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Harold.

Trauerſpiel in fünf Akten

von

Ernſt von Wildenbruch.

Dritte Auflage.

——5ðꝰe Wack

Berlin, 1883. Verlag von Freund & Jeckel.

gi BO EUR Der Derfaffer behält fich und Maden 8 78 Rechts nachfolgern das a die a, zur Pifeptlichen Aufführung und zum 1 Sͤtückes zu .

Sm

Perſonenverzeichniß des Harold.

Eduard, König von England. Gytha, Wittwe des Grafen Godwin. et a. von Oſt⸗Anglien, ihre Söhne. Wilhelm, genannt der Eroberer, Herzog der Normandie. Adele, ſeine Tochter. Graf Morcar, I Angelſächſiſche Große, Vettern des Graf Edwin, Grafen Godwin. Graf Euſtach von Boulogne, f Der Seneſchall, Odo, „Normänniſche Barone. Kadulph, Montgomery, Robert von Jumieges, Erzbiſchof von Burn Stigand, Biſchof von Wincheſter. Der Abt des Kloſters Hyde. Wilfried, ein Angelſächſiſcher Diacon Ordgar, Edric, | Bine von Dover. Baldwulf, Be, u h Hofdamen Adelens. Ein Angelſächſiſcher Ein Normänniſcher 1

Bürger. Ritter. Diener.

Zeit: Vor und während der Eroberung Englands durch die

Normannen.

Ort: Akt I.: Dover. Akt II.: Rouen und London. Akt III.: Rouen. Akt IV.: London. Akt V.: In Rouen und bei Haſtings.

Zum erſten Male n, ur i „Hoftüeter in Hannover m 7, März 1

* | 5 a, | 3

N

Erſter Akt.

(Scene: Großer Saal auf Godwins Schloß zu Dover. Fenſterwand im Hintergrunde, rechts und links Thüren. An der Hinterwand eine Eſtrade, zu der Stufen führen, auf der Eſtrade ein Thron⸗Seſſel, im Vordergrunde Seſſel; an den Wänden Waffen.)

Erſter Auftritt.

Gytha (ganz in ſchwarzer Tracht; ſitzt im Vordergrund). Biſchof Stigand (ſteht neben ihr). Stigand. Noch immer ſehe ich auf Eurem Haupt, Erlauchte Frau, der Schwermuth düſtre Wolke Um Grafen Godwin Eures Gatten Tod?

Gytha. Noch immer? Dieſer Troſt der Herzens-Armuth Klingt ſonderbar von Grafen Godwins Freund.

Stigand. Weil ich ſein Freund war, weil mein blutend Herz Mir jede Stunde ſagt, was Ihr verloren, Hab' ich in Schmerzen mir das Recht erworben Zu bitten: legt ein Maß der Trauer an.

Gytha ſſreat ihm die Hand zu). Biſchof Stigand, getreuer letzter Freund, Sollt' ich Euch ſchelten? aber ſagt es ſelbſt, Kann etwas bitterer das Leid vergiften, Dies weihevolle Angeſicht des Grams Schneller zur Larve grimmen Haſſes zerr'n,

1 1

SGarold. >

Als wenn wir ſehen, daß die Todesſtunde

Des Mannes, mit welchem unſer Leben hinſank, Für Andre nur die langerſehnte Loſung

Der Freiheit iſt?

Stigand. Wen meint Ihr, Gräfin?

Gytha. Wen? Und ſo fragt Ihr? Und kennet dieſes Reich Doch zwei Jahrzehnte länger ſchon als ich, Und dieſes Reiches Herren

Stigand. König Eduard? Gytha. | Ja dieſen König! Dieſen Eduard! Ihn! Stigand.

Wär' dieſer Ton, der ſeinen Namen nannte, Ein Schwert geweſen, auf ſein Herz gezückt, Er lebte länger nicht. Gytha. Wäre es ſo! Wär' ich ein Mann! Ich hätte mehr als Worte!

Stigand. Der König, Gräfin. Gytha. Und durch wen denn ward er's? Wer gab ſein Blut für ihn in hundert Schlachten? Wer ſchlug herab des Aufſtands kecke Fauſt, Die nach ihm griff? Stigand. Ich weiß es wohl.

2

EEE ETF A ee

Erſter Akt.

Gytha. Graf Godwin! O jeder Athemzug in ſeiner Bruſt Müßte ein Dank für meinen Gatten ſein. Stigand. Das eben, fürcht' ich, raubt Euch ſeine Huld, Dank ſagt man, drückt den Menſchen.

Gytha. Den Elenden! Kein ſichrer Zeichen giebts für niedren Sinn. Stigand. Zu laut ſpricht Euer Zürnen: König Eduard, Iſt er gleich ſchwach, iſt doch von Herzen gut. Gytha. Gutmüthig ah ein jammervolles Lob Wenn es das einz'ge iſt für einen König.

Sweiter Auftritt.

Wulfnoth (von einer Dienerin geführt, kommt von rechts. Er iſt ſchwarz gekleidet;

geht zur Mutter und umarmt ſie).

Stigand.

Nun ſeht, der alte Stamm hat doch noch Knospen. (ſetzt ſich, zieht den Knaben an ſich) Theures Vermächtnis des verehrten Mannes,

Gott ſchütze Dich vor Frost, 15 junges Holz. Und wo iſt Euer Aeltſſter, Gera Harold?

Wulfnoth. In London iſt er, mir ein Schwert zu kaufen.

Stigand (nimmt den Knaben auf das Knie). Brauchſt Du ein Schwert ſchon, kleiner Mann?

3 Re

Harold.

Wulfnoth. Jawohl, Bald werd' ich groß ſein, und dann kämpfen wir Zuſammen gegen die Normannen.

Stigand. (reißt den Knaben in plötzlicher Bewegung an das Herz). O Godwins echtes Blut in feinen Söhnen! Ich werd' es nicht mehr ſehen, liebes Kind, Wenn Du zum Manne einſt erwachſen wirſt Du junger, ſchneid'ger, funkenſprüh'nder Stahl, Werde ein Schwert Du für Dein Vaterland.

Gytha. Geh' jetzt und ſpiele, Wulfnoth. (Stigand ſetzt den Knaben nieder, Wulfnoth und Dienerin nach rechts ab.) Dieſes Kind Hat Euch bewegt?

Stigand. Sagt mir, erlauchte Frau, Wie denkt zu dieſem Zuſtand unfres Landes Harold, der Herzog, Euer Sohn?

Gytha. O Biſchof, Mit Kummer ſprech' ich's aus: er ward mir fremd. Kaum ſah ich ihn ſeit meines Gatten Tode, Denn unabläffig iſt er jetzt auf Reiſen, Am Meer, in London und auf ſeinen Gütern.

Stigand. Seht dieſe edlen Herren unſres Landes, Wie ſie ſich kleiden nach der Franken Art, Wie ſie verachten ihres Volkes Sitte, Wie ihr Gefühl ihr Vaterland verräth

4

Erſter Akt, >

Dritter Auftritt. Diener (meldet). Die beiden Grafen Edwin und Morcar. Gytha.

Ghalblaut.) Ich wollt' es wär ein Anderer. (aut.)

Willkommen. (Diener öffnet links.)

Vierter Auftritt. Edwin, Morcar (kommen von links. Sie find Normänniſch bunt gekleidet).

Edwin (erneigt ſich). Zum Gruß, erlauchte Schwägerin. Morcar (verneigt fih). | | Zum Gruß. Gytha. Seid mir gegrüßt, Ihr Herr'n. Edwin. In Trauer⸗Kleidern? Erfuhrt Ihr nicht, daß heut der König kommt? Gytha. Der König? Heute? Hier? Ich wußte nichts, Er ward mir nicht gemeldet

Morcar. | Sehr erklärlich; Der König fragt nicht beim Vaſallen an, Wann's ihm gefällig ſei, ihn zu empfangen.

Gytha (wechselt einen Blick mit Stigand).

5

Harold.

Edwin. Wollt Ihr in Trauerkleidern ihn empfangen?

Gytha. Wenn mir Graf Edwin nicht die Kleidung nennt, Die beſſer anſteht Grafen Godwins Wittwe?

Edwin.

Bei Gottes Glanz, wir wiſſen, daß er ſtarb, Doch das iſt nun ein Jahr.

Stigand. Sehr edler Herr, Das iſt ſehr lang für dieſes Landes Heil, Kurz für den Schmerz um einen ſolchen Mann.

Edwin (zu Stigand). Es gab und giebt noch Andre neben ihm.

Stigand. Das wünſcht' ich, daß ihm Viele gleichen möchten.

/ Morcar. Biſchof Stigand, erlaubt mir eine Frage: Gedenkt Ihr, hier den König zu erwarten?

Stigand. Wenn Gräfin Gytha es geſtattet, ja.

Morcar. Ich weiß, Ihr ſeid bei meiner Schwägerin; Doch mir erlaubt, dem Aelteſten des Hauſes, Daß ich Euch ſage, was Ihr ſelbſt wohl wißt, Ihr freut den König nicht mit Eurer Nähe.

Stigand. Welch einen Grund

Erſter Akt, >

Morcar. Ihr kennt den Grund, Herr Biſchof:

Ihr ſeid das Haupt der Unzufriedenen.

Ihr haßt den Erzbiſchof von Canterbury Herrn Robert von Jumidges, weil er Normann' iſt; Ein jeder Funke ſtill verborgnen Grolls, So tauſendfach durch dieſes Volk verſtreut, Bläſt ſich, auf Euch vertrauend, zur Flamme an.

Stigand. Und ſeid Ihr nicht von dieſem Volke?

Morcar. 5 Nein! Denn unſer Haus, es iſt nicht unzufrieden.

Fünfter Auftritt.

Harold (tritt unbemerkt von links auf, bleibt ſtehen. Er it ſchwarz gekleidet; träg; zum Unterſchiede von 97 07 und Morcar langwallendes blondes Haar).

Morcar. Dies dumpfe Trotzen wider alles Fremde, Nur deshalb, weil das Fremde man nicht kennt! Nichts iſt verderblicher für Land und Volk, Als das Geſchrei der Unzufriedenheit, Zu der kein Grund iſt.

Harold tritt Heran). Aber wenn ſich's fände, Daß guter Grund dazu vorhanden wäre? Alles blickt überraſcht auf ihn.)

Gytha. Harold Du hier?

Harold.

H arold (verneigt fi vor Edwin und Morcar). Ich grüß' Euch, meine Ohme.

(zärtlich die Mutter umfaſſend.) Du ſtauneſt mich zu ſeh'n? Und glaubteſt Du, An ſolchem Tage würde ich Dir fehlen?

Gytha. So weißt Du, Harold, daß der König kommt?

Harold.

Darum, gehorchend der Vaſallen-Pflicht, Siehſt Du mich hier.

Edwin. Doch mein' ich, dem Vaſallen

Gezieme, zum Empfange ſeines Herrn Ein reicher Kleid als dies.

Harold. Mir aber nöthigt Zwiefacher Grund dies Kleid der Trauer auf. Mag der Normanne geh'n im bunten Rock, Für ihn iſt's Freudenzeit; dem Angelſachſen Ziemt allzuwohl das Kleid der Trauer.

Morcar. Neffe, Ich hoff' Euch auf der Seite nicht zu finden, Wo jene unzufriednen Schreier ſind.

Harold. Ich fürchte, Ohm, Ihr ſcheltet ſie zu Unrecht.

Morcar.

Ich fürchte, Neffe Harold, Ihr vergeßt, Daß ich ſo alt wie Euer Vater bin Und Ihr ſo alt wie Eures Vaters Sohn.

8

—. Erſter Akt, >

Harold.

Drum wollt mich immer auf der Seite ſuchen Auf der mein Vater ſtände, lebt' er noch.

Morcar.

Wir ſprechen mehr davon an andrem Orte. Wißt Ihr den Grund, warum der König kommt?

Harold.

Ich denke, unſre Treue zu erproben, Ob wir ihm willig öffnen unſre Burg?

Morcar.

Das nicht allein Beſuch erwartet er, Wilhelm der Herzog der Normannen kommt. (Harold, Gytha, Stigand in gewaltiger Erregung.)

ER Harold. ein! Morcar. Ja, es iſt ſo.

Harold. Doch es darf nicht ſein!

Morcar.

Dacht' ich es doch, Ihr würdet ganz entlodern In Leidenſchaft

Harold.

Verdammniß treffe mich, Hörte ich ruhig ſolche Nachricht an! Ihr wart zugegen, Oheim, an dem Tage, Als ihm zu Wincheſter mein hoher Vater Die Sachſenkrone ſetzte auf das Haupt! Welch' einen Eid gelobte König Eduard An jenem Tage? Warum ſchweigt Ihr, Oheim?

9

—. Harold.

Ihr kennt den Eid, denn Ihr und alle Edlen

Des Sachſenvolkes ſtandet um ihn her

Als Hüter dieſes Schwurs! So bitt' ich Euch,

Ehrwürd'ger Biſchof, nennt ihm dieſen Eid. Stigand.

Vor Gottes Angeſicht ſchwur König Eduard, Keine Normannen in das Land zu rufen.

Morcar. Das alles weiß ich ja. Harold. Das alles wißt Ihr Und heiſchet, ruh'gen Blutes ſollt' ich hören, Daß er den Herzog ſelbſt in's Land uns ruft? Morcar. Ich ſagt' Euch: zum Beſuche kommt der Herzog! Heißt das in's Land ihn rufen? Edwin. Soll man ſagen,

Die Angelſachſen ſind das einz'ge Volk, Das nichts von Sitte weiß und Höflichkeit?

Harold. Zur Hölle mit dem Firniß Höflichkeit, Wenn er Verbrechen überdecken ſoll!

Morcar. Wer ſpricht hier von Verbrechen?

Harold. Ich, mein Oheim! Ein 1 der ſelbſt dem Wolf die Würe öffnet Zur anvertrauten Heerde

Edwin. Tolles Zeug.

10

Eifer Akt, >

Harold.

Ja, eh' noch traue ich dem gier'gen Wolf, Der um die Hürden ſchnobert, eh' ich glaube, Daß dieſer Herzog kommt als Freund!

Morcar.

So hört doch. Wilhelm iſt Eduards Neffe wißt Ihr das? Gut Eduard liebt ihn Ihr nennt das Verbrechen, Die andern Menſchen nennen das Natur. Eduard hat Länder in der Normandie Von ſeiner Mutter her; wißt Ihr das auch? Gut bis zu Eduards Tod ſoll Herzog Wilhelm Dies Land zu Leh'n, nach König Eduards Tode Zu eigen haben Habt Ihr das verſtanden? Und heute leiſtet Wilhelm ihm den Lehnseid, Denn einen Lehnseid, wißt Ihr, ſchwört man ſelbſt. Nun ſagt mir, kann es einen Anlaß geben, Unſchuldiger als dieſen auf der Welt?

Harold. Und klängen hundertfach unſchuldiger Die Gründe, die Ihr ſeinem Kommen leiht, Den Einlaß weig'r ich ihm auf meiner Burg!

| Morcar.

Ihr werdet's nicht!

Harold.

Ich werde es!

Ed win.

Der König

Wird's Euch gebieten! Harold.

Und ich werd' es weigern; Dem Feind des Landes meine Burg zu öffnen, Nicht Gott vom Himmel ſoll es mir gebieten.

11

Harold.

Morcar. Sprecht Eurem Sohn Vernunft zu, Schwägerin.

Edwin. Er raſ't Euch Alle in's Verderben, Gräfin!

Gytha.

Verlangt Ihr, daß ich rede? Wohl ſo hört: Jeglichem Wort, das Euch mein Sohn geſprochen, Stimme ich bei, als ſei es meins.

Morcar. | Ihr billigt Gytha. Nein, mehr als das: in ſeine Hände leg' ich Mein Schickſal und das Schickſal meines Hauſes, Daß er's verwalte; ihm vertraue ich Im Wogenſchlage dieſer böſen Zeit Das Steuerruder er ſei der Pilot, Deß Wille Richtung meinem Willen giebt.

Sechſter Auftritt.

Diener (von links).

Erlauchte Frau und edle Herr'n verzeiht, Es ſtehen Bürger Dovers vor dem Thor Und bitten dringend Einlaß und Gehör.

Gytha (winkt).

Diener (öffnet links).

12

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Erſter Akt, >

Siebenter Auftritt,

Ordgar (mit verbundenem Kopf). 5 7 7 * i Baldwulf. Wilfried (treten von inks auf).

Edwin (zu Ordgar).

Was kommt Ihr in ſo widerwärt'gem Aufzug Zu uns?

Ordgar (mit wild rollenden Augen). Ja widerwärtig ja ſo iſt's Drum ſtrafe Gott den, der mich ſo gekleidet!

Morcar. Wer iſt der alte laute Mann?

Gytha. Ich denke, Ich kenne Euren Namen: Ordgar nicht?

Ordgar. Ja, edle Frau, und lebte Euer Gatte, Der leider, leider, leider nicht mehr lebt, Er kennte mich!

Morcar.

Nun alſo, Ordgar, ſprecht; Was wünſcht Ihr?

Ordgar.

O, vergebt mir, gnäd'ger Herr, Wenn ich nicht wohlgeordnet reden kann, Es iſt nur Eins allein das iſt ſo viel

Morcar.

Sprecht deutlich, endlich!

15

Harold. >

Ordgar. Laßt mir Zeit, ich bitte! Fänd' ich das Wort es liegt mir auf der Bruſt Würgt mir den Hals Edwin. Meint Ihr, wir hätten Zeit

Ordgar.

Nun dann ſtatt aller dieſes einz'ge Wort, Das heilig iſt, weil es geboren wurde Am erſten Tage mit dem erſten Menſchen: (beide Hände emporhebend) Gerechtigkeit!

Edric und Baldwulf. Gerechtigkeit, Ihr Herren!

Morcar. Wer that Euch Unrecht?

Ordgar. Der Normanne that's.

Morcar. Natürlich der Normanne.

Ordgar. a Seht mein Haupt, Auf das er ſeinen blut'gen Namen ſchrieb, Der Friedensbrecher!

Morcar.

| Was ſoll alles das? Heut iſt nicht Zeit, Geſchichten anzuhören Von Prügelei kommt morgen wieder geht.

Ordgar. Was? Prügelei? Was?

14

—. Erſter Akt, >

| Edric. | Gnäd'ger Herr verzeiht, i Ein unerhörter Friedensbruch geſchah.

Morcar.

Das kenne ich; wir unterſuchen's morgen. Für heute geht.

Harold. Erlaubt ein Wort.

Morcar. Was wollt Ihr?

| Harold. Ihr Leute, gegen wen erhebt Ihr Klage?

Morcar au Harold). Was ſoll das heißen? Habt Ihr nicht gehört, Daß ich, Euer Oheim, Eures Hauſes Aelt'ſter, Gehör verweigre?

Harold. Graf Morcar, vergeßt nicht, Daß ich der Graf von Dover bin, nicht Ihr.

Morcar gu Edwin). Der Burſche wird noch toll vor Uebermuth.

Harold. Sprecht, alter Mann.

Ordgar.

O gnäd'ger Herr, heut Morgen Kam Graf Euſtach in unſre Stadt geritten Mit fünfzig Schwerbewaffneten.

15

Harold.

Harold. Und weiter?

Ordgar.

Darauf, als ſie zum Markt gekommen ſind, Springt er vom Roß und ruft den Seinen zu: „Macht uns und unſerm Herzoge Quartier Bei dieſen Pudelköpfen.“

Harold. | Was geſchah darauf?

Ordgar. Darauf, als wäre Dover Feindes Stadt, Fallen ſie rechts und links in unſre Häuſer Und brechen mit Gewalt die Thüren auf.

Harold. Das thaten ſie?

Ordgar. Sie thaten's.

Edric und Baldwulf. Wir bezeugen's!

Ordgar.

Und da die Bürger ihnen Eintritt weigern,

Reißen von ihren Hüften ſie das Schwert

Und o ich kann nicht reden Fluch auf ſie Mitten im Frieden, Herr, mitten im Frieden

Harold. Sprecht ruhig

Ordgar. Dreißig Bürger Eurer Stadt Liegen erſchlagen in den Gaſſen Dovers.

16

Eifer Akt, >

E tigand. Beſchütze Gott uns? Gytha. Ungeheure That! Harold. Erſchlagen? Dreißig? { Edric Geigt auf Wilfried). Dieſer junge Prieſter, Der jüngſt aus Rom kam, ſoll es Euch bezeugen.

| Harold au Wilfried). | Ihr ſaht es an?

Wilfried.

g O gnäd'ger Herr, ich ſah's. Harold.

| Denkt, daß Ihr Eure Lippen Gott geweiht:

| Das Wort aus Eurem Mund ſei wie die Taube, 4 Die über'm Meer der Leidenſchaften ſchwebt

| Sagt nicht, ich ſah, wenn Ihr nicht deutlich ſaht, | Denn wenn Ihr jenes Alten Wort beſtätigt

| Edwin.

| Ja freilich, wenn

Harold.

Wer jpricht in Godwins Haufe, 5 Bevor ihn Godwins Erbe ſprechen hieß? (zu Wilfried) | Noch einmal frag' ich

| Wilfried.

| Und verhüt' es Gott, Daß ich noch einmal ſehe, was ich ſah. Verhüt' es Gott, daß ich noch einmal höre, Wie grimme Schwerter krachend niederfallen Und knirſchend beißen in des Menſchen Haupt.

8 2

Harold.

Harold. Ihr ſaht es alles? hörtet's?

Wilfried. Jedes Wort, Das dieſer Mann Euch ſagte, ſtand vor mir, Ein leibhaft blutig fürchterliches Bild, Auf ewig mir den Traum der Nacht vergiftend!

Harold.

Nun dann beim Angedenken meines Vaters,

Bei meiner Mutter und bei allen Dingen,

Die heilig mir gleich dieſen beiden ſind:

Ich will für Euch vor dieſem König ſprechen

Morcar. Beſinnt Euch, Harold!

Harold.

Freilich doch, ich ſinne Wie ich aus Groll und Schmerz ein Wort mir ſchmiede, Zermalmend gleich dem ſchweren Keil des Donners, Das endlich dieſes Königs Ohr durchſchüttre, Das ihn aufrüttle aus dem dumpfen Schlaf, In den Normannen⸗Zungen ihn gelullt.

Morcar duft nach links).

Heißt mein Gefolge auf der Stelle ſatteln! Ich habe nichts mit dieſen mehr gemein.

Edwin. Ich geh' mit Euch. ' Harold. So geht! und geht zur Hölle!

| Morcar. Das Deinem Ohm?

18

Eifer Akt, >

Harold.

Ja, Du abtrünniger Sachſe! Verräther Deines Vaterlands und Volks!

; Mor car (su Gytha). 5 Ihr hört das an? Gytha. Und meine Seele jauchzt ihm! Harold, mein Sohn, den ich bis heute nur 5 Dem Namen nach als Godwins Sohn gekannt, | Stolz meines Schooßes, herrliches Geſchenk, Das mir Dein königlicher Vater gab, Ganz England ſieht Dich an aus dieſen Augen Voll Mutterſtolz! 5

(ie breitet die Arme aus. Harold umarmt ſie.)

r

Morcar. Auf Euer Beider Häupter Denn alle Folgen Eurer Raſerei! Graf Edwin, kommt.

Harold (regt ihnen den Rücken zu). Geht hin, armſel'ge Droher.

Morcar (im Abgange nach links). Wir werden Rechnung halten.

Edwin. | Rechnung; ja. 5 (Beide ab nach links).

Harold. Ja, ſchlügen alle Angelſachſen-Herzen Gleich unſren wenigen, es wär' ein Klang, Daß dieſe fränk'ſche Gaukelſpielerei Davor verhallen müßte gleich der Schelle, Wenn hoch vom Dom herab die Glocke ruft! (Trompetenſtoß draußen.)

19 2*

TEEN En

Harold.

Gytha. Horcht hörtet Ihr? Stigand. Normänniſche Trompeten.

Harold.

So kündet ſich der Sachſen König an.

Wie hart, wie herzlos dieſes Erz ertönt!

Ganz wie ein Ruf zu Hader und zu Streit Komm' er denn an, ich bin zum Kampf bereit!

Achter Auftritt.

Herold (von linkss. Eduard, Sohn Etelreds, der Sachſen König, Heiſcht Einlaß auf Schloß Dover.

Harold. Sagt dem König, Schloß Dover ſtehe jedem Sachſen offen. Was zaudert Ihr? Herold. Bringe ich den Beſcheid? Harold. Bringt den Beſcheid.

Herold. Ich gehe, gnäd'ger Herr. Ab nach Fine.) Stigand.

Mein theurer Harold, reizt den König nicht. Ich fürcht', es kränkt ihn, wenn er dieſe Leute (zeigt auf die Bürger)

Hier bei Euch ſieht?

20

Erſter Akt, >

Harold. Laßt dieſe Leute bleiben. Dieſe Geſichter, deren jedes einz'ge Ein aufgeſchlagnes Buch des Kummers iſt, Will ich ihm zeigen; dieſes graue Haupt, (zeigt auf Ordgar) Blutig gefärbt von der Normannen⸗Fauſt, Halt' ich ihm vor, er ſoll hinein mir ſchauen, In's bleiche, ſtrenge Angeſicht der Wahrheit, Er, der nur leben kann vom Liſpel⸗Hauch Der Fränkſchen Kuppler!

Gytha. 0 Laß hier kommt der König.

Neunter Auftritt.

König Eduard, Robert von Jumidges, Graf Euſtach von Boulogne, Odo, Radulph (kommen von links, Alle in normänniſcher Tracht).

Eduard (zu Gytha, welche ſich, ebenſo wie alle Anweſenden, tief verneigt).

Willkommen, Gräfin.

Gytha.

Seid gegrüßet, Herr, In Godwins Haus.

Euſtach chalblaut zu Eduard). Hört Ihr's? Wie ſtolz das klingt.

Sein Haus ich denk', Ihr gabt es ihm zu Lehn?

Eduard dest ſich auf die thronartige Erhöhung, die Normannen ſtellen ſich hinter ihn.)

Eduard (betrachtet die Bürger) (zu ſeiner Umgebung). Wer ſind die Leute, die er um ſich hat?

21

Harold.

Robert chalblaut). Gemeines Volk. Euſtach chalblaut.

Er iſt der Bauern König; Das iſt ſein Hofſtaat.

Eduard (ebenfo). Wie ſie mich anglotzen, Stumpf wie die Fiſche nicht ein Wort des Grußes! Wie ſie mich haſſen widerwärtig Volk! (laut zu Harold) Ich ſeh', Ihr habt Beſuch? Harold. Nein, gnäd'ger Herr. Eduard. Nein, ſagt Ihr, und ich ſehe Eure Gäſte?

Harold. Das ſind nicht Gäſte, gnäd'ger Herr. Eduard. Was dann?

Harold.

Mein gnäd'ger König, es ſind arme Leute, Die zu mir kamen, ihre Noth zu klagen.

Eduard. Wer leidet Noth in meinem Reich?

Ordgar. Wir Herr! Eduard.

Warum denn kommt Ihr nicht zu Eurem König? Was drängt Ihr Euch zu Andren?

22

Erſter Akt,

Ord gar. Weil

Eduard.

Ich kenn' Euch! Ihr traut mir nicht! Warum? bin ich von Stein? Ihr ſollt mir trau'n! Ich will's!

8 i Harold. Sie trauen Euch! } | Eduard. Nein, Herzog; ſagt nicht, was Ihr ſelbſt nicht glaubt! Harold.

Mein gnäd'ger König, wollt mir doch erlauben: Dies hier ſind Bürger Dovers

Eduard. | Bürger Dovers? Harold. Ja allerdings, und ich bin Graf von Dover.

Robert aum König). Heiſcht Rechenſchaft von ihm! Euſtach ebenso). Denkt Eurer Schmach! Eduard Halb umgewandt). Das weiß ich ohne Euch. (aut) Ich fürchte Herzog, Mit einem Strafgericht muß ich beginnen Meinen Beſuch bei Euch. Harold. Wie das? Edu ard. . Ihr hörtet Von jenem Schimpf, den Dover mir gethan.

25

Harold.

Harold. Euch? Schimpf?

Eduard.

In meinem Abgeſandten, Dem, als er kam, im Namen ihres Königs Quartier zu machen dem Normannen⸗Herzog, Dem Neffen ihres Königs, wie Ihr wißt, Sie bäuriſch das Ouartier verweigerten.

Harold. Sprecht Ihr im Ernſte?

Eduard. Wenn Ihr meint ich ſcherze, Will ich Euch zeigen, daß ich ernſthaft bin. | Harold. | Ja, darum bitt' ich denn ich fürchte, Herr, Dies Ding iſt ernſt Eduard. Gewiß Harold. So ernſt, mein König, Daß alle Späße Eurer fränk'ſchen Herren Euch nicht zum Lachen d'rüber bringen werden.

Eduard. Was für ein Ton?

Harold.

Der Ton

Eduard. Ich hoffe, Gräfin, Euer Sohn vergißt nicht, daß er vor dem König ſteht.

Gytha. Mein Sohn iſt mündig, Herr.

24

Eifer Akt, >

Die Bürger. Heil unſrer Gräfin!

Eduard. Und ob Euch zehnfach Beifall ſchreit der Pöbel, Vergeßt nicht, daß ich Euer König bin!

Euſtach. Ich bitt' Euch, laßt mich reden!

Harold. Laßt ihn reden; Er will von ſeiner Heldenthat erzählen, Die er verübte an wehrloſen Männern In Dovers Gaſſen!

Euſtach. a Wärt Ihr nicht ein Sachſe, Der nichts von Sitte weiß und Ritterart, Ich gäb' Euch eine Antwort

Harold. | Statt der Antwort Nimm denn mein Wort, Du hämiſcher Franzoſe, Daß, wo ich Dir im freien Feld begegne, Ich Dir mit dreißig Angelſächſ'ſchen Hieben Die Namen auf den Rücken ſchreiben will Der dreißig Bürger, die Du mir erſchlugſt!

Ordgar. Gott ſegne unſern Herzog! Edric und Baldwulf. Heil dem Herzog! Eduard Hält Euſtach zurüd).

Graf von Boulogne, wie Ihr es mir berichtet, Als ich nach jener Sache Euch befrug, Ganz alſo war's? Nicht mehr, nicht weniger?

25

Harold. >

Euſtach. Ja, gnäd'ger Herr Harold. Graf von Boulogne, Ihr lügt!

Die Normannen. Schlagt dieſen pudelköpf'gen Sachſen nieder!

Ordgar. Verſucht's, Ihr haſenfüßigen Franzoſen!

Harold. Still, alter Mann mein gnäd'ger Herr und König, Ich weiß, der Zorn reißt mir die Zunge fort In Ehrfurcht neig' ich mich vor Euch, mein König, Doch bitt' ich, hört die Leute.

Eduard. Welche Leute?

Hraold sieht Ordgar heran.)

Hier dieſen Alten ſehet wie das Blut

Mit heißen, rothen, vorwurfsvollen Augen Durch dieſe Tücher blickt er iſt ein Bürger Des Landes, wo Ihr König ſeid! Normannen Thaten ihm das.

Eduard (wendet ſich ab). Kein Blut ich will kein Blut ſeh'n!

Harold. Doch tauſend, abertauſend blut'ge Thränen Fließen in Eurem Land! Ihr müßt ſie ſeh'n! Euſtach. Auf meine Seele nehm' ich dieſes Blut, Und jeden Theil der That nehm' ich auf mich.

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Eifer Akt. >

Stigand. Verwegner Mann

Eduard. Ich denke, guter Biſchof, Ihr wißt mir's Dank, daß ich Euch hier nicht ſehe; Sorgt, daß ich Euch nicht höre.

(Trompetenſtoß draußen).

Eduard. 5 Wer kommt hier?

Zehnter Auftritt.

Normänniſcher Herold (von links). Eduard, dem Sachſen⸗König, bietet Gruß Wilhelm, der Herzog von der Normandie.

Die Normannen. Heil unſerm Herzog! Euſtach. Gebt Erlaubniß, Herr, Daß wir entgegen geh'n, ihn zu empfangen. |

Eduard. Wir ſind zu Gaſt, Ihr Herr'n; dort ſteh'n die Wirthe. Ich bitt' Euch, Gräfin, geht, empfangt den Herzog. Gytha.

Fragt meinen Sohn, er iſt der Herr der Burg. (Pauſe.)

Euſtach gu Harold). Wie lang' ſoll unſer Herr an Eurer Thür' ſtehn?

Harold. So lange als ich Herr bin auf der Burg.

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Euſtach (zu Eduard). Ihr habt's gehört gebt uns Erlaubniß, Herr, Ihn zu empfangen. (Die Normannen ſteigen von der Erhöhung herab.) Harold tritt ihnen in den Weg). Das verbiete ich!

(Bewegung unter den Normannen.)

Eduard. Es iſt ein Mißverſtändniß Herzog Harold, Der König bittet.

Harold.

Und ich weigr' es.

Eduard. Harold!

Stigand (zu Harold). Gebt ihm in dieſem einz'gen Dinge nach.

Eduard.

Ich denk, Ihr ſeid doch nicht im Stall geboren? Ihr wißt, was Höflichkeit und Sitte iſt?

Harold. Es giebt für Menſchen höhere Geſetze Als Höflichkeit.

Eduard.

Eu'r Sohn iſt raſend, Gräfin. Gedenkt des Schimpfes, welchen er mir thut: Der Herzog kommt, den Lehnseid mir zu leiſten Für ſeine Erbſchaft in der Normandie. Soll ein Vaſall im eignen Land mir wehren, Was ich mit meinem Königswort verſprach, Ihm zu erfüllen?

28

Erſter Akt.

Gytha ceigt auf Harold). Dort ſteht mein Gebieter, Sein Wort iſt meins und ſein Beſchluß der meine.

| Eduard. Aufrühreriſch feindſeliges Geſchlecht! Zum letzten Mal bedenkt.

Harold. Zum erſten Male Denk' Deines Eides Du vom Krönungstag!

Ordgar. Der Krönungs⸗Eid!

Die Bürger. Der Eid von Wincheſter!

Eduard. Zum Zeugen ruf' ich Gott, daß Ihr mich zwingt.

Harold. Meineid'ger Mann, ruf' Gott zum Zeugen nicht!

Eduard. Meineidig? Und das mir? Das Deinem König?

Harold. Ja, Dir in's Angeſicht, Du morſcher Aſt Am alten Baum der Sachſen⸗Könige!

Stigand. Harold um Gott bedenkt!

Harold. Fort, laßt mich reden! Gebt acht, wie dieſe mürben Lenden brechen, Wenn ich die Hälfte nur von all' dem Jammer,

29

Harold.

Den er auf jedes Sachſen-Herz gehäuft, Auf's Haupt ihm wälze. Dir ins Angeſicht, Du Puppe der Normannen

Robert. Hört Ihr das? Eduard. Wer rettet mich vor dieſem Wüthenden? Euſtach.

Wir, gnäd'ger Herr!

(ruft.) g Normannen für den König! (In den Thüren rechts und links erſcheinen Normannen mit bloßen Schwertern.) (Dumpfe Pauſe.)

Eduard erhebt ſich. Ihr Alle hörtet, was der Mann hier ſprach.

Die Normannen. Das hörten wir. Eduard.

Daß er auf meine Ehre Das Brandmal ſeiner ſchnöden Worte drückte Daß des Vaſallen ſchuldigen Gehorſam Er keck ins Antlitz mir verweigerte, Mir wehrend, mein Verſprechen einzulöſen, Bezeugt mir das! Bezeugt mir das!

Die Normannen. Wir zeugen! Eduard.

Verluſtig ſeiner Güter, ſeiner Lehen Erklär' ich Harold, Godwin's Sohn. Verbann' ihn Und gebe ihm von heut drei Tage Friſt, Daß, wenn ich ihm am vierten Tag begegne, Sein Haupt dem Henker ſoll verfallen ſein.

(Gemurr unter den Bürgern.) Was murrt das Volk zu jedem meiner Worte?

30

Eifer Akt, >

ee Sucht Euch den Henker drüben über'm Meer!

Eduard.

Mit Dir rechn' ich noch ab! Aus Gnaden, Gräfin, Geſtatt' ich, daß Ihr wohnt auf Dovers Schloß.

Gytha (mit bittrem Lacher). Aus Gnaden? Ihr?

Eduard. Was ſoll's? warum dies Lachen?

Gytha. Begnadigt den, den Ihr beſtrafen dürft. Eduard. Ihr wollt nicht Gnade? Gytha.

f Schändet dieſes Wort nicht, Den wundervollen Schmuck des ſtarken Mannes, Schwachherz'ger Mann, dem Angſt zu Kräften hilft! Ruft mir den Knaben Wulfnoth, Biſchof

(Stigand ab nach rechts)

Lerne,

Unköniglicher Mann, an unſ'rer Art Die ſtolze Sprache königlichen Blutes. Und ging's von hier gleich auf den Henkersblock, So legt' ich meinen Nacken neben ſeinen. Ich ſtand dabei am Tag von Wincheſter, Als Godwin dieſen da zum König machte. Bei dieſen blonden Locken meines Sohns, Mein Herz war nicht ſo groß, ſo frei, ſo fröhlich Als heute, da ich rechtlos, heimathlos Mit meinen Söhnen in Verbannung ziehe.

51

Harold.

Elfter Auftritt.

Stigand kommt von rechts mit Wulfnoth. Stigand. Hier bring' ich Euch den Knaben.

Gytha. Komm, mein Kind. (Sie legt den rechten Arm um Harolds Nacken und drückt mit dem linken Wulfnoth an ſich.)

Nun, dieſe meine Söhne ſo im Arme, Ruf ich die Mütter von ganz England auf: Iſt ihrer Eine glücklicher als ich?

Ordgar. Nein, große Gräfin! Harold. Auf, und laßt uns geh'n, Das Recht verſtummt, wenn die Gewaltthat redet. (zu Eduard.) Und ſcheidend laß ich zum Vermächtniß Dir Die ſchlummerloſe Ruh' gequälter Nächte, Von des Gewiſſens dumpfem Schrei durchhallt, Bei Tag den Anblick eines groll'nden Volkes, Und Tag und Nacht das Zittern und das Zagen Vor jener Stunde Euſtach. Welche Stunde meint Ihr? Harold cſchüttelt drohend die Fauſt). (Harold, Gytha, Wulfnoth wenden ſich zum Abgehen nach rechts.) Robert. Laßt Euch von ihnen Geißeln ſtellen.

Eduard. |

Geißeln? Robert.

Heiſcht ihren jüngſten Sohn. Eduard. |

Ich thu' es ungern.

Erſter Akt.

Euſtach.

Allein die Noth verlangt's. (laut). Gräfin, der König

Wünſcht noch zu Euch zu reden. (Alles wendet ſich zurüd).

Eduard. Gräfin Gytha, Mich ſchmerzt's doch brauch' ich Euren jüngſten Sohn Als Geißel. Gytha.

Dieſes Kind? Dies junge Kind? Eduard. Für Eures ält'ſten Sohnes böſen Willen. Gytha. Mein Kind ihm laſſen! Tödte mich auf einmal, Nicht Glied für Glied! Euſtach wackt Wulfnoth). Behaltet Euer Leben, Den Knaben wollen wir. Wulfnoth (ic ſträubend). Hilf, Bruder Harold! H arold reift den Knaben aus Euſtachs Händen).

f Ihr nehmt den Knaben nicht! (Die Bewaffneten rechts und links treten je zwei Schritte näher; Harold blickt umher, . ſchüttelt das Haupt und wendet ſich zu König Eduard.)

Beim Licht der Sonne, Die Alles ſieht, was heut Ihr an uns thut, Schwört, daß dem Kinde hier kein Leid geſchieht. Eduard. Kein Leid geſchieht ihm das verſpreche ich. Harold (hebt den Knaben an das Herz).

Muth, kleiner Bruder, Muth; wir ſeh'n uns wieder. ſetzt den Knaben zur Erde.

Küß' Deine Mutter.

(zu Gytha). 0 Muth, geliebtes Herz,

In dieſer Stunde.

33 N 3

Harold.

Gytha. Muthig will ich ſein Mein ſüßer Knabe

Wulfnoth. Mutter

Gytha. Nein, ſprich nicht, Denn wenn ich Deine Stimme höre, Kind

Gytha (ſinkt plötzlich vor dem Kinde nieder und reißt es an ſich). Welch' eine Ahnung ſchaudert mir durch's Herz:

Nie werd' ich dieſen Knaben wiederſeh'n!

Harold. Du wirſt's ich ſchwör' es.

Gytha su Eduard). Halte Deine Wölfe

Von meinem Lamme fern; Ich ſage Dir, Der Menſch, durch den ich dieſes Kind verliere, Verbrennen ſoll er mir in meinem Haß! Zerbrechen unter meinem Grimm! Vom Throne Der Gnade ſoll am jüngſten Tage ihn Mein Fluch hinweg ihn geißeln! Ach, mein Kind, In ſolchen Panzer grauſenvoller Flüche Muß ich Dein unſchuldvolles Leben kleiden

(fie erhebt fich). Harold, komm' fort, ich will vor dieſen Teufeln

Nicht weinen wahre mir mein Kind! |

Ich fordr' es einſt von Dir Wulfnoth nein nicht mehr Denn geh' ich jetzt nicht, kann ich nie mehr gehn Fort, blicke nicht zurück zu ihm fort fort. | Garold, Gytha unterſtützend, mit ihr ab nach 3 die Bürger langſam hinter ihnen her nach rechts ab. 4

Der Vorhang fällt.

Ende des erſten Aktes.

54

Sweiter Akt. Erſte Scene.

Bart zu Rouen. Dichtes blühendes Gebüſch. Vorn rechts ein Raſenhügel, auf welchem ein blühender Roſenſtrauch. Vor Aufgang des Vorhangs ein Hörner ⸗Chor 4 hinter den Couliſſen.)

-

Erfter Auftritt. Adele. Alice. Leonore. Gefolge von Pagen. (von rechts).

Adele.

Alice, Leonore, Herzens⸗Seelen,

War je ein Morgen dieſem Morgen gleich? Die Sonne iſt verliebt in ihren Himmel, Der Himmel in die Erde

«

Alice. Kurz und gut, Das alte Lied vom Lieben und geliebt ſein.

Leonore. Alice ſeufzt. Adele, Königin Von Wäldern und von Feldern, meines Herzens Allmächt'ge Herrin, nennt die Thaten uns Die dieſer Tag uns ſoll vollbringen ſehn.

Adele. Kriegsrath gehalten! ö (fie jest ſich auf den Raſenhügel, Alice ihr zu Füßen, Leonore ſteht.)

55 3*

Harold.

Leonore. Seid uns heut Diana, So wollen wir Euch folgen durch die Fluren Gleich Atalante aufgeſchürzt zur Jagd. Adele. Was ſagt Alice? Alice. Laßt Lenore jagen, Ich weiß Euch beſſeres. Leonore. | | Sie wird Euch rathen, Daß wir, gelagert unterm Roſenbuſch Den Nachtigallen lauſchen; ſeht Prinzeſſin, Ihr Köpfchen, ganz von Träumerei erfüllt Senkt ſich wie eine Thau⸗beſchwerte Roſe. Alice.

Wollt Ihr den neuen Zelter nicht erproben Den Euch der Vater ſchenkte?

Adele. O vortrefflich! Und Ihr begleitet mich! Leonore. Ich auf dem Rappen! Alice. Den Falben nehme ich. Adele (zum Gefolge gewandt). Halloh der Page! Page (tritt vor). Adele. Die Pferde vorgeführt! Und höre noch Setzt meinem Falken auch die Haube auf.

56

Zweiter Akt, >

Page. Sehr wohl, Prinzeſſin; welchen wollt Ihr he Von Euren Falken? den Norwegiſchen?

Adele. Nein, den der Vater mir geſchenkt.

Page. Verzeiht mir, habt Ihr beide? Adele.

Vom Herzog,

Ja fürwahr!

Was auch beſäß' ich, das mir nicht vom Vater Geſchenkt ward! Du glückſelige Adele! Den Island⸗Falken mit den ſchwarzen Flecken Auf weißer Bruſt, den bringſt mir und den andern Sir meine Freundin hier, für Leonore. |

(Page ab.)

Leonore. O Liebenswürd'ge, Ihr verdient das Glück;

Ihr braucht es zum Beglücken. (küßt ihr die Hand.)

Adele. Unterwegs Alice, mußt Du Märchen uns erzählen Von Artus' Hof. Leonore.

5 Jawohl, das muß ſie thun. Vom Lanzelot. |

Adele; Und von der Melufine.

Alice. Ihr habt mir meinen Schatz rein ausgeplündert; Ich weiß nichts mehr.

37

Harold.

Leonore. Prinzeſſin, glaubt Ihr das?

Adele. Nein, Leonore, Dichter und Erzähler Verlangen, wie die Vögel, Zuckerbrod. Man ſoll die holden Träume ihres Innern Mit ſanftem Schmeicheln auf die Schwelle locken. lumarmt Alice.) Geliebter Trotzkopf, nenne mir den Preis Für den Du artig ſein willſt?

Alice.

Süße Herrin Und allerreizendſte Gebieterin, Dies iſt die Näſcherei, die mich gefügig Zum Dienſt Euch macht. (Küßt ſie auf den Mund.)

Page kommt zurück.

Wenn Ihr befehlt, Prinzeſſin Die Pferde ſind bereit.

Adele (ipringt auf).

Auf, in den Sattel! O wüchſen an den Schultern Flügel mir, Dann mit dem Falken ſtieg' ich in die Lüfte! (Adele, Alice, Leonore wollen eilend links ab; in dem Augenblick:)

Sweiter Auftritt.

Wilhelm. Seneſchall. Barone (von links). (Wilhelm fängt Adele, die links enteilen will, in den Armen auf.)

vi Wilhelm. Halt, fliege deinem Vater nicht davon, Mein wilder Falk, er braucht Dich noch auf Erden.

58

Zweiter Akt. >

Adele. Mein Vater heim aus England?

Wilhelm. g Wie Du ſiehſt. Adele (umarmt ifn). Zum frohen Willkomm, mein geſtrenger Herr!

Wilhelm. Geſtrenger Herr, ſeht dieſes ſchlimme Kind, So ſpottet es der Schwäche ſeines Vaters.

Adele. Und biſt Du nicht der hochgeſtrenge Herzog, Vor dem die Hohen und die Niedren zittern?

5 Wilhelm. Das bin ich ihnen, und was bin ich Dir?

| Adele. O, einen Redner gebt mir in den Dienſt, Der mir die Antwort lehrt auf ſolche Frage. Mein theures Haupt, mein vielgeliebter Vater! (Küßt ihn.) Wilhelm. Mein Blüthenzweig, mein friſcher Morgenduft Im ſtaub'gen Handwerkstage meines Lebens, Wie lebte meine Tochter unterdeß?

Adele. Gut, ich behielt Dein Herz mir hier zurück, Hat's Dir in England drüben nicht gefehlt?

| Wilhelm. Ich weiß nicht, denn ich nahm Dich ſelbſt hinüber Und ließ in England Dich.

59

Harold.

Adele. Wie das, mein Vater?

Wilhelm. Komm, ſieh mich an, ſuchſt Du die Kette nicht Die ich am Halſe trug, mit Deinem Bilde In goldner Kapſel?

Adele. Ja fürwahr wo blieb ſie?

Wilhelm. | Beim König Eduard, Deinem Groß⸗Oheim. Ich zeigte ihm Dein Bild, und da er's ſah, Wollt er's nicht laſſen.

Adele. Hilf mir Gott im Himmel Ich hörte, er ſei an die ſiebzig Jahr, Haſt Du mir den zum Bräut'gam auserdacht?

Wilhelm (mit erhobenem Tone). Das nicht, doch auf die Brautfahrt ging ich aus. Ich ſelber war der Bräut'gam, und die Braut Heißt England. Seneſchall. Was bedeutet das?

Wilhelm. Barone, Das Angeſicht der Welt wird ſich verändern Von heute binnen Kurzem. Hört und wißt, Daß König Eduard mich kraft heil'gen Eides Zum Erben eingeſetzt nach ſeinem Tode.

Seneſchall. Zum Erben?

40

5 Zweiter Axt.

Wilhelm. Ja zum Erben ſeiner Krone; Stirbt er, ſo werd' ich König ſein von England.

Seneſchall.

Stern der Normannen laß den Tag mich ſchau'n! Das ſchwur Euch König Eduard?

Wilhelm. Allerdings, Fragt Robert von Jumieges den Erzbiſchof, Er war dabei. Die Barone.

Heil Wilhelm, Englands König!

Wilhelm an Men.

Was ſagt das Königliche Kind von England Zu ſolchem Bild der Zukunft?

Adele. Nichts, mein Vater.

Wilhelm. Wie? nichts? daß ich die junge Stirne Dir Mit Königlichem Diadem umfange?

Adele.

Der Himmel Englands, hört' ich, wäre grau. Ich bleibe lieber in der Normandie.

Seneſchall (tiet links in die Couliſſe). Verzeiht mir eine Frage, gnäd'ger Herr, Wer iſt der Knabe, den Ihr uns aus England Herüberbrachtet? Wilhem. Nun, bei Gottes Glanz, Beinah vergaß ich ihn; wo iſt er?

41

Harold.

Seneſchall (winkt nach links). Hier Ganz übermannt von Müdigkeit und Schlaf.

Dritter Auftritt.

Ein Normänniſcher Baron, welcher Wulfnoth ſchlafend auf dem Arme trägt (kommt von links).

Adele. O güt'ger Himmel ſeht doch, was kommt da? Alice, ſahſt Du je ſo reizendes?

Alice (ritt zu Wulfnoth). Ein allerliebſter Knabe.

Adele. Weck ihn nicht Sieh, wie der Schlaf ihm rothe Wangen malte, Und dieſe Haare wie geſträhntes Gold O das holdſel'ge Kind.

Wilhelm. b Hör', meine Tochter, Verliebe Dich zu ſehr nicht in den Burſchen, Denn er iſt mein Gefangener.

Adele. Dein Gefangener? Das iſt Dein Ernſt nicht, Vater!

Wilhelm. Voller Ernſt. Als Geißel nahm ihn König Eduard ſeiner Mutter Und ſeinem Bruder Harold, dem Empörer, Der jetzt in Flandern weilt, und mir vertraut' er Den Knaben an zu größrer Sicherheit.

42

Zweiter Axt.

Adele. So arm an Jahren und ſo reich an Unglück? O ſtill, gebt acht. Wulfnoth (erwacht, blickt um ſich).

Mutter wo biſt Du? Mutter? Wo iſt mein Bruder Harold?

Wilhelm. Setzt ihn nieder. (Wulfnoth wird auf die Erde geſtellt.)

Nun, Meiſter Wulfnoth, komm, gieb mir die Hand

Wulfnoth. Laßt mich zu meiner Mutter (will entfliehen),

Seneſchall chat ihn lachend feft). Halt, Patron! Adele.

Faßt ihn ſo rauh nicht an! (niet vor dem Knaben nieder.)

Du armer Schelm, Scheuſt Du Dich auch vor mir?

Wulfnoth. Nein Du biſt gut Doch der (eigt auf Wilhelm) iſt böſe.

Adele. Nein, er iſt es nicht. Wie Du das Söhnchen Deiner Mutter biſt, Siehſt Du, ſo bin ich dieſes Mannes Kind. (Wulfnoth wirft die Arme um ihren Hals und weint bitterlich.) Gott tröſte Dich, Du armes kleines Herz. (fie erhebt ſich.) Vertraue mir den Knaben an, mein Vater, Ich bitte drum: Wilhelm. Es kann nicht ſein, Adele, Du hörſt, er ward als Geißel mir vertraut.

45

Harold.

Adele. Sieh das bethränte Angeſicht des Kindes, Es wendet klagend ſich an die Natur Und heiſcht von ihr das Recht des Kindes, Liebe; Mein Vater, der in jeder Stunde Du Dein Kind mit Deiner Liebe überſchütteſt, Du wirſt der Mann nicht ſein, dies ſüße Recht Dem Kind zu nehmen! Denke, wenn Adele In fremder Männer Händen

Wilhelm. Wohin denkſt Du? Hör' auf, ich will's! Adele. Wenn ſie von Dir getrennt, Im fernen Kerker weinend Deiner dächte? Wilhelm. (ſchließt Adele plötzlich leidenſchaftlich in die Arme.) Du mir entriſſen!? Nimm den Knaben hin Doch wahre ihn mir gut.

Adele. O trauter Vater, Wie meinen Augenſtern bewach' ich ihn! (zu Wulfnoth) i Komm, ſüßer Schelm; Wulfnoth nicht wahr, ſo heißt Du?

Vierter Auftritt.

Montgomery (von links zu den Vorigen). Gewicht'ge Botſchaft, gnäd'ger Herr, aus Flandern: Harold mit zwanzig Schiffen, die er warb,

Brach gegen England auf. (Bewegung.) Wilhelm.

Fluch wann geſchah's?

%%

Zweiter Akt, >

Montg omery. Herr, vor drei Tagen ſtach er in die See.

Wilhelm. So kann er heut ſchon auf der Themſe ſchwimmen?

Montgomery. So denk' ich, Herr.

Seneſchall. Dann wehe König Eduard. Das aue und die Bewohner Londons Erheben ſich in offener Empörung, Sobald ſein Banner weht. .

Wilhelm. Kommt augenblicklich

Kundſchafter will ich ſenden über's Meer.

(Wendet ſich zum Abgang nach links, tritt noch einmal zu Adele, die ſich mit Alice und Leonore um Wulfnoth beſchä ar.)

Wilhelm (dit auf Wulfnothh. Harold, Sohn Godwins, ſei auf deiner Huth, Wenn du mir läſtig würdeſt Adele. O mein Vater, Wie e blickſt Du?

Wilhelm.“ Denke dran Adele, Es giebt nur Einen Einz'gen auf der Welt, Der mir verderblich werden könnte, Harold. Des Feindes Herz hältſt Du in Deinen Händen Ernſt iſt die Gabe, die ich Dir vertraut.

Adele cdrückt Wulfnoth an ſich). Still, armer Junge, ſtill, ich bin bei Dir. (Verwandlung .)

45

SGarsld, >

Sweite Scene. (Ein Zimmer im Palaſt zu London, Thüren rechts, links und in der Mitte. Zu der letzteren, welche ein Vorhang bedeckt, führen einige Stufen empor).

Erſter Auftritt. Robert von Jumidges. Euſtach von Boulogne (kommt von rechts).

Euſtach. Wie ſteht es? Hat der König unterſchrieben?

Robert. Noch nicht. Euſtach. Wann endlich wird er unterſchreiben?

Robert.

Wenn er ein Andrer ſein wird, als er iſt. Wohl zehnmal legt' ich ihm das Urtheil vor, Und zehnmal wollt' er's in Erwägung zieh'n Und zehnmal zehnmal unterſchrieb er nicht. O, ſolchem Manne dienen iſt Verzweiflung.

Euſtach. Ihr wißt, daß Harold vor den Mauern ſteht. In London ſelber gährt die Rebellion, Ein dumpfes Grollen wühlt in den Gemüthern. Die Bürger Dovers müſſen heut noch ſterben, Nur kurz entſchloſſ'ne, ſtrenge, blut'ge That Die dieſe Liebe in Entſetzen tödtet, Kann uns noch retten.

Robert. Alles dieſes weiß ich. Doch ſeit der Stunde, da er unſerm Herzog England verſprach, haßt Eduard die Normannen.

46

ee . A dðMꝙmʒ ꝛ· a a in Zu

Zweiter Akt, >

Euſtach. Ah, dieſes Muſterbildniß aller Schwäche, Den immer heut die That von geſtern reut! Sagt ihm, es gehe um ſein eigen Leben.

Robert. Dies Mittel, wird er ſagen, ſei verbraucht.

Euſtach. Verbraucht! Verbraucht! O, eine einz'ge Waffe Gab die Natur den Schwächlingen: das Mißtrau'n.

Robert (geht an die Mittelthür, lüftet den Vorhang).

Ich höre ſeine Schritte, geht hinaus. Euſtach. Gut denn, Ihr findet mich im Vorgemach. Doch heißt ihn eilen mit dem Urtheilsſpruch, Denn die Geduld in mir hat kurzen Athem. (ab nach rechts.) 5 Robert. Ich reiße ihm das Urtheil von der Seele.

Sweiter Auftritt.

König Eduard (ein Papier in der Hand, auf Wilfried geſtützt, kommt durch die Mitte).

Robert geht ihm entgegen). Ihr unterſchriebt das Urtheil, gnäd'ger Herr?

Eduard (abwechſelnd Robert und Wilfried anſehend).

Laßt Euer Beider Antlitz mich vergleichen

(zu Wilfried) Du biſt ein Sachſe?

47

Harold.

Wilfried. Ja, mein gnäd’ger König.

Eduard (u Robert).

Ihr ſeid Normanne, Biſchof.

Robert.

Wie Ihr wißt.

Eduard. Ihr habt etwas vom Habicht im Geſicht, Wie Alle Eures Volkes.

Robert.

Gnäd'ger Herr,

Gebt mir das Urtheil, wenn Ihr's unterſchriebt.

Eduard. Gleich einem Habicht ſtößt er auf die Beute

Robert. Gebt mir das Urtheil, denn es drängt die Zeit.

Eduard. Es drängt die Zeit o die verruchte Zeit! Zu was für böſen Dingen ſie uns drängt! Seid Ihr ein Prieſter nicht des ſanften Chriſtus, Den Liebe ſterben hieß? | | Robert. | Ihr wißt, ich bin's. ö | Eduard. Wirt Ihr ein Prieſter, ſchaudern müßtet Ihr Vor dieſem blutgefüllten Greuelblatt! | Robert. Ich ſchaudre, Herr; doch ſtärker als mein Schauder Spricht meine Pflicht.

48

—. Zweiter Akt.

Eduard. Sprecht nicht ſo klug und kalt. Pflicht iſt ein Edelſtein, doch in den Händen Hartherziger wird ſie zum Felſenſtein, Der unſres Nebenmenſchen Haupt zermalmt! Hier ſtehen dreißig Männer aufgeſchrieben

5 Die dreißig Männer haben dreißig Weiber

ö | Ein jeder diefer Männer war ein Baum

; Der Knospen trieb die Männer haben Kinder b Und nun aus meinem Mund ein einzig Wort,

9 Und wie ein Peſthauch fegt es drüber hin

A Und mordet all' das Leben. Hört Ihr nicht,

4 Welch ein Geheul von Jammer und von Leid

. Aus dieſem Blatt erklingt? O Ihr ſeid klug:

N Ihr ſchiebt mich zwiſchen Euch und zwiſchen Gott 5 Nur meine Seele ſoll am jüngſten Tage

N Mit dieſem Blutfleck vor dem Richter ſtehn

F Robert.

4 Zu milder Richter iſt auch ungerecht;

I Sie griffen Euren Schwager an mit Waffen

j Sie müſſen ſterben, wenn Ihr leben wollt.

| Eduard.

AM dieſe Dreißig was den Tag geſchah | Zu Dover, ward noch einmal unterſucht?

Robert.

Es wurde unterſucht und laßt Euch ſagen, Was ich erſt heut erfahren: Herzog Harold Rückt auf Euch an mit einem mächt'gen Heer.

Eduard.

Harold rückt an? Robert.

Er ſteht vor Londons Mauern; An Londons Thore donnert ſeine Fauſt

1 4

Und aus dem Innern brüllet tauſendſtimmig Der Aufruhr ihm ſein grollendes „tritt ein“. Kennt Ihr das Ziel, nach dem er ſeine Hand reckt? Das Kronengold auf Eurem Haupte iſt's!

| Eduard Miftig lächelnd). Das wär' dann freilich ſchade.

Robert.

Eduard. Wenn er die ſchönen Pläne Eurer Herr'n Mit dieſem Tölpelſtreich vernichtete? 5 O Ihr beſorgten Herr'n ich kenne Euch! Robert. Iſt das erhört? Ihr ſpottet Eurer Retter? Und wenn die Mutter ihm mit wilden Worten Das Herz zur Wuth ſchürt? Wenn das Kind ſie fordert Und Ihr's nicht geben könnt?

Eduard.

Was wär' ſchade?

Das Kind Wer rieth mir das mit dieſem Kind? Wer war's? Ach wie Ihr mich in Eure Netze fingt! Robert. Laßt das Vergangene, denkt der Gegenwart.

Eduard.

Kommt her legt Eure Hand an dieſes Blatt (Robert faßt das Blatt auf einer Seite, Eduard hält es auf der andern.)

Und alſo theil' ich dieſe That mit Euch. Nehmt halb die Ehre hin, wenn gut ſie iſt, Und halb den Fluch nein, allen Fluch auf Euch Wenn ſie verdammt iſt. Robert.

Auf mein Haupt den Fluch! (er reißt das Blatt an ſich und geht eilend nach rechts ab.)

50

+ Zweiter Akt.

Eduard.

Bewahre, Gott, mich vor unſchuld'gem Blut! Ich weiß kein Menſch geht ſündenlos durch's Leben, Doch Blut vergießen ſeit ich denken kann, Begriff ich nie, daß Menſchen morden können! Mord welch ein Klang in dieſem Worte liegt, Als thäte eine Todtengruft ſich auf, In der der Wahnſinn des Entſetzens hauſt Blut Menſchenblut welch ſchaudervolles Räthſel Birgt dieſe rothe, heiße, dunkle Fluth Das Herz gerinnt mir, ſeh' ich Menſchenblut Laß dieſe Menſchen ſchuldig ſein, mein Gott, Daß ich nicht Mörder ah iſt hier denn Niemand? Kein lebend Herz (gewahrt Wilfried)

Ach, Du biſt da, mein Sohn, Das iſt mir lieb Dein Antlitz ſeh' ich gerne. Du warſt in Rom? Komm, komm, erzähle mir Vom blauen Himmel rede, der dort iſt Der nicht ſo bleiern drückt wie dieſer Himmel.

g Wilfried. Ich kann Euch nicht vom hohen Rom erzählen, Mein Herz it mir zerriſſen! Jene Männer

Eduard.

Wilfried. Ja, die heute ſterben müſſen Ach kenntet Ihr den unermeſſnen Jammer

Eduard.

Wilfried. Nein Ihr ſaht nicht, was ich ſah! Eduard (tiet ihn schrecklich an). Mich warnt etwas als ſollt' ich Dich nicht fragen Was Du geſeh'n? Was ſahſt Du?

Die dreißig?

Ich kenn' ihn!

51 4*

Harold.

Wilfried. Jene That Am Tag zu Dover. | Eduard. Sahſt Du die mit an? Wilfried. Ich ſah ſie, gnäd'ger Herr. Eduard.

Dann ſtill ſei ſtill! In Deinen Augen ſteht ein Wort geſchrieben, Die That war anders als man mir geſagt?

Wilfried. | Ja, ſie war anders, anders, gnäd'ger Herr Mit Schwertern griff fie der Normanne an Brach mit Gewalt in ihre Häuſer ein Und dreißig Bürger Dovers ſchlug er todt!

Eduard gurchtbar lachend).

Und darum ſchickt der Sachſen König ihnen Zur Freude der Normannen dreißig nach! (Draußen erhebt ſich ein dumpfes Glockengeläut.)

Wilfried. Betet, o Herr, für dieſer Männer Seelen Hört Ihr's? Das ſind die Glocken des Gerichts.

Eduard. Kain ſchlug nur Einen dreißig morde ich! Wende Dich ab von mir nein, fort hinunter, Schrei' ihnen Halt! Wilfried. 8 Es iſt zu ſpät, mein König.

52

Zweiter Akt, >

Eduard. Zu ſpät in Lüften geht es heulend um Hörſt Du, wie dieſe Glocken heulen: Mord! Das iſt ein Volk, das ſeinem Kön'ge flucht.

Dritter Auftritt.

. Stigand (kommt in höchſter Eile von links). König der Sachſen habt Ihr das befohlen, Daß man zum Tod die dreißig Männer führt?

Schuldloſe Männer? Eduard. Ich befahl es, Biſchof, Weil der Normanne mir's befahl.

Stigand. | Mein König, Euer Herz, ich hör's, iſt dieſer Sache fremd; Eilt ändert den Befehl. N

Eduard. Es iſt zu ſpät. Stigand. | Noch nicht, o Herr ein Mann iſt noch vorhanden, Der retten kann. Eduard. Nennt ihn! Stigand.

Soll ich ihn nennen? Und werft Ihr von Euch alten Haß und Groll?

Eduard.

Nennt mir den Mann! Seine Name ſoll mir tönen Wie meines Heilands Name! Nennt den Mann!

58

Harold.

Stigand. Harold ſteht vor den Mauern Londons, Herr; Heißt ihm die Thore Londons öffnen, Herr, Gebt mir Befehl, ſo eil' ich auf die Gaſſen Und was des Lebens lang ertragne Mühe An Kraft. in dieſen alten Lungen ließ, Raff' ich zuſammen dann zu einem Schrei, Daß König Eduard Harold in die Stadt ruft Wie ein Orkan ſteht dann das ganze Volk Von London wider die Normannen auf, Und die Verlornen dreißig ſind befreit!

Eduard.

Ich weiß, er wird mich tödten, wenn er kommt, Sei er geſegnet, wenn er dieſe rettet

Und meine Seele löſt von dieſem Blut!

Die Thore auf, ruft Harold in die Stadt!

Stigand.

Die Zeit verſchlingt mein Wort lebt wohl, mein König! (Eilend nach links ab.)

Eduard. Sieh mich nicht an mit ſolchen hohlen Augen, Du ſtauneſt, daß es Menſchen giebt, wie mich, Denn Du biſt jung, und Jugend richtet ſtreng,

Und richtet ſchnell und falſch Du weißt es nicht,

Daß das Geſetz, das zwiſchen Nacht und Tag Das Zwielicht ſetzte, auch für Menſchen gilt: Daß Menſchen ſind, die weder Licht noch Dunkel, Die immer Schatten nur. 5

Wilfried. O, dieſe Menſchen, Sie müſſen, denk' ich, ſehr unglücklich ſein?

54

Zweiter Akt.

Vierter Auftritt.

F Robert, Euſtach „Odo, Radulph kommen eilend von links und ſchleppen 5 Stigand mit ſich.

Robert. | Herein! bringt ihn herein den falſchen Prieſter! Wer ſind die Zeugen wider dieſen Mann?

| i Euſtach. Ich bin der Zeuge, Leben, Leib und Blut Sprech' ich ihm ab um ſchurkiſchen Verrath! . Mit meinen eignen Ohren hörte ich, 3 Wie er dem Pöbel Londons Aufruhr ſchrie. 1 Beſtreitet, wenn Ihr könnt!

Stigan d.

Ich ſtreite nicht Was mich mit Stolz erfüllt.

Euſtach. Erzbiſchof Robert, Sprecht ihm das Urtheil.

Eduard (tritt auf die Stufen vor der Mittelthür).

Uebermüthiger, Siehſt Du nicht wo der Richter ſteht? -

Euſtach. Das Urtheil!

Eduard. Du ſollſt mir Rede ſteh'n, ob Du mich ſiehſt.

Euſtach (alt die Fauft). Ich ſehe Einen, dem es beſſer wäre,

Ich ſäh' ihn nicht.

55

u Harold.

Eduard.

Hebſt Du jo keck die Stimme? Ballſt Du die Fauſt mir? Und wie war's mit Dover?

Euſtach. Was ſoll uns Dover hier? Habt Acht und ſeht, Wie man Verräther ſtraft. Macht Euch bereit. (Er zieht das Schwert und tritt zu Stigand). Stigand. Was ſoll das Schwert?

Euſtach. An Deinen Nacken ſoll's.

Eduard. Noch nicht genug des Menſchenblutes?

Euſtach. Nein! Unnütz iſt dieſes Haupt auf ſeinen Schultern, Wo es nur Tücke ſinnt und Rebellion. Vom Rumpf gehauen ſoll's mir nützlich ſein: Als Antwort ſchleudr' ich es dem Pöbel hin, So fürchtet der Normanne ſich vor Euch.

Stigand (flieht zu Eduard). Rettet mich, Herr, vor dieſem wilden Thier.

Eduard.

Der König Englands ſchützet dieſen Mann, Wer wagt die Hand an ihn zu legen?

Euſtach. Für Englands echten König tödt' ich ihn.

Eduard. Wen nennſt Du Englands echten König?

56

Zweiter Akt.

Euſtach. Wilhelm, Den Herzog der Normannen, meinen Herrn.

Eduard.

Ah, Du Skorpion, der unter meiner Ferſe

Sich eingeniſtet, ſeiner Stunde harrend,

Um mich zu ſtechen! Warum gingſt Du nicht Mit Deinem Herren nach der Normandie,

Daß Du begraben lägſt im Schlund des Meeres?

i Euſtach (tritt vor Eduard). Sind wir ſoweit? Nun, denn hinweg die Larve, Die ich zu lang ſchon ungeduldig trug: Ich haſſe Dich, Du Irrthum der Natur, Aus dem ein Mann ward, weil ſie ſich vergriff! Ja, als Verwalter Wilhelm's blieb ich hier; Und ſeine Erbſchaft will ich ihm bewahren, So wahr Normannen-Mutter mich gebar, Und kein plattfüßig Angelſachſen-Weib!

Fünfter Auftritt.

Ein Normänniſcher Herold (ſtürzt von links herein). Flieht, Herren, flieht! Sie brechen in das Schloß!

Robert. Wer ſtürmt das Schloß?

Herold. Harold iſt in der Stadt.

Stigand. Ich dank' Dir, Gott.

57

+ Narold.—

Herold. | Ä Sein weißer Schimmel-Hengſt Trägt ihn im Sturm heran und hinter ihm, Als wäre jeder Stein in Londons Gaſſen

Ein Kopf geworden, drängt ein Meer von Menſchen.

Auch die Gefangnen ſind durch ihn befreit.

Euſtach. Die Seuche ſchlage ihn!

Eduard.

Die dreißig leben? Erretter meiner Seele, habe Dank.

Robert. Das Eure Antwort auf die Botſchaft? Das?

Eduard. Robert, ich zeigt' Euch den verborg'nen Gang Zum Themſe⸗Ufer nehmt die beiten Roſſe Aus meinem Stalle, ſetzt Euch auf und flieht.

. Robert (tritt mitten auf die Bühne). Die Kirche Gottes geht aus dieſem Lande, Verrathen von dem Könige des Lands. Ich, Robert, Erzbiſchof von Canterbury, An meine Seite ruf' ich jeden her, Der Sohn der heil'gen Kirche heißt.

(Wilfried tritt zu ihm). Eduard (su Wilfried). Mein Sohn, Geh nicht mit ihm, 's iſt nicht zu Deinem Heil!

Wilfried.

Ich muß, o Herr, er iſt von Gott geweiht, Und ihm ward ich beſtellt als Diacone.

58

r r .

Zweiter Akt, >

Robert.

Verflucht ſei jeder, welcher anders denkt. Kommt, Graf Euſtach. (Robert, Wilfried und die Normannen bis auf Euſtach ab durch die Mitte.)

Euſtach.

Ich will nicht, will nicht fliehen Vor dieſem erben Bauern - Könige! Ein folder Plan, voll Feuer, Muth und Geiſt, Wie in der Eſſe des Vulkan geſchmiedet, Und ausgeführt vom kühnen Gott der That Zerſtört von ſolchem Wichte! Wer verwehrt mir

In Stücke Dich zu hau'n?

(Dringt auf Eduard ein.) 9

Sechſter Auftritt.

Harold (von links, ſpringt auf ihn zu, fällt ihm in den Arm). i Das wehre ich; Harold der Sachſe!

Euſtach (Mnirigend), Harold, der Verdammte!

Harold (ingt ihm das Schwert aus der Hand).

Heraus das Schwert, heraus aus dieſer Hand! Und in den Staub hinab das freche Haupt!

| Eduard (bedeckt die Augen). Kein Blut vor meinem Angeſicht! Kein Blut!

Euſtach (weist ſich los). a Vor Deiner Meute muß ich jetzt mich bergen Den grimmſten Fluch, der je aus Höllengluth Geboren ward, nehmt beide ihn zum Abſchied! 1 (Entflieht durch die Mitte).

59

95

Harold.

Harold. Ich ſchwur Euch, König, daß ich wiederkäme, Hier werf' ich klirrend mein gelöſtes Wort Zu Füßen Euch. |

(Wirft Euſtachs Schwert vor Eduard hin).

cc

F

Siebenter Auftritt.

Ordgar, Edric, Baldwulf, andere Bürger (brechen, mit Aexten bewaffnet, von links ein).

Die Bürger. |

Brecht ein ins Wespenneft!

Ordgar. Heil Harold, Godwins Sohn!

Die Bürger. Heil, Heil dem Retter!

Ordgar. Wir ſind zu ſpät gekommen! Sie ſind fort! Doch Tod dem Bundsgenoſſen der Normannen! (Schwingt die Axt gegen Eduard).

Die Bürger. Nieder mit ihm!

Ordgar,

ö Jetzt gebt uns Rechenſchaft: Wer büßt uns die erlittene Todesangſt? f Den Henkerſtrick um unſern Hals? Die Schmach, Die jeder Tag wie ein dienſtfert'ger Knecht Auf uns gewälzt?

Die Bürger. Nieder mit ihm! Und Rache!

60

Zweiter Akt.

Stigand. Hört mich, Ihr wilden Männer!

Eduard.

Biſchof, laßt Nicht halb ſo ſchwer iſt ſterben, als zu tödten. Harold, ich weiß, Dein zürnender Entſchluß Ruft wie die Todes⸗Glocke meinem Leben, Daß es zum Abend geht. Im Angeſichte Der dreißig Männer, die Du retteteſt, Hab' Dank, daß Du es thateſt.

(Wendet ſich nach rechts.)

Harold! ö Herr und König, Wo geht Ihr hin? Eduard. Wohin Du mir befiehlſt. Harold.

Nun dann, in ſchuld'ger Ehrfurcht bitt' ich Euch: Bleibt auf dem Throne, welcher Euch gebührt.

Eduard ſſeht ihn ſtaunend an). Iſt dies ein Traum? Harold, wuchs dieſes Wort In Deinem Herzen? Harold.

Beim allmächt'gen Gott, In meines Herzens allerbeſtem Theil.

Eduard.

O Du was zwingſt Du mich, gleich einem Bettler Vor Dir zu ſteh'n, der nur empfangen kann? Und machſt mein altes Aug' in Thränen fließen?

Die Bürger. Die Buße!

61

1

Harold.

Harold. Still davon; iſt dieſes Antlitz, Dies thränenvolle, Buße nicht genug?

Ordgar. Herr unter'n Galgen hat er uns geſtellt!

rr

Die Bürger. Leben um Leben!

a

Stig and. Unter dieſem Himmel, Der feierlich auf dieſe Stunde blickt: Er ſelber riß Euch aus des Henkers Händen, Er ſelbſt rief Herzog Harold in die Stadt!

Ordgar. Wenn's Wahrheit iſt.

Stigand. Seht auf mein graues Haar, Ein Pförtner ſteht's am Ausgang meines Lebens Und warnet mich vor Meineid. Wahrheit ſprech' ich.

Harold. Nun, dann in des Vergeſſens nächt gen Schlund Werf⸗ ich den Hader der vergang'nen Tage.

Heil König Eduard! (Küßt Eduard die Hand).

Die Bürger. Heil dem Sachſen⸗König.

Eduard weinend).

Staunt nicht lacht nicht, wenn Ihr mich weinen ſeht. Ach, dieſe Thränen klagen bitterlich

62

. Zweiter Akt.

Ein Leben an, das freudlos, liebelos Durch Wüſten mich geſchleppt. Unſel'ger Eduard, Muß ſich Dein Leben in den Abend ſenken,

Daß Du den erſten Laut der Liebe hören darfſt?

. Stigand (fidt nach links). Gebt Raum der Gräfin!

Achter Auftritt.

Gytha (kommt von links).

Die Bürger. Heil der Mutter Harolds!

| Harold (geht ihr entgegen). Zur guten Stunde, theure Mutter, kommſt Du, Hilf uns Verſöhnung feiern.

Gytha. Herr und König, Dem Mutterherzen wollet es verzeih'n, Wenn ich zuerſt in ſolchem Freuden⸗Reichthum Des einen Kleinods denke, das mir fehlt. (Pauſe.) Ich bitt' Euch, Herr, gebt mir mein Kind zurück.

Eduard. Glaubt, edle Frau, es iſt gut aufgehoben.

Gytha. Gebt mir's, ich bitte. Eduard. Doch es iſt nicht hier. Gytha.

Nicht hier? Wo iſt mein Kinds

65

garald.—

Eduard. Ihr werdet zürnen Doch er iſt Kindern freundlich, glaubt es mir, Es iſt bei Wilhelm in der Normandie. Gytha.

Was ſagt Ihr mir? bei Wilhem, dem Normannen? Das ſtreitet wider das, was Ihr verſpracht!

| Harold. Nein, zürne nicht in dieſer Stunde, Mutter, Ich gehe ſelbſt zu Wilhelm über's Meer Und bringe Dir den Knaben.

Eduard. e Harold, Du?

Harold. Ja, gnäd'ger Herr. Eduard. Nein, Harold, gehe nicht. | Es heißt zum Löwen in den Käfig geh'n. | Harold. Gebt mir ein Zeichen mit von Eurer Hand, f Das mich als Euren Abgeſandten künde. | Eduard. g Iſt es beſchloſſen, daß Du gehſt? f

Harold. | Ich gehe. Eduard.

So weit denn meine Arme reichen, Harold, Will ich ſie ſchützend über's Haupt Dir ſtrecken. Du gehſt in ein gefährlich Land, mein Sohn, Ein lichter Engel wohnt in dieſem Lande,

Und unter ſeine Flügel ſtell' ich Dich.

Er nimmt von ſeinem Halſe eine goldene Kette an der ein Bild hängt, und reicht ihm die Kette.)

64

Zweiter Akt.

Harold betrachtet das Bild). Welch Himmels-Angeſicht iſt hier gemalt?

Eduard. Es iſt das Bild Adelens, ſeiner Tochter.

Gytha mimmt das Bild aus Harolds Händen). Der Tochter weſſen?

Eduard. Wilhelms, des Normannen.

Gieb ihm das Bild; im Herzen dieſes Mannes, In dem der Ehrgeiz wuchert, iſt ein Ort, In dem ein unberührter Frühling blüht, Da wohnt Adele, ſein geliebtes Kind. Und er verſprach mir, daß wer jemals käme, Von mir geſandt, gefeit mit dieſem Bilde, Der ſollte heilig wie der Freund ihm ſein.

Harold. So bitt' ich um Entlaſſung.

Eduard. Zieh' denn hin Und kehre heim ko fröhlich als Du gehſt. (Eduard mit Stigand nach der Mitte ab.) Ordgar. England wird vaterlos, wenn Ihr uns fehlt Kehrt bald zurück zu uns, mein gnäd'ger Herr. Harold.

Trübt nicht mit Wehmuth dieſen Tag der Freude, Ihr guten Leute, bald bin ich zurück.

Gytha. Laßt mich allein mit meinem Sohne, geht. (Die Bürger nach links ab. Sie tritt vor Harold, ihm in die Augen ſtarrend) Das Volk der Sachſen ſteht am Strand des Meeres,

65 / 5

Harold.

Zählt jede Welle, die von Süden rauſcht,

Sucht jedes Wimpel, das vom Maſte weht

Wann taucht aus Wellen das erſehnte Schiff? Wann kehrt der Held zurück zu ſeinem Volke?

Harold. 4 Welch düſtre Sorge fragt aus Deinen Worten? Gieb mir das Bild, es ſichert Dir den Sohn.

Gytha. Wer aber ſichert ſeine Seele mir? | (Dicht an ihn herantretend, ihn umarmend) | Den? Deiner kinderloſen Mutter, Sohn! Denk Deines führerloſen Volkes, Sohn. Bring Godwins Sohn mir wieder wie er war!

Harold. Geliebtes Herz, was bangſt Du?

Gytha.

Frage nicht, Gefahren nennen, heißt Gefahr beſchwören.

Harold.“ Ja, wenn ſie nur in Einbildung beruh'n. (Blickt ſie lächelnd an) O Mutterherz, biſt Du ſo arm an Sorgen, Daß Du ſie ſelber Dir gebären mußt? Eh' Du es denkſt, bin ich zu Dir zurück, Und dieſer Traum der Sorge iſt verträumt.

(Er legt den Arm um ihren Hals und geht mit ihr zur Linken ab. Während deſſen fällt der Vorhang.)

Ende des zweiten Aktes.

66

Dritter Akt. Erſte Scene.

(Eine dichte, wilde Waldlandſchaft.)

1 Erſter Auftritt. BE Odo. Radulph. Dann Euſtach von Boulogne. (Von links.) (Alle . drei bewaffnet.) Euſtach. Der Ort iſt gut gewählt; dort iſt die Straße Die nach Rouen ihn führt (eigt nach links). Die Späher melden, Daß er nicht mehr fern iſt hier laßt uns warten, Und er entgeht uns nicht.

Odo. | Kommt er allein? Euſtach. Ganz unbegleitet; ſein Gefolge wurde Vom Grafen von Ponthieu, in deß Gebiet

Er landete, am Meer zurückgehalten, Er machte ſich alleine auf den Weg.

i Radulph. Und ſoll Rouen ſowenig jemals ſehen, Wie ſein Gefolge.

67 5*

Harold.

Euſtach. Gut wir ſind entſchloſſen, Daß er nicht leben darf?

Radulph. Hier ſoll er liegen Und modern im Gebüſch. Den Tod auf ihn, Der uns zu Spott und Hohn aus England jagte.

Odo. Habt Ihr des Herzogs Meinung eingeholt Zu unſrem Plan? Euſtach. Ein Narr, wenn ich es that. Bei ſolchen Dienſten fragt man nicht vorher.

Odo. Der Herzog wird es bill'gen?

Euſtach. Gottes Tod, Er muß es bill'gen. Harold Eduards Freund, Und England iſt dahin für unſren Herzog. Begreift Ihr das? |

Odo. Hinunter mit dem Sachſen! Und keinen Aufſchub!

Radulph dauſcht nach rechts). Still was raſchelt da

Und kniſtert im Gebüſch? (eilt an die Couliſſe rechts)

Verdammter Zufall, Prinzeß Adele kommt mit ihren Damen.

68

r u a

Dritter Akt, >

Euſtach (iet nach rechts). Odo, Ihr ſeid bekannt mit Leonore, Nehmt ſie beiſeit und heißt ſie, die Prinzeſſin Auf gute Art aus dieſem Walde ſchaffen. Wir unterdeß verbergen uns im Dickicht. (Euſtach und Radulph nach links, Odo durch den Hintergrund rechts ab).

Sweiter Auftritt.

Adele. 1 (an ihrer Hand). Alice (von rechts; ſie tragen kurze Jagd⸗ etzen ſich auf Steine, die im Vordergrunde liegen). Adele. 1

Glaubſt du es auch was Leonore ſagte, Die Liebe ſei den Männern nur ein Spiel?

Alice.

Ach, Leonore weiß nichts von der Liebe, Ich glaub' es nicht.

Adele. Ich kann es auch nicht denken, Und ſicher, Du haſt Recht. (Zu Wulfnoth) Biſt müde, Schatz?

Wulfnoth. Nein, nicht.

Adele.

So ſei ein art'ger kleiner Ritter Und pflück' uns von dem wilden Roſenſtock⸗ Dort ein paar Roſen.

(Wulfnoth geht auf die linke Seite der Bühne und reißt von einem dort befindlichen Roſenſtrauch Blumen ab)

Wie mir dieſes Kind So tief in's Herz hinein gewachſen iſt.

69

Harold.

Alice, Er hat ein liebes, zärtliches Gemüth.

Adele. Sieh nur ſein Haar liebſt Du die blonden Haare Auch ſo wie ich?

Alice.

Nein, braune ſind mir lieber,

So wie die Euren.

Adele. 05 | Lieber Schmeichelmund. | (Wulfnoth kommt mit drei Roſen zurück) ö Nun ſprich, für wen iſt dieſe? |

Wulfnoth. Für die Mutter. | Adele. f Gut und die zweite? Nun? Du überlegſt?

Wulfnoth. Für Dich und Bruder Harold.

Adele (su Alice). Sein zweites Wort iſt ſtets der Bruder Harold. Für Zweie eine Roſe? Komm, gieb her, Liebſt Du ganz gleich uns Beide?

Wulfnoth (umarmt fie). Ja, ganz gleich.

Dritter Auftritt.

Leonore (von rechts zu den Vorigen). Genug geraſtet, kommt, Prinzeß Adele, Kommt bitt' ich, wir verſäumen unſere Jagd.

70

ritter Akt,

Adele. Und immer Jagd ich mag heut nicht mehr jagen.

Leonore.

So laßt nach Haus uns reiten.

Adele. Nein, noch nicht; Es rauſcht der Wind, die Vögel ſingen ſüß, Und herrlich ruht fich's auf dem mooſ'gen Steine.

Leonore.

Seid Ihr ermüdet? oder hat Alice Euch angeſteckt mit ſüßer Schwärmerei?

Adele (su Alice). Ach, wie Du leiden mußt durch Leonore.

Alice. Ja, wenn fie ihre Zunge jo regierte Wie ihre Pferde

Leonore.

Nein, im Ernſte, kommt. Es iſt in dieſem Walde nicht geheuer. Ihr wißt, man ſagt, es haufen Zauber⸗Geiſter In dieſem Dickicht.

Adele. Sagt man das, Alice?

Alice. Ja, doch es ſollen gute Geiſter ſein.

Leonore. Nein, glaubt ihr nicht; die Geiſter ſind nicht gut. O bitte kommt! |

71

Harold.

Adele.

Du ſprichſt, als hätteſt wirklich Du einen Geiſt geſeh'n? 5

Leonore. Und wenn's ſo wäre?

Adele.

Wie, Leonore, redeſt Du im Ernſt? Was ſahſt Du?

Leonore.

Laßt es draußen mich erzählen, Nur kommt hinweg aus dieſem Walde, kommt.

Adele.

Iſt hier nicht auch der Boden meines Vaters? Was ſahſt Du?

Leonore (flüfternd).

Männer ſind in dieſem Walde, Sie lauern hier auf jemand ſind bewaffnet Bis an die Zähne Eiſen ganz und Stahl.

Adele (ipringt auf). . Du ſprichſt von Räubern?

Leonore.

Räuber ſind es nicht; Barone ſind's vom Hofe Eures Vaters; Odo iſt Einer, und der Graf Euſtach, Und noch ein Dritter, den ich nicht erkannte.

Adele.

Euſtach und Odo? die aus England kamen? Sie lauern? und auf wen?

22

Dritter Akt. >

Leonore. Ich weiß es nicht, Doch wenn 10 Menſchenaugen jemals ſah, In denen blut' ger Vorſatz ſtand geſchrieben, So waren's dieſe. Süße Herrin, kommt, Sonſt, ahnt mir, werden wir Zuſchauer werden Bei grauſenvollem Schauſpiel.

Adele.

Kommt hinweg. Im Augenblick, da ſie rechts abgehen wollen, läuft Wulfnoth links hinüber und zeigt in die Couliſſe.) Wulfnoth. Mein Bruder Harold! 7 (links ab).

Adele.

Jeſus der Erbarmer! (ſinkt auf den Sitz zurück)

Nun weiß ich, wem der blut'ge Asehe gilt!

Leonore.

Kommt dennoch fort kommt fort (hinter der Scene erſchallt ein langer gellender Pfiff.)

Adele (ipringt auf) Vernahmt Ihr das?

Was thun? Was laſſen? Hilf mir Gott im Himmel!

(Sie drückt die Hände in rathloſer Verzweiflung vor die Augen) Ein fremder Mann s iſt wider Zucht und Sitte Was Zucht und Sitte! iſt er nicht ein Menſch?

(Sie ſtürzt in die linke Couliſſe, ruft hinein) Steigt ab mein Herr ſteigt augenblicklich ab Bindet das Roß am Zügel an und kommt (wendet ſich zu Alice und Leonore)

Ihr meine Lieben zeigt, daß Ihr mich liebt Werft Euch auf's Roß, fliegt hin zu meinem Vater Es hält Euch Niemand auf, ſie wagen's nicht Sagt, daß ſein Kind nach ſeinem Vater ſchreit!

75

Leonore. Wir eilen. Alice. | | Muth, geliebte Herrin, Muth!

(Beide eilend rechts ab.)

Adele. (einen Schritt in die Couliſſe links).

Ihr müßt die Hand mir reichen kommt, ich bitte

Vierter Auftritt. Harold (von Adele geführt). Wulfnoth (an jeiner andern Hand) [von links!.

Adele.

Ich fürchte ſehr, Ihr haltet mich für frei Das iſt Gebrauch ſo in der Normandie. (läßt ſeine Hand los).

Harold der fie ſtaunend betrachtet).

für fih:) Leibhaftig jenes Bild, das er mir gab Anmuth des Himmels, reizendes Geſchöpf. \ aut:) Ich irre nicht, Ihr ſeid des Herzogs Tochter? Prinzeß Adele? 1

Wulfn oth (fürzt auf fie zu). Das iſt hier Adele!

Adele. Ich kann's nicht leugnen, da er mich verrieth.

Harold. Dann wehrt mir nicht Erfüllung ſüßer Pflichten Und laßt mich danken meinem holden Schutzgeiſt.

Kennt Ihr den Talisman, der hier mich ſchmückt? (Er küßt ihr die Hand und zeigt auf Adelens Bild, das er um den Hals trägt.)

74

Dritter Akt. >

*

1 Adele.

hi Mein Bild

4 Harold.

5 Das König Eduard mir vertraute, Daß es mir Einlaß ſollt' und Schutz gewähren.

Adele. Ihr kommt hierher hielt Furcht Euch nicht zurück?

Harold. O nein, ich fürchte nicht.

Adele (feht ihn groß an)⸗ Ihr fürchtet nicht. Harold. Pflicht hat mich hergeführt. (Ein abermaliger gellender Pfiff hinter der Scene)

Horch was war das? Schon einmal hört ich das

Adele (aufſchreiend). Gebt Eure Hand mir!

Harold (wendet ſich um).

Was kommen dort für Männer? * Hintergrunde erſcheinen Euſtach, Odo und 79 in wild bewegter Gruppe mit vermummten Geſichtern. Harold geht auf den Hintergrund zu.)

Adele (hält ihn zurück, indem ſie ihn unwillkürlich umklammert).

Bleibt, geht nicht! Bleibt ſtehn! Ich flehe!

(Harold bleibt ſtaunend ſtehn, Adele wendet ſich mit dem Geſichte nach dem Hinter⸗ grunde, ruft)

Geht nach Haus, Ihr Herren, Die Jagd iſt aus Ihr ſeid nicht mehr vonnöthen (Euſtach, Radulph und Odo verſchwinden nach links.)

25

Harold. Jagd? Geht man hier mit Schwertern auf die Jagd? Sturmhauben auf dem Kopf?

Adele.

O find fie fort?

Wie ſagtet Ihr?

Harold.

Prinzeß Adele

Was ſoll ich denken? beim allmächt'gen Gott

Adele. Jagd es war nichts als Jagd (fallend)

O wie Ihr ſeht Man hat zu Land a ſeltſame eee |

Fünfter Auftritt.

Herzog Wilhelm. Der Seneſchall. Alice. Leonore (kommen von rechts zu den Vorigen).

Adele. Da kommt mein Vater ach nun iſt es gut. (bricht ohnmächtig zuſammen; Harold hält ſie in den Armen.) Alice (fürzt auf fie zu). O, meine ſüße Herrin, was geſchah?

(Alice, Leonore nehmen Adele aus Harolds Armen und führen ſie, die allmählich zu ſich kommt, zu dem Sitzplatz.)

Wilhelm. Bleich wie der Tod mein Kind! Und dieſer Fremde teu Harold) Ihr ſeid? Harold (fid ehrerbietig verneigend). Harold aus England, gnäd'ger Herr.

Wilhelm. Harold, Sohn Godwins?

76

=

Dritter Akt.

Harold. Der mit dieſem Zeichen Zu Euch geſandt von König Eduard kommt. (Nimmt die Kette vom Halſe, überreicht ſie Wilhelm.) (Pauſe.) 0 (Wilhelm blickt ſchweigend auf Adele, dann auf Harold.) Wilhelm. Vertrauen heißt, den Nebenmenſchen ſchätzen Nach eignem Inhalt Ihr vertrautet mir Von nun an kenn' ich Euch. Wir waren Feinde, Harold, wollt Ihr's mit mir als Freund verſuchen?

Harold. - Das will ich, Herr, mit meinem ganzen Herzen. (Läßt ſich auf ein Knie vor Wilhelm nieder.)

Wilhelm (hängt ihm die Kette wieder um).

So fängt zum zweiten Mal Euch dieſe Kette; Steht auf und ſeid gegrüßt an meinem Hof.

(Verwandlung.)

Sweite Scene.

Park zu Rouen. (Vorn rechts eine Raſenbank. Diener und Pagen kommen in großer Zahl von rechts, Waffen, Kiſſen und Zierathe aller Art, welche auf ein bevorſtehen⸗ des Feſt deuten in den Händen; ſie gehen in den Hintergrund und dann links ab.)

Erſter Auftritt. Erſter, Zweiter Diener (von rechts).

Erſter Diener.

Was für ein Pferd ſoll Herzog Harold reiten Beim heutigen Turnier?

77

Harold.

Zweiter Diener. Den Eiſenſchimmel Des Herzogs. Erſter Diener. Was? ſein eignes Lieblingspferd?

Zweiter Diener. Er will's ſo haben. Erſter Diener.

Du, wir müſſen wetten; Ich wette auf Montgomery. 6

Zweiter Diener. Ich auch. Erſter Diener. Wir können nicht auf Einen beide wetten, Ich hab's zuerſt geſagt.

Zweiter Diener. | | Iſt mir gleichgültig, Ich wette immer auf Montgomery. |

Erſter Diener. Dann wett' ich auf den Sachſen.

Zweiter Diener. Meinetwegen.

Erſter Diener. Er wird Montgomery zur Erde ſetzen Wie einen Sandfloh!

Zweiter Diener.

Sag' das noch einmal, So ſchlag' ich Dir die Zähne in den Hals. (Beide ab.)

78

Dritter Akt, >

Sweiter Auftritt. Harold. Der Seneſchall (von rechts).

Seneſchall.“

Seht wie das Alles ſeine Glieder rührt.

Ja, ein Turnier bleibt ſtets der Feſte größtes Für unſre ſchöne, luſt'ge Normandie.

Doch Euch gefällt ſie nicht.

Harold. Ihr thut mir Unrecht, Wem ginge nicht das Herz im Bufen auf Bei ſolcher kriegeriſchen Freudigkeit?

Seneſ Hall. Doch iſt's und bleibt's beſchloſſen, daß Ihr geht? Vor dem Turnier? Harold.

Jawohl, ich muß hinweg Beſtelltet Ihr dem Herzog meine Bitte? Giebt er den Knaben mir?

Seneſchall. Habt Ihr gezweifelt? Harold. Er that es ohne Weigerung? ohne Zögern?

Seneſchall. Es ſcheint Euch zu verwundern? allerdings.

Harold gur ſich. So bin ich frei.

(Ein Page geht vorüber, auf einem Kiſſen einen geſtickten Schleier tragend.)

79

Harold.

Seneſchall chält den Pagen an). Seht dieſen zarten Schleier, Das iſt der zweite Preis, die Richterin Steckt ihn dem zweiten Sieger an den Helm.

Harold. Der zweite Preis worin beſteht der erſte?

Seneſchall. f Im goldnen Kranze, den die Richterin Dem Helden ſelber auf die Locken drückt; | Und während ſie es thut, neigt fie fich nieder 9 Und küßt ihn.

Harold. N Küßt den Sieger, ſagt Ihr?

Seneſchall.

Die alte Sitte billigt ſolche Freiheit.

Harold. Wer iſt die Richterin?

Seneſchall. Des Herzogs Tochter.

Harold.

Prinzeß Adele!? Seneſchall. Ja, ſeht hier, den Herzog

Dritter Auftritt. Wilhelm (von rechts zu den Voriger). Wilhelm. Der Seneſchall bringt mir betrübte Kunde, Ihr wollt hinweg?

80

Dritter Akt, >

Harold. Pflicht ruft mich, gnäd'ger Herr. Wilhelm.

Es hat Euch wenig, ſcheint's, bei uns gefallen, Da Ihr ſo eilt?

Harold.

Nein wahrlich, glaubt es nicht, Vielleicht nur, weil es mir zu wohl gefiel, | Muß ich hinweg.

e N

Wilhelm. O Ihr ſchwerblüt'ger Sachſe So reich beſchenkt mit allem, was Natur Dem Menſchen giebt, um Freude zu genießen, Und ſo erſchreckt Ihr vor der Freude? Harold, Ich ſpreche ernſt: es ſchmerzt mich, daß Ihr geht. Harold. O Herr nicht weiter. Wilhelm (bedeutungsvolh. Laßt mich ſprechen, Harold: Wenn mit der Sachſen ſtrenger, treuer Art Der Feuer⸗Geiſt ſich des Normannen einte, Es müßt' ein Volk ſein, wie es dieſe Erde Nicht zweimal trägt. Harold. | Doch ſolche Einigung Bedeutet: Einer herrſcht, der Andre dient. Wilhelm.

Doch wenn ſie Beide einem Herrſcher dienten, Der Beide kennt und 1 richtig ſchätzt? (Pauſe.)

Harold.

Ihr gebt mir meinen Bruder, gnäd'ger Herr, Daß ich das Kind zurück zur Mutter bringe?

81 6

Harold.

Wilhelm. Der Knabe ſteht zu Euren Dienſten, Harold; Dort kommt Adele, die ihn ſelber bringt.

Vierter Auftritt. Adele (feeſtlich gekleidet), Wulfnoth (von rechts). Wilhelm au Adele). Beſchleunige den Abſchied, meine Tochter, Denn unſren allzu ungeduld'gen Gaſt Verlangt's nach England heim. (zu Harold) Geſchäfte rufen Aus Eurer Nähe mich für kurze Zeit; 1 Entſchuldigt mich. tet abgehen, ſein Blick fällt auf Wulfnoth, der ſich an Adele ſchmiegt) Seht, wie das junge England

Sich mit der jungen Normandie umarmt. Aus Kindern ſpricht Natur Harold, Natur Weiß nichts von Feindſchaft zwiſchen Euch und uns.

(Wilhelm und Seneſchall rechts ab.)

Adele. So willſt Du fort von mir, Du ſchlimmer Wulfnoth? Adele wird nun bald vergeſſen ſein, Nicht wahr?

Wulfnoth (hmiegt ſich zärtlich an fie). Nein niemals f Adele. Wirſt mich nicht vergeſſen?

Wirſt manchmal an mich denken?

n

Wulfnoth. Bitte komm, hi mit zu meiner Mutter? Adele. Was Du ſchwätzeſt. Harold. a

Für Alles, was Ihr an dem Kinde thatet, Nehmt Eures Dieners ehrerbiet'gen Dank.

82

er

PC ELLE RETRO

Dritter Axt.

Adele. Ach, Ihr beſchämt mich, für ſo leichten Dienſt Soll mir ſolch ernſter Mann ſo ernſt nicht danken.

Harold.

Wenn Ihr denn meinem Danke Euch verſchließt, So denkt, die Mutter dieſes Knaben redet Durch mich zu Euch und dankt Euch Eure Güte.

Adele.

Ja ſeine Mutter; und die Eurige O, es muß ſchwer für ſie geweſen ſein, Euch Beide unter Feinden hier zu wiſſen?

g Harold. | Ja, denn ſie kannte nicht den holden Schutzgeiſt, Der ihre Söhne hier behütete.

Ihr nennt es leicht, was Ihr dem Kind gethan; Fühlt, wie von dieſem blauen Himmelszelte

Das Leben ſtrömt und uns mit Wonne füllt, Nennt Ihr es leicht, was Ihr dem Manne thatet, Der heut nicht leben würde ohne Euch?

Adele. Denkt nicht an jene Stunde mehr, ich bitte.

Harold. Nie mehr mit Worten, doch in meinem Herzen Vermählt Erinnerung ſie mit Eurem Bilde Für ewig, ewig holde Herrin, ſagt, Es reut Euch nicht, daß Ihr mir Schutz gewährtet? Adele. O wahrlich nein. Und heute wollt Ihr fort?

Harold. Ich muß, ich muß.

85 6 *

Harold >

Adele. Ja freilich wenn Ihr müßt Vertraut mir einmal noch den Knaben an, So rüſt' ich ihn zur Reiſe.

Harold. N Wohl, Prinzeſſin, Und ſo heißt's Abſchied nehmen. Wunderbar

Adele. Was nennt Ihr wunderbar?

Harold.

Ich kann nicht denken, Daß eine Zeit in meinem Leben war, Da ich Euch nicht gekannt. Prinzeß Adele, | Dies Schmerzenswort „ade“ wird ſüß mir klingen, b Weil halb es Euren Namen wiederholt. 1 O ſo ade ade. h (ab nach links). b

Adele

(ſteht in tiefen Gedanken, dann wendet ſie ſich zu Wulfnoth).

O Wunder wie er ſeinem Bruder gleicht,

(ſie kniet vor dem Knaben nieder, nimmt ſeinen Kopf zwiſchen die Hände und ' betrachtet ſein Geſicht.)

Wulfnoth. Was thuſt Du denn?

Adele. Sei ruhig, lieber Schelm. Die Stirn wie er. Der Mund beinah', nicht ganz, Noch nicht ſo ſeſt doch ganz und gar die Augen! O, Gott hat dieſe Menſchen lieb gehabt, Als er ſie ſchuf: er fügte in ihr Haupt Ein Stückchen ſeines blauen Himmels ein. (ſie küßt den Knaben auf die Augen) Ihr Quellen lautren Lichts, ſo trink' ich Euch. Liebſt Du den Bruder Harold?

84

Dritter Akt.

Wulfnoth. Ja.

Adele. O Kind (küßt ihn) Gieb ihm den wieder

Wulfnoth. Wem?

Adele. Hinweg hinweg! ig erhebt fich und geht mit Wulfnoth rechts ab) (Harold der während der letzten Worte links wieder aufgetreten ift.)

Harold (kommt in den Vordergrund).

Und ging' es um mein ew'ges Seelenheil,

Nichts mehr von Abſchied jetzt und nichts von Scheiden, Hier iſt die Stätte, wo ich ſelig bin!

Gieb ihm den wieder wonnevoller Ton, Dring' in mein Herz und laß in meinem Herzen Die Grabesſtimme des Gewiſſens ſchweigen. Dies iſt die Stelle, wo ihr holdes Knie

Sich eingeprägt in den beglückten Boden,

Wo ſie des Knaben unentweihtem Mund

Die Botſchaft ihrer Lippen anvertraute

O dieſe ganze Stätte iſt geweiht

Vom keuſchen Opfer ihrer ſüßen Liebe.

Fünfter Auftritt. Wilhelm. Seneſchall (von rechts).

Harold.

Ich fürchte Herr, daß Ihr mich launiſch ſcheltet; Wenn Ihr geſtattet, bleib' ich zum Turnier. Und bleibe, gnäd'ger Herr, nach dem Turnier, Und bleibe, bis Ihr ſelbſt mich gehen heißt.

85

3

Wilhelm. Harold, bei Gott, den Tag erlebt Ihr nie! Zum zweiten Male heiß' ich Euch willkommen Aus ganzem Herzen! Führt ihn, Seneſchall, Mit meinen eignen Waffen laßt ihn kämpfen. Und nun zum Siege.

Harold.

Ja, das hoffe ich. O, Siegesgott, komm ſegne meine Waffen! 1 (Harold, Seneſchall ab nach rechts.)

Wilhelm (allein). Schickſal, mach dieſen Menſchen mir zum Freund! Wenn Du die Tochter Wilhelms lieben kannſt,

Warum denn kannſt Du Wilhelms größren Plan | Nicht lieben, Harold, und ihm dienſtbar fein?

Sechſter Auftritt. Robert von Jumidges. Wilfried (von links).

Wilhelm (seht Robert entgegen).

Gut, daß Ihr kommt, Glaubt Ihr, daß Harold weiß. Daß König Eduard England mir vermachte? 8

Robert.

Nehmt meinen Kopf zum Pfand, er weiß es nicht; Denn ſeid gewiß, daß Eduard nichts geſagt hat. (Hörner⸗Tuſch hinter der Scene.)

Wilhelm.

Hört Ihr?

Robert. Ja, doch ich weiß nicht was ich höre?

86

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. Dritter Akt.

Wilhelm. Mit allen Kräften ſtreitet Harold dort Um einen Kuß von meiner Tochter Lippen.

Robert. Ah ſteht es ſo?

Wilhelm. Ihr kennt den Sachſen, Biſchof Ich weiß, Ihr liebt Ihn nicht; mir geht es anders, Mich reißt das Herz zu dieſem Manne hin Weiß ich doch kaum warum. Ich will ihm ſagen Was Eduard mir verſprach.

Robert. Gut und was weiter?

Wilhelm. Den Preis, nach dem ſein brünſtig Herz verlangt, Adele, meine Tochter geb' ich ihm Und mir zum Dank verſpricht er Englands Krone Biſchof ob er bereit ſich findet?

Robert. Nein.

Wilhelm. Ah, Fluch und Tod!

Robert.

Wenn ich Euch ſchmeicheln wollte, So könnt' ich ſagen ja, weil ich Euch Freund bin, So ſag' ich was ich weiß: er thut es nie.

Wilhelm.

Verloren und zerſchlagen meine Hoffnung Mit einem Wort.

87

Harold.

Robert.

Nichts iſt verloren, Herzog, Wenn Ihr nur richtiger die Frage ſtellt: f Heiſcht, daß er Euch zu alledem verhelfe, | Was Eduard Euch verſprach ſprecht allgemein, Und ſagt ihm von der Krone Englands nichts.

Wilhelm. Der weiſe Rath; und wenn er mich befragt, Was Eduard mir verſprach?

Robert.

So laßt ihn denken, Es handle ſich um die Belehnung nur Mit Eduards Gütern in der Normandie, Von der ihm Eduard ſprach.

Wilhelm. Das ſoll ich thun?

Robert.

Ja wenn Ihr klug ſeid! Gebt ihm Eure Tochter, Laßt ſeines Herzens keuſche Sprödigkeit Zerſchmilzen an Adelens holder Sonne, Und wenn er von Gewöhnung eingewiegt, In Sohnes⸗Liebe ganz mit Euch verwuchs, Dann ſagt ihm alles, laßt ihn dann erfahren, Was er mit heil'gem Eide Euch verſprach. Wilhelm. Eid? welcher Eid? Robert. f Ja, ich vergaß zu ſagen Daß Ihr ihn ſicher habt, verlangt von ihm, Daß er Euch leiſte feierlichen Eid Vor den Baronen, Euch zu dem zu helfen Was Eduard Euch verſprach. Und wär' es denkbar, Daß ſpäter ſein Verſprechen ihn gereute, So hält auf Tod und Leben ihn ſein Eid. 8

88

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Dritter Akt, >

Wilhelm. Nein das gefällt mir nicht.

Robert. Herzog bedenkt, Dies iſt nur Vorſicht. Wenn er es erfährt, Dann wird in Liebe ſeine Reue ſchwinden.

Wilhelm. Erröthend werd' ich einſtmals vor ihm ſtehn Und drum gefällt's mir nicht.

Robert.

Dann bleibt nur Eins: Er kehrt nicht lebend mehr nach England heim.

Wilhelm. | Mich hält mein Wort; das Bild, das er mir brachte, Verbürgt ihm Sicherheit.

Robert.

Ja freilich, Herzog, Dann rath' ich, laßt die Krone Englands fahren.

Wilhelm. Mit Hinterliſt ihn fangen meine Tochter Wie einen falſchen Stein im Würfelbrett Ausſpielen wider ihn es iſt undenkbar, Daß er zur Krone mir verhilft?

Robert.

(Pauſe.)

Wilhelm. Sei's denn. O England, muß ich Dich erkaufen Mit falſchem Geld!

Undenkbar.

89

Harold.

Robert. i Zum Eidſchwur rufet mich, Er ſoll den Eid in meine Hände leiſten, Dann ſteht die Kirche hinter dieſem Eid. Wilhelm.

Ich laß' Euch rufen aber was iſt das? (gewahrt Wilfried) Hat Euer Diakone uns gehört?

Robert. O, das iſt nichts, denn ſeine Seele lebt Einzig in meiner.

Wilhelm.

Wohl denn, auf nachher. (ab nach rechts.)

Robert (u Wilfried). Du haſt gehört, was hier geſprochen ward?

Wilfried. Ich hab's gehört. Robert.

So wiſſe, Deine Pflicht | Sit, daß es Niemand je von Dir erfährt. | Wilfried. I Iſt's Gottes Wille, Herr? a f Robert. Seltſamer Frager, Hörſt Du nicht, daß Dein Biſchof Dir es ſagt? | Wilfried. Niemand erfährt's von mir. Robert.

Geh mir voran.

(Wilfried ab nach links; im Augen echtz . da 3 gehen will, erſcheint eilig von re

90

Dritter Akt. >

Siebenter Auftritt. Robert, Adele,

Robert. Wie nun? iſt das Turnier zu Ende?

Adele. Doch bald doch gleich!

Nein!

W Und vor dem Ende geht Ihr?

| Adele. O, helft mir meinen Vater bitten

Robert. Was? Adle wirft ſich auf die Raſenbank).

O Gott, mein Gott! wie wird dies Ende ſein?

Achter Auftritt.

Wilhelm (von rechts). Find’ ich Dich hier, Du pflichtvergeſſ'nes Kind?

Robert. Vergaß ſie ihre Pflicht?

Wilhelm. Von dem Turnier, Dem ſie als Richterin beiwohnen mußte, Stahl ſie ſich fort.

*

Harold.

Adele (ihn leidenschaftlich umarmend). Kein! nein! nicht Richterin!

Wilhelm, Wer ſonſt als Du? Willſt Du die Sitte brechen?

Adele. Laß mich die Sitte brechen eines Spiels, Bevor ich ach Robert. | Was iſt Euch, meine Tochter?

Adele.

Bevor ich heilig ernſte Sitte breche!

* Verbirgt ihr Geſi t am Halſe des Vaters; Wilhelm und Robert wechſeln einen g a N ® 1 Blick.)

Robert. Mir ſcheint es beſſer, daß ich Euch verlaſſe. (Robert ab nach links). N Wilhelm. Adele kenn' ich Dich? Adele | Hör mich, mein Vater: Laß mich ihm nicht den Preis des Sieges reichen!

Wilhelm. Dem Harold? Wie? Adele.

Dem Harold. (ſchaudernd)

Wilhelm. Du mußt. Ich will's.

O mein Gott!

92

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Dritter Akt.

Adele. Ich kann es nicht! Wilhelm. Warum? Adele.

Warum? Ach, lebte meine Mutter noch, f (Sieht ihn tief an, ſchüttelt langſam das Haupt) Und Du ſo klug, ſo groß, Du fragſt mich ſo? Wilhelm. Iſt er Dir ſo verhaßt? Adele. = Ein folder Mann! Wilhelm. Dann alſo liebſt Du ihn? Adele. | : Frage mich nicht! Wilhelm. Er liebt Dich auch? Adele. Ach, wär' er nie gekommen! Wilhelm. Du thöricht Kind und wenn ich Dir nun ſagte, Es freut mich ſehr, daß Ihr Euch beide liebt? Adele.

So dächteſt Du? und keine Täuſchung wär's? Du der Normannen Herzog? Und der Mann Der Sohn von Deinem Feind? ſo dacht' ich doch?

Wilhelm. Doch Deine Liebe macht ihn mir zum Freund.

9⁵

Adele.

O, welch ein ſel'ger Traum! Ach Du mein Vater, Nicht wahr, Du ſpielſt mit Deinem Kinde nicht? Du ſprichſt im Ernſt?

Wilhelm. Im Ernſte red' ich Kind.

Adele. Erlaubt denn wäre plötzlich all' die Wonne?

Wilhelm. Sie iſt erlaubt. Adele. Daß mir ſein leuchtend Antlitz, Im Herzen wie lebend'ges Feuer wohnt? (Fanfaren von rechts.)

Wilhelm. Horch die Drometen künden, daß er naht. Der Page bringt den Kranz denk' Deiner Pflicht.

Neunter Auftritt.

(Von rechts treten auf: Pagen, von denen Einer auf einem Purpurkiſſen einen

goldenen Kranz trägt; dann der Seneſchall und Barone, dann Harold, dann

wieder Barone. Der Page geht auf Adele zu; ſie nimmt den Kranz von dem Kiſſen und ſteht in der Mitte des Vordergrundes, den Blick zur Erde geneigt.)

Seneſchall. g Mein gnäd'ger Herr, wir bringen Euch den Sieger. Ein Held, wenn Helden ich zu ſchätzen weiß.

Wilhelm (geht auf Harold zu, faßt ihn an der Hand und zeigt auf Adele).

Mein edler Gaſt, dort ſteht die Richterin. Geht, bittet ſie um den verdienten Lohn.

94

Dritter Akt.

Harold (tritt vor Adele).

Nicht mein Verdienſt, nur Gnade kann gewähren So hohen Lohn; aus Gnade, holde Maid, Hebt Eure Augen auf mich reicht den Preis.

Adele.

Soll meine Hand die Stirn des Helden ſchmücken, So muß ich bitten: neigt das hohe Haupt.

Harold aaßt ſich vor ihr nieder auf ein Knie). Beugt' ich mich ſo genug?

Adele. Ach Ihr beſchämt mich. (ſie ſetzt ihm den Kranz auf) Und wie ſich nun dem Golde Eurer Locken Dies Gold vermählt ſo möge Ruhm und Ehre Auf ewig Herzog Harold ſich vermählen.

Harold. Ach Ihr vermählet mich mit hohen Dingen! Doch Süß'res weiß ich; wer mich dem vermählte!

Adele. Wollt Ihr Euch nicht erheben?

Harold.

Laßt mich knie'n, Bis daß Ihr ganz mir Euren Preis gewährt.

(Adele ſieht ſich zu ihrem Vater um. Wilhelm zieht ſich mit den Baronen langſam in den Hintergrund zurück und alle gehen nach rechts ab)

O zittert nicht. Adele. 1 Ach, wißt Ihr?

Harold. 90 Ja, ich weiß.

95

. Sarsld. >

Adele

(ſieht ihm ins Geſicht, dann ſtützt ſie ſich mit den Händen auf ſeine Schulter und ſenkt ihr Haupt zu ihm).

Ach, Herzog Harold (fie küßt ihn.) Harold. Seligkeit des Himmels. g (er umfängt ſie ſanft mit den Armen und küßt ſie.) „Gieb ihm den wieder“, ſeht, ich gebe wieder.

Adele (wankt). Ich bin verloren!

Harold (pringt auf, umfängt fie). Doch Ihr ſeid gefunden Von dem, der weiß, daß er ein Kleinod fand! (er führt ſie an die Raſenbank, auf der ſich beide niederlaſſen.) Harold.

O Theure laßt mich länger nicht verweilen Im Vorhof unermeßner Seligkeit: Von ganzem Herzen lieb' ich Euch, Adele. Adele. Ach, iſt das wahr? Harold. Ihr zweifelt? Adele. Nimmermehr.

Wißt Ihr, ich nannt Euch einen ernſten Mann, Als ich zuerſt Euch ſah?

Harold. i Gewiß, ich weiß. Adele.

Ein ernſter Mann nicht wahr, dies Wort klingt einfach? 4

Doch kenntet Ihr den Inhalt, den mein Herz In dieſes Wort legt, o gewiß, Ihr ſagtet, Daß Frauenmund kein größer Lob beſitzt.

96

1

Dritter Akt, >

Harold. Und ſolches Lob galt mir?

Adele.

Es iſt ein Mann, Der tändelnd nicht und nicht in loſem Spiel

Die holden Worte ſpricht, die Ihr mir ſagtet.

Harold. O nein, im Spiel? ich ſprach in heil'gem Ernſt.

Adele. Dann darf auch ich Euch länger nichts verhehlen: Als Euer Aug' ich ſah zum erſten Mal, Dacht' ich: dies iſt ein unverfälſchter Quell, Durch den man ſieht auf tiefen, reinen Grund.

Harold. O reiner Engel, habt Ihr das gedacht?

| Adele. Geliebter Harold innig lieb' ich Euch!

(ſie umarmen ſich.)

Harold. Stark für die Ewigkeit ſei dieſer Bund! Noch heut erfleh' ich mir von Eurem Vater

Adele.

O Lieber, höret gute Neuigkeit: Der Vater weiß von Allem.

Harold. Wie? er weiß? Adele. Er weiß und freut ſich unſ'rer Liebe.

97 7

Harold.

Harold. Wirklich? Er will mir wohl? Adele. f Er will daß Ihr fein Freund ſeid.

Harold erhebt ſich). O, dann erkenne ich Adele. Was, theurer Harold?

Harold. Daß Ihr fürwahr ein Geiſt des Lichtes ſeid, Vor dem Mißtrau'n entflieht. (blickt nach rechts.) Dort kommt der Vater. Adele (ſpringt auf).

O, dann hinweg!

Harold chat fie und umarmt fie). Nein, wartet noch, Adele Laßt mich noch einmal Euer Antlitz ſeh'n. O Hoffnungs⸗Morgenlicht in dieſen Augen! So red' ich jetzt zu ihm?

Adele. O ſprecht, o ſprecht!

(ab nach links.)

Sehnter Auftritt. Wilhelm (kommt von rechts). Harold. Herzog, Ihr wißt: als Ihr nach England kamt,

Ertönte mir ſo unheilvoll kein Name, Wie Eurer, Herr; wohlan, dies wurde anders,

98

Dritter Akt.

Seit ich den Inhalt dieſes Namens kenne.

Laßt mich zu Euch, mein theurer Herzog, reden, So wie ein Mann zu einem Manne ſpricht! Ich liebe Euer Kind.

Wilhelm. ö Adele?

Harold. a!

2

Und werb' um ihre Hand!

Wilhelm. O bittre Nöth'gung. Da Ihr mich jetzt zur erſten Weig'rung zwingt.

Harold.

Wie, Herr? Ihr weigert?

Wilhelm. Nein, bei Gott, ich nicht.

Wär' ich ein Edelmann von kleinem Land Und Ihr desgleichen, und Ihr freitet dann, Bei Gott, ich riſſe dieſe holde Blume Adele blutend aus dem Herzen mir Und pflanzte ſie in Euren Lebensgarten. Denn Ihr gefallt mir, Harold! Doch wir Großen Wir find die Knechte der Verhältniſſe! Das andre wißt Ihr ſelbſt, drum laßt mich ſchweigen.

Harold.

So iſt es nur die Rückſicht auf das Volt, Was Euch zur Weig' rung nöthigt?

Wilhelm. Weiter nichts, Doch das 3 es ſieht in Euch den Feind, Und würde ſolchen Bund mir nie vergeben.

99 di

Harold. >

Harold, So will ich Euch im Angeſicht des Volkes Beweiſen, daß ich nicht mehr Feind Euch bin: Stellt eine Ford'rung für Adelens Hand.

Wilhelm (mad einer augenblicklichen Pauſe).

Ihr wißt den Grund, der mich nach England führte, Und was in England Eduard mir verſprach?

Harold. Er ſagte, daß er Euch ſein Wort verpfändet Für eine Erbſchaft in der Normandie Sprecht Ihr von dem, was mir der König ſagte?

Wilhelm. . Von Eduards Erbſchaft ja kommt denn, gelobt mir, Daß Ihr mir helfen wollt, das zu erlangen, Was Eduard, Englands König mir verſprach. (Hält ihm die Hand hin) Dünkt's Euch zu viel? Ihr zaudert?

Harold. Sei's darum Die Gegengabe, die ich Euch verſchulde, Für Euer königliches Gaſtgeſchenk Will ich nicht wie ein Wucherer beſchneiden (ſchlägt ein) Was Eduard, England's König, Euch verſprach, Hilft Harold Euch erlangen.

Wilhelm. An das Herz mir Und 1 dran mit tauſend Wurzeln feſt!

(ſie umarmen ſich) Wilhelm. Doch nun vergieb, Wenn ich Dich quälen muß mit läſt'ger Form. (zeigt nach rechts)

100

Dritter Akt.

Dort kommen die Barone meines Hofes,

Willſt Du vor ihnen einen Schwur mir leiſten, Das wiederholend, was Du mir verſprachſt? Du weißt, die Form verlangt's.

Harold. Ich weiß und will; Was ich verſprach, das will ich auch beſchwören.

Elfter Auftritt.

Seneſchall. Montgomery. Andere Normänniſche Barone, von rechts zu den Vorigen. Pagen, welche Becher und Kannen tragen, von links.

Wilhelm. Becher und Wein! Zum Willkomm laßt uns trinken; Ich bitte, Harold, koſte dieſen Wein.

(Die Pagen gehen umher, füllen die Becher und bieten den Anweſenden an.)

Harold ctrinkh. Sagt, welch ein Wein iſt das? In welcher Kammer Der heißen Werkſtatt glühte Mutter Erde Den Wonnetrank? Wilhelm.

Mich freut's, daß er Dir mundet, Blut der Normannen nennen wir den Wein.

Harold. So fließt Normannenblut in meinen Adern.

Seneſchall. Mein gnäd'ger Herr, es iſt am rechten Ort. Von unſrem ſangeskund'gen Taillefer Lernt' ich ein neues Lied (zu Wilhelm) Wenn Ihr erlaubt

101

Harold.

Wilhelm. Kommt, Seneſchall, und würzet uns den Wein.

Seneſchall tritt in den Vordergrund ſpricht). Seht an die Erde in ihrer Pracht, Wie ſie bergig ſich thürmt, wie in Fluren ſie lacht; Verſteht Ihr, was lockend ihr Auge Euch ſpricht? Die Blüthe iſt dem, der die Blüthe bricht. Wem wagender Muth die Adern ſchwellt, Dem gehorchet die Erde, gehöret die Welt! Drum will ich preiſen, ob Sachſ' ob Normann, Den Freien und Kühnen, den Rittersmann!

Harold (rintt). Das iſt ein Lied, ſo wie ich Lieder liebe, Es macht das ſtumme Herz in uns beredt!

Seneſchall. Die Blumen ſeht, die auf Erden ſtehn, Die Frauen und Mädchen holdſelig und ſchön! Verſteht Ihr, was ſchüchtern ihr Auge Euch ſpricht? Die Blüthe iſt dem, der die Blüthe bricht. | Wer zu fangen uns weiß und zu halten mit Kraft, Dem giebt unſer Herz ſich in liebende Haft. Drum will ich preiſen, ob Sachſ' ob Normann, Den Freien und Kühnen, den Rittersmann!

Montgomery.

Was Sachſe, was Normann! Den Becher hier auf jeden Rittersmann! (Alle ſtoßen lärmend an.)

Wilhelm (erhebt den Becher). Dies bring' ich Harold, meinem Schwiegerſohn!

Seneſchall. Wem?

102

ER:

. Dritter Axt.

Montgomery. Was? Wilhelm.

Ihr Herrn, heut endet alte Feindſchaft: Ich gebe ihm Adele meine Tochter, Dafür macht er zu Eduards Erben mich.

Seneſchall. Das thut er?

Montgomery. Wirklich? Wilhelm. Daß Ihr's Alle glaubt,

Wird er es feierlich vor Euch beſchwören. Harold, iſt's jo?

Harold. | Ihr wißt, daß ich es will.

Sen eſchall (blickt nach lints). Das trifft ſich gut; dort eben kommt der Biſchof.

Swölfter Auftritt.

Robert, Wilfried (kommen von links. Wilfried trägt ein Kruzifix in den Händen).

Harold (gewahrt Robert, zuckt ſchrecklich zuſammen).

| Robert. Ihr wißt, welch' einen Eid Ihr ſchwören ſollt?

Harold. Bin ich ein Kind? Zur Sache nur, zur Sache.

105

Harold.

Robert. So legt die Hände auf dies Kruzifix. (Wilfried kniet nieder, das Kruzifix emporhaltend) Die Erbſchaft, welche Eduard ihm verſprach, Helft Ihr erlangen Wilhelm dem Normannen.

Harold (für fd). Erbſchaft? Die Erbſchaft in der Normandie Ja ja ich weiß ſo ſagte König Eduard (er faßt das Kruzifix mit beiden Händen) Die Erbſchaft, welche Eduard ihm verſprach, Helf' ich erlangen Wilhelm dem Normannen.

Das ſchwöre ich. ſch 0 (läßt die Hände ſinken)

Und alſo iſt's vollbracht.

Wilhelm.

Und Dein mit Leib und Seele iſt Adele. (Eilend ab nach links.)

(Wilfried erhebt ſich.) Robert. Ihr wiſſet Herr: Ihr ſchwurt auf's heil'ge Kreuz. Harold. Das weiß ich, denn ich ſah's. Eid iſt mir Eid.

Seneſchall. Und alle Noth, die Ihr jetzt ausgeſtanden, Wird er als König reichlich Euch vergelten.

Robert auffahrend). Schweigt, Seneſchall!

Harold. Was giebt's hier zu verſchweigen? Was König? Wer?

104

Dritter Akt.

Dreizehnter Auftritt. Euſtach plötzlich von rechts). Nun wer? Wilhelm von England.

Harold. Graf von Boulogne? Beim Kreuze des Erlöſers Eduard verſprach ihm 8 Euſtach. Daß nach ſeinem Tode Wilhelm der König ſollte ſein von England.

Harold. Tod Gottes nein!

Euſtach und die Barone. Beim Glanze Gottes, ja!

Harold (bricht zur Erde).

Zerreiße, Erde! Sonnenglanz, liſch' aus! Verrath! Verrath! am Allerheiligſten!

Seneſchall. Kommt zu Euch ſelber, Herr.

Harold. Und ich beſchwor es, Auf's heil'ge Kreuz! Fort Alle, fort von mir Komm' keiner mir zur nah laßt mich, laßt mich! (ſpringt auf und geht wie taumelnd nach rechts ab.) (Bewegung unter den Normannen.)

Euſtach. Jetzt iſt nicht Zeit, ihm rathlos nachzuſeh'n! Montgomery, beſetzet jeden Ausgang Von Garten und Palaſt mit ſichren Leuten. Tod Euch, wenn er entkommt!

105

Harold. > |

3 A K

Ein Normanne. f Das ſoll er nicht. (ab nach rechts.) f

Euſtach. Und nun zum Herzog ah hier iſt er ſelbſt.

1 n

Vierzehnter Autfritt. Wilhelm (von lints zu den Voriger).

Euſtach (ahm entgegen).

Mein gnäd'ger Herr, der ſchöne Plan mißlang. Als er den Inhalt ſeines Schwurs erfahren

Wilhelm. Verdammniß treffe Euch, wenn es geſchah! Durch wen erfuhr er's?

Euſtach.

Gnäd'ger Herr, durch mich. Wilhelm.

Verwünſcht ſei Eure Uebereifrigkeit. (zu Robert)

Ihr war't dabei und konntet's nicht verhindern?

Robert. Es kam zu plötzlich, Herr, es war unmöglich.

Euſtach. } Es ſchmerzt mich, Herr, wenn Euch mein Eifer kränkt, Doch überlegt, was nun mit ihm zu thun. Ihn reut ſein Eid, laßt Ihr ihn jetzt entkommen, Dann ſeinem Eid entrinnt er wie Euch ſelbſt.

Wilhelm. Biſchof es reut ihn?

106

A re K

Dritter Akt, >

Robert. Ja, es reut ihn, Herr. Gleich einem Raſenden erhob er ſich ; Und floh dort in den Park.

Euſtach. Noch iſt er ſicher; Palaſt und Garten ließ ich gleich umſtellen, Er iſt in Eurer Hand. (Pauſe.) Wilhelm furchtbar). So lerne, Sachſe, Daß dieſe Hand, die Dir freigebig war, Wie Gottes Hand Leben und Tod verſchenkt! Ihr Seneſchall, geht hin zu meiner Tochter, Den Knaben Wulfnoth nehmt aus ihren Händen, Und bringt ihn mir in ſicheren Gewahrſam. Seneſchall. Es ſoll geſchehen, Herr. (ab nach links.) Wilhelm. Euch, Graf Euſtach, Vertraue ich das weitere. Euſt ach. Vertraut mir! Bei Gott, er ſoll gut aufgehoben ſein! (Wilhelm, Robert und Wilfried ab nach links; Euſtach mit den Baronen ab nach rechts.)

Fünfzehnter Auftritt. (Nach einer Pauſe kommt Harold von rechts und ſetzt ſich auf die Rafenbanf),

Gewaffnete an jedem Thor des Gartens

Gefangen der Veräther vom Verrath (es dunkelt)

Verbirg mich, Nacht, Du Hehlerin des Frevels, Zerfließt Gedanken in ein graues Nichts, Werdet nicht deutlich; Klarheit wäre Tod.

107

Sechzehnter Auftritt.

Adele (kommt von rechts).

Harold. Wer naht ſich hier? Die Schritte kenne ich! (blickt ſich um) Die Tochter des Normannen. Adele bleibt erſchreckt ftehen). Harold Du? Harold critt auf fie zu, blickt fie an). Du Mädchen, deſſen Antlitz Gott der Herr Nach ſeines Lieblingsengels Antlitz ſchuf, Steh Rede mir auf dieſe einz' ge Frage: Betrogſt Du? oder wurdeſt Du betrogen? Adele. Was that ich Dir, daß Du mich alſo fragſt? Harold. Nein, dieſe Lippen wiſſen nichts von Lüge. So ſchonte er des eignen Kindes nicht? Ach armes Herz. Adele. Sprich, Harold, was geſchah? Harold. Nein, nein, zum Reden iſt jetzt nicht mehr Zeit, Hör' an mein Kind, Gefahr bedräuet mich. Adele.

Harold. Gefahr für Leib und Seele, Ich muß entflieh'n.

Welche Gefahr?

Adele. Wer iſt's, vor dem Du fliehſt? Harold. Bei Andren forſche; mich befrage nicht! Denn dieſer Name, wenn Du ihn vernimmſt, Wird wie ein ſpäter Reif in Frühlingsnacht Den Glauben Deiner jungen Bruſt vergiften.

108

Dritter Akt.

Adele. O, grauſenvolles Räthſel. Harold. Nun vernimm: Ich muß hinweg; doch jedes Thor des Gartens Iſt mir verriegelt von gezückten Schwertern; Verrammelt alle Pforten des Palaſt's. Weißt einen Ausgang Du, ſo nenn' ihn mir. Adele. Komm, geh' mit mir, aus meinem Zimmer öffnet Ein Gang ſich, ein verborgner, in das Feld; Ich zeig' ihn Dir Harold. 5 Und nun noch eins, Adele: Wulfnoth, den Knaben haſt Du in Verwahrung; Bring' mir das Kind. Adele. O höre, was geſchah: Jetzt eben, da ich Dich im Garten ſuchte Entriſſen ſie den Knaben mir. Harold. Verderben! So muß ich fliehen ohne ihn. Adele, In Deine Hände leg' ich meinen Bruder, Sei des verlaſſ'nen Kindes guter Geiſt. Adele. Wann kommſt Du wieder, Harold, ihn zu holen? Harold, Adele wann? Adele.

Wann ſehen wir uns wieder?

Harold. In dieſem Leben heut zum letzten Mal.

109

Harold.

Adele bricht zufammen).

Schrecklicher Tod! Bun Herz 1 in mir! klammert ſich an i Geh' nicht von lr Harold, geh nicht!

Harold. Ich muß. Adele. | Wo gehſt Du hin? Harold. Weit fort. Adele. Fort über's Meer?

N Harold. Ja, über's Meer.

Adele.

O weh um unſ're Liebe! Im tiefen kalten Meer muß ſie ertrinken.

| Harold. Nein denn fie lebt in meiner ew'gen Seele. Du ſüßer Engel, wahre nun mein Bild Wie man das Bildniß hegt des Hingegangnen, An dem Barmherzigkeit die Flecken tilgt. Und wenn Du hörſt, daß hier man den Geliebten Mit Flüchen nennt, ihn grauſen Frevels zeihend, Dann denke: jener Harold iſt es nicht, Den Du gekannt; der ſtieg in jener Stunde Rein in den Todesſchooß des reinen Meers, Als er zum letzten Mal die Lippen küßte, Die einſt ſein Himmel waren. Ach, Adele,

N meiner ſüßen Jugend fahre wohl. (Sie e und küſſen ſich.)

Sorhang fällt.

Ende des dritten Aktes.

110

Vierter Akt. Erſte Scene.

(Saal im Schloſſe zu London. Rechts und links Thüren und Fenſter, den Hintergrund bildet eine durch Vorhänge geſchloſſene Säulenteibe.)

Erfter Auftritt.

König Eduard, in einem Armſeſſel zurückgeſunken, neben ihm Edwin und Stigand. Eduard ſitzt wie ſchlafend mit geſchloſſenen Augen.

Morcar (kommt von rechts zu den Vorigen).

Ja, es beſtätigt ſich, was das Gerücht

Von Mund zu Munde flüſternd umgetragen. Er iſt zurück. In einem Fiſchernachen,

Ohne Gefährten, mitten in der Nacht, Umgähnt von allen Schreckniſſen des Dunkels, Das ihm der Sterne Fackellicht verſchlang, Durchkämpfte er das aufgewühlte Meer,

Und heute Morgen kam er an zu Dover.

Edwin. In einem Boot? Bei Nacht? Sagt, daß Ihr fabelt.

Morcar. Nein, es iſt Wahrheit. Menſchen ſahen ihn Wie er im grauen Zwielicht dieſes Morgens An's Ufer ſprang; zerzauſt von Wind und Wellen, Wie ein Geſchöpf, das Nacht und Meer gebar.

A

Harold.

Eduard (mit geichloffenen Augen.) Wer iſt der Menſch, um welchen Eure Worte Solch ein Geheimniß weben? Edwin. Harold, Herr. Eduard (fi aufrichtend). Kam Harold wieder aus der Normandie? Morcar. Er iſt's, von dem ich ſpreche, gnäd'ger Herr Und ohne ſeiner Mutter Gruß zu gönnen, Noch Raſt zu ſchenken dem erſchöpften Leibe, Reißt er den ſchnellſten Hengſt aus ſeinem Stall, Und aufgeſchwungen alſo ſagt man mir Schlägt er dem Roß die ſpornbewehrten Ferſen So in den Leib, daß wie ein Pfeil vom Bogen, Es wüthend hinfliegt unter'm wilden Reiter. 5 Stigand. Wen ſuchte dieſer ungeſtüme Ritt? Morcar. Er ritt nach Wincheſter, wo, wie ihm Irrthum Gemeldet, König Eduard ſei. Eduard. | Ich wußt es, Daß mir der Ritt gegolten träger Tod! Was mußte dieſer Tag dich überholen! Stigand. Was bangt Ihr, Herr? Eduard. | Biſchof, wenn je Ihr hört, Daß Einer klagt, weil ihn zu früh der Tod ruft, So ſcheltet ihn als Thoren, denn ich ſag' Euch: Beſſer zu frühe ſterben, als zu ſpät! (er richtet ſich halb aus dem Seſſel auf, nach der Hinterwand ſtarrend) Da was kommt da? ſeht das

112

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Vierter Akt.

Sweiter Auftritt. Harold (tritt durch den Vorhang der Hinterwand ein. Er iſt bleich, verſtört; ohne i Kopfbedeckung, das Haar hängt wirr herab, ſein Mantel zerriſſen). f Stigand. Bei Gott, er iſt es. 1 Morcar. x Und iſt's doch wieder nicht Neffe, ſeid Ihr das?

Harold. Heißt dieſe ſich entfernen, König Eduard. (Eduard blickt ihn ſprachlos an.)

Edwin Sind wir nicht werth, zu hören was Ihr bringt?

Harold (mit furchtbarer Heftigkeit). Heißt dieſe Männer geh'n

Morcar.

Kommt, kommt für jetzt. (Edwin, Morcar, Stigand nach rechts ab.)

(Harold ſchließt hinter ihnen ab.) Eduard.

1% Welch’ grauſenvolles Werk bereiteit Du? Harold ich bin ein ſchwacher alter Mann.

Harold. Gott wolle, daß Ihr je was andres waret.

Eduard. In Deiner Stimme iſt ein fremder Laut In Deinem Angeſicht ein neuer Zug Was ſtarrſt Du mich ſo an mit glüh'nden Augen?

5

Ns 8

Harold.

Harold Weil ich in Eurem Herzen leſen muß Eduard, Sohn Etelreds, der Sachſen König, Ich habe eine Frage Euch zu thun: An jenem Tag, als Wilhelm bei Euch war, Sagt, was verſpracht Ihr ihm? Drei Tag' und Nächte Kämpfte ich mit dem Tode Bruſt an Bruſt, Um Euch zu fragen reden ſollt Ihr ſprecht!

Eduard. Der Tod pocht an die Pforte meines Lebens Frag' nicht, was ich verſprach, Harold, frag' nicht!

Harold.

Heißt das bei dem gekreuzigten Erbarmer Daß Wahrheit iſt, was der Normanne ſagte, Daß Ihr die Krone Englands ihm verſpracht Nach Eurem Tod?

Eduard. Erfuhrſt Du es von ihm?

Harold. Urheilberathner König, thatet Ihr's?

Eduard. Und wenn ich's that, erbarm' Dich meiner, Sohn.

Harold. Ja, ich Dein Sohn, denn Schuld macht uns verwandt! f (Eduard ſinkt kraftlos zurück) Nein ſinkt noch nicht zurück, Ihr ſollt noch leben, Die Schuld verſchlingt mich, welche Ihr gezeugt; Auf Höllenwegen lockte Wilhelm mich, Daß ich ihm ſchwur in grauſig heil'gem Eid, Zu helfen ihm zu dem, was Ihr verſpracht!

114

Vierter Akt, >

Eduard. Hätt' ich es nicht gethan! Unſel'ger Harold; Hätt' ich's an jenem Tage Dir geſagt, Als Du hinüber gingſt zur Normandie Hätt' ich, o hätt' ich jammervolle Summe Verlornen Lebens ränkevoller Wilhelm! So wird er König denn?

Harold. Das wird er nicht. Eduard. Was ſpielſt mit Hoffnung Du? Wer wehrt ihm? Harold. ch Eduard. Du, der ihm ſchwur? Schrecklicher Menſch, was ſinnſt Du? Harold.

Zerbrechen will ich den erſchlichnen Eid! Nicht geben dieſes Land der Angelſachſen In des Normannen räuberiſche Fauſt!

Eduard. Harold Das wollteſt Du?

Harold.

Das ſchwöre ich! Nein freilich ſchwören darf ich nun nicht mehr! O unermeßlich ſchrecklich! Jammervoll! Harold, Graf Godwins Sohn darf nicht mehr ſchwören!

(bricht in die Kniee)

Hier lieg' ich nun vor Dir, allmächt'ger Gott, Schöpfer des Menſchen und der Menſchen-Schwäche, Und thue ab von mir, frei, mit Bewußtſein, Was meine ſtolze Mannheit einſt geſchmückt!

115 N 8 *

Harold.

Doch eh' Du Dich von meiner fünd’gen Blöße Mit Abſcheu wendeſt, höre mich, o Gott:

Du ſelber pflanzteſt es in unſre Bruſt

Des Vaterlandes heiliges Gefühl!

Du gabſt dem Mann den Arm voll Mark und Kraft, Gabſt ihm das Haupt voll Raths und klugen Sinns, Daß er das Land, das ſeine Wiege trug,

Das ihm der Menſchheit wundervolles Erbtheil

Die Sprache, übermittelte, bewahre!

Vertilge mich von Deinem Angeſicht!

Doch mit dem Blitz, der mich zur Tiefe ſchleudert Zermalme auch das Haupt der Schändlichen!

Eduard. g Ein Eid auf's heil'ge Kruzifix geſchworen, | Der Cherub Gottes mit dem Flammenſchwert Steht da als Wächter ſolchen Eids.

Harold. Ich weiß. Eduard. g Verflucht von Gott iſt, wer ihn bricht. Harold. Ich weiß. Eduard.

Giebt's ſolchen Muth? Das hätt' ich nicht gedacht. Gelobe mir, daß Du am jüngſten Tage Gott ſagen willſt: Eduard hat mich gewarnt. Harold. Das will ich, Herr. Eduard. Ruf' mir Stigand, den Biſchof! Harold. Was habt Ihr vor?

116

Vierter Akt.

Eduard. Ruf' mir den Biſchof! Eile! (Harold öffnet die Thür rechts.) H arold (Hinausiprehend). Biſchof Stigand, der König ruft nach Euch!

Dritter Auftritt.

Stigand (kommt von rechts).

Herr was begehrt Ihr?

Eduard.

Biſchof Lilt und bringt

Das Zeichen mir der qualenvollen Ehre, Darunter ich mein Leben hingeſeufzt, Die Königskrone!

Stigand.

Herr? Eduard. Eilt fraget nicht!

Laßt alle Glocken läuten durch die Stadt, Ruft Volk und Edle, Biſchof

Stigand.

Herr, ich eile. (Stigand ab durch den Hintergrund.)

Eduard. Du Erbe meiner Schuld! Bis an das Ende Furchtbar verflochten geht nun unſer Weg! Sei Erbe auch der goldnen Dornenkrone, Die Könige ſchmückt! Nichts Gutes geb' ich Dir

Harold.

Zu jedem Eurer Worte ſpricht mein Herz Sein feierliches „Ja“ und „Amen“, Herr.

112

Harold.

Dierter Auftritt,

Gytha. Morcar. Edwin (kommen von rechts).

Gytha. Nein, dieſes alles klingt fo räthſelhaft N An mir vorbeizugeh'n. Morcar.

Dort ſteht der Mann Seht, ob Ihr ihn erkennt.

Gytha (bleibt ſtehen). Harold, mein Sohn!

Harold (geht ihr entgegen, umarmt ſie). Mein irdiſch Heiligthum, o meine Mutter.

Gytha ⸗azaertlichh. Dein Antlitz trägt die Spuren böſer Tage, Doch das verſteht ſich, denn Du warſt beim Feind, Der Feigling nur kommt ſauber aus dem Feld Du haſt mir nicht den erſten Gruß gegönnt Dich trieb gewicht'ge Pflicht zum Könige? Nicht wahr, mein Sohn?

Harold. Ja, meine theure Mutter.

Gytha. Das wußte ich es war kein anderer Grund Nun iſt die Pflicht erfüllt bedenke nun, Wie lang ich ohne meine Kinder war, Wo iſt mein jüngſter Sohn, Dein Bruder Wulfnoth?

(Pauſe) Steinerne Lippen, ſprecht, wo iſt mein Kind?

(ſie tritt entſetzt zurück)

Schirmer der Menſchen, ſchütze mich vor Wahnſinn

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118

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Vierter Ant.

Harold. Mutter

Gytha. Und doch iſt's meines Harolds Stimme Ich bin geduldig war das Kind geſtorben, Als Du hinüberkamſt? Verweigerte Wilhelm, den Knaben Dir herauszugeben? Hörſt Du mich nicht, ſo höre Gottes Stimme Harold. ' Nur jetzt, nur heute, Mutter, frage nicht.

Gytha. Hat ſie's verboten?

Harold. Wer?

Gytha. Was trägſt Du da’ An Deinem Hals? Was blickt mich gleißend an? Ich kenne es, das Angeſicht der Schlange, Die mir die Seele meines Sohnes ſtahl! (ſie greift nach der Kette mit Adelens Bilde an ſeinem Halſe.)

Harold (aßt ihren Arm).

Und hätteſt Du zehn Leben mir geſchenkt Statt dieſes einen fort die Hand, ſag' ich!

Gytha

(ſteht mit erhobenem Arm; dann ſtreift fie langſam den Aermel vom Arm).

Dies iſt die Stelle ſeht ſie Alle an

Auf die ſein rauher Panzerhandſchuh griff!

Auf dieſem Arme trug ich ihn in's Leben;

Des Knaben Locke floß um dieſen Arm;

Die Hand hier zeigte Berge ihm und Thäler, Wenn ich ihm ſprach: ſieh hier Dein Vaterland. O dieſe Arme waren Wiege ihm,

119

Harold.

Gefüllt mit jedem edlen Gut der Erde Heut iſt der Tag, heut ſtieß er ſie hinweg Und hing ſich an die Dirne des Normannen.

Harold. Hör' ſie nicht, Gott denn es iſt meine Mutter, Die Deinen Engel läſtert! Nimm den Donner Und triff' mein Haupt! Gytha. Harold, hätt' er's gethan Am ID da Du gingſt zu den Normannen! (zu Edwin und Morcar) Ich weiß, Ihr freut Euch meines tiefen Fall's! Ja, ich war ſtolz auf dieſen nicht zu ſtolz! Ich liebte ihn ja alſo liebt' ich ihn, Daß ſein Verrath mein Herz zur Wüſte macht! Noch keine Mutter weinte ſolche Thränen; Mit welchem Jammer brichſt Du mir das Herz!

Fünfter Auftritt.

(Glockengeläute beginnt. Stigand kommt durch den Hintergrund, auf purpurnem Kiſſen die Krone tragend; der Vorhang wird aufgethan und man ſieht an der Halle draußen eine große Menge Volkes ftehen; darunter Ordgar, Edric, Baldwulf.)

Stigand. Gerufen durch den feierlichen Mund Der Glocken, drängt das Volk zu Euren Thoren, Und hier zu Füßen leg' ich, König, Euch Dies theure Zeichen

Eduard.

Aus den Augen mir!

Qual meiner Tage, Schrecken meiner Nächte, Brandmal des Fluchs, auf meine Stirn gedrückt! Mein Lebensbaum, vom Todesfroſt geſchüttelt,

120

*

Dierter Akt.

Wirft von ſich den verhaßten Paraſiten,

Der ſich vom Marke meines Friedens nährte.

Fahr' hin mag ſich die tolle Wuth der Menſchen Zerfleiſchen über Deinem Lügenglanz

Dem thörigt'ſten der Menſchen ſei vermacht!

Stigand.

Wohl Eure Krone, Herr, iſt nur Metall Doch wem vermacht Ihr, König, Euer Volk?

Harold. 6 iſt vermacht ſammt dieſer Krone.

Morcar und Edwin.

Wem? Harold. Mir her die Krone, Biſchof. Morcar. Was iſt das? Stigand. |

Ein Wort nur, König Eduard, ſprecht ein Wort:

Soll dieſer Jüngling König ſein nach Euch? Eduard.

Er ſei der Erbe der gekrönten Oual.

Morcar. Der Knabe unſer König?

Eduard. Dieſer Mann, Der Dinge weiß, bei deren Wiſſenſchaft Das ſorgenloſe Angeſicht der Jugend In eisgrau ſorgend Alter ſich verwandelt!

Morcar.

Was weiß er mehr als wir?

121

Harold >

Eduard. Dinge der Zukunft, In blut'gen Wolken des e sc Aufſteigend

Edwin. Das ſind Fieberträumerei'n.

Eduard.

Nicht Träumerei'n! Die Schattenhand des Todes Reißt prophezeihend Aug' und Ohr mir auf: Ich hör' das Rad der Zeit, das ſauſende; Im Sturm gewälzet, rollt es durch die Welt, Länder und Städte bröckeln unter ihm, Durch ſeine Speichen quillt das Blut der Völker, Das Menſchgeborene iſt ſein Geleis Nur wer ſich losreißt von der Menſchen Satzung, Die heil'ge Schwäche des Gewiſſens abwirft, Durch Höllengluth von Schwachheit rein geglüht, Der greife in die Speichen, rufe halt; Solch' Einen kenn' ich

(Harold anſtarrend)

Gebt die Krone ihm.

Stigand (u Harold).

So nehmt die Krone denn aus meinen Händen, Aus meinem Mund die erſte Huldigung.

Harold (nimmt die Krone von dem Kiſſen).

Nun, Du zum Ring gekrümmte goldne Schlange, Kriech auf mein Haupt, mit Deinem kalten Hauche Ertödte die Erinn'rung mir im Hirn,

An alles das, was Menſchen fromm und weich macht.

Dich, vielgeſtaltiges Gefühl des Herzens Schmied' ich in einen ehernen Entſchluß:

(Er ſetzt die Krone auf) Wilhelm, Normannen⸗Herzog, dies die Antwort, Die Harold Dir, der Sachſen-König giebt!

122

ne ae ee

Dierter Akt, >

Ordgar. Heil König Harold.

Volk ctobend). Heil dem Godwins⸗Sohn!

Harold su Edwin und Morcar).

Ihr hörtet Eduards, Eures Herren Wort, Auf, huldigt mir.

Morcar. i Gut denn, wir huldigen, Geloben Treue Dir mit Herz und Hand Sobald die eigne Mutter Dir gehuldigt.

Harold (u Gytha flüſternd). Siehſt Du nicht die geſpaltene Schlangenzunge Der Bosheit, die aus dieſen Worten leckt? Zerbrich die Hoffnung dieſer Feinde, Mutter, Sie hoffen „nein“ aus Deinem Mund, ſprich ja.

Gytha (ebenſo, ohne ihn anzuſehen).

Sag', was Du thateſt in der Normandie.

Harold. | Laß es mich Herz an Herz und Aug’ in Auge Dir ſagen, nur vor dieſen Leuten nicht, Um Englands Heil.

Gytha. Sprich nicht vom Vaterland,

Denn Deine düſtern Worte geben Kunde, Daß Du's verrietheſt. Eduard. Huldigt, Gräfin! Gytha (ach innerem Kampfe).

Nein! (ſie wendet ſich kurz, geht rechts ab.)

123

+ Harold.

arold. Mutter! v

Morcar (su Edwin). Ich zieh' vom Hofe, kommt Ihr mit?

Edwin. f Ich geh' mit Euch; zäumt auf die Roſſe!

Eduard. Bleibt! Bei dieſem letzten Hauche meiner Bruſt, Bei dieſem letzten Krampfe meines Lebens, Bleibt, huldigt ihm!

F u ee m pn

Morcar. Er hole ſich die Huldigung Auf meiner Burg!

Harold. Ich komme!

Morcar. | Komme denn, Doch Leitern bringe mit und Sturmgeräth, Denn meine Wälle, wie granitne Lippen Bergen das Wort, das ich Dir weigere. (Morcar, Edwin rechts ab.)

Eduard dichtet ſich auf). Ihr ſollt nicht geh'n (itt zurüc). Hilf Gott der eiſ'ge Tod Schleicht mir die Bruſt herauf Stigand. O ſeht den König, Wie bleich er wird!

124

Vierter Akt.

Eduard.

Hebt auf den Stuhl, hebt auf, Tragt mich hinaus aus dem verfluchten Leben. (der Stuhl wird aufgehoben) In Ruhe laßt mich ſterben weh' auf Euch Und wehe dem verlornen Volk der Sachſen! (Er wird hinausgetragen.)

Ordgar

(tritt auf Harold zu. Das Volk dringt in die Halle). Ich weiß es nicht und ich verſtehe nicht, Was hier verhandelt ward, ich weiß nur dies, Daß, als der Arm des Galgens nach mir griff, Als meine Lebenshoffnung dämmernd ausloſch Im Todesgrauſen plötzlich um mein Haupt Die Mähne Eures weißen Hengſtes flog Wie eines Cherubs Flügel weiß es noch, Wie Ihr, vom Sattel Euch herunterbiegend Den Henkersknecht mit einem Griffe packtet Und niederwarft Harold, mein theurer Herr, Der Donner Gottes ſchmett're mich zu Grunde, Hätt' ich ein Wort, ein ander Wort als dies: Gott ſegne Harold, Englands echten König!

(er kniet vor ihm nieder, küßt ihm die Hand.)

Das Volk cherandrängend). Harold ſei unſer König, Godwin's Sohn!

Edric (eine Hand ergreifend), Heil unſerm König Harold!

Baldwulf. Heil ihm, Heil! Harold den Arm erhebend).

So hör' mich, Du, um deſſen Thron die Sterne Gleich ſeuerflammenden Trabanten ſtehn: Hier nun verpfänd' ich mich dem Volk der Sachſen:

125

+ Harold.

Fühllos mein Herz für anderes Gefühl; Mein Leib ſein Schild, der Arm hier ſeine Waffe! Sein Feind mein Feind, ſein Grab mein Grab!

Stigand. Gott hört es. Ordgar.

Wir ſchwören Treue unſerm König Harold, So lange unſre Fauſt die Axt umſpannt!

Volk. Das ſchwören wir, das ſchwören wir!

Stigand. | Gott hört es. | (Verwandlung.) |

Sdweite Scene;

(Eine Vorhalle im Palaſte zu London. Rechts und links Thüren. Die Hinterwand

durch eine offene Säulen⸗Reihe gebildet, welche auf die Straße führt. Links ein auf

Stufen erhöhter Thronſitz; über dem Thron an der Wand eine von Streit⸗Aexten umgebene Fahne. Nacht. Fackeln an den Wänden.)

Erſter Auftritt. Mehrere Königliche Trabanten.

Erſter Trabant (ſteht an der Säulenwand, blickt zum Himmel empor, wendet ſich dann zu den Uebrigen).

Hier kommt heran, von hier aus könnt Ihr's ſeh'n. (Die Anderen treten herzu).

Erſter Trabant Geigt nach dem Himmel). Dort wo mein Finger zeigt.

Zweiter Trabant. O ſeht das an! Ein ſchrecklich Ding wie eine Feuer⸗Ruthe Streckt es am Himmel ſich von Nord zum Süd. Iſt das ein Stern?

126

Vierter Akt, >

Erſter Trabant. Das iſt ein Ruthen⸗Stern; In vielen hundert Jahren, hört' ich ſagen, Kommt das ein einzig mal, und wenn es kommt Verkündet's ſchwere Zeit.

Zweiter Trabant. Das will ich glauben Nie ſah ich ſolches.

Erſter Trabant. Horcht, was für ein Lärm?

Sweiter Auftritt.

Ein Volkshaufe (Männer, Weiber, Kinder kommen von links, außerhalb der Säulen; in ihrer Mitte ein phantaſtiſch aufgeputzter Alter, welcher eine Harfe 1 7 9

Vor der Halle bleiben ſie ſtehen).

Der Alte (mit lauter Stimme).

Der Himmel brennt, die Zeiten ſind erfüllt! Die Stunde, von den Vätern uns verkündet, Die letzte Stunde kam!

Dritter Auftritt. Edric. Baldwulf (draußen von rechts).

Edric. Macht Euch nach Hauſe! Was ängſtigt Ihr die Leute!

Volk. Er ſoll ſprechen!

Der Alte.

Hört, was die Väter uns verkündigten: Wenn der König kommt, welcher Eide bricht, Wenn vom Mittagsſtrand wehen wird der Wind,

127

Harold.

Wenn der Ruthen⸗Stern roth am Himmel flammt, Dann auf Wellen wird reiten der Normann', Schlimme Zeit wird ſein, ſchlimme Zeit wird bleiben, Volk der Sachſen wird dann nicht mehr ſein!

Edric Wer iſt der König, welcher Eide bricht?

Baldwulf. Reißt ihm die Zunge aus, dem Unheils⸗Raben!

Vierter Auftritt.

Ordgar (draußen von rechts zu den Vorigen). Habt Ihr's geſehn? Habt Ihr das Ding geſehn?

Edric.

Seid ruhig doch. 5 Ordgar.

Saht Ihr den Ruthen⸗Stern?

Edric. Ordgar, hat Euch die Furcht auch angeſteckt?

Ordgar. Mich fürchten? ich? Wer ſagt daß ich mich fürchte? Doch jetzt iſt eine Zeit Normannen⸗Wölfe Kommt an, ich bin ein Stier mit Huf und Hörnern Und ſtoßen will ich, eh' Ihr mich verſchlingt.

Ein Weib (geltend). Normannen ſind im Land!

Edric. Das ijt nicht wahr!

128

Vierter Akt.

Weib. Warum verläßt der König uns?

Volk. Der König!! (Die Volksmaſſe drängt in die Halle, die Trabanten ſperren den Eintritt.)

Erſter Trabant (hält die Hellebarde vor). Zurück Ihr ſollt nicht ein

Edric.

Ihr guten Herrn, Seht ſelbſt, wir ſind ja wie der Kork im Waſſer, Die Welle trägt uns ein. (Die Volks⸗Menge, unter ihnen Edric, Baldwulf, Ordgar, dringt in die Halle ein.)

Volk. Wo iſt der König?

Edric. Dies Volk wird raſend noch aus lauter Angſt.

Fünfter Auftritt. Ein Herold

(kommt von links, ſtößt in die Drommete).

Gebt Raum für König Harold, Godwins Sohn!

Sechſter Auftritt. Harold (im Panzer von links).

Ordgar. Troſt Deines Volkes, Heil dem König!

Volk. Heil!

129 9

YHarold. >

Harold erfteigt die Thronesſtufen).

Was drängt Ihr Euch in dieſer heil'gen Stunde, Da die Natur den Friedens-Mittler ſchickt Den Schlaf, der das Feindſel'ge ausgleicht, Die Leidenſchaft in Ruhe, den Gedanken, Den gährenden, in Kindestraum verwandelnd, In ſolchem Aufruhr an des Königs Thron?

(Die Weiber werfen ſich zu den Stufen des Thrones nieder.)

Weiber.

Rette uns, König Harold!

Volk. Rette uns!

Harold. Vergaß ich ſo denn meine Königspflicht, Daß Ihr mit dieſem Angſtgeheul des Schreckens Mich daran mahnen müßt? Ein Weib.

Der Himmel droht uns! Normannen ſind im Land!

Harold. Wer ſagt mir das? (Stimme vom Hintergrunde)

Gebt Raum dem würd'gen Biſchofe Stigand.

Siebenter Auftritt. Stigand, Wilfried (kommen aus dem Hintergrunde).

Stigand.

Mein Herr und König, aus der Normandie Kommt dieſer junge Prieſter hergeſandt.

Ordgar. Von den Normannen kommt er?

130

*

i |

Dierter Akt, >

1 Edric.

f Hört das an!

4 (Alles drängt Hinter Stigand und Wilfried auf den Thron heran.) Stigand.

Vor Wochen, ſagt' er, ging er aus Rouen, Doch widerwärt'ge Winde hielten ihn Bis heute fern.

N Harold. Was kommt er in der Nacht? Iſt dies die Zeit, Geſandte zu empfangen?

Wilfried (der bis dahin geſenkten Hauptes geſtanden hat, richtet das Haupt auf). Mir ward Befehl, ſobald ich Englands Boden Berührte, ob bei Tage oder Nacht, Dir zu verkünden, was ich künden ſoll.

Me

Harold (farrt Wilfried ar). Wo ſah ich dieſes Angeſicht Du kommſt Herüber aus der Normandie? Wilfried. Ja, König. (Gemurmel unter dem Volke.) Harold. Der Herzog der Normannen ſendet Dich? | Wilfried. Nein, König Harold. Harold. Nicht?

Wilfried. Mich ſchickt ein Andrer. Es ſchickt mich

131 9 *

.

Harold

Harold

(mit einem Sprunge vom Throne herab, faßt ihn an der Schulter).

Halt dann weiß ich, wer Dich ſchickt. | (leiſe) s Dich ſchickt die Kirche?

n

Wilfried (laut, eintönig). Ja, mich ſchickt die Kirche

Harold deife flüfternd). Bei Deinem Leben denn Sprich nicht, ſchweig ſtill! (laut) Ihr habt gehört: nicht der Normanne ſchickt ihn; Die Botſchaft, die die heil'ge Kirche ſendet, Iſt nur für mich geht drum aus dieſem Saal.

Wilfried (vrüdt die Hand auf's Herz). (für ſich) Dein Wille iſt's, furchtbarer, ſtrenger Gott. (laut zu Harold)

Der Kirche Botſchaft iſt nicht nur für Euch.

Harold. Du ſchweigſt, wenn Du Dein Leben liebſt!

Wilfried

(ſchüttelt traurig das Haupt).

Mein Leben Iſt mir nic lieb; ich darf nicht ſchweigen, Herr.

(mit erhobener Stimme) So ſpricht zu Dir der, dem Gott Macht verlieh, Zu binden und zu löſen, aufzuthun Des Paradieſes Pforten, und zu ſchließen: Weil Du den Eid gebrochen, den Du ſchwurſt.

Stigand. Welch einen Eid?

152

Vierter Akt, >

Wilfried. Auf's heilige Kruzifix, Daß Wilhelm, der Normannen-Herzog, König Von England ſollte ſein nach Eduards Tod.

Harold (ſchlägt ſich vor die Stirn). Schling' mich in deinen Rachen, ew'ge Nacht!

Volk. Verrath!

Ordgar. O fürchterlich! Ihr thatet's nicht! Sagt uns, o Herr, daß Ihr den Eid nicht ſchwurt! (Pauſe.)

Wilfried (mit erhobener Stimme). Sollſt Du nicht wohnen, wo die Sel'gen wohnen, Du wohne im Geheul und Zähngeknirſch! Sollſt Du nicht koſten von des Himmels Freuden, Im Jenſeits und hienieden ſei verflucht! Verflucht der Boden der Dich trägt und nährt; Wer Dir gehorcht, wer Dir in Treue folgt Und wer Dich liebt, der ſei verflucht wie Du! für ſich) Es iſt vollbracht ſei meiner Seele gnädig. (dumpfe, ſchreckliche Pauſe.) rt Volk tritt in leiſe flüſternden Gruppen zuſammen, man ſieht Einzelne durch den ittelgrund abgehen; dann drängt plötzlich die ganze Menge der Anweſenden mit

Ausnahme von Harold, Stigand, Ordgar, Wilfried und den Trabanten zum Abgange nach dem Mittelgrunde.)

Harold. Wachen an's Thor! Hört, Sachſenmänner, hört! (Trabanten ſtellen ſich an den Ausgang und drängen die Menge in den Saal zurück.)

Ordgar. Bleibt! hört den König! Redet, theurer Herr!

155

Harold.

Edric. Schwurt Ihr den Eid?

Harold. O, Du im Himmel, Gott, Haſt Du zum Leuchten Deine Sterne nur? Gieß aus Dein Licht auf dieſen Höllentrug!

Edric. Schwurt Ihr den Eid?

Harold. Ich ſchwur doch dieſen nicht! Ein Weib. Er ſchwur! Hört Ihr's? Edric. Und wir mit ihm verflucht! Baldwulf. Wir wollen nicht zur Hölle! Platz! Volk. Platz! Platz!

(Das Volk ſtürzt ſich auf die Trabanten, welche ihm den Ausgang verſperren, ringt mit ihnen und ſtößt ſie zur Seite, ein Theil verläßt den Saal in wildem Tumult.)

Ordgar (wirft ſich zur Erde). Tief, Grab, ſei tief, in dem Graf Godwin ſchläft, Daß er nicht höre, was ſein Sohn gethan! Harold.

Herz, halte Stand; zerſpringe nicht mein Hirn! Ah, Du verdammter Bringer der Verdammniß, Du biſt ein Sachſe? \

Wilfried. Ja und Gottes Knecht.

154

Vierter Akt.

Harold. Heran, Trabanten! Geh zu Deinem Gott, Sag' ihm, Dich ſchickt der König Deines Landes, Der wie der Natter Dir das Haupt zertrat!

(Zwei Trabanten treten rechts und links von Wilfried; ziehen die Schwerter.)

Stigand. König erbarmt Euch des Unſeligen!

Harold. Hinweg! ſtoßt zu! (Die Trabanten ſtoßen Wilfried nieder.)

Wilfried

(ſinkt, Stigand fängt ihn auf).

Erbarm' Dich meiner Jeſus Biſchof Stigand geweihter Prieſter Gottes, Mit mir geboren von demſelben Volk, Mir theuer drum in jedem höchſten Sinn, In dieſer Stunde, da der grauſe Tod Ein hingetäuſcht unſelig Daſein endet, Das, Friede ſehnend, nur zum Kampf gedient, Empfangt von mir ein ſchreckliches Geheimniß, Das düſter liegt auf meiner armen Seele.

Stigand. Sprich, was Dich quält.

Wilfried. Der Eid, der grauſe Eid Stigand Was iſt's damit? Wilfried. Ein trügeriſcher Eid, Von Höllenliſt geſponnen und gewebt,

Von Robert und von Wilhelm auserſonnen, Den dort zu fangen.

155

Harold.

Stigand. Harold?

Wilfried. Harold ja Ich war dabei, am Tage zu Rouen, Als ſie rathſchlagten, jenen Eid zu ſchmieden Hebt mir das Haupt die Zunge wird mir ſchwer Ach Tod gieb mich noch frei Schuld und Verrath! Denn Harold wußte nicht, was er beſchwor!

Stigand. f Unſel'ger, warum ſchwiegſt Du vor dem Volk? | Wilfried, Weil Biſchof Robert Schweigen mir gebot. Stigand. Fluch treffe ihn! Wilfried.

Mein Vater that ich Unrecht?

Stigand. Ja, Du Verlorner!

Wilfried. Robert, gieb mein Leben, Mein Leben, mein betrog'nes mir zurück! Gräßlicher Tod laß Deine Hand von mir Zertreten wie ein gift'ger Wurm, dies Herz, Das keines Menſchen Feind war

Harold (beugt ſich zu ihm). | Unglückſel'ger Schwer wird Dein Blut auf meiner Seele ſein.

156

.

Dierter Akt, >

Wilfried (fast feine Hand).

Mein König und mein vielgeliebter 9 (ſtirbt.)

Achter Auftritt. Der Abt und zwölf Mönche des Kloſters de (alle ganz in ſchwarzen

Kutten, kommen durch die Mitte; fie fingen:) Dies irae, dies illa Solvet saecla in favilla. Harold.

Was wollen dieſe finſtren Raben mir? Was bringt Ihr?

Abt.

Was dies Kleid Dir ſagt: den Krieg! (Der Abt und die zwölf Mönche reißen ihre Kutten ab und ua in lichten Panzern da.)

Abt. Auf, König Harold, Sachſenmänner, auf, Der Tiger ſchwamm herüber über's Meer, N Normannen landeten in England! Harold. Ha! Abt.

Aus unſrem Kloſter, das von ſteiler Klippe Das weite Meer nach Süden überblickt,

Sah'n wir ſie nah'n auf ſiebenhundert Schiffen, Ihr Schlachtruf überdonnerte die Fluth,

Als ſich ihr Herzog, der furchtbare Wilhelm, Im Fieberſturme ſeines Ungeſtüms

Mit einem 7 zum Uferſtrande ſchwang

137

. Harold.

Harold. Wo ſtehen ſie?

Abt. Bei Haſtings, König.

Harold. Wohl,

Nun in des Weltenſchickſals großem Buche Soll Haſtings' Name bei den Namen ſtehn, Die purpurroth darin verzeichnet ſind,

Weil das Geſchick die blutverbrämte Hand Darauf gelegt als ein Erinnerungszeichen

Für künft'ge Zeit: „an dieſem Tag geſchah“.

Stigand.

Herr, dies heißt ſterben, noch bevor Ihr kämpft, Blickt um Euch her, Ihr ſeid ein Einziger!

Harold ſchwingt die Arme). Zwei Löwen habe ich in meinem Dienſt, Mit ihnen, Wilhelm, ſpringe ich Dich an Und morde Dich inmitten Deines Heeres! Bringt meine Streitaxt, ſattelt mir mein Roß, (er reißt die Fahne von der Wand und ſchleudert ſie mitten in den Saal) Hier werfe ich das Sachſen-Banner hin, Wer hebt es auf?

Ordgar (ftürzt ſich auf die Fahne, rafft fie auf). Mir her die Fahne, mir!

Harold.

Ja, Du verwittert Denkmal meines Landes, Du kämpfſt heut neben mir!

158

vierter Akt, >

Ordgar.

Sohn Godwins, Herr, Die Fauſt an dieſen Fahnenſtock geſchmiedet, Mein Leben an Dein Leben angekettet, In Noth und Tod, wo Du biſt, da bin ich!

Stigand.

Verſchanzt Euch hinter Londons Mauern, König, Hört auf mein Wort, zieht nicht in dieſen Kampf!

-

Harold.

Sprecht mir von Vorſicht nicht in dieſer Stunde, Rache heißt das Geſetz, dem ſie gehorcht!

Komm, Schickſal, blaſe Sturmwind und Verderben, Wirf Schiff und Mannſchaft in ein einzig Wrack; Du ſchreckſt nur den, der an den Ausgang denkt! Mir iſt der Augenblick allein Geſetz,

Und ſeine Loſung: kämpfen bis zum Tode!

Der König ruft, wer folgt?

Alle. Wir Alle! Alle!

Harold (ergreift die Streitaxt, die ihm ein Trabant reicht, und ſchwingt ſie über ſeinem Haupt). Und ſterben wir, ſo ſoll der Ocean Das Grablied donnern über unſerem Hügel Und rollend ſoll er durch Jahrhunderte Von Land zu Land die ſtolze Botſchaft tragen:

159

Harold.

Voran den König ging es in den Tod, Herrlich und hoch, das Volk der Angelſachſen! (ſtürmend nach dem Hintergrunde ab.) Ordgar. Voran den König; Heil ihm!

Alle.

Heil! Heill Heil! (Alle in ſtürmenden Tumult hinter Harold durch die Mitte ab.)

Der Vorhang fällt.

Ende des vierten Aktes.

140

a

|

f (Ein düſteres enges Gewölbe; Thüre links, eine ſchwere verriegelte Pforte in der Mitte.)

Fünfter Akt. Erſte Scene.

Erſter Auftritt. Seneſchall. Leonore. Seneſchall. Setzt Alles dran, daß die Prinzeß nicht herkommt;

Sagt ihr, und das iſt Wahrheit, daß der Herzog Jeglichen Eintritt zu dem Kind verbot.

Leonore.

Das Alles ward geſagt, doch blieb's vergeblich, Sie läßt nicht ab und will den Knaben ſeh'n.

Seneſchall. Es iſt ein kläglich jammervoller Anblick.

Sweiter Auftritt.

Adele, Alice (von links zu den Vorigen).

8 Adele. Du Böſe, warum hältſt Du mich zurück? Habt Ihr Euch Alle wider mich verſchworen?

141

Harold.

| Alice. O ſeht mich an; erkennt Ihr mich nicht mehr, Süße Prinzeſſin? Bin ich nicht Alice? Ach, keine Bosheit iſt's wenn ich Euch bitte, Kommt fort von dieſem ſchaudervollen Ort. Adele. Ein Ort des Schreckens ja und dies die Wohnung Für ein verlaßnes Kind. (zum Seneſchall) Ihr ſeid der Mann, | Der mir mein Kind zurückhält gebt es mir. | f Seneſchall. | Prinzeſſin, Euer Vater ſelbſt verbot mir

Adele. Ich habe größ'res Recht an dieſem Kinde Als es mein Vater hat gebt mir mein Kind. Dort, hinter dieſer Thür? nicht wahr, dort iſt es? O aus Barmherzigkeit, thut auf die Thür. (ſie ſinkt an der Mittel⸗Thür weinend nieder.) Seneſchall. Zum Kerker⸗Meiſter wurde ich beſtellt, Doch nicht zum Henker. Kommt, gebt Raum, ich öffne. (er riegelt die Mittelthür auf.)

Dritter Auftritt.

Wulfnoth (liegt auf einem Bett hinter der Thür).

Adele. O ſtill ſeid leiſe weckt ihn nicht, er ſchläft. Sonſt wenn er ſchlief, war ſeine holde Wange Roth wie die Roſe. Heute iſt ſie blaß. (tritt näher an Wulfnoth).

142

Fünfter Akt. >

Blaß blaß wie Schnee wie regungslos er liegt (ſie faßt Alice an der Hand)

Mein Auge nur trägt Schuld nicht wahr Alice?

Sonſt könnt' ich glauben ſiehſt Du wie er athmet?

Nicht wahr! Du ſiehſt es doch!

Seneſchall.

Kommt, kommt hinweg, Prinzeſſin laßt Euch bitten

Adele.

Dieſes Kind Ich glaube wirklich dieſes Kind iſt todt! Wulfnoth! (wirft ſich über das Bett). Seneſchall. O dies iſt ſchlimmer, als ich dachte. (Pauſe). Adele (richtet ſich auf wie geiſtesabweſend). Wer von Euch ſagte das? Alice. Was, theure Herrin? Was hörtet Ihr? Adele. Es ſagte Jemand, Harold Harold iſt todt. Leonore. Kein Einz'ger ſagte ſo. Adele. Harold iſt todt.

(ſie kommt langſam, in die leere Luft ſtarrend, nach vorn)

Oh dort ſeht das ſeht das

145

Harold.

Alice. Was ſeht Ihr dort?

Adele.

Ein weites breites Feld, Ringsum voll Todten und in ihrer Mitte Dort dort o dort weh mir, wer that ihm das?

Alice. Was? güt'ger Himmel, was?

Seneſchall. O, dieſer Geiſt Hält grauſenvollen Irrgang im Zukünftigen.

Adele. O wie entſtellt das theure Angeſicht Grad' in ſein Auge ſchoſſen ſie den Pfeil, Den ſchrecklichen, warum denn in dies Auge

In dies geliebte trauteſter Gemahl (ſie kniet nieder und macht eine Geberde, als ob Jemand am Boden vor ihr läge.)

| Leonore. Hinweg jetzt, mit Gewalt.

(Sie faſſen Adele unter den Armen.)

Adele.

Nein, laßt mich bei ihm, Reißt mich nicht fort! Seht Ihr den Reiter nicht, | Der dort herangeſprengt kommt? Halt halt auf Halt auf Dein Roß es tritt auf ihn o Himmel Schlag' Dein Viſier zurück, daß ich Dich kenne! Jeſus erbarme Dich, es iſt mein Vater! Zur Ruhe, Trauter, gieb zur Ruhe Dich, Adele kommt, Dich in den Schlaf zu wiegen Ich komme ich komme

(Verwandlung ohne Zwiſchenvorhang. Gewitterſturm.)

144

4 Fünfter Akt. >

Sweite Scene. (Das Schlachtfeld von Haſtings. Nacht. Den Mittelgrund der Bühne bildet eine hü⸗ elige Landſchaft, in deren Hintergrunde man das Meer ſieht; nach vorne zu fallen die Hügel in einzelnen ſchroffen Felſen ab, deren einer eine höhlenartige, dunkle Vertiefung

am Fuße zeigt; ein Felſenſteig leitet aus dem Mittelgrunde zum flachen Vordergrunde der Bühne herab.)

Erſter Auftritt.

Gytha, Stigand, der Abt van Hyde (kommen von links, ſchwarz vermummt. Der Abt und Stigand mit Fackeln).

Abt. N Schwarz wie das Schickſal Englands iſt die Nacht Kommt mit der Fackel, laßt uns ſuchen hier.

Stigand.

Ich fürchte ſehr, daß wir ihn nimmer finden Ein Pfeil zerriß ſein Auge.

Abt. Ja, ſo iſt's. Drei Spannen ragte ihm der Schaft vom Haupte Er aber riß ihn aus, zerknickte ihn Und kämpfte ſchäumend weiter.

Stigand.

| Seinen Leib Zerſtampften ſchmählich die Normänner-Roſſe.

Abt.

Ja wenn uns Unterſtützung kam aus London, Dann hatten wir die Schlacht; wohl dreimal wandt' er Das blutbeſtrömte Haupt nach London zu

Und Niemand kam.

145 10

Harold.

Gytha. Sie ließen ihren König Hülflos im Stich ſie werden es bereuen.

Abt (zeigt nach oben).

Dort muß es ſein hart an dem Rande droben Der Felſen ſtand der König in der Schlacht Und dort verſank mir ſein umlocktes Haupt.

Stigand au Gytha).

Wenn Ihr Euch ſtark fühlt, Gräfin, kommt hinauf.

(Stigand und der Abt betreten den Steig, der am Felſen emporführt, Gytha tritt plöß- lich auf die Vertiefung im Felſen zu, beugt ſich einen Augenblick zur Erde, drückt dann die Hände auf das Herz und bleibt in tödtlicher Erſtarrung ſtehen.)

Gytha. O wie er ſeinem todten Vater gleicht.

Abt (lüſternd zu Stigand). Seht dort hört das

Stigand. Sie fand den Sohn?

Abt. So ſcheint's. (Stigand, der Abt, kommen zurück, treten zu Gytha und laſſen das Licht ihrer Fackeln auf den in der Vertiefung des Felſen liegenden todten Harold fallen.) Gyt ha (niet zu Harold nieder).

Ich that Dir weh, weil Du mir weh gethan O Jammer, daß es war in letzter Stunde Du meines Schooßes Stolz mein Sohn mein Sohn

Stigand (cchluchzend).

Nimm dieſe letzten Thränen Deines Volks, Den einz'gen Schmuck, den es in ſeinem Elend, Geliebter König, Dir noch ſchenken kann.

146

Fünfter Akt, >

Hweiter Auftritt.

Wilhelm, Odo, Radulph, Montgomery (kommen auf dem obern Rande der - Felſen von rechts. Einige tragen Fackeln).

a Abt. Ich ſehe Fackeln, höre Menſchenſtimmen Hebt auf, wir tragen ihn hinweg (der Abt und Stigand legen Hand an Harold, um ihn fortzutragen.) Wilhelm (beugt ſich von oben über die Felſenwand). i Halt da! Wer iſt der Todte, den Ihr dort beſtattet? 5 Abt. Gott ſei uns gnädig der Normannen-Herzog! (ſie treten von dem Leichnam zurück.)

Wilhelm. Wer iſt's? Gytha erhebt ſich, tritt in den Vordergrund). Sieh ihn Dir an, wenn Du es wagſt.

Wilhelm. Sprach da ein Weib? Odo. Und eines Weibes Keckheit! Laßt mich doch ſeh'n (Odo und Radulph ſteigen den Pfad hinab, Odo reißt Gytha die Hülle vom Haupt.) Gytha. Nun, Odo, kennſt Du mich? Odo. Graf Godwins Weib! Gytha. Und Mutter ſeiner Söhne!

147 10 *

Harold.

Wilhelm (der unterdeſſen mit Montgomery gleichfalls heruntergeſtiegen ift). Laßt mich das Antlitz dieſes Todten ſeh'n Vorwärts die Fackeln! a Radulph geuchtet auf Harold). Gnäd'ger Herr, er iſt's!

Wilhelm.

Hab' ich Dich, Harold! An dem Strand des Meeres, Wo es am ödeſten, da ſcharrt ihn ein! Ein Frevel wär's an chriſtlichem Begräbniß Wenn es ihm würde Gräfin hebt Euch fort Harold bleibt hier.

Gytha.

Herzog, ich bitte Euch

Gebt meinen Sohn mir, und ich gehe hin, Stumm ſage nichts von alledem, Was ich Euch ſagen könnte

Odo.

Hört dies Weib!

Der Herzog ſoll ſie fürchten?

Gytha.

Lache nur! Dein Herr verſteht mich wohl. Wilhelm. Bei Gottes Glanz,

Treibt's nicht zu weit ich ſag' Euch, der We

Gytha. Wilhelm, ruf' Gott nicht wach mit Deinem mn! Es kommt die Stunde, ſchrecklicher als dieſe, Wo nichts Dein Heer Dir hilft und nichts Dein Sieg, Und nichts der Troſt, den Argliſt Dir erſann! Dann wird ſein Angeſicht Dir Gott verhüllen,

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. Fünfter Akt, >

Schwarz, ſchrecklich wie in dieſer grauſen Nacht, Auf einer Wage wird er dann Euch wägen, Robert und Dich und Harold meinen Sohn

Radulph. on Bee Prophetin.

Gytha. Und zuſammen Ihr, Ihr werdet leichter ſein! Robert und Wilhelm, Verderber und Zerſtörer meines Hauſes, Die Ihr in's ernſte Angeſicht des Todes Zu lügen wagt 1

Odo. Fürchtet den Zorn des Herzogs!

Gytha. Ach, Thor, Du haſt noch nicht wie ich geſtanden Bei zwei verlornen Söhnen; fürcht' er mich, Wenn Gott er fürchtet!

Wilhelm. | Solch ein raſend Weib Wagt mehr als zwanzig Männer. Geht Ihr nun? Gytha. | Nicht, eh' Du meinen Sohn mir giebſt ich ſchwör's! Wilhelm.

Und eh' nicht Gott ein ſichtbar Zeichen thut, Geb' ich den Sohn Dir nicht; ich ſchwör's!

Dritter Auftritt. Der Seneſchall (kommt den Steig herab zu den Vorigen). Wilhelm. Was bringt uns Der Seneſchall mit ſolcher düſtren Miene?

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Harold. Seneſchall. Mit düſtrer Miene düſt're Kunde, Herr. Wilhelm. Von wo kommt Eure Kunde?

Seneſchall.

| Aus Rouen: Adele Eure holde Tochter ſtarb.

Wilhelm cderpüllt fi) die Augen).

Todt! Dachte ſie noch ſterbend ihres Vaters?

Seneſchall.

Ein Name wohnte auf den bleichen Lippen, In tauſend Schmerzen tauſendfach genannt

Wilhelm. Der Name? Seneſchall. Herr Wilhelm. Der Name? Seneſchall. Harold. Wilhelm. Harold!

Gebt dieſer Frau den Leichnam ihres Sohnes. (Vorhang fällt.)

Ende.

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