ozaenaprozess in irgend einem Stadium betroffener Nasen. Die abweichenden Angaben anderer Autoren, die solche Bazillen bisweilen auch in gesunden, einfach katar- rlialisch erkrankten Nasen u. s. w. gefunden haben wollten, glaubte er so erklären zu können, dass es sich dabei um Fälle A^on Anfangsstadien der Ozaena gehandelt habe, bei denen die nur durch sehr genaue Unter- suchung nachweisbaren Sekretherdchen übersehen worden seien. Abel kam zu dem Schlüsse, dass der Ozaenaprozess eine Infektions- krankheit sei, hervorgerufen durch Kapselbazillen. Als weitere Stützen für diese Auffassung führte er die Beobachtung mehrerer Ozaenafälle in einer Familie, die als Infektionen zu erklären seien, und ferner ein Experiment an, in dem es gelaug, durch Einreiben von Kulturmaterial in die Nasenschleimhaut eines Phthisikers bei diesem Erscheinungen zu er- 886 R- Abel, zielen, wie sie den Aufaiigsstadieu des Ozaenaprozesses entsprechen (schleimig-eitriges Sekret mit Borkenbildung). Uuabliäugig von Strübixg und Abel kam Paulsex zu genau der gleichen Anschauung von dem Wesen der Ozaena. Von neueren Arbeiten ist namentlich eine sehr gründliche Abhandlung von Stein zu erwähnen, die sich ganz dieser Auffassung anschließt. Die bakteriologische Theorie der Ozaena hat den Vorzug, zum ersten Male eine einleuchtende und annehmbar erscheinende Erklärung von dem Wesen der Krankheit zu geben. Die früheren Hypothesen suchten die Ursache der Ozaena zumeist in einer abnormen Konfiguration der Nasenhöhle. So betrachteten Zaufal zu große Weite der Nasenhöhle, Sauvage und Tillot zu große Enge, Berliner Anlagerung der mitt- leren Muschel an das Septum, Hopjiann u. a. abnorme Kürze der Nasen- höhle als Ursache für die Entstehung der Ozaena. Cholewa & Cordes sehen neuerdings die Ozaena als die Folge primärer Atrophie der Naseu- muschelknochen an. Alle diese Erklärungen sind schon deshalb ver- fehlt, weil die Ozaena eine keineswegs auf die Nasenhöhle beschränkte Erkrankung ist, vielmehr auch auf das Mittelohr, Larynx und Trachea übergreifen, ja sogar, wie Beobachtungen von Baginsky, Zarniko, VuLPius u. a., wie die augenscheinlich der Ozaena zuzurechnende Störk- sche Blennorrhoe des Kehlkopfes und das wohl ebendahin zu rech- nende Trachom des Larynx Türcks zeigen, ohne Beteiligung der Nase primär in Larynx und Trachea sich entwickeln kann. Ebenso unhaltbar sind die Theorieen von Michel und Grünwald, die in der Ozaena eine Folge von Eiterungen der Nasennebenhöhlen sehen wollen und von Störk und Gerber, die sie als eine Erscheinung hereditärer Lues auf- fassen. Die modernste Hypothese deutet die Ozaena als eine Tropho- neurose, — ein Notbehelf, der ein Wort an die Stelle eines Begriffes setzt. Wenn die Theorie von der bakteriellen Aetiologie der Ozaena, trotz- dem sie den sonstigen Erklärungsversuchen über das Wesen der Krank- heit an Einfachheit und Folgerichtigkeit ganz ohne Frage überlegen ist, doch nur geteilte Aufnahme gefunden hat, so liegt das einmal daran, dass die Rhinolaryngologen zum großen Teil die Arbeiten von Strübing, Pauls EN und Abel nur aus mangelhaften Referaten kennen gelernt, daher nicht richtig beurteilt und nachgeprüft haben, andererseits aber auch daran, dass gegen die Beweiskraft der bakteriologischen Beob- achtungen Einwände verschiedener Art erhoben worden sind. Die wichtigste Beobachtungsthatsache, dass nämlich in allen Ozaena- fällen Kapselbazillen vorhanden seien, hat allgemeine Bestätigung ge- funden (Baurowicz, de Simoni, Lautmann, Auciie, Bayer, Cozzolino, Stein u. v. a.). Selbst Autoren, die von der ätiologischen Beziehung der Bazillen zur Ozaena nichts wissen wollen, sondern die Bazillen nur als Nosoparasiten betrachten, wie Cholewa & Cordes, erkennen die Konstanz des Bakterienbefundes an und benutzen ihn zur Sicherung der klinischen Diagnose Ozaena. Gegen die Auffassung der Bazillen als Ozaenaerreger ist vor allem geltend gemacht worden, dass sie sich auch bei anderen, nicht der Ozaena angehörigen Krankheitsprozessen in der Nase finden. In der That bedarf die von Abel und Paulsen gegebene Darstellung nach den Ergebnissen neuerer Untersuchungen einer Modifikation insofern, als die von ihnen behauptete Artverschiedenheit der beim Ozaenaprozess zu findenden Kapselbazillen, von denen bei der Pneumonie, beim Die Kapselbazillen. 887 Rliiuosklerom, l)ei Naseiieiteruugen und gelegentlich auch iii der ge- sunden Nasen- und Mundhöhle vorkommenden Kapselbazillen mit den heutigen Hilfsmitteln nicht zu beweisen ist. Indessen kann dieser Um- stand nicht als ausschlaggebender Beweis gegen die Theorie von der bazillären Aetiologie der Ozaena angeführt werden. Es ist sehr wohl möglich, dass bei weiterer Entwicklung der Dififerenzierungsmethoden sich noch sichere Unterscheidungsmerkmale der Kapselba/Jllen in der ozänösen und nicht ozäuösen Nase auffinden lassen werden. Und sollten selbst solche Unterschiede sich nicht ergeben, so würde das nach dem, was wir über das Vorkommen anderer pathogener Keime, wie z. B. der Diphtlieriebazillen im Körper des gesunden Menschen wissen, noch nicht gegen die Deutung der Ozaena als einer durch die Kapselbazillen erzeugten Infektionskrankheit sprechen, wofern nur andere genügend beweiskräftige Momente für diese Deutung vorhanden sind. Uebrigens würde man mit ähnlichem Rechte auch an der Bedeutung der beim Rhinosklerom zu findenden KapselbaziUen für die Aetiologie dieser Krankheit zweifeln können, da sich auch bei nicht Sklercmkranken Bazillen in Nase und Rachen finden, die von den Sklerombazillen nicht mit Siclierheit zu unterscheiden sind. Man hat ferner die Beweiskraft des von Strübing und Abel beim Menschen angestellten Versuches zur Ueberimpfung der Ozaena bestritten, da ähnliche von Dreyfus & Klemperer sowie de Simoni vorge- nommene Versuche ergebnislos verlaufen sind. Indessen ist schon von Strübing & Abel betont worden, dass gewiss nicht alle Versuche ge- lingen werden, vielmehr eine gewisse Disposition nötig ist, sonst müsste die Ozaena viel häufiger sein. Die Häufung von Ozaenafällen innerhalb einer Familie hat man statt durch Infektion durch Familiendisposition erklären wollen. Hier steht Hypothese gegen Hypothese, jedoch fügt sich die Auffassung von der Infektiosität unverkennbar zwanglos in den Rahmen der sonstigen Deutung der Krankheit ein. Weiterhin ist behauptet Avorden, auch andere Bakterien fänden sich regelmäßig bei der Ozaena. So sind von Belfanti & della Vedova, Pes & Gradenigo und neuerdings von Perez bestimmte Mikroorga- nismen als Ozaenaerreger beschrieben worden. Indessen haben sich diese Bakterien alle nicht als regelmäßige Gäste im Ozaeuasekret ge- fanden und sind schon deshalb von der Hand zu weisen. Endlich ist der Einwand erhoben worden, die Entwicklung der Ozaena aus kleinen Sekretherdchen, wie sie die Grundlage für die bak- teriologische Theorie der Ozaena bildet, sei nicht erwiesen. Man kann sich aber leicht überzeugen, dass die Ozaena beim Uebergreifen von der Nase auf das Ohr, den Kehlkopf, die Luftröhre stets mit der Bildung der kleinen Sekretherdchen beginnt, und wird daher der Strübing-Abel- PAULSENSchen Auffassung von der Entwicklung der Ozaena, die bisher die einzige wirklich überzeugende Erklärung von der Entstehung der Krankheit darstellt, bei vorurteilsloser Betrachtung beipflichten müssen. Nach alledem muss man die Deutung der Ozaena als eine durch Kapselbazillen hervorgerufene Krankheit mindestens als recht ein- leuchtend bezeichnen; Verf. wenigstens glaubt nach wie vor an ihr fest- halten zu sollen. Nicht unwesentlich erscheint es, dass eine andere Erkrankung der oberen Luftwege, das Sklerom, auf der gleichen Aetio- logie beruht. So verschieden die Ozaena und das Sklerom sich dar- stellen, wenn man an das vollentwickelte Krankheitsbild denkt — es 888 R- Abel, sind vollkommene Gegensätze, dort Atrophie, liier Hypertrophie! ■ — so wenig ist es zu bezweifeln, dass sie in manchen Erscheinungsformen sich sehr ähnlich sind, so dass z. B. die SrÖRKSche Blennorrhoe bald zu dieser, bald zu jener der beiden Krankheiten gerechnet Avird. Eine sichere Entscheidung über das Wesen der Ozaena und ihre etwaigen Beziehungen zum Sklerom wird erst möglich sein nach wei- terem eingehenden Studium beider Krankheiten und der für sie als Er- reger in Anspruch genommenen Kapselbazillen. " In der Pathologie des Auges ist den Kapselbazillen nur gelegent- lich eine Rolle zugeschrieben worden. Die von Cuenod beobachteten Fälle von Dacryocystitis und ein von Etienne mitgeteilter Fall von Ulcus corneae mit Kapselbazillen betrafen Ozänöse, bei denen Kapselbazillen, auch ohne Entzündungen zu verursachen, im Konjunk- tivalsekret vorkommen können. In einem Falle von Keratomalacie hat LoEB einen Kapselbacillus beobachtet und als besondere Art be- schrieben. Im Darmkanal sind die Kapselbazillen, wenn man den Bac. lactis aerogeues ohne weiteres ihnen zurechnen will, bei Kindern wie schon c'esairt reo-elmäßige, bei Erw^achsenen nicht seltene Gäste. Wirklich mit Kapseln versehene und in Kulturen stark schleimbildende Bakterien der Kapselbazillengruppe findet man bisweilen im Stuhl bei Brech- durchfällen massenhaft und manchmal fast in Reinkultur (Fricke, Abel). Die Fähigkeit der Kapselbazillen, Darmkatarrhe zu erzeugen, kann nach den oben beschriebenen positiven Ergebnissen von Fütteruugs- versuchen mit Reinkulturen bei Tieren nicht bezweifelt werden. Als Ursache von Cystitis sowie auch von Pyelitis und Pyelo- nephritis sind häufig Bazillen von der Art des Bacillus aerogenes und gelegentlich auch kapselbildende Bazillen beschrieben worden, wobei allerdings nicht selten Verwechslungen mit Bacterium coli untergelaufen zu sein scheinen. Man gewinnt bei der Durchsicht der Litteratur den Eindruck, dass streng kritische Nachprüfungen der bisher beschriebenen Befunde sehr am Platze sein dürften. Von den im vorstehenden beschriebenen Orten ihres Vorkommens im Körper aus, Orten, die alle mit der Außenwelt unmittelbar in Ver- Ifindung stehen — Atem-, Verdauungs-, Harnwege — schreiten die Kapselbazillen bisweilen auf dem Wege der Kontinuität und Kontiguität in die benachbarten Organe und Gewebe fort, wo sie dann eutzündungs- und eitererregend wirken. Von der Lunge aus gehen sie auf die Pleura über, dort entzündliche Ergüsse oder eitrige Pleuritis erzeugend. Der- artige Beobachtungen haben Weichselbaum, Senger, Letulle, Netter (Empyem bei Lungentuberkulose mit Pneumobazillen), Etienne, Rispal, Kopfstein, Siredey, Wolf u. a. gemacht. Teilweise fanden sich dabei die Kapselbazillen in Reinkultur, zum Teil in Gemeinschaft an- derer eitererregender Bakterien. Fälle von Pericarditis serosa oder purulenta mit Kapselbazillen, entstanden durch Fortleitung von Pleu- ritis, haben Netter und Etienne bekannt gegeben. Von der Nase oder dem Mittelohr aus können die Kapselbazillen auf die Meningen übergelien und dort Eiterungen erzeugen. So beobachtete DMOCHOW^SKI einen Fall von Meningitis mit Hirnabszess im Anschluss an Rhinitis suppurativa und Eiterung im Antrum Highmori; im Gehirn fanden sich Kapselbazillen in Reinkultur. Pesina & Honl fanden Kapsel- bazillen mit dem Bac. pyocyaneus zusammen bei Meningitis purulenta nach Otitis media und Caries des Felsenbeines. Mit dem Diplococcus Die Kapselbazillen. 889 mtracelliilaris zusammen fand Jäger in einem Fall von Meningitis Kapselbazillen, Mills in einer Meningitis (nach Influenza?) Kapsel- bazillen in Reinkultur, Babes die Bazillen neben Tiiberkelbazillen bei einer tuberkulösen Meningitis. Scheib sah den Bacillus lactis aero- genes (?) bei eitriger Meningitis nach Otitis. Nicolaier beobachtete Kapselbazillen in Nierenabszessen bei Cystitis und Pyelonephritis. Schon bei mehreren der aufgeführten Beobachtungen erscheint es zweifelhaft, ob die Verbreitung der Kapselbazillen durch direktes Weiter- schreiten oder nicht vielmehr auf dem Wege der Blutbahn erfolgt ist. Diese Art der Verbreitung von einem primären Herd aus ist ein nicht ganz seltenes Vorkommnis. Es treten dann entweder wie bei jeder Pyämie Entzündungen und Abszesse in den verschiedensten Organen auf, oder die Allgemeininfektion geht mehr unter dem Bilde der kli- nischen Septikämie einher (schwere Allgemeinerscheinungen, Hämor- rhagieen, parenchymatöse Degenerationen u. s. w.). In den meisten Fällen bilden Erkrankungen des Ohres und der Nase oder Pneumonieen den Ausgangspunkt für solche Generalisation der Kapsclbazillen. Als Beispiel diene ein von Weichselbaum 1888 be- obachteter Fall (Otitis und Rhinitis purulenta, Phlegmone des Muse, sternocleidomastoideus, parenchymatöse Nephritis, beginnende Pneumonie, akuter Milztuinor) und eine ähnliche Beobachtung von Brunner (Otitis, Vereiterung des Warzenfortsatzes, Meningitis purulenta, Nierenabszesse, Infektionsmilz). In einem von Etienne beschriebenen Falle fand sich Pneumonie (Bronchopneumonie pseudolobaire), eitrige Pleuritis und Peri- carditis und ein großer subkutaner Abszess am Oberschenkel, in einem zweiten Fall desselben Autors der gleiche Befund an der Lunge, Pleu- ritis purulenta, Pericarditis serosa, eitrige Meningitis und Vereiterung des linken Knie- und rechten Schultergelenkes. Bei solchen Fällen handelt es sich bisweilen um eine ausschließlich durch die Kapselbazilleu erzeugte Allgemeininfektion, manchmal aber sind neben ihnen auch sonstige Eitererreger beteiligt. In anderen Fällen dürfte die Allgemeininfektion vom Darmkanal aus- gegangen sein. So in einer Beobachtung von Canon (Oallensteinabszessc und Blut Kapselbazillen enthaltend), in einer von Stern (Cholelithiasis, Leberabszess, Meningitis purulenta — angeblich Bac. lactis aerogenes), in einer von Wicklein (chronischer Leberabszess mit Perforation in die Lunge, chronische eitrige Cholecystitis mit Perforation in die Bauch- höhle). Das Exsudat in der Bauchhöhle dieses von Wicklein beob- achteten Falles glich dem von R. Pfeiffer in der Bauchhöhle eines spontan gestorbenen Meerschweinchens gefundenen, aus dem dieser seinen gewöhnlich als Bac. capsulatus Pfeiffer bezeichneten Kapsel- bacillus züchtete. Es handelte sich nämlich um ein glasig-schleimiges, fast nur aus Kapselbazilleu und ihrem Schleim bestehendes, kaum Leuko- cyten enthaltendes Exsudat. Einen Fall von chronischer Peritonitis beim Menschen mit gleichem Exsudat und Kapselbazillen in Reinkultur hat Howard beschrieben. Von den Harnwegen aus entwickelte sich eine Allgemeininfektion in einem von Howard veröffentlichten Falle (chronische Cystitis, Pyelitis, Nierenabszesse, Peritonitis u. s. w.) und anscheinend auch in einer Be- obachtung von Chiari (Cystitis, Prostata- und Nierenabszesse, Endocar- ditis, Milzinfarkt, Meningitis suppurativa; Otitis media war vorausge- gangen, jedoch deutet Chiari den Fall wegen der Erscheinungen von 890 R- Abel, aszendiercuder EutzUuduug der Harnwege als von diesen herstammende Allgemeininfektion). V. Dungern hat einen Fall von hämorrhagischer Sepsis beim Neu- geborenen, ausgehend von einer Nabelinfektion, beschrieben, in dem sich Kapselbazillen fanden. Von Howard geschildert ist eine tödlich verlaufende Puerperal- infektion mit Kapselbazilleu im Uterus, im Bhit und den inneren Orgauen. Als Fälle von Kapselbazillenpyämie, teils von den Atem-, teils von den Verdauungswegen ausgehend, sind wohl auch die eigentümlichen (»haderukrankheitähnlichen«) Erkrankungen anzusehen, aus denen Bordoni-Uffreduzzi seinen als Proteus Capsula tu s hominis be- zeichneten Kapselbacillus gezüchtet hat, ebenso die Fälle von Banti, aus denen er seine verschiedenen Arten von Proteus capsul'atus septicus und den Bacillus icterogenes capsulatus gewonnen hat. Fol & BoNOME beobachteten ähnliche Kapselbazillen massenhaft im Blute eines Gerbers, der unter den Erscheinungen eines Milzbrand- karbunkels am Arme erkrankt und nach wenigen Tagen gestorben war. Auch Fälle von hämorrhagischer Sepsis mit Kapselbazillen, die Ho- w^ARD u. a. beschrieben habeu, gehören wohl zu diesen Fällen. Ebenso erklären sich auch einige in der Litteratur beschriebene Fälle durch Kapselbazillen bedingter Endocarditis mit vereiternden Infarkten in Milz und Nieren, bei denen eine Eingangspforte nicht zu finden war (Weichselbaum, Netter, Etienne). Als Eitererreger bei Phlegmone hat Passet Kapselbazillen gefunden (Bac. pseudo-pneumouicus). Schlagenhaufer fand Kapselbazillen bei Osteomyelitis und Phlegmone, Heim in einem vereiterten Kniegelenk, Halban in einer vereiterten traumatischen Hämatocele des Scrotums und im Testikelabszess u. s. w. Auch solche lokalen Eiterungen sind wohl, soweit nicht ein Eindringen der Kapselbazillen von außen her durch Verletzungen der Haut anzunehmen ist, als Pyämieen aufzufassen, bei denen die Bazillen von Nase, Rachen, Ohr, Lungen, Darm oder Harnwegen in die Blutbahn gelangt sind und an einer für ihre "Wirkung besonders disponierten Körperstelle sich angesiedelt haben. Alles in allem wird man die Bedeutung der Kapselbazillen als Eiter- erreger im Hinblick auf die ungleich viel größere Häufigkeit, in der Staphylokokken und Streptokokken als Erreger von Eiterungen gefunden werden, nur als gering bezeichnen können. Litteratur. Abel, Centralbl. f. Bakt-, Bd. 13, S. 161; Ztschr. f. Hyg., Bd. 21, S. 89 (dort ältere Ozaenalitteratur). AucHE, Sem. med., 1897, S. 187. AucHE & Brini>I;;l, Ann. des mal. de l'oreille etc.. t. 23, p. 637. Baues, in Cornil k Babes, Les Bacteries, t. 2, p. 451. Baginsky, Bcrl. klin. Woch., 1876, S. 537. Banti, Lo Speriraentale, 1888; Deutsche med. Woch.. 1895, S. 493 u. 735. Barthel, Centralbl. f. Bakt., Bd. 24, Nr. 11 u. 12. Baurüwk'z, Ref. Centralbl. f. Bakt , Bd. 18, S. 719. Bayer, MUnch. med. Woch., 1896, Nr. 32 u. 33. Belfanti & DELEA Vedova, Arch. ital. di otol. etc., vol. 4, p. 189. Bernabei, Ref. Baumgartens Jahresber., Bd. 8, S. 67. BoNi, iJeutöches Arch. f. klin. Med., Bd. 69, Heft 5/6. Bordoni-Uffreduzzi, Ztschr. f. 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Baumgartens Jahresber., Bd. 8, S. 67. MORi, Ztschr. f. Hyg., Bd. 4. S. 47. MÜLLER, W., Deutsches Arch. f klin. Med.. Bd. 64, S. 590. Netter, Compt. rend. de la soc. de biol.. 1887, Nr. 34;^ Bull. etc. de la See. m^d. des höp., 1889 et 1890; Persönl. Mitteil, cit bei Etienne. • Nicolaier, Centralbl. f. Bakt, Bd. 16, S. 601. Nicolle & Hebert, Ann. Fast., t. 11, Nr. 1 (2 Abhandl.). Paltauf, Baumgartens Jahresber., Bd. 6, S. 208, Bd. 7, S. 265, 266. PÄSSLER, Miinch. med. Woch., 1901, Nr. 9. Passet, Unters, über die Aetiol. der eitr. Phlegmone des Menschen. Berlin 1885. Paulsen, Mitteil, f d. Verein Schleswig-Holst. Aerzte, N. F., Jahrg. 2, Nr. 1. Pawlowsky, Berl. klin. Woch., 1885, S. 330. 892 R- Abel, Die Kapselbazillen. Perez, Ann. Past., t. 13, p. 937 ; L'ozene, Buenos Aires 1901. Pes & Gradenigo, Ann. des mal. de l'oreille etc., t. 22, Nr. 8, p. 139. Pesina & HoNL, Intern, klin. Enndschau, 1894, Nr. 49 u. 50. Pfeiffer, R.. Ztschr. f. Hyg., Bd. 6, S. 145. Philippi, Miinch. med. 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Jahrbücher, 1886, S. 483; Monatsschr. f Ohrenheilk., 1888, Nr. 8 u. 9; Internat, klin. Rundschau, 1888, Bd. 2, S. 1401; Zieglers Beitr., Bd. 4, S. 197. Wilde, Dissert., Bonn 1896; Orig.-Ref. Centralbl. l Bakt., Abt. 1, Bd. 20, S. 681. Wicklein, Centralbl. f Bakt., Bd. 18, S. 425. Wolf, Wien. med. Blätter, 1887, Nr. 10—14. Wolf, Berl. klin. Woch., 1896, S. 249. Wright & Mallory, Ztschr. f. Hyg., Bd. 20, S. 220. Zarniko, Centralbl. f. Laryng., Bd. 12, S. 88; Deutsche med. Woch., 1895, Nr. 29. Zaufal, Prag. med. Woch., 1887, Nr. 16. Zieleniew, Ref Centralbl. f Bakt., Bd. 13, S. 61. XXIX. Mikroorgauismenbefunde bei anderen Infektions- krankheiten. Professor Dr. W. Kolle Abteilungsvorsteher am Institut für Infektionskranklieiten. Von und Stabsarzt Dr. H. Hetsch, kommandiert zum Institut für Infektionskranklieiten. In diesem Kapitel beabsichtigen wir eine kurze Bespreclmng sowohl derjenigen Krankheiten, bei denen mittelst an sich einwandfreier Me- thoden Mikroorganismen als Erreger beschrieben worden sind, als auch einiger Krankheitsformen, deren spezifisches Virus zwar noch nicht sicht- bar dargestellt, aber dennoch einem experimentellen Studium (Filtrier- barkeit u. s. w.) unterworfen ist (unsichtbare, filtrierbare Infektionsstotfe). Es sind nicht alle hierher gehörigen Krankheiten der Menschen und Tiere aufgenommen, sondern nur die wichtigsten ausgewählt worden, bei denen bemerkenswerte Befunde von einer größeren Anzahl von Untersuchern registriert sind. Wir wollen auch nicht eine vollständige Aufzählung aller der bei den einzelnen Infektionen als mutmaßliche Erreger be- schriebenen Mikroorganismen geben, sondern in erster Linie unter Hin- weis auf die Litteratur unseren Standpunkt, wie er von der Mehrzahl der kritischen und objektiven Forscher geteilt werden dürfte, präzisieren. Morbilli. Als Erreger der Masern sind die verschiedenartigsten Bakterien be- schrieben worden. Canon & Pielicke^ isolierten bei 14 Masernfällen aus Blut, Sputum und Nasen- sowie Konjunktivalsekret Bazillen, die von verschiedener Größe und Färbbarkeit waren und sich einige Male auf Bouillon, nicht aber auf den gewöhnlichen festen Nährböden züchten ließen. Andere Bazillen fanden Czajkowski^, Bakbier^. Meist handelte es sich, namentlich wenn Konjunktivalsekret als Untersuchungsmaterial benutzt wurde, um gewisse dem Diphtheriebacillus ähnliche Stäbchen oder noch häufiger, bei den Untersuchungen der Sekrete des Eespira- tionstractus, um influenzaähnliche Bakterien. Derartige Befunde erzielten beispielsweise Giarre & Picchi^. Auch Mikrokokken sind als Erreger angesprochen worden. Lesage^ fand bei Masernkranken während der Eruptionsperiode im Nasenschleim und Kehlkopfsekret, sowie stellenweise 894 W. Kolle & H. Hetsch, auch im Blut äußerst kleine Kokken, welche Tiere unter dem Bilde der hämorrhagischen Septikämie töteten. Aus dem Umstände, dass Tiere, denen Nasenschleim Masernkranker in die Naseuschleimhaut eingerieben, oder welchen Blut derselben injiziert wurde, unter den gleichen Er- scheinungen zu Grunde gingen, glaubt Lesage die ätiologische Bedeu- tung seines Micrococcus für diese Infektionskrankheit folgern zu können. Was die Befunde influenzaähulicher Stäbchen anbelangt, so dürfte es sich hier in der Mehrzahl der Fälle um echte PFEiFFERsche Influenza- bazillen gehandelt haben, welche, wie auch Giarre & Picchi annehmen, nach Influenzaepidemieen in bestimmten Medien weit verbreitet zurück- bleiben und die Schleimhaut der Kinder, die an Masern erkranken, leicht befallen. Dass Influenzabazillen in den katarrhalischen Sekreten Maserukranker häufig gefunden werden, geht auch aus den Untersu- chungen SüsswEiNS^ und Liebschers^ hervor. Die bisherigen Bakterienfuude haben die Aetiologie der Masern noch nicht aufgeklärt, denn sie geben weder ein abgeschlossenes Bild für die pathogene Rolle der betreffenden Bazillen, noch sind sie hinreichend bestätigt, um als konstant zu gelten. Es bleibt deshalb nichts anderes übrig, als nach dem unbekannten Erreger dieser Infektionskrankheit weiter zu suchen. Scarlatina. Als Erreger des Scharlachfiebers sind bekanntlich in zahllosen Ar- beiten Streptokokken hingestellt worden. Ueber die wichtigsten dieser Befunde ist bereits an anderer Stelle dieses Handbuches (Bd. III S. 329 — 330) durch v. Lingelsheim gelegentlich der Besprechung der Streptokokkeninfektionen des Rachens berichtet worden. Hier seien nur noch die Untersuchungen von Class * erwähnt, welcher in über 300 Fällen einen dem Gonococcus ähnlichen »Micrococcus« oder »Diplococcus scar- latinae« züchtete, der bei Schweinen angeblich dem Scharlachfieber des Menschen ähnliche Krankheitserscheinungen (Temperatursteigerung, Schar- lachexanthem mit nachfolgender Abschuppung, Nephritis) hervorruft. Dieser Diplococcus, den auch Page^, Jaques^o und Gradwohl ^^ bei ihren Nachprüfungen stets fanden, ist zweifellos ebenfalls ein Streptococcus. Die Mehrzahl der Forscher neigt heute wohl der Ansicht zu, dass der spezifische Erreger der Scarlatina noch unbekannt ist. Wahrschein- lich dringt derselbe durch die Tonsillen in den Körper ein und bereitet hier die sekundäre Invasion der auf den Tonsillen fast stets vorhandenen und nun wohl zur Entfaltung ihrer Virulenz angefachten Streptokokken vor. Jedenfalls kann man nur Slawyk^^ zustimmen, welcher den Streptokokken, die sich in einer großen Anzahl der Scharlachfälle auch aus dem Blut und den inneren Organen züchten lassen, keine ursäch- liche Bedeutung beimisst. Nach den Untersuchungen dieses Autors fehlen Streptokokken häufig gerade in den schwersten und rasch tödlich verlaufenden Fällen, in denen das Scharlachgift anscheinend rein seine Wirkung entfaltet und es nicht zur Ausbildung einer sekundären Infek- tion kommen lässt. Regelmäßig werden Streptokokken im Blut ge- funden, wenn schwere ulzeröse Zerstörungen im Rachen nachweisbar sind. Auch der Umstand, dass die Epidemiologie und der Verlauf des Scharlachs mit der Biologie der Streptokokken und mit dem Verlauf anderer Streptokokken -Infektionen sich nicht in Uebereinstimmung bringen lässt, spricht dafür, dass wir in dem Scliarlachfieber eine spezi- Mikroorganismenbefunde bei anderen Infektionskrankheiten. 895 fische, durch eiueu vorläufig unbekannten Erreger hervorgerufene Infek- tionskrankheit zu sehen haben. Die neuerdings berichteten ^^ günstigen Erfolge, welche mit Mosers polyvalentem Antistreptokokkenserum bei Scharlachkranken erzielt wurden, beweisen absolut nicht eine ätiologi- sche Bedeutung von Streptokokken für das Scharlachfieber, sondern nur eine günstige Beeinfiussung der bei dieser Krankheit so bedeutungs- vollen Streptokokken-Mischinfektion. Typhus exanthematicus. Auch für den Flecktyphus sind mehrfach bakterielle Erreger be- schrieben worden. Hlawa^^ fand unter 49 Fällen dieser Krankheit 20 mal einen Streptobacillus von bald Stäbchen-, bald spindelförmiger Gestalt, dessen Reinkulturen bei jungen Schweinen außer Abmagerung und Fieber einmal rote Fleckung der Haut hervorriefen. Dubief & Brühl i^ isolierten bei 9 Flecktyphusfällen einen zarten »Diplococcus exanthema- ticus«, dem der später von Balfour & Porter ^^ bei zahlreichen Fällen derselben Krankheit, außerdem aber auch bei 40 unter 46 Fällen von Abdominaltyphus gefundene Diplococcus sehr ähnlich war. Einen an- deren Erreger beschreibt Lewasche w^^, dessen Befunde von Benjasch^^ bestätigt werden, der 118 Fälle untersuchte. Auch Protozoen sind wiederholt als Erreger des Flecktyphus ange- sehen worden, beispielsweise von Thoinot & Calmette^^ und erst neuerdings von Gotschlich^o. Letzterer Autor will einen dem Pyro- soma bigeminum ähnlichen iutrakorpuskulären Parasiten, den er bei 6 Fällen in Aegypten gefunden hat, als Ursache der Krankheit betrach- tet wissen. Diese Befunde bedürfen noch der Bestätigung. Der Autor hat leider seiner Arbeit keine Mikrophotogramme seiner Parasiten oder gute Zeichnungen beigefügt. Es muss noch an einem großen Kranken- material und auch in anderen Ländern festgestellt werden, ob der von GoTSCHLiCH gesehene Parasit ein konstantes Vorkommnis nur bei dieser Krankheit ist, oder ein zufälliger Befund. Bis dahin müssen wir bekennen, dass uns der spezifische Mikroorganismus noch unbekannt ist. Unter den Bakterien ist derselbe höchstwahrscheinlich nicht zu suchen, denn die hierher gehörigen Befunde sind zum größten Teil wider- legt, z. B. von EüTA^i und von Mc. Weexey'^^^ welch letzterer Kulturen, die mit Blut Flecktyphuskranker angelegt waren, stets steril befand. Variola. Die Bemühungen, über die Natur des Pockenerregers Aufschluss zu erhalten, haben, wie wohl bei keiner anderen Infektionskrankheit, den Fleiß und den Scharfsinn der Forscher herausgefordert. Es sind über die Aetiologie der Variola derartig zahlreiche Arbeiten veröffentlicht worden, dass eine kurze Zusammenstellung und Kritik derselben natür- lich erscheint. Bazillen wurden gefunden von Besser 23, Siegel-^, Hlawa, Ni- KOLSKY, Grigoriew, Buttersack^s, Nakanishi^s, Copemann27, Kleines u. a. Kokken sahen in Pocken und in den Organen von Pockenleichen Cohn2'J, Weigert'^% E. Koch 31, Le Dantec32, Voigt 3'\ RueteS-i. Letzterer erblickte das Variola-Contagium in einem Streptococcus, der sich von dem Erysipelerreger dadurch unterschied, dass er Milch zur Ge- 896 W. Kolle & H. Hetsch, rinmmg brachte uud iu Bouillon große zu Boden sinkende Flocken bildete. Er fand sich bei 50 Pockenfällen im Blute und konnte stellenweise auch aus den inneren Organen von Pockenleichen gezüchtet werden. Sämtliche Bakterienbefunde, denen übrigens auch die sie beschrei- benden Autoren keineswegs immer eine ätiologische Bedeutung für den Krankheitsprozess zuschrieben, sind, wie man heute allgemein annimmt, accideutelle gewesen. Es wird dies bewiesen durch die zweifellos sicher- gestellte Wirksamkeit bakterienfreier Lymphe. Wir haben den Pocken- erreger nicht imter den unserer heutigen bakteriologischen Technik zu- gänglichen Mikroben zu suchen, sondern vielleicht, worauf schon seit dem Jahre 1887 hingewiesen zu haben L. Pp^eiffers Verdienst ist, unter den Protozoen. VAX DER LoEFF^^ uud L. Pfeiffer^ö warcu wohl die ersten, welche kleine protoplasmatische Gebilde beschrieben, die sie in Pocken- piisteln fanden und mit der Aetiologie der Krankheit in Zusammenhang brachten. Im Jahre 1892 teilte dann Guarnieri'^^ mit, dass es ihm gelungen sei nach Verimpfung von Vaccinelymphe auf die Hornhaut von Kaninchen im Epithel der letzteren dieselben Zelleinschlüsse nachzu- weisen, welche sich auch in der Haut Pockenkranker fanden und welche ^vohl mit den von van der Loeff und von Pfeiffer beschriebenen identisch seien. GuARXiERi hielt diese Gebilde für die gesuchten Vaccinerreger und gab ihnen den Namen »Cytoryctes vaccinae«; er beschrieb sie in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien genau und teilte auch seine Beobach- tungen über 2 Vermehruagsarten dieser Parasiten mit. Um das Für und Wider der GuARNiERischen Befunde entspann sich in den nächsten Jahren ein heißer Kampf, der bis in die jüngste Zeit hinein fortdauert. Die einen halten die »Vaccinekörperchen« Guar- NiERis für nicht spezifische Zelldegenerationsprodukte, andere (Salmon) glauben, dass sie für Vaccine spezifische Degeuerationsprodukte der Leukocyten uud wieder andere (Hückel), dass sie für Vaccine spezi- fische Degenerationsprodukte des Zellprotoplasmas seien, lieber den gegenwärtigen Stand dieser Meinungsverschiedenheiten kann mau sich am besten in der ausführlichen Arbeit von v. Wasielewski^s orien- tieren, welche auch eine wohl vollständige Zusammenstellung der in den Jahren 1868 — 1900 auf diesem Gebiete veröffentlichten Litteratur bringt. Der letztgenannte Autor kommt zu dem Schluss, dass die Vac- cinekörperclien die einzigen charakteristischen Gebilde sind, welche in Haut und Schleimhaut bei Variola uud Vaccine sich nachweisen lassen, bei anderen Hauterkrankungen aber fehlen. Dass sie irgend welche Degenerationsprodukte von Zellen seien, hält er nicht für erwiesen, viel- mehr ist er davon überzeugt, dass sie Zellschmarotzer sind und hält es, da ihr konstantes Auftreten im Hornhautepithel der Kaninchen bis zur 48. Generation festgestellt Averden konnte, für sehr wahrscheinlich, dass sie selbst die Vaccineerreger sind. Von neueren Arbeiten seien nur noch die von Fünck-^^ und von Dombrowski^" erwähnt. Ersterer hält für den Erreger der Kuh- pocken einen zu den Protozoen gehörenden Zellschmarotzer (»Sporidium vaccinale«), der iu allen wirksamen Lymphen und in allen Vaccine- blasen in Gestalt teils von glänzenden Kügelchen, teils von eiförmigen Zellen, teils von großen Cysten, Sporol)lasten, Morulaformen zu finden sei. Die Verimpfung derartiger Morulaformen in Bouillonaufschwemmung bewirkte gegen den 6. Tag bei Kälbern charakteristische Blasenbildung Mlkroorganismenbefnnde bei anderen Infektionskrankheiten. 897 uud Widerstaudsfäliig-keit g:egen jede weitere Ucbertragung. lu den ecbteu Pockenblasen fand F. ganz ähnliche Zellschmarotzer. DoMBROwsKi untersuchte während einer Pockenepidemie in Warschau zahlreiche Fälle. Er fand im Pustelinhalt, namentlich zu Zeiten, wo letzterer weiße und rote Blutkörperchen noch nicht in größerer Menge enthielt, eine Eeinkultur von Mikroben: feine rundliche dunkle Puidvte, meist mit hellem Saum, in steter rascher Pendel- uud außerdem lang- samer progressiver Bewegung. Außerdem sah er am 2. Tage größere Gebilde von undeutlicher Form mit 4 dunklen, ihre Lage wechselnden Körnchen. Wenn der Pustelinhalt eitriger wurde, so ließen sich diese Gebilde immer weniger nachweisen, dafür traten aber immer mehr größere regelmäßig geformte Kugeln auf. Aehnliche Gebilde, die er als verschiedene Eutwicklungsstadien desselben Parasiten auffasst, fand D. auch im Inhalt von Abszessen und stets bei Untersuchung frischer Blut- präparate. Er ist der Ansicht, dass der Parasit nicht zu den Protozoen, sondern viel eher zu den Blastomyceten gehöre, und dass seine Ver- mehrung ausschließlich durch Knospung stattfinde. Auf Agar wurde bei Ausstrichen von Pustelinhalt und Blut ein Wachstum erzielt: In einem Tropfen steriler Bouillon, in welchem mittelst der Platinnadel eine Spur von der makroskopisch nicht sicht- baren Agarkultur übertragen war, ließen sich mikroskopisch (auch nach Monaten noch) dieselben feinen Körper und KUgelchen nachweisen, wie in frischem Pustel- oder Abszessinhalt. In welchen Beziehungen die Befunde der letzteren Autoreu zu denen VAN DER LOEFFS, L. PFEIFFERS Uud GUARNIERIS StchcU, läSSt Sich ZUr Zeit nicht feststellen. Aus allem geht hervor, dass die Frage bis jetzt keineswegs geklärt ist, und dass bei dem heutigen Stande der Bakteriologie und Protozoen- forschung der sichere Nachweis spezifischer Erreger kaum gelingen dürfte. Lyssa. In betreff der Auffindung des Tollwuterregers haben die bakterio- logischen Untersuchungen bisher keine positiven Ergebnisse erzielt. Schon 1867 fand Hallier in den aus dem Blute Wutkranker erhaltenen Kulturen eine Pilzart, die er Lyssophyton benannte und für das spezi- fische Virus ansah. Polli glaubte Infusorien, die er im Speichel sah, eine ätiologische Bedeutung zusprechen zu können. Später, 1884, wur- den von BoucHARD und Eoux mikrokokkenähnliche Körnchen im ver- längerten Mark und von Gibier ähnliche in Gehirnemulsion beschrieben. Sie bewährten sich ebensowenig, wie die von Fol^^ in ßückenmarks- schnitten beschriebenen Körnchen und diejenigen von Dowsüewel^2- es handelte sich hier allem Anschein nach um Körner des körnig dege- nerierten Nervenzellenprotoplasmas. Von Bakterien wurden zunächst Mikrokokken beschrieben von Eivolta43, welcher aus dem verlängerten Marke wutkranker Tiere kleine Kokken züchtete, die bei subduraler Einverleibung sich in einigen Fällen mit Erfolg auf Kaninchen und Meerschweinchen übertragen ließen. Neuerdings fand auch BACiiMAN't^ Diplokokken, die er für die Erreger der Wut anspricht, weil ihre Kul- turen Versuchstiere unter den bekannten Erscheinungen töteten, während die nach Pasteur vorbehandelten Tiere gesund blieben. Bruschettini^'^ beschrieb als Wuterreger einen kurzen, dicken, an den Enden abgerundeten Bacillus, dessen Kulturen selbst nach Handbucli der pafhogenen Mikroorgamsmen. III. 57 898 ^^- Knolle ^ H. Ketsch, melirfaclieu Yerdüuinmgen angeblicli irastancle waren , Kaninchen in 5 — 8 Tagen unter den typisclien Erscheinungen der paralytischen Hunds- wut zu töten. Alle diese Befnnde dürften als nicht einwandsfrei anzusehen sein. Es liegt der Verdacht nahe, dass bei diesen ZUchtuugsversuehen die positiven Ergebnisse des Tierexperiments dadurch zustande gekommen sind, dass Teilchen des zur Anlegung der Kultur benutzten und in dieser noch vorhanden gewesenen virulenten Gehirnes die typischen Wut- erscheinungen hervorriefen. — Nach der Ansicht von Marx^s, die von allen kompetenten Forschern wohl geteilt wird, haben wir den Erreger der Lyssa nicht unter den Bakterien zu suchen. Auch Blastomyceten sind als Lyssaerreger angesehen worden. Memmo^^ fand solche bei einem an Rabies verstorbenen Kinde und züch- tete sie bei vier watkranken und sieben nach Behandlung mit virus fixe eingegangeneu Hunden aus dem Zentralnervensystem und der Cerebrospinaltlüssigkeit. Hunde, die mit diesen Pilzen infiziert wurden, starben an wutähnlichen Erscheinungen, eine Uebertragung auf Kanin- chen gelang nicht. Auch Grigokjew^s fand Blastomyceten, hält sie jedoch nicht für die Erreger der Krankheit, sondern ist der Ansicht, dass diese unter den Protozoen zu suchen seien. Später fand derselbe Autor 49, als er eine Emulsion von verlängertem Mark Kaninchen in die vordere Augenkammer einbrachte, amöbenartige Gebilde. Keuerdings wird besonders auf Protozoen gefahndet. In jüngster Zeit sind Protozoenbefunde von Guarnieri^o und von Negri^^ veröfi'entlicht worden. Ersterer bemerkte im Zentralnervensystem künstlich wutinfizierter Kaninchen runde bis ovale Körperchen annähernd von der Größe eines Erythrocyten. Dieselben bestanden aus einer granulierten, netzförmigen oder spongiösen, durch Kernfärbung abgrenzbaren zentralen Partie und einer homogenen Außenzone. An diesen Elementen ließ sich auch ein Teilungsprozess beobachten. Guarnieri hält diese Gebilde für para- sitische Protozoen. Negri beschreibt einen ähnlichen Parasiten, von sehr schwankenden Dimensionen (1 — 20 — 25 u im Durchmesser), der sich bei allen wutkranken Tieren und auch im Gehirn einer an Wut ver- storbenen Frau, nicht aber im Nervensystem normaler oder an anderen Infektionen zu Grunde gegangener Tiere fand. Der Umstand, dass der Parasit nicht in allen Teilen des Zentralnervensystems nachweisbar ist, lässt Negri vermuten, dass er vielleicht auch in anderen Formen auftritt. SciiÜDER^2 weist darauf hin, dass weder Bazillen noch Protozoen bisher als regelmäßige Befunde bei Lyssa gefunden seien. Die ersteren sind meist grobe Verunreinigungen, die letzteren Kunstprodukte, wie sie gelegentlich infolge der Präparation in Schnitten entstehen, oder nicht- spezifische Zellalterationen. Sciiüder gelaug es auch Wut bei Versuchs- tieren hervorzurufen mit Virus, welches ein besonderes bakteriendichtes Filter passiert hatte. Aus dem Umstände, dass Choleravibrioncn durch dieses Filter zurückgehalten werden, geht hervor, dass der Tollwut- erreger kleiner sein muss, als der Choleravibrio, und dass die viel größeren NEGRischen Gebilde keine spezifischen sind. Tussis convulsiva. Affanassieff^^ isolierte aus dem Bronchialsekret bei 20 von 49 Keuchhustenfällen einen Streptobacillus, der spindel- oder stäbchen- förmige Gestalt hatte und auf Zuckeragar bei 30" C züchtbar war. Bei Mikroorganismenbefunde bei anderen Infektionskrankheiten. 899 jungen Hunden und Katzen erzeugte eine intratracheal einverleibte Kultur dieses Mikroben angeblich keuchhustenähnliche Anfälle und stellenweise auch Lungenkomplikationeu. — Einen dem Influenza- bacillus sehr ähnlichen Bacillus sehen Czaplev/ski & Hensel^-i als Er- reger der Pertussis an. 8ie fanden ihn in einer großen Auzahl von Keuchhustenfällen und konnten angeblich durch seinen Nachweis bakte- riologisch schon die Diagnosse stellen in Fällen, die klinisch noch dunkel waren, sich aber später als fraglose Keuchhusteufälle erwiesen. Anscheinend dieselben Bakterien wurden gefunden von Koplik -^^^ (Jei- sie mit dem AFFANASsiEFFSchen Bacillus identitiziert wissen will, und ferner von Vincenzi^ö, Zusch^^, Spengler ^s^ Arnheim^^ und Rey- HERöo. Letzterer bringt eine sehr ausführliche Uebersicht der bisherigen Litteratur dieses Gebietes. Joch.maxn & Krause ^i halten den Cza- PLEWsKi-HEXSELscheu Bacillus nicht für den spezitischen Erreger. Sie teilen auf Grund ihrer Untersuchungen die in Keuchhustensputis vor- kommenden kleinsten Bazillen in 3 Arten ein, von denen sie nur die eine, die von ihnen »Bacillus pertussis Eppendorf« benannt wird, mit Wahrscheinlichkeit als Keuchhusteuerreger ansprechen. Derselbe ist augenscheinlich dem Influenzabacillus ebenfalls morphologisch und kul- turell außerordentlich ähnlich. Er zeigt mitunter Neigung zur Schein- fädenbildung, giebt bei schwacher Karbolfiichsin- oder besser noch Methylenblaufärbuug deutliche Polfärbung und ist GRAM-negativ. Züch- tung gelingt nur auf hämoglobiuhaltigen Nährböden, Tierversuche waren erfolglos. — Die Frage, inwieweit diese Befunde konstante sind, muss erst noch entschieden werden, ebenso diejenige, ob einzelne der erwähn- ten Bakterien untereinander oder mit dem Influenzal)acillus identisch sind. Es sei hier nur noch für ein etwaiges weiteres Quellenstudium auf die weiteren Arbeiten von Czaplewski^s^ Spengler 6^, Ucke'^^, Jochmann 65 und LuzzATTO^^ hingewiesen. — Ein bewegliches, aerobes, plumpes ovoides Stäbchen mit abgerundeten Ecken wird von Leuriaux*^' in einer wenig Vertrauen erweckenden Arbeit als Erreger angesprochen. Auch Kokken ist verschiedentlich eine ätiologische Bedeutung für den Keuchhusten zugesprochen worden, so von Coiin & Neümannö^^ von Ritter fiö ^nd in Bestätigung der letzterwähnten Befunde von Buttermilch '0, welcher den RiTTERSchen Diplococcus für identisch hält mit dem von Vincenzi beschriebenen Erreger. Schließlich sind auch hier Protozoen als spezitische Organismen an- gesprochen worden, und zwar von Deichler ^i, Kurloff^^ ^^j Behla'^. Die Epidemiologie und namentlich der Verlauf des Keuchhustens sprechen dagegen, dass mit den beschriebenen, meist sehr labilen Bak- terien der Erreger der Krankheit gefunden ist. Die zähe Tenazität des Keuchhusten-Contagiums auch außerhalb des menschlichen Körpers lässt sich mit derartigen Bakterien nicht erklären. Auch spricht der außer- ordentlich chronische, zu Rezidiven neigende Verlauf der Krankheit mehr für die Annahme eines anderen Erregers als der rasch bei Kör- pertemperatur wachsenden kleinen Bakterien. Syphilis. Auch der Erreger der Syphilis ist noch unljekannt. Es sind zwar zahlreiche Mikroorganismen beschrieben worden, denen seitens ihrer Entdecker eine ursächliche Bedeutung beigemessen wurde, aber keines von ihnen hat bisher einer sachlichen Kritik standgehalten. "Was die 57* 900 W. Kolle & H. Ketsch, bakteriellen Bcfiuide betrifft, so bandelt es sieb bier zweifellos um acc'identelle Befunde, die mit der Aetiologie der Lues nichts zu tbun baben. Am bekanntesten ist der LusTUAETENScbe Sypbilisbacillus ge- worden, ein kleines Stäbeben, das sieb wie der Tuberkelbacillus färbt. Es ist wobl beute kein Zweifel, dass diese säurefesten Stäbchen Smegma- bazilleu waren. Von den mehrfach beschriebenen protozoenäbulichen Gebilden ist noch nicht der Beweis erbracht, dass es sich überhaupt um Parasiten handelt. Die wichtigsten Arbeiten aus der neueren Zeit seien hier kurz erwähnt. V. NiESSEN, auf diesem Gebiete fraglos der fruchtbarste und zugleich kritikloseste Autor, hat in zahlreichen Arbeiten die verschiedenartigsten Erreger beschrieben. Es lohnt sich nicht, auf diese wohl kaum ernst- haft zu nehmenden Arbeiten einzugehen. Kokken fand Levi"^ im Blut Syphilitischer sowie in Schnitten von Sklerosen, Papeln und Gummen. Bazillen sind mehrfach beschrieben worden, in letzter Zeit namentlich von Lisle & Jullien^^ ^m(i yy^ JosEi'H & PiORKOWSKi^*^. Erstcrc Autoren sahen ziemlich konstant im Blute von Luetikern während des floriden Stadiums ein sehr poly- morphes bewegliches Stäbchea, dessen Kultur augeblich vom Serum Syphilitischer agglutiniert wurde. Der Syphilisbacillus Josephs & Pioii- KüWSKis ist ein diphtherieähnlicbes Stäbchen mit einem oder zwei keulen- förmigen Eudeu, GRAM-negativ, nicht säurefest, enthält BABES-ERNSTSche Körperchen und ist namentlich auf Plazentargewebe gut züchtbar. Von Blutserum Syphilitischer soll er in einer Verdünnung von 1 : 30 agglutiniert werden, doch zeigt er schon im hängenden Tropfen »Autoagglutination« (?). Besonders charakteristisch soll seine staketenartige Lagerung sein, sowie der rasche Zerfall der Bazillen in Kokken. Gefunden wurde dieser Mikroorganismus zunächst bei Spermauntersuchungen, später wurde er auch im Geschwürssaft von harten Schaukern und in Papeln und syphi- litischen Leistendrüsen gefunden, nicht aber in den pathologischen Pro- dukten der späteren Stadien, auch nicht bei Ulcus molle. Die letzt- erwähnten Befunde stehen sowohl hinsichtlich der Technik, als auch der daraus gezogenen Schlussfolgeruugen auf äußerst schwachen Füfk'u. Es handelt sich hier, wie auch Pfeiffer''^ nachwies, höchstwahr- scheinlich um harmlose Pseudodipbtheriebazillen, wie sie in der Urethra sehr häutig gefunden werden, oder Bakterien aus der Xerosegruppe. — Wenn ein Bacillus die Ursache der Syphilis wäre, so müsste man ihn, vorausgesetzt, dass er nicht unter der Grenze des Sichtbaren liegt, im Blute und den lokalen Krankheitsherden konstaut und in großerMenge linden. Protoplasmatische Gebilde sind als Syphiliserreger angesprochen worden von Dohle '^, Winkler ^s, Kusnitzky^o, LosdorferSi und von SchüllerS2. u^n von Winkler und Kusnitzky beschriebenen analoge Gebilde fand auch Loeb*^, doch hält er sie, da sie auch bei Ulcus molle, Blennorrhoe u. s. w. gefunden werden, nicht für spezi- hsche Erreger, sondern zum Teil für Kunstprodukte, zum Teil für freie Kerne. Es spricht vieles dafür, worauf besonders Ruge^* hingewiesen hat, dass der Syphiliserreger ein Protozoon ist. Die bisher als Erreger be- scbrie})enen angeblichen Protozoen können allerdings nicht ernstlich in Frage kommen. Die Angaben, welche hierauf Bezug haben, sind viel zu un))cstimmt und entbehren der Beweiskraft. Es sind meistens De- gencrationsprodukte menschlicher Zellen von den genannten Autoren für Protozo'Jn gehalten worden. Mikroorganismenbefunde bei anderen Infektionskrankheiten. 901 Gelenkrhe umatismus . Ueber die Aetiologie der akuten Polyarthritis rheumatica, die ihrem klinischen Verlauf und ihrem Auftreten nach schon längst als Infektions &^ s- krankheit sui generis erkannt war, sind so zahlreiche Arbeiten ver- öffentlicht worden, dass sie uumög-lich hier alle Erwähnung finden können. Nur die neueren Arbeiten seien hier genannt. Die spezifischen Krankheitserreger wurden gesucht im Gelenkinhalt, im Blut, in den Vegetationen der Herzklappen bei rheumatischer Eudocarditis, in dem Exsudat bei rheumatischer Pleuritis, im Harn und schließlich auch auf und in den Tonsillen, welche nach den heutigen Anschauungen als Eintrittspforte des Virus angesehen werden und fast stets im Beginn der Krankheit schwer entzündlich in Mitleidenschaft gezogen sind. Ziemlich bekannt sind die anacroben Bazillen geworden, welche Thiro- LOix^s uu(j AcHALME^ß ^us Blut vou Rheumatikern, sowie aus Pleura- und Perikardialflüssigkeit bei Sektionen züchteten und welche später auch von Tüiboulet*^, Bettencouktss^ Melkich ^^^ Carriere'JO, in einem Fall von mit Gelenkrheumatismus komplizierter Chorea von Tri- BOULET, CoYON & Zaüoc*^^, sowie anderen Autoren gefunden wurden. Was die Frage nach der Spezifizität dieses Bacillus anbelangt, so ist hier größte Skepsis am Platze. Der von Aciialme beschriebene Mikroorganismus ist in seinem morphologischen und biologischen Ver- halten so ungenügend charakterisiert, dass es zweifelhaft erscheinen muss, ob wirklich jene späteren Autoren denselben Bacillus vor sich hatten. Eiva92 isolierte in 8 Krankheitsfällen aus der Gelenkflüssigkeit, teilweise auch aus dem Blut ein seltsames Mikrobium, das in jungen Kulturen die Gestalt rundlicher Körperchen von der Größe einer Hefe- zelle oder eines Leukocyten, in älteren Kulturen sehr große unbeweg- liche und kleine lebhaft bewegliche Bazillenformen aufwies. Ernst zu nehmen sind diese Mitteilungen wohl nicht. Sehr zahlreich sind die Befunde von Kokken. Auf die früheren Untersuchungen von Birch-Hirschfeld 9^^ Sahli-^^ und Singer"^ wollen wir hier nicht eingehen, v. Leyben^^ gelang es im Jahre 1894 bei 5 Fällen von maligner Eudocarditis, die sich im Anschluss an akuten Gelenkrheumatismus entwickelt hatte, zarte Diplokokken in Schnitten der Herzwand festzustellen; in einem jener Fälle wurden die Kokken von Klemperer gezüchtet. Michaelis teilte kurz darauf einen sechs- ten analogen Fall mit. Triboulet & CoyonQ^^ welche anfangs (s. o.) den AcHALME-TiiiROLOixschen Bacillus für den Erreger der Poly- arthritis hielten, fanden bei späteren Untersuchungen in dem intra vitam entnommenen Blut ebenfalls Diplokokken , denen sie die Haupt- bedeutung für die Pathogenese der Krankheit zuschreiben, während sie den AcHALMESchen Bacillus nur als bei komplizierten Fällen se- kundär auftretend gelten lassen wollen. Triboulet ''* konnte im Tier- experimeut mit Reinkulturen dieser Kokken Eudocarditis erzeugen, Apert^ö fand dieselben bei 2 Choreafällen. Wassermann^oo wies in der Mitralklappe, dem Gehirn und dem Blut eines an postrheumatischer Chorea Verstorbenen feine Streptokokken nach, deren Kulturen bei einer großen Anzahl Kaninchen immer typische multiple Gelenkentzündungen hervorriefen, auch bei weiterer Verimpfung des Gelenkexsudates der kranken Tiere. Weitere Kokkenbefunde sind mitgeteilt worden von 902 W. Kolle & H. Ketsch, Litten ^01^ Oppenheim & Lippmanxio2^ Puedtetschenski'os^ Beaton & Walker 104, Menzek i^^, Allariaio^, Püyntun & Paine lov u. a. Auch Meyer i^s, der bei seinen Untersucliiiug-en meist von den Anginen des Gelenkrheumatismus ausging-, konnte regehnäßig Kokken züchten, welche bei Tieren Exsudate der Gelenke und serösen Häute hervorriefen, und hält dieselben auf Grund zahlreicher Kontrollversuche mit Kokken, welche bei anderen Anginen und Endokarditiden gewonnen waren, für spezi- fische Erreger. Er ist der Ansicht, dass, wenn anstatt der Exsudate mehr aspiriertes artikulares und periartikuläres Gewebe untersucht würde, die bisher nur spärlichen Resultate des positiven Mikrokokken-Nachweises in den rheumatischen Gelenken bald zahlreicher werden würden. Ob alle diese Autoren wirklich dieselben Kokken unter Händen ge- habt haben, ist aus ihren Arbeiten schwer zu entscheiden. Ihre Anord- nung zu Diplokokken wird nur stellenweise hervorgehoben, doch wird meist betont, dass dieselben von den gewöhnlichen Streptokokken ver- schieden seien. Dass diese vielfach bei Gelenkrheumatismus gefundenen Kokken als spezifische Krankheitserreger anzusehen sind, kann als zweifelsfrei er- wiesen nicht angesehen werden. Es giebt auch heute noch eine große Anzahl namhafter Autoren, welche den Gelenkrheumatismus als eine Pyämie auffassen, neben dem Streptococcus auch die verschie- denen Formen des Staphylococeus in den Vordergrund stellen und alle Unterschiede, zwischen dem Gelenkrheumatismus und den sonstigen StreptokokkenerkrankuDgen, durch eine Virulenzherabsetzung unbe- kannten Ursprungs erklären. Von den Vertretern der anderen Rich- tung, welche ein besonderes spezifisches Agens annehmen, glauben die einen, wie oben erwähnt, in den gefundenen Kokken, die sie namentlich auf Grund der Tierpathogenität als von den gewöhnlichen Streptokokken verschieden ansehen, die spezifischen Mikroorganismen gefunden zu haben, während andere, unter ihnen neuerdings Thue^og^ die Ansicht vertreten, dass das eigentliche Virus noch unbekannt sei und das Auftreten der pyogenen Kokken Mischinfektionen bedeute. Im Laufe der letzten Jahre hat bei den kritischen Forschern die letz- tere Ansicht mehr und mehr an Boden gewonnen. Die Gründe für das Rationelle dieser Auffassung sind im wesentlichen folgende: Die Salicylsäure und einige ihr nahestehende Präparate haben auf die Strepto- kokkenerkraukungen keinen Einfluss, sind aber ein spezifisches Heil- mittel für den akuten Gelenkrheumatismus. Der Verlauf des akuten unkomplizierten Gelenkrheumatismus ist ein anderer, als derjenige von Streptokokkenkrankheiten. Wo weitgehende Analogieen im klinischen Bilde zwischen beiden Krankheiten vorliegen, sind Streptokokken als Mischinfektionserreger sekundär zu dem primären Gelenkrheumatismus hinzugetreten. Das ist, ebenso wie bei Scarlatina, Diphtherie, Variola außerordentlich häufig der Fall. So ist auch die anscheinend günstige Wirkung zu erklären, die Menzer mit Streptokokkenserum bei Gelenk- rheumatismus erzielt haben will. Das Serum hat eben einen gewissen Einfluss auf die Mischinfektion, nicht aber auf den noch unbekannten Erreger dieser Infektionskrankheit. Im übrigen sei verwiesen auf das an anderer Stelle dieses Handbuches (Bd. III S. 325 — 327) über Strepto- kokkeninfektion der Knochen und Gelenke Gesagte. Mikroorganismenbefunde bei anderen Infektionskrankheiten. 903 Pemphigus neonatorum. Als Erreger des Pemphigus der Neugeborenen sind verschiedentlich Kokken angesehen worden. Almquist^'o züchtete gelegentlich einer Epidemie in einer Gebäranstalt in sieben von einigen hundert Fällen einen Staphylococcus, den er als den Erreger ansah. Zweifellos handelte es sich hier um saprophytische Kokken der Haut, die auch bei anderen Hauterkrankungen, z. B. in den Pockenpusteln, gefunden werden, ohne dass man zur Annahme einer spezifischen Bedeutung Berechtigung hat. Aehnlich dürfte es sich mit den von Whipham und neuerdings wieder von Bergholm^i^ beschriebenen Kokken verhalten. Impetigo contagiosa. Während von früheren Untersuchern Hyphomyceten als Erreger der Impetigo contagiosa angesehen wurden, glaubte man in neuerer Zeit Spaltpilzen eine spezitische Rolle bei diesem Leiden zuschreiben zu sollen. Kükth1i2 isolierte bei einer größereu Anzahl von Fällen an verschiedeneu Orten Streptokokken, ohne sie übrigens mit Sicherheit als Erreger hinzustellen. Ein dem Staphylococcus nahestehendes Microbium züchtete in allen 23 von ihm untersuchten Fällen Kaufmann ' ^'K Ueber die Bedeutung dieser und ähnlicher Befunde gilt das soeben beim Pem- phigus neonatorum Gesagte. Was im besonderen noch die Kokken Kaufmanns anbelangt, so genügen die von ihm angegebenen Dififeren- zierungsmerkmale keineswegs, um eine völlige Verschiedenheit seiner Mikroorganismen vom Staphylococcus zu begründen. Auch der Umstand, dass es ihm gelang, mit Reinkulturen jener Kokken typische Irapetigo- blasen beim Menschen zu erzeugen, kann nicht als beweiskräftig an- gesehen werden, da auch hier der Verdacht nicht unbegründet ist, dass die Kultur die mit dem Ausgangsmaterial übertragenen zweifellos exi- stierenden, aber noch unbekannten spezifischen Keime enthielt, und durch diese, die unfreiwillig mit eingeimpft wurden, der positive Uebertragungs- erfolg zustande kam. Skorbut. Affanassieff^^' fand im Eiter bei neun von zehn Skorbutfällen einen Kapselcoccus , welcher bei Kaninchen '> manchmal recht bedeutende« Blutungen im Unterhautbindegewebe und in den inneren Organen hervor- rief. Bazillen wurden von Lewine ^^^ einer ätiologischen Bedeutung be- schuldigt. Sie hatten wegen ihrer abgerundeten Enden und ihrer Pol- färbung das Aussehen von Diplokokken und gehörten offenbar zur Gruppe der Bakterien der hämorrhagischen Septikämie. Gezüchtet wurden sie aus Leber- und Milzsaft, der durch Punktion gewonnen wurde. Es ist noch zweifelhaft, ob Skorbut überhaupt eine Infektions- krankheit ist. Wenn es der Fall ist, so dürften die wenigen spora- dischen und unbestätigten Bakterienbefunde die Aetiologie keineswegs, geklärt haben. 904 W. Kolle & H. Hetsch, Infektiöse Parotitis. Als Erreger der infektiösen Parotitis l)eschriebeu im Jahre 1897 Laverax & Catrix1'6 einen Diplococcus, den sie bei Untersuchung von 92 Fällen 67mal aus Blut, Hodensaft, Hautsaft, 2mal auch aus Gelenk- Hiissigkeiten kultivieren konnten. Merray «& Walsh^^^ fanden in meh- reren Fällen denselben Coccus und konnten ihn auch aus dem Blut züchten; sie sind aber von der spezifischen Kolle dieses Mikroorganismus nicht überzeugt, sondern vermuten, dass es sich bei diesen Befunden um den Staphylococcus epidermitidis albus gehandelt habe. — Michae- Lis & Bein fanden ähnliche Kokken. Busquetii* züchtete bei einem Hunde, der sich durch den Speichel des Autors, welcher an infektiöser Parotitis gelitten hatte, infizierte, einen Coccus, v^elcher dem LAVERAN-ÜATRiNSchen in verschiedeneu Beziehungen ähnlich war, den er aber doch für von diesem artverschieden hält. Diese spärlichen, kaum von namhaften Forschern verbürgten Pvesul- tate dürften die Aetiologie der Krankheit nicht endgiltig geklärt haben. Noma. Auch bei Noma sind eine große Anzahl bakteriologischer Unter- suchungen, die auf die Auffindung der Erreger gerichtet waren, an- gestellt worden. Perthes ^^^ glaubte bei der Untersuchung von zwei Fällen in einem zur Gruppe der Streptotricheen gehörigen Mikroorga- nismus, dessen Kultivierung nur bei anaerober Züchtung gelang, das spezifische Virus gefunden zu haben. Schimmelbusch i^o und Bartels ^^i beschrieben als Erreger Bazillen. Passini & Leiner ^22 konnten in den oberflächlichen Schichten der gangränösen Hautpartieeu eines Nomafalles neben Pilzfäden Bazillen nachweisen, welche den von Bernheim ^23 jjgi Stomakace beschriebenen glichen. In den tieferen Partieen und an der Grenze des gesunden Gewebes wurden Diphtheriebazillen in Reinkultur festgestellt. Die genannten Autoreu kommen daher, ebenso wie Frei- muth & Petruschky 124 211 dem Schluss, dass Noma durch Diplitherie- bazillen erzeugt wird. Comba^^ö f^^d verschiedene pyogene Bakterien und nimmt aus diesem Grunde an, dass unter bestimmten Infektions- bedingungen verschiedene Bakterien Noma erzeugen können. Zu der- selben Ansicht kommen auf Grund ihrer Untersuchungsbefunde auch Trambusti126 uud Züsch'2^. Die Frage, ob die Aetiologie der Krankheit eine einheitliche ist, ist bisher noch nicht entschieden worden. Zur Zeit muss mau sich wohl den Ansichten der letztgenannten Forscher anschließen. Auch die kli- nischen Beobachtungen gehen ja heute dahin, dass Noma und Stro- matitis ulcerosa nur verschiedene Grade ein und desselben infektiösen Prozesses sind. Gelbfieber. Beim Gelbfieber wurden zunächst von Domingos Freire128 Mikro- organismen gefunden, die den Namen »Cryptococcus xanthogenicus« erhielten und als Erreger angesprochen wurden. Von den zahlreichen Untersuchern, die sich seitdem mit der Gelb- fieberätiologie beschäftigten, wurden nur von einer von der Brasiliani- Mikroorganismenbefunde bei anderen Infektionskrankheiten. 905 scheu Regierung im Jalire 1898 ausgesandteu Kouamissiou die Befuude Freires bestätigt. Cornil & Babes ^^s faudeu in einem Fall iu langeu Ketten augeorduete Diplokokken, die sich aber bei späteren Unter- suchungen nicht wieder konstatieren ließen. Delgado & Finlay'^o sprechen als Erreger einen Tetraden bildenden Coccus (»Micrococcus versatilis«) an. Bazillen wurden wohl zuerst von Gibier i^i als Ursache des Gelbfiebers angesehen, der bei seinen Untersuchungen einen krummen Bacillus fand, welcher seine Nährböden schwarz färbte und Versuchstiere vom Darm- kanal aus unter Intoxikationserscheinungeu tötete. Das Jahr 1897 brachte 3 neue als Erreger angesehene Bazillen, Sanarellis ^^^ »Bacil- lus icteroides«, Sterxbergs'33 »Bacillus x« und einen dritten von Havel- burg i34. Unter diesen Mikroben ist besonders der Bacillus icteroides zu einer gewissen Berühmtheit gelangt, namentlich dadurch, dass Sa- NARELLi später 135 clurch sein spezifisches Gelbfieberserum angeblich gute Heilerfolge erzielte und auch prophylaktische Injektionen wirksam durchführte. Das Blutserum sämtlicher Gelbfieberkrankeu und -rekon- valeszenten sollte diesen Bacillus agglutinieren. Saxarellis Befunde wurden vielfach bestätigt, so von Gauthieri^s^ yqjj einer amerikanischen Kommission, von P. E. Archinard, Woodson & J. J. ArchinardI^? und Lercii i^®. Widerlegt wurden Sanarellis Behauptungen durch ein- waudsfreie und beweiskräftige Versuche von Iveed & Carroll^^^, Agra- MONTE^^o und Proave^-ii, welch letzterer sich gegen alle parasitären Theorieen ablehnend verhält. Auch beim Gelbfieber ist also der spezifische Erreger bisher unbe- kannt, wie auch Barrada'-*^ iu seiner ausgezeichneten Monographie und neuerdings Havelburg ^^-^ hervorhebt. Namentlich aus den Unter- suchungen der letzten Jahre geht dies hervor. Nach diesen neuesten Untersuchungen scheint festzustehen, dass das spezifische Agens dieser Krankheit zu den kleinsten Mikroorganismen ge- hört, welche die Poren eines Porzellanfilters passieren. Reed, Carroll & Agramonte '44 gelang es festzustellen, dass Blutserum von Gelbfieber- kranken auch, nachdem es einen BERKEFELD-Filter passiert hat, die Krankheit bei anderen Menschen, wenn es diesen in kleiner Menge (1,5 ccm) injiziert wird, hervorruft, und dass auch das Blutserum der auf diese Weise Infizierten das Virus auf ein drittes Individuum übertragen kann. Die gleichen Autoren kamen denn auch, ebenso wie Finlay'^ö^ Havelburg '■^^ u. a. nach ihnen, zu der Ueberzeugung, dass als Ueberträger der Krankheit Insekten (in erster Linie wohl die Gattung Stegomyia) an- zusehen sind. Die amerikanische Gelbfieber-Kommission hat erfolgreiche Uebertragungsversuche mit Stegomyia fasciata gemacht. Die Mücken sogen Blut von Gelbfieberkranken während der 3 ersten Tage der Krank- heit auf und wurden dann nach wechselnden Zeiträumen auf gesunde Menschen gesetzt. Nach einer 3tägigen Inkubationsdauer, vom Tage der künstlichen Infektion durch den Biss der infizierten Mücken an gerechnet, kam bei den Versuchspersonen der Gelbfieberanfall zur Auslösung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch beim Gelbfieber Protozoen die Er- reger sind, welche in der Mücke ihren Kreislauf vollenden. Denn die Mücken übertragen den Infektionsstoff nicht direkt, nach- dem sie an einem Kranken gesogen haben, auf den Gesunden, sondern erst nach einem Zeitraum von 12 Tagen, während dessen der aus dem Blute stammende Fieberkeim in der Mücke in infektionsfähigem Zustand vom Magen in die Speicheldrüse gelangt. 906 W. Kolle & H. Hetsch, Die amerikanische Kommission gelangte auf Grund ihrer sehr sorg- fältigen Untersuchungen zu folgenden Schlüssen: 1. Der Moskito (Culex fasciatus) dient als vermittelnder Träger des Gelbfieherkeimes. 2. Das Gelbfieber wird auf nicht imnume Individuen durch Stiche von Moskiten, welche sich vorher mit Blut von Kranken dieser Art ge- sättigt haben, übertragen. 3. Es scheint, dass der Moskito nach der Aufnahme von Gelbfieber- blut einen Zeitraum von 12 Tagen oder mehr benötigt, bevor er im- stande ist, den infektiösen Keim zu übertragen. 4. Der Stich eines Moskito in einer früheren Periode scheint keinerlei Immunität gegen einen spätem Anfall von Gelbfieber zu gewähren. 5. Man kann experimentell auch Gelbfieber erzeugen durch die sub- kutane Injektion von Blut, welches am 1. oder 2. Tage der Krankheit einem Patienten aus den Blutgefäßen entnommen wird. 6. In 13 Fällen des experimentellen Gelbfiebers hat die Inkubations- periode zwischen 41 Stunden und 5 Tagen 17 Stunden geschwankt. 7. Das Gelbfieber wird nicht durch Bett- oder Leibwäsche, durch Handelswaren oder durch Gegenstände, welche mit Kranken in Berührung gewesen sind, übertragen; daher ist die Desinfektion der erwähnten Gegenstände, um die Verbreitung des Gelbfiebers zu verhindern, voll- kommen unnötig. 8. Mau kann sagen, dass ein Haus nur dann als durchseucht ange- sehen werden kann, wenn sich daselbst infizierte Moskiten befinden. 9. Die Unterdrückung des Gelbfiebers lässt sieh mit Erfolg durch solche Mittel erzielen, welche die Vernichtung der Moskiten und den Schutz der Kranken gegen Stiche dieser Insekten zum Ziele haben. 10. Obwohl die Uebertragungsweise des Gelbfiebers definitiv sicher- gestellt ist, bleibt die Erkenntnis der spezifischen Ursache dieser Krank- heit noch eine Aufgabe der Zukunft. Beri-Beri. Pekelharing & Winkler 1^6 fanden im Blut von Kranken sowohl durch Ausstrichpräparate als auch durch Kultur verschiedene Formen von Bakterien, unter denen jedoch eine bestimmte Kokkenart stets über- wog. Eycrmanni*^ sah in verhältnismäßig nur wenigen der von ihm untersuchten Fälle Bazillen, die er nicht sicher als Erreger ansprach. Zahlreicher waren die Befunde malariaähnlicher Parasiten im Blut, die einer ätiologischen Bedeutung angeschuldigt werden. Derartige Gebilde beschreibt Glogner^^^^ der sie in vielen Fällen in durch Akupunktur gewonnenen Milzsaft nachweisen konnte, ferner Voorthuis^'^, welcher bei der Untersuchung von 60 Beri-Berif allen regelmäßig Blutparasiten fand, die nur ausnahmsweise innerhalb der roten Blutkörperchen lagen und auch in ganz fieberfreien Intervallen im Blute kreisten. Fajardo ^^^ beschreibt ein Haemosporidium, das in 86^ seiner Fälle nachweisbar war und mit dem Erreger des Texasfiebers eine gewisse Aehnlichkeit haben soll. Es bildet Pigment, wird innerhalb und außerhalb der Erythro- cyten angetroffen und zeigt vielfach Amöbenform. Die Untersuchungen haben noch nicht zu eindeutigen Eesultaten geführt, aus denen man Schlüsse auf die ätiologische Bedeutung der Befunde machen könnte. Man wird vor Abgabe eines Urteils noch weitere Untersuchungen abzuwarten haben. Mikroorganismenbefunde bei anderen Infektionskrankheiten. 907 Schlafkrankheit. Ueber die Aetiolog-ie der Schlafkrankheit der Neger, welche sich iieuerdiugs vom Kongo immer weiter auszubreiten scheint, sind die ver- schiedensten Hypothesen aufgestellt worden. Von einer großen Anzahl älterer Autoren, denen sich in neuerer Zeit auch Ziemann ^^^ zugesellt, wird der Genuss verdorbener Nahrungsmittel oder eine chronische In- toxikation durch verschiedene Genussmittel als Ursache dieser eigen- artigen Krankheit angesehen. Nach Mansons Theorie, die wohl als widerlegt anzusehen ist, sollte Filaria perstans durch ihr lokalisiertes Auftreten in den Hirngefäßen der Grund sein, le Dantec beschuldigt Auguillula intestinalis, Ferguson Aucylostomum duodenale der ursäch- lichen Bedeutung. Bakterielle Erreger sind verschiedentlich angenommen worden. Hier- her gehören die Befunde von Cagigal & Lepierke'^^^ die 1897 aus dem Blut eines an der Schlafsucht Erkrankten einen Bacillus isoliert und bei Versuchstieren angeblich die gleichen Erscheinungen hervorgerufen hatten, welche die Krankheit des Negers darbietet. Schon dadurch ist der Befund fragwürdig, denn es giebt keine Schlafkrankheit bei Tieren. Marchoux153 brachte den FRÄNKELschen Diplococcus in ursächlichen Zusammenhang mit der in Rede stehenden Krankheit. Broden ^^^ sieht als Erreger einen schlanken, sporenbildenden und wenig beweglichen Bacillus an, den er im Blute aller seiner Fälle gefunden haben will. Eine portugiesische Kommission (Bettencourt ^^s), die zum Studium der Schlafkrankheit ausgesandt war, beschrieb schon nach ihren ersten Untersuchungen in Loanda und auf der Prinzeuinsel dieselbe als eine Meningoencephalitis, die durch einen Diplo-Streptococcus (»Hypnococcus«) bedingt sei, der sich fast konstant im Blut und in der Cerebrospinal- flüssigkeit der Kranken nachweisen lasse. Auch neuerdings ^^^ wird an der ätiologischen Bedeutung dieser Organismen seitens jener Kom- mission festgehalten. Die oben erwälmten Theorieen sind widerlegt worden und auch die bakteriellen Befunde können, weil sie zu inkonstant sind und von an- deren Untersuchern nicht bestätigt werden konnten, nicht als beweis- kräftig angesehen werden. Der wirkliche Erreger der Krankheit ist höchstwahrscheinlich ein Trypanosoma, welches Castellanii^v ^ei 20 von 34 Fällen der Schlaf- krankheit in Uganda in der durch Lumbalpunktion zu Lebzeiten ent- nommenen und zentrifugierten Cerebrospinalflüssigkeit, in einigen Fällen auch im Blut nachweisen konnte. Als charakteristische Merkmale dieses Parasiten gegenüber den anderen bisher schon bekannten Arten von Trypanosoma werden angesehen: der häufig sehr nach dem hinteren Ende gelegene Micronucleus, der viel größere Umfang der Vakuole und der Geißel, welche gewöhnlich an Länge diejenige der anderen Arten übertrifit. Dieses Trypanosoma findet sich anscheinend fast nur in der Cerebrospinalflüssigkeit; ob das im Blute vorgefundene identisch ist mit dem ersteren, muss noch weiter untersucht werden. Von anderen Seiten sind die Befunde Castellanis bereits bestätigt, z. B. von Christy, Bruce, Nabarro, Greig ^^^. An vielen Orten der Tropen sind jetzt Untersuchungen über die verschiedenen »Trypanosen« des Menschen und der Tiere im Gange. 908 W. Kolle & H. Hetsdi, Maul- und Klauenseuche. Zahlreich waren die Bemühimgen, das spezifische Ageus der Aphthen- Seuche zu finden und es sind auch mehrfach Mikroorg-anismen beschrieben worden, welche als solches augesehen wurden. Kur i h ^^^ fand hei seinen Untersuchungen das Blut steril, konnte aber im Speichel und auf dem Grund der Geschwüre der Mundschleimhaut, sowie namentlich im Inhalt der sich am Euter bildenden Pusteln Streptokokken nachweisen. Andere Kokken sah Sanfelice i^o. Zi\ größerer Bedeutung kam der von Sie- GEL161 als Erreger der Maul- und Klauenseuche beschriebene Bacillus, der später auch von Bussenius 1^2 in einem Falle wiedergefunden wurde. Nachdem die beiden letztgenannten Autoren i^s füi- ([[q Spezifizität dieses Bakteriums aus ihren Erfahrungen au Kranken und auf Grund ihrer Tierversuche noch weitere Argumente erbracht hatten, erzielte C. Fränkel164 völlig negative Resultate bei seinen Nachprüfungen und konnte Siegel ^^s ygn der Haltlosigkeit seiner früheren Behauptungen überzeugen. — Einen anderen Bacillus sprach Starcovici nach For- TUNAgiöß Mitteilungen als spezifisch an. Mit den Kulturen dieses dem Typhusbacillus ähnlichen Bakterium sollte es angeblich gelungen sein, durch subkutane Injektion sowohl, wie durch Einverleibung per os die Maul- und Klauenseuche in ihren charakteristischen Erscheinungen auf gesunde Tiere zu übertragen. Babes & Prüca i^^ sprechen sowohl dem SiEGELSchen, wie auch dem SrARCOVicischen Bacillus jede ätiologische Bedeutung ab, sie fanden außer verschiedenen anderen Bakterien im Speichel und Inhalt der Blasen ein eigenartiges Mikrobium von sehr formeureichem Entwicklungskreis, das schwer züchtbar war und im Tier- versuch Kraukheitsbilder hervorrief, welche der Maul- und Klauenseuche sehr ähnlich waren. Noch kritikloser sind die von Stutzer & Hart- leb i^s^ V. Niessen1*59 und Sauer i^" veröffentlichten Befunde. Es hat sich in allen diesen Fällen um Bakterien gehandelt, die nur accidentell in Erscheinung traten und mit der Aetiologie des Leidens in keinem Zusammenhange stehen. Auch protozoenartige Gebilde sind mehrfach als Erreger der Aphthen- seuche angesehen worden, so von Piana & Fiorentini^^i (»Protamoeba aphthogenes«), von Behla^^'^ (»Sporozoon aphthae epizooticae«, anschei- nend identisch mit der »Protamoeba«) und Jungers i^3_ Nach den Untersuchungen von Löffler & Frosch 1^^ gehört das spezifische Virus der Maul- und Klauenseuche zu den unsichtbaren Mikro- organismen, welche Porzellanfilter passieren können. Diese Autoren wiesen nach, dass man auch mit bakterienfreier Lymphe die Krankheit über- tragen kann. Dadurch werden alle oben mitgeteilten Befunde von Bak- terien hinfällig. Auch die von Behla, Piana & Fiorentini und Jun- gers bezeichneten protoplasmatischen Gebilde können nach diesen Unter- suchungen für spezifische nicht angesehen werden. Rinderpest, Metsciinikoff & Gamaleia^^^ fanden in den Geschwüren des Lab- magens pestkranker Rinder regelmäßig, nicht konstant aber im Blut Stäbchen, welclie bei Meerschweinchen und Kälbern rinderpestähnliche Erscheinungen hervorriefen. Simpson fand in der Galle einen Bacillus, Mikroorganismenbefunde bei anderen Infektiongkrankheiten. 909 eleu er als Erreger aiisali. R. KochI^^ g^h diesen Bacillus ebenfalls, hält ihu aber ebensowenig für spezifisch wie die von EdingtonI" be- schriebeneu Mikroorg-auismeu. Später glaubten Nencki, Sieber & WyzxikiewiczI"^ die llinderpestparasiten entdeckt zu haben in runden scheibenförmigen blassglänzenden Gebilden von 1 — 3 ii Durchmesser, welche sich frei und in Zellen eingeschlossen im Blute und in den inneren Organen fanden und unbeweglich oder in ständiger Molekular- bewegung waren. Kolle & Turner ^ '9 konnten sich durch ihre Unter- suchungen von der Spezifizität derartiger Gebilde nicht überzeugen, auch Garlitschkow ^*o hält dieselben nicht für die Erreger der Rinder- pest. Die Befunde von Blin & Carougeau^^i, nach denen die Krank- heit durch einen kernlosen anscheinend zum Genus Pasteurella gehörigen Coccobacillus verursacht wird, sind ebenso unglaubwürdig, wie die früheren Angaben Sacharows'*^^ der in seinem Bacillus pestis bovinae das spezifische Rinderpestvirus sah. Nach neueren Untersuchungen von Nicolle cS: Adil-Bey'^'^, die in der Türkei die Seuche studierten, gehört anscheinend der Rinderpest- erreger zu den kleinsten Mikroorganismen, welche Porzellankerzen pas- sieren können. Andere Autoren konnten einen Durchgang des Infektious- stoffes durch bakteriendichte Filter nicht feststellen, z. B. Kolle & Türner fjinden die Filtrate von infektiösem Blut, das BERKEPiLD-Filter passiert hatte, unwirksam. Wie dem auch sei, der Erreger der Rinder- pest ist noch unbekannt, da die oben als ätiologisches Moment ange- schuldigten Mikroorganismen einer wissenschaftlichen Kritik nicht stand- halten. Wegen der Immunisierungsmethoden gegen Rinderpest siehe in Bd. IV das entsprechende Kapitel. Unsichtbare Krankheitserreger. Bei einer Anzahl von Infektionskrankheiten, bei welchen es trotz vielfacher Bemühungen nicht gelang, mit den der heutigen bakterio- logischen Diagnostik zu Gebote stehenden Mitteln den spezifischen Er- reger festzustellen, hat man sich trotz dieser Unkenntnis dennoch durch Experimentalstudien von dem Vorhandensein eines bestimmten Mikro- organismus überzeugen können. Man filtrierte Flüssigkeiten (Blut, Exsu- date, Kulturflüssigkeiten u. s. w.), in welchen das spezifische Agens vermutet wurde, durch Porzellankerzen, welche selbst die kleinsten Bakterien sicher zurückhalten, und fand, dass durch die Filtrate, in welchen sich weder durch die mikroskopische Untersuchung, noch durch Kulturversuche irgend welche Mikroorganismen nachweisen lie- ßen, dennoch die betreffende Krankheit zu übertragen war. Es han- delte sich hier also um Mikroorganismen, welche so klein sind, dass wir sie mit unseren heutigen optischen Hilfsmitteln zu sehen nicht im- stande sind. Es kommt bei derartigen Untersuchungen naturgemäß alles darauf an, dass die Filter auch wirklich einwaudsfrei sind. Die Prüfung der- selben geschieht derart, dass den zu filtrierenden Flüssigkeiten als Testobjekte Aufschwemmungen kleinster Bakterien, beispielsweise Hühner- cholerabazillen, zugefügt werden; nur dann ist ein Filter als »geprüft« zu bezeichnen, wenn diese letzteren zurückgehalten werden, während die »unsichtbaren« Erreger die Filterwand passieren. In neuerer Zeit hat man auf die Herstellung derartiger Bakterienfilter besondere Sorgfalt 910 W. Kolle & H. Hetsch, verwendet, namentlich die CHAMBERLAXD-Filter (siehe auch dieses Hand- buch Bd. I, S. 518) werden jetzt in so verschiedenen Nummern hergestellt, dass man aus der Größe der Poren, welche aus der in einer Zeiteinheit filtrierharen Wassermeng^e berechnet wird, nach Borrels Untersuchung-en auch auf die Größe der die Filter passierenden Mikroorganismen Schlüsse ziehen kann. Es ist jedoch notwendig, jedes zu derartigen Versuchen verwandte Filter vor der Benutzung zu prüfen. Mit Hilfe dieser Me- thoden hat man beispielsweise festgestellt, dass das Virus der Maul- und Klauenseuche und dasjenige der Riuderperipneumonie noch kleiner sind, als der Erreger der Schafpocken. Anscheinend sind alle hierher gehörigen Mikroben beweglich. Bei einem Teil dieser »unsichtbaren Krankheitserreger« versagen auch unsere heutigen Kulturmethoden, während bei anderen eine Züch- tung, namentlich bei Verwendung von Kollodiumsäckchen im Tierkörper, gelungen ist. Unsere Kenntnisse über diese Mikroorganismen ist zur Zeit noch eine sehr geringe, dennoch seien die hier in Betracht kommenden Infektionskrankheiten unter Hinweis auf die Litteraturquellen kurz er- wähnt. Zu ihnen gehört zunächst, wie bereits oben erwähnt, das Virus der Maul- und Klauenseuche, welches nach den Untersuchungen von LöFFLER & Frosch ^'^, sowie Nocard & Leclainche^84^ Berkefeld- Filter passiert, KiTASATO-Filter dagegen nicht. Näheres über die Eigen- schaften des noch unbekannten Erregers siehe in dem Kapitel »Immu- nität bei Maul- und Klauenseuche« (Bd. IV). Weiterhin ist filtrierbar der Erreger der afrikanischen Pferdesterbe (Horse sickness). Es ist dies eine Seuche, welcher ein großer Teil der nach Südafrika eingeführten Pferde erliegt, wenn die Tiere während der Nacht im Freien bleiben. Aus dem Umstände, dass Stalltiere von der Krankheit verschont bleiben, schließt man, dass die Uebertragung des Infektions- stoffes durch Nachtinsekten erfolgt. Der Tod der infizierten Pferde erfolgt unter hohem Fieber und Lungenerscheinungen. Der Erreger findet sich in der reichlich abgesonderten serösen Flüssigkeit der Lungen, im Koujunktivalsekret und im Blut. In letzterem hält er sich, wie NocARD feststellte, bei Aufbewahrung in zugeschmolzenen Pöhrchen 2 Jahre 4 Monate virulent. Das Virus der Pferdesterbe kann nach No- CARD185 Berkefelü- Filter passieren, nicht aber Chamberland- Filter Sorte F. Mac Fadvean^sb stellte fest, dass auch diese Filter von den in Rede stehenden Mikroorganismen durchdruugen werden können, wenn starkverdüunte seröse Flüssigkeit der kranken Lungen oder Blutserum- mischung benutzt wird, dass dagegen CiiAMBERLAND-Filter Sorte B nur nach Verdünnung mit der 30 fachen Wassermenge passiert werden. Da- nach würde also der Erreger der Horse sickness noch kleiner sein, als diejenigen der Febris aphthosa und der Binderperipneumonie. — Die früheren Behauptungen EdingtonsI", welcher einem ovalen Bakterium (»Bacillus oedemamyces«) eine ätiologische Bedeutung für die Pferdesterbe zuschrieb, sind demnach hinfällig. Ferner gehört höchstwahrscheinlich hierher das Virus myxomateux. Sanarelliiss beobachtete bei Kaninchen eine eigenartige Infektionskrank- heit, welche mit einer Eiterung der Bindehäute begann und in deren Ver- laufe sich öderaatöse Schwellungen und Entzündungen des Kopfes, des Anus, der Genitalien und einzelner Hautstelleu einstellten. Die Hautverän- derungen steigerten sich bis zur Bildung von Geschwülsten, welche aus Mikroorganismenbefunde bei anderen Infektionskrankheiten. 911 myxomatösem Gewebe bestanden. Die Seuche führte am 5. Tage zum Tode der erkrankten Tiere. Die Krankheit lässt sich durch Injektion geringster Mengen Bhit oder Gewebesaft von kranken Tieren auf gesunde übertragen. Mikroskopisch und kulturell sind Bakterien nicht nach- gewiesen. Filtrationsversuche sind anscheinend noch nicht vorgenommen worden. Nach den bereits bei Besprechung der Mikroorganismenbefunde bei Gelbfieber erwähnten Versuchen von Reed, Carroll und Agramonte ist auch der spezifizierte Erreger dieser Krankheit ein »unsichtbares« Bakterium. Die amerikanischen Forscher stellten fest, dass nach In- jektion von 1/2 ccm völlig bakterienfreien Serums Gelbfieberkranker bei Gesunden nach der normalen Inkubationszeit typische Anfälle dieser Krankheit auftreten, dass aber durch Erhitzung des Serums auf 55" C während 10 Minuten die Erreger abgetötet werden. Verdünntes Serum Gelbfieberkranker, welches ein Berkefeld- Filter passiert hatte, war ebenfalls fähig, die Krankheit zu übertragen. Dass vielleicht auch das Rinde rpestvirns zu dieser Art von Krankheitserregern zu rechnen ist, wurde bereits erwähnt. Ueber die Erreger der Peripneumonie der Rinder und der Geflügelpest, welche ebenfalls filtrierbar sind, ist an anderen Stellen dieses Handbuches (Bd. III, Kap. XVII und XXVI) berichtet worden. BoRREL^s^ stellte fest, dass auch der Inhalt von Schafpocken- pusteln, mit sterilem Wasser verdünnt, noch virulent ist, nachdem er BERKEFELD-Filter passiert hat. Sämtliche Untersuchungsmethoden führten auch hier zu keinem positiven Nachweise von Bakterien. Roux^^o glaubt auf Grund dieser Befunde und der vielfachen Analogieen zwischen den Schafpocken einerseits und den Kuhpockeu, sowie der Variola des Menschen andererseits, dass vielleicht auch die spezifischen Erreger dieser Krankheiten zu den filtrierbaren und bisher nicht sichtbaren Mikroorganismen gehörten, ja dass sogar, weil das Schafpockenvirus in den Lungen der erkrankten Tiere Epithelwucherungen bis zur Bildung adenomatöser Tumoren hervorruft, auch das spezifische Virus des Karzi- noms möglicherweise hierher gehört. Schließlich sind noch zu dieser Gruppe von Krankheitserregern zu zählen die Erreger des Molluscums der Vögel (Marx & Sticker i^i) und des Mosaique du tabac (Beijerinck^s^ und Ivanowski i^^). Lltteratur. 1 Canon & Pielicke, Berl. klin. Woch.. 1892, S. 377. — 2 Czajkowski, Centralbl. f. Bakt, Bd. 18, Nr. 17—18. — 3 Barbier, Sem. med., 1897, Xr. 37. - 4 Giakrk & PiccHi, Med. 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Organ. 96 Abszessbildung durch Diplococcus pneum. 221 — 222 Drusestreptoc. 733 Gonococcus 182 Influenzabac. 395 Microc. meningit. 276 Staphyloc. 125-127. 129. 131—132. 134—139 Streptococcus 323 Acne contagiosa equorum 824 — 825 Adnexe Erkrankung der weibl. durch Gonokokken 175. 179. 180 Aerogenes-Bazillose der Kälber 777—778 Actio logie der Cholera asiat. 15 Druse 730 Erysipel 320—322 Gonorrhoe 151 — 152 Influenza 365—366. 372 Madurafuß 455—457 Maltafieber 441 Mäusetyphus 742 Meningitis 266—267 Orientbeule 447—452 Peripneumonie der Kinder 702 Pneumonie 250—251 Rhinosklerom 422—423 Rotlauf 714 Rückfallfieber 75 Schanker 430 Aetiolog. Bedeutung des Coccus Duclaux 448 Microc. catarrh. 146 Affe Empfänglichkeit für Bacillus Ducrey 431. 432 Influenza 378 Microc. melit. 443 Pseudotuberkulose 753 Spirochaete Obermeieri 76. 97—99 Agalaktie infektiöse s. Euterentzün- dungen Agar Wachstum des Bacill. pseudotubercul. 753. 755. 756 suipestifer 627 suisepticus 586 — 588 Choleravibrio 20. 45 Diplobacillus Morax 512 Diplococcus pneum. 200 Gonococcus 165. 166 Kapselbazillen 875 Madurapilz 458-461 Mäusetyphusbac. 743 Micrococcus catarrh. 146 melitens. 441 meningit. 269. 273 Peripneumonie-Erreger 700—701 Pyocyaneus 472 Rhinosklerombac. 416 Rotlaufbac. 716 Staphylokokken 110 Streptokokken 311—312. 735 S. auch Blutagar, Glycerinagar, Milch- agar, Milzagar, Serumagar, Traubenzuckeragar. Agar-Gelatine Züchtung des Rhino- sklerombac. auf 415 Agglutination des Bacillus Ducrey 436 Choleravibrio 38. 40. 45—46 Diploc. pneum. 199. 208 Micrococc. melit. 444 meningit. 272 Rhinosklerombac. 420—421 Aktinomykose d. Fußes s. Madurafuß der Thränenröhrchen 558—559. 564 Aleppobeule s. Orientbeule Alk aleszenz -Anforderungen des Bac. suipestifer 628 Bac. suisepticus 587 — 588 Choleravibrio 22 Diplobac. Morax 513 Diploc. pneum. 202 Drusestreptoc. 734 Gonococcus 165 Kapselbazillen 877 Mäusetyphusbac. 743 Microc. meningit. 270 Staphylococcus 109 Streptococcus 309 Alkalien Wirkung auf Spiroch. Ober- meieri 95 *) Bearbeitet von Stabsarzt Dr. Hetsch. 58* 916 Sachregister. Alkohol Wirkung auf Bac. suisept. 593 Spiroch. Obermeieri 95 Staphylokokken 114—115 Alkoholismus: Rolle bei Entstehung der Meningitis 293 Allgemeininfektion durch Bac. Ducrey 435 suipestifer 650—653 suisept. 606—609 Diploc. pneum. 206. 210 Drusestreptoc. 733. 737 Gonococcus 180 Influenzabacillus 394 — 395 Kapselbazillen 889-890 Pyocyaneus 484—487 Staphylokokken 130-131. 133—134. 137 Streptokokken 343—345 Ammoniak Bildung durch Staphylo- kokken 117 Wirkung auf Streptokokken 317 Amöben bei Lyssa 898 Amyloid durch Staphylokokken 125 Angina Influenzabaz. bei 387 Kapselbazillen bei 884 Staphylokokken bei 132 Streptokokken bei 330—332 andere Bakterien 331 A n i 1 i n f a r b e n Wirkung auf Staphylo- kokken 115 Anilinwasser-Fuchsin zur Färbung von Spirochaete Obermeieri 86 Anilinwasser -Gentianaviolett zur Färbung von Gonokokken 158 Microc. melitens. 442 Spiroch. Obermeieri 86. 87 Anilinwasser -Safranin zur Färbung von Rhinosklerombaz. 415 Anleitung zur bakt. Feststellung der Cholerafälle 32. 42-47 Anreicherungsverfahren für Cho- leravibrionen 34. 43 Antagonismus und Symbiose Bac. Koch-Weeks 498—499 Diplobac. Morax 513 Spirochaete Obermeieri 95 Staphylokokken 111 Streptokokken 349. 353. 375-376 Antiseptica Wirkung auf Bac. suipestifer 635—637 Bac. suisept. 593 Choleravibrio 23 Gonococcus 169 — 172 Influenzabac. 377 Kapselbazillen 877 Microc. meningit. 271 Spirochaete Obermeieri 94 Staphylokokken 113—116 Streptokokken 316—317 Antistreptokokkenserum Wirkung bei Druse d. Pferde 740—741 bei Eiterungen der Haustiere 803—805 Aphthenseuche s. Maul- und Klauen- seuche iffe'nt'niUic ' Wirkung auf Gono- Arlonin I kokken 170-171 Aronsons Antistreptokokkenserum bei Druse der Pferde 740 Arthrosporen bei Drusestrepto- kokken 731 Ascit es -Flüssi2:keit zu Nährböden für Bac. Koch-Weeks 497 für Gonokokken 162. 167 für Streptokokken 310 Aspergillus bei Erkrankungen der Hornhaut 571—572 Aspirationspn eumon ie 244 — 247 Augenentzündung ägyptische s. unter Conjunctivitis Augenerkrankungen durch Kapsel- bazillen 888 Aurantia zur Färbung von Staphylo- kokken 106 Austrocknung Wirkung auf Bac. Koch-Weeks 500 pseudotuberc. rodent. 753 suipestifer 633—634 suisepticus 592 Choleravibrio 22 Diplobac. Morax 515 Diploc. pneum. 203—204 Gonococcus 169 Influenzabacillus 376 Microc. meningit. 271. 273 Staphylococcus 112 Streptococcus 316 — 317 Autoinfektion bei Meningitis 297 bei Pneumokokkenconjunctivitis 523 Bacillus aeris minutissimus 503 aerogenes 879 aerogenes meningitidis 291 aureus minutissimus 503 avisepticus als Erreger von Euterent- zündungen bei Haustieren 860 buccalis muciterens 881 coli immobilis 880 crassus pyogenes bovis 808 Ducrey: ätiolog. Beden t. 430 Agglutination 436 Allgemein infekt. durch 435 Färbbarke it 430—431 Geschichtliches 430 Kettenbildung 432—433 Keulenform 433 Kultur 431-433 .Menschenpathogenität 430 Morphologie 430—431 Polfärbung 430. 432 Resistenz 433. 436 Tierpathogenität 431. 435—436 Virulenz 433. 435 enteritidis als Pneumonieerreger 238 fluorescens liquefaciens als Antajjo- nist des Staphylococcus 111 fluorescens putidus 111 haemoglobinophilus canis 407 Sachregister. 917 [Bacillus] icterogenes capsulatus 890 icteroides Sanarelli 905 Koch-Weeks: Diagn. u. Difter.-Diagn. 502—503 Fäibbarkeit 496 Geschichtliches 490—492 Horuhauterkrankung durch 569 Involutionsforinen 499 Kultur 497—499 Latenz im Org. 497—502 Menschenpathogenität 501 Morphologie 495. 499 Polfiirbung 495 Resistenz 499—501 Sauerstoff-Anford. 499 Systemstelhing 506—507 Temp.-Anford. 497 Tierpathogeuität 501 Toxinbildung 501-502 Uebertragung 500—501 Verbreitung 492 lactis innocuus 879 liquefaciens pyogenes bovis 808 mesentericus als Erreger von Euter- entzündungen bei Haustieren 860 mucosus capsulatus 884 als Conjunctivitiserreger 539 murisepticus Beziehung z. Rotlauf- bac. 717—718 pertussis Eppendorf 406. 899 pestis bovinae 909 phlegmasiae uberis 852 pneumoniae Friedländer als Meningitiserreger 267. 287 als Pneumonieerreger 196. 233 bis 234. 246 Sj'stemstellung 879. 882 pseudocoujunctivitidis 503 . pseudotuberculosis murium 755 pseudotuberculosis ovium 756 — 758 pseudotuberculosis rodentium 752 bis 754 pyelonephritidis bovis 809 pyocyaueus s. Pyocyaneus pyogenes bovis 809. 817—819. 821 bis 823 pyogenes tbetidus als Erreger von Euterentzündungen der Haus- tiere 823 pyogenes suis 819—823 sputigenes crassus 881 subtilis als Conjunctiv. -Erreger 541 suipestifer: Alkaleszenz-Anford. 628 Allgemeininfekt, durch 650 — 653 Eigenbewegung 625—626 Eintrittspforten 652—655 als Erreger von Euterentzün- dungeu bei Hanstieren 860 Färbbarkeit 623—625 Gärwirkungen 629 — 631 Geißeln 626 Geschichtliches 622 Kettenbildnng 623 Kultur 626—632 [Bacillus suipestifer Morphologie 623 Polfärbuug 623—625 Resistenz 633 — 637 Sauerstotf-Anford. 626 Sporenbildung 626 Systemstellung 622 Temperatur-Anford. 627 Tierpathogeuität 637 — 654 Toxinbildung 632-633 Varietäten 660—662 Virulenz 653—655. 660 suisepticus Alkalenszenz - Anforder. 687—688 Allgemeininfekt, durch 606—609 Eigenbewegung 585 Färbbarkeit 584—585 Geschichtliches 583 Involutionsformen 585 Kultur 586-590 Latenz 619—621 Menschenpathogenität 600. 619 Morphologie 583 Polfärbung 584—585 Resistenz 591 — 593 Sauerstoff-Anford. 586 Sporenbildung 586 Temperatur-Anford. 586 Tierpathogeuität 583. 593—619 Toxinbildung 590—591. 606 Uebertragung 620 Variabilität 584 Virulenz 593 typhi murium s. Mäusetyphus- bacillns X Sternberg 905 Backsteinblattern der Schweine 712. 717 Bacterium coli commune bei Erkrank, der Hornhaut 568 bei Erkr. der Thränenorgane 555 als Eitererreger b. Haustieren 823 als Euterentzündungserreger bei Haustieren 852 als Meningitiserreger 267. 288 bei Nabelinfektionen der Kälber 762—763 als Pneumonieerreger 196. 237 Bact. pneumoniae s. Diplococc. pneumon. suicidum s. Bac. suisepticus Baktericidie des Lungensaftes, Rolle bei Pnenmonieen 241. 245 Bakteriolyse der Choleravibrionen 46—47 Bazillenbefunde bei Beri-Beri 906 bei Flecktyphus 895 bei Gelbfieber 905 bei Gelenkrheumatismus 901 bei Keuchhusten 898—899 bei Lyssa 897—898 bei Masern 893-894 bei Maul- tmd Klauenseuche 908 bei Noma 904 bei Rinderpest 908—909 bei Schlafkrankheit 907 bei Syphilis 900 bei Variola 895 918 Sachregister. Bazillen des seuclienhaften Abortus der Kinder 828-832 Bekämpfung der Mäuseplage nach Lüffler 747—748 s. auch unter Prophylaxe Biologie des Bac. Ducrej^ 431—434 Bac. Koch-Weeks 497-500 Bac. suipestifer 626—633 Bac. suisepticus 586 — 591 Choleravibrio 18—24 Gonococcus 161 — 169 Infliienzabacillus 367 — 377 Mäusetyphusbac. 743—744 Microc. catarrh. 146. 235 Microc. melitensis 441—443 Microc. meningit. 269 Peripneumonie -Virus 702 — 704 Pyocyaneus 472—473 Ehinosklerombac. 415 — 419 Rotlaufbac. 714—718 Spiroch. Obermeieri 84—86 Staphylococcus 117 — 124 Streptococcus 313—318 Biskrabeule s. Orientbeule Bismarck braun s. Vesuvin Blasenkatarrh s. Cystitis Blastomyceten bei Lyssa 898 bei Variola 897 Blennorrhoe s. Conjunctivitis Blephar oconj unctivitis durch Diplobac. Morax 510 Blut Verhalten der Spirochaete Ober- meieri im 88—92 Blutagar Wachstum des Bac. Ducrev 432 Bac. Koch-Weeks 498 Diplobac. Morax 512 Diploc. pneum. 201 Gonococcus 163 Influenzabacillus 368—370 Micrococcus catarrh. 146 Micrococcus meningit. 269 Staphylococcus 110 Blutbouillon Wachstum des Bac. Koch-Weeks 498—499 Influenzabac. 375 Blutegel Konservierung der Spiroch. Obermeieri im 96 Blutserum Wachstum des Bac. pseudotuberc. rodent. 753 Bac. suipestifer 627 Bac. suisept. 587 Choleravibrio 20 Diplobac. Morax 512 Diploc. pneum. 201 Drusestreptoc. 734 — 735 Gonococcus 161 Staphylococcus 109. 110 Streptococcus 310 Boraxkarmin zur Färbung der Spirochaete Obermeieri 87 Borax-Methylenblau zur Färbung von Gonokokken 161 Bor nasche Krankheit der Pferde 282 Botryococcus ascoformans als Erreger von Euterentzünd. bei Haustieren 860 Kultur 798 Morphologie 797—798 Systemstellung 800—801 Tierpathogenität 799 Botryo mykose d. Haustiere 795 — 801 des Menschen 801—802 des Stuteneuters 868 Bouillon Wachstum des Bac. pseudotuberc. murium 755 Bac. pseudotuberc. ovis 756 Bac. pseudotuberc. rodent. 753 Bac. suipestifer 627 Bac. suisept. 586—588 Choleravibrio 20 Coccus Duclaux 447 Diploc. pneum. 201 Drusestreptoc. 735 Gonococcus 161 Kapselbazillen 876 Madurapilz 457. 464 Mäusetyphusbac. 744 Microc. catarrhal. 146 Microc. melit. 441—442 Microc. meningit. 270. 273. 274 Pyocyaneus 472 — 473 Ehinoskleroüibac. 415 Kotlaufbac. 716 Staphylococc. 109 Streptococe. 308—310 s. auch Blutbouillon, Milzbouillon, Serumbouillon, Traubenzucker- bouillon Brechdurchfall Kapselbazillen bei 888 Bronchitis Diploc. pneum. bei 216. 224—225 Microc. meningit. bei 276. 278. 281 Bronchopneumonie Entstehung 245 Kapselbazillen bei 883 Microc. catarrh. bei 146 Pyocyaneus bei 484—486 s. auch Pneumonie Brustbeule der Haustiere 796. 801 B r u s t s e u c h e der Kaninchen 405 der Pferde 347 Brustseiichecoccus Beziehg. z. Drusestreptoc. 738 — 740 Ceratitis s. Keratitis C h a 1 a z i 0 n 552 — 554 Chemikalien s. Antiseptica. Chemotaxis bei Bac. Ducrey 435 Rotlaufbac. 723 Staphyloc. 135 Streptoc. 307 Chinin Wirkung auf Spiroch. Ober- meieri 95 Cholera Aetiologie 15 Epidemiologie 53—64 Sachregister. 919 [Cholera] Geschichtliches 1 — 13 • Inkubationszeit 31 Klin. Erscheinungen 32. 49—51 Laborat.-Infeivtionen 30—31 Mischinfektionen 14 Prophylaxe 64—67 Sektionsbefimcl beim Menschen 14 bis 15 b. Versuchstieren 26. 28 Choleraähn liehe Vibrionen 67—72 in Peptonwasser-Vorkultur 37 Cholera nostras 31 Cholera-Rotreaktion 21. 35 Choleratyphoid 15 Choleravibrio: ätiolog. Bedeutung 15 Agglutination 38. 40. 45-46 Alkaleszenz-Anforderung 22 Biologie 18—24 Diagn. u. Differ.-Diagn. 31 — 47 Eigenbewegung 16 Eintrittspforten 60 Fadenbildung 16 Färbbarkeit 18. 32 Geißeln 16 Involutionsformen 17 Kultur 18—22 Menschenpathogenität 30 — 31 Morphologie 16 — 18 Eesistenz 17. 22—24 Sporenbildung 17 Temperatur-Anforderung 22 Tierpathogenität 24—29 Toxinbildung und -Wirkung 32. 50. 5j^ gß Virulenz 28—29 Chorea Rolle des Streptoc. bei 326 Chloroform Wirkung auf Bac. suisept. 593 Influenzabac 377 Spiroch. Obermeieri 95 Staphyloc. 114 Chlorzink Wirkung auf Bac. suipestifer 636 Chronische Form: der Gonorrhoe 177—178 der Influenza 396—401 der Peripneumonie d. Rinder 688—689 des Rotlaufs 712 der Schweineseuche 613 C h r y s 0 1 d i n zur Färbung von Staphyloc. 106 Chyoryphe Carteri als Erreger des Madurafußes 455 Coccus Duclaux: ätiolog. Bedeutung 448 Farbstoflfbildung 448 Kultur 447—448 Morphologie 447 Tierpathogenität 447—449 Coccus salivarius septicus 141 Colibazillose d. Kälber 765. 771—777 Conjunctiva Vorkommen von Diploc. pneum. 208. 517—518 Gonococcus 175 Staphylococcus 116 Conjunctivitis durch Bac. Kocli-Weeks 490—507 Bac. pneumon. Friedländer 526. 539 bis 540 Bact. coli comm. 526. 532. 536 Diphtheriebacillus 525 — 528 Diplobazillen 508—517 Diploc. pneum. 224. 228. 249. 517 bis 524. 532 Gonococcus 526. 530 — 534 Influenzabacillus 503 — .506. 532 Micrococcus meningitidis 281. 526. 537—538 bei Neugeborenen 531. 535. 536; durch Ozaenabacillns 538 — 539 pseudomembranosa 524 — 529 scrophuiosa (phlyctaenulosa, ekzema- tosa) 542 — 545; durch Staphylokokken 128. 130. 526. 532. 535 53g Streptokokken 525. 527—529 Xerosebazillen 525, 528 Cornea Erkrankungen durch Bakterien 566—570. 573—575 Pilze 571—573 Corynethrix pseudotuberc. murium 755 Cryptococcus xanthogenicus 904 C y s t e n f 1 ü s s i g k e i t als Nährboden für Bac. Koch-Weeks 497 Gonococcus 162 Cystitis durch Diploc. pneum. 224. 227. Gonococcus 176 Kapselbazillen 888 Staphyloc. 128. 133 Cytoryctes vaccinae 896 Czaplewskis Keuchhustenbacillus 899 r> Dacry ocystitis durch Kapselbazillen 888 Dahlia zur Färbung von Gonokokken 157 Spiroch. Obermeieri 86. 87 Darmbakterien als Antagonisten d. Staphylococcus 111 Darmerkrankungeu durch Choleravibrio 14 — 15 Influenzabac. 395 — 396 Kapselbaz. 888 Pyocyaneus 484 Staphyloc. 132 Darmkanal Vorkommen von Kapselbac. 888 Pyocyaneus 483 Rotlaufbac. 718 Staphyloc. 116. Streptoc. 336. Degenerationsformen s. Involu- tionsformen. Desinfektionsmittel s. Antiseptica. Diarrhöen bei Cholera 14. 50—51 bei Influenza 395—396 mo Sachregister. Diagnostik und Differential-Diagno- stik des: Bac. Koch-Weeks 502—503 Choleravibrio 31—47 Diplobac. Morax 516 Diploc. pneiiiu. 251—255 Inäuenzabac. 371. 380 Kapselbazillen 879-881 Madurapilz 459-466 Microc. meningit. 300—302 Pseudotuberkelbac. 759—760 Rotlaufbac. 725-726 Streptoe. 333 Diphtherie Rolle der Streptokokken bei 328 bis 329 Diphtheriebacillus bei Erkrankungen der Hornhaut 570 als Meningitiserreger 267 als Pneumonieerreger 196. 236. 246 Diplobacillus liquefiant (Petit 512. 515. 516. 573 bis 574 Morax : Alkaleszenz-Anforderung 513 Diagnostik 516 Eigenbewegung 514 bei Erkrankungen der Hornhaut 569 Färbbarkeit 511. 514 Involutionsformen 514 Kapselbildung 512 Kettenbildung 511 Kultur 512—514 Latenz im Org. 515 Menschenpathogenität 515 Morphologie 511. 514 Polfiirbung 511 Resistenz 515 Symbiose 513 Temperatur-Anford. 512 Tierpathogenität 514 Diplobazillen-Conjunctivitis s. unt. Conjunct. Diplococcus exanthematicus 895 intestinalis major u. minor 339 lanceolatus s. pneumoniae intercellularis meningitidis s. Microc. meningit. pneumoniae: Agglutination 199. 208 Alkaleszenz-Anfurd. 202 Allgemeininfekt. durch 206. 210 Diagnostik 251 — 255 Eigenbewegung 198 Färbbarkeit 251—252 Farbstoffbildung 202 Geißeln 198 Geschichtliches 191—195 Involutionstbrmen 199 Kapselbildung 198. 206 Latenz im Org. 208. 249. 517 bis 518 als Meningitis Erreger 267. 283 bis 285 Metastasenbildung 249 Morphologie 197 pDiplococcns pneumoniae] Kultur 200—202 als Pneumonie-Erreger 209 — 214 Resistenz 203—204. 243 Sauerstolf-Auford. 200 Säurebildung 202 Sporenbildung 198 Temperatur-Anford. 200 Tierpathogenität 205—206 Toxinbilduug u. -Wirkung 205 UebertraguDg 211. 248. 284. 522 Variabilität 197. 206-208 Verbreitung 208 Verhalten im Org. 208—228 Virulenz 204— 20o. 249. 523. scarlatinae 894 zymogenes 142 D i p 1 o k 0 k k e n - F 0 r m d. Staphyloc. 108 Disposition individuelle bei Cholera 31 Conjunctivitis 502. 522 Erysipel 321 Gonorrhoe 181 Meningitis 293 Pneumonie 241 Trachom 549—550 örtliche bei Cholera 56 Meningitis 298 Trachom 549 — 550 Rassen-D. bei Rotlauf 720—721 zeitliche bei Cholera 56 Meningitis 298 Pneumonie 242 Distelfink Empfänglichkeit für Hühnerpest 848 Doppelfärbung s. Kontrastfärbung Druse der Pferde 346-347. 729—741 Epidemiologie 738 Geschichtliches 729—730 Mischinfektiouen 733 Serumtherapie 740 — 741 Drusestreptococcus Alkaleszenz-Anford. 734 Allgemeininfekt. durch 733. 737 Eintrittspforten 738 Färbbarkeit 733—734 Kettenbildung: 730—731 Kultur 734—736 Metastasenbildung 732—733. 737 Morphologie 731—732 Resistenz 737 Sauerstoff-Anford. 734 Temperatur-Anford. 734 Tierpathogenität 736—737 Uebertragung 738 placentare 733 Variabilität 731 Verbreitung 732—733 Ducreys Schaukerbac. s. Bacill. Dncrey Dyadenform des Staphyloc. 107 E i als Nährbd. für Choleravibr. 20—21 E id otter-Agar zur Züchtung des Gonococcus 164 Sachregister. 921 Eigelb zu Nährb. für Inliuenzabac. 37ö Eigenbewegung des : Bac. pseudotuberc. rodent. 752 Bac. suipestifer 625 — 626 Bac. suisepticus 585 Choleravibrio 16 Diplobac. Morax 514 Diploc. pneum. 198 Gonococcus 155. 168. Kapselbazilleu 872 Mäusetyphusbaz. 743 Micrococcus melitens. 441 Micrococcus meningit. 268. 274 Pyocyaneus 472 Rotlaufbacillus 716 Spirochaete Obermeieri 82. 90 Staphylococcus 105. 143 Eintrittspforten des Bac. pseudotuberc. ovis 758 Bac. pseudotuberc. rodent. 754 Bac. suipestifer 652. 655 Choleravibrio 60 Drusestreptoc. 738 Influenzabac. 380. 387. Meningitiserreger 281. 292 Pyocyaneus 487 Kotlaufbac. 719. 722 Staphj'lococcus 130. 137 Streptococcus 334 Eisenchlorid Wirkung auf Streptococcus 317 Eintrocknung s. Austroeknung Eiterungen der Haustiere im allg. 786 — 826 des Kaninchens 825—826 Kapsplbazillen bei 884. 890 des Rindes 805-819 des Schweines 819--821 Ekzeme durch Staphylokokken 130—131 der Haustiere durch Streptok. 792 Elektrizität Wirkung auf Staphylok. 112 Empfänglichkeit des Menschen s. Menschenpathogenität der Tiere s. Tierpathogenität Empyem durch Diplococc. pneum. 226 Kapselbazillen 888 Staphylokokken 132 Encephalitis durch Influenzabaz. 389. 391 — 395 Microc. meningit. 276 Endocarditis durch Diploc. pneum. 217. 227. 250 Drusestrept. 733 Gonococcus 180 — 182 Kapselbazillen 890 Pyocyaneus 485 Kotlaufbac. 712. 713. 724 Staphyloc. 126. 132. 137. 138 Streptoc. 326 Endometritis durch Streptoc. 340 Ente Empfänglichkeit für Hühnerpest 848 Spirochaete anserina 104 Enteritis s. Gastroenteritis Entnahme choleraverdäthtigen Mate- rials 47 — 48 Eos in bei Färbung von Gonokokken 156 Spirochaete Obermeieri 87 Staphylokokken 106 Epidemiologie der: Cholera 53-64 Druse 738 Erysipel 322 Influenza 363-364. 376—377 Meningitis 297—300 Peripneumonie der Rinder 683 Pneumonie 247 — 249 Pseudotuberkulose der Schafe 757 Rotlauf 724-725 Schweinepest 579—582. 663 Schweineseuche 579-582. 613. 663 Epididymitis gonorrhoica 179 Erde Haltbarkeit des Bac. suipestifer in 635 Erkältung Rolle bei Entstehung von Coujunctivitis 523 Meningitis 266. 293 Pneumonie 241—242 Erysipel Aetiologie 320—322 Epidemiologie 322 Geschichtliches 318—319. Inkubationszeit 319 Staphylokokken bei 131. 134 Wirkung auf maligne Tumoren 349 Esel Empfänglichkeit für Spirochaete Obermeieri 98 Staphylok. u. Streptok. 792 Eselserum als Nährbd. für Streptococcus 310 Essigsäure bei Gonokokkenfärbung 156. 161 Euterentzündungen hämatogene 864 der Haustiere im allg. 850—868 der Kuh 851—865 lymphogene traumatische 865 des Schafes 866-867 des Schweines 868 der Stute 867—868 der Ziege 865-866 E X k r e t e Spirochaete Obermeieri in 91 — 92. 97 F Fadenbildung des Choleravibrio 16 Influenzabac. 367. 375 Rhinosklerombac. 415 s. auch unter Kettenbildung Faeces bei Cholera asiatica 14.50—51 Untersuchung auf Chol.-Vibr. 32. 42 bis 45 Färbbarkeit des: Bac. Ducrey 430—431 Bac. Koch-Weeks 496 Bac. pseudotuberc. mur. 755 ovis 756 rodent. 752 922 Sachregister. [Färbbarkeit des^ Bac. suipeh^tifer 623—625 Bac. suisepticus 584—585 Choleravibrio 18. 32 Diplobac. Morax 511. 514 Diploc. pneum. 251 — 252 Drusestreptococcus 733 — 734 Gonococcus 153. 156 — 161. 168 Influenzabac 366 — 367 Kapselbazillen 873 Madurapilz 456—458 Mäusetyphusbac. 743 Microc. catarrh. 146. 235 Microc. melitens. 441 — 443 Microc. inening. 268 — 269 Peripneumonievirus 701 Rhinosklerombacillus 414 — 415 Rotlaufbacillus 714 Spirochaete Obermeieri 86 Staphylococcus 105 — 108 Streptococcus 308 Farbstoffbildung des Coccus Duclaux 448 Diploc. pnenin. 202 Microc. meuinsit. 273—274 Pyocyaneus 472 — 475 Staphylococcus 110. 118. 140—142 Streptococcus 315 Fäulnis Wirkung- auf Diploc. pneum. 203 Choleravibrio 23 Staphylococcus 113 Febris aphthosa s. Maul- u. Klauen- seuche recurrens s. Rückfallfieber Fermentbildung u. -Wirkung des Pyocyaneus 475—476 des Staphylococcus 118—121. 125 Fieber durch: Microc. melit. 438 Spirochaete Obermeieri 76 — 78 Staphylok.-Filtrate 123 Filtrier bar keit von Mikroorg.909-911 Fischzug -Lagerung der Choleravibr. 32 Flecktyphus Mikroorg.-Bef. bei 895 Fleischbrühe s. Bouillon Fliegen als Ueberträger des Bac. Koch- Weeks 501 Floh als Ueberträger der Spiroch. Obermeieri 97 Fluoresz in -Bildung durch Pyocyaneus 474—475 Folgezustände der Influenza 385 Formaldehyd Wirkung auf Bac. suipestifer 636 Microc. meningit. 271 Staphylococcus 115 Frank eis Nährlösung Wachstum des ' Staphylococcus in 108 Frosch Empfänglichkeit für Staphylokokken 129 Fruchtwasser Wachstum des Staphylococcus in 109 Fuchs Empfänglichkeit für Spirochaete Obermeieri 98 Staphylococcus 134 Fuchsin zur Färbung von Bac. suisepticus 584 Gonococcus 156. 159 Influenzabacillus 367 Madurapilz 457 Spirochaete Obermeieri 86 Streptokokken 338 8. auch Anilinwasser-Fuchsin, Karbol- fuchsin, Säurefuchsin Füllenlähme 789-792 Furunkel durch Staphylok. 129. 131 G Galactococcus albus 859 fulvus 859 versicolor 859 Galle Wachstum des Staphylococcus in 109 Galt gelber der Kühe 347. 856 Galvanischer Strom s. Elektrizität Gans Empfängliclikeit für Hühnerpest 848 Spirochaete anserina 101 — 104 Spirochaete Obermeieri 98 Staphylokokken 134 Gärwirkung des Bac. suipestifer 629—631 der Kapselbazillen 876 Gasphlegmone-Bac. als Meningitis- Erreger 290 Gastroenteritis durch Kapselbazillen 888 Pyocyaneus 484 Streptokokken 337—339 Geflügelpest s. Hühnerpest Gehirnerkrankungen durch Influenzabaz. 389 — 395 Staphylok. 126. 133 Gehirnsubstanz als Nährbd. für Diploc. pneum. 202 Geißeln des Bac. pseudotuberc. rodent. 752 Bac. suipestifer 626 Choleravibrio 16 Diploc. pneum. 198 Mäusetyphusbac. 743 Pyocyaneus 472 Spirochaete Obermeieri 82 Streptococcus 308 Gelatine Wachstum des Bac. pseudotuberc. mur. 755 Bac. pseudotuberc. rodent. 752—753 Bac. suipestifer 627 Bac. suisepticus 586 — 588 Choleravibrio 18-19. 35. 40. 45 Diploc. pneum. 200 Druse-Streptococcus 735 Gonococcus 161 Kapselbazillen 874-875 Madurapilz 458. 463 Mäusetyphusbac. 743 Microc. catarrhal. 146 Microc. melitens. 441—443 Microc. meningit. 273—274 Pyocyaneus 472 Sachregister. 923 [Gelatine Wachstum des" Rhinosklerombac. 410 — 416 KotlaufbMC. 715—716 Staphylococcus 110 Streptococcus 312 s. auch Agargelatine, Traubenzucker- gelatine Gelbfieber Mikroorgan.-Bef. b. 904-906 Gelenkerkrankungen durch Diploc. pneum. 219-220. 228. 250 Gonococcus 180 Kapselbazillen 890 Microc. meningit. 276. 278 Staphylococc. 126. 127. 132. 134—137 Streptococcus 325 Gelenkrheumatismus Streptokokken bei 325—327. 901—902 andere Mikroorganismen bei 326. 901 Gentian aviolett zur Färbung von Bac. suisepticus 584 Gonococcus 156 Influenzabacillus 367 Ehinosklerombaz. 414 Spirochaete Obermeieri 86 Streptococcus 337 s. auch Anilinwasser-Gentianaviolett, Karbolgentianaviolett Geschichtliches über Bac. Kocli-Weeks 490—492 Cholera 1—13 Diploc. pneum. 191 — 195 Druse 729—730 Erysipel 318—319 Gonorrhoe 148—151 Influenza 359 — 366 Kälberruhr 763—770 Madurafuß 454 — 455 Mäusetyphus 742 Meningitis cer.-sp. 257 — 265 Microc. catarrh. 146 Orientbeule 447 Peripneumonie d. Rind. 682. 694 — 695 Pseudotuberkulose 751 Pyocyaneus 471 Ehinosklerom 408. 414 Rotlauf 714 Rüekfallfieber 75—76 Schanker, weicher 425—426. 430 Schweinepest 576 — 579. 622 Schweineseuche 576 — 579. 583 Staphylokokken 105 Streptokokken 303—304 Geschwür venerisch-kontagiöses s. Schanker Giftbildung u. -Wirkung s. Toxin- bildung u. -Wirkung Glukose zu Nährbd. iür Streptok. 309 Glycerin Wirkung- auf Spir. Oberm. 95 als Zusatz zu Nährböden für Diploc. pneum. 201 Microc. meningit. 269 Rhinosklerombac. 417 Streptokokken 310 Glycerinagar Wachstum des Drusestreptococcus 735 Madurapilz 460 [Glycerinagar Wachstum des] Microc. melitens. 442—443 Microc. meningit. 269. 274 Ehinoskleiombac. 417 Staphylococcus 110 Glykogen AVirkung auf Staphylococcus 115 Gmel in scher Eitererreger der Haustiere 815 Gonococcus Aetiolog. Bedeutung 151 — 152 Alkaleszenz-Anforcl. 165 Allgemeininfekt, durcii 180 Diti'er.-Diag. gegen Microc. meningit. 159—160 Eigenbewegung 155. 168 Färbbarkeit 153. 156—161. 168 Geschichtliches 150 — 151 Immunität gegen dessen Gift 174 bis 175. 177 Involutionsformen 161. 168 Kultur 161—168 Latenz im Org. 178 als Meningitiserreger 291 Menschenpathogenität 173. 175 Metastaseubildung 180—183 Morphologie 152 — 154 Nachweis 172—173 Resistenz 168—172 Sauerstoff- Anford. 167 Tetnperatur-Anford. 161. 167 Tierpathogenität 173 Toxinbild. u. -Wirkung 174. 181. 183 Untersuchung im ungef. Präp. 168 Verhalten im Org. 170—183 Virulenz 177. 180 Gonorrhoe chronische 177 — 178 Geschichtliches 148—151 klinische Erscheinungen 175 — 183 Mischinfektinneu 181 Morbidität und Mortalität 184 Prophylaxe 184—185 Gourme coitale 738 Gram -Färbung bei Bac. Ducrey 431 Bac. Koch-Weeks 496. 499 Bac. suipestifer 625 Bac. suisepticus 585 Choleravibrio 18 Diplobac. Morax 511 Diploc. pneum. 200 Drusestreptoc. 733—734 Gonococcus 157 — 160. 168 Influenzabacillus 367 Madurapilz 457. 458 Mäusetyphusbac. 743 Microc. catarrh. 146. 235 Microc. melitensis 441. 443 Microc. meningit. 269. 273 Rhinosklerombac. 415 Rotlaufbac. 714 Spirochaete Obermeieri 88 Staphylococcus 106 Streptococcus 308 Günthers Färbung der Spirochaete Obermeieri 86 924 Sachregister. II Haarfollikel ;ils Eintrittspforten für Staphylokokken 131 Haltbarkeit des Bac. Koch-Weeks in Wasser 501 Choleravibrio in Wasser 23 in Fäulnisgemischen 23 auf Nahrungsmitteln 24 in Rekonval.-Darm 51. 64 Influenzabac. in Wasser 376 Staphyloc. in Leichen 113 in Wasser 113 Hämatin zu Nährbd. f. Influenzabaz. 376 Hämatogen zu Nährbd. f. Influenza- baz. 375 Hämatoxylin zur Färbung des Madurapilz 456 Staphylococcus 106 Hämoglobin zu Nälirhd. f. Influenza- baz. 369. 375 Hämolysinbildung des Staphylococcus 109.110.116. 121—122 Streptococcus 355 Hämosporidi en bei Beri-Beri 906 Hamster Empfänglichkeit für Mäuse- typhus 745 Harn Spiroch. Obermeieri in 92. 97 Uebertragung von Pseudotub. rod. 754 Rotlauf 722 Wachstum d. Kapselbaz. in 877 Harnagar Züchtg. d. Gonococcus auf 163-164 Harnröhre s. Urethra Hase Empfänglichkeit für Pseudotuberkulose der Nager 753 Haustiere Botryomykose der 795—801 Eiterungen der 786—826 Haut Erkrank, durch Gonokokken 182 bis 183 durch Streptokokken 318—324 Vorkommen von Pyocyaneus 473 Staphyloc. 116. 130—132 Hautbotryomykome d. Haustiere 796 Hefen bei Hornhaut- Erkrank. 572 bis 573 Herzstörungen b. Influenza 389 Hitze Wirkung auf Bac. Koch-A>'eeks 500 Bac. pseudotuberc. rod. 753 Bac. suipestifer 634 Bac. suisepticus 591 — 592 Choleravibrio 23 Diploc. pneum. 204 Gonococcus 169 Influenzabac. 377 Microc. meningit. 271 Rotlaufbac. 716 Spiroch. Obermeieri 93 Staphylococcus 111—112 Streptococcus 318 Hogcliolera s. Schweinepest Hogcholerabacillus s. Bac. suipe- stifer Hornhaut s. Cornea Horse sickness 910 Huhn Empfänglichkeit für Diploc. pneum. 205 Hühnerpest 846-849 Madurapilz 466 Mäusetyphus 745 Pseudotuberk. d. Nager 753 Schweinepest 643 Schweineseuche 583. 598 Spirochaete anserina 104 Spirochaete Obermeieri 98 Staphylokokken 134 Hühnereiweiß Wachstum des Bac. suipestifer in 627 Hühnerpest 846—849 DiÖ'er. -Diagn. gegen Geflügelcholera 848—849 Geschichtliches 846-847 Immunität bei 849 Wesen 846 Hühnerpestvirus 847—848 Tierpathogenität 848 Hund Empfänglichkeit für Bac. pseudotuberc. rod. 754 Bac. suisepticus 598. 619 Choleravibrio 28 Diploc. pneum. 205 Kapselbazillen 878 Madurapilz 466 Microc. meningit. 272 Spirochaete Obermeieri 98 Staphylokokken 129. 134. 793-794 Streptokokken 350. 793-794 Hydrargyr. bichlor. s. Sublimat oxycyanat. \A'irkung auf Gonokokken 170 Staphylokokken 114 Hydrocelen-Fl üssigkeit als Nährbd. f. Bac. Koch-Weeks 497 Gonococcus 162 Hydrogenium peroxyd. s. Wasserstoff- superoxyd Hydrothorax -Flüssigkeit als Nährbd- für Gonokokken 162 Hyphomyceten bei Impetigo contag. 903 Hypnococcus 907 Hypopyonkeratitis- Erreger 566 bis 568. 572—573 Icterus bei Influenza 396 Immunität gegen Conjunctivitis durch Bac.Koch-Weeks 502 durch Diplobazillen 515 durch Diploc. pneum. 521. 523 Druse 729 (Gonorrhoe 174-175. 177 Influenza 401 Peripneumonie der Rinder 691. 703. 706 - 707 Rotlauf 718 Sacbregister. 925 [Immunität ge^enj Trachom 549 Immunsera bei Cliolenidiagnostik 38—40 Eintrocknung 40 Impetigo durch Staphylok. 131 durch Streptok. 324 Impetigo contag. Mikroorg. - Befunde bei 903 Indolbildung durch Bac. suipestifer 631—632 Bac. suisepticus 589—590 Choleravibrio 21. 35 Influenza Aetiologie 365—366 Chronische Form 396 — 401 Diagnostik 380 Epidemiologie 363—364. 376—377 Folgezustiinde 385 Geschichtliches 359—365 Klinische Erscheinungen 380—382. 384—387 Microc. catarrh. bei 146 Mischinfektion 380. 392 Morbidität und Mortalität 385. 399 -Pneumonie 382—387 Prophylaxe 399-401 Sektionsbefund 383 -Typhoid 396 I n f 1 u en z a b a c i 1 1 US Aetiolog. Bedeutung 365—366. 372 Allgemeininfekt, durch 394—395 Diagn. u. Differ.-Diagn. 371 Eintrittspforten 380. 387 Fadenbildung 367. 375 Färbbarkeit 366—367 Geschichtliches 365 — 366 Immunität gegen 401 Involutionsformen 367 Kultur 367-376. 394 Latenz im Org. 388 als Meningitiserreger 267. 288—289 Metastasenbildung 390 Morphologie 366—367 als Pneumonierereger 196. 235 — 236. 246 Polfärbung 367 Resistenz 376—377 Sauerstotf-Anford. 371 Sporenbildung 367. 377 Symbiose mit Staphyl. 111 Temperatur-Anford. 371 Tierpathogenität 377—379. 390 Toxiubildg. u. -wirkg. 378—379. 390 Uebertragung 377. 387 placentare 400 Inhalation s. Tröpfcheninfektion Inkubationszeit bei Cholera 31 Erysipel 319 Maltafieber 438 Orientbeule 446 Peripneumonie der Rinder 684 bis 685 Rotlauf 711. 722 Rückfallfieber 76 Schweinepest 656 Insekten Uebertragung des Rotlaufs durch 722 Riickfallfiebers durch 76. 97—98 Insolation Rolle bei Entstehung der Meningitis 266. 293 Involutionsformen des Bac. Koch-Weeks 499 Bac. suisepticus 585 Choleravibrio 17 Diplobac. Morax 514 Diploc. pneum. 199 Gonococcus 161. 168 Influenzabac. 367 Madurapilz 457 Microc. meningit. 268 Pyocyaneus 472 Rhinosklerombac. 415 Spiroch. Obermeieri 81 Streptococcus 305. 307 Iritis durch Gonokokken 182 Ischias durch Gonokokken 183 Jodj odkalium bei Färbung des Gono- coccus 158 Jodoform Wirkung aiif Bac. suisepticus 593 Staphylococcus 114 Jodsafranin zur Färbung des Rhino- sklerombacillus 415 Jodtrichlorid Wirkung auf Streptokokken 317 Joseph-Piorkowski scher Syphilis- bacillus 900 K Kadaver Uebertragung von Rotlauf durch 722 Kalbe fieber der Rinder 793 Antistreptok. -Serum bei 805 Streptokokken bei 348 Kalb er lähme 792 Kälberruhr 761-784 Geschichtliches 763—770 Infektionsmodus u. Pathogenese 781 bis 783 Klinische Erscheinungen 775—776. 779 Komplik. u. sekund. Infekt. 780 bis 781 Prophylaxe 783—784 Sektionsbefund 776 Kälber sterben 761 — 763 Kalilauge -Rotreaktion des Bac. sui- pestifer 631 Kalium hypermanganicum Wirkung auf Bac. suipestifer 636 Gonococcus 170 Kalk Wirkung auf Bac. suipestifer 636 bis 637 Kalkmilch Wirkung auf Bac. suipestifer 636 Choleravibrio 23 926 Sachregister. Kälte Wirkung auf Bac. Kocli-Weeks 500 Bac. pseudotub. rodent. 753 Bac. suipestifer 634 Bac. suisepticus 592 Gonococcus 1()9 Microc. meningit. 271 Spiroch. Obermeieri 93 Stapbylococcus 112 Streptococcus 318 Kaualwasser Kapselbazillen im 882 Kaninchen Empfänglichkeit für Bac. pseudotuberc. ovis 757 Bac. pseudotuberc. rodent. 753 — 754 Bac. suipestifer 638-642. 663—664 Bac. suisepticus 583. 594 — 596 Botryococcus ascof. 799 Choleravibrio 25—27 Coccus Duclaux 447 Diploc. pneum. 205-206 Drusestreptoc. 737 Gonococcus 173—174 Hühuerpestvirus 848 Influenzabac. 378—379 Kapselbazillen 878 Madurapilz 466 Mäusetyphusbac. 745 Microc. catarrh. 147. 235 Microc. melitens. 444 Microc. meniugitidis 272 Pyocyaneus 476 — 477 Rhinosklerombac. 419—420 Rotlauf bac. 719-720 Spiroch. Obermeieri 98 Stapbylococcus 125—128 Streptococcus 350—354 Kaninchens er um als Nährboden für Streptokokken 310 Kapselbazillen Alkaleszenz-Anford. 877 Allgemeininfekt, durch 889—890 als Antagon. d. Milzbrandbaz. 878 Diagu. u. Diff.-Diagn. 879—881 Eigenbewegung 872 Fiirbbarkeit 873 Gärwirkuugen 876 Kapselbildung 872-873 Kultur 873-877 Latenz im Org. 881 Menschenpathogenität 878. 881—890 Morphologie 872—873 Resistenz 872. 877 Säurebildung 876 Sporenbildung 872 Systemstellung 421—423. 870—872 Tierpathogenität 877—878 Verbreitung 881-882 Kapselbildung des L)iplobac. Morax 512 Diploc. pneum. 198. 206 Kapselbazillen 872—873 Rhinosklerombac. 414 Staphyloeoccus 106—107 Streptococcus 307 Kapselfärbung des Diploc. pneum. 251—252 [Kapselfärbung des Rhinosklerombac. 414 Staphyloeoccus 106 Kapsel kokken in der Orientbeule 449 Karbolfuc hsiu zur Färbung des Bac. Koch-Weeks 496 Bac. suipestifer 624 Choleravibrio 18 Diploc. pneum. 251 Gonococcus 157. 161 Influenzabacillus 366 Madurapilz 457 Microc. melitens. 442 Rhinosklerombac. 414 Spiroch. Obermeieri 86 Karbol - Gentianaviolett zur Fär- bung des Gonococcus 158 Karbol-Methylenblau zur Färbung des Gonococcus 160 der Spiroch. Obermeieri 87 Karbol-Safranin zur Färbung des Rhinosklerombac. 415 Karbol- Thion in zur Färbung des Drusestreptococcus 734 Karbolsäure Wirkung auf Bac. suipestifer 636 Bac. suisepticus 593 Choleravibrio 23 Gonococcus 171 Microc. meningit. 271 Staphyloeoccus 114 — 115 Streptokoceus 316—317 Karmin zur Färbung des Madurapilzes 456 Kartoffel Wachstum des Bac. pseudotuberc. ovis 757 Bac. pseudotuberc. rodent. 753 Bac. suipestifer 628 — 629 Bac. suisepticus 588 Choleravibrio 20 Diploc. pneum. 201 Drusestreptococcus 736 Kapselbazillen 876 Madurapilz 458. 462-463 Mäusetyphusbac. 743 Microc. melitens. 441 — 443 Microc. meningit. 270. 273 Pyocyaneus 473 Rhinosklerombac. 415. 417—418 Staphyloeoccus 110 Streptococcus 312 — 313 Karotten Wachstum d. Rhinosklerom- baz. auf 418 Karzinom Wirkung der Streptokokken auf 349—350 Katze Empfänglichkeit für Bac. Ducrey 432 Bac. pseudotuberc. rodent. 753 Choleravibrio 28 Diploc. pneum. 205 Madurapilz 466 Mäusetyphusbac. 745 Spiroch. Obermeieri 98 Staphyloeoccus 134 Streptococcus 350 Kehlsucht der Pferde s. Druse Sachregister. 927 Keratitis durch Bac. Koch-Weeks 569 Bac. zur Neddens 574 Bac. pneum. Friedläuder 567 Diphtheriebac. 570 Dipiobazillen 567. 569. 573-574 Diploc. pneura. 224. 228. 566-570 Gonococcua 570 Staphylococcus 128. 566 Keratoinalacie durch Kapselbazillen 888 Keratomykosis aspergillina 566. 571 bis 573 Kernfärbung für Staphylokokken 106 Kettenbildung des Bac. Ducrey 432—433 Bac. pseudotnberc. rod. 752 Bac. suipestifer 623 Diplobac. Morax 511 Drusestreptok. 730—731 Microc. melitens. 442 Pyocyaneus 472 Staphylococcus 108 Streptococcus 305 — 306 s. auch unter Fadenbildung Keuchhusten Microc. catarrh. bei 146 bis 147 and.Mikroorg.-Befunde 406. 898—899. Keulenform des Bac. Ducrey 433 Microc. melitens. 442—443 Ehinosklerombac. 418 Streptococcus 306 Kibitzeiagar zur Züchtung des Gono- coccus 164 Klinische Erscheinungen bei Cholera 32. 49-51 Gonorrhoe 175—183 Influenza 380—382. 384-387 Kälberruhr 775—776. 779. Madurafuß 455 Maltafieber 438 Meningitis 276 Orientbeule 446—447 Peripneumonie der Einder 684—686 Pseudotuberk. der Nager 753 des Schafes 758 Rhinosklerom 408^409 Rotlauf 711-713 Rückfallfieber 76-80 Schweinepest 654 — 656 Schweineseuche 601. 609 Knäuelbildung der Spirochaete Ober- meieri im Blut 90 Knochenmarksen tzünduug s. Osteomyelitis Knochen mark Veränderungen bei Rückfallfieber 79 K och-Weeks scher Bacillus s. Bac. Koch-Weeks Kokken bei Beri-Beri 906 Flecktyphus 895 Gelbfieber 905 Gelenkrheumatismus 901—902 Impetigo contag. 903 Keuchhusten 899 [Kokken bei] Lyssa 897 Masern 893-894 Maul- u. Klauenseuche 908 Noma 904 Parotitis infect. 904 Pemphigus neonat. 903 Scharlach 894-895 Schlafkrankheit 907 Skorbut 903 Syphilis 900 Variola 895 Kommabacillus s. Choleravibrio Konservierung von Spiroch. Ober- meieri 86. 95. 96 Kontaktinfektion bei Cholera 60 bis 61 Kontrastfärbung des Gonococcus 153. 156—157 der Spirochaete Obermeieri 87 Kot als Infektionsquelle für Pseudotuberk. der Nager 754 Rotlauf 722 Krebs s. Karzinom Kreolin Wirkung auf Rotlaufbazillen 716 Streptokokken 317 Kresol Wirkung auf Streptokokken 317 Kropf der Pferde s. Druse Krystallviolett Wirkung aufStaphy- lokokken 115 Kuh Euterentzündungen 851 — 865 seuchenhaftes Verkalben 827—834 Kühnes Schnittfärbung für Gonokokken 160 Staphylokokken 106 Streptokokken 324 Kultur des Bac. Ducrey 431—433 Bac. Koch-Weeks 497—499 Bac. pseudotnberc. murium 755 Bac. pseudotnberc Bac. pseudotuberc. 753 Bac. suipestifer 626—632 Bac. suisepticus 586—590 Botryocoecus ascof. 798 Choleravibrio 18—22 Coccus Duclaux 447—448 Diplobacillus Morax 512 — 514 Diploc. pneum. 200—202 Drusestreptoc. 734—736 Gonococcus 161 — 168 Influenzabac. 367—376. 394 Kapselbazillen 873—877 Madurapilz 457 — 466 Mäusetyphusbac. 743-744 Microc. catarrh. 146. 235 Microc. melitens. 441 — 443 Microc. meningit. 269—270 Peripneumonievirus 696 — 701 Pyocyaneus 472 Rhinosklerombac. 415—419 Rotlaufbac. 715—716 Spiroch. Obermeieri 84—85 Ovis 756—757 rodentium 752 bis 928 Sachregister. [Kultnr des] Staphylococcus 108 — 110 Streptococcus 308 — 313 Kupfersulfat Wirkung auf Bac. suipestifer 636 Bac. suisepticus 593 Streptococcus 317 Laboratoriumsinfektionen durch Choleravibrioneu 30—31 Microc. melitens. 440 Lackmusagar Wachstum des Bac. suipestifer 632 Bac. suisepticus 590 Microc. melitens. 442—443 Ehinosklerombac. 417 Lackmusmolke Wachstum des Bac. suipestifer 628 Bac. suisepticus 589 Kapselbazillen 876 Mäusetyphusbac. 744 Staphylococcus 109 Lähme der Haustiere Bakt.-Befunde 788-792. 815 Sektionsbefund 789 Laktose Wachstum des Microc. melitens. 443 Ehinosklerombac. 419 Latenz d. — im Organismus Bac. Koch-Weeks 497. 502 Bac. suisepticus 619 — 621 Diplobac. Morax 515 Diploc. pneum. 208. 249. 517—518 Gonococcus 178. Influenzabac. 388 Kapselbazillen 881 Microc. meningit. 277. 281. 296 Pyocyaneus 473. 483 Rotlaufbac. 718 Staphylococcus 134 Streptococcus 328. Laus als Uebertrg. d. Spiroch. Ober- meieri 97. Leberabszesse der Rinder 814. 817 Leberveränderungen bei Maltafieber 440 Kückfallfieber 79 Schweineseuche 601. 608 Leptothrix bei Erkrkg. d. Thränen- org. 558. 563-564 Leukocidin-Bildung durch Staphy- lok. 122 Leukocyten Wirkung auf Rotlauf baz. 714. 723. Leukocytose bei Pneumonie 242 Rückfallfieber 78 weichem Schanker 435 Leukouostok formen des Strepto- coccus 305. 308. 310 Licht s. Sonnenlicht Lobärpneumonie Begriff 190 primäre 239—243 selamdäre 239 s. auch Pneumonie Lobulärpneumonic Begriff 190 Entstehungsart 244—247 durch Microc. mening. 276. 278. 281 8. auch Pneumonie Luft Kapselbazillen in 882 Staphylokokken in 116—117 Streptokokken in 320 Luftwege Latenz d. Diploc. pneum. 208—209 Kapselbazillen 881 Microc. mening. 278 Lumbalpunktion bei Meningitis 300 Lungenerkrankuugen durch Diploc. pneum. 209-216 Friedländers Kapselbaz. 882—883 andere Kapselbaz. 883 Lustgartens Syphilisbacillus 900 Lymphangioitis durch Streptokokken 322—323 durch Mischinfekt. 323 Lysol Wirkung auf Staphylokokken 114 Streptokokken 317 Lyssa Mikroorgan. -Befunde 897—898 Lyssophyton 897 Madurafuß Aetiologie 455 — 457 Geschichtliches 454 — 455 Klinische Erscheinungen 455 Pathol. Anatomie 466-467 Verbreitung 454 — 455 Madurapilz Diagn. u. Differ.-Diagn. 459—466 Färbbarkeit 456 Involutionsfornien 457 Kultur 457—466 Morphologie 456 — 457. 459 Resistenz 458 Sauerstoff-Anford. 457 Sporenbildung 458 Systemstellung 468—469 Temperatur-Anford. 457 Tierpathogenität 466 schwarze Varietät 467—468 Mag dal ia Dahlia s. Dahlia Malach itgr iin zur Färbung d. Staphyloc. 106 Wirkung auf Streptoc. 316. 317 Maltafieber Aetiologie 441 Fieber bei 438 Inkubationszeit 438 klin. Erscheinungen 438 Laborat.- Infektionen 440 Leberveränderungen bei 440 Milzschwellung bei 440 Morbidit. u. Mortalit. 440 Sektionsbefund 440—441 Verbreitung 440 M ar m o r e c k s Antistreptokokken-Serum bei Druse 740-741 Masern Mikroorg.-Befunde bei 893—894 Mastitis der Haustiere s. Euterentzdg. Maul- u. Klauenseuche Mikroorg.- Befunde bei 908 Sachregister. 929 Maus Empfänglichkeit für Bac. pseudotuberc. mur. 755 Ovis 757 rodent. 753 Bac. suipestifer 637 Bac. suisepticus 583. 593—594 Choleravibrio 24 Diploc. pneum. 205 — 206 Drusestreptococcus 736 Gonococcus 173 — 174 Hiihnerpestvirus 848 Influenzabacillus 378 — 379 Kapselbazillen 877-878 Madurapilz 466 Mäusetyphusbac. 745 Microc. catarrh. 146. 235 Microc. meningit. 271—272 Pyocyaneus 476 Rhinosklerombac. 419—420 Rotlaufbac. 720. 721 Spirochaete Obermeieri 98 Staphylococcus 126. 128 Streptococcus 350 — 351 als Ueberträger des Rotlaufbac. 722. Mäusebacillus Danysz 748—749 Lasers 748 Mereschkowskys 748 Mäuseseptikämiebacillus Beziehg. z. Rotlaufbac. 717—718 Mäusetyphus 742 — 749 Aetiologie 742 Sektionsbefund 744—745 Mäusetyphusbacillus Alkaleszenz-Auford. 743 bei Bekämpfung der Mäuseplage 747—748 Biologie 743—744 Eigenbewegung 743 Färbbarkeit 743 Geißeln 743 Geschichtliches 742 Morphologie 742-743 Kultur 743-744 Sauerstoff-Anford. 743 Temperatur-Anford. 743 Tierpathogenität 745—746 Variabilität 742—743 Meerschweinchen Empfänglichkeit für Bac. pseudotuberc. ovis 757 Bac. pseudotuberc. rodent. 753—754 Bac. suiseptifer 642 Bac. suisepticus 583. 596 Botryococcus ascof. 799 Choleravibrio 25—26 Diploc. pneum. 205 Drusestreptoc. 737 Gonococcus 174 Hühnerpestvirus 848 Influenzabac. 378 — 379 Kapselbazillen 877-878 Madurapilz 466 Mäusetyphusbac. 745 Microc. catarrh. 146. 235 Microc. melitens. 444 Microc. meningit. 279 Handbucli der patliogeiien Mikroorgauismeu. 111. [Meerschweinchen Empfänglichkeit für] Pyocyaneus 476 — 477 Rhinosklerombac. 419—420 Rotlaufbac. 719 Spiroch. Obermeieri 98 Staphylococcus 126. 129 Streptococcus 350. 353 Vibrio Metschnikoff 69 Meningitis Einteilung der Formen 256—257 Entstehung 292-295 durch Bac. pneum. 287 Bact. coli comm. 288 Diploc. pneum. 217-219. 224. 226. 283—285 Influenzabac. 288—289. 389 bis 395 Kapselbazillen 888-889 Microc. mening. 275 — 276 Pestbacillus 290 Pyocyaneus 484 Rotzbacillus 290 Staphylococcus 286—287 Streptococcus 286 — 287 Typhusbacillus 289 andere Bakt. 290—291 Meningococcus s. Microc. meningit. Menschenhaut zu Nährbd. f. Bac. Ducrey 431—432 Menschen Pathogenität des Bac. Ducrey 430 Bac. Koch-Weeks 501 Bac. pseudotuberc. rodent. 753 Bac. suisepticus 600. 619 Choleravibrio 30—31 Diplobac. Morax 515 Diploc. pneum. 209—228. 283-285 Gonococcus 173. 175 Influenzabac. 235-236. 246. 288—289. 379—401 Kapselbazillen 878 Microc. catarrh. 146 Microc. melitens. 438 — 441 Microc. mening. 275 — 281 Pyocyaneus 482—487 Rhinosklerombac. 419 Rotlaufbac. 721—722 Staphylococcus 125. 129—130 Streptococcus 318—348 Menstrualsekret Spiroch. Obermeieri in 92. 97 M e t a 1 1 e Wirkg. auf Staphylokokken 113 Metastasenbildung des Diploc. pneum. 249 Drusestreptoc. 732—733. 737 Gonococcus 180 — 183 Influenzabac. 390 Staphylococcus 137 — 138 Streptococcus 324. 344 Methylalkohol Wirkg. auf Staphylok. 114 Methylenblau zur Färbung des Bac. Koch-Weeks 496 Bac. suipestifer 624. 625 Bac. suisepticus 584 Choleravibrio 18 59 930 Sachregister. [Methylenblau znr Färbung des' Drnsestreptococc. 733 Gonococcus 153. 156 — 157. 168 Influenzabac. 367 Madurapilz 457 Spiroch. Obermeieri 86 — 88 Staphylococcns 107 s. auch Karbol-Methylenblau Methylgriin zur Färbung des Gonococcus 157 der Spiroch. Obermeieri 87 Methylviolett zur Färbung d. Gonococcus 160 Rhinosklerombac. 414 Spiroch. Obermeieri 86 Wirkung auf Staphylok. 115 Micrococcus der Aleppobeule 141 ascoform. s. Botryococcus Biskra 449 botryogenus s. Botryococcus catarrhalis ätiolog. Bedeutitng 146 Färbbarkeit 146. 235. Geschichtliches 146 Kultur 146. 235 .Alenschenpathogenität 146 Morphologie 146 als Pneumonieerreger 196. 234 bis 235. 246 Resistenz 235 Tierpathogenität 146—147. 235 Verbreitung 146. 235 cumulatus tenuis 141 haematodes 142 mastitidis gangraen. ovis 868 melitensis ätiolog. Bedeutg. 441 Agglutination 444 Eigenbewegung 441 Färbbarkeit 441-443 Kettenbildung 442 Keulenform 442—443 Kultur 441-443 Morphologie 441 — 443 Resistenz 443 Tierpathogenität 443—444 meningitidis cerebr.-spin. als Abart des Diploc. pn. 207 Agglutination 272 Alkaleszenz-Anford. 270 Biologie 269—271 Diagn. u. Diff.-Diagn. 159—160. 300—302 Eigenbewegung 268. 274 Eintrittspforten 281. 292 Färbbarkeit 268. 269 Farbstoffbildung 273—274 Geschichtliches 257—265 Involutionsformen 268 Kultur 269—270 Latenz im Org. 277. 281. 296 Morphologie 268 Resistenz 270—271 Sauerstoff-Anford. 270 Sporenbildung 268 Temperat.-Anfordg. 239 [Micrococcus mening. cerebr.-spin.] Tierpathogenität 271—272 Uebertragung. placent. 280 Variabilität 272—275 Verbreitung 281 Verhalten außerh. d. Org. 294. 296 im Organ. 268 Virulenz 271 nasalis 142 ochraceus 142 ovalis 339 Pasteuri s. Diploc. pneum. pneum. crouposae s. Diploc. pneum. pyogenes tenuis 142 quaternus 141 saccatus 141 scariosus 141 scarlatinae 894 tetragenus als Eitererreger b. Haustieren 823 als Meningitiserreger 290 vesicae 141 versatilis 905 Mikroorganismen bei Beri-Beri 906 Flecktyphus 895 Gelbfieber 904-906 Gelenkrheumatismus 901—902 Impetigo contagiosa 903 Keuchhusten 898-899 Lyssa 897- 898 Masern 893—894 Maul- u. Klauenseuche 908 Noma 904 Parotitis infectiosa 904 Pemphigus neonat. 903 Rinderpest 908—909 Scharlach 894—895 Schlafkrankheit 907 Skorbut 903 Syphilis 899—900 Variola 895—897 unsichtbare, filtrierbare 909—911 Milch als Infektionsquelle für Kapselbazillen 882 Streptokokken 339 als Nährboden für Bac. pseudotuberc. ovis 757 Bac. pseudotuberc. rodent. 753 Bac. suipestifer 628 Bac. suisepticus 589 Choleravibrio 20 Drusestreptoc. 735 Diploc. pneum. 201 Kapselbazillen 877 Madurapilz 464 Mäusetyphusbac. 744 Microc. mening. 270 Pyocyaneus 473 Rhinosklerombac. 418 Staphylococcns 110 Streptococcus 311. 315 M i 1 c h a g a r Wachst, d. Staphylococc. 119 Milchzucker Wirkg. des Bac. suipe- stifer auf 629-630 Milz Spiroch. Obeimeieri in der 89. 91 Sachregister. 931 Milzagar z. Züchtg. d. Gonoc. 163 Milzbouillon z. Züchtg. d. Gonoc. 166 Milzbrand der Bindehaut 541 Milzbrandbacillus als Meningitis- erreger 291 Milzschwellung bei Maltafieber 440 Rotlauf 713 Rückfallfieber 76. 78—79 Mischinfektionen bei Cholera 14 Druse 733 Gonorrhoe 181 Influenza 380. 392 Meningitis 280. 285. 295-296 -698 225. Peripneiimonie der Rinder 689- Pneumonie 196. 213-214. 224. 235. 246 Rückfallfieber 81 Schweinepest 580. 652—653. 662—676 Schweineseuche 580. 662—676 durch Staphylokokken 131 durch Streptokokken 335—336 Mittelohr-Eiterungen durch Kapsel- bazillen 884 Molkerei Bedeutg. d. Mastitisbakt. für die 864 Molluscum der Vögel 911 Monadenform des Staphylocoociis 107 Morbidität und Mortalität bei Gonorrhoe 184 Influenza 385. 399 Maltafieber 440 Pneumonie 247 Rückfallfieber 80 Schweinepest u. Schweineseuche 580-582 Morphologie des Bac. Ducrey 430—431 Bac. Koch-Weeks 495. 499 Bac. pseudotuberc. murium 755 ovis 756 rodent. 752 Bac. suipestifer 623 Bac. suisepticus 583 _ Botryocoocus ascof. 797 — 798 Choleravibrio 16—18 Coccus Duclaux 447 Diplobac. Morax 511. 514 Diploc. pneum. 197 Drusestreptoc.^ 731 — 732 Gonococcus 152—154 Influenzabac. 366—367 Kapselbazillen 872—873 Madurapilz 456-457. 459 Mäusetyphusbac. 742 — 743 Microc. catarrhal. 146 Microc. melitens. 441—443 Microc. meningit. 268 Peripneumonievirus 700 Pyocyaneus 471 Rhinosklerombac. 410—414 Rotlaufbac. 714 Spirochaete Obermeieri 81 Staphylococcus 105 — 108 Streptococcus 305 Mosaique du tabac, Erreger des 911 Mucin zu Nährböden für Staphylokokken 110 Mucinbildung durch Pyocyaneus 479 Staphylococcus 117 Mundhöhle Vorkommen vou Diploc. pneum^ 208—209 Gonokokken 176 Kapselbazillen 881—882 Microc. catarrh. 146 — 147 Staphylokokken 116 Streptokokken 328 Mycetom s. Madurafuß Myelitis durch Gonokokken 183 Myko de sm Ol de ( der Haustiere 142. Mykofibrome ( 796 Myositis chronische der Haustiere 796 IV Nabelinfektionen der Haustiere als Ursache der Lähme 789 der Kälber 762—763 Nabelvene als Eintrittspforte des Driisestreptoc. 738 Nährböden s. Kultur Nahrungsmittel Choleraübertrag, durch 24 Staphylokokken auf 113 Naphthylamin Wirkung auf Streptokokken 317 Nasenhöhle Vorkommen von in der Diploc. pneum. 208 Gonokokken 176 Influenzabac. 388 Kapselbazillen 881—882. 884 Microc. catarrh. 146 — 147 Microc. mening. 277. 281 Staphylococcus 116 Streptococcus 328 Nasenschleimhaut Trachom der 551 Natron indigsulfosaures zu Nährbd. für Streptokokken 312. 314 Natronlauge Wirkung auf Streptokokken 316—317 Nebenhoden-Entzündung durch Gonokokken 179 zur Neddens Bacillus bei Erkrank g. der Hornhaut 574—575 Nekrosebacillus bei Leberabszessen der Rinder 814 Nabelinfektionen der Kälber 763 Nephritis s. Nierenerkrankungen Nervensystem Erkrankungen durch Gonokokken 182-183 Influenzabac. 389—390 Staphylokokken 123 Neubildungen maligne, Wirkung der Streptokokken bei 349 Neutralrot zur Färbung des Gonococcus 154 N i c 0 1 1 e s Färbung der Staphylokokken in Schnitten 106 59* 932 Sachregister. Niere Erkiankiingen durch Diploc. pneum. 220—221. 224 Kapselbazillen 888 Microc. mening. 279 Staphylokokken 123. 128. 139-140 Niki for off s Färbung der Spirochaete Obermeieri 87 Nitrosoindolreaktion durch Bac suisepticus 589 Choleravibiio 21. 35 Noma Mikroorgan. -Befunde bei 904 Nutrose zu Nähibd. für Gonokokken 164 O Orangemethode der Stapbylok.-Färbung 107 Orchitis durch Diploc. pneum. 221. 224. 227 Gonococcus 179 Orientbeule Aetiologie 447—451 Geschichtliches 447 Inkubationszeit 446 klin. Erscheinungen 446 — 447 Sektionsbefund 451—452 Staphylokokken bei 141 Verbreitung 446 Osmium säure bei Färbung des Sta- phylococcus 107 zur Fixierung von Spiroch. Obermeieri 86 Osteomyelitis durch Diploc. pneum. 221—222. 228. 250 Gonococcus 182 Kapselbaz. 890 Staphylococcus 127. 132. 137 Streptococcus 325 Otitis media durch Diploc. pneum. 220. 225. 250 Influenzabac. 388-389 Kapselbazillen 884 Microc. mening. 276. 277 Pyocyaneus 483—484 Staphylococcus 133 Ovarien Erkrankg. d. Gonokokken 179 Oxalsäure Wirkung auf Bac. suisepticus 593 Staphylococcus 113 Streptococcus 316 Ozaena durch Kapselbazilien 884 bis 888 Ozaenabac illus bei Conjunctivitis 538 — 539 bei Erkrankg. d. Hornhaut 568 d. Tliränenorgane 555 Systemstellung 421—423 Ozon Wirkung auf Staphylokokken 114 Panaritien durch Staphylokokken 129 Pankreasnährboden für Staphylo- kokken 110 PanOphthalmie durch Diploc. pneum. 221. 228 Microc. mening. 278 — 279 P a r am e t r i t i s durch Streptokokken 340 Parotitis Diploc. pneum. bei 221 Kapselbazillen bei 884 Staphylokokken bei 132 andere Mikroorg.-Befunde bei 904 Patholog. Anatomie s. Sektionsbefund Paukenhöhle Eiterungen durch Kap- selbazillen 884 Pemphigus durch Staphylokokken 132 neonatorum Mikroorg.-Befunde b. 903 Penicillium glaucum b. Erkrank, der Hornhaut 572 Pepton zu Nährbd. für Streptokokken 308. 310. 312 Peptonlüsung Wachtum des Choleravibrio 20. 34 Microc. melitens. 442 — 443 Microc. meningit. 270 Rhinosklerombac. 415 Staphylococcus 108. 109 Peptonzuckerbouillon Wa chstum des Mäusetyphusbac. 743 — 744 Pericarditis durch Diploc. pneum. 217—218. 224 Kapselbazillen 888 Microc. meningit. 279 Periostitis durch Gonokokken 182 Staphylokokken 132 Streptokokken 325 Peripneumonie der Rinder Aetiologie 702 cbron. Form 688—689 Diagnostik, bakterio!og. 705 Epidemiologie 683 Geschichtliches 682 Inkubationszeit 684 — 685 klin. Erscheinungen 684—686 Mischinfektionen 689—696 Prophylaxe 691. 707—709 Sektionsbefund 686—689 Verbreitung 683 — 684 Peri Pneumonievirus ätiolog. Bedeutung 702 Biologie 702—704 Färbbarkeit 701 Geschichtliches 694—695 Kultur 696—701 Morphologie 700 Sauerstoft'auforderung 702 Temperaturanforderung 700. 703 Tierpathogenität 690—694 Virulenz 703 Peritonitis durch Diploc. pneum. 224. 226—227. 250 Gonokokken 179 Influenzabac. 396 Kapselbazillen 889 Staphylokokken 128. 132 Perlhuhn Empfänglichkeit für Hühner- pest 848 Peroxole Wirkung auf Staphylok. 114 Pertussis s. Keuchhusten Pes tbacill us als Meningitiserreger 267. 290 a's Piieumonieorreger 196. 237. 246 Sachregister. 933 Petita Diplobacille llqucfiant 512.515. ölü Pettenkofers Choleratheorieenöß — 59 Pfeifferscher Versuch bei Cholera 40. 46-47 Pferd Blutfleckenkrankheit bei 803—805 Empfänglichkeit für Botryococc. ascof. 799 Druse 736 Mäusetyphus 746 Rückfallfieber 98 Schweinepest 643 Schweineseuche 599 Staphylokokken 129. 134 Streptokokken 346-348. 350 Eiterungen bei 788 Euterentzündungen bei 867—868 Pferdepocken 733 Pferdeserum als Nährbd. f. Strepto- kokken 310 Pferdesterbe afrikanische, Mikroorg.- Befunde bei 910 Pferdetyphus 347 Phagocytose Eolle bei Bac. Ducrey 436 Gonococcus 154 — 156 Phenol s. Karbolsäure Phenolbildung durch Bac. suisepticus 589 Phlebitis durcli Staphylokokken 132 Phlegmone durch Diploc. pneum. 221-222 KapsL^lbazillen 890 Staphylokokken 128. 129. 132 Streptokokken 323 periartiknläre des Rindes 815-817 Phlyctaenosis streptogenes 324 Pikrinsäure bei Färbg. d. Staphyloc. 107 P i k r 0 k a rm i n z. Färbg. d. Staphyloc. 106 Pilzkonkremente im Thränenröhr- chen 557—565 Placenta Uebertragung durch s. unter Ueb ertragung Pleomorphie s. Variabilität Pleuritis durch Diploc. pneum. 215. 226. 250 Gonococcus 182 Kapselbazillen 888 Staphylokokken 132 Pneumococcus s. Diploc. pneumon. Pneumonie Aetiologie 250—251 akute interstitielle 190. 247 Begriff u. Einteilung 189—191 Epidemiologie 247—249 Geschichtliches 191—195 Leukocytose bei 242 metastatische Herd- 190. 247 Lobär- 190. 239-243 Lobulär- 190. 244-247 MischintVktionen 196. 213—214. 224. 225. 235. 246 Mortalität 247 Sektionsbefuiul 248 Pneumonie^ durch Bac. pneumon. 233—234 Diploc. pneum. 209—214 Microc. catarrh. 234—235 Staphyloc. pyog. 132. 196. 232 Streptoc. pyog. 196. 230—232 Polfärbu ng bei Bac. Ducrey 430. 432 Bac. Koch-Weeks 495 Bac. suipestifer 623—625 Bac. suisepticus 584—585 Diplobac. Morax 511 Influenzabacilliis 367 Microc. catarrh. 146 Rhinosklerombac. 418 Staphylococcus 109. 110. 116. 121 bis 122 Polyneuritis bei Influenza 389 Porzellanfilter Durchgängigkeit für Hühnerpestvirus 847. 911 Peripneumonievirus 704 — 705. 911 andere Mikroorgan. 909 — 911 Postsachen Influenza-Uebertr. durch 377 Präventivimpfung bei Peripneum. der Rinder 707. 709 Prophylaxe bei Cholera 64 — 67 Gonorrhoe 184—185 Influenza 399-401 Peripneumonie der Rinder 691. 707 bis 709 Rotlauf 726—727 Protamoeba aphthogenes 908 Protargol Wirkung auf Gonokokken 170 Proteus capsulatus hominis und septicus 890 Proteusintoxikation der Kälber 766. 779-780 Protozoen bei Beri-Beri 906 Flecktyphus 895 Gelbfieber 905—906 Keuchhusten 899 Lyssa 898 Maul- und Klauenseuche 908 Rinderpest 909 ' Schlafkrankheit 907 Syphilis 900 Variola 896-897 Provokationsverfahreu zum Gono- kokkennachweis 172 Pseudoaktinomykose der Thränen- röhrchen 559 Pseudocolibaz illose der Kälber 765 bis 766. 778 Pseudodichotomie d. Dnisestreptoc. 732 Pseudodiploc. pneum. 285 Pseudogonokokken 160. 496 als Conjunctivitiserreger 531. 532 Pseudoinfluenzabazillen 403—407. 5U4 als Conjunctivitiserreger 532 Pseudom'embranbildung bei Con iunctivitls 524 934 Sachregister. Pseudomonas pyocyanea bei Käl- berruhr 779. 781 Pseudotuberkulose 751 — 760 Dififer.-Diagn. gegen Tuberkulose 759 bis 760 Geschichtliches 751 klinische Erscheinungen 753. 758 Sektionsbetuud 753. 758 der Mäuse 755 der Nager 752—755 der Schafe 756—759 Psittacosis Uebertragbarkeit auf den Menschen 238 Psychosen bei Influenza 389 Puerperalinfektionen durch Kapselbazillen 890 Streptokokken 340—343 Purpura infektiöse 324. 326 Pyämie durch Streptokokken 343 — 345 Pyelitis durch Kapselbazillen 888 Pyelonephritis durch Kapselbazillen 888 des Rindes 809-813 Diagnose 813 Erreger 809. 811 Mischinfektion 813 Sektionsbefund 810-811 Verlauf 812 durch Staphylokokken 128. 133 Pyocyanase 475 — 476 Wirkung auf Staphylokokken 115 Pyocyaneus Allgemeininfektion durch 484 bis 487 Biologie 472-473 Eigenbewegung 472 Eintrittspforten 487 Farbstoffbildung 472. 473 ^ Fermentwirkungen 475—476 Geschichtliches 471 Involutionsformen 472 Kettenbildung 472 Kultur 472 Latenz im Org. 473. 483 als Meningitiserreger 290 Menschenpathogenität 482—487. 555. 568 Morphologie 471 Resistenz 473 Sauer stoff-Anford. 472 Sporenbildung 472 Temperatur-Anford. 472 Tierpathogenität 476—477. 823 Toxinbildung und - Wirkung 476 bis 479 Uebertragung 473 Variabilität 471 "N'erbreitung 473 Virulenz 476 Pyo cyane US baz illose der Kälber 766. 779 Pyocyanin 474 Pyocyanolysin 480—482 Pyoktanin Wirkung auf Streptokokken 316-317 Pyoxanthose 475 Q Qnecksilberoxycyanid Wirkung auf Streptokokken 316. 317 Ratte Empfänglichkeit für Bac. suipestifer 642 Bac. suisepticus 583. 597 Diploc. pneum. 205 Influenzabac. 378 Mäusetyphusbac. 745 Rotlaufbac. 720 Staphj'lococcus 129 Streptococcus 350. 353 Uebertragung des Rotlauf durch 722 Rattenbacill US Danysz 749 Issatschenkos 749 Raubvögel Emptänglichkeit für Spiroch. Obermeieri 98 Recurrens s. Rückfallfieber Recurrensspirille s. Spiroch. Ober- meieri Reduktionswirkungen des Staphy- loc. 117 Reisnährböden für Staphylokokken 110 Rektal seh leim haut Erkrankg. durch Gonokokken 175 Resistenz des Bac. Ducrev 433. 436 Bac. Koch-Weeks 499—501 Bac. pseudotuberc. ovis 757 Bac. pseudotuberc. rodent. 753 Bac. suipestifer 633 — 637 Bac. suisepticus 591 — 593 Choleravibrio 17. 22—24 Diplobac Morax 515 Diploc. pneum, 203-204. 243 Drusestreptoc. 737 Gonococcus 168 — 172 Influenzabac. 376 — 377 Kapselbazillen 872. 877 Madurapilz 458 Microc. catarrh. 235 Microc. melitens. 443 Microc. meningit. 270 — 271 Pj^ocyaneus 473 Rotlaufbac. 716 Spiroch. Obermeieri 93 Staphylococcus 111 — 116 Streptococcus 315—318 Resorcin Wirkung auf Gonokokken 170 Rhinitis durch Diplobac. Morax 511 Kapselbazillen 884 Micrococcus mening. 276 — 277. 280 bis 281 Rhinosklerin 421 Rhinosklerom Geschichtliches 408 durch Kapselbazillen 884 klinische Erscheinungen 408 — 409 Sektionsbefund und Pathogenese 409 bis 414 Sachregister. 935 [Rhinosklerom' des Tnränensacks 556 Verbreitung 409 Ehinosklerombacillus ätiolog. Bedeutung 422 — 423 Agglutination 420-421 Fadenbildung 415 Fiirbbarkelt 414—415 Geschichtliches 414 Involutionsforuien 415 Kapselbildung 414 Kultur 415—419 Menschenpathogenität 419 Morphologie 410. 414. 418 Polfiirbung 418 Sporenbildung 415 Systemstellung 421-423. 879 Tierpathogenität 419—420 Untersuchung in ungef. Präp. 415 Riesenformen des Streptococcus 305. 308 Rind Eiterungen des 805—819 Empfänglichkeit für Bac. suipestifer 643 Bac. suisepticus 598. 618 Mäusetyphusbac. 746 Peripneumonievirus 690 — 694 Staphylococcus 129. 134. 793 Streptococcus 346-348. 350. 793 Rin derperipneumonie s.Peripneum. Rinderpest Mikroorg.-Bef bei 908-909 Romanowskys Färbung der Spiroch. Obermeieri 87 Röntgenstrahlen Wirkung auf Sta- phylokokken 112 Rotlauf: Aetiologie 714 chron. Form 712 Diagnostik 725—726 Disposition der Rassen 720 — 721 Epidemiologie 724—725 Inkubationszeit 711. 722 klinische Erscheimxngen 711 — 713 Milzschwellung bei 7l3 Prophylaxe 726—727 Sektionsbefund 713 Verbreitung 724—725 weii3er 712 Rotlaufbacillus ätiolog. Bedeutung 714 Beziehung zum Mäuseseptikämiebac. 717—718 Eigenbeweguug 716 Eintrittspforten 719. 722 Färbbarkeit 714 Geschichtliches 714 Kultur 715 -716 Latenz im Org. 718 Menschenpathogenität 721 — 722 Morphologie 714 Resistenz 716 Sauerstoff-Anford. 714—715 Sporenbildung 716 Tierpathogenität 719—721 Toxinbildung 724 Uebertragung 722 Variabilität 714 (22 Meningitiserreger [Rotlaufbacillusl Verbreitung 717—718 Virulenz 717. 719-720. Rotz der Bindehaut 541 des Thränensacks 556 Rotzbacillus als 267. 290 als Pneumonieerreger 2.38. 246 Roux' Farbgemiseh zur Färbung der Spiroch. Obermeieri 87 Riickenmarkserkrankungendurch Staphylokokken 126 Rückfallfieber Aetiologie 75 Fijber bei 76-80 Geschichtliches 75 —76 Inkubationszeit 76 klinische Erscheinungen 76 — 80 Knochenmarksveränderung bei 79 Leberveränderung bei 79 Leukocytose bei 78 Milzschwellung bei 76. 78—79 Mischinfektionen 81 Mortalität 80 Safranin zur Färbung d. Gonococc. 159 des Rhinosklerombac. 414 s. auch Jodsafranin. Karbolsafranin Salzsäure "Wirkung auf Bac. suipestifer 636 Bac. suisepticus 593 Choleravibrio 23 Staphylococcus 113 Streptococcus 316. 317 Samenstrangfisteln der Haustiere 796. 801 Sarkom Wirkung der Streptokokken auf 349 Sauerstoff-Anford. des Bac. Koch-Weeks 499 Bac. suipestifer 626 Bac. suisepticus 586 Diploc. pneum. 200 Drusestreptoc. 734 Gonococcus 167 Influenzabac. 371 Madurapilz 457 Mäusetyphusbac. 743 Microc! meniugit. 270 Peripneumonievirus 702 Pyocyaneus 472 Rotlaufbac. 714—715 Staphylococcus 108. 143 Streptococcus 314 Säuglingsenteritis Pyocyan. bei 484 Streptokokken bei 337, 339 Säurebildung des Diploc. pneum. 202 Kapselbazillen 876 Staphylococcus 117 Streptococcus 309. 310. 314 Säure fuchs in zur Färbung des Sta- phylococcus 107 Säuren Wirkung: auf Spiroch. Ober- meieri 95 936 Sacliregister. Schaf, Empfänglichkeit für Bac. pscudotiil^erc ovis 757 Bac. pseudotaberc. rodent. 754 Bac. suipestifer G43 Bac. Buisepticns 598. 618 Botryoc. ascoform. 799 Diploc pneum. 205 Madurapilz 466 Mäusetyphusbac. 746 Spirochaete Obermeieri 98 Staphylococcus 134 Streptococcus 348. 350 Euterentzündungen des 866 — 867 Schafpockenvirus 911 Schanker weicher Aetiologie 430 Geschichtliches 425—426 pathol. Anatomie 427—430 Schankerbacillus s. Bac. Ducrey Scharlach Mikroorg.-Bef. bei 894—895 Eolle d. Streptokokken bei 324. 329 bis 330. 894—895 Scharlach R zur Färbung des Sta- phylococcus 107 Scheide Staphylokokken in 116 Streptokokken in 341—342 Scheidenbazillen als Antagon. des Staphylococcus 111 Scheidenkatarrh infektiöser der Binder 840—845 Schimmelpilze bei Erkrankung der Hornhaut 571—572 Schlafkrankheit Mikroorgan. -Be- funde bei 907 Schleimhäute Diploc. pneum. auf 208 Gonokokken auf 175 Staphylokokken auf 116. 132 Streptokokken auf 328 Schnittfärbung für Bac. suipestifer 625 Choleravibrionen 18 Gonokokken 160 Influenzabazillen 382 Mykofibrome 797 Spirochaete Obermeieri 87 Staphylokokken 106 Streptokokken 324 Schulfollikel 551 Schwefelsäure Wirkung auf Bac. suipestifer 636 Bac. suisepticus 593 Choleravibrio 23. 25 Streptococcus 316. 317 Schwefelwasserstoffbildungdurch Bac. suisepticus 590 Rotlaufbacillus 724 Staphj'lococcus 117 Schwein Eiterungen des 819—823 Empfänglichkeit für Bac. suipestifer 643- 650. 664- 668 Bac. suisepticus 583. 600 Choleravibrio 24 Mäusetypluisbac. 746 ] lotlauf bac. 722 Spirochaete Obermeieri 98 [Schwein Empfänglichkeit für] Staphylokokken 134 Streptokokken 348 Euterentzündungen des 868 Schweinepest Aetiologie 577—579 Epidemiologie 663 Geschichtliches 576 — 579 ikterische Form 656 Inkubationszeit 656 klin. Erscheinungen 654 — 656 Mischinfektionen 580. 652—653. 662 bis 676 Mortalität u. Morbidität 580-582 Sektionsbefund 650 — 653. 655 — 660 septikämiseh - hämorrhagische Form 655 Verbreitung 580 Schweineseptikämie s. Schweine- seuche Schweineserum -Nutrose-Agar Wachstum des Bac. Koch-Weeks 497 Gonococcus 164 Schweineserum-Nutrose-Bouil- lon Wachstum des Gonococcus 165 Schweineseuche Aetiologie 577—579 amerikanische Form s. Schweinepest chron. Form 613 Epidemiologie 613. 663 Geschichtliches 576—579 klin. Erscheinungen 601. 609 Leberveränderungen bei 601. 608 Mischinfektionen 580. 662—676 Morbidität u. Mortalität 580—582 pektorale Form 610—618 Sektionsbefund 583. 601—605. 608 bis 611 septikämische Form 608—610 Sekrete Spirochaete Obermeieri in 91 bis 92. 97 Sektionsbefund bei Cholera 14-15. 26. 28 Influenza 383 Kälberruhr 776 Madurafuß 466—467 Maltafieber 440—441 Mäusetyphus 744—745 Meningitis 276. 285. 298 Orientbeule 451—452 Peripneumonie der Einder 686 — 689 Pneumonie 248 Pseudotuberkulose der Nager 753 Pseudotuberkulose der Schafe 758 Ehinosklerom 409—414 Eotlauf 713 Schanker 427—430 Schweinepest 650 — 653. 655 — 660 Schweineseuthe 583. 601 — 605. 608 bis 611 Staphylomykosen 135—140 Sekundärinfektionen durch Staphylokokken 131 Streptokokken 335—336 s. auch unter Mischinfektion Selbstinfektion s. Autoinfektion Suchregister. 937 Septikämie durch Bac. pneuni. 234 Diploe. pneum. 224. 228 Kapselbazillen 889—890 Microc. meningit. 279 Pyocyaneus 485 — 487 Streptokokken 343—345 hämorrhagische der Kälber 766 Serodiagnostik bei Cholera 38. 40. 45—46 Maltafieber 440. 444 Meningitis 272 Pnenmonie 199. 208 Ehinosklerom 420—421 Serum s. Blutserum S er um a gar Wachstum des Bac. Ducrey 431 Bac. Koch-Weeks 498 Diplobac. Morax 512 Gonococcus 162. 167 Microc. melitens. 443 Microc. meningit. 269 Serumbouillon Wachstum des Bac. Koch-Weeks 498—499 Diplobac. Morax 512 Drusestreptococcus 734 Gonococcus 165 Streptococcus 310 Serum-Milzagar Wachstum des Gono- coccus 163 Serum-Milzbouillon Wachstum des Gonococcus 166 Serumtherapie bei Druse 740-741 Peripneumonie der Einder 707 Silbersalze Wirkung auf Gonokokken 170 Sklerom s. Ehinosklerom Sklerombacillus s. Ehinosklerom- bacillus Skorbut Mikroorgan. -Befunde bei 903 Sonnenlicht Wirkung auf Bac. Koch-Weeks 500 Bac. suipestifer 634 Bac. suisepticus 592 Choleravibrio 22 Diploe. pneum. 203 Kapselbazülen 877 Microc. meningit. 271 Eotlaufbacillus 716 Staphylococcus 112 Soorpilz bei Conjunctivitis 541 Speichel Spirochaete Oberm. in 92. 97 Wachstum des Staphylococcus in 109—110 s. auch Sputum Sperling Empfänglichkeit für Hühnerpest 848 Eotlauf 721 Sperma zu Nährbüd. f Influenzabac.375 Spirillose der Gänse 102—104 Spirillum Finkler- Prior 26. 69 Spirochaete anserina 101 — 104 Spirochaete Obermeieri Antagonismus and. Mikr. 95 Eigenbewegung 82. 90 [Spirochaete Obermeieri] Färbbarkeit 86 Involutionsformen 81 Kultur 84—85 Morphologie 81 Eesistenz 93 Sporenbildung 83 Tierpathogen ität 98 Uebertragung 97 — 98 Uebertragung placentare 92. 98 Untersucliung im ungef. Präp. 85 Verhalten außerh. d. Org. 92—97 Verhalten im Organ. 88—92 Sporenbildung des Bac. suipestifer 626 Bac. suisepticus 586 Choleravibrio 17 Diplobac. Morax 514 Diploe. pneum. 198 Influenzabac. 367. 377 Kapselbazillen 872 Madurapilz 458 Microc. meningit. 268 Pyocyaneus 472 Eotlaufbacillus 716 Spiroch. Obermeieri 83 Streptococcus 308 Sporidium vaccinale 896 8porozoon aphthae epizooticae 908 Sputum bei Influenza 380-382 zu Nährböden, für Diploe. pneum. 201 Stäbchenrotlaufs. Eotlauf Stadium algidum der Cholera 51 Staphylococcus Alkaleszenz-Anford. 109 Allgemeininfekt, durch 130. 131. 133. 134. 137 Antagonismus u. Symbiose 111. 375 bis 376 Biologie 117—124 cereus albus 141 cereus flavus 142 bei Chalazion 553 bei Druse der Pferde 732 Eigenbewegung 105. 143 Eintrittspforten 130. 137 endocarditidis rugatus 142 bei Erkrankungen der Hornhaut 566. 568 . der Thränenorgane 555 Färbbarkeit 105-108 Farbstoff bildung 110. 118. 140—142 Fermentwirkungen 118 — 121. 125 Geschichtliches 105 haemorrhagicus 142 Hämolysinbildung 109. 110. 116. 121 —122 Kultur 108-110 Latenz im Org. 134 Leukocidinbildung 122 mastitidis 859 als Meningitiserreger 267. 286—287 Menscheupathogenität 125. 129 — 130 Metastasenbildung 137 — 138 Morphologie 105-108 938 Sachregister. (Staphylococcus] Nachweis im Blut 133-134 als Pneumonieerreger 196. 232. 247 Polfärbung 109. 110. 116. 121—122 pyogenes albus 140 — 141 pyogenes aureus 105—140 pyogenes bovis 807—808 pyogenes citreus 142 quadrigeminus 141 Resistenz 111 — 116 salivarius pj^ogenes 141 Sauerstoff-Änford. 108. 143 Säurebildung 117 scarlatinus 142 Temperatur-Anford. 108 Tierpathogenität 125 — 129 Toxinbildung u. -Wirkung 121—124. 136. 139. 140 Uebertragung, placentare 130 ureae liquefaciens 141 Verbreitung 116 Verhalten im Organ. 130—134 Virulenz 125—126. 129 S t a p h jd o m y k 0 8 e n Misohinfektionen bei 127 Pathologie 135-140 Staphylotoxin 136. 138 Staub Bac. Koch-Weeks im 500 Choleravibrio im 23 Diplococc. pneum. im 243 Kapselbazillen im 882 Mlcrococc. meningit. im 297 Staphylokokken im 112 Streptokokken im 312. 316 Stomatitis ulcerosa Kapselbazillen bei 884 Strengel der Pferde s. Druse Streptobacillus pseu dotub er c. s. Bac. pseudotuberc. rodentium Streptococcus Alkaleszenz-Anford. 309 Allgemeininfekt, durch 343 — 345 bei Angina 330—332 Antagonismus u. Symbiose 349. 353 Biologie 313—318 brevis 306. 308 brevis liquefaciens 312 bei Chalazion 553 bei Chorea 326 coli gracilis 306. 312. 339 conglomeratus 315. 316. 326. 330. 331 Diagnose 333 bei Diphtherie 328-329 bei Druse s. Drusestreptococcus Eintrittspforten 334. b. Enteritis d. Säuglinge 305. 316. 337 equi 8. Drusestreptococcus bei Erkrankung der Hornhaut 566 bis 568 der Thränenorgane 555 bei Euterentzünduug d. Haustiere 856 bis 860 Färbbarkeit 308 Farbstoff bildung 315 Formenschema 333—334 der gelben Galt der Kühe 308. 314 [Streptococcus, Geißeln 308 bei Gelenkrheum. 325—327.901—902 Geschichtliches 303 — 304 Hämolysinbildung 355 Involutionsformen 305. 307 involutus 311 Kapselbildung 307 Kettenbilduug 305—306 Keulenform 306 Kultur 308-313 lanceolatus 207. 268. 283 . Latenz im Organismus 328 longus 307. 308. 317. 328 uiastitidis s. agalactiae contag. 857 mastitidis vaccarum 858 bei Meningitis 267. 286—287 meningitidis Bonome 207 Menschenpathogenität 318 — 348 Metastasenbildung 324. 344 Morphologie 305 bei Pneumonie 196. 230—232. 247 bei Puerperalerkrankungen 340—343 pyogenes bovis 806—807 Resistenz 315 — 318 Sauerstoff-Anfordg. 314 Säurebildung 309. 310. 314 bei Scharlach 324. 329—330 Schütz Bez. z. Drusestreptoc. 738 bis 740 als Sepsiserreger 343—845 septicus liquefaciens 312 Sporenbildung 308 Temperatur-Anfordg. 313—314 Tierpathogenität 336. 346—348 Toxinbildg. u. -wirkg. 330. 354—356 bei Tuberkulose 335—336 Uebertragung 320 Untersuchung im ungef. Präp. 308 Variabilität 305. 338 Verhalten im Organ. 320. 351 Virulenz 336. 352—353 Wirkung auf malign. Tumoren 349 bei Wundscharlach 324 bei Zahncaries 334 Str eptomykose der Kälber 766 Str^ptotr icheen bei Noma 904 Streptotrichie der Thränenröhrchen 557—565 Strumitis durch Diploc. pn. 221. 224 Stute Euterentzündungen der 867 — 868 seuchenhaftes Verfohlen der 835 — 839 Sublimat Wirkung auf Bac. suipestifer 636 Bac. suisepticus 593 Choleravibrio 23 Gonococcus 170. 171 Staphylococcus 113 — 114 Streptococcus 316. 317 Sudan III zur Färbung des Staphylo- coccus 107 Sy mbiose s. Antagonismus u. Symbiose Syphilis Mikroorgan.-Bef. bei 899—900 Systemstellung des Bac. Koch-Weeks .506—507 Bac. suipestifer 622 Sachregister. 939 [Systemstellung i Kapselbazillen 870—872 Madurapilz 468—469 Ehinosklerombac. 421—423 T Tageslicht s. Sonnenlicht Tanninmethode d. Staphylokokken- Färbung 107 Taube Empfänglichkeit für Bac. suipestifer 642—643 Bac. suisepticus 583. 597 Choleravibrio 29. 69 Diploc pneum. 205 Hühnerpebtvirus 848 Influenzabac. 378 Kapseibazillen 878 Madurapilz 466 Mäusetyphusbac. 745 Pyocj'aneus 476 Rotlaufbac. 719—721 Spiroch. Obermeieri 98 Staphylococcus 129. 134 Streptococcus 350 Taubenblut z. Nährbd. f. Influenzabac. 370—371 Temperatur- Anforderungen des Bac. Koch-Weeks 497 Bac. suipestifer 627 Bac. suisepticus 586 Choleravibrio 22 Diplobac. Morax 512 Diploc. pneum. 200 Drusestrept. 734 Gonococcus 161. 167 Influenzabac. 371 Madurapilz 457 Mäusetyphusbac. 743 Microc. meningit. 269 Peripneumonievirus 700. 703 Pyocyaneus 472 Staphylococcus 108 Streptococcus 313—314 Tenazität s. Resistenz Tendovaginitis durch Diploc. peum. 224. 228 Gonococcus 180. 181 Tetra denform des Drusestreptococcus 731 Staphylococcus 108 Thal mann 8 Nährbd. f. Gonokokken 165 Thionin zur Färbung des Bac. Koch-Weeks 496 Gonococcus 157. 161 s. auch Karbolthiouin Thränensack-Erkrankungen 555 bis 565 durch Streptotricheen 557 — 565 trachomatüse 551 Tierpathogenität des Bac. Ducrey 431 Bac. Koch-Weeks 501 Bac. pseudotuberc. murium 755 Bac. pseudotuberc. ovis 757 Bac. pseudotuberc. rodent. 753 — 754 [Tierpathogenität des' Bac. suipestifer 637 — 654 Bac. suisepticus 583. 593—619 Choleravibrio 24 — 29 Coccus Duclaux 447 — 449 Diplobac. Morax 514 Diploc. pneum. 205 — 206 Drusestreptoc. 736 — 737 Gonococcus 173 Influenzabac. 377—379. 390 Kapselbazillen 877—878 Madurapilz 466 Mäusetyphusbac. 745 — 746 Microc. catarrh. 146—147. 235 Microc. melitens. 443 — 444 Microc. meningit. 271—272 Peripneumonievirus 690 — 694 Pyocyaneus 476—477. 823 Rhinosklerombac. 419 — 420 Rotlaufbac. 719—721 Spiroch. Obermeieri 98 Staphylococcus 125 — 129 Streptococcus 336. 346 — 348 Tollwut Mikroorgan.-Bef. bei 897-898 Toluol Wirkung auf Bac. suisept. 593 Tonsillitis s. Angina Toutons Schnittfbg. f. Gonokokken 160—161 Toxinbildung u. -Wirkung des Bac. Koch-Weeks 501—502 Bac. suipestifer 632 — 633 Bac. suisepticus 590 — 591. 606 Choleravibrio 32. 50 — 53 Diploc. pneum. 205 Gonococcus 174. 181. 183 Influenzabac. 378—379. 390 Pyocyaneus 476—479 Rotlaufbac. 724 Staphylococcus 121—124. 136. 139. 140 Streptococcus 330. 354 — 356 Trachom 546—552 Bac. Koch-Weeks bei 496. 546—547 Diplobac. Morax bei 509 Diploc. pneum. bei 521 — 522. 546 Gonococcus bei 546 — 547 Müllersche Baz. bei 503—504 Uebertragung 549 — 551 Xerosebac. bei 548 Traubenzuckeragar Wachstum des Bac. suipestifer 629 — 631 Diploc. pneum. 201 Microc. meningit. 269 Rhinosklerombac. 417 Staphylococcus 118 Streptococcus 310. 312 Trau benzuck er -Bouillon Wachs- tum des Staphylococcus 109 Streptococcus 310 Traub enzucker -Gelatine Wachs- tum des Bac. suipestifer 629 — 631 Traumen Rolle bei der Entstehung von Meningitis 293 Pneumonie 241 940 Sachregister. Trinkwasser als Infektionsquelle für Cholera 55. 61 — G-i Maltafieber 440 Tropeolin zur Färbung der Spiroch. Oberuieieri 88 Tröpfcheninfektion als Ueber- tragungsart des Bac. Koch-Weeks 500 Choleravibrio 23 Diplobac. Morax 515 Influenzabac. 387. 400 Meningitiserreger 294 Pneumonieerreger 240. 243 Staphylokokken 112 Streptokokken 332 Truthuhn Empfänglichkeit für Hühnerpest 848 Trypanosomen bei Schlafkrankheit 907 Tuben Erkrankung durch Gonokokken 175. 179. 180 Tuberkulose Rolle der Streptokokken bei 335-336. 349 der Tiere : Differ. Diagn. gegenPseudo- tuberkulose 759—760 Tumoren maligne Wirkung der Streptokokken auf 349 Tussis convulsiva Mikroorgan. -Be- funde bei 898-899 Typhoid biliöses 80 Ty phusbacillus als Meningitiserreger 267. 289 als Pneumonieerreger 196. 236. 246 Typhus exanthematicus Mikro- organ.-Befunde bei 895 XJ Ceberanstr engungen : Rolle bei Entstehung der Meningitis 266 Uebertragung des Bac. Koch-Weeks 500—501 Bac. pseudotuberc. rodent. 754 Bac. suipestifer 660 Bac. suisepticus 620 Choleravibrio 60 — 64 Diploc. pneum. 248. 522 Drusestreptococcus 738 Influenzabac. 377. 387 Mäusetyphusbac. 742. 745 — 746 Pyocyaneus 473 Rotlaufbac. 722 Spiroch. Obermeieri 97—98 Streptococcus 320 placentare des Diploc. pneum. 211. 284 Drusestreptococcus 733 Influenzabac. 400 Microc. meningit. 280 Spiroch. Obermeieri 92. 98 Staphylococcus 130 Ulcus corneae serpens 566—569 Diploc. pneum. bei 521 Kapselbaz. bei 888 Ulcus molle s. Schanker Ungeziefer bei Uebertrg. v. Rückfall- fieber 76. 97—98 Unitätslehre der Streptokokken 357 Unnas Färbung der Staphvlokokken 107 Unsichtbare Mikroorgan. 909—911 Unterhautzellgewebe G iftwirkung der Staphylokokken im 123 Urethra Vorkommen von Gonokokken 175 Staphylokokken 116 Urin s. Harn Urticaria febrilis der Schweine 712 Uschinskys Nährlösung, Wachstum d. Staphylococcus in 108 Uteruserkrankungen durch Gono- kokken 175. 179 Vaccinekörperchen 896 Vakuolebacillus s. Bac. suisepticus Variab ilität des Bac. pseudotuberc. murium 755 Bac. pseudotuberc. ovis 756 Bac. pseudotuberc. rodent. 752 Bac. suisepticus 584 Diploc. pneum. 197. 206—208 Drusestreptoc. 731 Mäusetyphusbac. 742—743 Microc. meningit. 272—275 Pyocyaneus 471 Rotlaufbac. 714 ^ Streptococcus 305. 338 Varietäten des Bac. suipestifer 660—662 Madurapilzes 467 — 468 Variola Mikroorgan. -Bef. bei 895—897 Verbreitung des Bac. Koch-Weeks 492 Bac. pseudotuberc. ovis 757 Bac. pseudotuberc. rodent. 753. Bac. suipestifer 580 Bac. suisepticus 579 Diploc. pneum. 208 Drusestreptoc. 732—733 Kapselbazillen 881—882 Madurafuß 454—455 Microc. catarrh. 146. 235 Microc. melitens. 440 Microc. meningit. 281 Orientbeule 446 Peripneumonie der Rinder 683—684 Pyocyaneus 473 Rhinosklerombac. 409 ♦ Rotlaufbac. 717—718 Staphylococcus 116 Verfehlen seuchenhaftes der Stuten 835-839 Ver kalben seuchenhaftes der Kühe 827 bis 834 Versendung choleraverdächtigen Ma- terials 40. 48-49 Vesuvin zur Färbung des Gonococcus 106. 107 Staphylococcus 159 Sachregister. 941 Vibrio aquatilis 71 Berolinensis 70 Bonhoff 71 cholerae asiat. s. Choleravibrio Denecke 26 Danubicus 71 Finkler-Prior 26. 69 Ghinda 70 Iwanoff 70 Massaua 27. 70 Metschnikoff 28. 68 phosphorescens 69 septicus 70 Virulenz des Bac. Ducrey 433. 435 Bac. suipestifer 653—655. 660 Bac. suisepticxis 593 Choleravibrio 28—29 Diploc. pneum. 204-205. 249. 523. Gonococcus 177. 180 Microc. meningit. 271 Peripneumonievirus 703 Pyocyaneus 476 Rotlaufbac. 717. 719—720. 722 Staphylococcus 125—126. 129 Streptococcus 336. 352 — 353 Virus myxomateux 910—911 Vitalfärbung des Gonococcus 153. 157 Staphylococcus 106 Vögel Empfänglichkeit für Choleravibrio 29. 69. Diploc. pneum. 205 Geflügelpest 848 Influenzabac. 378 Kapselbazillen 878 Madurapilz 466 Mäusetyphusbac. 745 Pyocyaneus 476 Rotlaufbac. 719—721 Schweinepest 642—643 Schweineseuche 583 Spirochaete anserina 101 — 104 Spirochaete Obermeieri 98 Staphylokokken 129. 134 Streptukokken 350 W Wanze als Ueberträg. d. Spir. Oberm. 97 Waren Influeuzaübertrag. durch 377. 400 Wäsche als Infektionsquelle für Bac. Koch-Weeks 501 Choleravibrio 24. 63. 64 Gonococcus 169 Influenzabac. 377. 400 Wasser Haltbarkeit des Bac. Koch-Weeks in 501 Bac. suipestifer in 629. 635 Bac. suisepticus in 588 Choleravibrio in 23 Influenzabac. in 376 Kapselbazillen in 882 Staphylococcus in 113 [Wasser] als Infektionsquelle f. Cholera 55. 60. 61 Untersuchg. auf Choleravibr. 41. 44 Wirkung destill. W. auf Bac. Koch-Weeks 501 Choleravibrio 23 Spirochaete Obermeieri 95 Staphyloc. 113 Wassermanns Nährboden f. Gonok. 164 Wachst, des Bac. Koch-Weeks auf dems. 497 Wasserstoffsuperoxyd Wirk, auf Staphylokokken 114 Streptokokken 317 Weigerts Färbung der Gonokokken in Schnitten 161 Staphylok. in Schnitten 106 Wertheims Nährbd. f. Gonok. 162 Wachst, des Bac. Koch-Weeks ai;f dems. .497 Wolf Empfänglichkeit für Staphj'lokokken 134 Wunden als Eintrittspforten des Drusestreptococcus 738 Pyocyaneus 487 Staphylokokken 130. 137 Streptokokken 318. 323-324 Wundscharlach durch Streptokokken 324 X Xerosebacillus bei Chalazion 553—554 Conjunctivitis 525. 528 Erkrankg. der Thränenorgane 555 Trachom 548 Yemengeschwür Bazillenbefuude bei 450—451 Z Zellnekrose durch Staphylok. 135 — 136 Ziehische Lösung s. Karbolfuchsin Ziege Empfänglichkeit für Bac. suisepticus 598 Botryococc. ascof. 799 Gonococcus 174 Mäusetyphusbac. 746 Microc. meningit. 272 Pyocyaneus 476 Staphylokokken 129 Streptokokken 350 Euterentzündungen der 865 — 866 Zieselmaus Emjjfänglichkeit für Choleravibrio 28 Zincum sulfur. Wirkung auf Gonokokken 170 Zoogloea pulmonis equi 795 Züchtung 8. Kultur Zuck er arten Wiikuug des Bac. suipestifer auf 629—631 Berichtigung. S. 16 Zeile 11 statt Bd. X: '»Bd. XI«. — S. 36 Anmerk. statt von Alexandrien nach Aegypten: >von Alexandrien nach Berlin«. 8. 504 (AxENFELD, Spezielle Bakteriologie des Auges, Abschnitt »Koch-Weeks Bazillen«) ist in Zeile 31 anstatt »dass die Influenzabazillen schlanker und länger seien« zu setzen: »dass die Influenzabazillen nicht so schlank und lang seien«. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.