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uche. a Heinrich und Heinrichs Geſchlecht.

Tragödie in zwei Abenden

von

Ernſt von Wildenbruch.

86 2 Fefe

0

Berlin, 1896.

Verlag von Freund & Jeckel. (Carl Freund.)

behalt ſich und ſeinen Erben oder Bestenaäifigen die Erlanbniß zur öffentlichen Aufführung und zum U zu era -

Den Bühnen gegenüber ma Auffedrungstecht durch Felix voc

Das Recht der Uebersetzung

Ado von der Nordmark,

SGraf Otto von Nordheim,

Erſter Abend. König Heinrich.

(In einem Vorſpiel „Rind Heinrich“ und vier Akten.)

ANKANNRNR

Perſonen des Morſpiels: Agnes, Gemahlin Kaifer Heinrichs III. von Deutſchland. Heinrich, ihr Sohn (zehn Jahre alt). Gräfin Adelheid von Piemont. Bertha, ihre Tochter in kindlichem Alter. Präredis in kindlichem Alter.

Ordulf, die Bill germann. ̃ ſächſiſche Große. Eckbert von Meißen,

Anno, Erzbiſchof von Köln.

NN

P7777

Hildebrand, Archidiakon von Rom. Hugo, Abt von Clugny. Rapoto, Bogenfpanner Kaifer Heinrichs III.

Perſonen des Stücks:

Agnes, Wittwe Kaifer Heinrichs III. von Deutſchland. Heinrich IV., ihr Sohn, deutſcher König.

Vertha, feine Gemahlin. Konrad, ſein kleiner Sohn (fünf Jahre alt).

Papſt Gregor.

Hugo, Abt von Clugny. Liemar, Biſchof von Bremen. Eppo, Biſchof von Heiz.

Benno, Biſchof von Osnabrück.

Wezel, Biſchof von Magdeburg.

Burkhardt, Biſchof vos Balberſtadt.

Graf Otto von Nordheim,

Hermann, der Billunge, ſächfſſch Meope Eckbert von Meißen, 5

Heinrich Sohn Udo's) von der Hordmark,

Rudolf von Schwaben, |

Welf von Bayern, deutſche Große.

Berthold von Rürnthen, |

Ulrich von Godesheim, Hermann von Gleisberg, Tambert, der Schultheiß |

Gozo, der Münzmeiſter von Worms. Gozzelin, der Söllner

Die le nd der Kaufleute, der Metzger, der Schmiede, der Schwertfeger, der Bäcker, der Müller, der Sattler, der Böttcher, der Fiſcher, der Zimmerleute von Worms.

Ephraim ben Jehuda, Züßkind von Orb, Ein Stadtknecht von Worms. Gottſchalk, Adalbert, Präredis, Gemahlin des Grafen Heinrich von der Nordmark. Der Präfekt von Rom. Graf Tencius von Rom. Gerbald, ein flandrifcher Ritter. Donadeus von Rom. Ein junger Kleriker von Rom. Der Hauptmann der Engelsburg.

Geiſtliche. Volk. Reiſige.

——ů—ů

Ritter des Königs.

Häupter der Judengemeinde von Worms.

Königsboten.

Ort des Dorſpiels: Goslar. Orte des Stücks: 1. Akt Worms. 2. Akt Rom und Worms. 5. Akt Die Burg Canoſſa. 4. Akt die Engelsburg in Rom.

Zum erſten Male aufgeführt am „Berliner Theater zu Berlin um 22. Zanuar 1896.

b en Boblar Ein Garten, nicht übermäßig reich, eher einfach 18 en und Fichtengebüſch gr Im Hintergrunde Stufen, i e Pfalz hinaufführen. Das Gebäude der e ſchließt den Hintergrund ab.)

Erſter Auftritt. n mit lang wallendem, grauem Haupt⸗ und Barthaar, ſitzt in der Mitte des Vordergrundes. Armbrüſte liegen

ebnen einſpannt. Einige Zeit arbeitet er ſtumm vor ſich b hin. Dann)

8 Stimme (wie vorhin).

| Ra po to. 5 beit weiter). S ti u ME (wie ER

Nee 2 po to Ben auf, nach links gewandt). Bullen Ochs! Was ſchreiſt? San ao daß ich alle | m thun habe? a Kt, Stimme (wie vorhin). ) 0 ſollſt Du fertig halten; der Kaiſer geht

König Heinrich. +

| Rapoto. Der Kaiſer? Auf die Jagd? Hieß doch heut Morgen, er ginge nicht auf die Jagd?

f Stimme (mie vorhin). Hat ſich geändert, Alles; gleich geht er; und Du ſollſt Dich beeilen!

Rapoto.

Sollſt Dich beeilen ſiehſt nicht, was ich zu thun habe mit den Armbrüſten hier? Umſpannen muß ich ſie, eine nach der anderen, alleſammt, weil die Jagdbuben hörnerne Arm⸗ brüſte aus der Kammer genommen haben. Im September! Weiß das Volk nicht, daß man im Herbſt ſtählernes Schieß⸗ zeug braucht? (er hat ſich wieder an feine Arbeit geſetzt.) Bin ich dazu auf die Welt gekommen, ein freigeborener Franke ich, daß ich ſächſiſche Dickſchädel zurechtrücke? Kaiſer, mächtiger Herr, vier Päpſte haſt Du gemacht, klug biſt Du wie König Salomo und ſtark wie Sankt Michael mit dem feurigen Schwert Aber eins verſtehe ich nicht, warum Du hier immer herkommſt, nach Goslar, in den ruppigen Harz? Haſt Du nicht Länder am Rhein und am Main? Wohnt ſich's nicht beſſer unter den freigeborenen Franken, als hier unter ſcheeläugigen Sachſen? Dein Thron ſteht ſo hoch die Adler ſiehſt Du zu Deinen Häupten die Maulwürfe ſiehſt Du nicht. (Er ſtampft mit dem Fuße auf den Boden.) Wer bin ich, daß ich zu Dir rede? Dein Bogenſpanner und bin Dir treu. Ich kenne die Keiler, die Wühler, die Roder, (chüttelt die Fauft) ich kenne die Sachſen, die

Knabenſtimme wests außerhalb der Scene). Rapoto ho! Rapoto he!

Rapoto (ſpringt wie elektriſirt auf, wendet ſich nach rechts, ſtreckt beide Arme aus). Das Königlein!

o

hr Zi r * Ag *

—VDVorſpiel.

Sweiter Auftritt. König Heinrich (ein Knabe von etwa zehn Jahren, kommt von rechts hereing elaufen;

gekleidet in weiß, mit rother und goldener Stickerei; das lange braune Haar von einem Goldreif zuſammengehalten; einen kleinen Speer in der Hand).

Heinrich.

Rapoto, ſoll ich Dir zeigen, wie ich ſchießen kann? (Eilt an die linte Couliſſe.) Siehſt hinter den zwei Tannen den Birkenbaum? Zwiſchen den Tannen hindurch in den Birkbaum will ich treffen (ſchleudert den Speer) da!

Rapoto (ver mit den Augen gefolgt ift).

Geſpalten der Birkbaum, mitten durch! Fäut wie in Extaſe vor dem Knaben auf die Kniee) Königlein, Sonne, Mond und Stern, was wollt Ihr, daß Rapoto für Euch thun ſoll? Wollt Ihr reiten auf mir? Soll ich Euer Pferd ſein?

Heinrich.

Immer nur ſpielen willſt Du mit mir auf die Jagd

will ich geh'n; dahin ſollſt Du mich mitnehmen! Rapoto.

Königlein, ging' es nach mir, Ihr ſolltet jagen vom Morgen bis in die Nacht. Aber ich darf Euch nicht mitnehmen. Heinrich (ftampft mit den Füßen).

Aber ich will! Ich will! Und Du ſollſt! Er greift dem Alten ins Haar und zerrt ihn.)

Rapoto. Chriſt und alle Helfer dazu wie Ihr einem alten Manne weh thut! Heinrich (läßt erſchreckt das Haar des Alten fahren). Hat es Dir weh gethan? Rapoto. Wie meint Ihr denn wenn man Jemanden ſo an den Haaren zauſt? Heinrich.

Ich ſchenk' Dir was, Rapoto (greift in das geſtickte Geld-

täſchchen, das er am Gürtel trägt) je nichts mehr drin!

3 12

. König Heinrich.

Rapoto (anterſucht mit ihm das leere Tüſchchen).

Wo iſt's denn geblieben?

Heinrich überlegt).

Wart' einmal ja vor der Pfalz vorhin, 155 blinde Männer

Rapoto.

Denen habt Ihr's gegeben? (gußt dem Knaben beide Hände.) Königlein, wenn Ihr mir die Haare ausriſſet alleſammt und den Bart dazu Euch wär' ich nicht böſe!

5 Heinrich (fäut dem Alten um den Hals). Rapoto, ich habe Dich lieb haſt Du mich auch lieb? Rapoto. Ja, Königlein, ich habe Euch lieb. Heinrich (in Gedanken). Rapoto hat mein Vater mich auch lieb? Rapoto. Ei! Ob Euer Vater Euch lieb hat! Heinrich.

Ja, mein Vater hat mich lieb. (pauſe.) Rapoto hat

meine Mutter mich auch lieb? |

| Rapoto.

Wie wird ſie Euch denn nicht lieb haben? Heinrich.

Aber ſo lieb wie der Vater nicht. Rapoto.

n denn nicht? Heinrich.

Der Vater, wenn er mich ſieht, lacht er und küßt mich. Die Mutter macht immer nur jo (er macht mit feierlich nachahmender Geberde das Zeichen des Kreuzes über Rapotos Stirn.)

Rapoto.

Sie ſegnet Euch mit dem heiligen Kreuz. Iſt das Bit gute 4

vorſpiel.—

\ Heinrich. Immer ſo ſtrenge iſt ſie. Rapoto nicht wahr, daß ich nicht mitgehen darf zur Jagd, die Mutter hat es verboten?

Rapoto. Wenn Ihr denn fragt ſie hat's verboten, ja. Heinrich (reißt ſich von dem Alten los, ſtampft mit den Füßen, droht mit geballten Fäuſten nach links).

Siehſt! Siehſt! Siehſt! Rapoto erhebt ſich). Königlein, um Gott, wem ballt Ihr die Fauſt? Eurer Mutter doch nicht? Heinrich (türzt ſich dem Alten an die Bruft). Rapoto, ich will's nimmer wieder thun ſag's Keinem wieder, Rapoto? Rapoto. Niemandem will ich's ſagen. Heinrich. Biſt wieder gut, Rapoto. Rapoto.

War Euch nimmer böſe. (Beide ſetzen ſich, der Knabe ſchmiegt ſich an den Alten.)

Heinrich. Du, Rapoto, hör', mach' noch einmal ſo wie vorhin; ſo komiſch ſah es aus.

Rapoto. Vorhin? Wie hab' ich denn vorhin gemacht?

Heinrich. So haft Du gemacht: «ex droht mit der Fauſh Ich kenne die Sachſen

—» König Heinrich.

Ä Rapoto. Iſt wahr, ſo hab' ich geſagt. Heinrich (drückt ſich lachend an den Alten). Sind denn die Sachſen Schweine? i Rapoto. Ob ſie Schweine ſind? l Heinrich. Weil Du vorhin geſagt haſt: ich kenne die Keiler, ich kenne die Sachſen. Rapoto (acht). Chriſt und alle Helfer dazu wie Ihr aufgepaßt habt. Heinrich. Aber Ohm Otto iſt kein Schwein? Rapoto. er Otto? Ihr meint den Nordheim?

Heinrich. Ohm Otto iſt doch auch ein Sachſe?

Rapoto.

Der einzige Gute von ihnen, denn die Anderen die (droht wieder mit der Fauſt.)

Heinrich (ſtickend vor Lachen). Siehſt, ſiehſt da machſt Du wieder wie vorhin. Rapoto. Ich mache wie vorhin, 's iſt wahr. Gebe Gott Euch, Königlein, wenn Ihr einſt Kaiſer ſein werdet, daß ſie Euch nicht weinen machen, die Sachſen!

Heinrich. Du, Rapoto, weiß denn mein Vater, daß fe jo ſchlimm RR

Rapoto. Er weiß es und hält fie unter eiſerner Fauſt

6

—. Dorfpiel.

Heinrich. Giebt's Menſchen, die eiſerne Hände haben?

Rapoto. Euer Vater hat welche. Darum fürchten ihn die Sachſen und haſſen ihn.

Heinrich Kährt auf). Wenn ſie meinen Vater haſſen, will ich ihnen die Köpf abhauen, wenn ich Kaiſer bin!

Rapoto. Wär' ſchon recht!

Heinrich. Werd' ich einmal Kaiſer ſein, Rapoto?

Rapoto. Werdet es ſein, Königlein, früher vielleicht, als Ihr meint. Will Euch was ſagen, was Niemand weiß: Euer Herr Vater it kränker, als Jemand denkt.

Heinrich (fährt auf).

Nein

Rapoto dbbeſchwichtigt ien).

Seid leiſe ſagt's Niemandem weiter, ich weiß was ich weiß. Geſtern iſt es geweſen man hat ihm Nachricht ge— bracht von den heidniſchen Wenden, daß eine Schlacht geweſen iſt zwiſchen den Wenden und dem Grafen Wilhelm von der Nordmark. Die Wenden, die gottloſen Heiden, haben den Sieg erlangt und Grafen Wilhelm erſchlagen im Kampf, und ſeinen Leib zerhauen, daß Niemand ihn hat wiederzuerkennen vermocht. Als man Eurem Herrn Vater die Nachricht gebracht hat ich habe dabei geſtanden, als es geſchah iſt er bleich geworden, wie ich ihn nimmer geſehn, und zuſammengebrochen wie ein Baum, den der Schläger fällt daß man ihn hat auffangen müſſen vor dem Sturz. Und heute früh hat es ge—

7

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König Heinrich.

heißen, er wolle zur Jagd, und dann plötzlich, er wolle nicht zur Jagd, und dann wieder, er wolle doch zur Jagd das iſt nimmer geſchehen, ſo lange ich denke, daß Euer Herr Vater ſeinen Willen geändert hat in einer Stunde dreimal (er faßt beide Hände des Knaben. Pauſe. Der Knabe drängt ſich zitternd an den Alten, dieſer ſtreichelt ihn.) Wie das zittert und bebt (Rapoto reckt ſich plötzlich auf, blickt nach rechts) Königlein, kommt fort! Die Männer, die dort kommen z iſt beſſer, wenn fie Euch nicht ſehen! Er rafft die Armbrüſte auf, zieht den Knaben nach dem Hintergrunde; dieſer folgt ihm einige Schritte, dann bleibt er ſtehen.)

Heinrich. Ich will aber nicht fortlaufen.

Rapoto (hinter ihm ſtehend, über ſeine Schulter ſprechend). Die Sachſenherzöge ſind's, die ſchlimmſten von Allen! Die Billungen, Ordulf und Hermann, ſein Bruder, wenn Ihr wüßtet, was für Menſchen es ſind. Heinrich (mit blaſſen, bebenden Lippen, glühenden Augen, die Arme über einander geſchlagen, ſtarrt nach rechts).

Was denn für welche?

Rapoto.

Die blinden Männer vor der Pfalz, denen Ihr Euer Geld geſpendet habt wißt Ihr, wo ſie herkommen? Aus dem Bremer Land, um dem Kaiſer ihre Noth zu klagen, weil der Ordulf ihnen die Augen hat ausſtechen laſſen, der blutige Hund!!

Heinrich (umklammert unwillkürlich mit beiden Händen den Arm des Alten).

Ausſtechen laſſen die Augen?!

Ra poto.

Darum ſag' ich, kommt fort! (er reißt den Knaben einige Schritte zurück.)

ng vorſpiel.

Heinrich (macht ſich von Neuem los). Aber ich will nicht fortlaufen.

(Heinrih und Rapoto hinter ihm bleiben im Hintergrunde e Heinrich ſetzt ſich und beſchäftigt ſich mit den Armbrüſten.)

Dritter Auftritt. Ordulf (der Billunge), Eckbert von Meißen (kommen von rechts). Ordulf. Was ich Euch ſage, nehmt's für gewiß und behalteb's für Euch: der Kaiſer⸗Bulle quiemt. Eckbert. Da er doch aber zur Jagd will? Ordulf.

Natürlich ſoll's Niemand merken. Die Wenden haben ihm an der Elbe einen Brei eingerührt, an dem er ſtickt und würgt.

Eckbert. Ein Hoſiannah den Heiden, wenn's wahr iſt. Ordulf.

Leiſe! noch lebt er; wenn er erfährt, was ich Euch erzählt

habe, nimmt er mich auf die Hörner.

Vierter Auftritt. Hermann (der Billunge, von rechts).

Eckbert (ihm entgegen). Haſt Du den Kölner geſprochen? War er bei dem Kaiſer?

Hermann. Er war bei ihm.

Ordulf. Nun und? Bleibt's bei der Jagd? | Hermann.

Es bleibt dabei, obſchon er jetzt in feiner Kammer ſitzt, bleich wie ein Tuch.

—. Hönig Heinrich.

| Drdulf. Wer iſt bei ihm? | Hermann.

Hugo der Abt und Hildebrand, denk' ich.

Eckbert (blick nach rechts). Hildebrand iſt ſchon herausgekommen.

Hermann.

Alſo Hildebrand nicht mehr. Otto von Nordheim ſcheint noch bei ihm zu ſein. | Ordulf (eckt beide Arme). Freunde, Brüder wenn man dächte

Hermann (packt ihn an der Hand).

Ordulf! (Mit einem Blick in den Hintergrund) Da iſt ja der Junge! : Ordulf (äßt die Arme finten). Daß ihn der Donner ich hab' ihn nicht geſeh'n! Hermann.

Ich ſah ihn auch nur eben jetzt.

(Sie ſtecken verlegen die Köpfe zuſammen.)

Eckbert. Ob er uns gehört hat? Ordulf mit einem halben Blick nach Heinrich).

Bah zu weit ab und ſpielt ja mit den Armbrüſten.

Hermann (ebenſo).

Hat aber ſcharfe Ohren.

| Ordulf.

Was ſchiert mich der Bube! Ich hab' Euch etwas zu ſagen, was keinen Aufſchub duldet. (er tritt näher mit den beiden Anderen zuſammen.) Ihr habt gehört, es kann ſein, daß wir den Kaiſer los werden. Das iſt gut, aber nicht genug. Er hat einen Sohn. Wir müſſen ſorgen, daß uns der Bube nicht über den Hals wächſt. Der Vater, denk' ich, hat uns genug geſchunden.

10

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Doripiel.

Eckbert. Wahrhaftig. Ordulf. Darum wär' ſchon das Einfachſte, wenn man ihn (er macht mit der Hand das Zeichen des Halsabſchneidens.) ni Hermann. Das macht zuviel Aufjehen.

Ordulf agacht in ſich hinein). Darum ſag' ich ja auch nichts. Aber ein Bulle darf nicht

wieder aufkommen im Reich, der uns zertrampelt und zertritt.

Eckbert. Alſo Ordulf. Alſo was macht man mit einem Bullenkalb, aus dem kein Bulle werden ſoll? N Hermann. Man verſchneidet es. Ordulf. Da haſt Du's. Eckbert. Ja aber Ordulf. Ja aber ja aber König iſt er nun einmal; wir ſelbſt haben ihm gehuldigt zu Aachen, ungern genug, aber der ſchwarze Heinrich quetſchte uns die Huldigung aus dem Leibe

muß er denn alſo Kaiſer werden ſo woll'n wir uns

aus dem Buben einen Kaiſer züchten, wie wir ihn wollen und wie er uns nach der Pfeife tanzt.

Hermann. Wer ſoll ihm das beibringen? | Ordulf. Das ſoll Anno beſorgen, der Erzbiſchof. 11

> König Heinrich. *-

Eckbert.

Habt Ihr mit ihm geſprochen?

Ordulf.

Hab' ich, und Anno iſt unſer Mann. Sobald der Alte

die Augen zumacht, ſchmeißen wir ihm den Buben in die

Hände, und er nimmt ihn mit ſich nach Köln. (hauſe.) Seid Ihr dabei?

Eckbert.

Iſt Otto von Nordheim dabei?

Ordulf.

Weiß ich nicht warum? Eckbert.

Wenn Otto von Nordheim nicht dabei iſt, thu' ich nicht mit. Ordulf.

Warum, zum Donner? Eckbert.

Ohne ihn hat die Sache kein richtiges Anſeh'n im Reich. Ordulf.

Ach Papperlappapp! Hermann Kaßt Ordulf an der Hand). Nicht ſo laut! Wir können ja mit dem Nordheimer ſprechen. Heinrich (plötzlich laut nach rechts rufend). Ohm Otto! Ohm Otto! Hermann Fährt herum). Was Teufel iſt das?

Fünfter Auftritt.

Otto von Nordheim (kommt von rechts. Rapoto rafft die Armbrüfte auf und geht nach dem Hintergrunde ab).

Heinrich (auft ihm entgegen, fliegt ihm an die Brust). Ohm Otto, gehſt Du mit dem Vater auf die Jagd?

12

Vorſpiel.—

Otto von Nordheim (hat den Knaben freundlich begrüßt und ſtreichelt ſein Haupt).

Junger König, ich weiß noch nicht, ob Euer Herr Vater zur Jagd gehen wird. Eckbert. Seht doch, wie das ſich begrüßt. Ordulf. Fehlt nur noch, daß er den Bengel abküßt. Heinrich (das Schwert anſtaunend, das Otto von Nordheim trägt). Ohm Otto, was haſt Du für ein Schwert an Deinem Gürtel? Otto von Nordheim. So eins habt Ihr noch niemals geſehen, junger König? Nicht wahr? Heinrich. Niemals. Otto von Nordheim (nimmt das Schwert aus dem Gehenfe). Dieſes Schwert, ſeht Ihr, hat ein großer Held vor Zeiten geführt. König Etzel hat es gehört, dem Hunnenkönige, der ſchier die ganze Welt erobert hat. Von König Salomo von Ungarn ward es mir geſchenkt.

Heinrich (hält das Schwert in Händen).

Darf ich's ausziehen, Ohm Otto?

. Otto von Nordheim. Thut's immerhin.

Heinrich (zieht das Schwert aus der Scheide). O ſieh

Eckbert gu den beiden Anderen). Giebt ihm ſein eigenes Schwert in die Hand ſcheint ja eine dicke Freundſchaft zu ſein zwiſchen den Beiden. Hermann.

Laß gut ſein, den Nordheim muß man kennen; er iſt wie

13

—+ König Heinrich.

ein Bär. Der Kaiſer hat ihn das Tanzen gelehrt, in Wahrheit

aber iſt er wild. (Inzwiſchen hat der Knabe Heinrich mit der blanken Klinge umhergefuchtelt.) Otto von Nordheim Gu Heinrich. Gefällt's Euch jo gut, junger König, jo will ich Euch etwas ſagen: die Zeit iſt nicht fern, da man Euch den Schwert⸗ gurt umlegen wird; an dem Tage will ich das Schwert Euch ſchenken. Heinrich (jänt Otto von Nordheim ſtürmiſch an die Bruſh. Ohm Otto, ich habe Dich lieb! Ordulf. Jetzt wird's mir zu arg. Hermann Ju drdulß).

Sei vernünftig. i

Ordulf

(wendet ſich zu Nordheim; man hört und ſieht ihm die mühſam unterdrückte Wuth an).

Otto von Nordheim daß ich's geſtehe was Ihr dem ö

jungen Herrn da anbietet, macht's Euch nicht ein wenig beſorgt? 5

(Heinrich ſtarrt Ordulf mit weit aufgeriſſenen Augen an).

Otto von Nordheim. Warum ſoll's mich beſorgt machen? Ordulf. Eines gottloſen Heiden Schwert Otto von Nordheim. König Salomo, der es getragen, iſt ein Chriſt, ſo gut wie ich und Ihr. | Ordulf. Aber der Ungar iſt kein Deutſcher! Otto von Nordheim. Wieſo? Ordulf. Wieſo da er doch einmal deutſcher König werden ſoll der junge Herr

14

FE * 7

. Vorſpiel. +

Heinrich (faßt krampfhaft mit einer Hand nach Otto von Nordheims Hand). Ohm Otto warum ſagt der Mann, daß ich König werden ſoll? Ich bin doch ein König, Ohm Otto? Otto von Nordheim. Ihr ſeid es, junger König, und der Mann dort weiß es wohl. | Ordulf (ſieht dem Knaben mit böſem, brutalem Grinſen ins Geſicht). Spießt mich nur nicht gleich auf mit Eurem gro ßmächtigen Schwert, ich fürcht' mich beinah vor Euch. Heinrich. Ich ich hab' auch ein Schwert. Ordulf. Und was für eins. Otto von Nordheim cnahnend). Ordulf Ordulf. Da könnt Ihr's hören, junger Herr König daß ich Ordulf heiße. Heinrich (weicht unwillkürlich einen Schritt zurück, drängt ſich an Nordheim). Ohm Otto das iſt der Ordulf? Ordulf. Der Ordulf was iſt denn alſo mit dem Ordulf? Heinrich (mit weit aufgeriſſenen Augen, zeigt mit dem Finger auf Orbulf). Der Menſchen die Augen ausſticht? Or dulf (äget in brutaler Wuth auf). Daß Dich der Donner und der Schlag

Otto von Nordheim. Ordulf

Heinrich ghreiend). Ohm Otto draußen vor der Pfalz ſitzen lauter blinde Männer. Denen hat Ordulf die Augen ausſtechen laſſen!

15

Hönig Heinrich. +

| Ordulf. Die Kröte! Die die (er macht Miene, als wollte er ſich auf den Knaben ſtürzen). Heinrich

(packt den Schwertgriff mit beiden Händen, richtet die Spitze auf Ordulf). N ſteche Dich, wenn Du mir etwas thuft! Ordulf. Thu' dem Buben das Schwert aus der Hand, Nordheim! (Hermann und Eckbert treten heran.) Hermann. Iſt es erhört, Nordheim, daß Ihr das zulaßt? | Eckbert. Daß der Knabe uns mit offenem Schwerte droht?

Otto von Nordheim Merfugt, Heinrich zu beſchwichtigen).

Gebt Ruhe, junger König

Heinrich (zu Ordulf, immer noch das Schwert auf ihn gerichtet).

Aber ich fürchte mich nicht vor Dir, Du Du böſer Mann!

Sechſter Auftritt.

Kaiſerin Agnes, hinter ihr Gräfin Adelheid von Piemont, welche ihr Töchter⸗ chen Bertha an der Hand führt, hinter dieſen, von einer Dame des Hofes geführt, Präxedis, ein Mädchen im Alter Heinrichs (kommen von rechts).

Agnes (bleibt beim Anblick ihres Sohnes erſchrocken rechts an der Couliſſe ſtehen, ruft laut). Heinrich! Heinrich

(wendet ſcheu den Kopf nach rechts, indem er die Mutter erblickt, ſenkt er langſam das Schwert).

Agnes.

Heinrich, wie kommſt Du zu dem Schwert? Heinrich. Ohm Otto Hat es mir gegeben.

16

W

Vorſpiel.

Agnes. Und Du gebrauchſt es, um Menſchen damit zu bedrohen? ah das Schwert zurück. Heinrich (ſenkt trotzig das Haupt). Agnes (geht einige Schritte auf ihn zu). Verſtockter Knabe, hörſt Du mich nicht? . Heinrich (ſteht wie vorhin, ohne ſich zu rühren).

| | Siebenter Auftritt.

Erzbiſchof Anno, Hildebrand, der Archidiakon (kommen von rechts und bleiben an der Couliſſe itehen). Diener (bringen Seſſel, die ſie den Frauen aufſtellen).

Agnes. Graf von Nordheim, nehmt Euer Schwert, bitt' ich, an uch

Otto von Nordheim

(tritt zu dem Knaben, ſtreicht ihm lächelnd über das Haar und nimmt ihm das Schwert ab).

Nur nicht ſo verzweifelt; wenn Ihr größer ſeid, werdet Ihr Schwerter führen. Agnes. Sagt mir nur, was hier geſchehen iſt? Ordulf (mit plumpem Lachen). Denke, Ihr habt's geſehen, erlauchte Frau; Euer Söhnlein wollte König Etzels Schwert an mir erproben.

Agnes blickt kopfſchüttelnd auf den Knaben).

O Kind welchen Kummer bereiteſt Du mir! (Sie ſetzt ſich auf einen Stuhl, etwas nach vorn). Vergebt ihm, Herzog Ordulf, ich bitte darum. (gu Heinrich) Und Du, geh' hin zu dem Herzog, reich' ihm die Hand und bitte, daß er Dir verzeiht.

3 Heinrich (wirft den Kopf empor, ohne Ordulf anzuſehen, tritt einen halben Schritt auf ihn

zu, ſtreckt die Hand zögernd aus, dann läßt er die Hand wieder ſinken und tritt kopfſchüttelnd zurück).

Agnes. Nun thuſt Du's?

Heinrich. 17

tz

+ König Heinrich.

| Heinrich. Ich kann nicht. . Agnes. Du kannſt nicht? Heinrich. Ich will nicht. f Agnes.

Heinrich

Hein (ſtampft mit den Füßen auf).

Nein! Nein! Nein!

Agnes.

Ruchloſer Knabe!

Heinrich (vrüdt beide Hände an die Schläfen).

Mutter, ſag' nicht, daß ich ruchlos bin!

Agnes (wendet ſich zu Anno und Hildebrand).

Ihr heiligen Männer Gottes, kommt heran, ich bitte darum, ſagt dieſem gottvergeſſenen Kinde, welche Strafen im Jenſeits derer warten, die Menſchen nach dem Leben ſtehen und ſich im Trotze auflehnen wider ihre Eltern!

Heinrich.

Ich bin nicht gottvergeſſen! (er ſtürzt in Verzweiflung, mit aus⸗ gebreiteten Armen auf die Mutter zu, umfängt ſie krampfhaft.) Mutter, e ſei gut zu mir! Mutter, ſei gut!

Agnes (macht ſich von dem Knaben los).

Geh' hinweg von mir, Du ſchlimmes Kind.

Heinrich

e ſich in Derzweiflung Otto von Nordheim in die Arme). Ohm Otto hilf mir Du! Otto von Nordheim. Ich meine, Herzog Ordulf, es wäre am beſten, wenn Ihr jetzt ginget. Ordulf. Meint Ihr, Herr Graf von Nordheim?

18

» Dorfpiel.

Otto von Nordheim. Ihr ſeht, wie aufgeregt der Knabe iſt.

Ordulf. Ich bin es nicht geweſen, der ihm das Schwert zum Spielzeug in die Hände gab.

Hermann. Natürlich, aber nun iſt's genug. (Seife zu Ordulf) Komm fort; was willſt Du noch mehr? f b Ordulf

steht noch einen Augenblick in finſteren Gedanken, dann wirft er den Kopf auf). Alſo gehn wir.

(Ordulf, Hermann, Eckbert 1 se gegen die Kaiſerin, gehen dann nach h inks ab.)

Agnes. Graf Otto, nehmt Euch meines Sohnes nicht an wider N ſeine Mutter. (Otto von Nordheim entfernt den Knaben von ſich. Agnes tritt in plötzlicher leidenſchaftlicher Aufwallung auf Heinrich zu) O Du Qual meiner Tage Heinrich (hebt beide Hände gegen fie empor). Ich habe kein Unrecht gethan! Mutter, ſchlage mich nicht!

(Mutter und Kind ſtehen ſich einen Augenblick lautlos gegenüber, dann läßt Heinrich die Hände ſinken und bricht in Thränen aus. Pauſe.)

Die kleine Bertha (kommt aus dem Hintergrunde zu Heinrich heran, legt ihren Arm um ſeinen Hals). Armer Heinrich weine nicht. H einrich (wendet das Haupt zu ihr). Wer biſt denn Du? Ade [ h eid (tritt heran). Kennſt Du ſie nicht? Deine Muhme Bertha? Die einſt— mals Deine Frau werden wird? Bertha (hat ihr Tüchlein aus der Taſche gezogen, trocknet ihm die Augen). Komm, ich trockne Dir die Augen.

10 | 2

—. König Heinrich.

Heinrich (cchiebt ihre Hand zurüch).

Aber ich brauche ihr Tuch nicht ich weine ſchon nicht mehr.

Agnes (nimmt Bertha an der Hand).

Laß ihn, Du gutes Kind; er kann nicht weinen, nur Andere weinen machen. (Sie führt Bertha zu Adelheid zurück) Baſe Adelheid, Gott hat ungerecht zwiſchen uns getheilt; Ihr habt ein frommes Kind. |

Adelheid.

Baſe Kaijerin, zu Kindern muß man ſich herniederbeugen 5

ſeid Ihr gewiß, daß Ihr es thut?

Agnes. Tag und Nacht beug' ich mich vor Gott in Gebeten für ihn. (Inzwiſchen ſind Anno und Hildebrand herangetreten). Heinrich be⸗

grüße die heiligen Herren. Heinrich (geht zu Anno). Ich grüße Dich, Herr Anno von Köln. Agnes. Erzbiſchof Anno, reicht ihm, bitte, die Hand, daß er ſie Euch küßt. Heinrich, küß dem Erzbiſchof die Hand. Heinrich (beugt ſich auf Annos Hand). Anno (macht das Zeichen des Kreuzes über Heinrich). Frieden mit Eurer Seele, junger König; mich deucht, Ihr habt den Frieden nöthig. Agnes. Heinrich, geh' zu dem Geſandten des heiligen Papſt, grüß' ihn und küß ihm die Hand. Heinrich (ritt zu Hildebrand). Ich grüße Dich fremder Mann. Hildebrand keit ihm die Hand). Küßt mir nicht die Hand, ſonſt kann ich Euer Geſicht nicht ſehen. (Heinrich ſtarrt ihn an.) Warum blickt Ihr ſo auf mich?

20

, N E, ° .

. Vorſpiel.

Heinrich. Du ſiehſt anders aus, als alle Menſchen. Hildebrand.

Ihr thut recht, daß Ihr mich anſeht, damit Ihr er. nicht vergeht. Ich glaube, wir werden uns manchmal im Leben wiederſeh'n. (Pause.) Einen Stirnreif tragt Ihr im Haar ein König ſeid Ihr?

Heinrich.

Ja, ich bin ein König.

Hildebrand.

Und wißt Ihr auch ſchon, was die Pflicht der Könige auf

Erden iſt?

Heinrich. Ja, das weiß ich. Hildebrand. Alſo? Heinrich.

Arme Menſchen zu ſchützen, damit ihnen böſe Männer nicht die Augen ausſtechen. Hildebrand. Seht das iſt königlich gedacht. Aber, wer den Königen die Kraft verleiht zu ihrem Amte, wißt Ihr das auch?

Heinrich (nad einigem Nachdenken). Könige ſind ſtark von ſelbſt. Hildebrand. Müſſen Könige nicht Gott fürchten? Heinrich. Könige dürfen Niemand fürchten. Hildebrand. Keinen Menſchen aber fürchtet Ihr nicht Gott? Heinrich. Nein.

(Erſchreckte Bewegung unter allen Anweſenden.)

21

König Heinrich.

Agnes (entſetzt aufſchreiend). Heinrich! | Heinrich

(wirft einen ſcheuen Blick auf die Mutter, wendet ſich an Hildebrand). Hab' ich eine Sünde gethan? ö Agnes. Ob Du eine Sünde gethan haſt? Biſt Du nicht gelehrt worden, Gott zu fürchten?

H e inri ch (zu Hildebrand).

Ich liebe ihn ja warum ſoll ich mich denn vor ihm fürchten? | Hildebrand (legt die Hand auf des Knaben Haupt).

Junger König, das Leben iſt lang ich glaube, Ihr werdet viel lernen müſſen im Leben.

(Heinrich geht in den Hintergrund, wo Adelheid ſich ſeiner annimmt und zu ihm ſpricht.)

5 Anno daut und hart).

Ernſthafte Zucht. Strenge, ernſthafte Zucht.

Agnes (ſinkt in den Stuhl, die Hände im Schooße faltend). 5

Rechnet es mir nicht an! Archidiakon, der Ihr von Rom

kommt, von der Quelle ewiger Wahrheit, ob es Seelen geben mag, vorherbeſtimmt zu ewiger Verdammniß? Hildebrand (iteht neben ihr).

Eure Frage iſt Läſterung wider Gott, der ſeinen Sohn

uns Allen zur Erlöſung ſterben ließ. Agnes. Wenn Ihr wüßtet, wie Euer Zorn mir wohlthut. Hildebrand.

Nicht um Euch wohlzuthun bin ich hier, ſondern um Euch zu wecken. Ihr ſorgt Euch um den Knaben und Ihr mögt alle Urſach' haben aber es iſt Euer Kind, und er iſt nicht ſchlimmer als Ihr.

22

n n ee a 3

Dorfpiel.

Agnes. Wir ſind Sünder alleſammt, ich weiß es wohl. Hildebrand.

Der Knabe er könnte gut werden, wenn er nicht eines Kaiſers Sohn wäre! Aber von Euch, Ihr Gekrönten, hat er ihn geerbt, den hochfahrenden Sinn und die Gewaltthat in der zuckenden Hand! Mit Euren Lehren wollt Ihr ihn ändern Lehren ſind Worte, und Worte ändern kein Blut! Aendert Euch ſelbſt!

Agnes (mit ringender Bruſt). Und ſind alle Gekrönten dem Verderben reif? Hildebrand agächelnd). Ihr möchtet hören, daß ich Euren Gatten ausnehme. Agnes (faßt im Schrecken mit beiden Händen nach Hildebrands Hand).

Sagt mir, daß es von ihm nicht gilt, was Ihr von ihnen

geſagt!

Hildebrand. Und es gilt dennoch von ihm. | Agnes. - Nein! Hildebrand.

Ja! Dieſer Euer Gatte und Herr, Euer Kaiſer Heinrich, iſt ein Gewaltthäter wider Gott und Gottes Hand iſt über ihm.

Agnes. Iſt über ihm? Hildebrand. | Denn Gott hat ihn geſehen, wie er mit klirrenden Heeren über die Alpen gezogen iſt, viermal, bis hinunter nach Rom, wie er hineingegriffen hat mit weltlicher Fauſt in die Werkſtatt des ewigen Geiſtes, Päpſte entthront und Päpſte eingeſetzt hat viermal, was ihm nicht zuſtand, was

23

—» Hönig Heinrich. *—

Keinem zuſteht, der nur den Leibern gebietet, nicht aber den Seelen, und was nicht mehr geſchehen ſoll, nie mehr! Weil die Zeit gekommen iſt, wo die Fauſt ſich beugen ſoll vor dem Kopfe, und der Geiſt triumphiren über das Fleiſch!

Achter Auftritt.

Rapoto (kommt von rechts).

Hildebrand (zu Agnes). Es kommt Nachricht von Eurem Gemahl.

Agnes (wendet ſich zu Rapoto). Kommſt Du vom Kaiſer? Rapoto. Der Kaiſer läßt fragen, ob Graf Otto von Nordheim mit⸗ reiten will zur Jagd.

Otto von Nordheim.

Ich komme. (Er will nach rechts abgehen; Heinrich läuft ihm nach, hängt

ſich an ihn.) Heinrich. Ohm Otto, nimm mich mit! Otto von Nordheim. Junger König ich weiß nicht (blickt lächelnd zur Kaiſerin

hinüber.) Heinrich (ſtürzt von Nordheim zur Mutter, kniet nieder, umfängt ihre Kniee). Mutter, laß mich mitgehen zur Jagd! Mutter, bitte, bitte, bitte! Agnes. Nein. Heinrich. Mutter, dies eine einzige Mal! Nie wieder will ich bitten! Agnes (ungeduldig abwehrend). Ich habe Dir geſagt, nein. Graf von Nordheim, der Kaiſer wartet.

24

Dorfpiel.

Otto von Nordheim. e Ein andermal, junger König. (Geht rechts ab, Rapoto folgt ihm.) Heinrich (preßt beide Fäuſte in die Augen).

Ach! Ach! Ach! Agnes.

Baſe Adelheid, führt Euer Töchterchen, bitte ich, zu mir. (Adelheid kommt mit Bertha nach vorn.) Und Du, Heinrich, komm her, ſprich zu Bertha, ſpiele mit ihr.

Heinrich.

Ich kann nicht mit Mädchen ſprechen! Ich will nicht mit Mädchen ſpielen.

Adelheid (geht zu Heinrich, beugt ſich lächelnd zu ihm).

Ei, ei, kleiner Herr? Ein König ſeid Ihr? Könige ſind artig gegen Frauen.

Heinrich.

Iſt das wahr?

Adelheid (auflachend).

Gewiß iſt das wahr.

N Hein rich (nach ſchwerem innerem Kampfe).

Dann alſo will ich (er geht zögernd zu Bertha und ſtreckt ihr die Hand hin) Da.

Adelheid qu Bertha, die unſchlüſſig fteht).

Nun, Töchterchen Heinrich giebt Dir die Hand, giebſt Du ſie ihm nicht wieder?

Bertha (drängt ſich an Adelheid).

Heinrich iſt nicht gut zu mir.

Agnes.

Heinrich, hörſt Du das?

f Heinrich (geht zu Bertha, ergreift ihre Hand).

Alſo komm her.

(Beide Kinder ſtehen nebeneinander ganz vorn.)

25

> Hönig Heinrich. *—

Heinrich. Du ſollſt meine Frau werden? Agnes. Sie iſt Dir anverlobt vor Gott, als Deine Braut. Es iſt Deine Pflicht, ſie zu lieben.

Heinrich

(ſieht ſich 7 um, ſeine Blicke haften an Präredis, die im Hintergrunde ſteht). Aber die Andere gefällt mir beſſer. Agnes (fährt mit dem Kopfe herum). Die Andere? Von wem ſpricht er?

Anno (führt Präxedis nach vorn). Vermuthlich wohl von dieſer hier. Agnes. Diefe (Praxedis iſt zu ihr gegangen und vor ihr niedergekniet.) Anno. Die Tochter Miſtevoi's des Obotriten.

Agnes (fährt voll Abſcheu zurück).

Eine Heidin!

Präxedis (slidt ihr dreiſt ins Geſicht). | Präxedis iſt keine Heidin, Präxedis iſt eine Chriſtin. Agnes.

Eine Wendin.

Anno.

Graf Wilhelm von der Nordmark, der ſeiner Zeit ihren Vater im Kampfe fällte, hat ſie gefangen und zum Chriſten⸗ thum gebracht. |

Heinrich ritt hinter Pra edis, ſtreicht ihr über das Haar).

Die gefällt mir.

Präxedis (wendet das Haupt nach ihm, ſieht ihn lachend an, dann ſpringt fie auf). Du gefällſt mir auch. (Sie reicht ihm beide Hände.)

26

—» Vorſpiel.

Agnes. Laß die Hand des Wendenmädchens los! (Heinrich; gehorcht

zögernd.) Komm her, Bertha, daß ich Dich ſegne.

(Bertha geht zu Agnes, dieſe macht das Kreuz über ſie. Während Agnes ſich mit Br beſchäftigt, iſt Heinrich mit Präxedis nach vorn getreten.)

i Heinrich (eise). Du kannſt Du reiten und ſchießen? Präxedis Kebenſoh. Ja, ich kann reiten und ſchießen. Heinrich. | Möcht'ſt Du mit mir auf die Jagd reiten? Präxedis. Ja, ich möcht' mit Dir auf die Jagd reiten. N Die anderen Damen ſind zu Agnes und Bertha herangetreten.) Heinrich (wie vorhin). Du biſt Du auch ſchon verlobt?

Präxedis. Ich weiß nicht, aber ich glaube. Heinrich. Du weißt Du einmal werde ich ein Kaiſer fein;

möchteſt Du auch eine Kaiſerin ſein? Präxedis.

Ja, eine Kaiſerin möcht' ich wohl ſein. Heinrich.

Alſo weißt Du wenn ich einmal Kaiſer bin, ſollſt Du meine Frau werden. Präxedis. Aber Du haſt ja ſchon eine Frau? Heinrich. Ja aber die weint immer das iſt ſo langweilig kannſt Du weinen? | PBräredis. Weinen? Nein.

27

+ König Heinrich.

Neunter Auftritt. Abt Hugo von Clugny (kommt von rechts).

Hugo. Kaiſerin erlauchte Frau! (Ales wendet die Köpfe zu Hugo hin.) Nicht daß ich Euch erſchrecken möchte indeſſen ich glaubte, Euch ſagen zu ſollen

ee Agnes. Was bringt Ihr? 5 Hugo.

Graf Otto von Nordheim, der mit dem Kaiſer zur Jagd geritten war, kommt mit verhängten Zügeln zur Pfalz zurück geſprengt.

Agnes (äprt vom Sitze auf).

Ohne den Kaiſer?

Hugo. Ohne den Kaiſer.

Agnes. Was bedeutet das?

(Rechts hinter den Coulifjen entſteht ein dumpfes, aus der Ferne heranſchwellendes Gemurmel von Stimmen, ein Geräuſch von hin und her eilenden Schritten.)

Sehnter Auftritt.

Ordulf, Hermann, Eckbert von Meißen, Udo von der Nordmark, andere ſächſiſche Edle (kommen von links, bleiben an der Couliſſe, aufgeregt untereinander flüſternd, ſtehen).

Agn es (mit irren, entſetzten Augen umherblickend). Dieſe Männer dieſe Stimmen dieſer jagenden Schritte dumpfer Schall wo bleibt der Graf von Nordheim?

Hugo (bliet nach rechts hinaus). Eben ſpringt er aus dem Sattel.

28

Dorjpiel. —.

Elfter Auftritt. Otto von Nordheim (ohne Kopfbedeckung, mit allen Zeichen tiefſter Erſchütterung, kommt von rechts; hinter ihm drängt ein Haufe von Palaſtdienern, Männern

und Frauen, von Edelleuten und Geiſtlichen herein, ſo daß ſich die Bühne bis in den Hintergrund füllt).

Otto von Nordheim

(geht auf die Kaiſerin zu, ſinkt vor ihr in Knie, ergreift ihre Hand, beugt ſich darauf).

Kaiſerin allmächtiger Gott!

Agnes. g Wo habt Ihr meinen Gatten gelaſſen, Euren Herrn? Otto von Nordheim (erhebt das Haupt zu ihr, flüſtert). In den Händen deſſen, aus deſſen Händen er kam.

Ord ulf (ſagt laut und hart). Der Kaiſer iſt todt.

Agnes. Helft mir! (Sie wankt, hält ſich am Stuhle aufrecht, Adelheid eilt herzu und ſtützt ſie.) Heinrich

(mitten auf der Bühne ſtehend, greift ſich mit beiden Händen ins Haar).

Mein Vater! (Will nach rechts ab.)

Otto von Nordheim chätt ihn zurück).

Junger König

Heinrich. Laß mich zu meinem Vater! N Otto von Nordheim.

Er iſt nicht hier, draußen liegt er im Wald, wo er an meiner Seite vom Pferde fiel, jählings, wie vom Donner Gottes erſchlagen.

N Agnes (bedeckt das Geſicht mit beiden Händen, ſinkt in den Stuhl). Gottes Hand war über ihm! Gottes Hand hat ihn er—

ſchlagen!

—. König Heinrich.

| Heinrich. Zu meinem Vater ſollt Ihr mich laſſen

Anno (faßt ihn an der Hand). Hier iſt Eure Mutter, bei Eurer Mutter iſt Euer Platz!

Heinrich (zerrt die Mutter am Gewande). Alſo komm, Mutter! Mutter, komm! Agnes (ohne auf Heinrich zu achten, blickt um und greift mit beiden Händen nach Hildebrand). Geht nicht von mir! Verlaßt mich nicht! Meine Seele erliegt, wenn Ihr mich verlaßt! |

Hildebrand (Hält ihre Hände in feinen Händen). ; Ich werde Euch nicht verlaſſen und Ihr werdet nicht erliegen. | | Heinrich (zerrt Agnes am Gewande). Mutter, ſo komm! Mutter, Mutter, komm!

Anno (reißt den Knaben von der Mutter los).

Seid nicht ſo ungeberdig wider Eure Mutter.

Heinrich.

Sie hat mir verboten, zu meinem Vater zu gehen, als er noch lebte, jetzt iſt er todt, und ſie ſoll mich zu meinem todten Vater führen!

| Ordulf (bricht plötzlich von links herüber nach vorn, packt den Knaben an der Schulter).

Nichts habt Ihr zu wollen mehr! Jetzt iſt die Zeit ge⸗ kommen, da Ihr gehorcht! (er wirft das Haupt herum) Im Namen aller freien Sachſen Ihr habt es mitangeſehen, wie dieſer Bube hier das Schwert gezückt hat wider freigeborene Männer! Seid Ihr einverſtanden, daß zum Heile ſeiner ſelbſt und zum Wohle aller Chriſten dieſer trotzige Bube gezügelt werde und gebändigt in kirchlicher Zucht?

Eckbert. f

Einverſtanden! Ich, Eckbert von Meißen!

30

Dorfpiel.

Alle Sachſen. Einverſtanden! Einverſtanden!

Ordulf.

Erzbiſchof Anno? Wollt Ihr ihn an Euch nehmen und mit Euch führen nach Köln?

Anno.

Gebt mir den Knaben her. (Ordulf ſchiebt den Knaben in Annos Hand.)

Heinrich (aufkreiſchend). Mutter!

Agnes

(iſt vom Stuhle aufgefahren, hat einen erſchreckten Blick auf ihren Sohn geworfen, wendet ſich zu Hildebrand).

Sage mir Du, was ich thun ſoll ich weiß es nicht.

Hildebrand. Dich beugen, ſchweigen und ertragen. Heinrich. Mutter!! Agnes

(zuckt auf, als wolle fie zu ihrem Kinde hin, wendet ſich zurück),

Gieb mir Kraft, mein Gott, Du biſt ſtark, und ich bin

ee Ordulf. t mit ihm, auf den Weg! Heinrich

(reißt ſich von Anno los, ſtürzt zu Otto von Nordheim, umklammert ſeine Kniee). Ohm Otto! Hilf mir! Rette, rette, rette mich! 1 ſteht unſchlüſſig. Allgemeine Pauſe.) Ordulf

(der ſich inzwiſchen flüſternd mit den Seinen unterredet hat). Otto von Nordheim, gebt den Knaben heraus. Eckbert. Gebt ihn heraus, Graf von Nordheim. Otto von Nordheim. Soll das heißen daß Ihr mir droht?

31

—. König Heinrich.

N Anno (tritt zwiſchen Nordheim und die Sachſen).

Wer ſpricht hier von Drohung? Iſt es ein Unrecht, Graf von Nordheim, und ein Uebel, wenn chriſtliche Könige chriſtlich erzogen werden?

Otto von Nordheim

(macht eine Bewegung, als wolle er den Knaben von ſich thun). Junger König ich Heinrich (klammert ſich in verdoppelter Verzweiflung an ihn). Ohm Otto! Gieb mich nicht in die Hände dieſer Männer! Verlaß Du mich nicht, Ohm Otto, verlaß mich nicht!

Swölfter Auftritt.

Rapoto (bricht plötzlich durch die Männer und Frauen, die den Hintergrund füllen,

hindurch, wirft ſich vor Otto von Nordheim in die Kniee).

Rapoto. Bei dem allmächtigen Gott, Herr Graf von Nordheim, nehmt Euch dieſes unglückſeligen Kindes an!

Ordulf (einen Schritt auf Rapoto air tretend).

70 daß Du auf die Seite kommſt!

Rapoto.

Was dieſes Kind Euch ſagt, Herr Graf von Nordheim, ſind eines Kindes Worte, aber die Angſt, die aus ihm ſpricht, iſt gerecht wie die ewige Wahrheit! Alles was noch übrig iſt von Kaiſer Heinrich, Graf von Nordheim, hier iſt es! Seine Hoffnung, ſeine Seele und ſein Herz, hier iſt es! In Euren Händen iſt es! Denkt Eures todten Kaiſers, Graf von Nord⸗ heim! Rettet Eures Kaiſers Hoffnung, Seele und Herz!

Ordulf.

Otto von Nordheim, und Ihr duldet das Gewinſel dieſes niederträchtigen Franken? Daß er es geweſen iſt, der ſich einſchlich bei den Trinkgelagen unſerer Diener, jedes Wort auffing, das von unbedachtem Munde kam und es hintrug zum Kaiſer, brühwarm, wie ein Hund, der ſeinem Herrn den Hand-

32

Doripiel.

ſchuh bringt, der des Kaiſers Herz zum Haß aufſtachelte wider Alles was Sachſe heißt, Otto von Nordheim, wißt Ihr das? Wißt Ihr das? ; Eckbert. Ihr nehmt Partei wider die Genoſſen Eures Standes? Eures Landes? Hermann. Otto von Nordheim, das werdet Ihr nicht!

Anno (tritt wieder zwiſchen Nordheim und die Sachſen). Was drängt Ihr in den edlen Mann? Seht Ihr nicht, daß nur Euer drohender Ton es iſt, dem er ſich widerſetzt? Gebt mir den Knaben her, Graf Otto von Nordheim.

Otto von Nordheim (nach einem letzten ſchweren Kampfe). Junger König chriſtliche Zucht iſt keinem Menſchen zum Schaden Euch wird kein Leid geſchehen. (er läßt den Knaben aus ſeinen Armen.) c Ordulf und Eckbert (ſtürzen ſich auf den Knaben). Her mit ihm! Heinrich (ſtarrt Otto von Nordheim mit weit aufgeriſſenen Augen an). Ohm Otto Du? Ohm Otto (er ſinkt ohnmächtig in den Händen Ordulfs und Eckberts zuſammen.)

(Im Augenblick, da Eckbert den zuſammenbrechenden Knaben emporhebt, fällt der Vorhang.)

Ende des Dorjpiels.

Heinrich. 33 3

Erſter Akt.

(Scene: Ein großer Saal im Stadthauſe zu Worms. Zur Hinterwand, die von Fenſtern durchbrochen iſt, führen Stufen empor. Auf dem oberſten Abſatze iſt eine Holztafel mit Stühlen aufgeſtellt. Auf den Stufen darunter eine zweite Tafel. Auf der Bühne vorn unten ſteht eine dritte Tafel, auf welcher Pergamente entfaltet liegen und Tintenfäſſer ſtehen. Die Eingänge zum Saale befinden rechts und links.)

Erſter Auftritt.

Gozzo (der Münzmeiſter), Gozzelin (der Zöllner, ſitzen an dem Tiſche vorn).

Lambert (der Schultheiß), Ritter Ulrich von Godesheim (ſtehen auf den Stufen).

Die zehn Zunftmeiſter (der Kaufleute, der Metzger, der Schmiede, der Schwertfeger,

der Bäcker, der Müller, der Sattler, der Böttcher, der Fiſcher und der Zimmerleute | ſtehen in Gruppen auf der Bühne).

Lambert.

Ehrſame Meiſter der Zunft, Ritter Ulrich von Godesheim, den Ihr kennt, hat Botſchaft für uns von unſerem König Heinrich; ſchenkt ihm Gehör.

Ulrich von Godesheim. Gute Männer von Worms, Heinrich, der Deutſchen König, Euer Herzog und Graf, iſt auf dem Wege zu Euch. Alle (einfach, ohne lauten Ton). Willkommen ſoll er ſein. a Ulrich von Godesheim.

Aus Thüringen kommt er, von der Unſtrut, wo er mit den aufrühreriſchen Sachſen gekämpft hat von Mittag bis in die ſinkende Nacht und ſie geſchlagen und beſiegt hat in mörderiſcher Schlacht.

Lambert.

Iſt uns bekannt geworden.

34

u Exfter Akt.

Ulrich von Godesheim.

Auf Gnade und Ungnade haben ſie ſich ergeben müſſen, dieſe Kriegsgewaltigen alle: Otto der Graf von Nordheim, Friedrich von Goſeck der Pfalzgraf, Hermann der Billunge, Eckbert von Meißen und Heinrich von der Nordmark, die abtrünnigen Biſchöfe dazu, Wezel von Magdeburg und der ſchlimmſte von Allen: Burkhardt von Halberſtadt.

Gozzo dclägt auf den Tiſch). Unſer Adalbert taugte auch nicht viel.

Alle dachend).

Nein, nein.

Gozzo.

Aber wir haben ihm gezeigt, wo's hinausgeht aus den Mauern von Worms, und den Rückweg hat er vergeſſen.

Alle dachend).

Hat er! Ulrich von Godesheim.

Das weiß König Heinrich. König Heinrich hat ein heißes Herz. Solche Herzen können bitterlich haſſen, aber auch recht⸗ ſchaffen lieben, und Euch, Ihr Männer von Worms, hat er lieb.

Gozzo. Das wiſſen alle Städte am Rhein, daß König Heinrich ein Freund der Bürger iſt. Gozzelin. Ein Freund von Bürgern und Bauern. Ulrich von Godesheim.

Ich will Euch erzählen, was ich mit eigenen Augen an-

geſehen habe, ſo werdet Ihr erkennen, daß Ihr Recht habt. Lambert. Erzählt uns.

35 8*

+ König Heinrich. «—

Ulrich von Godesheim.

An der Unſtrut war's als die Sachſenherzöge ſahen, daß nichts mehr zu retten war, haben ſie die Schilde auf den Rücken geworfen und ſind davongejagt, querfeldein, was die Pferde laufen wollten.

Gozzo. Daß ſie den Hals gebrochen hätten! Ulrich von Godesheim.

Aber hinter den Herzögen ſtanden die ſächſiſchen Bauern, die nicht davonlaufen konnten warum? Weil ſie keine Pferde hatten.

Lambert.

Sehr richtig.

Ulrich von Godesheim.

Ueber die, wie ſie nun zuſammengepfercht ſtanden, einer Hammelheerde gleich, von der die Hirten weggelaufen ſind, brachen die Verfolger herein. Herzog Gottfried voran mit ſeinen lothringiſchen Reitern.

| Lambert. Da wird nicht viel übrig geblieben ſein von ihnen.

Ulrich von Godesheim.

Ging denn auch gleich los, ein Schlachten und Erſchlagen wie beim Metzger. Bis daß Einer geritten kam, auf weißem Roß, in goldener Rüſtung von Kopf bis zu Füßen, und ſich den Lothringern entgegenwarf und rief: „Haltet ein!“

Lambert. Und da hielten ſie ein? | Ulrich von Godesheim.

Da hielten ſie ein, denn der Eine, das war der König, König Heinrich.

Lambert.

Recht von König Heinrich!

36

Erſter Akt.

Gozzo.

Gott lohn's König Heinrich!

Ulrich von Godesheim.

Das ſagten die ſächſiſchen Bauern auch, als ſie ihm zu Füßen fielen und heulend Hände und Füße küßten. Darauf, als die Schlacht beendet war, ſagte König Heinrich: Laßt uns aufbrechen nach Worms, einen Freudentag will ich mit ihnen

begeh'n.

Lambert Geigt auf den Tiſch oben). Blickt Euch um, Edler von Godesheim; da ſteht der Tiſch, den wir aufgeſtellt haben für König Heinrich. Gozzo. Und vergeßt den Wein nicht, Gozzelin.

Gozzelin. Soll nicht vergeſſen werden. Gozzo. ö Unſerer lieben Frauen Milch von anno domini

Ihr wißt. Gozzelin.

Soll ich nicht wiſſen | Lambert. Das braucht Ihr Gozzelin nicht zu jagen, der kennt ſich aus in den Weinkellern von Worms.

Alle agachend).

Ja, ja.

Ulrich von Godesheim. Gute Männer aber nun iſt noch eins König Heinrich

braucht Geld. Gozzo (ſchlägt lachend auf den Tiſch).

Das hab' ich Euch am Geſicht angeſehen, Ritter.

Ulrich von Godesheim. Am Geſicht —?

König Heinrich.

Gozzo.

Ich bin der Münzmeiſter, muß mich auf ſo etwas ver⸗

ſteh'n. Männer von Worms, wollen wir König Heinrich bloß

mit Worten lieb haben und wenn's drauf ankommt, ihn ab⸗ ſtinken laſſen wie einen ſchlechten Mann?

Alle.

Nein! Gozzo.

Wollen wir das Maul aufthun und den Beutel zuhalten? Alle.

Nein!

Sweiter Auftritt. Ein Stadtknecht (kommt von rechts). Stadtknecht.

Schultheiß, Du ſollſt ans Thor kommen! König Heinrich zieht heran! Dreiviertel Wegs von Hofheim iſt er ſchon heran! Lambert.

Edler von Godesheim, kommt Ihr mit? Ulrich von Godesheim. Ich komme mit. Lambert eim Abgehen nach rechts). Gozzo der Münzmeiſter, ſchreibt es auf in Eurem Pergament, wieviel jede von den Zünften geben will. (Lambert und Godesheim rechts ab.) Gozzo. f Hier ſitzt der Münzmeiſter und hier iſt ſein Pergament. Nun heran, ehrſame Zunft; wer ſchreibt ſich zuerſt ein? Der Kaufmann. Ich, für die Kaufleute zuerſt. Der Metzger. Mag's für diesmal ſein, daß die Kaufleute vorantreten, weil ich meine, daß ſie am meiſten geben werden; ſonſt hätten die Metzger das erſte Wort.

38

Erfter Akt.

Der Schwertfeger.

Die Schwertfeger nicht zu vergeſſen.

Der Metzger. Die Metzger haben das erſte Wort. Gozzo. Die Kaufleute alſo wieviel ſoll ich ſchreiben ie; die Kaufleute? Der Kaufmann. Schreibt fünfhundert Pfund in feinem Silber. Gozzo gchreibth. Fünfhundert Pfund nach der kölniſchen Mark 1 Der Kaufmann. Nach der kölniſchen Mark, zu ſechzehn Loth. f Gozzo gchreibt).

Nach der kölniſchen Mark. Das ſind hundertzwanzig⸗ tauſend Denare rund gebt mir die Hand, die Kaufleute, wir ſind zufrieden.

| Der Meggen, Der * ſpricht, als wär' er König Heinrich ſelbſt. Alle (lachend).

Ja, ja. Gozzo. Weiter wer kommt darauf? Der Metzger.

Funſhundert können wir nicht geben; ſchreibt dreihundert

Pfund für die Metzger.

Der Schwertfeger craſch einfallend). Schreibt vierhundert für die Schwertfeger! Der Metzger. Alſo vierhundert für die Metzger auch! Gozzo dacht in ſich hinein). Vierhundert die Metzger vierhundert die Schwertfeger ſind zuſammen achthundert Pfund macht rund hundert—

39

—. Hönig Heinrich. =

zweiundzwanzigtauſend Denare. Recht ſo die Metzger, recht ſo

die

und

Schwertfeger. Wer kommt weiter?

Der Bäcker. Die Bäcker mit zweihundert Pfund.

Gozzo qqreibt). Mit zweihundert Pfund.

Der Bäcker. Jetzt laßt uns ſehn, was die Müller geben werden. Der Müller. Die Müller nun gleichfalls zweihundert. N Der Bäder.

Da Seht Ihr's. Der Müller. 0 2 Der Bäcker. Seid Ihr nicht zweimal ſo reich als wir? Der Müller. Nicht daß ich wüßte. | Der Bäcker. Aber wir wiſſen's, daß Ihr von uns lebt! Der Müller. Was das heißen ſoll G ozzo (chlägt auf den Tiſch). | Gott ſtraf' mich, es ſtäubt im Saale von Mehl. Bäcker

Müller liegen ſich in den Haaren!

| Der Metzger. Wie immer. | Alle (Lachend). Wie immer. f

Der Müller. a

Alſo ſchreibt für die Müller zweihundertfünfzig Pfund! Der Bäcker.

Um fünfzig Pfund geſchröpft!

40

FErſter Akt.

f Alle tagen). Ja, ja. Gozzo gqreiby. Zweihundertfünfzig die e zweihundert die Bäcker wer kommt danach? Der Schmied. Die Schmiede mit hundertfünfzig Pfund. Der Zimmermann. Desgleichen die Zimmerleute. Gozzo gqreibt). Die Schmiede, die Zimmerleute je hundertfünfzig Pfund macht zuſammen dreihundert. Der Sattler. Für die Sattler ſchreibt hundert Pfund. Der Böttcher. Schreibt ebenſoviel für die Böttcher. Gozzo (oreibt). Ebenſoviel für die Böttcher. Bleiben noch die Fiſcher. Der Fiſcher (kratzt ſich den Kopf). Die Fiſcher hm ſo ſchreibt fünfzig Pfund für

die Fiſcher. Der Metzger. Fünfzig Pfund o hört!

Alle. Hört! Hört! Gozzo.

Fünfzig Pfund? Was? Habt Ihr nicht Salmen genug gefangen das Jahr? Der Fiſcher. Münzmeiſter war ein ſchlechtes Jahr. Gozzo. Ach was! Habe manchen auf meinem Tiſch gehabt!

41

König Heinrich. Der Kaufmann.

Ich auch. Der Bäcker. Das fiſcht im Trüben. Wir Bäcker ſind am ſchlimmſten daran; uns ſieht Jeder in die Lade. | Der Müller. Habe noch nimmer gehört, daß ein Bäcker verhungert ſein ſollte! Der Bäcker. Will's glauben; wer immer die Mühle klappern hört, wird taub! Gozzo Hchlägt auf den Tiſch). | Gebt Frieden! Alſo die Fiſcher wieviel ſoll ich ſchreiben für die Fiſcher? | Der Fiſcher. e ſchreibt ſechzig Pfund. Gozzo creibt). Sind zehne mehr als fünfzig.

Alle (lachend). Sehne mehr. | ©0330 (gebt das Pergament auf). Somit wären wir fertig. Iſt ſonſt noch Jemand da?

Dritter Auftritt. Der Stadtknecht (eriheint in der Thür rechts). Stadtknecht. Münzmeiſter, draußen ſind zwei von des Königs Kammer⸗ knechten Gozzo. Von den Juden? Stadtknecht. Ephraim ben Jehuda iſt's und Süßkind von Orb. Gozzo. Ihre Aelteſten. Laß ſie herein.

42

14.9 P 1 *

+ &fer Akt.

Dierter Auftritt.

Ephraim ben Jehnda und Süßkind von Orb (kommen von rechts, kreuzen die Arme auf der Bruſt, verneigen ſich und bleiben ſtehen).

Gozzo. Was wollt Ihr, die Juden?

Ephraim. b

Als haben wir gehört, daß ſich die Bürgerſchaft von Worms zuſammenthut, um Geld darzubringen König Heinrich, Kaiſer Heinrichs Sohn, unſerm Herzog und Grafen.

Gozzo.

Wollt Ihr mitthun dazu?

Ephraim.

Als iſt zu uns gekommen Rabbi Iſaak ben Hillél von der alten Gemeinde zu Merſeburg und Abraham ben Zadöd von der neuen Gemeinde in Magdeburg und haben uns geſagt, daß König Heinrich nicht iſt von denen, die da treten den Wurm, weil Andere ihn treten, die da aufheben den Stein, den Andere geworfen, daß König Heinrich kein Feind iſt der jüdiſchen Leute und nicht will, daß ſie ausgerottet werden vor ſeinem Angeſicht als ſind wir zuſammengekommen, die jüdiſchen Männer von Worms, und haben geſprochen zu ein— ander: Gott ſoll ihn ſegnen, den König Heinrich, der Gott Abrahams ſoll ihn ſegnen, der Gott Iſaaks und Jakobs in Ewigkeit, Amen.

Süßkind.

Amen! Amen! Amen!

Ephraim.

Und als wir nicht ausziehen können für ihn mit Waffen und nicht ſtreiten für ihn wider die Gewappneten, als wollen wir ihm helfen, dem König Heinrich, mit dem was die jüdiſchen Leute haben, mit Silber und Gold.

43

1 9 ar. N m

Hönig Heinrich.

Gozzo.

Geld habt Ihr, das wiſſen wir.

Alle dachend).

Wiſſen wir.

Gozzo.

Alſo, Ephraim ben Jehuda, wieviel ſoll ich ſchreiben für die Juden von Worms?

Ephraim (zu Süßkind). Sagt es ihm, Süßkind von Orb, Ihr habt das Verzeichniß Süßkind (zieht ein Blatt hervor).

Ihr ſollt ſchreiben, Münzmeiſter, für die jüdiſchen Leute

von Worms dreitauſend Byzantiner in Gold. Gozzo.

Drei tauſend!

Alle mit ſtaunendem Gemurmel).

Dreitauſend!

Gozzo (cchreibt).

Dreitauſend Byzantiner in Gold.

Süßkind. N

Ihr ſollt ſchreiben, Münzmeiſter, für die jüdiſchen Leute von Speier

Gozzo.

Von Speier? Habt Ihr Auftrag auch von den Juden zu Speier?

Ephraim.

Wie der Staub ift verſtreuet vor dem Wind, alſo ſind die Kinder Israels verſtreuet über die Welt; aber die Sprache in ihrem Munde iſt eine, und die Seele in ihrem Leibe iſt eine.

Gozzo. Alſo für die Juden von Speier? Süßkind.

Ihr ſollt ſchreiben für die jüdiſchen Leute in Speier ein⸗

tauſend Byzantiner in Gold.

44

Erfter Akt.

Gozzo cccreiby. Eintauſend Byzantiner in Gold. © Süßkind. Ihr ſollt ſchreiben, Münzmeiſter, für die jüdiſchen Leute in Mainz fünftauſend merowingiſche Dukaten. Gozzo (chlägt auf den Tiſch, ſpringt auf). Fünf tauſend! est ſich wieder und schreibt. b Der Metzger (u den Anderen). Habt Ihr's gehört? Der Bäcker. Was ſie Geld haben! Alle. Fünftauſend Dukaten!

(Allgemeines aufgeregtes Stimmengewirr.)

Fünfter Auftritt. Der Stadtknecht (reißt die Thür rechts auf). Stadtknecht. König Heinrich iſt in der Stadt!

Sechſter Auftritt. Wormſer Bürger (treten von links auf).

Alle.

König Heinrich iſt in der Stadt! (Alles drängt ſich in freudiger Erregung durcheinander.)

| Stebenter Auftritt.

König Heinrich (ein Jüngling von einigen zwanzig Jahren, in goldener Rüſtung, den Helm auf dem Haupte, kommt von rechts). Herzog Rudolf von Schwaben, Welf von Baiern, Berthold von Kärnthen, Ulrich von Godesheim, er mann von Gleisberg, die Biihöie Liemar von Bremen, Eppo von Zeiz, Benno von Osnabrück, Lambert der Schultheiß (kommen unmittelbar hinter ihm. Alle auf der Bühne Anweſenden haben ſich nach links zuſammengedrängt, fo daß der Mittelraum der Bühne frei geworden iſt).

Heinrich (geht bis mitten in die Bühne, hebt den Helm vom Haupte). Ich grüße die Liebe, ich grüße die Treue, ich grüße Dich, Worms! (Godesheim nimmt ihm den Helm ab.)

45

König Heinrich. +

Alle Bürger (mit donnerndem Rufe). Sei gegrüßt, König Heinrich! König Heimrich, ſei gegrüßt! Lambert (dem Gozzelin einen Goldpokal in die Hände gegeben hat, tritt auf den König zu).

König Heinrich, unſer Herr, die edelſte Gabe, die Worms Euch zu bieten vermag, nehmt ſie an aus den Händen des Schultheißen von Worms.

Heinrich (empfängt den Pokal).

Ich kenne Euren Wein; ein Tröſter iſt er mir geweſen in den Tagen der Noth, mein Genoß ſoll er ſein heute am freudigen Tag. (er erhebt den Potal, wirft den Kopf herum) Sind unfere Gäſte verſammelt? Aber ich ſehe, es ſind noch nicht alle da, deren ich bedarf. Ulrich von Godesheim und Hermann von

Gleisberg, geht, führt meine Ehrenketten⸗Träger herein. (Godesheim und Gleisberg rechts ab.)

Rudolf.

Die Ehrenketten Heinrich.

Ketten, die ein König anlegt, ſind's keine Ehrenketten? Rudolf.

Sind das die Sachſenherzöge, von denen Ihr ſprecht? Heinrich.

Und die Sachſenbiſchöfe dazu. Rudolf.

Sollen ſie zur Schau ſtehen? Hier? Heinrich.

Zur Tafel ſollen ſie ſitzen mit ihrem König. Iſt's nicht Ehre genug? Liemar (begütigend lächelnd). Ich fürchte ſie werden's als Ehre nicht empfinden. Heinrich. So werden ſie's lernen. Jeder Menſch muß lere ich habe auch gelernt fragt Anno von Köln.

46

> Exfter Akt.

Achter Auftritt. |

Die Sachſenherzöge Otto von Nordheim, Hermann der Billunge, Eckbert von „Heinrich (Sohn Udo's von der Nordmark), Friedrich von Goſeck, Biſchof Wezel von Magdeburg, Biſchof Burkhardt von Halberſtadt (kommen mit ſchweren Schritten von rechts. Sie ſind in dunklem Gewand, ohne Schwerter, ohne 1 tragen Ketten an den Händen). Ulrich von Godesheim, ermann von Gleisberg (treten hinter ihnen wieder auf. Beim Eintritt der achſenherzöge, die finſter geſenkten Hauptes ſtehen bleiben, tritt eine dumpfe ge⸗ ſpannte Stille ein). \

Heinrich.

Ich habe gelernt, Biſchof Liemar, den Knaben zu ver⸗ lernen, nicht mehr an Menſchen zu glauben, ſondern Menſchen zu erfahren. (Er wendet langſam das Haupt zu den Sachſen, an deren Spitze Otto von Nordheim ſteht, ſeine Stimme wird langſam und ſchwer) Es war keine leichte Schule, aber ich habe Lehrmeiſter gefunden (feine Augen haften auf Otto von Nordheim) die Stunde iſt gekommen, ihnen zu ſagen, (er hebt den Pokal, ſeine Stimme rollt empor) daß ich mündig ge⸗ worden bin!

Liemar (wie vorhin, halblaut).

Und Liebe, Herr König habt Ihr in Eurer ſchweren Schule keine Liebe gefunden?

e Heinrich (mit hartem Lächeln).

Weil ich mit zehn Jahren verlobt wurde? Darum meint Ihr, ſollt' ich Zeit gefunden haben, mich in der Liebe zu üben?

| Liemar.

O Herr, warum ſo bitter? Ihr ſagtet, daß Ihr freudig wäret?

Heinrich. Ich bin auch freudig, ich habe Rache. Liemar.

Beſſeres habt Ihr, Ihr habt Freunde.

Heinrich Gudt die Ahfeln). Freunde? | Liemar.

Ihr ſelbſt habt es geſagt. 47

König Heinrich.

Heinrich. Wenigſtens, womit ich mir Freunde kaufen kann, das habe ich. | | Liemar.

Kaufen?

Heinrich.

Ich habe die Macht. GBiſchof Liemar tritt zurück.) Und nun, Ihr Männer von Worms, in Eurem Weine Euch den erſten Trunk! (Er trinkt ihnen zu.)

Lambert. Gott ſegne Euch den Trunk, König Heinrich.

Alle Bürger von Worms.

Gottes Heil Dir, König Heinrich!

Heinrich (list in den Becher).

Du lauteres Gold, Dir ſeh' ich bis auf den Grund. Du verbirgſt nichts, Du verſprichſt nicht, was Du nicht hältſt. (Sein Angeſicht verfinſtert ſich in düſteren Gedanken.) Warum ſind Menſchen anders als Du? Aus Erde biſt Du geboren, von Erde iſt der Menſch genommen warum ſind Menſchen anders als Du? Hoffnung geht von Dir aus mit Deinem erſten Tropfen, Freude des Gelingens mit Deinem letzten, Labſal biſt Du und ſüß, zu Ende wie zu Anfang (fein Blick geht wieder zu Otto von Nordheim) Warum verſprechen Menſchen, was ſie nicht halten? Warum ſind Menſchen ſüß wie die Hoffnung dem Herzen des 3 der an ſie glaubt, und bitter wie Wermuth dem Herzen

3 Mannes, der fie kennt? (er fährt jählings auf) Einen Becher von dem Wein an Grafen Otto von Nordheim!

Lambert (ruft). Einen Becher! |

(Ein Stadtknecht reicht Gozzelin einen Pokal. Dieſer geht damit zu Otto von Nord⸗ heim. Otto von Nordheim wendet ſich grollend ab).

Heinrich.

Otto von Nordheim, warum nimmſt Du den Becher nicht?

48

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* B

Erſter Akt.

Otto von Nordheim. Wie ſoll ich den Becher aufheben, da mir der Arm ſchwer iſt von Euren Ketten? Heinrich. Den Schlüſſel her! (Hermann von Gleisberg händigt ihm einen Schlüſſel ein; er ſchließt Nordheims Ketten auf; ſie fallen klirrend zu Boden.) Du 0 biſt der Ketten ledig; nun kannſt Du trinken; trink'!

Otto von Nordheim. Warum ſoll ich trinken? Heinrich. Weil Du gehört haſt, was ich von dem Weine geſagt habe; weil Du ihn brauchen kannſt.

Rudolf. Herr König. Welf. Herr König. Berthold.

Herr König. Heinrich (wendet das Haupt zu ihnen). Rudolf. Wenn ſchon Euer Gefangener, ſo iſt es doch ein Herzog und edler Mann. Welf. Es iſt nicht zu billigen, daß Ihr ihm öffentlich Schimpf anthut. Heinrich. Wer ſpricht von Schimpf? Der König thut ihm Beſcheid; heißt das ihm Schimpf anthun?

| Otto von Nordheim (der den Becher ergriffen hat, ſetzt ihn wüthend auf den Tiſch, ohne zu trinken). Ihr lügt, wenn Ihr ſagt, daß Ihr mir Beſcheid thut!

Heinrich. 49 4

—»% König Heinrich.

H einri ch (wild auffahrend).

Ah Du wer von uns Beiden hat dem Anderen ge⸗ logen?! (Sie ſtehen ſich, Auge in Auge; langſam läßt Nordheim den Blick ſinken.) Ich ſehe auf Deine Hüfte. Otto von Nordheim, warum iſt Deine Hüfte leer? Wo iſt das Schwert König Etzels, das Du trugſt?

Otto von Nordheim.

Das wißt Ihr ſo gut als ich!

Heinrich.

So erkenne, daß ich mich an Verſprechen zu halten weiß, beſſer als Du! Was Du dem Knaben zu Goslar verſprochen und nicht gehalten haſt, Heinrich der Erwachſene hat es ſich von Dir an der Unſtrut geholt!

| Hermann.

Was prahlt Ihr mit Eurem a Wir wiſſen, daß Ihr uns beſiegt habt!

Heinrich.

Und daß ich Deinen Bruder Ordulf erſchlagen habe, das vergiß mir nicht, Hermann der Billunge.

Hermann. Seid gewiß, ich werde es Euch nicht vergeſſen! Heinrich. Daß er nicht wiederkommen wird, Männer zu blenden, Wittwen auszutreiben und heulende Waiſen.

Eckbert. Wir Alle werden 8 des Tags gedenken, das verſprech' ich Euch. Heinrich.

Verſprichſt Du das? Aber daß kein Tag wiederkommen ſoll, wo Du wehrloſe Kinder ſtiehlſt, das, Eckbert von Meißen, verſprech' ich Dir, ſo lange König Heinrich über Deutſchland regiert.

50

Erſter At.

Eckbert. Werden ſehen, wie lange es dauert!

Heinrich (tritt auf Eckbert zu). Wagſt Du zu drohen? Kinderräuber, feiger, erbärmlicher?!

Rudolf. Herr König Welf. Herr König Heinrich. Aus ſeiner Markgrafſchaft jag' ich ihn wie einen Hund! Berthold.

Das geht über Maß und Ziel. (Wilde Bewegung unter den Sachſen.) Liemar gu Se nrich). Herr König, ich bitte Euch, ich beſchwö're Euch Heinrich.

Was beſchwört Ihr mich? Beſchwört mir die zehntauſend ſächſiſchen Bauern zum Leben zurück, die unter Gottfrieds Schwert an der Unſtrut geblieben ſind, weil dieſe da ſie zum Treubruch verleitet an ihrem König! Heißt ſie mir wiedergeben, was kein Menſch mir wiedergeben kann, das Herz voller Glauben, die Seele voller Zuverſicht, meine Jugend, die ſie mir geſtohlen haben!

Liemar. Herr, Herr, laßt Eure Seele nicht vom Groll übermannen. (Er faßt ihn an der Hand, zeigt auf die Wormſer Bürger) Denkt, daß Ihr

Freunde habt.

Heinrich (drückt Liemar die Hand). Ihr habt Recht, Ihr habt Recht (ex wendet ſich zu den Wormſer Bürgern und gewahrt Gozzo, der mit ſeinem Pergament auf ihn zutritt.) Nun dieſes Pergament? Soll das für mich?

51 4*

König Heinrich. +

©0330.

Das Geld iſt's, König Heinrich, das die Stadt Worms Euch darbringt. Es giebt Beſſeres als Geld, das weiß ich. Aber es läßt ſich mit Händen e drum iſt's etwas Gewiſſes.

Heinr ich (nimmt das Pergament an ſich).

Alſo laßt mich's mit Händen greifen. (er blickt in das Pergament)

Seht das wollt Ihr für mich thun? Gozzo. Ja, und mit redlichem Herzen. Heinrich.

Schultheiß, gieb mir die Hard! (Er packt Lambert an der Hand) Aber das iſt nicht genug (er wirft den Arm um Lamberts Schultern) hier komm her ſo! (er zieht Lambert an ſich und küßt ihn) Ich danke Dir, Worms!

Alle Wormſer.

Gottes Heil Dir, König Heinrich! Gottes Heil und Segen Dir!

H einrich (blickt noch einmal in das Pergament).

Wer ſteht hier unten verzeichnet? Die Juden von Worms, von Speier und Mainz. (Blickt auf Sind fie hier, die Juden? (Ephraim und Süßkind treten vor. Zu Ephraim) Wie heißeſt Du? | Lambert.

Ephraim ben Jehuda iſt dies; Süßkind von Orb nennt ſich der Andere die Aelteſten der Juden von Worms.

Ephraim.

Als, ſind wir zuſammengekommen in der Once, die jüdischen Männer von Worms, haben wir geſprochen zu ein- ander: Gott ſoll ihn ſegnen, den König Heinrich, der 50 Abrahams ſoll ihn ſegnen, der Gott Iſaaks und Jakobs, i Ewigkeit. Amen.

Süßkind.

Amen! Amen! Amen!

52

. a

Erſter Akt.

Heinrich.

Warum ſoll Euer Gott mich ſegnen?

Ephraim.

Weil er nicht iſt von denen, der König Heinrich, die da treten den Wurm, weil Andere ihn treten, die da aufheben den Stein, den Andere geworfen; weil er nicht will, daß die jüdiſchen Leute ausgerottet ſeien vor ſeinem Angeſicht.

Heinrich.

Du ſprichſt die Wahrheit. Ben Jehuda, gieb mir Deine Hand. (Ephraim, unter tiefſter Verbeugung, legt ſeine Hand in des Königs Hand.) Ich nehme Eure Gabe und Euren Segen dazu der Gott Abrahams iſt auch mein Gott.

Liemar. Herr König (Dumpfes Gemurmel unter den Herzögen, ſtaunendes Flüſtern unter den Bürgern.) Heinrich (ſeht ſich um). Wer weiß es anders? Wezel. Das weiß die ganze Chriſtenheit, daß der Juden-Gott nicht unſer Gott iſt! Burkhardt. Und daß, wer da ſpricht wie Ihr geſprochen habt, ein Ketzer iſt! Heinrich (mit böſem Lächeln). Ihr vergeßt, daß ich beim Pfaffen in der Schule war. Ich kenne die Schrift beſſer als Ihr. Wie ſteht geſchrieben? „Gebt dem König, was des Königs iſt“. Wezel und Burkhardt, Biſchöfe alle beide, was habt Ihr Eurem Könige gegeben? (Pauſe. Lachend) Hört, wie den Hähnen das Krähen vergeht.

Burkhardt. Bin ich ein Hahn? Ja? Krähe ich? Ja? Nun ſo wißt, daß ich krähen will, daß man's bis nach Rom vernimmt! Wißt,

53

—. König Heinrich.

daß man es ſchon vernommen hat! Papſt Gregor weiß, wer Ihr ſeid, was Ihr ſeid, weß Geiſtes Kind Ihr ſeid! Heinrich. |

Heißt das, daß Du ihm geſchrieben haft, hinter meinem

Rücken? Burkhardt.

Wenn Ihr's denn wiſſen wollt, ja!

Heinrich Guckt wüthend auf, faßt ſich, bricht in Lachen aus).

Hört Alle und wißt: Biſchof Burkhardt von Halberſtadt kann leſen und ſchreiben!

Burkhardt (blauroth vor Wuth im Geſicht).

Kann leſen und ſchreiben?

Heinrich.

Zu was ſonſt hätteſt Du an den Papſt geſchrieben, als damit er's erfährt? Haſt recht gethan; Papſt Gregor wird ſich freuen; 8 iſt eine ſeltene Kunſt unter deutſchen Biſchöfen.

Gozzo (lachend). Wahr iſt's; unſer Adalbert war darin ſchwach! Alle Wormſer (wviehernd). Wahr iſt's! Wahr iſt's! Liemar.

Herr König, Herr König, iſt's würdig und recht, daß Ihr die Biſchöfe Eurer Kirche dem Gewieher dieſer Leute preisgebt? Heinrich.

Wenn die Hähne krähen, ſo wiehern die Pferde, das iſt eine alte Geſchichte. Warum kräht der Hahn aus Halberſtadt ſo laut? | |

Burkhardt.

Papſt Gregor weiß, wie Ihr's getrieben habt auf Euren Burgen im Harz, bei Würfelſpiel und Becher, zwiſchen . und Buben!

Heinrich (auft laut). Einen Becher Wein für ihn, ſonſt verſchluckt er ſich!

54

Erſter Akt.

Gozzo (laut lachend).

Recht ſo!

Alle Wormſer (wiehernd).

Recht ſo! Recht!

Burkhardt.

Daß Ihr die Güter der Kirchen und Klöſter an Euch geriſſen, Bisthümer verkauft habt für Geld, das weiß Papſt Gregor! Heinrich.

Um ſo beſſer, wenn er's weiß, ſo wird es ihn nicht wundern, was ich jetzt zu thun gedenke: Wezel und Burkhardt, wißt: aus Euren Bisthümern jag' ich Euch hinaus; zwei andere Biſchöfe kaufe ich mir an Eurer Statt, mit dem Gelde der 10 kauf ich ſie mir!

(Eine dumpfe Stille folgt dieſen Worten.) Liemar. Gott höre nicht, was Ihr geſprochen habt, König Heinrich. Heinrich.

Laßt es ihn hören hören ſoll es die Welt! Ich frage nicht, ob Herzog oder Knecht ich bin der König, und Königs Wille iſt Deutſchlands Geſetz! Ich frage nicht, ob Jude oder Chriſt ich bin der König, und Treue zum König iſt Deutſch⸗ lands Religion! Warum verthu'n wir die Zeit? Ein Freuden⸗ feſt zu feiern bin ich gekommen! Frohe Botſchaft erwart' ich mir vom Papſt; in Eurer Mitte will ich fie empfangen. Einladen wird Papſt Gregor mich nach Rom. König bin ich geworden, Kaiſer will ich ſein, er wird mir die Krone aufſetzen, und die Krone ſoll lachen von meinem Haupt! Jauchzen ſoll mir das Herz in der Bruſt, und knirſchen zu meinen Füßen Feinde und Neider! Laßt Muſik erſchallen, bringt Weiber und Wein! Warum ſind keine Frauen beim Feſt?

Lambert. Gnädiger Herr wir haben nicht gedacht

55

+ König Heinrich.

Gozzo. Wollt verzeihen, Herr König, unſere Sn gehen nicht zu Männergelagen. Heinrich. Laßt ſie es lernen, gute Männer, Blumen gehören an die Luft. Gozzelin. Eine Frau iſt da, Herr König SGeinrich wird bens Wenn Ihr ſie hören wollt ſie bittet um Einlaß ſchon ſeit längerer Zeit.

Heinrich. Schon ſeit längerer Zeit? Gozzelin. Sie iſt in Worms ſchon ſeit einigen Tagen. Eine edle Frau ker deutet mit den Augen auf die gefangenen . ich glaube

von den Herzögen dort. (Geflüſter unter den Sachſen.)

Heinrich agachend).

Eine Fürſprecherin? So wahr mir Gott laßt ſie herein. Gozzelin geht an die Thür rechts.) Wenn ſie hübſch iſt, will ich Für⸗ ſprecher bei meinem Herzen ſein und ihr gute Aufnahme er⸗ bitten.

Neunter Auftritt.

Präxedis (in dunklem Gewande, den Schleier über Haupt und Geſicht, kommt von rechts, bleibt vor Heinrich ſtehen).

Heinrich. Thut den Schleier von Eurem Angeſicht, ich liebe kein Verſteckſpiel mit ſchönen Frauen. Präxedis (ſchlägt den Schleier zurück, ſieht ihn lächelnd an, jagt leiſe). Das weiß man von König Heinrich. Heinrich Kährt freudig auf). Präxedis! (er ſtreckt ihr beide Hände hin.)

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Eriter Akt.

Präxedis. Kennt Ihr mich noch? Heinrich (Hält fie an beiden Händen, blickt ihr ins Geſicht). Wir haben uns lange nicht geſeh'n. Heinrich von der Nordmark (tritt einen Schritt aus dem Kreiſe der Sachſen hervor). Es iſt mein Weib. Heinrich (ohne auf ihn zu achten). Habt Ihr meiner gedacht in all' der Zeit? Präxedis (mit keckem Lächeln). König Heinrich hat geſorgt, daß man von ihm hörte. Heinrich von der Nordmark. Mein Weib iſt's! Heinrich.

Das hört' ich, daß ſie Dich zum Manne bekommen hat. (Zu Präxedis) Seid Ihr zufrieden mit ihm? Präxedis. Ihr ſeht's daraus, daß ich komme, für ihn zu bitten. Hein rich von der Nordmark. Wer hat Dir's aufgetragen? Niemand braucht zu bitten

e Heinrich.

Nicht ſo unwirſch, guter Graf. Keinem Manne thut es zu nah, wenn ſchöne Frauenlippen für ihn bitten. (Zu Praxedis) Was bittet Ihr für ihn?

Präxedis.

Er hat nicht wider Euch gekämpft.

Heinrich.

Das weiß ich; aber Udo, ſein Vater; als Geißel für

ſeinen Vater halt' ich ihn. Präxedis.

Hält man Geißeln in Ketten? Laßt ihn der Feſſeln ledig Herr König ja? (Sie ſchaut bittend zu ihm auf, faltet langſam die Hände.)

57

. König Heinrich.

g a Heinr ich (ſchaut ſie wie verzückt an). So wahr mir Gott ſie hat gelernt, die Hände falten | Pr axedis (ſieht ihm von unten auf in die Augen). Ich bitte ich bitte? Heinrich (eckt ſich auf).

Die Ketten ab von Heinrich von der Nordmark!

(Ulrich von Godesheim und Hermann von Gleisberg treten hinzu. Heinrich von der Nordmark tritt zurück.)

Heinrich von der Nordmark. Ich will nicht! Heinrich. Du willſt nicht? Heinrich von der Nordmark. Nicht auf dieſe Weiſe, nein! Und nicht, ſo lange meine Genoſſen in Ketten ſind! ö ö Präxedis (wie vorhin). Thut ihnen Allen die Ketten ab? Herr König ja? Ich bitte Ich bitte? Heinrich (ſtarrt ſie mit ſtaunendem Lächeln an). er Ah Schlange, goldgleißende aber es tröſtet mich, daß Adam auch ein Mann war eer ruft) thut ihnen die Ketten ab alleſammt! | (Durch die ganze im Saale verſammelte Menſchenmenge geht ein ſtaunend flüſterndes „Ah“. Ulrich von Godesheim und Hermann von Gleisberg treten hinzu, den Sachſen die Ketten aufzuſchließen. Die Bürger ſtecken die Köpfe zuſammen; Liemar ſteht

mit tief bekümmertem Geſichte einſam für ſich; die Herzöge Rudolf, Welf und Berthold, ſowie die Biſchöfe Eppo und Benno treten zu einander). a

Welf (leiſe zu den Anderen). Was ſagt Ihr dazu? Rudolf. Schamlos und unerhört. Berthold. Unerhört.

58

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r 5 an * i

Erſter Akt.

Heinrich (ſteht mit Präredis vorn auf der Bühne, unbekümmert um das Flüſtern hinter ſeinem Rücken).

Wie wollt Ihr mir's lohnen, Alles was ich für Euch thue?

| Pr äxedis (ſieht ihn mit ſcharfem ſchlauem Lächeln an). Mit einem guten Rath.

i Heinrich.

Ein guter Rath? Präxedis.

Vergeßt nicht, daß Ihr eine Frau habt.

Heinrich (leife ziſchend). Ah Solange ſo wahr mir Gott! Ich gebe ihr Honig, und ſie vergilt's mir mit Gift! (er wendet ſich) Laßt uns zum Sitzen kommen, warum ſollen wir ewig ſteh'n?

Lambert (zeigt auf den Tiſch, der auf den oberſten Stufen ſteht). Die Tafel wartet Eurer, Herr König.

Heinrich (zu den Herzögen Rudolf, Berthold und Welf). Kommt, Ihr Herren! (Zu den Biſchöfen Liemar, Eppo und Benno) Die Biſchöfe mit uns! (er faßt Praxedis an der Hand) Ihr, Gräfin, ſitzt an meiner Seite. (er führt Präxedis die Stufen hinauf, die Herzöge Rudolf, Berthold und Welf, ſowie die Biſchöfe Liemar, Benno und Eppo folgen ihm und ſetzen ſich an die obere Tafel.) Wo ſitzen die Bürger von Worms?

Lambert (tritt an den Tiſch, der auf den mittleren Stufen ſteht). Mit Eurer Erlaubniß, Herr König, hier. Heinrich. Die Erlaubniß ſei gern gewährt. (Gozzo, Gozzelin, die Zunftmeiſter

treten an den mittleren Tiſch.) Und gebt den Juden einen Platz an Eurer Seite.

(Bewegung unter den Bürgern.)

Gozzo (ſieht ſich fragend um). Die Juden an unſerem Tiſch?

59

—. König Heinrich. *-

Ä Ephraim er

(der mit Süßkind von Orb unten auf der Bühne ſtehen geblieben ift). Laßt Euch danken, gnädiger Herr König, und laſſet es genug ſein mit der Gnade, die Ihr uns erzeigt habt; laſſet uns nicht ſitzen, gnädiger Herr König, zur Seite von Männern, denen es ein Gräuel iſt, zu ſitzen mit den jüdiſchen Männern.

Heinrich (Hinter dem Tiſche ſtehend). Wie war Dein Name? Ich hab's vergeſſen.

Lambert. Ephraim ben Jehuda nennt er ſich. Heinrich. Nun denn, Ephraim ben Jehuda, ſo wiſſe, Gnaden, die der König erweiſt, lehnt man nicht ab. Du und der Andere, ſetzt Euch dort an den Tiſch.

(Ephraim und Süßkind kreuzen die Arme über der Bruſt, verneigen ſich tief, treten an den Tiſch der Bürger und nehmen an einer Ecke deſſelben Platz. Der König mit Präxedis an ſeiner Seite, die Herzöge und Biſchöfe, die er mit an ſeinen Tiſch ge⸗ nommen, haben ſich geſetzt; die Bürger von Worms und die beiden Juden haben ſich gleichfalls geſetzt; die ſächſiſchen Großen ſtehen in einer finfteren Gruppe um den Tiſch auf der Bühne unten; ſie haben die Arme untergeſchlagen, Keiner von ihnen hat ſich geſetzt. Das noch übrige Volk füllt links den Hintergrund der Bühne. Stadtknechte kommen von links, Becher auf Tellern tragend; ſie gehen an die Tiſche und ſetzen die Becher auf. Dabei kommen ſie auch zu den Sachſen, denen ſie, da ſie nicht ſitzen, die Becher anbieten. Die Sachſen lehnen kopfſchüttelnd ab.)

Hermann (zu den Stadtknechten).

Trinkt Euren Wein allein.

Heinrich. Sie wollen nicht mit uns trinken, die ſächſiſchen Herren?

Alle Sachſen.

Nein!

Heinrich. 25 So mögen fie zuſeh'n! Nehmt die Becher auf! (tes nimmt

die Becher zur Hand) Laſſet uns anſtoßen auf den Tag

60

Erſter Akt.

Sehnter Auftritt. Der Stadtknecht (eilend von rechts). Stadtknecht (ruft von der Thür aus). Herr König! (Heinrich blickt zu ihm hin) Zwei Edle find an der Thür: Gottſchalk und Adalbert. Heinrich (ſpringt auf).

Das find meine Boten aus Rom!

Stadtknecht. Und eine Frau mit ihnen.

Heinrich.

Der Frauen noch mehr? Um ſo beſſer! Herein!

Elfter Auftritt.

(Der Stadtknecht reißt die Thür hinter ſich auf.) Kaiſerin Agnes (kommt langſam von rechts. Sie iſt im härenen Bußgewande, den Strick um den Leib, die nackten Füße in ae. Gottſchalk und Adalbert (die hinter der Kaiſerin gefolgt ſind, bleiben an der Thür ſtehen). Agnes

(ſchreitet 1 9 die Augen ſtarr auf König Heinrich und Praxedis gerichtet, nach

der Mitte der Bühne zu. Indem ſie Präredis’ anſichtig wird, zuckt fie zuſammen,

bleibt ſtehen. Im Augenblick, da Agnes im Saale erſcheint, geht ein Flüſtern durch

alle Anweſenden: „Kaiſer Heinrichs Wittib!“ Alle, welche bereits geſeſſen hatten,

ſtehen auf und bleiben an ihren Plätzen ſtehen. Es herrſcht eine athemloſe Stille.

König Heinrich iſt leichenblaß geworden; ſeiner regungsloſen Haltung ſieht man die Erregung an, die ihn durchwühlt).

Heinr ich (mit heiſerer Stimme). Meine Mutter kommt Agnes. Deine Mutter kommt aus Rom. Eine Unglückliche fand ich auf meinem Weg.

Präxedis

(will ſchweigend von ihrem Platz an König Heinrichs Seite zurücktreten). Heinrich (wendet ſich jählings zu Präxedis).

Wohin wollt Ihr?

Präxedis.

Fort!

61

—» König Heinrich.

Heinrich (Hält fie an der Hand). Ihr bleibt! (Da Praxedis ſich ſträubt) Ich befehl’!

(Heinrich von der Nordmark tritt aus der Reihe der Sachſen heraus; Otto von Nordheim hält ihn zurück; es entſteht ein kurzes erregtes Flüſtern unter den Sachſen.)

Agnes.

An einem Orte fand ich ſie ich weiß den Ort nicht mehr es war ein elender Ort. Einen Knaben führte ſie an der Hand. Daran erkannte ich, daß ſie eines Mannes Weib war. Ich habe ſie gefragt: „Wo iſt Dein Mann?“ Sie wußte es nicht. „Knabe, wo iſt Dein Vater?“ Und der Knabe wußte es nicht. Ich bin gekommen, um den Mann zu ſuchen, der ſein Weib, den Vater zu ſuchen, der ſein Kind verſtieß heut hab' ich ihn gefunden und ſieh (e reckt die Hand nach König Heinrich) es iſt der Deutſchen König!

(Dumpfe ſchauernde Bewegung durch den ganzen *

Heinrich. Da meine Mutter ſelbſt es ſagt ſo hoffe ich ſie vergißt nicht, dab ſie zum Könige ſpricht. Agnes. Hier finde ich ihn an ſeiner Seite die Buhlerin! Pr äxedis (cchreit auf). Ich bin keine Buhlerin! Agnes. Die Buhlerin! Heinrich von der Nordmark (ſich wüthend gegen die Hände der Sachſen ſträubend, die ihn halten). Mein Weib iſt's! Präxedis (reißt ſich gewaltſam von König Heinrich los). Mit Gewalt hat er mich hergeführt an dieſen Platz!

Heinrich von der Nordmark. Zu mir her, Weib! Präxedis. An ſeiner Seite hat er mich gehalten mit Gewalt!

62

A

Erſter Akt.

Heinrich von der Nordmark. Sprich nicht mehr! Dein Mann wird für Dich ute

Er iſt auf ſie zugegangen, einige Stufen hinauf.) Präxedis

(kommt ihm von oben entgegen, wirft ſich in ſeine Arme).

Gebeten habe ich für meinen Mann

Heinrich von der Nordmark (reißt ſie rauh an ſich).

Nicht ſprechen ſollſt Du mehr!

Rudolf.

Führt ſie hinaus, Graf Heinrich, der König wird es nicht verbieten.

Heinrich (wirft den Kopf zu Rudolf herum).

Wer ertheilt hier Erlaubniß und Befehl?! «gu Heinrich von der Nordmark) Ihr mögt gehen, mit ihr. (Heinrich von der Nordmark mit Präxedis rechts ab. König Heinrich verſchränkt die Arme über der Bruſt, wendet ſich mit eifigem Lächeln an Agnes). Dies wäre abgethan was bringt die Frau Mutter mir für Geſchenke noch?

Agnes.

Heinrich!

Heinrich (mit kaltem Hohn).

Ich ſpreche aus alter Gewohnheit; wann empfing ich von meiner Mutter je Anderes als Gutes?

Agnes. Sprichſt Du ſo zu Deiner Mutter?

5 Heinrich (mit kaum mehr unterdrückter Heftigkeit). Zu meiner Mutter die fünfzehn Jahre lang nach mir nicht gefragt hat!

Agnes.

Fünfzehn Jahr' lang hab' ich nur Deiner gedacht Heinrich.

Immer im Büßerkleid? Agnes.

Im Büßerkleide und im Gebete zu Gott

63

—» König Heinrich.

Heinrich. So dank' ich meiner Mutter; ihr Gebet hat mir gefruchtet. Dort ſtehen meine Feinde, von mir beſiegt.

Agnes. Nicht darum hab' ich gebetet. Heinrich. Sondern um was? ö Agnes.

Für Deine Seele. Heinrich Gudt die Achseln). .

Meine Seele fragt Anno von Köln, was aus meiner

Seele geworden iſt; ihm habt Ihr ſie in die Hände gegeben. Agnes blickt hülfeſuchend umher).

Iſt denn hier Niemand, der für mich zum Herzen meines

Sohnes ſpricht? | Heinrich.

Laßt uns zur Sache kommen. Was bringſt Du mir von

Papſt Gregor?

Agnes. Weißt Du, daß ich von ihm komme? Heinrich. Er iſt meiner Mutter Beichtvater geworden. Agnes. Wenn Du weißt, daß ich von an fomme, jo laß uns abſeits geh'n. Heinrich. Weſſen Sünden ſind es, die Du ihm beichteſt? Agnes. Laß uns abſeits geh'n, daß ich Dir allein ſeine Botſchaft beſtelle. Heinrich.

Weſſen Sünden ſind es, die Du ihm beichteſt? 64

. ‚Erfter: Akt.

Agnes.

Die Deinen!

HE 12 114

Heinrich. . und was Du an Deinem Sohne thateſt, beichteſt Du das auch? Agnes (die uam mit den Händen bedeckend, ſinkt auf den Stufen nieder). O fürchterlich! | Liemar. Herr König! Das iſt wider Gott zu Menſchen und Natur!

50 Heinrich. Wider die Natur iſt's, Biſchof Liemar, Ihr habt Recht!

Wider die Natur iſt dieſer heutige Tag, wie alle Tage meines

Lebens es waren! (er ſchlägt ſich an die Bruſt) Die Sonne war in

dieſem Herzen und man hat ſie mir erſtickt! Der Schrei des

Kindes war in dieſem Herzen, das nach der Mutter verlangt,

und man gab mir dafür eine Litanei! Nach Liebe hab' ich

gehungert und man gab mir dafür einen Stein und verdammte mein lechzendes Herz zum Hungertod!

13 Rudolf. Dis gebt . länger ſo. Welf. Bib daf nicht ſein. Berthold. Das iſt unerhört.

ein * drohendes, lauter und lauter anſchwellendes Gemurr durch den ganzen Saal: „Unerhört! Unerhört! Unerhört!“

Heinrich (reckt die geballte Fauſt). Was murrt, was wollt, was ſprecht Ihr von unerhört? Unerhört iſt, was an mir verbrochen ward! Aber Einer hat's

Heinrich. 65 5

—ı König Heinrich. +

vernommen und bewahrt, ich ſelbſt! Und fo, im Feuer un- erhörter Schmerzen zum Eiſen geglüht, das nichts Weiches mehr kennt, hinausgewachſen übers Alltagsgewiſſen des Menſchen, ſteh' ich über Euch weh' dem, der ans ſchneidende Eiſen rührt! (Lautloſe Pause.) Ich habe Botſchaft geſandt nach Rom, angefragt bei Papſt Gregor, wann er mich krönen will als Kaiſer was ſagt Papſt Gregor mir zum Beſcheid?

Agnes (winkt Gottſchalk und Adalbert).

Ich kann nicht mehr redet Ihr.

(Gottſchalk und Adalbert treten heran.) Gottſchalk.

Papſt Gregor entbietet Gruß dem deutſchen König Heinrich und redet zu ihm ſo: „Ich habe Deine Hand in meiner Hand gehalten, als Du ein Knabe warſt, ich habe Deine Seele be⸗ gleitet bis zum heutigen Tage, ich war Dein Freund, ich bin Dein Freund und hoffe es zu bleiben.“

Heinrich (in nervöſer Unruhe).

Das Gleiche hoffe ich wann gedenkt Papſt Gregor

mich zum Kaiſer zu krönen? | Gottſchalk.

„Da nun zu Deinen Füßen liegen Alle, ſo Dir wider⸗ ſtrebt, da Du der Erſte biſt unter den Menſchen, der Ruhm⸗ reichſte und Mächtigſte ſo bitte ich Dich, König Heinrich, wie der Vater den Sohn, wie der Freund den Freund, ſei auch der Menſchen Frömmſter.“

Heinrich.

Wann gedenkt Papſt Gregor mich zum Kaiſer zu krönen? (Pauſe. Heinrich ſpielt mit nervöſer Hand am Schwertgriff) Wann gedenkt ö Papſt Gregor 5 |

Gottſchalk (tritt angſtvoll einen halben Schritt auf ihn zu).

Ich bitte Euch, König Heinrich, hört mich

66

Erfter Akt. —.

g Heinrich. Schon lange höre ich Dich. Gottſchalk.

Aufrichtig iſt des Papſtes Liebe; ſein großes Herz weiß nichts von Hinterhalt zweifelt nicht daran, König Heinrich Ihr kennt mich als Euren treueſten Diener zweifelt nicht daran, auch wenn

Heinrich. 8 Auch wenn —? Go ttſchalk (mit allen Zeichen innerer Unruhe und Angſt). Auch wenn Papſt Gregor heut noch nicht erfüllen kann, was Ihr begehrt. Heinrich. Ah —? | | Gottſchalk. Es iſt eine Frage der Zeit, König Heinrich! Nur für jetzt nur für den Augenblick Br Heinrich. Und warum nicht im Augenblick? Gottſchalk chebt die Hände). Theuerſter Herr Heinrich. Warum nicht? Gottſchalk. Laßt uns allein ſein, König Heinrich; unſere Botſchaft Euch allein zu ſagen, war des Papſtes Gebot. Heinrich. Warum nicht hier? Warum allein? Warum die Winkelzüge? Gottſchalk. Nicht Winkelzüge

67 5*

. König Heinrich.

Heinrich.

8 warum nicht hier vor allem Volk?

ö Gottſchalk. Weil Papſt Gregor zu Euch ſprechen will wie der Vater zum Sohn

Heinrich. . Heinrichs Sohn bin ich, nicht des Papſtes in Rom. Gottſchalk. | Biſchof Liemar helft redet ihm zu. Liemar. Um des Reiches willen Herr König Heinrich. Ich als Dein König befehle Dir, Gottſchalk, ſprich! Gottſchalk. f

Weil Ihr (er hebt noch einmal beſchwörend beide Hände auf) Herr König . Heinrich (über den Tiſch vorgebeugt). Weil ich G ottſchalk (läßt verzweifelnd Hände und Haupt ſinken). Weil Ihr nicht reif dazu ſeid.

| Heinrich.

Hal! Alle Sachſen (wild durcheinander). Hört, was der Papſt ſagt! Was der heilige Papſt ſagt! Gottſchalk.

Weil das Haupt, auf welchem die deutſche Kaiſerkrone ruhen ſoll, rein ſein muß wie der Berg, den friſch gefallener Schnee bedeckt, rein von der Sünde, unerreichbar für das Gemeine, unantaſtbar für den Verdacht. Und weil ihm Kunde geworden iſt, dem heiligen Papſt, daß es Bi König EN mit 1 nicht ſteht. |

68

Erſter Akt.

Alle Sachſen (wie vorhin). Hört, was der Papſt ſagt! Gottſchalk.

Darum, ehe daß er Euer Haupt mit dem dreimal heiligen Oele ſalbt, ehe daß er Eure Stirn mit dem geweihten Ringe umfängt, der alle Macht der getauften Welt umſchließt, ſollt Ihr beichten, König Heinrich

Heinrich (mit wildem Aufladen). Beichten?! | Gottſchalk. Nicht öffentlich, König Heinrich, nicht öffentlich, denn Papſt Gregor will Euch nichts anthun, was Euch ſchimpflich wäre

Heinrich. Beichten? Was? Gottſchalk. Ob es wahr iſt, daß Ihr Biſchofsſitze verkauft habt um Geld? Euer chriſtlich Ehegemahl von Euch geſtoßen habt | Heinrich. 105 Weil der römiſche Pfaffe mir's befiehlt? Gottſchalk (üntt in die Kniee, erhebt beide Arme).

Erkennt, daß er nicht anders kann! Erkennt, daß er väterlich zu Euch redet, milde und gerecht!

Heinrich. Daß er ein Mönch iſt, das erkenn' ich! Ein zucht entlaufener! a Gottſchalk (ſpringt auf). König Heinrich! Ein Schrei durch den ganzen Saal. König Heinrich! 69

-% König Heinrich.

Heinrich (kommt hinter dem Tiſche herum nach vorn).

Drei Päpſte hat Kaiſer Heinrich vom Stuhle geſtürzt! Gebt Acht, wie Kaiſer Heinrichs Sohn zum römiſchen Pfaffen ſpricht! (Er iſt bis an den Tiſch vorn gekommen, auf dem die Pergamente liegen, ſchlägt auf den Tiſch) Hier iſt, was man zum Schreiben braucht Biſchof Liemar, komm heran, ſetz' Dich an dieſen Tiſch und ſchreib'!

Liem ar (kommt zögernd).

Was ſoll ich ſchreiben?

Heinrich. Setz' Dich!

Liemar. An wen ſoll ich ſchreiben?

Heinrich.

Du wirſt's erfahren ſetz' Dich! (Liemar ſetzt ſich. Heinrich tritt mitten auf die Bühne, diktirt mit lauter Stimme) Heinrich, durch Gottes heilige Ordnung der König, alſo zu Hildebrand, dem falſchen Mönch, dem angemaßten Papſt, der von heute nicht mehr Papſt iſt

Liemar (wirft die Feder fort).

Das ſchreibe ich nicht!

Heinrich.

Liemar?!

Liemar (ſpringt vom Stuhle auf).

Nimmermehr!

Heinrich. Auch Du bei meinen Feinden? Liemar.

Der wäre Euer ſchlimmſter Feind, der e Br für

Euch ſchriebe!

70

Erfter Akt.

| Heinrich. Benno von Osnabrück, komm Du heran. Benno. Nein, Herr König! | Heinrich. Eppo von Zeiz! Eppo.

Nein, Herr König!

Heinrich (ſtampft mit dem Fuße).

Nein, Herr König nein, Herr König aufſäſſige Rebellen!

Liemar. 5

Nie find wir Euch treuer geweſen als jetzt! cer ſinkt vor Heinrich in die Kniee, ergreift ſeine Hände) König Heinrich, ich bin Euch gefolgt, ich habe Euch gedient, ich habe Euch geliebt kommt zu Euch, König Heinrich, ſchreibt dieſe Worte nicht! Wuth hat ſie eingegeben Fluch wird die Antwort ſein! Ein Feuer zünden Eure Worte an, ein freſſendes Feuer! Wer ſagt Euch, was es verſchlingen, wo es endigen wird?

Heinrich

(blickt über den knieenden Liemar hinweg auf Wezel und Burkhardt).

Ha, wie ſie daſtehen Wezel und Burkhardt, alle beide (plötzlich auffahrend) Nun weiß ich, wer mir den Brief ſchreiben wird Du biſt ja ein Meiſter der Schreibkunſt Burkhardt von Halberſtadt, her an den Tiſch!

Burkhardt. Ich ſoll? Heinrich.

Den Brief mir ſchreiben ſollſt Du an Hildebrand, den falſchen Mönch! Burkhardt. Das thu' ich nicht!

König Heinrich. *-

Heinrich. | Du thuſt es nicht? Auft nach rechts) Ruft meine Gewaffneten herein! Burkhardt. f 0 Das iſt Gewalt! : Alle Sachſen, alle Herzöge, alle Biſchöfe. Das iſt Gewalt! Heinrich. Königs Wille iſt Deutſchlands Geſetz!

Swölfter Auftritt.

Ein Haufe gewaffneter Krieger (dringt von rechts durch die aufgethane Thür herein und bleibt ſtehen).

Heinrich. n von Halberſtadt, ſchreibſt Du den Briefe Burkhardt. Ich ſchreibe ihn nicht! Heinrich (zu den Gewaffneten). FEN Zieht Eure Eiſen! (Die Gewaffneten ziehen blank.) Burkjarbtv von Halberſtadt, ſchreibſt Du den Brief?

Burkhardt. Nein! Heinrich (zu den Gewaffneten, auf Burkhardt zeigend). 5

Seht Euch den Mann dort an: hab' ich bis drei gezählt und er ſitzt nicht am Tiſche und REN jo werft ihm den Kopf auf den Tiſch!

Burkhardt.

Gott Du da droben, hörſt Du das? Siehſt Du das? Duldeſt Du das? Liemar.

König Heinrich König Heinrich! Benno und Eppo c(fürzen Herzu). Was thut Ihr, König Heinrich! Was thut Ihr?

72

Erſter Akt.

Heinrich. * zähle eins! Burkhardt. tio von Nordheim! Helft! Otto von Nordheim. N | Rudolf, Berthold und Welf, Herzöge des Reichs, ſeht Ihr dem ungeheuren Frevel zu? Rudolf. Wir dürfen es nicht dulden! Berthold und Welf.

n, es nicht dulden! eee Heinrich.

Aber Ihr werdet es dulden! ee von e ich 2 zwei! 411 g Burkhardt (ſtreckt beide Fäuſte gegen Heinrich aus).

2 0 0 Satan! Satan! (Er bricht auf dem Stuhl am Tiſche nieder Aber neben meine Schrift daß Ihr es wißt zum Zeichen, daß ich unter der Gewalt geſchrieben zeichne ich die Lanze!

Heinrich.

Zeichne Lanzen, ſo viele Du willſt, aber ſchreib', was ich jage: (er dittirt wie vorhin) „Weil Du Dich aufgeworfen haft zum Richter über Meigewonte Könige Du, der Du ſelbſt ein Simoniſt biſt | | 1 Burkhardt (wirft die Feder fort).

Das iſt nicht wahr!

Liemar. Nein, es iſt nicht wahr! Eppo und Benno.

Kein Simoniſt iſt Papſt Gregor!

Heinrich (thut einen halben Schritt auf Burkhardt zu).

„Der Du ſelbſt ein Simoniſt biſt!“ (Burthardt nimmt die Feder auf, ſchreibt weiter) „Der Du den Stuhl, darauf Du ſitzeſt, erſtiegen haft und erſchlichen mit Beſtechung, Liſt und Gewalt —“

73

König Heinrich. +

Bur kh ardt (ſträubt ſich in Verzweiflung).

Ah ah ah „(Das murrende Geflüſter rings im Saale wächſt ſtärker und ſtärker an, ſo daß der König, um es zu übertönen, genöthigt wird, immer lauter zu ſprechen.)

Heinrich. „Weil Du Dich zum Richter aufgeworfen haſt über Anderer Sitte und Seele, Du, der Du N in Be Schande mit anderen Mannes Weibe lebſt

Agnes (ährt auf). Von wem redeſt Du Menſch? Heinrich. Von Mathilde, der Burggräfin von Canoſſa, 99 Gottfriedens Weib!

Agnes (ſteht auf, ſtreckt beide Arme aus).

Zum Zeugen ruf' ich den eee Gott: gelogen iſt, was Jener ſpicht!

Alle Sachſen

Gelogen! Gelogen!

Agnes.

Geläſtert und gelogen!

3 Heinrich.

„Der Du in Buhlſchaft lebſt mit anderen Mannes Weib ſo ſage ich Dir: ein Anderer ſoll Papſt ſein an Deiner Statt, ein Beſſerer als Du! So gebiete ich Dir: ſteig' herunter vom Stuhle, dahin Du nicht gehörſt, herunter! Herunter!“

Liemar.

Das iſt Gottesfrevel!

Ein Schrei durch den ganzen Saal.

Gottesfrevel!

Liemar.

Laſſet uns nicht bleiben, wo dieſer iſt, daß wir nicht

theilhaftig werden ſeines Untergangs!

74

Far Eifer Akt.

Rudolf. Laſſet uns fort und hinaus! Alle Herzöge, Biſchöfe, alle Bürger (im Entſetzen durcheinanderſchreiend). Laſſet uns fort und hinaus! Fort und hinaus! Fort und hinaus!

(Es entſteht ein wüſter Tumult; Alles drängt flüchtend nach rechts und links zu den Thüren, um den Ausgang zu gewinnen.)

H einri ich (wendet ſich). Was bedeutet das?

(Die Bewegung der Flüchtenden ſtockt; rechts und links ballt ſich Alles zu dichten Haufen; die vordere Bühne iſt leer.)

Agnes (ſteht hoch aufgerichtet).

Das bedeutet den Sturm, der die Blätter vom Baum

reißt, zum Zeichen, daß das Ungewitter naht! Heinrich.

Welke Blätter reißt der Sturm herab, und welke Blätter ſind Spreu! Für jeden Feigling, der mich verläßt, ſtehen drei Männer auf in meiner Seele. (er geht an den Tiſch, unterzeichnet ſtehend den Brief, dann rafft er das Pergament auf) Ulrich von Godesheim (Godesheim tritt hinzu. Heinrich übergiebt ihm das Pergament) Morgen reitet mir der Bote nach Rom. |

(Vorhang fällt.)

e Ende des erſten Aktes.

I Qu

Zweiter Akt. Erſte Scene.

Das Kirchenſchiff der Baſilika Sancta Maria Major in Rom. Im Hintergrunde

der Bühne der Hochaltar, vor welchem, nach vorn zu, der Thronſeſſel des Papſtes,

etwas erhöht, ſteht. Es iſt dunkel; am Hochaltar brennen Wachskerzen, die der

Bühne Licht geben. Chorknaben mit ee Lichtern dicht hinter dem päpſtlichen Stuhl.

Erſter Auftritt.

Papſt Gregor (ſitzt auf dem Thronſeſſel). Abt Hugo von Clugny, Biſchof

Otto von Oſtia (ſtehen rechts und links vom Thronſeſſel des Päpſtes). Der

Präfekt von Rom (in voller Rüſtung, ſteht rechts vorn auf der Bühne). Ceneius

(in der Rüſtung, die Arme auf den Rücken geſchnürt), Ritter Gerbald (in Büßer⸗

tracht), ein Tempelwächter (ſtehen hinter dem Präfekten). Der Raum zwiſchen

dem Thronſeſſel und dem Hochaltar iſt von Klerikern, der rechte und linke Theil der Bühne vorn von Männern und Frauen des römiſchen Volkes gefüllt.

(Indem der Vorhang ſich hebt, vernimmt man den verhallenden Geſang der Kleriker):

Er wird zerbrechen das Haupt des Gewaltigen Er wird ausrotten den Ungerechten Aber in n Ewigkeit leben und bleiben wird der Gerechte. (Pauſe.) Gregor. Wenn Du Männer vor unc zu führen haſt, Präfekt, ſo führe ſie mir vor. Präfekt. Heiliger Papſt, es ſind noch Andere vorhanden, die nach Deinem Ohre verlangen, wichtiger als dieſe. Gregor. Wer?

76

7 ä * 8 a . i

weiter Akt.

| Präfekt. em: von Heinrich, dem deutſchen Könige. 917117 (Pauſe.) Gregor. Dort ſtehen Männer in Ketten, Männer im Bußergewand

wichtiger, als Königs-⸗Botſchaft zu hören, iſt es, Ketten zu

löſen und Seelen aufzurichten, die nach dem Heile verlangen. Laß Heinrichs Boten warten.

Präfekt

(packt Ceneius an der Schulter und ſtößt ihn nach vorn, fo daß er in die Kniee fällt).

Dieſen hier kennſt Du, Cencius iſt es, der Graf, Stephans Sohn, der Uebelthäter ſchlimmſter! Gregor. Weſſen iſt Cencius angeklagt?

Präfekt. Du kennſt ſein Verbrechen, denn an Dir ſelbſt hat er es

verübt! Du weißt, daß er eingebrochen iſt mit ſeinen Reiſigen

in dieſe heilige Kirche, Dich hinweggeriſſen hat vom hohen Altar, Dich auf ſein Kaſtell geſchleppt und dort gefangen ge— halten hat, bis daß wir ſein Kaſtell erſtürmt und gebrochen und Dich von ihm befreit haben, wir Dein getreues Volk von Rom!

Gregor. eins, bekennſt Du Dich ſchuldig? . Cencius (mit dumpfen Lauten). Schuldig! Schuldig! Gregor. Was Du gethan haſt vor Aller Augen dieſe Alle

haben es geſehn was Du mir gethan haſt, als wir einſam

waren und allein in Deinem Kaſtell, vor dieſen Allen hier

beichte es.

—4 —4

enn N | i

Hönig Heinrich..

| Cencius. | |

Ich beichte, daß ich das Schwert gezückt habe wider Dich, daß ich das Schwert geſchwungen habe über Deinem Haupte, weil ich Dir Güter erpreſſen wollte, nach denen mein Herz verlangte!

Gregor (wendet halb das Haupt). Männer der Kirche welche Strafe hat Cencius ver⸗ dient? Die Kleriker. Als Räuber, den Tod! Gregor. Männer des Volkes welche Strafe hat Cencius ver⸗ dient? | | | | Das Volk don rechts und links). Als Räuber, den Tod! a (Pauſe.) Gregor.

Kleriker und Laien, Ihr irrt dieſer hat gefrevelt; aber nicht an der Kirche, ſondern nur an mir, an Gregor dem Menſchen wer da Frevel thut am Menſchen, dem kann vergeben werden; beſſer als ſein Tod iſt, daß er lebe und Buße thue. Cencius willſt Du Buße thun?

Cencius. Will Buße thun. Gregor.

Willſt hinziehen nach Jeruſalem, beichten, beten und büßen am Grabe des Erlöſers? | Cencius.

Will beichten, beten und Buße thun am Grabe des Er⸗ löſers.

Gregor (u dem Präfekten).

Thu' ihm die Ketten ab. (der Präfekt schließt Ceneius die Ketten

auf, dieſe fallen nieder. Zu Cencius) Hebe Dich auf vom Boden

78

weiter Akt.

Geneius ſteht auf) Cencius, der Du ein Räuber warſt, Cencius, der Du mein Bruder biſt (er reckt die Hand nach ihm) geh’ hinaus von hier, kehre wieder von Jeruſalem und ſündige hinfort nicht mehr. Cencius (kürzt auf Gregors Hand, bedeckt fie mit Küſſen). Du biſt heilig! Du biſt heilig Hugo. Wahr iſt's, was dieſer ſagt Alle (in Extaſe ausbrechend). Heilig! Heilig! Heilig! Gregor (reckt gebietend die Hand ſofortige Stille).

Heilig iſt die Kirche Gregor iſt ein Menſch, elend und ſchwach, wie Menſchen ſind! (Pauſe. Gregor blickt auf Gerbald) Der Mann dort im härenen Gewand? Wer iſt's?

g Präfekt (bedeutet Gerbald, vorzutreten). a

Gerbald nennt er ſich, der Wallone; ein flandriſcher Ritter.

(Gerbald ſinkt in die Kniee.) Gregor. Was bringſt Du mir? Gerbald (reckt beide Hände aus). Dieſe Hände! Von dieſen Händen erlöſe mich!

Gregor. Was iſt mit Deinen Händen?

Gerbald.

Mord iſt daran! Blutſchuld und Verrath! Gregor.

Beichte genauer wer war es, den Du erſchlugſt? Gerbald.

Arnulf, der Graf von Flandern und ich war ſein

Vaſall!

Gregor.

So erſchlugſt Du, Unſeliger, Deinen eigenen Herrn? 79

—. König Heinrich. +

4111 Gerbald cgheulend). ir Pd Erſchlagen hab' ich meinen eigenen Herrn! Als er mir zur Seite ritt, bei Bavinkhoven in der Schlacht! Erſchlagen hab' ich ihn, weil Robert der Frieſe mich beſtach mit dreimal verfluchtem, hölliſchem Geld! Zwei Mörder, laufen dieſe Hände mit mir mit! Dir bring' ich ſie dar Du erlöſe mich davon. Durch die Welt bin ich gerannt vor jedem Gnadenbilde hab' ich gekniet in jeden Weihbrunn dieſe Hände getaucht Niemand hat mir geholfen Niemand hat mich erlöſt Du erlöſe mich großer Papſt von Rom! Thu' den Mund auf und laß Dein Wort hervorgehen aus Deinem Munde Dein Wort wird meine Seele niederzwingen zur Ruhe den Schatten des Erſchlagenen bannen von meinen Augen denn Du haſt Macht über Seelen und Leiber, * 850 heilig, heilig und gerecht!

Gregor. IR | Buße willſt Du thun? Deine Hände mir darbringen, Deine mordbefleckten? |

Ä Gerbald. ER Buße will ich thun; meine Sinne Dir wache meine mordbefleckten.

Gregor. Streck' aus Deine Hände, dal, ich ſie Dir vom Arme hauen laſſe.

Gerbald (ſtreckt beide 8 aus). Hier ſind ſie Gre or.

Zieh' Dein Schwert aus, Präfekt! (Der Präfekt zieht; das Volt rechts und links, die Kleriker hinten drängen heran, das Schauſpiel zu ſehen.)

Greif' ſeine Rechte! Wenn ich Dir's ſage, ſchlage zu.

(Der Präfekt tritt auf Gerbald zu.)

80

> Sweiter Akt.

Gerbald (ſtreift den Aermel auf und hält den nackten rechten Arm hin). Nicht die Hand allein nimm den ganzen Arm und hau' ihn herunter! (Der Präfekt, auf Gregor blickend, ſeines Winks gewärtig, packt Gerbalds Hand). Gregor (zu Gerbald). | Und was willſt Du beginnen, wenn Du ohne Arme biſt?

Gerbald. Betteln am Weg verenden unter den Fußtritten derer, die vorübergehn, und Dich ſegnen, wenn ich verende, der Du mir gerechte Buße auferlegt haſt.

Gregor. Stecke Dein Schwert ein, Präfekt! (Der Präfekt tritt zurück, birgt das Schwert.) Kleriker und Laien ſehet hier einen Sünder

ohnegleichen ſehet hier einen bußfertigen Mann! Gerbald der Wallone, hör' was ich ſage: Dir ſoll nicht vergeben werden heut, Dir ſoll nicht vergeben werden morgen noch über Woche und Mond aber einmal ſoll Dir vergeben werden.

Gerbald. Vergeben ſoll mir werden?!

Gregor.

Du ſollſt hingehen zu Hugo dem Abt. In Clugnys ſtrengem Kloſter wird er Dich einſetzen zu Buße, Strafe und Pein. Aber Deine Hände ſollſt Du mit Dir nehmen. Und wenn die Stunde kommen wird, da ich ausziehe mit dem Heerbann der Chriſtenheit gen Jeruſalem, um das Grab des Erlöſers den Händen der Heiden zu entreißen, dann ſollſt Du hervorgehen aus Clugnys Kloſter, auf die Bruſt Dir heften das heilige Kreuz und Deine Hände gebrauchen, Deine mord- Acer, für Chriſtus und die heilige Kirche.

Gerbald (ſpringt auf). Das will ich!

Heinrich. 81 6

—. König Heinrich.

Gregor.

Und an dem Tag, wenn Du als Erſter die Mauer der heidniſchen Veſte erſteigen wirſt ſoll Deine Sünde Dir vergeben ſein. |

Gerbald. An dem Tage ſoll mir vergeben fein

Gregor. An dem Tage ſoll Dir vergeben ſein. Gerbald

(ſtürzt einen Schritt auf Gregor zu, 75 u zu Füßen, wirft die Hände auf den en).

Daß ich den Fuß Dir küſſe Deinen heiligen Fuß nicht mit meinen Händen will ich ihn berühren auf dem Rücken falt' ich meine Hände ſei geprieſen, (er drückt die Lippen auf Gregors Fuß) kämpfen will ich für Chriſtus und die heilige Kirche! (Er küßt ihm noch einmal den Fuß) Sei geſegnet! (er kußt ihm zum dritten Male den Fuß) Für Chriſtus und die heilige Kirche! Denn Du biſt heilig, heilig und gerecht!

Das Volk und alle Kleriker en wüthender Begeifterung).

Heilig! Heilig! Heilig!

5 Gregor (wie oben).

Heilig iſt die Kirche Gregor iſt ein Menſch, elend und ſchwach, wie Menſchen find. (pauſe. Zu dem Präfekten) Noch Einen ſeh' ich, der meines Spruches 15 wer iſt der Dritte dort, es 10

Präfekt |

Donadeus iſt es, heiliger Papſt, Einer von den Laien⸗ dienern an Sankt Peters heiliger Kirche. (er ſchiebt Donadeus nach vorn) Ich klage ihn an, daß er, der ein Laie iſt, ſich verkleidet hat als geweihter Prieſter, fremdländiſchen Pilgern, die ihn nicht kannten, die Meſſe geleſen und Geld von ihnen genommen hat, das ſie niederlegten auf Sankt Peters Altar.

82

—. Sweiter Akt.

Gregor. Iſt das wahr, was man gegen Dich vorbringt?

Donadeus. Nein, heiliger Herr Papſt! Präfekt. Ja, heiliger Papſt, es iſt, wie ich ſage. Donadeus. Ich will Zeugen ſtellen, daß ich unſchuldig bin! Gregor. Du Narr mit Deinen Zeugen hier tritt her ſieh mir ins Geſicht! Donadeus a (tritt ſchwankend einen Schritt auf Gregor zu, verſucht ihm ins Geſicht zu ſehen). Ich ich (er hält beide Hände wie abwehrend vor das Geſicht). Gregor. Die Hände laß von Deinen Augen ſieh mir ins Geſicht! Donadeus bedeckt ſich das Geſicht mit beiden Händen). In Deinen Augen iſt das Gericht! (er taumelt, ſintt in die Knie.) (Pauſe.) | Gregor. Männer der Kirche was hat dieſer da verdient? Die Kleriker. Geldbuße und Verbannung.

Gregor. Männer des Volks, was hat dieſer da verdient? Das Volk. Geldbuße und Verbannung. Gregor. Kleriker und Laien, Ihr irrt dieſer hier, der zum Diener beſtellt am Schreine Gottes, heilſuchende Menſchen be— logen hat und betrogen um ihr Heil ex ſteht vom Size auf.)

Dieſer Menſch ſoll ſterben den Tod! 83 6*

—. König Heinrich.

Donadeus. Gnade! Gregor. Aus meinen Augen

Donadeus. Was ich gethan, haben Andere vor mir gethan in Verbannung haben die Päpſte ſie geſchickt, aber Keiner von ihnen hat ſterben müſſen dafür!

Gregor. Alſo dann ſollſt Du der erſte ſein, der dafür ſtirbt! Donadeus. Gnade Gregor.

Greif ihn, Präfekt! Führ ihn hinaus auf den Platz an Sankt Peters Dom, geißle ihn vor allem Volk, und wenn Du ihn gegeißelt haſt, binde ihm Hände und Fuße und wirf ihn in den Strom.

Der Präfekt

winkt ſeinen Häſchern, die rechts hinter ihm in der Ecke ſtehen; die Häſcher ſtürzen ſich auf Donadeus).

Donadeus (windet ſich unter den Händen der Häſcher). Gnade (er wird fortgeſchleppt).

Präfekt. Fort Dir geſchieht Dein Recht! Gre gor cChochaufgerichtet).

Sehet an die Welt, und ſehet die Nacht der Sünde, die auf der Erde liegt: Wie die Wölfe bellend umhergeh'n im finſtern Wald, ſo ſchreitet die Gewaltthat durch die Welt. Wie die Kröte ſich über den Weg dahinwälzt, ſo kriecht die Hab⸗ ſucht durch die Seelen der Menſchheit! Eine Opferſchaale voller Duft, ſo lag die Erde vor Gott am Tage, da er ſie er⸗ ſchuf ein Gefäß voll ſtinkendem Unrath, das iſt ſie geworden

84

weiter Akt.

durch die Sünde der Menſchen. Hier zu Gott erheb' ich die Hand: ein Haus will ich bauen, darinnen Gott wohnen könne auf der gottlos gewordenen Erde.

Hugo.

Geprieſen ſei Gott, der den rechten Verwalter gefunden und beſtellt hat.

Gregor.

Aufbauen will ich das Haus der Kirche, ſtark wie Demant, rein wie Demant, die Erde überwölbend vom Aufgang zum Niedergang, ein Aſyl den Verfolgten, eine Stätte dem Heil, ein Wohnort der Gerechtigkeit.

5 Hugo.

Amen ſo ſei es.

Kleriker und Laien.

So ſei es! So ſei es!

Gregor.

Darum, Ihr Geiſtlichen, ich ſpreche zu Euch: Wer da berufen iſt zum heiligen Amte und anders daran geht, als mit reinen Händen, der ſei verflucht. Gefäße Gottes ſollt Ihr ſein, Eure Seelen mit Gedanken der Ewigkeit erfüllt. Laſſet hinter Euch Silber und Gold ſeid arm! Nur wer arm iſt am Gold, der iſt reich in der Seele! Laſſet hinter Euch das Weib und die Liebe zum Weibe ſeid keuſch! Nur wer frei iſt vom Gelüſt, der iſt von der Erde frei! Und hört mich, Ihr Laien, ich ſpreche zu Euch: Wie der Menſch außblickend zum Himmel, zur Sonne und zu den Sternen der Nacht, die er ſieht, aber nicht begreift, vor dem Weltall erbebt und Zu: flucht ſucht im Glauben an den, der das Unbegreifliche begreift, das Unermeßliche ermißt alſo vor der Kirche ſollt Ihr er— beben, und zu ihr, vor der Ihr erbebt, ſollt Ihr flüchten und an ſie glauben denn die Kirche iſt ewig und heilig und groß, und Ihr ſeid vergänglich und fündig und nichts!

85

König Heinrich.

Hugo (fniet nieder).

Laſſet uns niederknieen vor dieſem.

(Kleriker und Laien ſinken in die Kniee.) Abt Hugo.

Du, neben dem ich als Freund geſtanden habe und in deſſen Größe ich mich jetzt berge, wie die Schwalbe, die ihr Neſt an den ragenden Thurm hängt, laß die Kraft Deiner Seele ausgehen über uns, die wir ſchwach ſind, ſegne uns!

Kleriker und Volk.

Segne uns!

(Gregor erhebt feierlich ſegnend die Rechte und macht in Lüften das Zeichen des Kreuzes, dann winkt er ihnen, ſich zu erheben; alles erhebt ſich.)

1 | Gregor (fest ſich). Führt mir die Boten König Heinrichs vor.

(Der Präfekt geht rechts zur Seite; von daher dringt Fackelſchein herein und Stimmen⸗ gewirr.) :

Sweiter Auftritt. Gottſchalk (eine Pergamentrolle in Händen), Hermann der Billunge, Eckbert

von Meißen, Heinrich von der Nordmark (kommen von rechts. Hermann, Eckbert und Heinrich ſind verwildert an Bart, Haar und Tracht.)

Gottſchalk (kommt eilig vor Gregor). Bevor ich zu ſprechen anfange, laß Dir ſagen, heiliger Herr, daß dieſe (er zeigt auf die Sachſen, die ihm auf dem Fuße folgten) Un⸗ gerufen eingetreten ſind

Hermann (mit einem leidenſchaftlichen, gellenden Lachen). Ungerufen, aber unabweislich und unerläßlich. Eckbert (in gleicher Erregung).

Und nicht ungehört werden wir gehn! Gottſchalk.

Sie ſind es nicht, die König Heinrich ſchickt. Hermann.

Wir kommen in eigenem Auftrag.

86

+ Sweiter Akt.

Gregor (der ſtaunend auf die Gruppe geblickt hat).

Wer ſeid Ihr? Warum drängt Ihr Euch herein? In weſſen Auftrag kommt Ihr? | Hermann.

Im Auftrag unſerer Noth!

Eckbert.

Weil wir gehört haben, daß Du Teufel austreiben kannſt, darum kommen wir! Damit Du uns erlöſeſt von dem Teufel! Heinrich von der Nordmark.

Stoß' ihn herunter vom Stuhl! Gieb uns einen anderen König.

Hermann.

Einen anderen König gieb uns.

Gregor.

Wer ſeid Ihr?

Hermann.

Deutſche Fürſten ſind wir. So ſehen die Fürſten in Deutſchland aus, ſeit dieſe Peſt uns beherrſcht.

Eckbert (reckt den Arm).

Sieh hier an meinem Arm die Narben von ſeinen Ketten.

So behandelt er die Fürſten ſeines Landes. Heinrich von der Nordmark. Aus ſeinen Ketten ſind wir entfloh'n mit Gefahr an Leben und Leib! Hermann. Erlöſe uns von ihm! Erlöſe uns von ihm! Hugo (tritt einen Schritt vor). 3 wei von Euch kenne ich! Du biſt Hermann der Billunge, Ordulfs Bruder.

Der bin ich.

Hermann.

Hugo. Und Du Eckbert von Meißen.

87

—. König Heinrich.

Eckbert.

Kein Anderer.

Hugo.

Damit Du Dich erinnerſt, Gregor, dieſe Beiden waren es, die Heinrich den Knaben ſeiner Mutter raubten.

Eeckbert. Raubten? Hugo. Raudten und ſtahlen! Hermann. Hat der Teufel denn ſogar Freunde in Rom? Gregor. a Wüthender! Hermann.

Nein, laß uns nicht ſchweigen! Um zu ſprechen, ſind wir gekommen! Damit Du uns hörſt, ſind wir gekommen! Als Deine Bundesgenoſſen ſind wir gekommen!

Gregor. Wer hat nach Eurer Bundesgenoſſenſchaft gefragt? Hermann. |

Verzweiflung wartet nicht, bis man ſie fragt, die ſpricht von ſelbſt! Wir ſind verzweifelte Männer!

Eckbert. |

Verzweifelt wie Alles, was fih Deutſcher nennt!

Heinrich.

Und wenn Du uns nicht hören willſt, höre 825 ſelbſt;

höre die Botſchaft, die er Dir ſchickt!

Hermann. Höre die Botſchaft, die er Dir ſchickt.

Gregor. Wie ſoll ich ſeine Botſchaft hören, wenn Ihr den Boten nicht zu Worte kommen laßt? (Zu Gottſchalt) Du biſt Gottſchalk,

88

4

ee Akt.

dem ich Botſchaft auftrug an König Heinrich haſt Du ſie ihm beſtellt? Gottſchalk. Ich habe ihm Deine Botſchaft beſtellt. Gregor. Bringſt mir ſeine Antwort?

Go ttſch alk (geſentten Hauptes). Ich bringe Dir ſeine Antwort. | Gregor. So verkünde ſie. Hermann daß lachend. Verkünde ſie, Gottſchalk!

Eckbert. Komm heraus damit, Gottſchalk!

Gregor. Muß ich Euch den Mund verbieten? (gu Gottſcalt, ber zogernd, die Rolle in Händen, ftebt.) Warum zögerſt Du?

Hermann (creiend). a er ſich fürchtet. Gottſchalk. Schweigt, ſchweigt. Hermann. Weil er nicht wagt, zu leſen, was der Bube Dir ſchreibt! Er reißt Gottſchalk das Papier aus der Hand.) Laß mich leſen! Gregor. Ihm kommt es zu, ſie zu leſen; gieb ihm die Botſchaft zurück. Hermann (giebt Gottſchalk das Pergament zurück). So werden wir acht geben, daß Du nichts ausläßt. Gottſchalk (zu Gregor). Aber Du wirſt den Boten von der Botſchaft trennen.

89

König Heinrich.

Gregor. Lies Deine Botſchaft. Gottſchalk.

Reich' mir Deine Hand zuvor zum Zeichen, daß Du es

wirſt. Gregor (reicht ihm die Hand).

Lies Deine Botſchaft.

| Gottſchalk

(beugt ſich auf Gregors Hand, küßt ſie, richtet ſich auf, entfaltet das Pergament, lieſt). Heinrich, durch Gottes heilige Ordnung der König, alſo zu Hildebrand, dem falſchen Mönch, dem angemaßten Papſt, der von heute ab nicht mehr Papſt iſt. Präfekt. Ah hört! Hermann diireiend). Ja hört Ihr's? (Ein dumpfes, unwilliges Gemurre durch die ganze Kirche.) Gregor (erhebt die Rechte, Ruhe gebietend). Lies weiter! Gottſchalk dieſy. Weil Du Dich aufgeworfen haſt zum Richter über gott⸗ gewollte Könige, Du, der Du ſelbſt ein Simoniſt biſt. (Stärkeres Murren Gregor hebt wie vorhin die Hand.) Gottſchalk (ieh. Der Du den Thron, darauf Du ſitzeſt, erſtiegen haſt durch Beſtechung, Liſt und Gewalt Präfekt. Nicht weiter ſoll er leſen! Hermann an wildem Hohn). Laßt ihn weiter leſen! | Alle. Nicht weiter!

90

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weiter Akt. *—

Hermann. Laßt ihn zu Ende leſen, damit Ihr das kennen lernt, was ſich der Deutſchen König nennt. Gregor (donnernd). Schweigt Alle! Lies weiter. Gottſchalk aiem. Weil Du Dich zum Richter aufgeworfen haſt über Anderer Sitte und Seele, der Du ſelbſt (er unterbricht ſich)

Gregor. Der Du ſelbſt —? Gottſchalk. Der Du ſelbſt Hermann.

Er getraut ſich nicht laß mich leſen! (er will wieder nach

dem Pergament greifen.) Gregor. 5 Gottſchalk, lies weiter der Du ſelbſt? Gottſchalk aieſt ſtammelnd). In Buhlſchaft lebſt mit anderen Mannes Weib. Präfekt. Läſterung! Alle. Läſterung! Läſterung! Gregor (richtet ſich im Stuhle auf). Bei meiner Strafe (Alles verſtummt. Zu Gottſchalt) Lies weiter. Gottſchalk dien. So ſage ich Dir: ein Anderer ſoll Papſt ſein an Deiner Statt, ein Beſſerer als Du; ſo gebiete ich Dir, ſteige herunter vom Stuhle, dahin Du nicht gehörſt, herunter, herunter.

Präfekt (ſtürzt auf Gottſchalk zu, entreißt ihm das Pergament). Und das wagſt Du hier zu verleſen, im Angeſicht des heiligen Papſtes?

91

8 e Dt

König Heinrich. +

Alle. Erſchlagt ihn! (Sie dringen im Tumult auf Gottſchalk ein.) Gottſchalk. Rette mich! (er wirft ſich Gregor zu Füßen.)

Gregor citeht auf). Die Hände von dem Mann! | (Alles weicht zurück.) Hermann drängt ſich zu Gregor).

Haſt Du ihn nun erkannt? Weißt Du jetzt, wer er iſt? Iſt es noch Unrecht, wenn wir Dich zu Hülfe rufen wider ihn? Iſt es das? Iſt es das? i

Gregor.

Aus meinen Augen Ihr! Ihr habt die verwilderte Seele geſchaffen, aus welcher ſolche Worte kommen. Heinrich der Du wie eine Knoſpe aufgingeſt im deutſchen Wald auf Deine Blüthe habe ich gewartet und gehofft Heinrich es iſt ſchade um Dich! (Er ſinkt auf den Stuhl, bedeckt die Augen. Tiefe Pauſe. Gregor erhebt ſich, nimmt einem der hinter ihm ſtehenden Chorknaben das brennende Licht aus der Hand, hebt es empor) Seht dieſes Licht und ſehet darin den Menſchen. Reines, dem Unreinen gemiſcht, läßt ſeines Lebens Flamme ſprüh'n. Gutes war in Heinrich, und Böſes. Das Leben hat gebrannt; das Wachs iſt geſchmolzen, geblieben iſt die Schlacke. Was er gegen Gregor geſagt hat Heinrich dem Menſchen verzeiht es Gregor der Menſch was er gegen das Haupt der heiligen Kirche geſagt hat, dafür ſei Heinrich verflucht. (pauſe.) Darum verbiete ich allen Chriſten, Dir zu dienen als einem Könige, ſpreche ſie los vom Eide, den ſie Dir geſchworen. Du Finſterniß, die ſich auflehnt wider das Licht kehre zurück in die Nacht, (er bläſt das Licht aus) Du Welle, die ſich aufbäumt wider den Ozean, kehre zurück in das Nichts. (Er wirft die Kerze zu Boden.) Keine Glocke ſoll läuten in der Stadt, wo Heinrich wohnt, keine Kirche ſich öffnen, kein

92

Sweiter Akt.

Sakrament geſpendet werden den Gläubigen da wo er wohnt, da wohne der Tod. Laßt meine Legaten hinausgeh'n und mein Wort verkündigen der Welt. Hermann. Hier ſtehen Deine Legaten, Deine Sendboten ſind wir! Er rafft die Kerze vom Boden auf) Und das hier tragen wir vor uns her!

Gieb die Kerze e geweihte, ſie gehört nicht in Deine Hand.

Hermann.

Den will ich ſeh'n, der mir die wieder nimmt! Zehn— tauſend Keulen, mit Stacheln bewehrt, ſind nicht, was die hier iſt! Habe Dank, großer Papſt!

Eckbert und Heinrich von der Nordmark.

Sei geſegnet! Habe Dank!

Gregor. Gericht hab' ich gehalten, nicht Eurem Haſſe gedient! Hermann.

Das alles wiſſen wir, das alles ändert nichts! Wenn Du uns ned zurückſtößt, kommen wir zwanzigmal wieder! Wie wir ihm nachgegangen ſind mit unſerem Haß, ſo wollen wir hinter Dir drein geh'n mit unſerer Inbrunſt, bis wir Dich ſehen, da wo Du hingehörſt! Erkenne die Stunde, komm nach

Deutſchland! Eckbert. Komm nach Deutſchland!

Heinrich von der Nordmark.

Komm nach Deutſchland!

Hermann.

Vollende das Werk, das Du heute begonnen! Wer einen Drachen tödten will, muß ihm nicht das Haupt nur zertreten, auch den Schweif muß er ihm abhau'n! Komm nach Deutſch— land, lerne Deine wahre Heimath kennen! Einen anderen König werden wir erwählen, Du ſollſt ihn beſtätigen, Du ſollſt

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nz

. König Heinrich.

ihm die Krone aufſetzen! Du ſollſt es ſein, der Deutſchlands Könige nimmt und giebt! König ſollſt Du ſein über die deutſchen Könige! In Deinen Händen unſer Geſchick! Zu Deinen Füßen dieſes ganze Deutſchland, Eiſen, Stahl und Kraft! Herr biſt Du geweſen über die Seelen, Herr ſollſt Du werden über Leiber und Seelen und Herrſcher über die Welt! Hugo. Höre mich Gregor höre mich Gregor! | ; Hermann. Höre nicht hin auf den faſelnden Mönch! Hugo. Die Stimme des Verſuchers iſt's, die zu Dir ſpricht! Hermann.

Die Welt iſt's, die nach Dir ſchreit, weil ſie überdrüſſig iſt der Willkür des ererbten Bluts! Wir wollen eine Stätte haben, wo wir Klage erheben können über unſere Könige und das ſoll hier ſein, Deine Kirche, die Kirche in Rom! Wir wollen einen Mann haben, der unſere Könige züchtigt, wenn ſie ihren Launen nachlaufen und der ſollſt Du ſein, Du Biſchof über alle Biſchöfe, Du Papſt, Du Herrſcher der Welt!

Präfekt.

Höre, was dieſer Deutſche jagt! (er ſtürzt vor Gregor nieder.)

Steh' auf, e Papſt, ergreife die Welt! Kleriker und Volk

(drängen in Ekſtaſe heran, werfen ſich nieder). Werde Herrſcher der Welt! Herrſcher der Welt! Gregor

(ſteht hochaufgerichtet, leichenblaß, mit allen Zeichen tiefſter innerer Erregung; er er⸗ hebt die Rechte).

Schweigt Alle! (Alles verſtummt; tiefe Stille.) Der ſich i im Schick⸗ ſal den Menſchen verkündet, der Allmächtige iſt unter uns. Greife niemand in meine Seele, wahret Lippen und Laut,

damit ich höre, was Gott zu meiner Seele ſpricht.

(Indem er feierlich erhobener Hand ſteht und Alles in tiefem Schweigen knieend liegt, fällt der Vorhang.)

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a 7 *

Ne n

Sweiter Akt.

/

Zweite Scene.

In Worms. Ein großes ödes Gemach. Im Hintergrunde eine große, auf den Vor⸗ platz führende Thür, die offen ſteht; rechts in der Wand eine kleinere, geſchloſſene Thür. Links an der Wand ein großer Kamin, in welchem ein Feuer von Holzſcheiten am Erlöſchen iſt; an dem Kamin zwei Stühle; im Hintergrunde an der Wand eine Holzbank. Ueber dieſer Bank beſinden ſich in der Wand zwei ſchmale Fenſter. Von der Decke des Gemaches hängt eine dürftige, qualmende Leuchte. Es iſt dämmern⸗

der Winter⸗ Nachmittag —, beinahe dunkel. Beim Aufgang des Vorhangs iſt die

Bühne leer.

Erſter Auftritt.

König Heinrich (kommt aus dem Hintergrunde. Er iſt im Jagdgewande, mit

Schnee bedeckt. In der einen Hand trägt er einen Jagdſpieß, in der anderen einen erlegten Fuchs).

Hein rich chebt den Fuchs hoch, ſpricht zu ihm).

Haſt die Rechnung ohne den Wirth gemacht, Rothpelz, haſt gemeint, Weihnachten iſt heut, da thut mir der Menſch nichts Frieden auf Erden, nicht wahr? Für den Jäger, der hinter Dir drein war, gilt ſolche Botſchaft nichts. Liege nun du (Er wirft die Beute vor dem Kamin auf den Boden, bleibt ſinnend vor dem Thiere ſtehen.) Schlaukopf, einfältiger wenn ich über den gefrorenen Rhein entwiſche, haſt Du gemeint, kann er mir nicht nach? Ihn wird der Rhein nicht tragen, den Gebannten, den Ver⸗ dammten? Berſtend werden die Schollen ſich öffnen unter ihm und die Fluth wird ihn verſchlingen eer ſchleudert den Spieß zu Boden.) Vater⸗Strom, hätt'ſt Du es gethan! So läg' ich todt, wo ich jetzt lebendig begraben liege, und dieſes Alles wäre nicht mehr! (Er nimmt die Pelzkappe vom Haupte, ſchüttelt den Schnee ab, wirft ſie auf die Bank; er geht auf und nieder.) Keines Menſchen Stimme

keines Menſchen Geſicht (er ſtutzt und lauſcht) nein horch

das klingt nach dem Menſchen. (er geht an die Thür rechts, öffnet ſie halb, lauſcht; aus der Ferne hört man die wimmernde Stimme eines Kindes.) Eines Kindes wimmernder Ruf eer verſinkt in düſteres Brüten.) Wir alle haben einmal in der Wiege gelegen ob ich auch ſo gegreint habe, wie das? Vermuthlich, denn wenn mir recht iſt, ſo iſt's

95

1 13x

—. König Heinrich.

mein eigenes Fleiſch und Blut, was da ſchreit! «Er ſchleudert die Thür zu und kommt zurück.) Unſeliger Wurm! Was bohrſt Du mir Deine ſpitze Stimme ins Ohr ich habe nicht, was Dir hilft! Er wirft die Arme empor.) Wenn ich nicht König mehr bin, bin ich nicht Menſch wenn ich nicht Menſch mehr bin, wie ſoll ich Vater ſein? Er ſetzt ſich auf die Bank, den Arm auf das Fenſterbrett, den Kopf auf die Hand geſtützt.)

Zweiter Auftritt. Königin Bertha (erigeint in der Thür, im Hintergrund. Sie ift in einen langen dunklen Ueberwurf gekleidet. Indem ſie Heinrich erblickt, bleibt ſie auf der Schwelle ſtehn, ſie erhebt die Hände und drückt ſie auf das Herz, wie jemand, der eine tiefe Angſt erlitten hat und Gott dafür dankt, daß er davon erlöſt iſt. Dann verſchwindet ſie wieder nach hinten, kehrt gleich darauf zurück, Holzſcheite im Arm. Mit dieſen geht ſie an den Kamin, wirft die Scheite auf die erlöſchende Gluth. Dies alles ge⸗ ö ſchieht in der Art, daß ihr Heinrich den Rücken zukehrt.) Heinrich (ohne ſeine Stellung zu verändern).

Sieh, ſieh hab' ich doch noch Mägde, die mir zu Dienſt ſind? Fürchteſt Du nicht für Dein Seelenheil, Mädchen, wenn Du dem verfluchten Könige dienſt? Gertha arbeitet ſchweigend weiter; Pauſe.)

Heinrich (ſtreift ſie, ohne ſie zu erkennen, mit flüchtigem Blick).

Eine Stumme, wie mir ſcheint Antwort geben und zu ihm ſprechen, dürfte gefährlich ſein nicht wahr? Alſo mach' Du nur Feuer; haſt recht, es iſt kalt. Und bring' auch Licht, es iſt dunkel; daß ich einen Bußpſalm leſen kann, oder ſonſt etwas beſchauliches! (er ſpringt mit böſem Lachen auf, in demſelben Augen⸗

blick hat Bertha ſich aufgerichtet und iſt raſch nach dem Hintergrunde hinausgegangen. Heinrich tritt an den Kamin und ſtarrt ins Feuer.)

Dritter Auftritt.

Bertha (einen Kandelaber mit Lichtern in Be: Hand, fommt aus dem Hintergrunde zurück.)

Heinrich (wendet das Haupt zu ihr; Bertha bleibt, die Augen geſenkt, ſtehen). Du warſt es? (Er tritt auf ſie zu, nimmt ihr den Kandelaber ab.)

Alſo bitt' ich um Verzeihung. 96

ER er) * 2

Zweiter Akt.

Bertha (mit blaſſen Lippen flüſternd). Um was? | Heinrich (ſetzt den Kandelaber auf den Kaminſims). Weil ich Dich für eine Magd gehalten habe. | Bertha. Du hatteſt mich nicht erkannt.

Heinrich (mit einem geringſchätzigen Blick auf ihre Erſcheinung). Freilich in dem Gewand

Bertha (mit einem Verſuche zu lächeln). Es hat mich nicht gekränkt.

Heinrich (auffahrend).

Kränken muß es Dich! Eine Königin, die man mit der Magd verwechſelt! (er wendet ſich ab, geht auf und nieder, während Bertha regungslos ſtehen bleibt.) Dieſe Demuth! Immer und ewig! cer tritt plötzlich wieder auf ſie zu) Oder bin ich vielleicht nicht König ch Meinteſt Du das? Und Du nicht Königin mehr?

Bertha (hebt in unwillkürlicher Angſt, wie abwehrend, beide Hände auf). Ach bitte Heinrich (tritt zurück, blickt ihr mit dumpfem Staunen in die Augen).

Was bedeutet das?

Bertha (will ſprechen; ihr Geſicht zuckt; ſie bringt keinen Laut hervor). Heinrich. Du fürchteſt Dich? Bertha

(immer noch unfähig, zu ſprechen, ſchüttelt den Kopf, würgt dann hervor). Nein! (pauſe. Heinrich blickt ihr regungslos in die Augen.) Jetzt nicht mehr vorhin hab' ich gefürchtet Heinrich. Vorhin haſt Du Dich gefürchtet? Warum?

Heinrich. 97 . 7

FT 1 e e 4 x re N

—» König Heinrich. *—

Bertha. Als ich draußen war in unſerer Lieben Frauen Kapelle, vor den Mauern der Stadt Heinrich. Vor den Mauern der Stadt warſt Du? Warum? Bertha. Weil die Kirchen hier in der Stadt werde nicht böſe Heinrich. a Schon gut, ich verſtehe. Alſo als Du da draußen warſt? | i Bertha. Da ſah ich auf dem Eiſe des Rheins, mitten auf dem Strom einen Mann Heinrich. Und dachteſt, er würde einbrechen mit dem Eiſe und er⸗ trinken im Strom? |

Bertha (lenkt ſchweigend das Haupt). Heinrich. Und der Mann war ich? Bertha (nickt ſtumm vor ſich hin). Heinrich. Und wenn's denn geſchehen W wäre es nicht beſſer geweſen für Dich und mich? Bertha.

Ach!! (Von Schmerz übermannt, ſchlägt ſie beide Hände vor die Augen und bricht in verzweifeltes Weinen aus.)

Heinrich

(weicht langſam, indem er ſie mit beinah entſetzten Augen ale von ihr zurüd, nach dem Vordergrunde der Bühne zu, ſpricht für ſich).

Weint das um mich? (Pauſe. Heinrich geht auf fie zu) Bertha

98

Fr

F re

Sweiter Akt.

Bertha (äut ihm in Selbſtvergeſſenheit in die Arme). O o o 0! (Sie liegt ſchluchzend an ſeiner Bruſt.) Heinrich (kalt, ohne ſie zu umarmen). Weine nicht. Bertha. Ich kann nicht mehr! Ich kann nicht mehr! Heinrich.

Kannſt es nicht mehr ertragen, hier, bei mir das be— greif' ich. Darum iſt es beſſer, Du gehſt hinweg ſammt Deinem Knaben, hinunter nach Turin, zu Deiner Mutter. Kein Gottes- haus verſchließt ſich dort vor Dir; kein Prieſter weigert Dir das Sakrament; Alles was Du brauchſt und hier nicht haſt, das haſt Du dort. (Baufe) Willſt Du?

Bertha (ſieht ihm von unten auf in die Augen). Befiehlſt Du, daß ich gehe? Heinrich (macht ſich unwirſch von ihr los). Befehlen brauchſt Du immer Jemand, der Dir befiehlt? Bertha (mit einem plötzlichen Aufleuchten in den Augen). Vielleicht daß Du mit mir gingeſt? Heinrich.

Zu Deiner Mutter? Das Gnadenbrod bei ihr zu eſſen? Vor meinen Feinden flüchtend, aus Deutſchland hinweg? Ein König, der aus ſeinem Reiche davonläuft? Denn ein König iſt's, dem Du ſolchen Vorſchlag machſt! (Er iſt in wilder Erregung auf und nieder gegangen, bleibt wieder vor Bertha ſtehen) Alſo wie nun willſt Du gehn?

Bertha cdeife).

Nein. Heinrich. Nein? Bertha (ringt und zerrt ihr Tuch in den Händen). Weil ich

99 *

—. König Heinrich.

Heinrich. Weil Du? Bertha. 5 Weil Du ſo unglücklich biſt! «Sie ſtreckt beide Arme nach ihm aus).

Heinrich (fährt zurück). Dein Mitleid will ich nicht! Bertha (trocknet ſich haſtig die Augen). Ich weine ſchon nicht mehr vergieb. Heinrich gür fig). :

Und das bittet mich um Vergebung! Baufe. Mit dem Kopfe nach der Thür rechts deutend) Der Junge ſchreit ſieh zu, was ihm fehlt.

(Bertha nimmt ein Licht vom Kandelaber, geht nach rechts ab; e ſetzt ſich an den Kamin, vor ſich hinbrütend.)

Vierter Auftritt. Bertha (kommt von rechts zurück), der kleine Konrad (geht an ihrer Hand). Heinrich. Warum hat er geſchrieen? Bertha (ſteckt das Licht wieder in den Kandelaber). In ſeiner Kammer war es ſo dunkel und einſam.

Heinrich. 's iſt Weihnachten heut haſt Du garnichts für ihn? | Bertha. In der Stadt Heinrich. In der Stadt —? Bertha. Verkaufen ſie uns nichts. (Pauſe.) Heinrich.

Komm her zu mir, Junge. (er ſtreckt die Hand aus Konrad drückt ſich an die Mutter.)

100

Sweiter Akt.

Bertha. Er ängſtigt ſich.

Heinrich Gäßt einen düſteren Blick über den Knaben dahingehen). Das ſeh' ich. (er wendet das Haupt zum Feuer zurück.)

Bertha Gu dem kleinen Konrad, leiſe, begütigend).

Komm komm (ſie geht mit dem Knaben an die Bank, ſetzt ſich mit ihm) Biſt bei der Mutter weine nicht. Haſt Du kalt? Warte ich geb' Dir meinen Mantel um. (Sie thut den ueber⸗ wurf ab und legt ihn um den Knaben. Jetzt erſcheint ſie in einem weißen Kleide. Sie beugt ſich flüſternd und ſchmeichelnd zu dem Kinde, jo daß fie nicht gewahrt, wie Heinrich die Gruppe mit finſteren Augen muſtert.)

Heinrich.

Wäreſt Du vorhin gekommen, wie Du jetzt ausſiehſt in Deinem weißen Kleide ich hätte Dich nicht mit der Magd verwechſelt. Kaufe. Bertha hält das Geſicht geſenkt.) Warum ſitzeſt Du da drüben auf der harten Bank, in der Kälte?

Bertha. Es iſt nicht kalt. Heinrich citeht auf). Freilich iſt's kalt. Hier komm her, mit dem Jungen, ſetz' Dich ans warme Feuer. Bertha

(erhebt ſich mit dem kleinen Konrad, um zum Kamin herüberzugehen).

Heinrich (tritt hinzu, während Beide über die Bühne gehen, faßt den Knaben mit beiden Händen. Der Knabe drängt ſich mit einem Aufſchrei: „Mutter!“ an Bertha).

Ich thu' Dir nichts weißt Du nicht, daß ich Dein Vater bin? (er hält den Kopf des Knaben in beiden Händen) Aber die Mutter iſt beſſer als der Vater, nicht wahr? (er läßt den Knaben los, wendet ſich jählings ab) Du haft Recht! Du haft Recht! (er ſteht, die Lippen nagend, vorn auf der Bühne. Bertha ſetzt ſich auf den einen Stuhl am

Kamin, zieht den anderen Stuhl heran, ſetzt den Knaben darauf, an ihre Seite. Heinrich wendet ſich plötzlich, geht zu Bertha, legt beide Arme um ihr Haupt.)

Sie iſt beſſer als er ſie iſt gut! (er tußt fie auf den Scheitel.)

101

. König Heinrich.

B ertha (greift nach ſeinen Händen, blickt zu ihm auf).

Heinrich —? |

Heinrich (deckt die Hand über ihre Augen).

Sei ſtill Du thuſt recht, daß Du gut zu ihm biſt ich weiß, was es heißt, keine Mutterliebe zu haben! (Er ſtürzt von ihr hinweg, greift ſich mit beiden Händen ins Haar) Ich weiß es!

Heinrich

(kehrt zu dem Knaben zurück, legt die Hand auf ſeinen Kopf, beugt ihm das Geſicht

hintenüber). Aehnlich ſoll er mir ſeh'n? Bertha (mit aufleuchtenden Augen). Wie aus dem Geſicht geſchnitten. Heinrich (reißt den Knaben, ohne auf ſein Sträuben zu achten, in den Armen empor).

Aendere Dein Geſicht! Dein Vater hat auch einmal blü⸗ hende Augen gehabt auch einmal in den Adern junges ſüßes Blut arte ihm nicht nach! Laß Dich warnen! Sei klug! In ſeinem Herzen war auch einmal das ſelige Märchen, Glauben an Menſchen und Liebe zu Gott wo iſt das nun? Freſſendes Gift in ſeinen Adern und in ſeinem Herzen die Verwüſtung! (er ſetzt den Knaben nieder) Sag' keinem Menſchen, weſſen Sohn Du biſt! Sag' es Dir ſelber nicht! (er ſchiebt ihn von ſich, zur Mutter zurück)) Zu Deinem Urſprung kehre zurück denke, das Weib habe Dich geboren und vom Manne nichts gewußt! Arte dem Vater nicht nach! In einem ſtillen Winkel ſetz' Dich hin, da verſteck' Dich, damit das Schickſal Dich nicht finde, wenn es umherſucht nach Heinrichs Geſchlecht! Werde nicht ähnlich dem Vater! Nicht ähnlich! Nicht! Sonſt, eines Tages, ſtehſt Du, wie er hier ſteht, ausgeworfen von Gott, den Menſchen ein Ungethüm, der Unfriede in ihrem Frieden, der böſe Geiſt in ihren Mauern und an ihrem Herd! cer geht auf Bertha zu, faßt ſie oh beiden Schultern.) Und bei einem ſolchen willſt a Du bleiben? Bei einem ſolchen aushalten? Das willſt Du? Das kannſt Du? Wer biſt Du, daß Du das vermagſt?

102

Sweiter Akt.

Bertha (ſieht ihm groß in die Augen). Ich bin Dein Weib.

Heinrich.

Biſt mein Weib und weil man vor Zeit, als Du fünf Jahre alt warſt, Deine Hand in meine gelegt und Dir be— fohlen hat, werde ſein Weib, darum? Darum kannſt Du es? Aus Gehorſam? Ueber zwanzig Jahre wirkt der Gehorſam in Dir a und giebt Dir ſolch Kraft?

Bertha. Das iſt es nicht.

Heinrich (von ihren Lippen leiend). Sondern was?

Bertha. Sondern weil ich Dich liebe.

Heinrich fährt zurüd). Weil Du —? Bertha. Weil ich Dich liebe wie am erſten Tage, wie ich Dich lieben werde am letzten, immer, ewig und alle Zeit.

Heinrich (wirft beide Arme empor). Es muß einen Gott geben in der Welt, wo ſolch ein Menſch iſt! (Er bricht, wie ein gefällter Baum, vor ihr nieder, ſchlingt die Arme um fie, drückt das Haupt in ihren Schoß) Bertha! Mein Weib!

Bertha (tief über ihn gebeugt).

Heinrich mein Heinrich ſo nah ſind wir uns geweſen, und ſo lange haben wir gehen müſſen, bis wir uns fanden. Heinrich.

Du nicht! Du nicht! Allen Segen auf Dich und auf mich die Verdammniß! O Thor! O Thor! O kindiſcher Verächter ſeines Glücks. Jahre lang mit allem Reichthum be—

103

König Heinrich. -

ſchenkt und es nicht zu wiſſen! Vor meinen Lippen den Labe⸗ trunk und von den verſchmachtenden Lippen ihn zurückgeſtoßen mit plumper Fauſt! Und das Jahre und Jahre lang! Jahre dahingetaumelt in Wildheit, Irrſal und Wüſtenei! O meine verthane Seligkeit! O, um mein Leben! Mein verlorenes Leben! |

Bertha.

Wiedergefunden, Heinrich, mein Gatte, mein Geliebter! Würden wir uns des Wiederſehens ſo freuen können, wenn wir uns nicht ſo lange verloren hätten?

Heinrich.

Nicht Du! Du haſt mich nicht verloren! Wie der Herz⸗ ſchlag in meinem Leibe, der immer mit mir geht, ob ich ſchon ſeiner nicht achte, ſo biſt Du bei mir geweſen. Aber ich Deine Thränen hab' ich verhöhnt! Von mir geſtoßen die Hand, die ſich nach mir ausſtreckte! Wie ein Schurke hab' ich an Dir gethan, wie ein Bube! Ein Bube!

(Er weint in ihren Schooß). Bertha (trocknet ihm mit ihrem Tuche die Augen).

Sieh, Heinrich Deine erſten Thränen. Welch' eine Weihnacht hat Gott mir beſcheert.

Heinrich. Elend iſt um Dich her! Dunkel, Jammer und Verachtung! Bertha. Licht iſt in meinem Herzen, aller Reichthum de Erde und Seligkeit. | Heinrich (preßt fie an ſich, bedeckt ihr Geſicht mit Küſſen). > Du biſt beſſer als gut ach Du ach Du

104

* h N 0 *

Sweiter Akt.

Fünfter Auftritt. Eine Schaar von Kindern (erſcheint im Hintergrunde. Sie find in Pelzjäckchen und Käppchen gekleidet, tragen Weihnachtsbäumchen mit brennenden Lichtern und Säcke mit Nüſſen und Aepfeln in den Händen. An der Thür des Hintergrundes angelangt, bleiben ſie ſchüchtern verlegen ſtehen, als wüßten ſie nicht, was ſie thun ſollen). Konrad (iſt vom Stuhle geſprungen). Mutter Bäume! Lichter! Mutter, ſieh! Mutter, ſieh! (Bertha und Heinrich ſtarren ſprachlos die Kinder an.) Bertha. Ihr Kinder wen ſucht Ihr? Ein kleines Mädchen tritt vor).

Wir ſollen das arme kleine Königskind ſuchen (fie wendet

ſich an den kleinen Konrad) Biſt Du das arme kleine Königskind? Bertha Giept die Kleine an ſich). Und was bringt Ihr ihm? Das kleine Mädchen. Bäumchen ſollen wir ihm bringen und Aepfel und Nüſſe, weil das arme kleine Königskind kein Weihnachten hat und weil das arme kleine Königskind auch ein Weihnachten haben ſoll.

Ein kleiner Knabe (tritt näher, zeigt ein hölzernes geſchnitztes Pferdchen). Pferdchen auch. Konrad (zeigt auf das Pferdchen). Mutter! Pferdchen! Mutter, ſieh!

Der kleine Knabe giebt ihm das Pferdchen. Damit Du was zum Spielen haſt, armes kleines Königs— kind. Alle Kinder (drängen heran). Da haft Du! Da nimm! Da nimm! (Sie ſtopfen dem kleinen

Konrad Aepfel und Nüſſe in die Hände.)

Heinri ch (iſt aufgeſprungen). Iſt das ein Traum?

105

—. Hönig Heinrich.

Bertha liſt gleichfalls aufgeſtanden, hält Heinrich umſchlungen, blickt ſelig auf die Gruppe der Kinder). 12

Sieh, Heinrich, unſer Kind! Heinrich Gaßt das kleine Mädchen unters Kinn). Wer ſchickt Euch, Ihr Kinder? Das kleine Mädchen. Unſere Eltern haben uns hergeſchickt. Heinrich.

Eure Eltern (er richtet ſich auf; fein Blick geht in den Hintergrund.)

| Sechſter Auftritt. Lambert, Gozzo, Gozzelin (find inzwiſchen im Hintergrunde erſchienen und dort

ſtehen geblieben. Sie flüſtern untereinander, dann ziehen ſie die Pelzkappen vom Kopfe und treten herein, bis daß ſie hinter ihren Kindern jtehen).

H 8 i nr i ch (ſinkt auf den Stuhl).

Da ſtehen Männer und es ſind die Männer von Worms. | Lambert. Die ſind wir. # Heinrich. Und das ſind Eure Kinder? Gozzo.

Das ſind unſere Kinder.

(Pauſe. Die drei Männer ſtehen, wie verlegen, die Hände auf die Köpfe ihrer Kinder gelegt, die ſich zu ihnen gedrängt haben.)

Heinrich (ſteht langſam auf).

Eure Stadt iſt elend und arm geworden durch mich Eure Glocken ſind verſtummt, Eure Kirchen verödet, weil ich bei Euch wohne an Euren Mauern wenden ſich die Menſchen vorbei und Ihr ſchickt Eure Kinder zu meinem Kind?

Lambert.

Das Alles iſt ja wahr aber (er verſtummt, ſieht ſich

ſchweigend mit Gozzo und Gozzelin an.)

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Zweiter Akt. -

Go 330 (herausfahrend). Aber lieb haben wir Euch darum doch! . Gozzelin. Ja, König Heinrich! Lambert. Lieb haben wir Euch darum doch!

Heinrich chlägt beide Hände vor das Geſicht). Deutſchland! Deutſchland! Deutſchland! Ueber Deine Bruſt bin ich dahingeſtürmt, raſend in Taumel und Rauſch das Herz in Deiner Bruſt habe ich nicht gekannt! (er ſintt in die Kniee) Der Du mir verloren gegangen und wiedergekommen biſt, Gott, in dieſer Stunde der Nacht, in der Seele des Menſchen, laß mich einen König werden meiner deutſchen

Menſchen!

Lambert. Steht auf, König Heinrich. Gozzelin. Lieber König, ſteht auf. Gozzo.

Ihr ſeid unſer König!

Heinrich (erhebt ſich, ſtreckt ihnen die Hände Hin).

Ihr Männer Ihr Männer

Gozzo.

Laßt mich ſprechen, König Heinrich: die Fürſten im Reich ſtecken die Köpfe zuſammen und möchten einen Andren zum König haben, ſtatt Euch.

Lambert. Rudolf wollen ſie zum Könige machen. Gozzelin. Den Schwabenherzog. Heinrich (nachdenklich). Wer weiß Rudolf iſt kein ſchlechter Mann.

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—. König Heinrich. +

©0330.

Aber wir wollen ihn nicht! Denn Ihr habt ein Herz für den kleinen Mann! Und das wiſſen ſie, und darum wollen ſie Euch nicht! Wir aber wiſſen das auch, und weil wir's wiſſen, darum lieben wir Euch!

Lambert. Ihr, König Heinrich, ſollt unſer König ſein. | Gozzelin. Kein Anderer als Ihr.

Gozzo.

Und Ihr ſollt nicht meinen, daß Worms allein ſo redet, geht den Rhein herauf und hinab, alle Städte am Rhein denken grade wie wir.

Lambert. Wo Ihr bei ihnen anklopft, wird man Euch aufthun.

Gozzo.

Und wenn's Frühling wird, dann ſollt Ihr den Heerbann

der Städte in den Händen haben, mit dem Ihr den Fürſten und Herren an den Leib könnt und dann werden wir ſehn!

Heinrich (verſinkt in finſteres Brüten). Dann werden wir ſehn, was? Schlachten?

Gozzo. Freilich, ſo wie an der Unſtrut! Heinrich.

Wo die Roſſe waten durch deutſches Blut er ſchlägt die Hände vor die Stirn) ja, nun erkenn ich's ich bin wirklich verflucht. Gozzo.

Um Gott Heinrich. In Mord und Blut und Rache haben meine Feinde mich gezerrt heut kommen meine Freunde und ſpornen mich

108

weiter Akt.

wieder in Mord und Blut und Rache. Nun in den Wäldern ſollen die deutſchen Bauern wieder umherlaufen, die Rinde kratzen von den Bäumen für ihre verhungernden Kinder, in den Betten ſollen ſie wachſitzen, die deutſchen Weiber, Fluch heulen auf König Heinrich, der ihnen Männer und Söhne erſchlägt! (Er bricht in die Knie.) Wenn es wahr iſt, daß Du kannſt, was Du willſt und daß Du das Gute willſt, ſo reiße mich heraus aus dem blutigen Sumpf! Gieb mir einen Ausweg, Gott! Einen Ausweg! Einen Ausweg! (Er liegt am Stuhl, die Arme auf dem Stuhl, das Geſicht auf dem Arm. Rathloſe Pauſe.) Bertha cdorſichtig, Leite). Heinrich —? (Heinrich verharrt in der vorigen Stellung.) Bertha.

Als ich vorhin zu unſerem Kinde in die Kammer trat, warf das Licht, das ich trug, meinen Schatten über das Kind, und es ängſtigte ſich und ſchrie, bis daß es erkannte, daß es die Mutter war, von der der Schatten ausging. Da wurde es ruhig und ſchrie nicht mehr. (Sie tritt zu Heinrich heran, legt ihre Hand auf ſein Haupt.) Darf ich weiter ſprechen, Heinrich?

Heinrich (wie vorhin). Sprich. Bertha. Sieh, Heinrich, ein Schatten liegt auf Dir und der Welt, das iſt der Fluch, den der Papſt in Rom geſprochen hat. Sie beugt ſich tiefer zu ihm.) Sollen wir weiter leben im Schatten?

(Sie iſt während dieſer Worte in die Kniee geſunken, ſo daß ſie neben Heinrich kniet; ſie hat die Arme um ihn geworfen, den Mund dicht an ſein Ohr gerückt; ihre Worte

werden zum heißen, leivenſchaftlichen Geflüſter.) Es iſt Gottes heiliger Mann, der uns zürnt, und ſein Zorn iſt gerecht. Darf ich weiter ſprechen, Heinrich? Heinrich (wie vorhin). Sprich weiter.

109

—» König Heinrich.

Bertha.

Darum, Heinrich, den Schatten ſiehſt Du den Menſchen nicht, von dem der Schatten kommt! Als wir noch klein waren, Du und ich, weißt Du nicht mehr? An Deines Vaters Hof, zu Goslar, wie er Deine Hand in ſeiner hielt, wie er ausſah gütig und groß und und heilig Heinrich, weißt Du's nicht mehr?

x H eint ich (wie vorhin). Sprich weiter.

Bertha.

Wenn Du die Hand nach ihm ausſtreckteſt wenn Du Dein Herz zu ihm trügeſt, wenn Du ihm ſagteſt tie drängt ſich näher und näher an ihn) ach Heinrich wär' es nicht gut, Heinrich? Wär' es nicht recht? Wenn er ans Herz Dich nähme, an ſein großes, heiliges Herz, und Vergebung käme ſtatt des Fluches und Friede ſtatt des Zornes und Freude ſtatt all des

Herzeleids, des nimmer zu tragenden wär' es nicht gut, Heinrich? Wär' es nicht beſſer als jetzt? Heinrich

(richtet das Haupt auf, ſteht auf, blickt auf Bertha, die noch knieend liegt).

Warum knieſt Du an der Erde, die Du wohnen ſollteſt, wo Gottes heilige Engel wohnen? ler zieht fie empor, ſchließt fie in die Arme, die Thränen ſtürzen ihm aus den Augen) Du ſehendes Auge in meinem blinden Geſicht o Du Bertha mein Weib! (Er entfernt ſie ſanft von ſeinem Halſe, ſtreckt beide Hände aus) Männer von Worms, Ihr meint es gut aber nicht die Brandfackel Deutſchlands will ich ſein, ſondern ſein Licht. Reicht mir die Hand, morgen ziehe ich von Euch hinaus einen weiten Weg. Go zzo.

Wohin?

110

Se

—. Sweiter Akt.

Heinrich.

Wo ich finde, was ich brauche: einen großen Mann zu Papſt Gregor.

Gozzo.

Das könnt Ihr nicht.

5 Heinrich.

Vor einer Stunde hätt' ich es nicht gekonnt, denn ich wäre als ein Bettler zu ihm gekommen jetzt, da ich König wieder geworden bin in meiner Seele, jetzt kann ich's, jetzt will ich's freiwillig beug' ich das Unrecht dem Recht.

(Pauſe.) Gozzo. Mitten im Winter? 5 Lambert. Ueber die Alpen? In Eis und Schnee?

Bertha (fliegt auf Heinrich zu, wirft beide Arme um ſeinen Hals).

Warum erjchüttert Ihr ſeine Seele und verdunkelt mit Euren Bedenken das Licht, das Gott darin entzündete? Ihn wird kein Abgrund verſchlingen, er wird nicht ſtraucheln auf Eis und Schnee über ihm wird der Allmächtige ſein und ihm zur Seite ſein Weib!

(Heinrih drückt fie ſtumm an ſich.) Gozzo (tritt unter die Kinder, ſchiebt fie heran).

Kommt her, Ihr Kinder, ſeht ihn Euch an Niemand

N weiß, ob Ihr ihn wiederſehen werdet das iſt Euer König

Heinrich u Heinrich) Wir werden beten für Euch, König Heinrich, wenn Ihr hinauszieht. Lambert und Gozzelin. Das werden wir. Gozzo.

Denn wahr iſt's und ich fühl's wenn Ihr vollbringt, was Ihr vorhabt, ſo werdet Ihr für Deutſchland etwas Großes. vollbracht haben.

111

—» König Heinrich.

H einri ch (feierlich langſam).

Ihr Männer die Ihr mir den Glauben wiedergegeben habt an den Menſchen wenn das betrügen könnte, was jetzt in meinem Herzen ſpricht, dann wäre die Erde nicht feſt zu unſeren Füßen. Hinter mir laſſe ich Deutſchlands Krone, mit mir trage ich Deutſchlands Jammer und Noth. Ich werde mich beugen vor ihm, er wird ſich beugen vor dem ungeheuren Leid. Ausbreiten wird er die Arme mir und wenn der Frühling von den Alpen ſteigt, bring' ich Euch das, was Könige ihren Völkern ſchulden, den Frieden. 7

(Vorhang fällt.)

Ende des zweiten Aktes.

7

R N r

Dritier Akt. Erſte Scene.

Ein Gemach auf der Burg zu Canoſſa. Ein kleiner Raum, in deſſen Hinterwand

ſich ein einzelnes, etwas vertieftes Fenſter befindet, Thüren rechts und links. An der

Hinterwand ein großes Kruzifix, ſonſt keine Ausſtattung. Es iſt Winter⸗Nachmittag; durch das Fenſter ſieht man in der Ferne ſchneebedeckte Anhöhen.

Erſter Auftritt.

Bapit Gregor (ſitzt auf einem Stuhle ungefähr in der Mitte der Bühne). Abt Hugo (iteht hinter ihm, in der Fenſtervertiefung). Biſchof Liemar, Rudolf von Schwaben, Hermann der Billunge, Eckbert von Meißen, Heinrich

von der Nordmark (ſtehen vorn, rechts und links an Gregors Stuhl).

Rudolf.

Dies Alles, was Heinrich Dir nicht gegeben hat und nicht zu geben Willens war, ich gebe es Dir. Kein Biſchof ſoll in Deutſchland eingeſetzt werden durch Königsgewalt, ſondern ge— wählt durch Geiſtliche und Volk und beſtätigt durch Dich.

Kein Geiſtlicher, der ein ehelich Weib an ſeiner Seite hat, ſoll

fürder des Amtes walten dürfen in Deutſchland; er ſoll aus— getrieben werden aus ſeiner Gemeinde. Gregor (der geſenkten Hauptes zugehört hat). Du verſprichſt viel. Rudolf.

Ich verſpreche mehr: Fürſten und Biſchöfe haben mich zum Könige gewählt ich verſpreche, daß ich mich als König nur erkennen will, wenn Du mich als König anerkennſt. Einen

Heinrich. 113 8

ee 8 *

König Heinrich.

Reichstag wollen wir berufen nach Augsburg; dort, wenn es Dein Wille iſt, vor allem Volke werde ich die Krone von Dir empfangen. (Pauſe.) Gregor (tief in Gedanken). Viel viel Rudolf. Viel aber ich werde es halten.

Gregor (wirft jählings den Kopf auf, blickt Rudolf ins Geſicht). Einen Gewährsmann für Alles, was Du verſprichſt! Rudolf. 5 Dieſe deutſchen Fürſten ſind Bürgen. Hermann, Eckbert, Heinrich. Wir bürgen für ihn. Gregor. Das meine ich nicht. | Rudolf (beſtürzt). Weil Du einen Gewährsmann —?

Gregor.

Dich ſelber brauch' ich biſt Du ein König? Rudolf.

Fürſten und Geiſtliche haben mich gewählt. Gregor.

Das hab' ich gehört. Biſt Du ein König in Deinem Be⸗ wußtſein?

Rudol f (immer verwirrter).

Ob ich?

Gregor (ungeduldig).

Laß (Er verſinkt wieder für einen Augenblick in Gedanken, dann ſteht er jählings vom Stuhle auf.) Es ſind Jahre her, als ich zu Goslar, an ſeines Vaters Hof, ihn kennen lernte, den Anderen. Er war noch ein Knabe aber er faßte meine Hand, (er ſtreckt Rudolf die Hand hin) gieb die Hand mir Du. i

114

Dritter Akt.

Rudo If (verneigt ſich, legt ſeine Hand in die Gregors). Gregor

(drückt mit ſeiner Hand Rudolfs Hand, als wenn er ſie prüfen wollte). Weich

Hermann (adend). Er wird ſchon zugreifen, wenn's noth thut.

Gregor Gäßt Rudolfs Hand fallen, tritt einen Schritt nach vorn, ſpricht in ſich hinein). Das iſt kein Heinrich. (pauſe. Gregor wendet wieder das Geſicht zu Rudolf, tritt auf ihn zu, läßt die Augen von Rudolfs Geſicht zum Fenſter und vom Fenſter wieder zu Rudolfs Geſicht gehen) Sieh doch ob das vom Schnee draußen kommt —?

Rudolf.

Vom Schnee? Was? Gregor.

Der ſo weiß auf Deinem Geſicht leuchtet? Du biſt blaß. Rudolf.

Ich wäre blaß? Gregor degt die Hand auf Rudolfs Schulter).

Biſt Du der Mann, um Drachen zu bekämpfen? Rudolf.

Wen meinſt Du? Gregor.

Deine Freunde da nennen Heinrich einen Drachen

wirſt Du's auf Dich nehmen, mit ihm zu kämpfen?

Rudolf.

Wenn es ſein muß gewiß. Gregor.

Wenn es ſein muß und wie ſoll's denn nicht ſein?

N Rudolf.

Ich werde mit ihm kämpfen. Gregor.

Wirſt Du ihn beſiegen?

115 0

Hönig Heinrich. *—

Rudolf. Das hoffe ich.

Gregor. Aber Du weißt es nicht.

Hermann.

Er wird ihn beſiegen; Rudolf iſt der erſte Feldherr in Deutſchland. | Rudolf. Aber ich meine, es wird keines Kampfes bedürfen. Gregor aäüberraſcht). Keines Kampfes? Rudolf. Heinrich hat keinen Anhang mehr. Liemar. Er hat noch Ma Hermann. Ja Dich vielleicht, der Du in den Burſchen verliebt biſt! Sonſt wüßt' ich Keinen. Liemar (ehr ruhig).

Die Städte. Hermann. Ah die paar Städte! Liemar. Die Städte am Rhein ſind mächtig und reich. Rudolf. Aber auf unſerer Seite iſt das Recht. Liemar. Heute noch nicht. Hermann. Heute noch nicht?! Liemar.

Ihr wißt es fo gut wie ich; noch iſt Heinrich nicht Jahr und Tag im Bann.

116

Dritter Akt.

Eckbert. In acht Tagen iſt das Jahr herum. Liemar. In acht Tagen iſt es herum aber wenn er bis dahin vom Banne ledig wird, ſo iſt er wieder König.

Gregor. Wer ſagt das?

Liemar. Das deutſche Recht.

Gregor.

Wer beſtätigt mir das? Hugo (ohne ſich vom Fleck zu rühren).

Jo.

(Alles wendet die Köpfe nach ihm.)

Gregor. Du kennſt es?

H Ugo (wie vorhin).

a. (Pauſe). Gregor (tritt auf Liemar zu, faßt ihn an der Hand, zieht ihn nach vorn, ſpricht leiſe zu ihm). Liemar | Liemar. Heiliger Herr? Gregor. Du biſt Heinrichs Freund Liemar. Ich war es. Gregor. Aber Du kennſt ihn wenn ich ihn löſte vom Bann,

glaubſt Du, daß Heinrich mir geben würde, was Jener da verſpricht?

117

. König Heinrich. +

Liemar.

Soll ich ſprechen? Gregor.

Darum frag' ich. f Liemar.

Er wird es nicht.

Gregor (wirft Liemars Hand aus ſeiner Hand). Dann alſo bleibt nur der! (er wendet ſich zu Rudolf und den Sachſen) Wann ſoll der Reichstag in Augsburg ſein? Hermann. Zu Oſtern ſoll er ſein.

Rudolf. Und damit Du ſiehſt, daß wir nach dem Recht verfahren, werden wir Heinrich dazu laden, daß er ſich verantworte.

Eckbert. Unnöthig wird es ſein, ihn zu laden Heinrich, nach Allem was man hört, iſt todt. | Gregor gährt herum). Was ſagſt Du? Eckbert. Aus Worms, wo er bis Weihnachten gehauſt, iſt er plötzlich fort Niemand weiß, wohin. Gregor. | Und darum —? | Ecekbert. Alle Tage iſt er hinausgeweſen zur Jagd, auf den Rhein, der im Eiſe ſtand. Der Rhein iſt plötzlich aufgegangen Gregor. | Und er iſt ertrunken? Eckbert. So glaubt man.

118

.

Dritter Akt.

Gregor. Warum ſagſt Du das jetzt erſt? Eckbert. Weil ich vorhin nicht zu Worte kam. Hugo. Du hätteſt Dein Wort für Dich behalten können; Heinrich iſt nicht todt. (Alles wendet ſich nach ihm um.)

Gregor. Was weißt Du von ihm? Hugo. Heinrich iſt über die Alpen Gregor. Ueber die Alpen? Hugo. In Italien. Hermann. Was? Eckbert. Wo? Rudolf. In Italien? Hugo.

Auf dem Wege hierher und heut noch kann er hier ſein. (Allgemeine Beſtürzung.) Gregor Geigt nach links). Verlaßt mich, bis ich Euch rufe. Hugo, Du bleibſt! (Rudolf, Hermann, Eckbert, Heinrich von der Nordmark, Liemar links ab.) Gregor

(geht aufgeregt hin und her, bleibt dann vor Hugo ſtehen).

Das Alles wußteſt Du? Hugo. Ich weiß noch mehr.

Was?

Gregor.

119

> König Heinrich.

Hugo.

Als er von den Alpen herabſtieg, haben die Lombarden ihn empfangen, viele Tauſende. Ihre Schlöſſer haben ſie ihm angeboten, Waffen und Geld. Zum Rachezug haben ſie ihn aufgefordert wider Dich.

Gregor (fait ſprachlos).

Das Alles wußteſt Du und haſt es mir ver⸗ ſchwiegen? (Hugo blickt ihm ſchweigend Auge in Auge.) Daß er mit den Lombarden wider mich heranzieht das wußteſt Du und W es mir verſchwiegen?

Hugo (mit einem Lädeln).

Wenn er mit den Lombarden käme glaubſt Du, ich würde geſchwiegen haben? Wenn Dir Gefahr von ihm drohte Gregor meinſt Du, ich würde Dich nicht gewarnt haben?

Gregor. Alſo

Hugo. | Aber er kommt ohne die Lombarden. Er hat ſie von ſich gewieſen.

Gregor. Er kommt allein? Hugo. Büßer wandern allein er kommt zur Buße. Friede⸗

Suchende ziehen ohne Waffen und Heer, er kommt zum Frieden. Er kommt, um Dich zu ſuchen Gregor wird er Dich finden? (pauſe.) Gregor wird er Dich finden? Gregor | (wendet ſich zu dem Kruzifix an der Hinterwand, breitet beide Arme aus).

Hilf mir Du und ſpende mir Rath! (er ſinkt vor dem Kruzifix nieder, die Füße der Geſtalt umklammernd. Pauſe.)

120

Dritter Akt. +

Hugo.

Richte die Augen auf und ſieh des Heilands Geſicht; er regt die Lippen, er ſpricht hörſt Du, was er ſagt? (Gregor hebt unwilltürlich das Haupt zu dem Geſichte der Geftalt.) „Mein Reich iſt nicht von dieſer Welt.“

Gregor gpringt auf).

Du ſtehſt im Bunde mit Heinrich!

Hugo.

Wie ich im Bunde ſtehe mit jeder zerknirſchten Menſchen⸗

ſeele.

Gregor. Ertrotzen will er die Abſolution! Abtrotzen will er ſie mir! Hugo. | Wenn er fie Dir abtrogen wollte, jo würde er mit den Lombarden kommen abringen will er ſie Dir. Haſt Du nie im Gebete mit Gott gerungen? Gregor. Und wenn ich ſie ihm ertheile Hugo.

So wird ein geläuterter König von Canoſſa heimkehren in ſein Land, und dieſes Land da über den Alpen, das ganze, ungeheure, wird auf den Knieen liegen und dem großen Papſte danken, der ihm den Frieden gab.

(Ein langgezogener Hornruf ertönt hinter der Scene, aus der Ferne.)

Gregor aauſcht auf).

Hörſt Du das?

Hugo.

Ich höre, daß Jemand Einlaß begehrt auf der Veſte von Canoſſa.

Gregor (lauſcht, ob der Ton ſich wiederholen wird). Wer glaubſt Du daß es iſt? Hugo. Ich glaube, daß es Heinrich iſt, Kaiſer Heinrichs Sohn.

121

» König Heinrich.

Gregor (finkt auf den Stuhl).

Warum mir haſt Du das auferlegt, furchtbarer Gott? Warum mir? Hugo (tief innig).

Gregor was ängſtet Dich? Was quält, was peinigt Dich? An Goslar gedenke, an den Knaben, der zu Goslar vor Dir ſtand. Deine Seele flog ihm zu, denn aus ſeinen Worten loderte ein königliches Herz. Dieſer Knabe, dieſer ſelbe iſt es, der heute kommt. In die Irre iſt er gegangen freiwillig kehrt er zurück. Du haſt ihn geſehen, dieſen Anderen, der König ſein will an ſeiner Statt Gregor in Deinem Herzen iſt die Witterung für Menſchengröße wer von den Beiden iſt der geborene König?

Gregor (den Kopf in die Hände gedrückt).

Einen Funken von Deinem Lichte, Gott, eine Stimme,

einen Rath! | Hugo.

In Dir iſt Gottes Stimme und ſein Rath; frage Dein Herz.

Gregor (ipringt auf).

Mein Herz, mein Herz mit dem Herzen beantwortet man Schickſalsfragen nicht!

Hugo.

Ja, wenn man ein Prieſter iſt.

Gregor (auf- und niederſtürmend).

Nein, wenn man ein Papſt iſt, der eine neue Ordnung ſtiften ſoll in der Welt. Mußt Du mich lehren, wer Heinrich iſt? Mußt Du mich ihn kennen lehren, dieſen Rudolf mit dem blaſſen Angſtgeſicht, dieſe Waldbauern, dieſe deutſchen, die ihn zur Schuld treiben, wie ein Pferd, das man über den Graben hetzt? Ja wenn ich wie Ihr die Glieder recken dürfte auf dem weichen Kiſſen des Gefühls aber ich Heinrich iſt nicht zu brauchen in meiner Welt darum muß er hinweg!

122

F * N 10

Dritter Akt. +

Hugo. In Deinen Worten lauert ein Ungethüm was nennſt Du Deine neue Ordnung? Was nennſt Du Deine Welt?

Gregor. Die Kirche. Hugo. Haben wir denn keine Kirche? Gregor.

Nein. Was bis heute alſo hieß, war Kirche nicht! Von der Gnade der Kaiſer hat ſie gelebt; jetzt ſollen Kaiſer und Könige betteln bei ihr; denn der Kopf ſoll regieren über die Fauſt, nicht die Fauſt über den Kopf.

Hugo.

Seine Gnade hat Gott der Kirche zu verwalten gegeben, den Troſt und das Labſal der Welt Du nimmſt ihr den heiligen Inhalt und füllſt ſie mit weltlicher Macht?

Gregor. Cinen Segen ſtift' ich der Menſchheit: einen Altar, einen unverrückbaren, vor dem ſie knieen kann! Hugo.

Laß ſie knieen vor dem Unſichtbaren! „Nur wer arm iſt an Gold, der iſt reich in der Seele“ Gregor, der Du das ſprachſt, nimm der Kirche die Seele nicht!

Gregor.

Heißt das, ihr die Seele nehmen, weil ich ihr einen Leib gebe?

Hugo.

Leiber ſind ſterblich mach' die unſterbliche Kirche nicht ſterblich!

Gregor. Wir werden ſie zu ſchützen wiſſen. Hugo. Mit Menſchenleibern? Mit Waffen und Schwertern?

123

T * 7 Da 7

—» König Heinrich. =

Gregor.

Warum nicht mit Waffen und Schwertern? Ein neues Verdienſt ſtift' ich der Chriſtenheit: zu kämpfen für die heilige Kirche.

Hugo. Einen neuen Schlachtruf ſtifteſt Du in die bluttriefende

Welt. Gregor.

Was thut's, wenn es ein guter iſt? Verflucht ſei, wer ſein Schwert trocken hält vom Blut, wo es den 9 um eine heilige Sache gilt. 8

Hugo.

Und das nennſt Du Verdienſt? Wohin blickten die Unter⸗ drückten, wenn ſie unter dem Schwerte des Gewalthabers bluteten? Nach der Kirche, wo es keine Schwerter gab. Wohin flüchteten die Armen, wenn der wuchernde Reichthum ſie aus⸗ preßte? Zu der Kirche, wo es keinen Mammon gab. Das war die Kirche, in der wir groß geworden ſind, Du und ich; die wir liebten, Du und ich: die Mutter der Menſchheit, die gütige, die barmherzige. Das war die Braut des Mannes von Nazareth, die arme Braut des armen Mannes; arm wie er, keuſch wie er, heilig und unſterblich wie er.

Gregor (prüdt beide Hände an die Ohren).

Du Schwärmer! Du Schwärmer! Du Schwärmer! (Cr wendet plötzlich um, ſtürzt auf Hugo zu, küßt und umarmt ihn.) Ach Hugo ep Gott ſei geprieſen, der Menſchen wie Dich in dieſe ſcheußliche Welt geſetzt hat! Nach Clugny kehre zurück, zu Deinen Blumen und Bäumen, die nicht reiner ſind als Deine Seele. Wenn Gregor einmal alt und müde wird, dann kommt er zu Dir, mit Dir zu träumen von unſerer Kirche. Aber jetzt iſt nicht Zeit für ihn zu träumen; jetzt muß er ſchaffen und bauen, und die Stunde iſt jetzt!

Hugo.

Schaffen und bauen was?

124

Dritter Akt.

| Gregor.

Den Richterſtuhl, zu dem die Völker kommen und Klage erheben ſollen wider ihre Könige. Auf dem Richterſtuhle wird ſitzen der Sohn des armen Mannes, und die Kronen der Ge— waltigen werden in den Staub rollen vor Hildebrand dem Plebejer. |

Hugo.

Du wirſt ſitzen als Richter Deine Nachfolger werden als Knechte der Luſt in dem Prunkhauſe wohnen, das Du ihnen bauſt.

Gregor.

Ich bin nicht verantwortlich für meine Nachfolger, ſondern nur für mich ſelbſt. Ich werde ſterben, Gott wird mich über— leben ihm vermach' ich mein Werk.

Hugo (zeigt nach links). Und zu Helfern an Deinem Werke rufſt Du Jene da? Gregor. Schaffe mir Heinrich auf meine Seite, und ich will Jene da hinausjagen wie Bettler!

Hugo. Heinrich kommt Gregor. Er kommt nicht. | Hugo. Du hörſt, daß er kommt, Du hörſt, daß er ſich beugen will. Gregor.

Den Menſchen wird er beugen, den König nicht. Heinrich kann nicht kommen. Hugo. Warum? Gregor. Weil er der König iſt von Natur!

125

König Heinrich.

Hugo. Und darum | Gregor.

Darum muß er hinunter und hinab, und auf feinem Leibe muß aufſtehen die Kirche!

Hugo.

Du kennſt ihn, Du liebſt ihn, Du weißt, daß ſeine Gegner

en ſind und er ſoll zu Grunde geh'n?

Gregor.

Die Sache will's er muß. Hugo.

Aber Du biſt ein Menſch, Du kannſt das nicht 1 Gregor.

Das Werkzeug will nicht, es muß ich bin N in der Hand des Schickſals.

Hugo. Dann iſt das Schickſal der Teufel. Gregor. Das Schicksal iſt Gott. Hugo.

Und das iſt Gott, der Dir gebietet, Deine Weltordnung zu ſchaffen mit Hülfe von Räubern und Verräthern?

Gregor. Wer fragt nach der Kelle, wenn das Haus gebaut iſt? Wer fragt nach den Mitteln, wenn der Zweck heilig iſt? Hugo

(tritt auf ihn zu, bleibt mit weit aufgeriſſenen Augen vor ihm ſtehen, erhebt, wie beſchwörend, beide Hände).

Ungeheuer!

Gregor (erwidert ſeinen Blick, murmelt mit zuckenden Lippen). Schwächling.

(Außerhalb der Scene, in größerer Nähe als vorhin, ertönt abermals ein Hornruf. Dann Geräuſch von Schritten und durcheinander rufenden Stimmen.)

126

A Je

Dritter Akt. —.

Sweiter Auftritt. Der Präfekt von Rom (eriheint in der Thür rechts). Präfekt. Heiliger Herr König Heinrich ſteht vor dem Thor von Canoſſa!

Dritter Auftritt. g ö

(Die Thür links wird von außen aufgeriſſen.) Rudolf, Hermann, Eckbert, Heinrich und Liemar (eriheinen in der Thür, bleiben in lautloſer Erwartung ſtehen.)

Präfekt.

Gräfin Mathilde, die Herrin der Burg, legt ihr Gebieter— recht in die Hände des heiligen Papſtes ſoll König Heinrich aufgethan werden?

Gregor

(tritt einen Schritt nach vorn, jo daß er inmitten der Bühne ſteht. Aller Augen ſind in athemloſer Spannung auf ihn gerichtet).

Ihm ſoll nicht aufgethan werden!

Hermann, Eckbert, Heinrich von der Nordmark (unwillkürlich ausbrechend).

Ah, recht! (Der Präfekt will ſich nach rechts zurückziehen.) Hugo (ſtürzt auf den Präfekten zu, hält ihn an der Schulter feſt). Warte noch Du! Frag' ihn noch einmal, ehe Du gehſt! Frag' ihn noch einmal! Präfekt.

Weil dieſer fromme Abt es mir befiehlt, frage ich noch

einmal: ſoll König Heinrich aufgethan werden? Hermann, Eckbert, Heinrich von der Nordmark

(ſtürzen auf Gregor zu, fallen in die Kniee, ergreifen den Saum ſeines Gewandes).

Heiliger Papſt! Großer Papſt!

Gregor (reißt ſich von ihnen los).

Geht hinweg von mir! Laßt mich Alle Alle (er tritt noch einen halben Schritt nach vorn, ſteht in ſchwerem, ringendem Kampfe, ſchlägt die gerungenen Hände vor die Stirn, läßt dann die Hände ſinken und richtet

ſich auf.) Nein!

(Lautloſe Stille.)

(Zwiſchenvorhang fällt.) 127

ET Ne u.” e

+ Hönig Heinrich.

Zweite Scene. Ein anderes, größeres Gemach auf der Burg Canoſſa. In der Hinterwand zwei Fenſter. Thüren rechts und links. An der linken Wand, zwiſchen Thür und Bühnen⸗ rampe, ein Kamin mit loderndem Feuer. Einige Stühle ſtehen an der Hinterwand,

an der eine Steinbank unter den Fenſtern hingeht. Kandelaber mit brennenden, faſt heruntergebrannten Lichtern ſtehen auf der breiten Lehne der Bank.

Erſter Auftritt.

Gregor (in einen Pelz gehüllt, ſitzt in einem Armſtuhle am Kamin). Der Präfekt

(ſteht hinter ſeinem Stuhle). Rudolf, Hermann, Eckbert, Heinrich von der

Nordmark (in ſtummer Gruppe eg Thür links). Ein Diener (ſteht in der ür rechts).

Präfekt (winkt dem Diener; dieſer löſcht die Lichter und zieht die Vorhänge an den Fenſtern auf). Gregor (der in ſich zuſammengeſunken, vor ſich hingebrütet hat). Warum werden die Lichter gelöſcht? N Präfekt. Es iſt Tag geworden, heiliger Herr. Gregor (cchüttelt ſich, wie im Froſt). Schürt das Feuer. Präfekt colickt in den Kamin). Das Feuer iſt wohl verſorgt. Gregor

(deutet auf den Fußboden, über den das rothe Sonnenlicht hinſpielt). Das Rothe da am Boden iſt das die Sonne?

räafekk Sie giebt heut nur mattes Licht; Winternebel hüllen ſie ein.

Gregor.

Noch immer ſo kalt? | Präfekt.

Es iſt ſehr kalt. Gregor.

Schnee? 128

Dritter Akt.

Präfekt. Zur Nacht iſt neuer Schnee gefallen. Gregor

(richtet ſich langſam, mit der Hinfälligkeit eines Greiſes auf, ſteht am Stuhle, die ; Augen mit der Hand gegen die Sonne deckend).

Und da draußen der ſteht noch immer? Präfekt (tritt an das eine Fenſter). König Heinrich ſteht vor dem Thor wenn Ihr ihn ſehen wollt Gregor (wendet das Geſicht von den Fenſtern zurück). Ich will ihn nicht ſehn. (er ſtützt beide Hände auf die Lehne des Seſſels.)

Diener (tritt zu dem Präfekten, ſagt ihm etwas ins Ohr, geht rechts ab).

Präfekt. Gräfin Mathilde läßt fragen, ob Ihr nicht Speiſe und Trank zu Euch nehmen wollt? Gregor (ohne ſeine Stellung zu verändern). Nein. | Präfekt. Seit zwei Tagen ſeid Ihr ohne Nahrung, ſeit drei Nächten ohne Schlaf. Gregor (wie vorhin). Ich will nicht ich kann nicht. (Pauſe. Gregor richtet das Haupt

auf, blict ſuchend umher) Hugo nicht hier? Wo iſt Hugo der Abt?

P räfekt (blickt ſchweigend zum Fenſter hinaus).

Gregor. Dort unten? Präfekt. Allerdings. (Pauſe.) Gregor.

Wo iſt der Biſchof von Bremen? Präfekt cotitt wie vorhin aus dem Feniter).

Heinrich. 129 9

en re u Ga 1.4 7 e 7 - : A

König Heinrich.

Gregor. Auch bei ihm? P räfe kt (werneigt ſich ſtumm).

Gregor (geht langſam um den Stuhl herum, ſinkt wieder in den Sitz).

Präfekt.

Gräfin Mathilde läßt fragen, ob Ihr ſie empfangen wollt Gregor.

Was will die Gräfin? Präfekt.

Ich kann's nicht ſagen. Gregor.

Sie mag kommen. (Präfekt geht rechts ab. Die Thür bleibt hinter ihm offen.)

Sweiter Auftritt.

Kaiſerin as (in Büßertracht, kommt ſchleppenden Ganges von rechts). Gräfin Mathilde, Königin Bertha (gehen zu ihren Seiten, ſtützen ſie).

Gregor (feht haſtig auf). Kaiſer Heinrichs Weib! Agnes

(bleibt ſtehen, die Augen mit verzehrendem Blick auf Gregor gerichtet. Ihre Lippen zucken, dann bricht ſie in einen faſt unartikulirten Schrei aus).

Bin ie 3? Kennſt Du mich? Ja? (Wantt.) Gregor. Einen Stuhl für fie! (präfett ſchiebt ihr einen Stuhl zu. Sie ſinkt ſchwer darauf nieder.) Ihr ſeid müde.

Agnes. Sehr müde.

Gregor. Von wo kommt Ihr? |

Agnes.

Aus meiner Zelle in Rom.

130

> Dritter Akt.

Gregor. Wann ſeid Ihr angekommen?

Agnes. In dieſer Nacht.

(Pauſe.)

Gregor. Warum kommt Ihr her?

Agnes

(richtet das Haupt auf, ihre Augen nehmen wieder den verzehrenden Ausdruck von vorhin an, dann fährt ſie jähligs vom Stuhle auf, Gregor entgegen). Warum?!

Gregor (weicht unwillkürlich, indem er fie voller Entſetzen anſtarrt, einen Schritt zurück). Kommt zu Euch. Bertha (ſucht Agnes zu beſchwichtigen). Werde ruhig werde ruhig. Agnes (ſchiebt Bertha von ſich, bleibt mitten auf der Bühne, Gregor gegenüber, ſtehen.

Ich habe alle Schmerzen getragen, die für den Menſchen auf Erden ſind. Ich habe ein Kind gehabt, und es hat mir nicht gehört. Ich habe zu Gott gebetet, daß er mich zu ſich nähme, und habe mich gefürchtet, zu Gott zu kommen, weil ich wußte, daß ich meinen Sohn bei ihm nicht finden würde. Ich habe gehört, daß er umgekehrt iſt vom Verderben, aus eigenem Willen, zu Reue und Buße. Ich komme durch Winter und Nacht damit er mir noch eine Stunde gehöre, der mir ein Leben lang verloren war. Und da ſteht Einer und ſagt mir, Du ſollſt ihn nicht mehr in Deine Arme ſchließen. Er ſoll ausgeſchloſſen ſein von Gottes Gnade, trotz Reue und Buße. Und der das ſagt (fie zeigt mit dem Finger auf Gregor) iſt der an den ich geglaubt habe, wie an Gott! (Sie tritt ihm näher). Wer biſt Du, der Du Kaiſer Heinrichs Sohn wie einen Hund vor Deiner Thüre ſtehen läßt? Wer biſt Du, der Du meinem Kinde die ewige Seligkeit verbieten willſt?

131 9

—+ König Heinrich.

Gregor. Kommt zu Euch kommt zu Euch Agnes (am ganzen Leibe zitternd). Gieb mir die ewige Seligkeit meines Kindes wieder!

Gregor (immer weiter zurückweichend). Hört mich Agnes (kreiſchend). b Gieb mir die ewige Seligkeit meines Kindes wieder!

Gregor | (legt die Arme über die Lehne des Stuhls, hinter dem er ſteht, drückt das Geſicht auf die Arme).

Die Menſchheit empört ſich und ſchickt dieſe Mutter in Kampf wider mich! Präfekt geh' hinunter die Pforte ſei aufgethan für Heinrich, Kaiſer Heinrichs Sohn. (Fluſternde Bewegung durch den ganzen Saal. Der Präfekt eilt rechts hinaus.)

Bertha gu Agnes). 8 Mutter, gieb Dich zur Ruhe Du wirſt ihn ſehn. (Bertha deutet nach rechts). Dort über die Schwelle wird er treten, dort wird er kommen, Dein Heinrich, mein Heinrich, Dein Sohn!

Dritter Auftritt.

Der Präfekt und zwei Diener (kommen eilend von rechts. Der Präfekt räumt

ſchnell den Stuhl, auf dem Agnes geſeſſen hat, nach dem Hintergrunde zu, ſo daß

der Zugang von rechts frei wird. Die beiden Diener bleiben rechts und links der Pforte ſtehen, den Vorhang von beiden Seiten zurückziehend).

Präfekt (indem er den Stuhl rückt). König Heinrich kommt. (Gregor ſteht hinter dem Stuhle, die Augen nach rechts gewandt. Eine ſtarre Spannung

bemächtigt ſich der Sachſen. Bertha und Mathilde umfangen Agnes und ziehen ſie nach dem Hintergrunde hin. Athemloſe Geſpanntheit.) a

132

Dritter Akt.

Vierter Auftritt.

König Heinrich (kommt langſam, ſchweren Schrittes, von rechts. Er iſt in der

Rüſtung, ohne Schwert; über der Rüſtung trägt er eine härene Büßerkutte. Sein

aupt iſt unbedeckt; in ſeinem braunen Haar, das ungeordnet herabhängt, ſieht man

chnee. Seine Augen ſind tief eingeſunken; ſein Geſicht todtenbleich). Abt Hugo

und Biſchof Liemar (kommen hinter ihm. Nachdem fie eingetreten find, laſſen die

beiden Diener den Vorhang fallen, rn Thür hinaus und ſchließen dieſe von außen).

Heinrich (iſt bis in die Mitte der Bühne geſchritten, die Augen auf Gregor gerichtet, ohne rechts und links und etwas Anderes zu ſehen. Jetzt bleibt er ſtehen und macht Miene, niederzuknieen. Man bemerkt, wie ſchwer es ihm fällt, da ſeine Glieder von der Kälte verklammt ſind; er blickt ſich kurz zu Hugo und Liemar um).

Kniee und Glieder ſind mir vom Froſt erſtarrt helft mir.

(Abt Hugo und Biſchof Liemar treten rechts und links zu ſeinen Seiten; König Heinrich legt die Arme auf ihre Schultern und läßt ſich, alſo geſtützt, langſam auf beide Kniee

nieder. Seine Augen bleiben währenddem unverwandt auf Gregor gerichtet) Ich Heinrich, der Deutſchen König, bekenne mich ſchuldig vor Gott, da ich Dich, ſeinen Stellvertreter, angegriffen habe mit läſternd beſchimpfenden Worten. Bekenne mich ſchuldig an der Menſch— heit, da ich das treueſte Herz mit Undank belohnt, treulos geworden bin an meinem Weibe ſchuldig an der Natur, da ich mich in Feindſchaft aufgelehnt habe wider meine Mutter. Dreimal habe ich Todſünde auf mich geladen drei Tage und Nächte haſt Du mich ſtehen laſſen in meiner Reue (er beugt das Haupt) Ich bekenne deine Worte ftoden unwillkürlich) daß

Du mir gerechte Buße auferlegt haſt.

(Eine tiefe Stille tritt ein. Bertha hat das Haupt an Agnes’ Bruſt gedrückt; man

. hört ihr erſticktes Schluchzen.)

Gregor (hat während der Worte Königs Heinrichs regungslos geſtanden; man ſieht in ſeinem Geſichte die Erſchütterung, die Heinrichs Worte in ihm hervorgerufen haben. Jetzt tritt er langſam zwei Schritte auf ihn zu, bleibt dann ſtehen).

Ja das iſt wirklich der König! (Von der Bewegung übermannt, breitet er beide Arme aus) Heinrich Heinrich Heinrich! «Er ſtürzt auf Heinrich zu, ſchlingt beide Arme um ſeinen Hals, drückt ſein Geſicht an deſſen Haupt; die Thränen brechen ihm aus den Augen.)

Heinrich (ohne ſich zu rühren, gebeugten Hauptes).

Küſſe nicht das Haupt, auf dem der Fluch ruht. 133

+ König Heimich.

Gregor (egt ihm die Hand auf den Scheitel). Dieſe Hand hat ihn gegeben dieſe Hand nimmt ihn hinweg ſei nicht mehr verflucht.

Heinrich (breitet beide Arme aus, erhebt das Geſicht, umfängt Gregor).

Ach er fo (er küßt ihn, dann erhebt er ſich; fein Blick fällt auf Agnes). Mutter!

Agnes (fält in feine Arme). Dein Kind mein Kind mein Kind Heinrich.

So lange Jahre bin ich Dein Sohn ſo lange Jahre hab' ich gebraucht, bis ich es ausſprechen lernte, das wia Wort meine Mutter.

Agnes. Spät nicht zu ſpät Deinem Vater weide ich jagen können, daß ich es noch von Dir gehört habe. Heinrich crückt fie an ſich). Noch wirſt Du nicht gehen. Agnes.

Ich bin in letzter Stunde und was ſollte nach dieſer noch kommen? (Sie ſinkt an ſeiner Bruſt zuſammen. Auf einen Wink Heinrichs wird der Stuhl herangeſchoben; er läßt ſie ſanft darauf nieder. Mathilde und Bertha treten zu ihr; Bertha kniet vor ihr nieder.) Bleibe bei mir mein Auge wird dunkel (ſie greift mit der Hand, Heinrich nimmt ihre Hand in die ſeinige.) Was ſoll ich Kaiſer Heinrich ſagen von ſeinem Sohn?

Heinrich.

Sag' ihm, Heinrich ſein Sohn hätte viele Feinde gehabt; ſeit er den ſchlimmſten überwunden, der Heinrich hieß, hat er keinen mehr gefürchtet. Und ſag' ihm, er hat auch Freunde gehabt (er ſtreckt Hugo, dem Abte, die Rechte zu) Hugo mein Freund (er ſtreckt Biſchof Liemar die Linke zu) Liemar mein Getreuer. (Sein Blick fällt auf Rudolf von Schwaben und die Sachſen; indem er ſie erblickt, läßt er die Hände Hugo's und Liemar's los, tritt einen Schritt vor.) Und da Ru⸗ dolf, Du? Und mit Dir jene dort? (er tritt noch einen Schritt

134

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Dritter Akt.

weiter auf die Gruppe zu, ſtreckt beide Hände aus.) Das bedeutet Ver— ſöhnung? (Er wendet ſich an Gregor, der inzwiſchen bis beinah an die Hinter- wand zurückgetreten iſt und dort zwiſchen Heinrich und der Gruppe der Sachſen ſteht.) Papſt Gregor das iſt Dein Werk?

Gregor.

Dieſe Fürſten Deines Landes ſind zu mir gekommen, und ich habe ſie gehört. Du verſprichſt ihnen freies Geleit nach Deutſchland zurück? |

Heinrich.

Ob ich ihnen freies Geleit —? Mit mir zuſammen ſollen ſie ziehen, und wenn wir, Hand in Hand, von den Alpen herniederſteigen, werden die Glocken in Deutſchland von ſelbſt zu läuten beginnen, ſeine Saaten werden aufſteh'n und Friede wird in Deutſchland ſein. Rudolf, warum ſtehſt Du? Komm zu mir

Hermann.

Noch nicht. Eckbert.

Erſt muß der heilige Papſt entſcheiden. Heinrich.

Was?

H ermann (roh herausbrechend). Wer von Euch beiden König fein ſoll in Deutſchland.

H ei nri ch (ſtößt einen dumpfen Laut aus).

Ah (Sein Körper reckt ſich in einem jähen Zucken ſtählern auf). Hermann. Denn Rudolf ſoll unſer König ſein! Du nicht mehr! Eckbert.

Rudolf haben wir gewählt ſtatt Deiner. Heinrich (ſteht regungslos, wendet langſam das Haupt zu Gregor). Aber das hatten ſie Dir nicht geſagt? Gregor. Sie en es mir gejagt.

135

—. Hönig Heinrich. +

Heinrich Guckt auf, faßt ſich raſch). Und Du?

Hugo (tritt hinter Gregor, flüſtert ihm über die Schulter). Dein Herz hat geſprochen!

G regor (eiſe, mit zuckender Hand). Verlaß mich.

Heinrich. Und Du?

Gregor. Die Fürſten Deines Landes haben vorgeſchlagen, daß zu Augsburg ein Reichstag ſein ſoll

Heinrich. Zu Augsburg ein Reichstag —? Und da ſoll ent⸗ ſchieden werden was?

Hermann. Wer von Euch beiden König ſein ſoll!

Eckbert. Und das ſoll der heilige Papſt entſcheiden.

Heinrich (zu Gregor). a Du ſchweigſt weil Du ſtaunſt? Nicht wahr? Aber Du mußt ſprechen denn wenn Du länger ſchweigſt, ſo könnten jene denken, daß Du einverſtanden wäreſt. Darum ſprich. erg Sprich. Seine Glieder beginnen zu zucken; man ſieht, wie die Erregung in ihm wächſt.) Denn wenn Du nicht ſprichſt, ſo könnte es kommen, daß ich ſelbſt daß ich zu glauben anfinge dieſe Stimme in mir, die mich hergetrieben hat zu Dir, wäre nicht Gottes Stimme geweſen (mit furchtbar ausbrechender Heftigkeit) ſon⸗ dern des Teufels, der mich belogen und betrogen hat und jetzt des Narren lacht, der ihm ins Garn gegangen iſt!

136

r . N

Dritter Akt. +

Hugo (der während dieſer letzten Worte, mit allen Zeichen der Todesangſt, zu Heinrich herangetreten iſt, ſtürzt auf ihn zu, wirft beide Arme um ihn).

Heinrich meines Kaiſers Sohn mir theuer wie mein leibliches Kind, werde nicht irre an Gott! Nicht irre an

Gott! 8 Heinrich (nirſchend).

Drei Tage und Nächte in Hunger und Noth, in Eis und Schnee, in Schande und Schmach und hinter meinem Rücken ein abgekartetes Spiel

Agnes (ergebt ſich ſtarr und fteif vom Stuhle).

Wer iſt hereingekommen? Nehmt mir den Schleier vom Auge ich kann nicht ſeh'n ich höre die Stimme des Heinrich, der zu Worms am ſchrecklichen Tage ſprach!

Heinrich (eckt beide Fäufte).

Blutgeheul in meiner Seele (er faßt fi) aber es ſoll noch nicht hilf mir Gott wider mich! Chriſtus, Heiland, der Du ein König unter den Heerſchaaren des Himmels warſt und Dich beugteſt unter die Geißel, hilf mir wider mich! (er wendet ſich jäh- lings zu Gregor) Einmal ſchon hab' ich vor Dir gekniet ich that es für mich (er ſtürzt in die Kniee) hier zum zweiten Male lieg’ ich vor Dir, für Deutſchland liege ich hier! Schweige nicht! Dein Schweigen iſt der Sarg, darin Deutſchlands Heil und Seligkeit verſinkt! Wenn Du wüßteſt, wie unglücklich dieſes Deutſchland iſt, Du würdeſt ſprechen ſprich! Du von Gott eingeſetzt, den Frieden zu ſtiften der Welt, gieb mir den Frieden mit auf den Weg, nicht den Krieg, den heulenden Bürgerkrieg!

Gregor (regungslos).

Die Fürſten Deines Landes haben mir verſichert, es würde keines Kampfes bedürfen.

Heinrich (ſteht auf, verneigt ſich in ſchneidendem Hohn gegen Gregor).

Und das haſt Du ihnen geglaubt? O Du vertrauens— ſeliger Mann, an Dir muß die Unſchuld ihre Freude haben!

137

Fönig Heinrich. +

Weil's ein paar Räubern einfällt, Deutſchland zu ſtehlen, haſt Du geglaubt, der deutſche König würde ihnen die Krone hin⸗ werfen, um raſcher davonlaufen zu können? (er tritt in die Mitte

der Bühne) Rudolf von Schwaben, hier tritt her! Gudolf macht eine Bewegung, Hermann, Eckbert, Heinrich halten ihn zurück, indem ſie flüſternd auf ihn einreden. Heinrich greift in die Büßerkutte, die er über der Rüſtung trägt,

reißt ſie von oben bis unten durch, wirft die Fetzen an den Boden) Kennſt Du Deinen Herrn und König nicht mehr? (Rudolf ſteht wie vorhin. Hein⸗ rich geht quer über die Bühne auf ihn zu, packt ihn an der Hand). Dann alſo kommſt Du ſo! N

Hermann, Eckbert, Heinrich von der Nordmark (greifen an das Schwert). Ha

Heinrich (ſteht vor ihnen, hebt die geballte Fauſt).

Weckt nicht das Schwert es iſt wach! (er reißt Rudolf ge⸗ waltſam nach vorn, läßt ihn los, ſteht ihm gegenüber) Und Du alſo biſt's, der ſich von ſeinen Handlangern heraufheben läßt auf Kaiſer Heinrichs Thron? (Er ſchlägt ihn mit rauhem Lachen auf die Schulter) Laß Dich anleimen, Mann, Du fällſt herunter! Ich nehme Maß an Deinem Kopfe er iſt zu dürftig für Deutſchlands Krone! Ich nehme Maß an Deiner Seele ſie iſt zu ſchwach für das große Verbrechen. Rudolf, Du thuſt mir leid. Bitte mir ab, jo will ich Dir verzeih'n. (er deutet auf den Boden zu feinen Füßen, wartet einen Augenblic) Aber, thuſt Du es nicht, dann ſtatt der Vergebung kommt das Gericht! (Er packt Rudolfs rechte Hand, öffnet ihm die Finger der Hand) Sieh hier Deine Hand, mit der Du mir Treue ſchwurſt ich weiß in Händen zu leſen, nimm Dich in Acht: in dieſer Hand ſteht Tod geſchrieben, frühzeitiger Tod, wie der Verräther ihn ſtirbt!

Agnes (die inzwiſchen, von Bertha und Mathilde geſtützt, aufrecht geſtanden hat).

Flammen vor meinen Augen! Flammen der Hölle! der (ſie bricht zuſammen, fällt auf den Stuhl.)

138

1

1

Dritter Akt.

Bertha (cqreiend). Die Kaiſerin ſtirbt! (Sie kniet mit Mathilde bei Agnes nieder.) Heinrich

(von jäher Empfindung überwältigt, ſtürzt zu Füßen der Mutter nieder).

Mutter, Du willſt hinweg? Von Deinem Sohne, von Deutſchland hinweg? (er ſteht auf) Aber Du thuſt recht, denn jetzt, ahnt mir, kommt eine Zeit, da es Unheil bedeuten wird für Jeden, der mehr von Deutſchland, als nur den Namen

kennt.

(Das Haupt der Kaiſerin ſinkt hintenüber; Gräfin Mathilde drückt es in beiden Armen an die Bruſt. Bertha tritt zu Heinrich, der düſter, auf die Mutter blickend, mitten auf der Bühne ſteht.)

Bertha (umſchlingt ihn). Bete mit mir; für Deine Mutter bete zu Gott. Heinrich. Laß die Glücklichen beten zu ihm er hat mir verſprochen, was er nicht hielt meine Seele hat die Stimme verloren, die zu ihm ruft ich kann nicht mehr beten.

(Vorhang fällt.)

Ende des dritten Aktes.

139

Mierter URL,

(Scene: In der Engelsburg zu Rom. Ein gewölbter Raum; die Wände und die Decke ſind von Quaderſteinen. Die Eingangsthür befindet ſich in der rechten ſtumpfen Ecke. In der Hinterwand iſt ein ausſpringender Erker mit zwei Fenſtern, die im ſpitzen Winkel zu einander ſtehen. Die Fenſter ſind klein; der ganze Raum macht einen feſtungsartigen Eindruck. Es iſt Nacht. Von der Mitte der Decke hängt eine Ampel und verbreitet ein dürftiges Licht. Beim Aufgange des Vorhangs iſt die Eingangsthür offen; durch die geöffnete Thür ſieht man in einen ſpärlich erleuchteten Gang hinaus, deſſen Wände und Decke ebenſo wie die des Vorderraumes von Quadern

gebildet find. Ein Ruhebett iſt im Vorderraum quer über die Bühne geſtellt.)

Erſter Auftritt.

Der Präfekt von Rom, der Hauptmann der Burg, zwei Gewaffnete (kommen den Gang herauf.)

Der Präfekt aritt ein). Der Hauptmann des Kaſtells Der Hauptmann (tritt heran). Präfekt? Präfekt. Habt Ihr meinen Auftrag erhalten? Hauptmann. Alles iſt zu ſeinem Empfange bereit. Kommt der Heilige? Präfekt. Von Sankt Peter herüber; Ihr habt ihn jeden Augenblick zu erwarten.

Hauptmann (winkt den Gewaffneten, deutet auf den Erker). Von da ſieht man nach Sankt Peter ſtellt Euch auf, ſeht zu. (Die Gewaffneten treten in den Erker, ſehen zum Fenſter hinaus.)

140

Vierter Akt.

Präfekt. Morgen früh könnt' es zu ſpät ſein; König Heinrich liegt vor der vatikaniſchen Mauer. Hauptmann. Da hat er ſchon zweimal gelegen. Präfekt. Aber wir ſtehen ſtehen macht müde. Hauptmann. Hm? Werden die Römer müde? Präfekt.

Aber laßt es unter uns. Außerdem iſt Gottfried von Bouillon zu ihm geſtoßen mit friſchen Truppen; möglich iſt's, er rennt morgen an mit dem ganzen Heer.

Hauptmann. Wenn die Mauer bricht, hat er Sankt Peter in Händen. Präfekt. Und mit Sankt Peter den Papſt. Hauptmann (lägen). Darum bereitet er den Rückzug. (Leiſe vertraulich) Wißt Ihr

Präfekt. Was? Hauptmann. Schade eigentlich, daß er nicht Soldat geworden iſt. Präfekt. Der Heilige —? Hauptmann.

Paßt eigentlich beſſer zum Soldaten als z zum Prieſter. Der eine Gewaffnete wom Fenfter rufend). Präfekt! (Präfekt und Hauptmann blicken auf.) Der Gewaffnete. Ein Zug von Prieſtern! Von Sankt Peter her! Mit Fackeln! In ihrer Mitte Einer in einer Sänfte!

141

> König Heinrich.

Präfekt. Laßt mich ſeh'n (eilt ans Fenster.) Das iſt er! (gommt vom Fenſter zurück, ſieht umher.) Iſt für Bequemlichkeit geſorgt? Hauptmann (zeigt auf das Ruhebett).

Nun da. Präfekt. Freilich hier wohnt nur, wer hier wohnen muß. (Er winkt die Gewaffneten vom Fenſter.) Ihr da vom Fenſter fort

und hinaus. (Zum Hauptmann.) Sobald er herein iſt, laßt das Thor des Kaſtells verſchließen und verrammeln. Hauptmann. Soll geſcheh'n.

(Stimmengewirr und Geräuſch von Schritten wird hinter der Scene vernehmbar, kommt näher und wird ſtärker.)

Sweiter Auftritt.

Eine Schaar von Klerikern (kommt haſtig trippelnden Schritts den Gang herauf;

der Voranſchreitende trägt ein großes Kreuz. Sie treten ein, drücken ſich ſchweigend,

ſcheu, im Hintergrunde und im Fenſtererker zuſammen und bleiben dort ſtehen).

8 (auf zwei andere Kleriker geſtützt, kommt langſam hinterdrein. Gang, Haltung und Geſicht ſind die eines tödtlich erſchöpften Menſchen).

Präfekt. Heiliger Herr FE Ihr ſeid erſchöpft ler deutet auf das Ruhe⸗ i bett) wir haben für ein Lager geſorgt.

Gregor (iſt mitten auf der Bühne ſtehen geblieben, ſieht ſich um, ROM den Präfekten zu beachten). Die Krone! | Präfekt. Was befehlt Ihr? Gregor.

Die Krone! Dritter Auftritt.

Ein junger Kleriker (kommt haſtig, einen metallenen Schrein in beiden n tragend).

Der junge Kleriker. Ich bringe ſie Euch, Allerheiligſter Herr!

142

Vierter Akt.

| Gregor (mit aufleuchtendem Geſicht, wirft den Deckel des Schreins zurück; in dem Schreine liegt die Kaiſerkrone).

Nun ſpringe über die Mauer, brich herein in Sankt Peters heilige Kirche hier iſt die Seele Sankt Peters, und in. dieſer Kammer die Welt! |

Präfekt. 8

Es greift Euch zu ſehr an ich bitte, ruht. (er nötbigt Gregor auf das Ruhebett.)

Gregor (fist nieder).

Wer jagt, ich ſei ſchwach? Es iſt nicht wahr. Komm her Du, (er winkt den jungen Kleriter heran) daß ich fie anſehen kann (Der junge Kleriker kniet vor dem Ruhebett nieder, den Schrein auf die Kniee ge— ſtützt. Gregor betrachtet gierigen Blicks die Krone) Das iſt Speiſe und Trank, Labſal und Kraft. Seht Ihr das Licht, das ſie um- züngelt? Flammen und Funken, blaue Flammen, wie das blaue Licht im Auge des hungrigen Wolfs das ſind Heinrichs Gedanken die ſie umzüngeln Kaiſerkrone nennt ſich das das Haupt, auf dem ſie ruht, wächſt über die Wolken herunter mit Dir, Hoffahrt der Welt tiefer tiefer

Der junge Kleriker (ſetzt den Schrein auf den Boden).

Zu Deinen Füßen, zu Deinen Füßen!

Gregor.

Zu Gott hab' ich geſchworen, daß ich die Kronen der Welt in den Staub zu ſeinen Füßen werfen wollte ich bin alt geworden an meinem Schwur mein Werk iſt gethan und deſſen zum Zeichen thu' ich ihr ſo! (Er ſetzt den Fuß auf die Krone.)

Der Präfekt und der Hauptmann. Gott ſteh' uns bei!

Gregor. Thoren Ihr ſeht Ihr nicht, daß Gott bei mir ſteht? Zehntauſende ſind draußen, mit Roſſen und Waffen, und

143

Fönig Heinrich.

brüllen nach ihr hier drinnen bin ich, ich allein ich habe ſie halte ſie und gebe ſie nicht! (Er ſinkt erſchöpft zurück. Pauſe. Hinter der Scene, von unten herauftönend, er⸗

ſchallen drei langſam abgemeſſene Schläge, wie wenn mit dem Hammer gegen eine Thür geſchlagen würde.)

Vierter Auftritt. Der Gewaffnete (der vorhin am Fenſter geſtanden, erſcheint im Gang).

Der Gewaffnete. Präfekt! 5 Präfekt. Was bringſt Du? Der Gewaffnete. Es wird Einlaß begehrt Einer ſteht vor dem Ther.

Präfekt. Wer? Der Gewaffnete. Einer vom Heere des Königs.

Hauptmann.

Was?!

Präfekt.

Den haben die Römer eingelaſſen?

Der Gewaffnete.

Sie haben ihn hereingelaſſen und hergeführt zum Kaſtell. Drunten ſtehen ſie, ein ganzer Haufen. Sie verlangen, daß wir ihm aufthun es heißt, er kommt, um Frieden zu ver⸗ handeln mit dem heiligen Papſt.

Gregor (der inzwiſchen wie in einer Betäubung gelegen hat, richtet ſich auf). Wer ſpricht von mir? Präfekt cu Gregor).

Heiliger Herr es wird berichtet, König Heinrich ſchickt

einen Abgeſandten, um Frieden mit Euch zu unterhandeln.

144

Vierter Akt.

Gregor. Bietet er Unterwerfung an? Will er durch Buße ſich löſen vom Bann? Präfekt (u dem Gewaffneten).

Iſt's ſo? a Der Gewaffnete. Das weiß ich nicht. Präfekt (zu Gregor). Heiliger Herr das weiß man nicht.

Gregor. Anders ſoll er nicht herein. Präfekt. 5 Heiliger Herr es könnte ja wohl ſein —? Gregor.

Anders ſoll er nicht herein.

(Von drunten ertönen wiederholte, unregelmäßige Schläge, wie wenn zahlreiche Hände ans Thor ſchlügen, Geſchrei von Stimmen tönt herauf.)

Der Hauptmann (eilt an das Fenſter, blickt hinunter). Heiliger Herr die Römer werden ungeduldig. Sie verlangen mit Gewalt, daß er eingelaſſen wird. 5 Gregor. Stehen die Römer im Bunde mit ihm? Präfekt. Das nicht nur um die Wahrheit zu ſagen ſie ſehnen ſich nach Frieden. 0 Gregor (vor ſich hin ſprechend). Leiber vertheidigen die Kirche Leiber ſind ſterblich 8 werden müde und ſchlaff (richtet das Haupt auf). Präfekt. | Präfekt. N Was befehlt Ihr? Gregor. Weiß Jemand, wo der Abt von Clugny iſt?

Heinrich. 145 10

König Heinrich. +

Präfekt.

Abt Hugo? Soviel man weiß, iſt er im Lager des Königs.

Gregor (verſinkt in düſteres Sinnen).

Hugo im Lager Heinrichs.

Präfekt. Wollt Ihr nicht einen Befehl geben? Gregor (auffahrend). Kämpfen ſollen ſie; und wenn es ſein muß, ſterben für die heilige Kirche! 8 Präfekt. Es iſt nur daß vielleicht ſehr viele ei werden. 3 Gregor (pöpnifc).

Der ſorgſame Herr Präfekt tür ſich) freilich was geht ihn die Kirche an? Wenn ein Hugo ſie verläßt mich friert vor Einſamkeit. (Erneuter Lärm von drunten.) .

5 Gregor.

Mag er kommen. Laßt ihn herein. 5 (Der Präfekt und der Hauptmann gehen hinaus. Lange Pauſe.)

Fünfter Auftritt.

Ein Ritter (Helm auf dem Haupte, mit herabgelaſſenem Viſir, einen Mantel über der Rüſtung). Der Präfekt, der Hauptmann (kommen den eg herauf).

Präfekt (zu dem Ritter). Gebt das Schwert ab. Wenn Ihr geht, ſollt Ihr's zurück⸗ erhalten. Ritter (giebt ſchweigend ſein Schwert an den Präfekten, winkt ihm und dem Hauptmann, ſich zurückzuziehen. Beide treten hinaus; der Ritter winkt auch den Klerikern, hinaus⸗ zugehen, ſie blicken fragend auf Gregor; da ſie von dieſem kein Zeichen erhalten, gehen ſie hinaus, die Thür hinter ſich ſchließend. Der Ritter ſteht dee eee im Hintergrunde). Gregor (ohne nach ihm umzuſchauen). Du bringſt mir Heinrichs Unterwerfung? Ritter. Er hat ſich Dir unterworfen, als Du der Stärkere warſt.

146

A in de 4

Vierter Akt. —.

Gregor

(ft bei den Worten des Ritters aufgefahren, als lauſchte er dem Klange feiner Stimme; er wendet langſam das Haupt zu ihm, ſtarrt ihn eine Zeit lang ſchwei⸗

gend an).

Bin ich's nicht mehr? Iſt Heinrich nicht im Bann? Ritter.

Er wurde frei davon zu Canoſſa. Gregor.

Aber ich habe ihn zum zweiten Male gebannt. Erfuhr man's in Deutſchland nicht? Ritter. Man erfuhr's. Gregor. Alſo was that man in Deutſchland? Was ſagte man? Ritter. Man erfuhr's. Gregor. Was that man, als man's erfuhr? Ritter. Und es war abgethan. i Gregor (greift mit der Hand in die Kiſſen, ſtößt einen dumpfen Laut aus). Ritter.

Als Gregor zum erſten Male Fluch über Heinrich ſprach, war Gottes Zorn in ſeinem Wort als er's zum zweiten Male that, war's eines Menſchen ohnmächtiger Haß.

Gregor.

Dich ſchickt Heinrich? Das hat er Dir geſagt? Ritter.

Mich ſchickt Heinrich nicht. Gregor.

Nicht? Du biſt ein Deutſcher? Kommſt aus Deutſch— land?

Ritter. Ich bin ein Deutſcher, komme aus Deutſchland.

147 109

TORE ee a In

—. Hönig Heinrich.

Gregor. | Und Heinrich ſchickt Dich nicht? (pause) Wer aljo ſchickt Dich? Schickt König Rudolf Dich?

Ritter. Wohl möglich. Gregor. Was ſagt er mir? Was ſchickt, was beſtellt er mir? f Ritter. Seinen Abſchied beſtellt er Dir, er iſt todt! Gregor. Rudolf iſt todt?! Ritter.

Erſchlagen im Kampfe wider Heinrich. Ein Vermächtniß ſchickt er Dir.

Gregor.

Ein Vermächtniß?

Ritter.

Die Hand, mit der er ſeinem Könige geſchworen, und die ihm heruntergehauen wurde in rebelliſcher Schlacht, die Hand, in welcher Heinrich ihm zu Canoſſa geleſen und den Tod prophezeit hat Dir zum Vermächtniß ſchickt er dieſe Hand! (Er greift unter den Mantel, holt eine abgehauene rechte Menſchenhand hervor und

wirft ſie Gregor vor die Füße.)

Gregor (fährt mit einem Entſetzensſchrei auf, ſinkt an dem Ruhebette nieder, drückt das Geſicht in die Kiſſen).

Ha Knieend am Ruhebet) Woher weißt Du, daß Heinrich ihm den Tod geleſen hat in der Hand? Ritter ctritt einen Schritt heran). Weil ich ſelbſt es war, der es that!

Gregor. Du biſt

148

a ee BE Ä Se ne Tar/z . 7 >

Vierter Akt.

Ritter (reißt den Helm vom Haupte).

Ich bin Heinrich, der König. (hause) Hörſt Du das Schweigen um uns her? Das iſt die Welt, die den Athem anhält, weil wir zum erſten Male allein ſind. (er deutet auf die Hand) Der Tod iſt zwiſchen uns ich decke ihn zu (er nimmt den Mantel von den Schultern und wirft ihn über die Hand) Laß Leben aufgeh'n aus dieſer Stunde.

Gregor (erhebt ſich von den Knieen, ſetzt ſich auf das Nuhebett). Was verlangſt Du?

Heinrich. Mein Recht.

Gregor. Was nennſt Du Dein Recht?

Heinrich.

Die Kaiſerkrone. Gregor Goöhniſch). Du meinſt, ich ſei nicht ſtärker als Du, und bettelſt

bei mir.

Heinrich. Ich bettle nicht morgen werde ich Kaiſer ſein.

Gregor.

Wenn ich's Dir weigere? Heinrich.

Dann wird mich ein Anderer krönen. Gregor.

Nur der 9 ſetzt Kaiſerkronen auf! Heinrich.

Dann wird morgen ein Anderer Papſt ſein ſtatt Deiner. Gregor.

Wer?! . Heinrich.

Wibert von Ravenna.

149

Hönig Heinrich.

Gregor. Wibert? Dem werden die Prieſter das heilige Kleid vom Leibe reißen!

Heinrich. Hoſiannah werden ihm die Prieſter ſingen. Gregor. Wer ſagt or das? Heinrich. Einer, dem auch Du glaubſt: Hugo, der Abt von Clugny. Gregor. Hugo für Wibert? Das iſt nicht wahr! Heinrich.

Komm in mein Lager, frage ihn ſelbſt. (Gregor ſinkt auf dem Ruhebett in ſich zuſammen. Pauſe.) Aber ich will, daß Du mich krönſt. Gregor. Warum ich? b Heinrich.

Weil ich den Tag nicht vergeſſen kann, als ich Dich zum erſten Male geſehen habe, da oben, vor Jahren in Goslar. Du ſahſt anders aus als alle Menſchen. (Gregor wendet langſam die Augen auf ihn.) Du ſahſt aus wie Einer, der Wunder thun kann. Kannſt Du's, ſo thu's; es iſt die letzte Stunde.

Gregor. Was für ein Wunder verlangſt Du? Heinrich. Seit ich in Canoſſa geweſen bin, kann ich nicht mehr glauben gieb mir den Glauben wieder. Gregor. Das alſo brauchſt Du? Heinrich.

Seitdem iſt etwas todt in mir mach' mir das wieder

lebendig.

150

Vierter Akt.

Gregor (wendet die Augen von Heinrich ab, ſein Haupt ſinkt auf die Bruſt, ſeine Hände ſchieben ſich ringend in einander, ein Zittern geht durch ſeinen Körper und verräth die tiefe Erregung, die ihn durchwühlt). Wie ſein Herz nach mir ſchreit wie mein Herz ihm Antwort giebt. (Er ringt die Hände heftiger, jählings fahren ſeine Hände aus⸗ einander, er ſpringt auf). Heinrich daß Du nicht König geworden wär'ſt! | Heinrich (finſter lächelnd). Das ſagen meine Feinde auch. Gregor. Nicht König zu dieſer Zeit da ich Papſt war! a Heinrich. Ich verſtehe Dich nicht. Gregor (am Kopfe des Ruhebettes ſtehend). Aber wenn Du mich verſtändeſt, dann hätteſt Du das Wunder, wonach Du verlangſt.

Heinrich.

Den Glauben ſollſt Du mir wiedergeben. Gregor.

Dann hätteſt Du, woran Du glauben kannſt. Heinrich.

Was? Gregor.

Das Unendliche, Ewige, Göttliche, die Kirche. Heinrich.

0 Gieb mir den Unſichtbaren wieder, an den ich geglaubt habe. Gregor. Er lebt in der Kirche. Glaube an ſie, und er gehört Dir wieder an! Heinrich (blickt ihn in dumpfer Verwunderung an). Und wenn ich wollte

151

Ve

. König Heinrich.

Gregor (ſtreckt vom Platze, wo er ſteht, beide Hände nach ihm aus).

Ach, wenn Du wollteſt! Ach, wenn Du kämeſt! Wenn Du zu ihr kämſt, wie zur Mutter der Sohn! Komm, Heinrich! Heinrich, komm! Was Du mir geſagt haſt an dem Tage zu Goslar, weißt Du es noch? Daß Du nicht dulden wollteſt, daß ſie armen Leuten das Augenlicht nähmen Königlicher Knabe, Königlicher Menſch denk' an Dein Wort, mach' es zur That, mache ſehend die Blinden, mach' ſehend ihre Augen für ihr ewiges Heil! Du aller Menſchen Erſter, Du aller Menſchen Gewaltigſter, beuge Dich zuerſt, unterwirf Dich zuerſt, kniee nieder vor dem, das größer iſt als Du! | Heinrich.

Vor der Kirche?

| Gregor. |

Ja, ja, ja, vor der Kirche, die jo groß iſt, daß Gott

darin Raum hat!

Heinrich. f Ich höre, was Du verlangſt ſage mir, was Du mir giebſt. a Gregor.

Was ich Dir gebe? Was ich Dir gebe? Von Deinem Haupte nehm' ich den Bann; Dich vor der Welt erkenn' ich als König; Dich vor der Welt kröne ich zum Kaiſer; Dich nehme ich auf in die Gemeinſchaft meines großen Werks, als meinen Freund, meinen Bruder, meinen Sohn; als der Kirche geliebteſten Sohn! Heinrich, der Du ſo viel gelitten haſt durch den Haß wie Deine Seele aufblühen wird zur Seligkeit, wenn der Weltenſtrom der Liebe darüber hingehen wird, den die Kirche Dir ſchickt.

Heinrich.

Schenke mir Deine Liebe freiwillig.

Gregor. Ich ſchenke ſie Dir freiwillig.

152

Vierter Akt.

Heinrich. Nein, Du verkaufſt ſie mir; laß mich Deinen Freund ſein, ohne daß ich Dein Knecht werde. Gregor. Wird der Sohn zum Knechte, weil er ſich der Mutter unterwirft? Heinrich.

Keine wahre Mutter läßt den Sohn die Unterwerfung fühlen. Gregor.

Du ſollſt ſie nicht fühlen. Nicht die Menge ſoll Deine Unterwerfung ſeh'n, nicht vor der Menge draußen ſollſt Du knien. Tauſend Schritte komme ich Dir entgegen nur einen einzigen begegne mir Du! Hier wo ich bin, iſt die Kirche; hier wo Du ſtehſt, iſt die Welt. Hier dieſen ſteinumengten Raum laß zur Stätte werden des ungeheuren Ereigniſſes, daß der Leib ſich beugt vor dem Geiſt! Bändige den König, beuge den Nacken, kniee vor mir; Niemand hört's, Niemand ſieht's

Heinrich. Einer ſieht's.

Gregor. Wer?

Heinrich. Ich!

Gregor. Thu's um der Menſchheit willen!

Heinrich. Knieen kann ich nicht.

Gregor. Haſt Du nicht ſchon einmal gekniet?

Heinrich.

Darum weiß ich, daß mir das nichts hilft. Als ich ge— kniet habe, iſt Gott in meiner Seele geſtorben. Gieb mir den

153

König Heinrich.

Gott wieder, den ich in Dir geſucht habe, den Du mir ge- nommen haſt. 5

| Gregor. Ich kann nicht, wenn Du Dich nicht beugſt. Beuge Dich! Heinrich. Nein! Gregor. Du mußt Heinrich. Nein!

Gregor (wirft beide Hände empor).

Umſonſt, was ich geſprochen und gefleht? Verloren die Stunde, die einmal war und nie wiederkehrt? Ah Ver⸗ ſtockter!!

Heinrich.

Ah Betrüger! | Gregor (prallt zurüd).

Be trüger?

Heinrich.

Ja! Dem die Menſchen glauben ſollen, er ſei über Schwäche und Begier und der Du hungerſt nach Macht und Dich ſättigſt am leeren Schein! In deſſen Seele ich zwei⸗ mal geſucht und zweimal nichts gefunden habe als das Nichts!

Gregor.

Nun ſollſt Du nicht Kaiſer ſein.

Heinrich.

Nun werde ich Kaiſer fein ohne Dich! (Er rafft den Mantel auf, deutet nach dem Fenſter) Roth bricht der Tag an Tauſende ſind geſtorben durch Dich, Zehntauſende werden ſterben um Dich ſoll ihr Blut kommen über Dich? Soll Kampf ſein?

Gregor. Kampf von Geſchlecht zu Geſchlecht, vom Vater wider den Sohn! Kampf ſoll ſein und Fluch auf Dich über die Zeit hinaus in die Ewigkeit!

154

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Vierter Akt.

Heinrich (rafft den Mantel um die Schultern).

Du nicht Wunderthäter Hexenmeiſter, der die Welt verflucht! Deine Stimme verſchlingt eine andere, mächtiger als die Deine die Stimme der Verzweiflung! Deinen Fluch verſchlingt ein anderer, mächtiger als der Deine: der Fluch der Betrogenen! Alles, was da geſucht hat nach Hoffnung, gefahndet nach Glauben, gelechzt hat nach Gott, Alles, was da vertraut hat auf Dich und von Dir einen Stein empfing ſtatt des Brots und einen bunten Fetzen ſtatt der ewigen Welt, für dieſes Alles ſprech' ich zu Dir, von dieſem Allen ſage ich Dir: Du ſollſt verflucht ſein, verflucht und verflucht! (er ſtürmt hinaus.)

Gregor (breitet beide Arme aus).

Beten beten beten (Er taumelt und fällt quer über das Ruhebett, ſo daß ſein Kopf herniederhängt.)

Sechſter Auftritt.

Die Kleriker (erſcheinen in der Thür, blicken einen Augenblick angſtvoll herein, kommen dann im Sturm herein).

Die Kleriker. Der Papſt ſtirbt!

(Im Augenblick, da ſie herantreten, gewahren ſie die abgehauene Hand, die am Boden liegt.)

Erſter Kleriker. Seht was da am Boden liegt!

Zweiter Kleriker cöeugt ſich). Eines Menſchen abgehauene Hand! Alle Kleriker. Eine Todtenhand! (Sie weichen voller Entſetzen in den Hintergrund zurück.) Der junge Kleriker

(der vorhin die Krone gebracht hat, iſt zu Gregor niedergekniet, hat ſein herab— hängendes Haupt auf das Ruhebett gehoben).

Flieht nicht! Seht Ihr nicht, daß er ſtirbt? Laßt uns beten für ſeine Seele!

155

—. König Heinrich. *-

Die Kleriker. Laßt uns beten für ſeine Seele. (Sie knieen im Hintergrunde nieder.) Der junge Kleriker worbetend). Wenn die Stunde kommt, der keine Stunde folgt Die Kleriker (nachmurmelnd). Der keine Stunde folgt g Der junge Kleriker Wworbetenv). Wenn die Nacht kommt, der kein Tag erſcheint

Die Kleriker (wie vorhin). Der kein Tag erſcheint

Der junge Kleriker (wie vorhin). Dann führe mich in der Finſterniß, erbarme Dich meiner, o Herr. a Die Kleriker (wie vorhin). Erbarme Dich meiner, o Herr. Gregor (richtet das Haupt auf). Was murmelt Ihr da? Der junge Kleriker. Wir beten. Gregor. Sterbegebete? Der junge Kleriker. Gebete der letzten Stunde. Gregor. Iſt hier ein Sterbender? Alle Kleriker. Betet mit uns, heiliger Herr, betet mit uns!

(Hinter der Scene, aus der Ferne, ein ſchmetternder Trompetenſtoß. Die Kleriker ſpringen auf, ſtürzen an das Fenſter.)

Erſter Kleriker. Das iſt König Heinrich, der die Mauern von Rom an⸗ rennt!

156

Dierter Akt.

Zweiter Kleriker. Der Tod iſt über unſerem Haupt! Alle Kleriker

(kommen in Todesangſt nach vorn, werfen ſich vor Gregor nieder, umklammern feine Kniee).

Betet mit uns! Betet! Betet! Gregor c(fößt fie von ſich). Feiglinge! (Aus der Ferne ein zweiter Trompetenſtoß, dann Geſchrei und dumpfes Getöſe.)

Alle Kleriker. Hört Ihr das? Gregor. Zu den Waffen! | Alle Kleriker. Betet für Eure ewige Seele! Gregor. Kämpft für die heilige Kirche! Alle Kleriker. Betet! Betet! Gregor. Auf die Mauern mit Euch! (Er rafft ſich vom Ruhebett auf.) Gebt mir das Kruzifix! a (Er greift nach dem Kruzifix es wird ihm ge⸗

reicht.) | Erſter Kleriker.

Was beginnt Ihr?

Gregor.

Auf die Mauer will ich (er ſtemmt ſich am Kreuze empor) helft mir auf die Füße auf die Mauer kämpfen ö ſterben für die heilige Kirche (er taumelt, läßt das Kreuz fallen, ſinkt auf das Ruhebett zurück) Ach Leib Leib elender Leib

Siebenter Auftritt. Der Präfekt (kommt hereingelaufen).

Präfekt. Heiliger Herr heiliger Herr Gottfried von Bouillon

157

—» König Heinrich. —⸗

hat die Mauer überjtiegen! Die Deutſchen find herein in die Stadt! | | Gregor. Kämpft für die heilige Kirche! Kämpft wider Heinrich und die Hölle, für die heilige Kirche! f

Achter Auftritt. Der Hauptmann (eriheint in der Thür). Hauptmann. Präfekt! Man braucht Euch! König Heinrich iſt in Sankt Peter herein! In der Kirche iſt ein gräßliches Gemetzel!

(Der Präfekt ſtürzt mit dem Hauptmann hinaus. Alle Kleriker ſpringen in rathloſer Angſt auf).

Erſter Kleriker. Das iſt Gottes Gericht! Zweiter Kleriker. Seht die Todtenhand, die nach ihm zeigt! Erſter Kleriker. Er kann nicht beten! Zweiter Kleriker. Gott hat ihn verlaſſen. Alle Kleriker. Gott hat ihn verlaſſen! Rettet Euch, flieht! Rettet Euch!

(Sie ſtürzen, in einen wirren Haufen gedrängt, nach der Thür und zur Thür hinaus. Gregor ſinkt ächzend zurück.)

Der junge Kleriker

(der in der Bewegung der Fliehenden mit fortgeriſſen war, kehrt zurück, wirft ſich zu Gregor nieder).

Ich nicht! Ich nicht! Ich nicht! Gregor.

Wer biſt Du? Die Lampe brennt dunkel wer biſt Du,

der zu mir ſpricht? Der junge Kleriker (wirft den Arm um Gregor, drückt ſein Geſicht an Gregors Bruſt).

Einer von den Deinen, der Letzte, der Geringſte, aber von

den Deinen!

158

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Vierter Akt.

Gregor (taſtet nach dem Haupte des Jünglings). Du biſt der Knabe der mir die Krone gebracht hat?

Der junge Kleriker.

Der bin ich! Der bin ich! Aus der Tiefe habe ich auf— geblickt zu Dir, in der Dunkelheit die Hände gefaltet nach Dir ein Bettler, jo lange ich lebte, trägt der Tod mich an Deine Seite, und ich darf ſterben mit Dir, Du mein Heiligthum, Du

mein Gott! (Außerhalb der Scene erhebt ſich tobendes Geſchrei):

„Heinrich Kaiſer und Wibert Papſt!“ Gr egor Guckt auf). Was rufen ſie da?

Der junge Kleriker (wirft ſich über ihn). Höre ſie nicht! Höre ſie nicht! (Außerhalb der Scene abermaliges Geſchrei): „Heinrich Kaiſer und Wibert Papſt!“ Gregor (fährt ſitzend auf). Sie rufen Wibert Papſt! Der junge Kleriker (wirft ſich mit verdoppelter Leidenſchaft auf ihn). Sie lügen! Sie lügen! Sie lügen! Gregor

(ſteht wankend auf die Füße auf, ſtützt ſich mit beiden Händen auf die Schultern des N jungen Kleriters, der vor ihm kniet).

Wer iſt Dein Papſt? Der junge Kleriker. Du biſt der Papſt und Keiner als Du! Gregor. An mich glaubſt Du? Der junge Kleriker. Wie ich an Gott glaube, ſo glaub' ich an Dich! Gregor. Mich liebſt Du?

159

—. Hönig Beinrich.

Der junge Kleriker. Vater und Mutter, Bruder und Schweſter geb' ich für Dich!

Gregor.

Du haſt ihn mir geſandt, in meiner letzten Stunde, Gott! Weil Du weißt, daß ich nichts für mich gewollt habe, ſondern für die heilige Sache Alles allein, darum in meiner letzten Stunde haſt Du ihn mir geſendet, den hier, Gott! (er legt die Hände auf das Haupt des Jünglings) Auf Dein Haupt meine Hände * Jugend, ich ſegne Dich Zukunft, ich knüpfe Dich an mein Werk! Du ſollſt bleiben, wenn ich gehe, leben, wenn ich fterbe. Schatten umdunkeln mich ſieh mir ins Auge in Deinem Auge iſt die Sonne Du biſt der morgige Tag, der über das Geſtern triumphirt.

(Außerhalb der Scene, in unmittelbarer Nähe, nochmaliges Geſchrei):

„Heinrich Kaiſer und Wibert Papſt!“

Gregor (reckt ſich ſtarr auf, hebt den rechten Arm empor). Und die Zukunft gehört mir doch!

(Er wankt, fällt rücklings auf das Ruhebett, ſtirbt.)

(Vorhang fällt.)

Ende.

160

Zweiter Abend. Maiſer Heinrich.

(In fünf Akten.)

Perſonen:

Kaiſer Heinrich IV. von Deutſchland. en feine Söhne.

Papſt Paſchalis.

Buthart, Erzbiſchof von Mainz.

Johann, Kardinal-Bifchof von Tuskulum. Leo, Biſchof von Gſtia.

Graf Diephold von Vohburg, g Graf Berengar von Sulzbach,

Graf Hermann von Winzenburg, ( deutſche Große. Graf Dietrich von Batlenburg, Markgraf Werner, ) Kanzler Albert.

Graf Frangipani, FOREN i Leone, italieniſche Große. Der Schultheiß

Erſter Nathmann Zweiter Nathmann Dritter Nathmann Graf Gmicho,

Der Prieſter Gottſchalk, Ggino, der Hausnarr Dohburg's.

von Regensburg.

Kreuzfahrer.

Ein Neitersknecht des Grafen von Beichlingen.

Ein Bauer von Abach.

Präredis, Gemahlin Kaiſer Heinrichs IV. aus deſſen zweiter Ehe. Die Oberin Die Pförtnerin Eine Bauernfrau aus Abach.

Eine Bettlerin.

Kin Bettler.

Bürger und Bürgerinnen von Regensburg. Nonnen. Bauern und Bäuerinnen von Abach. Kreuzfahrer. Bürger und Bürgerinnen von Rom.

Kleriker von Sankt Peter in kom. Bürger und Bürgerinnen von Speier. Bettler und Bettlerinnen. Deutſche Biſchöfe. Deutſche Edle. Deutſche Reiſige.

eines Nonnenkloſters am Rhein.

Orte des Stücks: 1. Akt In den Trientiner Alpen, oberhalb des Gardaſees. 2. Akt Regensburg. 5. Akt Ein Frauenkloſter am Rhein. 4. Akt Im St. Peter zu Rom. 5. Akt Im Dom zu Speier.

Erſter Akt.

(Scene: Ein einſam gelegenes Schloß Kaiſer Heinrichs IV. in den Trientiner Alpen, oberhalb des Gardaſees. Ein hoher, düſterer, achteckiger Saal, der nur durch einige hoch angebrachte Fenſter Licht erhält. Unter dieſen Fenſtern, in der Höhe der Wand, läuft eine von Säulen getragene Galerie um den Saal, auf welche eine Thür von

den inneren Gemächern führt. Eine ſchwere dunkle Holzthür ſchließt den Saal unten

im Hintergrunde ab. Der Saal iſt som leer; eine ſteinerne Bank läuft um die and.)

Erſter Auftritt.

Dan Heinrich (ein Jüngling im jugendlichſten Alter, hager, langlockig, einen

olch im Gürtel, ſitzt auf einem Stuhle an der Hinterwand, halb von der Säule,

neben der er ſitzt, verdeckt. Er ſitzt breitbeinig, reitend auf dem Stuhle, deſſen

Lehne nach der Bühne gekehrt iſt; er hat die Arme auf die Stuhllehne gelegt,

das Kinn auf die Hände geſtützt, blickt regungslos, brütend vor ſich hin. Dies dauert, nachdem der Vorhang aufgegangen iſt, einige Zeit).

Sweiter Auftritt.

(Die Thür im Hintergrunde wird von außen geöffnet. Sobald die Thür aufgeht, hört man das Brauſen des Sturms, der um das Schloß heult, und ſieht einen rauhen Felsabhang, der das Thal, in welchem das Schloß liegt, im Hintergrunde abſchließt.) Johann Frangipani (tritt vorſichtig durch die Mittelthür ein. Er iſt in einen langen dunklen Mantel gehüllt; eine Kapuze bedeckt ſeinen Kopf bis über die Stirn. Er ſchleicht behutſam herein, ohne den Prinzen Heinrich zu gewahren, der in ſeiner Stellung ſitzen bleibt und ihn mit ſcharfen Augen ſpähend verfolgt). N Frangipani

(ſteht mitten im Saale, den Rücken gegen Heinrich gekehrt, ſieht ſich ſtaunend um).

Oede und leer als wäre die Hand des Allmächtigen an dieſem Winkel vorbeigegangen, als er Leben in der Welt

erſchuf. (Er wendet ſich zurück, um die Thür zu ſchließen, die hinter ihm offen geblieben iſt; indem er ſich umwendet, gewahrt er Heinrich, bleibt wie angewurzelt ſtehen, greift unwillkürlich an das Schwert, das er unter dem Mantel birgt)

da iſt Jemand!

Heinrich. 161 | 11

Kaifer Heinrich.

Heinrich (ohne ſich zu rühren, die Augen auf Frangipani gerichtet). Niemand iſt hier. Frangipani (iſt raſch bis an die Thür gegangen, hält ſie in der Hand). Niemand? Und Ihr?

Heinrich

(blickt auf enge deſſen unſchlüſſige Haltung andeutet, daß er mit ſich kämpft, ob er bleiben oder gehen ſoll).

Ihr wollt die Thür ſchließen? Recht. In dieſem an⸗ muthigen Thale, das mein Herr Vater zum Aufenthalte erkor, u ein unhöflicher Wind.

Frangipani.

Euer Vater zum Aufenthalt erkor —? Kaiſer Heinrich

iſt's, der hier wohnt?

Heinrich. Giebt's einen Kaiſer außer ihm? Frangipani. Weshalb? Heinrich. Weil Ihr Kaiſer „Heinrich“ ſagt. Frangipani. Wie ſollt' ich ſonſt ſagen? Heinrich. „Der Kaiſer“ Frangipani.

Gut. Alſo ſeid Ihr des Kaiſers Sohn? (Kommt von der Thür nach vorn.) Heinrich (giebt keine Antwort, lächelt). Frangipani. Aber König Konrad doch nicht? Heinrich. Warum „doch nicht“?

162

: REN! a Te

Erſter Akt. +-

Frangipani. Weil man ihn mir anders beſchrieben hat. Heinrich. Um ſo beſſer. Frangipani. Warum? Heinrich. Soll man mich für einen König halten? Frangipani. Alſo wäret Ihr des Kaiſers zweiter Sohn? Heinrich. Fragt Ihr immer nach Allem zweimal? Frangipani. Ihr habt mir noch nichts geſagt. Heinrich. Eines Kaiſers zweiter Sohn iſt nichts. Wo nichts, da iſt Niemand. i Frangipani.

Ah ſo. Chauſe.) Euer Bruder iſt nicht im Schloß? Heinrich (ſucht mit den Augen am Boden). Es ſcheint nein. Frangipani. Es ſcheint? Heinrich. Seht Euch um vielleicht kniet und betet etwas am Boden dann iſt es er. Frangip ani (mit einem Lächeln). Ich ſehe nichts. Heinrich. So wird er draußen ſein, auf der Jagd. Frangipani. König Konrad, hat man mir geſagt, geht niemals auf die Jagd?

166 118

KHaiſer Heinrich.

Heinr ich (ſieht von unten zu ihm auf). Der Herr ſcheint wohl vertraut mit König Konrad? Fran gipani. Nur vom Hörenſagen. Heinrich. Man hat Euch falſch geſagt: er geht auf die Jagd. a Frangipani. So? Heinrich. Auf zweibeiniges Wild. Frangipani. Zweibeiniges? Heinrich. Kranke und Lahme, Bettler und Hungerleider. Frangipani. Er iſt ein gottesfürchtiger Herr. Heinrich.

Amen. Wenn er Einen mit Peſtbeulen heimbringt, rechnet es ihm gleich einem Bären. Ein Ausſätziger gilt einem Sechszehnender gleich.

Frangipani gächelnd). Ihr uber anders darüber zu denken. Heinrich. Wie eines Kaiſers zweiter Sohn denkt, iſt gleichgültig. (Pauſe.) Frangipani. Könnt Ihr mir ſagen, wo Euer Vater if? Heinrich. Habt Ihr auch für ihn Beſtellungen? Frangipani.

Beſtellungen? Wer ſagt Euch, daß ich Beſtellungen habe

für irgendwen?

164

Erſter Akt.

Heinrich. Ihr habt es nicht geſagt. Mein Vater iſt auf der Jagd. Frangipani. Auch draußen? Heinrich. Vielleicht. RE Frangipani.

Wenn er auf der Jagd iſt?

Dritter Auftritt. Kaiſerin Präxedis (erſcheint auf der Galerie oben, bleibt dort lauſchend ſtehen).

Heinrich (hat ſie bemerkt, giebt ſich den Anſchein, ſie nicht zu ſehen). Er iſt immer auf Jagd, im Hauſe und draußen.

Frangipani. Wonach jagt er denn im Hauſe? Heinrich. Auf Dame Präredis. Frangipani. Dame Präredis? Heinrich. Scheint dem Herrn fremd, der Name? Frangipani. Es iſt die Kaiſerin. Heinrich. Freilich wenn Kaiſer freien, werden aus Weibern Kaiſerinnen. Frangipani. Nur weil Ihr ſagtet, er macht Jagd auf ſie. Heinrich.

Was heißt es, wenn Jemand auf Jagd geht? Er fahndet und lechzt nach einem Fleiſch und Blut, das ihm nicht gehört!

165

—» Kaijer Heinrich.

Frangipani. Ihm nicht gehört? Heinrich. Oder nicht gehören will. Frangipani.

Eure Mutter.

Heinrich (liegt vom Stuhle auf, tritt dicht vor Frangipani). Wer?! > Frangipani weist unwillkürlich einen Schritt zurüd). Nun wenn ſie Eures Vaters Frau geworden iſt Heinrich. So iſt ſie darum nicht Mutter des Kaiſerſohns! Merkt Euch das! (er geht auf und ab; die Glieder zucken ihm.) Frangipani (feht ihm zu, für ſich). Was iſt das für ein Menſch? (Baufe. Präxedis geht oben durch die Pforte ab.) Eure Mutter, ich weiß wohl, war Königin Bertha.

Heinrich bleibt ſtehem.

Königin? Frangipani. Ja nicht? Heinrich. Faiferin. Frangipani.

Schon recht aber als Ihr zur Welt kamet, war 5 noch Königin meiner Rechnung nach.

Heinrich. Eurer Rechnung nach der Herr iſt ein Italiener? Frangipani. Warum? Heinrich.

Italiener ſind Rechner. (Er bleibt dicht vor Frangipani stehen) Es giebt auch Deutſche, die rechnen können.

166

Erſter Akt.

Frangipani. Will's glauben. Heinrich (geht auf und ab). Ihr könnt es glauben, obſchon es etwas Seltenes iſt.

Frangipani. Wenn ich Euch anſehe, junger Herr, mein' ich, Ihr könntet

2 Einer ſein.

Heinrich. Weil ich weiß, daß die Zwei hinter der Eins kommt? Frangipani lächelnd).

Das auch. | Heinrich. Der Herr iſt zu nachſichtig ich hoffe, noch zu lernen. Frangipani. Ihr werdet ſchon lernen. Heinrich. Vielleicht wenn mich der große Rechenmeiſter in die Schule nimmt. F ani. Der große Rechenmeiſter? Heinrich. Der meinem Vater im Rechnen über war. Frangipani. Wen meint Ihr mit dem großen Rechenmeiſter? Heinrich

(bleibt wieder vor ihm ſtehen, ſieht ihm tückiſch lächelnd ins Geſicht). Auch Jäger, der Herr? Frangipani. Weshalb? Heinrich. Weil Ihr auf den Fuchs grabt. (wendet ſich, geht wieder auf und

ab) Wißt Ihr, warum mein Vater ihm unterlegen iſt?

167

Kaiſer Heinrich. +

| Frangipani. Sagt es mir. Heinrich. Weil er ein Gewächs in ſeinem Leibe hat. Frangipani.

Ein Gewächs?

Heinrich (faßt an die Bruſt, in der Herzgegend). Hier in der Gegend.

Frangipani. Was für ein Gewächs? Heinrich. Einen Schwamm. Darum, wenn's zum Rechnen ge⸗

gangen iſt, hat ihm der Schwamm das Exempel verwiſcht. Und unterdeſſen hatte der Andere glatte runde Sa Frangipani. Das Alles verſtehe ich nicht. Heinrich.

Ihr ſeid ja auch kein Deutſcher. Die Deutſchen haben Alle Schwämme im Leibe. Deutſchland iſt ein feuchtes Land, voll Sümpfe und Nebel; da wächſt ſo etwas. Ihr in Italien habt heiße trockene Luft, da kommt ſo etwas nicht fort. Darum ſeid Ihr die Stärkeren. Denn wer am wenigſten Ballaſt mit ſich ſchleppt, der iſt der Stärkſte.

Frangipani.

Ich weiß noch immer nicht, wen Ihr mit dem 1 1955

Rechenmeiſter meint?

Heinrich (tritt ihm wieder näher). Möchtet Ihr's gern wiſſen? Frangipani. Ich wüßte es gern. Heinrich (vertraulich). Dann müßt Ihr in Rom zu den Frangipanis geh'n.

168

Eriter Akt.

Frangipani gährt zurüch. Zu wem? Heinrich (ſtarrt ihn mit unbewegtem Geſicht an). Zu den Frangipanis iſt Euch der Name fremd?

Frangipani. Warum zu den Frangipanis . Heinrich. Weil es die Freunde des großen Rechenmeiſters ſind. Frangipani. So? Heinrich. Ja. Und die Feinde des Kaiſers. Frangipani. Wißt Ihr das? Heinrich.

Denkt Euch, das weiß ich. Die ſchlimaſten, die er hat; giftig, giftig R Frangip ani (weicht zwei Schritte zurück).

Was führt Ihr für Reden? Was bedeutet das Alles? Wer ſeid Ihr?

Vierter Auftritt. Präaxedis (die während der letzten Worte von unten erſchienen iſt, tritt raſch

heran, ſo daß ſie zwiſchen Heinrich und Frangipani ſteht. Es iſt eine Frau in mittleren Jahren, dunkelhaarig, vollſaftig).

Präxedis gu Heinrich). Er fragt Euch alſo ſagt ihm, wer Ihr ſeid. Heinrich Wwerneigt ſich ſpöttiſchh. Dame Kaiſerin, zweimal habe ich es ihm geſagt; ein drittes Mal wäre Beleidigung. Präxedis. Denkt alſo, ich hätte Euch gefragt; ſagt es mir.

169

Kaifer Heinrich.

Heinrich.

Präxedis. Laßt mich endlich einmal wiſſen, wer und was Ihr eigentlich ſeid.

Euch?

Heinrich. Ein vortrefflicher Einfall a Präxedis. Es iſt mein Ernſt. 5 Heinrich. Solltet Ihr mich noch nicht kennen? Präxedis. d

Nein, ich kenne Dich nicht! Niemand kennt Dich Niemand ſieht hinter Deine Larve!

ö Heinrich.

Eine Larve? Trage ich?

Präͤxedis.

Das hoff' ich, daß es eine Larve iſt, was Du vor Dir herträgſt; denn wäreſt Du das ſelbſt, jo wäreſt Du kein Menſch. Heinrich.

Sondern was?

Präxedis.

Sondern irgend ein Gewächs, ein Kraut, wie es die Erde hervorbringt, da wo ſie giftig iſt. So eine Wurzel etwa, wie man ſie bei uns zu Lande aus dem Boden zieht, die menſchliche Geſtalt nachäfft, die man Alraun⸗Wurzel nennt.

Heinrich.

Bei Euch zu Lande.

Präxedis.

Und an der die Menſchen ſich vergiften, wenn ſie die

Hand daran thun.

170

Erſter Akt.

Heinrich.

Bei Euch zu Lande. Präxedis.

Ja, bei mir zu Lande. Heinrich.

Da oben bei den Wenden? Präxedis.

Daß ich eine Wendin bin, das weißt Du. Heinrich.

Das weiß ich. Präxedis fährt auf ihn los). Ah Du Heinrich (ſtarrt ſie unbeweglich an). Was beliebt? N | Präxedis. Komm heraus mit dem, was Du unter der Zunge haſt! Heinrich. Nur daß mir die Leute bei Euch zu Lande unvorſichtig erſcheinen weiter wollt' ich nichts ſagen. 8 Präxedis. Unvorſichtig? Heinrich. Wenn ſie wiſſen, daß die Alraunen giftig ſind und dennoch die Hände daran thun.

Präxedis (um ins Geſicht blickend). Wie Einen das anſieht mit Augen Heinrich. Mit Augen Präxedis. Als wenn ſie Einem bei lebendigem Leibe Maß nähmen zum Sarge!

171

Kaifer Heinrich. *—

Heinrich dacht kurz auf). Was Ihr Euch für gute Laune bewahrt habt in dieſem finſteren Neſt! Präxedis. Lache Du nur! Sieh mich nur an mit Deinen Katzen⸗ augen in mir iſt keine Anlage zur Furcht. Heinrich guckt die Achſeln). Furcht vor mir? Präxedis. Ja vor Dir. Alles was Fleiſch und Blut iſt, Alles was Menſch heißt, hat Anlaß ſich vor Dir zu fürchten.

Heinrich.

Präxedis. 8

Du Knabe mit dem Alten-Mannsgeſicht! Der Du keinem

Menſchen wohl willſt, der Du kein Weib lieben kannſt! Heinrich. Ihr erſpart mir einen Spiegel! Präxedis.

Komm heraus einmal! Laß mich hineinſehen in Dich, damit ich weiß, was das eigentlich iſt, was Dich in Bewegung ſetzt! Ob Du Blut haſt in den Adern, wie andere Menſchen!

Heinrich.

Wollen wir uns Räthſel aufgeben? Ich ſchlage vor, auf ein andermal. Zeigt auf Frangipani) Der edle Herr hat offenbar mit Euch zu ſprechen nicht wahr Meſſér Frangipani?

Frangipani Kähyrt auf).

Ah Teufel

Heinrich (bricht in ein lautes, böſes Lachen aus). Frangipani. Ihr ſprecht zu mir, als kenntet Ihr mich nicht

172

Du Gott 55

Erſter Akt.

Heinrich. Und nun erſchreckt Ihr gar, weil ich Euch kenne? Frangipani. Das iſt Hinterliſt und Verrath! (Er will auf die Thür zugehen, Heinrich vertritt ihm den Weg.) Frangipani. Gebt mir den Weg frei! Heinrich.

Warum ſo eilig? Ich denke, Ihr habt Geſchäfte ab— zumachen?

Frangipani.

Gebt mir den Weg frei! (Er greift nach dem Schwerte unter dem Mantel.)

Heinrich (plötzlich verwandelt, mit furchtbarer Stimme).

Laßt das Ding unterm Mantel! (Er kommt heran, packt Frangi⸗ pani am Handgelenk, reißt ihn nach vorn, ſpricht heiſer, halblaut) Ihr hört, daß ich Euch kenne und Ihr ſeid noch am Leben giebt Euch das nicht zu denken? (Frangipani ſtarrt ihn wortlos an) Alſo muß ich's für Euch beſorgen; an Eurer Stelle dächte ich ſo: ich, Johann Frangipani, der ich ſeit Wochen Briefe wechſle mit des Kaiſers älteſtem Sohn und des Kaiſers Weib

Frangipani.

Das Alles wißt Ihr?

Heinrich.

Schleiche wie ein Fuchs bei dem alten dummen Kaiſer ein und renne auf des Kaiſers zweiten Sohn. Und des alten Kaiſers zweiter Sohn ſagt mir, ich kenne Dich, weiß Deinen Schritt und Tritt und habe nichts dagegen, wenn Du Deine Geſchäfte beſorgſt giebt Euch das noch nicht zu denken?

Frangipani. Heißt das, daß Ihr auf unſerer Seite ſteht?

173

—. Kaifer Heinrich.

| Heinrich. | |

Der Kaiſer iſt draußen, er bleibt nicht immer draußen (er ſchleudert Frangipanis Hand aus feiner Hand, wendet ſich kurz um, geht durch die Mitte ab.)

Frangipani (noch immer verblüfft).

Was bedeutet das?

Präxedis.

Daß Ihr einen Fehler gemacht habt! (Gebt erregt hin und her) Das Unkraut war in Eurer Hand; die Sichel war in Eurer Hand; Stunde und Gelegenheit zum Jäten waren da warum habt Ihr das Schwert unterm Mantel gelaſſen?

Frangipani. Er hielt mir die Hand feſt. Präxedis ⸗achſelzutkend). Hielt Euch die Hand feſt. Frangipani.

Ja, und man ſollt' es nicht glauben von dem ſchmächtigen Jungen: ſeine Hand iſt wie Eiſen.

Präxedis (wirft ſich auf einen Stuhh).

Sei's wie es ſei es iſt verpaßt.

| Frangipani. |

Aber warum hätt' ich ihn tödten ſollen? Er ſteht auf unſerer Seite.

Präxedis.“

Der auf Eurer Seite!

Frangipani.

Ihr habt gehört, was er geſagt hat.

Präxedis. |

Auf irgend eines Menſchen Seite, der! Wenn's ihm in den Kram paßt, läßt er Vater und Mutter ſchlachten und ſteht grinſend dabei! i

174

Erfter Akt.

Frangipani. Wenn's ihm in den Kram paßt, ſo iſt uns das genug. P re dis (ſpringt auf).

Aber nicht mir! Denn ich ſoll leben mit ihm, und ich ertrage es nicht! Wenn ſeine Augen mich anſeh'n, gefriert mir das Eingeweide! Ich ertrag' es nicht in dieſem Raben- und Eulenneſt! In dieſer Behauſung des Fluchs! Wenn ein ge— taufter Chriſt hier ſich herverirrt, ſo ſchlägt er ein Kreuz, macht einen Umweg und geht vorbei, denn er weiß, daß der verfluchte Mann hier wohnt, der dreimal gebannte Kaiſer! Warum lebt er hier? Warum muß ich, an ſeine Seite geſchmiedet, hier mit ihm leben?

Frangipani. Weil's keinen anderen Platz mehr in Italien für ihn giebt. Präxedis. Laßt ihn nach Deutſchland geh'n, wohin er gehört. Frangipani (kurz auflachend). Sagt's ihm; ich habe nichts dagegen. Aber wenn man die Italiener bekämpfen will, muß man in Italien ſein. Präxedis. Kämpft er mit ihnen? Frangipani.

Wißt Ihr von der Welt nichts? Zwölf Jahr' ſind's her, daß der große Gregor dahinging; fünf Jahre lang hielt er ſich ruhig in Deutſchland, dann kam er über die Alpen, um für Wibert zu kämpfen, den Papſt von ſeinen Gnaden, den er ſich gemacht. Sieben Jahre lang hat er geſtritten jetzt ſitzt er in dieſem Winkel hier! Denn auf unſerer Seite war der Geiſt Gregors, und mit uns Mathilde, die große Gräfin; an ihrer Macht iſt er zerſchellt, und es iſt aus mit ihm! An einem Weibe iſt er zerſchellt (er bleibt höͤhniſch lächelnd vor Präpedis ftepen) Was meint Ihr er hat wenig Glück mit Frauen?

175

Kaifer Heinrich. *—

Präxedis.

Kommt Ihr von der Gräfin Mathilde?

Frangipani.

Ich komme von ihr.

Präxedis.

Bringt Ihr mir Botſchaft von ihr? Will ſie mich auf⸗ nehmen in ihrer Burg zu Canoſſa?

Frangipani.

Sie bietet Euch Zuflucht in ihrer Burg zu Canoſſa. Boote liegen bereit auf dem Gardaſee; am ſüdlichen Ufer des Waſſers erwarten Euch die Ritter der Gräfin, Euch und König Konrad.

Präxedis ginkt auf den Stuhl).

Gut 5 gut ſo gut.

Frangipani.

Glaubt Ihr, daß König Konrad mit Euch gehen wird?

| Präxedis.

Ich weiß es nicht. König Konrad unterhält ſich mit Gott, mit Menſchen nicht, am wenigſten mit mir. Für dieſes hoch⸗ müthige Geſchlecht bin ich kein Menſch; kaum ſo viel als ein Thier.

Frangipani.

Kaiſer Heinrich iſt das Haupt des Geſchlechts, und er ſcheint anders zu denken. Er liebt Euch?

| Präxedis.

Er liebt mich ach daß ich der Zeit den Tag aus- reißen könnte, da ich ihm als Kind begegnet bin!

Frangipani. Als Kind habt Ihr ihn kennen gelernt? Präxedis.

An ſeines Vaters Hof, zu Goslar, ja. Ich gefiel ihm, weil ihm feine Bertha nicht gefiel. Er war ein friſcher Burſch damals und ich ein thörichtes Ding. Er lachte mich an ich gab's ihm zurück. Am anderen Tage hatte ich ihn vergeſſen.

176

> Erfter Akt.

Frangipani. Aber er nicht Euch?

Präxedis (pringt auf).

Gott weiß es nein! Als hätt' ihm Jemand einen Trank eingegeben hinter meinem Rücken, einen Liebestrank. Wo ich ging und ſtand, durch Jahre hindurch, über Länder hinweg ſind ſeine Gedanken hinter mir drein geſchlichen und um mich her, wie gierige Wölfe. Nicht wie Wölfe, das iſt's nicht geſagt wie nennt man das Thier, das in Euren Meeren da drunten wohnt, das ſeine Arme um den Menſchen wirft und ihn hinunterzieht in die Tiefe?

Frangipani.

Ihr meint den Polypen?

Präxedis.

Der Polyp, das iſt's. Wie die Arme eines Polypen haben ſeine Gedanken mich umklaftert und umfangen und mich hinein— geſogen mit Seele und Leib in ſeine Brunſt! Eine Zeitlang glaubt' ich, ich wäre von ihm frei; ich weiß nicht, wie es kam, ſeine Bertha, hat man mir geſagt, war ihm lieb geworden damals. Dann, als er in Canoſſa geweſen, war's damit zu Ende, und als er aus Rom zurückkam als Kaiſer, und Bertha ſtarb, war die brennende Hölle wieder in ihm wach

Frangipani dächelnd). Seine Liebe iſt Euch treu geblieben macht Ihr ihm das zum Vorwurf?

Präxedis. Sprecht mir von ſeiner Liebe nicht! Mich widert vor der Liebe des alten Manns.

5 Frangipani. Des alten Manns?

Heinrich. 177 12

—. Kaifer Heinrich.

Präxedis.

Er iſt alt geworden vor der Zeit. Seht ihn an, wenn er kommt, wie das Haupt ihm niederhängt vom morſch ge⸗ wordenen Nacken, wie das Haar ſein Haupt bedeckt, grau wie Aſche über halb verkohlter Gluth. Seine Liebe! Seine Liebe hat gemacht, daß kein getaufter Chriſt zu mir zu ſprechen wagt, zu dem Weibe des Verfluchten! Daß man mit Fingern auf mich zeigt, als eine Buhlerin. a |

Frangipani.

Wie kann man das, da Ihr ihm angetraut ſeid als ſeine Gemahlin?

Präxedis.

Wer hat mich ihm angetraut? Ein Prieſter, der kein Prieſter war, der ein Heide war wie er, im Banne des Papſtes wie er! Warum wurde ich ihm angetraut? Aus meinem freien Willen? Nein! Sondern weil er mich mit Gewalt gezwungen und gefreit hat!

f Frangipani.

Mit Gewalt?

Präxedis.

Denn als Heinrich geſtorben war, mein Gemahl, hat er mich greifen laſſen mit Gewalt und eingeſetzt zu ar. im Kloſter.

Frangipani.

Dann freilich i

| Präxedis.

Dann freilich begreift Ihr, daß ich ein Recht Habe, zu ſprechen wie ich ſpreche, zu thun wie ich thue? Und ſprechen will ich ihm ins Geſicht

Frangipani. Seid nicht zu haſtig; ſeid nicht zu haſtig.

178

ich Dich.

Erſter Akt. -

Fünfter Auftritt.

(Die Thür im Hintergrunde wird von außen aufgeriſſen.) König Konrad (ein üngling von einigen zwanzig Jahren, tritt haſtig ein); Gottſchalk der Prieſter, o der Graf, andere Kreuzfahrer (kommen hinter ihm drein. Alle dieſe Kreuzfahrer tragen dunkle Mäntel und unter den Mänteln mehr oder weniger voll- ſtändige Rüſtungen. Auf den Mänteln ſind große Kreuze in rother, weißer und ſchwarzer Farbe aufgenäht. Unter den Männern befinden ſich auch Frauen, ähnlich angethan wie die Männer, daneben auch Kinder; der ganze Haufe macht einen wüſten,

wilden Eindruck. Die Thür im Hintergrunde bleibt offen; außerhalb der Thür ſieht

man noch andere Kreuzfahrer zu Hauf zuſammengedrängt).

Konrad (ruft im Hereintreten laut).

Wein und Brot für die heiligen Männer! (er ergreift den Stuhl, ſetzt ihn mitten auf die Bühne, leitet Gottſchalk den Prieſter zu dem Stuhle) Setze Dich, Prieſter des Herrn, aber eh' Du ſitzeſt, breite die Hände auf mein Haupt und ſegne Deinen Knecht. (er fintt vor Gottſchalt in die Kniee.)

Gottſchalk wor ihm ſtehend).

Wer Du auch ſei'ſt, der Du Streitern des Herrn Obdach bieteſt unter Deinem Hauſe, Speiſe und Trank ich ſegne Dich. (Legt die Hände auf Konrads Haupt.)

Alle Kreuzfahrer. Amen Amen. Gottſchalk. Mit dieſen Händen, die geweiht ſind und geſegnet von dem heiligen Papſt zu Clermont auf dem heiligen Felde, ſegne

Alle Kreuzfahrer. Amen Amen.

Konrad (ergreift Gottſchalts Hände, küßt fie). Habe Dank. (Gottſchalt ſetzt ſich auf den Stuhl, verſinkt in düſteres Brüten. Konrad ſteht auf.) Präxedis (die mit Frangipani in den Vordergrund gedrängt worden, tritt zu Konrad heran). Hier iſt Jemand, der Euch zu ſprechen hat in wichtiger Sache.

(Konrad blickt ſich um.)

179 125

a > 57T a) ea W x 1

—. Kaifer Heinrich.

Frangipani (tritt heran). Ich bir ed, König Konrad Frangipani

Konrad fährt erſchreckt auf). | Nennt meinen Namen nicht!

Frangipani. Warum? Konrad cfüſternd). Laßt dieſe Leute nicht wiſſen, weſſen Sohn ich bin, nicht in weſſen Haus ſie ſich befinden.

Sechſter Auftritt.

Einige kaiſerliche Aufwärter (drängen ſich durch die Mitte herein, Brotlaibe und Weinkrüge in den Händen).

Konrad (entreißt einem Aufwärter ein Brot). Nehmt, heiliger Prieſter; aus meinen Händen nehmt dieſes Brot. (er bietet Gottſchalk das Brot, Gottſchalk nimmt es, ohne zu eſſen; die

übrigen Kreuzfahrer bemächtigen ſich der anderen Brote und Krüge, lagern ſich auf der Bank an der Hinterwand, auf dem Fußboden, beginnen zu eſſen und zu trinken.)

Frangipani Eu Konrad). Ich bringe Euch Nachricht von Gräfin Mathilde und aus der Lombardei. Konrad (ſteht wie geiſtesabweſend, die ſtarren Augen auf Gottſchalk gerichtet). Frangipani.

Die Städte Mailand und Cremona, Lodi und Piacenza haben einen Bund geſchloſſen. Hört Ihr mich, gnädiger Herr? Konrad Fährt ungeduldig mit der Hand durch die Luft). Frangipani.

Sie erwarten Euch, Boote liegen auf dem Gardaſee bereit; am ſüdlichen Ufer des Waſſers harren Eurer die lombardiſchen Ritter. Hört Ihr mich, gnädiger Herr?

Konrad. Seid ſtill

180

Erfter Akt.

Frangipani. | Die Stunde drängt, es iſt allerhöchſte Zeit Konrad. Seid ſtill Frangipani.

Sagt mir ein Wort, ob Ihr kommen werdet, gnädiger

Herr? | K onrad (deutet auf Gottſchalk).

Seht Ihr nicht, daß er ſprechen will? Schweigt Alle, der heilige Prieſter ſpricht! (Das dumpfe Geſumme, das bisher unter den Kreuz⸗ fahrern geherrſcht hat, verſtummt.)

Gottſchalk (wie aus düſterm Traume zu ſich kommend).

Die der Prophet uns verkündet hat, die Stunde iſt ge— kommen: der Herr wird die Poſaune blaſen, er wird einher— treten wie das Wetter aus dem Mittag; wehe denen, die da ſchlafen, wenn die Poſaune ruft!

Alle Kreuzfahrer. Amen Amen.

Konrad (fintt in die Kniee, ſtöhnt in ſich hinein).

Wehe mir!“

Gottſchalk.

In ſeinem Grabe iſt der Erlöſer erwacht; krachend zerbarſt das Geſtein, von ſeinen Ufern wich das Meer, in ihren Veſten erbebte die Erde, als er aufſtand in ſeinem Grabe, als er zürnend reckte die Hand: „warum habt Ihr mein Grab ver— laſſen, daß es dahingegeben liegt unter Heiden und Juden und hölliſchem Volk?“

Alle Kreuzfahrer.

Amen ſo iſt es.

Gottſchalk. 4

Feuer hat gelodert vom Himmel, der Papſt iſt auf— geſtanden vom goldenen Stuhl, unter den Himmel hat er ſich

181

Katifer Heinrich.

geitellt, zu Clermont auf dem heiligen Feld: „kommet her zu mir, die Ihr wohnet in Morgen und Abend, in Mittag und Mitternacht, kommet, Alles was da getauft ward, was da erlöſt ward, was da verloren ging durch Mord und Raub und jündige Begier, nehmt auf Euch Euer Kreuz, ziehet aus den Weg, den Gott mir verkündete für Euch, denn alſo will es der Herr!“

Alle Kreuzfahrer. Alſo will es der Herr!

Konrad (ſchleppt ſich auf den Knieen zu Gottſchalk heran).

Ja ja ja, ſo will es der Herr!

Gottſchalk.

Aus dem Heile ſeid Ihr gekommen, in den Fluch ſeid Ihr gefallen, zum Heile führ' ich Euch wieder; wer da auszieht zum heiligen Grabe, der ſoll erlöſt ſein von Fluch und von Bann, von Sünde und Schuld, denn alſo hat Gott mir verkündet und alſo will es der Herr!

Konrad (die gefalteten Hände in Gottſchalks Schooß drückend).

Soll erlöſt ſein von Fluch und von Bann?

Gottſchalk. Denn alſo hat Gott mir verkündet, und alſo will es der Herr! | Alle Kreuzfahrer cin brülender Extaſe).) Deus lo vult! Deus lo vult! Gottſchalk.

Und es ſtäubten die Straßen, es ſchwollen die Thäler, flach wurden die Berge von den Füßen, die darüber hingingen, und es kamen die aus Franzien und es kamen die aus Aqui⸗ tanien, die aus Britannien und aus Italien, die Normannen, die da fahren im nördlichen Meer, die Normannen, die da wohnen im Süden am rauchenden Berg, und es kamen die Fürſten der Kirche und die Fürſten der Welt, Geiſtliche und Laien, Große und Geringe, Alte und Junge, Männer und

182

eiter Akt.

Weiber, Greiſe und Kinder, hungernd kamen ſie, von Sünden erſtickt, geſättigt gingen ſie, mit Vergebung erquickt, Alle kamen ſie, die Getauften, Alle (er ſteht vom Stuhle auf, reckt ſich lang in die Höhe) und nur Einer war, der nicht kam, der, welcher ſein Haupt verbirgt in der Wildniß, wie das Raubthier, deſſen Höhle Niemand kennt, das ſündige Haupt der ſündigen Welt, der Gebannte, der Verfluchte, Heinrich, der Deutſchen König! Konrad (wirft ſich mit ganzem Leibe flach auf den Boden). Weh' mir, mein Vater!

Siebenter Auftritt. (Im Hintergrunde entſteht eine Bewegung.) Kaiſer Heinrich, Markgraf Burkhard und Markgraf Werner (hinter ihm, kommt raſch aus dem Hintergrund nach vorn. Sein Haar iſt grau, ſein Bart beinah weiß). Prinz Heinrich (kommt hinter den Markgrafen, bleibt im Hintergrunde lautlos ſtehen).

Kaiſer Heinrich.

Wer iſt es, der hier des Kaiſers Namen mit ſolchem Tone heult? Dieſe Leute, die in des Kaiſers Haus einbrechen wie Räuber in die Herberge am Weg? Der am Boden liegt und den Staub küßt, wie ein Schächer und kriechender Wurm?

> Konrad (richtet ſich auf den Knieen auf, breitet die Arme aus). Mein Vater! Mein Vater! Kaiſer Heinrich.

Dieſer Mann am unköniglichen Ort, iſt das ein König? Der ſich unter die Füße des Pöbels wirft, iſt das Konrad, des Kaiſers Sohn? Mein Sohn?

(Eine dumpfe Erſtarrung hat inzwiſchen über der ganzen Verſammlung gelegen, Frangipani hat ſich beim Eintritt 1 Aral und unbemerkt unter die Menge

Gottſchalk

(der ſtarr geſtanden hat, ſchleudert das Brot zu Boden). Eßt das Brot nicht, das man Euch gegeben! Ihr eſſet Euch den Tod! Wir ſind im Hauſe des Verfluchten! Alle Kreuzfahrer. Fort mit dem Brot!

183

—. KHaiſer Heinrich.

Kaiſer Heinrich. Daß ich die Zunge Dir er will ſich auf Gottſchalk ftürzen.)

Konrad (ſpringt auf, wirft ſich zwiſchen Gottſchalk und 680 Kaiſer). Rühre den Heiligen Gottes nicht an!!

Kaiſer Heinrich (bleibt ſtehen, ſieht den Sohn ſtumm mit glühenden Augen an). Konrad (faltet die Hände, ſtreckt ſie dem Vater entgegen). Vater . Kaiſer Heinrich ctuirſchend). Falteſt Du die Hände für ihn, der Deinen Vater be⸗ ſchimpft? Konrad.

Nicht um Ehre oder Schimpf, nicht um weltliches Gut, um das Ewige handelt es ſich, um das Heil Deiner ewigen Seele!

Kaiſer Heinrich

Woran rührſt Du mit kindiſcher Hand? Was weißt Du von meiner Seele Du?

Konrad. |

Aber von meiner weiß ich, die mit Dir leidet und jtirbt!

Kaiſer Heinrich.

Wer ſagt Dir, daß meine Seele leidet?

K onrad (ſtürzt vor dem Vater nieder, umklammert ſeine Kniee).

Dieſes Geſicht, meines Vaters theures Geſicht! Wir können nicht leben mehr, wie bisher, unter der Gewitternacht des Fluches, von den Menſchen gemieden und verſtoßen

Kaiſer Heinrich. Wer meidet, wer verſtößt? Konrad.

Alle Getauften, alle Chriſten!

Alle Kreuzfahrer (vumpf murrend).

Alle Alle

184

Erſter Akt.

Kaiſer Heinrich (auffahrend). Wer redet mit, wo der Kaiſer zu ſeinem Sohne ſpricht? (Das Murren verſtummt. Pauſe. Kaiſer Heinrich legt die Hand auf Konrads Haupt) Gutherziges Kind lerne die Krankheit kennen, von der Du

heilen willſt

Nicht ich

Konrad.

Kaiſer Heinrich.

Sondern wer?

Konrad.

Sondern ein Größerer als ich! Laß hinter Dir, Vater, das Leben, das Dich krank gemacht hat; eine neue Welt bricht an!

| Kaiſer Heinrich.

Wer ſoll ſie heraufführen, Deine neue Welt?

| Konrad.

Der, welchen der Erlöſer geweckt hat, als er ihm rief aus ſeinem heiligen Grabe; der ſich zu Clermont unter den Himmel geſtellt hat, auf das heilige Feld, daß er die Chriſtenheit er- weckte aus bleiernem Sündenſchlaf, der heilige Papſt!

Kaiſer Heinrich (will Konrad von ſich ſtoßen).

Laß ab von mir!

Konrad (lammert ſich feiter). Höre mich! Kaiſer Heinrich. Nicht hören will ich Dich. Nicht zu wiſſen brauch' ich von Deiner neuen Welt! Konrad. Ja, Du brauchſt ſie, Du und Dein ganzes Geſchlecht! Kaiſer Heinrich. Denn ein Betrüger iſt's, der ſie heraufführt!

185

Kaifer Heinrich.

Alle Kreuzfahrer, (tobenb). Läſterer! Läſterer!

Kaiſer Heinrich kedt die Hand).

Schweigt! (Das Getöſe verſtummt.) Wiſſet, daß eine Zeit in meinem Leben geweſen iſt, da ich geglaubt habe wie Ihr; brünſtiger, ſehnender, gläubiger als Ihr. Wer war es, der mir den Lebensquell verſchüttete? Der mir einen Stein gab anſtatt des Brotes, einen prunkenden Fetzen ſtatt der un⸗ endlichen Welt? Der war es, den Ihr den Heiligen nennt, der Pfaffe in Rom! Wiſſet, daß mein Leben ertrunken war in Feindſchaft, meine Seele im Blut als ich hinausverlangte aus Wuth und Blut und Greuel, wer war es, der mich zurück⸗ ſtieß in den blutigen Sumpf? Der, welchen Ihr den Friedens⸗ fürſten nennt, der Pfaffe in Rom! Darum, wenn Euch der Pfaffe eine neue Welt verheißt, glaubt ihm nicht, denn es iſt nicht wahr; unfruchtbar ſind ſeine Hände. Einen neuen Rauſch wird er Euch geben, und Rauſch iſt nicht Leben. Wendet Euch ab von dem Pfaffen, bekehret Euch zum Menſchen und glaubt an Euer Herz!

Konrad.

Mein Herz iſt's, das nicht ſchlafen kann zur Nacht und nicht leben am Tage, weil Gottes Hand es zermalmt! Mein Herz, das nach Erlöſung ſchreit, dahin wo die Poſaune ruft!

Kaiſer Heinrich. Die Post die zu Blut und Gemetzel ruft. Gottſchalk. Die zum Kampfe wider die Heiden ruft! Kaiſer Heinrich. Geſchöpfe Gottes, wie Ihr. Gottſchalk. Heiden!

186

Erfter Akt.

Alle Kreuzfahrer.

Heiden! Heiden!

Kaiſer Heinrich.

Konrad, Konrad, wenn Du zehntauſend Heiden mit eigener Hand erſchlügeſt, würdeſt Du die Thränen damit ſtillen eines einzigen deutſchen Bauernweibes?

Gottſchalk. Wer fragt nach den deutſchen Weibern in dieſer Zeit? Kaiſer Heinrich. Ich, der ich der König der deutſchen Menſchen bin. Gottſchalk. Irdiſch ſind Deine Gedanken, irdiſch und weltlich! Kaiſer Heinrich.

Ja Du Narr, denn von Erde bin ich genommen und in

meine Hände wurde die Welt gelegt. Konrad.

Aber jenſeits der Erde kommt die Ewigkeit! Vater, denk' an das Reich Gottes!

Kaiſer Heinrich. |

Wo ſuchſt Du das Reich Gottes? Im Morgenland? Oder in Rom?

Gottſchalk.

Weißt Du vom heiligen Himmel nicht?

Kaiſer Heinrich.

Weißt Du von Gottes Stimme im Menſchen nicht? (er legt die Hand auf Konrads Schulter) Konrad, mein Sohn, der Du ihn ſuchen willſt mit dem Schwert in der Hand, glaube Deinem Vater: wer Schlachten geſehen hat und Krieg, der weiß, daß Gott im Schlachtfeld nicht wohnt. Du haſt ſeine Stimme ja gehört, weißt Du nicht mehr, wie ſie klang? Der Winternacht gedenke, als Du ein Kind warſt, der Weihnacht in Worms. Als es einſam um Dich war, dunkel und kalt, wie die Kinder

187

—. Kaifer Heinrich.

von Worms zu Dir hereinkamen, Dir ihr Spielzeug in die Hände drückten, wie Dein junges Herz aufjauchzte in Freude und warm wurde in Liebe weißt Du's nicht mehr?

Konrad richt in Thränen aus).

Meine Mutter! Meine Mutter!

Kaiſer Heinrich.

Deine fromme Mutter ja. Was aus dem Munde jener Kinder ſprach, was aus dem Herzen der Männer ſprach, die hinter ihren Kindern ſtanden, ſieh Konrad, das war Gottes Stimme, und in der Stube zu Worms da war ſein Reich.

Konrad (amſchlingt ihn mit beiden Armen). Ich liebe Dich! ich liebe Dich! Kaiſer Heinrich (drückt ihn an ſichh. So wie ich Dich liebe. a Konrad.

Darum ſage mir wie ich's mache, daß ich bleiben kann bei Dir! Zeige mir den Weg, den ich gehen kann neben Dir, ohne daß er mich zur Verdammniß führt!

Kaiſer Heinrich.

Morgen noch ſollſt Du ihn kennen; morgen kehren wir heim nach Deutſchland.

Konrad.

Nach Deutſchland?

Kaiſer Heinrich.

Wo die als Männer uns erwarten, die damals Kinder waren in Worms. Laß ſie ausziehen nach dem Grabe, das keinen umſchließt was kümmert es uns? Laß ſie knieen im Moder und beten zu dem todten Gott den lebendigen will ich Dir zeigen

Konrad.

Den todten Gott?

188

Erſter Akt. —.

Gottſchalk.

Frevel! a

Alle Kreuzfahrer.

Frevel! Frevel!

Kaiſer Heinrich.

Hör' nicht auf dieſe, hör' Deinen Vater! Komm nach Deutſchland. Wenn die Fluren aufſtehn, vom Frühling ge— weckt, das iſt ſein Leib, der für uns auferſteht in jedem Jahr. Wenn das Korn im Sommer wogt, das ſind die Locken ſeines Hauptes, daraus uns Segen quillt. Laß ſie Weihrauch ſchwingen Blumenduft iſt beſſer als Weihrauch. Laß ſie Pſalmen ſingen Jubelruf der Lerche iſt beſſer als Pfaffengeſang! Komm nach Deutſchland! Durch die Fluren wollen wir reiten, auf weißen Roſſen, Du neben mir; einen Gottesfrieden wollen wir verkünden von den Alpen bis zum Meer. Schirmen den Ernährer, wehren dem Zerſtörer, beugen die Gewaltigen und aufrichten die Gebeugten! Das iſt das Werk, das ich am Abend meines Lebens beginne, das ich als Morgengabe Dir vermache für Dein junges Leben. Iſt es gut, was ich Dir vermache? |

Konrad. Mein Vater mein Vater Kaiſer Heinrich. Mein Kind mein Kind mein Kind! Konrad.

Sprich zu mir, daß ich Dich verſtehen kann ich verſtehe Dich nicht.

Kaiſer Heinrich.

Lerne das Leben kennen, ſo wirſt Du mich verſtehn! Lerne die Erde kennen, ſo wirſt Du ſehn, daß eines Menſchen Fluch kein Sandkorn vom anderen rückt! Lerne Thaten, ſo wirſt Du erkennen, daß Worte daran zerſtieben. Wenn die

189

82 r.

—. KHaiſer Heinrich.

deutſchen Bauern kommen werden, ihre Kinder auf dem Arm, und ſie Dir hinaufreichen werden aufs Pferd, daß ſie die Hand Dir küſſen, dem Könige, der ihnen Gutes thut, dann wirſt Du wiſſen, daß es eine Seligkeit im Menſchen giebt, die kein Menſch ihm rauben kann, weil er ſelber ſie ſich gegeben hat und kein Anderer als er.

Emicho. Aber Ihr irrt Euch, Kaiſer Heinrich, wenn Ihr meint, daß die Deutſchen Euch ſo erwarten, wie Ihr ſagt. Kaiſer Heinrich. Wer biſt Du? Emicho. Ein Deutſcher. Kaiſer Heinrich. Wie heißt Du? Emicho.

Emicho, der Graf. Was Ihr erfahren habt, das Alles habe ich auch erfahren. Die Schlachten, die Ihr geſchlagen, habe ich alle mitgeſchlagen. Auf Eurer Seite ſchlug ich ſie mit, denn ich war Euch treu.

Kaiſer Heinrich.

Und biſt es nicht mehr?

Emicho.

Macht es mir möglich.

Kaiſer Heinrich.

Was brauchſt Du dazu?

Emicho.

Man zeigt mit Fingern auf uns Deutſche in der ganzen Chriſtenheit. | | Kaiſer Heinrich. Warum?

190

Ber o AS A are 7 az * Zn ein. Sr a

Erſter Akt.

Emicho.

Weil wir nicht mitmachen an dem was die Chriſtenheit thut, nicht mit hinausziehen ans heilige Grab, ſondern zur Seite ſtehen wie geprügelte Hunde.

Kaiſer Heinrich.

Das iſt Deine Meinung.

Emicho.

Das iſt die Meinung aller Edlen im Land. Iſt Gottfried von Bouillon kein Edler Eures Landes?

Kaiſer Heinrich. Was iſt mit Gottfried von Bouillon? Emicho.

Daß er das Kreuz genommen hat und aufgebrochen iſt mit allem Volk von Lothringen zum heiligen Grabe das iſt mit ihm!

Gottſchalk.

Da hörſt Du's!

Emicho.

Unſer König iſt im Bann und thut nichts, um heraus- zukommen aus dem Bann, als ging's ihn nichts an. Uns aber geht es was an, uns Deutſche, denn wir kommen dadurch in Schande kommen wir dadurch!

Kaiſer Heinrich.

Haſt Du geſprochen?

Emicho. Ja.

Kaiſer Heinrich.

So wiſſe: wenn es ein Anderer wäre, der zum heiligen Grabe ruft, als der Papſt ſo zöge ich mit; aber weil es der Pfaffe in Rom iſt thue ich's nicht!

Emicho. Alſo werden die Deutſchen ohne Euch den heiligen Kampf beginnen.

191

Kaifer Heinrich.

Kaiſer Heinrich. Sie werden warten, bis ihr König ruft. Emicho. Das werden ſie nicht; ſie haben ſchon angefangen. Kaiſer Heinrich. Wann? Wie und wo? Emicho. Da ſie die Heiden erſchlugen, die uns im eigenen Lande

ſitzen. Kaiſer Heinrich. Von wem ſprichſt Du? Emicho. 8 Von den Juden in Mainz. Kaiſer Heinrich. Sie haben die Juden erſchlagen? Emicho. Mehr als das wir haben ſie ausgerottet. Kaiſer Heinrich. Alſo thateſt Du mit? Emicho. Mehr als das ich habe ſie angeführt, als ſie die Be⸗ ſchnittenen ſuchten in Erzbiſchof Rutharts Pfalz. Kaiſer Heinrich. In Erxzbiſchof Rutharts Pfalz? Emicho. In die ſie ſich geflüchtet hatten, mit Weibern und Kindern. Kaiſer Heinrich. Und Erzbiſchof Ruthart Emicho. Er hat uns die Pforten der Pfalz aufgethan, daß wir über ſie gekommen ſind, wie der Sturm über die Deuſchen die hüpfen nicht mehr.

192

a

Eriter Akt.

Gottſchalk.

Da hörſt Du's! Kaiſer Heinrich ceeckt die Fauft). Und Ihr ſollt von mir hören! Emicho. Was ſollen wir von Dir hören? Kaiſer Heinrich.

Daß ich ihn austreiben werde aus Mainz, den mörderiſchen

Pfaffen! Emicho.

Du nicht der Chriſten König, Du König der Heiden und Juden! | Gottſchalk. Du Ketzer! Alle Kreuzfahrer. Du Ketzer! Du Ketzer! Gottſchalk. Schüttelt den Staub von Euren Füßen! N Konrad (Hält Gottſchalk feſt).

Geht nicht! Noch nicht! Vater da wo dieſe Leute ſind, iſt das ewige Heil; Vater laß uns das Kreuz nehmen und mit ihnen geh'n!

Kaiſer Heinrich. Der deutſche König gehört nach Deutſchland!

Konrad. Ich kann nicht mit ſehenden Augen hineinrennen ins ewige Verderben laß mich hinausziehn mit dieſen Leuten zum

heiligen Grab! Kaiſer Heinrich. Nein! Emicho. Wie darfſt Du Deinen Sohn ausſchließen von Ritterthum und Chriſtenheit?

Heinrich. 193 13

Kaifer Heinrich..

Gottſchalk. Wie darfſt Du Deinen Sohn ausſchließen von der er Seligkeit? Kaiſer Heinrich. Als ſein Vater darf ich's, der ich bin!

Präxedis (tritt plötzlich vor).

Aber Du darfſt es nicht! KAler Augen richten ſich auf Praxedis; eine tiefe Stille; Kaiſer Heinrich ſtarrt ſie wie betäubt an.) Nicht in Ver⸗ dammniß darfſt Du reißen, die nicht verdammt ſein wollen mit Dir!

Kaiſer Heinrich.

Präxedis Du? ü | Präxedis.

Nicht an Dich gefeſſelt ſollſt Du halten mit Gewalt uns, die wir nicht bleiben wollen bei Dir

Kaiſer Heinrich. Prärxedis Du? ̃ | Präxedis.

Von Dir wendet ſich die Chriſtenheit, von Dir wendet ſich Dein Volk und Dein Sohn von Dir hinweg will auch ich! a

Kaiſer Heinrich. Ich Ss Dich ein Leben lang geliebt. Präxedis. Frage mich, ob ich Dich geliebt habe! Kaiſer Heinrich

(fällt auf den Stuhl, der hinter ihm ſteht; das Haupt ſinkt ihm auf die Bruſt; er winkt Konrad, ohne ihn anzuſehen, mit der Hand).

Nun kannſt Du auch geh'n. Prinz Heinrich (kommt mit einem Sprunge bis mitten in die Bühne). Aber dieſe darfſt Du nicht gehen laſſen! (Gr macht Miene, fi

auf Präxedis zu ftürzen.)

194

VE 1 ‚2

Br Erfter Aft. +—

Präxedis gährt zurück).

Helft mir

Frangipani (tritt einen Schritt vor).

Gemach, junger Herr.

Prinz Heinrich.

Die aus dem Moder geholt und zum Menſchen 1 durch eines Kaiſers Hand vom Thron, darauf die heilige Bertha geſeſſen, wie eine Dirne davonläuft

Kaiſer Heinrich (feht jählings auf). Das thut ſie! Prinz Heinrich. Laß ſie in Ketten ſchlagen! Kaiſer Heinrich (tritt einen Schritt auf Praxedis zu, ſtiert fie an; feine Hand erhebt ſich unwillkürlich, ſinkt dann wieder herab; er wendet ſich von ihr ab). Aber ich kann nicht. Prinz Heinrich (umklammert ihn). So gieb ſie mir in die Hand! Gieb ſie mir in die Hand! Kaiſer Heinr ich (in dumpfem innerem Kampf). Es iſt etwas entzwei in mir ich kann nicht. Prinz Heinrich. Läßt Du ſie davongehn mit ihrem Buhlen? Präxedis aufſchreiend).

Das lügt er!

Kaiſer Heinrich (wendet ſich zu Praxedis).

Gehſt Du darum?

Präxedis.

Nein! (Kaiſer Heinrich ſtiert ſie ſchweigend an.) Gelogen habe ich

Dir nie nicht aus Liebe zu einem anderen Mann! Kaiſer Heinrich.

Nur weil Du mich nicht liebſt? (wendet ſich ab) Dafür

kann ich ſie nicht ſtrafen. (Er ſetzt ſich, das Geſicht von Präxedis abgewandt.)

195 13*

—. Kaijer Heinrich.

Prinz Heinrich act ihn an den Schultern, ſchüttelt ihm. Aber Du mußt ſie ſtrafen! Du mußt!

Konrad (tritt hinzu, reißt ihn zurück).

Ruchloſer

Prinz Heinrich (zu Konrad).

Geh' aus meinem Weg! Mit Dir hab' ich's nicht, ſondern mit dem. (er tritt auf Frangipani zu.)

Frangipani.

Was wollt Ihr von mir?

Prinz Hein rich chalb ſinnlos vor Aufregung).

Ich will Euch ſagen, daß Ihr Euch irrt!

Frangipani.

Ich habe nichts geſagt.

Prinz Heinrich. e

Aber gedacht, und Euer Gedanke iſt falſch. Der Deutſche Kaiſer iſt nicht todt!

Frangipani.

Wer denkt das?

Prinz Heinrich.

Ihr denn es ſieht ſo aus. Aber es iſt nicht wahr, er ſchläft nur, und wird erwachen! (er ſtürzt noch einmal auf Kaiſer Heinrich zu, packt ihn noch einmal an den Schultern) Nicht wahr? Du wirſt aufwachen? Aufwachen?

Konrad (tritt abermals hinzu, reißt ihn zurück). Es iſt Dein Vater!

Prinz Heinrich. Das weiß ich! Konrad. An den Du Hand anlegſt, wie ein Bube. Prinz Heinrich. Den Du verläßt, wie ein Schächer!

196

Er |

Erſter Akt. +

Konrad. Natur fragt Dich, ob Du Deinen Vater liebſt? Prinz Heinrich. Natur geht mich nichts an, aber die Ehre des Kaiſers! | Konrad. Laß den Kaiſer ſprich von Deinem Vater liebſt Du Deinen Vater?

Prinz Heinrich. Wenn ich Dir's ſagte, Du verſtändeſt es nicht! Konrad (tarrt Heinrich rathlos an). Gott der Du mich hinwegſchickſt von meinem Vater ſoll ich ihn in dieſen Händen laſſen? Prinz Heinrich. Beſſer aufgehoben wird er ſein, als in den Deinen. Konrad (wirft die Arme um Heinrichs Hals, flüſtert in verzweiflungsvoller Haſt). Bruder mein Bruder ſieh' den alten Mann, von Feinden umringt, wirſt Du ihn preisgeben ſeinen Feinden? Prinz Heinrich Gatstaut). Rächen will ich ſein Herz an denen, die ihm Wunden gethan! Konrad. Willſt Du ihn lieben, wie ich ihn geliebt habe? Prinz Heinrich. Nicht ſo wie Du ſondern nach meiner Art. Konrad. Willſt Du ihn ſchützen? Prinz Heinrich. Ich kann ihn nicht ſchützen, wenn ich nicht König bin gieb mir Deine Krone! Konrad. Dann wirſt Du ihn ſchützen?

197

—» Kaifer Heinrich.

Prinz Heinrich. Ja. Konrad. Schwöre mir das! Prinz Heinrich. Giebſt Du mir die Krone? Konrad. Ja wenn Du ſchwörſt! Prinz Heinrich. Ich will ſchwören. Konrad (reißt ihn knieend zu den Füßen des Vaters nieder). Hier vor dem ewigen Gott, zu Füßen Deines Vaters

Kaiſer Heinrich. Was beginnt Ihr? Konrad. Sprich mir nach, was ich ſpreche: ſchirmen will ich meinen Vater wider ſeine Feinde Prinz Heinrich. Schirmen will ich meinen Vater wider ſeine Feinde. Konrad. Nicht erheben die Hand wider ihn, nicht ihm trachten nach Leben und Reich! Prinz Heinrich. Nicht erheben die Hand wider ihn, nicht ihm trachten nach Leben und Reich. Konrad. Das ſchwöre ich bei dem allmächtigen Gott und Jeſus ſeinem eingeborenen Sohn. Prinz Heinrich. Das ſchwöre ich bei dem allmächtigen Gott und . ſeinem eingeborenen Sohn.

198

Erfter Akt.

Konrad (reißt den Kronenreif vom Haupte, drückt ihn dem Vater in die Hand). So nimm die Krone, die Du mir gabſt Deinem

anderen Sohne ſetze ſie auf! 5 Kaiſer Heinrich. Die Erſtgeburt thuſt Du von Dir ab?

Konrad (fällt unter Thränen über den Vater her, küßt ihn).

Nicht Erſtgeburt, nicht Krone noch Macht nach Frieden verlangt mich in Gottes Schooß und fo lebe wohl, mein Vater lebe wohl! (Wendet ſich) Auf den Weg nun! Hinweg! (itt in ven Hintergrund.)

Gottſchalk.

Auf den Weg!

Alle. Auf den Weg! (Frangipani ergreift Praxedis an der Hand.) | Präxedis (reißt ſich von ihm los, tritt einen Schritt auf Kaiſer Heinrich zu). Und ich weiß nicht, ob ich gehen ſoll. Kaiſer Heinrich (ſteht ſchweigend auf, wendet ſich ab). Präxedis. Blicke zurück! Blicke noch einmal zu mir zurück! Kaiſer Heinrich (winkt ihr ſchweigend, zu gehen). Pr axedis (fällt auf die Kniee, bricht in Thränen aus). O o o o! Frangip ani (reißt ſie vom Boden empor). Seht Ihr nicht, daß er ſich von Euch wendet?

Gottſchalk. Auf den Weg, den Gott uns gewieſen, denn alſo will es der Herr!

199

—. Kaifer Heinrich. +

Die ganze Menge (dumpf nachſprechend). Alſo will es der Herr! | (Die ganze Menge drängt mit dumpfem Geräuſch nach hinten, Praxedis unter ihnen.) Kaiſer Heinrich (ſteht, während ſie abgehen, hinter dem Stuhl, wendet ſich langſam nach vorn; ſein Haupt richtet ſich auf, ſeine Augen ſtarren ins Leere. Hinter ihm ſtehen die beiden Markgrafen, etwas zur Seite Prinz Heinrich. Kaiſer Heinrich lauſcht, bis der Letzte abgegangen iſt).

Ihre Schritte verhallen ihr Schritt iſt darunter er kehrt mir nicht wieder es wird öde und leer. (er ſintt auf den Stuhl) Einſam öde und leer. (Das Haupt ſinkt ihm nieder. Es tritt eine tiefe Stille ein.)

(Vorhang fällt.)

Ende des erſten Aktes.

200

Zweiter Aft.

(Scene: In der Kaiſerlichen Pfalz zu Regensburg. Ein großer, leerer Saal, in deſſen Hinterwand ſich drei große Thüren befinden, während rechts und links je eine kleinere Thür iſt. Die drei Thüren in der Hinterwand ſind geöffnet, man ſieht durch dieſelben auf einen von Häuſern umſtandenen Platz der Stadt hinaus; die Häuſer ſind mit Pfingſtmaien und Laubguirlanden geſchmückt; Leitern ſind an die Häuſer gelehnt; auf den Leitern ſtehen Männer, die mit dem weiteren Aufputz der Häuſer beſchäftigt find. Männer, Frauen und Kinder bewegen ſich auf dem Platze; Stimmen⸗ gewirr und fröhlicher Lärm dringt von dort herein. Im Saale vorn ſind einige

Stühle regellos vertheilt.)

Erſter Auftritt.

Der Schultheiß und zwei Rathmannen (treten aus dem Hintergrunde durch die geöffneten Thüren auf).

Schultheiß. Die Stadtknechte ſollen ausreiten, auf Landshut. Erſter Rathmann. Auf Landshut? Schultheiß. Ob ſie etwas von Sigehart von Burghauſen erſpäh'n; es

heißt, er zieht heran von Burghauſen mit Fünfhundert zu Roß und einem Haufen Fußvolk.

Erſter Rathmann. Dann kann er nur über Landshut kommen. Schultheiß. Darum macht, daß es geſchieht. Zweiter Rathmann. Soll geſcheh'n. (Geht ab.)

201

Kaifer Heinrich. *—

Schultheiß (geht im Saale auf und ab).

Es liegt was in der Luft.

Erſter Rathmann.

Schultheiß, was meinſt Du?

Schultheiß.

Mit fünfhundert Reitern kommt man zum Pfingſtfeſt mit fünfhundert Reitern? Haben wir Gottesfrieden im Land? Iſt Sigehart von Burghauſen der Einzige, der nichts davon weiß?

Erſter Rathmann.

Regensburgs Freund iſt er nie geweſen.

Schultheiß. Und jetzt ſeitdem ſie den Beichlinger niedergeworfen haben und erſchlagen im Abacher Wald Erſter Rathmann. Was können wir dazu? Schultheiß.

Abach gehört zur Regensburger Mark.

| Erſter Rathmann.

Alſo wird er uns zur Rechenſchaft zieh'n, meinſt Du, für Konrad von Beichlingens Tod?

Schultheiß.

Das warten wir ab hat man den Edlen angeſagt, daß ſie Schwerter und Waffen abzuthun und zu laſſen haben in der Herberge, wenn ſie zur Pfalz des Kaiſers kommen?

Erſter Rathmann,

Man hat's ihnen angeſagt.

Sweiter Auftritt.

Der zweite Rathmann (kommt zurück), der dritte Rathmann (kommt mit ihm). Eine Anzahl Frauen (kommen hinter dem dritten Rathmann). f

Schultheiß. Was kommen für Weiber da?

202

Zweiter Akt.

Dritter Rathmann.

Schultheiß es ſind

| Schultheiß.

Die Thore ſollen geſchloſſen und Niemand mehr herein— gelaſſen werden in die Stadt; wir haben fie voll genug.

Zweiter Rathmann.

Immer mehr Bauern ziehen von allen Ecken und Enden heran.

Schultheiß.

Darum thu' wie ich geſagt: ſie ſollen ſich lagern, jenſeits der Brücke auf der Donauwieſe.

Zweiter Rathmann. Alle wollen ſie des Kaiſers Antlitz ſehen. | Schultheiß.

Sie werden es ſehen. Heut Nachmittag zieht Kaiſer Heinrich mit den Bürgern von Regensburg auf die Donau— wieſe, das Pfingſtfeſt zu begehn; ſagt ihnen das.

5 Zweiter Rathmann.

Ich will's ihnen jagen (geht ad).

Dritter Rathmann.

Schultheiß, dies ſind die Weiber aus Abach.

Schultheiß. Aus Abach (Geht auf und ab, wendet ſich zu den Frauen) Eurer Männer wegen iſt's, daß Ihr kommt? Erſte Frau. Schultheiß unſere Männer ſind unſchuldig! Schultheiß. Ja ſchon gut. Erſte Frau. Sag' nicht, ſchon gut

203

—. Kaifer Heinrich.

| Schultheiß. Wir werden's unterſuchen, das heißt ſchon gut. Gu dem dritten Rathmann) Sind die Abacher hinter Schloß und Riegel?

Dritter Rathmann.

Sie ſind im Loch, und der Lochmeiſter hat ſtrengen Auftrag.

Erſte Frau.

Unſchuldig ſind unſere Männer!

Alle Frauen.

Unſchuldig!

Schultheiß.

Konrad von Beichlingen hat man erſchlagen gefunden im Abacher Wald, eine halbe Stunde von Eurem Dorf. Einer der Erſten war's im deutſchen Land, Otto von Nordheims Sohn. Es ſoll nicht heißen im Land, daß man in der Regens⸗ burger Mark ungeſtraft Mord und Todtſchlag verübt!

Erſte Frau.

Laß den Knecht befragen, der mit Konrad von Beichlingen geritten iſt, und den Ihr in der Stadt habt!

S ch ult h e (zu dem dritten Rathmann). Sein Knecht? Iſt er in unſerer Stadt? Dritter Rathmann. Ja, Schultheiß. | S ch ult h 1 (nach kurzem Nachdenken). Wir werden ihn in Verhör nehmen.

Alle F rauen (hervordrängend). Ja, thu' das! | Schultheiß. Geht jetzt f Alle Frauen. Sei gerecht, Schultheiß!

204

weiter Akt. +—

Ä Schultheiß. Geht jetzt, geht jetzt; Rathmannen, nehmt die Weiber mit Euch fort. Erſter Rathmann. Kommt. Dritter Rathmann.

Kommt. (Beide Rathmannen gehen mit den Frauen ab.)

Dritter Auftritt. Berengar von Sulzbach, Hermann von Winzenburg, Otto von Ballen⸗ ädt, edrich von Sommerſchenburg, Diephold von Vohburg (dieſer einige Schritte hinter den Anderen, kommen gleichzeitig aus dem Hintergrunde, ſo daß ſie ſich mit den abgehenden ae kreuzen und treten herein. Sie ſind ohne Schwerter).

Sulzbach (zeigt hinter den Frauen her). Seht Ihr die? Von Abach kommt das her.

Vohburg (der hereingekommen iſt).

Sprich nicht von Abach.

\ Sulzbach.

Nun nun

Vohburg.

Mir zu Gefallen, ſprich nicht von Abach. Den Namen nur zu hören, ſteigt mir das Blut in den Kopf! (er wirft einen böſen Blick auf den Schultheiß, der am Eingange hinten ſteht, geht, ohne ihn zu grüßen, nach vorn) Da ſteht er ja, der Herbergsvater

Sulzbach.

Laß ihn, bis jetzt hat er ſich ganz rechtſchaffen gezeigt; die Abacher Bauern hat er greifen laſſen, männiglich, und in den Thurm geſteckt.

Vohburg.

Hat er?

Sulzbach.

Das hat er.

205

* r rn * 1 RAREN.\ 7

—. Kaifer Heinrich. +

| Vohburg. So iſt's doch etwas. Nun Schultheiß heuer werden die Regensburger Pfingſtbäume Früchte tragen, gelt? Schultheiß. Was meint Ihr für Früchte? Vohburg. Die Abacher Bauern, die Du daran aufknüpfen wirſt. Wann wird's geſchehn?

Schultheiß. Sobald wir ſie als ſchuldig befunden haben. Vohburg. Iſt das noch nicht geſchehn? Schultheiß. Noch nicht. c Vohburg. Das wundert mich; es dauert lange. Schultheiß. Grad' ſo lange, wie die Unterſuchung. | Vohburg. Die Unterſuchung leugnen ſie's? Schultheiß. Sie betheuern, daß ſie ſchuldlos ſind. Vohburg.

In die Donau mit ihnen! Die Waſſerprobe gemacht! Schultheiß guckt die Achſelmg. Vohburg. Oder meinſt Du's anders? Schultheiß. Es iſt da ein Knecht, der mit Konrad von Beichlingen war; den müſſen wir hören zuvor. Vohburg. Warum iſt das nöthig?

206

Ti * eee een ruhen

Zweiter Akt.

Schultheiß. Weil's heißt, die Abacher hätten die Hand nicht im Spiele gehabt.

Vohburg. Was?! Winzenburg. Mitten im Dorf iſt's geſchehn! Schultheiß. Eine halbe Stunde davon. Vohburg. Eine halbe Stunde davon Schultheiß. Im Walde, zur Nacht, wo man genau nicht ſah. Vohburg. Vertheidigſt ſie wohl gar? Schultheiß. Wir werden unterſuchen nach dem Recht. Vohburg. Wir und wir wer iſt das „wir“? Schultheiß. Der Schultheiß und die Rathmannen von Regensburg. Vohburg. Von Regensburg biſt Du der Schultheiß? Schultheiß. Der bin ich. Vohburg. Der biſt Du meinte, Du wäreſt der Schultheiß von Obenhinaus. (Gelächter unter den Edlen.) Schultheiß. Den Ort kenn' ich nicht. Vohburg. Aber ich.

207

Kaiſer Heinrich.

Vierter Auftritt. Markgraf Werner lerſcheint in der Thür rechts).

5 Werner. Schultheiß von Regensburg, Du ſollſt zum Kaiſer kommen. Schultheiß. Ich komme. (Geht mit Markgraf Werner nach rechts ab.) Vohburg.

Und wir ſollen draußen bleiben. Das iſt jetzt die Ordnung im deutſchen Land. Winzenburg. Der Gottesfrieden. Weißt Du nicht, wie geſchrieben ſtehte Die Oberſten ſollen zu unterſt und die Unterſten zu oberſt ſitzen? Er verſteht ſich auf die Schrift, der Herr Kaiſer.

Fünfter Auftritt.

Dietrich von Katlenburg (it während der letzten Worte durch die Mitte ein⸗ getreten).

Katlenburg. Sagt das nicht; alle Welt weiß, daß er ein gottverlaſſener Heide iſt. Sulzbach. x Da kommt Dietrich Katlenburg. Der bringt uns die Tonart mit, die man im Sachſenland ſpricht. Grüß' Euch Gott, Katlenburg. (Geht auf ihn zu, reicht ihm die Hand.) | Vohburg. Grüß” Euch Gott, Katlenburg. Geht auf ihn zu, reicht ihm die Hand.) Katlenburg Kchuttelt ſich mit ihnen die Hand).

Dank' Euch. Vohburg. Und wie ſteht es mit den wilden Sachſen? Sind ſie noch die tapferen Männer, die ſie waren, oder hat ſie der Gottes frieden zahm gemacht?

208

Sweiter Akt.

Katlenburg.

Die Sachſen ſind noch die Alten. Zunder liegt in allen Gemüthern; einen Funken braucht's, und die Flammen ſchlagen auf. Die nächſte Stunde wird's entſcheiden.

Sulzbach.

Wie meint Ihr das?

Katlenburg. Ihr wißt, daß ſie Konrad von Beichlingen erſchlagen haben, meuchlings zur Nacht, und weſſen Sohn er war Vohburg. Otto's von Nordheim. Katlenburg.

Otto's von Nordheim, der als ein König in jedem Sachſen—

herzen gebot. Alſo werden wir erwarten, wie er die Mörder

ſtraft. Vohburg. Da werdet Ihr lange warten. Katlenburg. Das werden wir nicht. Es wird ihm zu rathen ſein, daß er raſch zugreift und ſcharf. Vohburg. Und wenn er Euch dennoch warten läßt? Katlenburg. Dann ſoll er erſticken im Blute Konrads von Beichlingen. Vohburg.

Recht jo! Gieb mir die Hand, Dietrich Katlenburg. (Fast Katlenburgs Hand, zeigt nach rechts) Da hinter ſeiner Pforte ſitzt er und kaut an ſeinen Entſchlüſſen. Inzwiſchen, damit Dir die Zeit nicht lang wird, wollen wir eine Kurzweil anſtellen. Kennſt Du das Drei-Stände-Spiel, das fie bei uns im Bayerlande ſpielen?

Heinrich. 209 14

—. Kaifer Heinrich.

Katlenburg. Das Drei-Stände-Spiel?

Vohburg (zu den Anderen). Brüder, wollen wir's ihm vorſpielen, dem Katlenburg?

Alle Edelleute. Wir wollen's ſpielen. Vohburg. Ich brauche den Egino dazu, der drüben in meiner Herberge ſitzt. Winzenburg. Bleib' Du hier, Vohburg, ich laufe hinüber und hole ihn her. (Geht durch die Mitte ab.) Vohburg. Inzwiſchen ſtellen wir die Stühle. (er holt einen Stuhl heran, fegt ihn mitten in den Saal) Das ſtellt einen Thron vor, ſiehſt Du, (wirft ſich auf den Stuhl) und was darauf ſitzt, eine alte Poſaune.

Katlenburg. Eine Poſaune?

Vohburg. Die uns den Gottesfrieden tutet.

(Die übrigen Edelleute haben inzwiſchen andere Stühle herangeholt und in einiger Entfernung von dem erſten Stuhle aufgeſtellt.)

Sulzbach. Und hier ſitzen die Zuſchauer. (Die Thür rechts wird von außen geöffnet.)

Katlenburg solict nach rechts).

Es kommt Jemand. (Alles blickt nach rechts.)

Vohburg cteht vom Stuhle auf).

Ruthart iſt's, der Erzbiſchof von Mainz.

210

weiter Akt.

Sechſter Auftritt.

Erzbiſchof Ruthart (kommt langſam von rechts. Er iſt ohne Biſchofsmütze, im

dunkelfarbigen Obergewand, trägt das Abzeichen ſeiner Würde, ein goldenes Kreuz,

um den Hals; er bleibt einen Augenblick auf der Schwelle ſtehen, während die vorn

Verſammelten ſich ehrerbietig verneigen, macht ein leicht angedeutetes Kreuzeszeichen

in der Luft, kommt dann nach vorn, ſetzt ſich auf einen der Stühle und bleibt finſter nachdenklich ſitzen. Pauſe.)

Katlenburg. Ihr wart beim Kaiſer? Ruthart (ünſter vor ſich hin).

Nein. Katlenburg. Weil Ihr aus ſeinen Gemächern kommt. Ruthart. Aus ſeinem Vorzimmer. Katlenburg. In ſeinem Vorzimmer wart Ihr? Ruthart. Drei Stunden lang. Katlenburg. Hat man Euch nicht gemeldet? Ruthart. Dreimal Vohburg. Dreimal?! Ruthart. Des Kaiſers eigener Sohn Vohburg. > Und er hat Euch nicht vorgelaſſen?

Ruthart (pringt auf). Hat man Zeit für einen Erzbiſchof, wenn man ſich mit Schultheißen unterhalten muß?! Vohburg. Die Peſt auf ihn!

211 14*

Kaifer Heinrich..

Katlenburg. Eine Schmach, die zum Himmel ſchreit!

Ruthart |

(ift auf⸗ und niedergegangen, unterbricht ſich im Gange, bleibt ſtehen).

Da wo es ihn am Leben trifft, laß ihn büßen, Gott! (Geht wieder auf und ab) Drei Stunden lang vor meinen Augen wird der Schultheiß hineingerufen, und ich bleibe draußen! Seine Trabanten um mich herum! Höhniſche Blicke! Giftiges Geflüſter! Wie ſummende Wespen um mich herum! (Bleibt ſtehen) Wo es ihn am Leben trifft! Am Leben trifft! (Geht wieder auf und ab) Ausgetrieben aus meinem Bisthum! Im Lande umherirrend wie ein fahrender Bettler, ein räudiger Hund! Warum? Wofür? Weil ich ein Chriſt bin und chriſtlichen Männern geholfen habe wider beſchnittene Juden!

Vohburg. Er ſelber iſt nichts Beſſeres! Katlenburg. Ein blutiger Heide! Vohburg. Der Juden und der Bauern König! Ruthart bleibt ſtehen). Wirf ihn hinunter, Gott, wo die dreimal Verdammten ſind! Katlenburg. Das wird geſchehen!

Siebenter Auftritt. Winzenburg (kommt durch die Mitte). Winzenburg. Ich bringe Euch den . Ihr W und das a kann beginnen. ä Ruthart. Was für ein Spiel?

212

Sweiter Akt. +

Vohburg. Das Drei⸗Stände⸗Spiel, das wir dem Katlenburg zeigen

wollen; Ihr kennt es?

Ruthart. Kenne es. Vohburg. Aber Ihr werdet nicht in der Laune ſein Ruthart doitter lachend). Ich bin zu Allem in der Laune. Vohburg dest ji). Alſo Platz genommen! Alle Edelleute.

Platz genommen! (Sie ſetzen ſich.)

Achter Auftritt. (Die Thür rechts wird von außen geöffnet.)

Sulzbach (ſeht nach rechts).

Es kommt Jemand. Vohburg. Soll'n wir nicht zum Spiel gelangen? Sulzbach ait an die Thür rechts gegangen, blickt hinaus). Vohburg, wir müſſen's aufgeben: König Heinrich kommt. Alle Edelleute gpringen auf).

König Heinrich?

(Eine ſtumme, verlegene Pauſe.)

Ruthart (tritt mitten unter ſie). Ich will Euch einen Rath geben: ſpielt Euer Spiel.

Sulzbach. Vor ſeinen Augen und Ohren?

213

Kaijer Heinrich.

Ruthart.

Spielt Euer Spiel! (In plötzlicher Erregung faßt er die Hände der zunächſt Stehenden) Dreimal hat er mich ſeinem Vater angeſagt, dreimal hab' ich ihm in die Augen geſehn ſpielt Euer Spiel! Hinter den Augen wohnt Einer, der es verſteht.

Katlenbur g chalblaut, in heißer Erregung). Erzbiſchof

Vohburg desgleichen). Soll das heißen, daß König Heinrich

(Eine flüſternde Bewegung unter den Edelleuten.)

Ruthart (feht ſich haſtig um). Seht zu, ob er kommt.

Sulzbach (stikt hinaus). Er ſteht auf dem Gange und ſpricht mit Werner.

Ruthart (reißt die Edelleute, die er an den Händen hält, einen Schritt nach vorn).

Ihr ſeid jung zu jung Ihr glaubt, Ihr kennt dieſen Alten, Ihr kennt ihn nicht. Ihr glaubt, mit ihm fertig zu ſein, da Ihr noch kaum begonnen habt Drei Päpſte haben wider ihn geſtanden, ausgerüſtet mit allen Schrecken des Himmels, er hat alle drei begraben und lebt! Ihn vertreibt nichts aus ſeiner Natur ſolche Menſchen ſind unzerſtörbar von außen. In ſeinem eigenen Holze muß der Wurm geboren werden, der dieſen Baum zernagt (eine Stimme ſinkt zum Geflüſter herab, er deutet mit den Augen nach rechts) und es könnte jein - der Wurm iſt da.

Katlenburg. König Heinrich?

Vohburg. Sein eigener Sohn?

214

weiter Akt.

Ruthart. Sein eigener Sohn Bertha gebar ihm dieſen Sohn. Aber als ſein Leib bei ihrem Leibe lag, war ſeine Seele fern von ihr, lechzend nach einer Anderen

Katlenburg. So hört' ich von meinem Vater. Ruthart.

Lüge war ſeine Umarmung; er haßte den Schoß, dem er Leben gab. Aus ſeinem Blute hat er ſich den Haß gezeugt.

Katlenburg. Ah, wenn das wäre Vohburg. Erzbiſchof Ruthart (wendet ſich). Ruhe! |

Neunter Auftritt. König Heinrich lerſcheint in der Thür rechts). Ruthart (geht ihm entgegen). Gott zum Gruß Euch, König Heinrich. Alle Edelleute. Gott Euch zum Gruß, König Heinrich. Heinrich. Welch ein freundlicher Willkommen Ruthart. Ihr ſprecht, als ſtauntet Ihr, gnädiger Herr; Ihr kommt unter Freunde. Kennt Ihr die Herren? Heinrich (tritt heran). Diephold Vohburg, Deine Hand; Berengar von Sulzbach

und Hermann Winzenburg geeicht ihnen die Hand, bleibt vor Katlenburg ſtehen) Und Ihr?

215

Kaifer Heinrich. *—

Vohburg. Dietrie Katlenburg, gnädiger Herr. Heinrich. Dietrich Katlenburg keeicht ihm die Hand. Katlenburg. Aus Sachſenland, gnädiger Herr. | Heinrich äyemd). Das jpürt man am Handſchlag. Vohburg dachend). Trefflich! Winzenburg. Nicht wahr? Katlenburg. Und hier: 1 und een aus Sachſen⸗ land wie ich. | Heinrich weist ihnen die Hand). Böſe Nachrichten aus Sachſenland, Ihr Herren; Otto von Nordheims trefflicher Sohn

Katlenburg. Ja, ein trefflicher Mann, nicht wahr? Heinrich. Der treffliche Sohn eines trefflichen Mannes. Katlenburg. . Ihr ſo von Otto von Nordheim? Heinrich. Kann man anders von ihm ſprechen? Vohburg. Dennoch freut's uns, daß Ihr es thut. Heinrich. Warum ſind die Stühle geſtellt? Sulzbach.

Diephold Vohburg wollte uns das Drei- Stände⸗ Spiel vorführen, gnädiger Herr. Ihr kennt es?

216

R

Spweiter Akt.

Heinrich. Kenne es nicht; hat's Diephold Vohburg erdacht? Vohburg. Nein, gnädiger Herr, ein Mönch von Sanct Blaſien; ich hab's ihm abgelernt. f Winzenburg. Aber es iſt kurzweilig, und man ſpielt's allerorten in Bayern und Thüringerland.

Heinrich. Darf man zuſehn?

Vohburg wüst ihm einen Stuhh. Eine Ehre für uns es iſt nur es kommt darin Jemand vor Heinrich dest fi). Wäre ein ſonderbares Spiel, wenn Niemand darin vor- käme.

Vohburg. Jemand den Ihr kennt. Heinrich. Um ſo beſſer werd' ich's verſtehn. Vohburg.

Trefflich! Alle Edelleute. Trefflich! Trefflich! (Alle ſetzen ſich. Ruthart hinter den Anderen, ſo daß er Heinrich im Auge behält.)

Vohburg (uft laut).

Egino! Alle Edelleute (rufend).

Egino! Egino!

217

—» Kaifer Heinrich.

Sehnter Auftritt. Egino (eriheint in der Thür links).

ö Egino. Spielen wir, gnädiger Herr? Vohburg. Wir ſpielen, mach' Dich fertig. a Egino. Gleich werd' ich kommen. (Verſchwindet.) : Heinrich. Wer iſt Egino? | Vohburg. | Mein Narr, gnädiger Herr; er macht die drei Stände. Heinrich. Alle drei und wer biſt Du? Vohburg.

Ich bin Jemand.

Alle Edelleute agachend). Er iſt Jemand.

Elfter Auftritt. Egino (kommt als Bauer gekleidet von links. Er trägt einen Knittel in der Hand;

ſein Geſicht iſt mit Ruß beſchmiert. Er geht täppiſchen Gangs nach vorn, bleibt vor Vohburg ſtehen, ſtreckt ihm mit plumper Vertraulichkeit die Hand hin).

Egino.

Je grüß' Dich Gott, Vater Kaiſer; biſt wieder heim

aus Wälſchland? Und wie geht's? Vohburg (reicht ihm die Hand).

Gut geht's mir, Bauer, mein Sohn, weil ich Dich an⸗

ſchauen kann. Wie Du ausſchauſt | Egino (ariniend). Nicht wahr?

218

weiter Akt.

Vohburg. Groß biſt Du geworden und ſtark und dick. Egino. Macht der Gottesfrieden; der nährt ſeinen Mann. Vohburg. Und was treibſt Du? Egino. Freſſen und ſaufen. i Vohburg. Recht und was weiter? Egino. Schnarchen hinterher. Vohburg. Immer beſſer. Egino. Und ſtinken. 5 Alle Edelleute. Stinken thut er! Habt Ihr's gehört? Egino. Wie zehn Schweine im Kofen. (Gelächter unter den Edelleuten.) Vohburg. Du putziger Kerl, Du lieber; gleich möcht' ich Dir einen Kuß geben. N Winzenburg. Einen Kuß will er ihm geben! Alle Edelleute. Weil er ſtinkt! Winzenburg. Heiß' ihn, ſich den Ruß abkratzen vom Geſicht zuvor. Egino. Weißt, Vater Kaiſer, nur eines taugt noch nicht.

219

> Kaifer Heinrich.

Vohburg. Was denn, mein lieber Sohn? Egino. Daß es noch Ritter und Edle giebt im Land. Vohburg. Wollen dazu thun, daß es mit ihnen aufhört. Egino.

Recht und inzwiſchen, weißt, was ich thu'? Hinterm Buſch ſtell' ich mich auf, mit einem Dutzend von uns, Dreſchflegel zur Hand. Kommt ihrer Einer uns dann vorbei, auf hohem Roß, fallen wir über ihn her und ſchlagen ihn todt.

| Winzenburg. Wie ſie's mit dem Beichlinger gemacht rn Alle Eheleute

Jawohl! Ruthart dachend). Ruhe doch. Sulzbach. Ruhe. Egino.

Und Du, Vater Kaiſer, drückſt die Augen zu und haſt nichts geſehn. Vohburg cdoirft ſich lachend im Stuhl zurück). Ich drücke die Augen zu und habe nichts geſehn! (Tätſchelt ihm den Kopf) Du mein Schinken, meine Speckſchwarte im Rauch möcht' mich gleich mit Dir unterhalten bis an den Abend, aber da klopft's wird mein lieber Freund ſein, der Kauf⸗ mann, der mich beſucht. Egino. Alſo will ich ihm aufmachen. (Geht lints ab). (Eine Pauſe. Alles blickt auf König Heinrich.)

220

Sweiter Akt.

Vohburg. Spielen wir weiter, gnädiger Herr?

Heinrich. Scheint mir, es fängt erſt an?

Vohburg. Freilich, zu Ende iſt es noch nicht.

Heinrich. Warum ſollen wir alſo nicht weiter ſpielen?

Winzenburg. Trefflich! Alle Edelleute.

Weiter ſpielen!

Swölfter Auftritt. Egino (kommt als Kaufmann, in einem Pelz, von links). Egino. Die Freude, Bruder Kaiſer! Die Freude, Dich zu ſehn! Haſt mir was mitgebracht aus dem Wälſchland? ö Vohburg. Hab' Dir einen ſchönen fetten Gottesfrieden mitgebracht, Bruder Kaufmann, daran Du ſchlampen und ſchlecken kannſt. Egino. Siehſt, das iſt recht. Du hältſt mir den Beutel, und ich thue Geld hinein.

Vohburg. Thuſt Du's brav? f Egino. Sieh doch den Pelz, den ich trage. Vohburg. Wie er Dich kleidet! Wo haſt Du ihn her? Egino.

Das Leder hab' ich Rittern und Edlen aus der Haut ge— ſchnitten; die Haare ließen ſie mir dazu.

221

—. Kaifer Heinrich.

Winzenburg. Ja, ſo machen ſie's. Ruthart. So unterbrecht nicht immer. Sulzbach. Ruhe doch. Alle Edelleute. Ruhe. Ruhe. (Egino iſt auf einen Wink Vohburgs links abgegangen.) Vohburg qu Heinrich). Seht Ihr, gnädiger Herr, der Kaufmann hat vor dem

Winzenburg Reißaus genommen. (Gelächter unter den Edelleuten.)

Heinrich.

Vielleicht hat er ſein Haar in ſeinem Pelz gefunden. Vohburg.

Vermuthlich.

| Alle Edelleute.

Vermuthlich.

Dreizehnter Auftritt. Egino (kommt von links als Jude, in gelbem Kaftan und gelber Mütze).

Heinrich. Was kommt da für ein Gelbling?

Winzenburg. Das iſt der Gevatter!

Alle Edelleute (wiehernd). Der Gevatter!

Egino (hüpft heran). Gevatter Kaiſerchen! Gevatter Kaiſerchen!

222

Spweiter Akt.

Vohburg. .

Schlag' mich es iſt das Jüdlein! Biſt denn Du noch am Leben? Hab' gemeint, ſie hätten Dir das Fell abgezogen in Mainz?

N Egino. Wächſt wieder, Gevatterchen! Jetzt ziehen wir ihnen das Fell über die Ohren, den dummen Chriſten. Vohburg. Wird was abfallen dabei für mich? Egino.

Das will ich meinen. Aber ſag', iſt's denn wahr, was ſie erzählen, Du wäreſt da drunten in Wälſchland ein Türke geworden?

Vohburg.

Ah, woher wenn ich ein Türke geworden wäre, könnt' ich ja kein Jud' mehr werden. Egino.

Ein Jud' willſt Du werden? Einer von unſere Leut'?

Vohburg. Hätte nicht übel Luſt dazu; dabei kommt man zu Geld.

Egino (ſchlägt ſich auf die Kniee, hüpft umher). Heißt eine Sach'! Heißt eine Sach'! Vohburg. Mein älteſter Sohn, weißt, iſt mir durch die Lappen ge- gangen; aber ich hab' noch einen, den laſſ' ich beſchneiden. Alle Edelleute (brechen in ſtürmiſches Gelächter aus, blicken auf Heinrich; Heinrich lacht laut mit, Egino verſchwindet). Winzenburg. Was ſagt Ihr dazu, gnädiger Herr? Sulzbach. Ein Jud' ſollt Ihr werden.

223

—. Kaifer Heinrich. *—

Winzenburg. Wie gefällt Euch der Vorſchlag?

Heinrich (krampfhaft lachend). Ihr müßt mich fragen, wenn ich mit Lachen fertig bin ein Mönch hat's erdacht?

Ruthart. Ein Mönch von Sanct Blaſien. Heinrich. Weiß man den Namen? Ruthart. Bernold, gnädiger Herr. Heinrich. Bernold man muß ihn ſich merken; ſcheint ein Kopf. Winzenburg. Nicht wahr? Er kennt die Welt, wie Ne läuft. Ä Heinrich. So ſcheint es. Winzenburg.

Denn ob es ſchon ein Spiel heißt, ſo iſt's doch blutige Wahrheit Alles.

Vierzehnter Auftritt. 5 Egino (als Edelmann, in ſchlechtem abgetragenen Mantel, kommt von links). Sulzbach. Gieb Ruhe; jetzt kommen wir daran.

Egino (tritt vor Vohburg). i Gott Euch zum Gruß, erlauchter Herr Kaiſer. (Verneigt ſich.) Vohburg (wendet ſich ab). Ah, pfui Teufel. Egino. Gott und alle Heiligen zum Gruß, i Herr Kaiſer. (Verneigt ſich.)

224

-

weiter Akt.

| Vohburg. Was gehen mich die Heiligen an. f Egino. Ihr gebt mir ungnädigen Beſcheid, Herr Kaiſer. Vohburg. Weil es mir widerwärtig iſt, Dich zu ſehn. Egino. Das thut mir leid, iſt aber nicht meine Schuld. Vohburg. Wie eine gerupfte Krähe ſiehſt Du aus; wo haſt Du Deinen Mantel gelaſſen von ſcharlachnem Roth?

Egino. | Den trägt der Kaufmann jetzt, an den ich ihn verkauft habe. Vohburg. Deine goldenen Sporen, wo haſt Du ſie gelaſſen? Egino. Die hat der Jud' eingeſchmolzen, dem ich ſie verpfändet habe. Vohburg. Warum haſt Du verkauft? Warum haſt Du verpfändet? Egino. Weil Ihr mich dazu gebracht habt. Vohburg. Aber Brünne und Schwert haſt Du noch? = Egino. Morgen will ich ſie verſetzen. Vohburg. Wozu brauchſt Du ſie auch? Du haſt ja den Gottesfrieden. Egino. Ich habe ja den Gottesfrieden. Vohburg.

Und ein Pferd haſt Du noch. Das kannſt Du dem Bauern in den Pflug ſpannen.

Heinrich. 225. 15

* RN 9 3:

—» Kaifer Heinrich.

Egino. Alſo will ich's dem Bauern in den Pflug ſpannen. Vohburg. Denn wozu brauchſt Du ein Pferd, da Du nicht ins heilige Land ziehen darfſt. Egino. Freilich, Du kluger Herr Kaiſer. Und nachher, nicht wahr, da erlaubſt Du, daß ich betteln gehe bei Kaufmann und Bauer und Jud'?

5 Vohburg. Das erlaube ich Dir. Egino. Danke Dir, Du gnadenreicher Kaiſer. | Vohburg. Und den Bettelſack geb' ich Dir umſonſt. Egino.

Du A gütiger Herr Kaifer -

Winzenburg springt auf). 6 Und den Stecken aus dem Zaun, ſchneid' ich den 900 5 gleich und geb' ihn dem Bauern in die Hand?

Vohburg aachend). Heda heda Sulzbach. Der Winzenburg Winzenburg.“ Damit er mich fortprügeln kann von ſeinem Hof, wenn ich bitten komme bei ihm? Ruthart (teht auf). Winzenburg Winzenburg Winzenburg. | Du kluger und erlauchter Kaiſer ja? Du gütiger, gerechter, Du gnadenreicher Kaiſer, ja?

226

Spweiter Akt. +

Vohburg (feht auf).

Das gehört nicht mehr ins Spiel.

(Alles ſpringt auf. Egino verſchwindet.) Winzenburg.

Ja, es gehört ins Spiel! Was brauchen wir den Egino? Jeder Edelmann im Lande braucht nur zu ſagen, was er auf dem Herzen hat, ſo ſpielt er ſeinen Part.

Alle Edelleute.

Wahr iſt's.

Winzenburg gu Vohburg).

Biſt Du anderer Anſicht?

Vohburg. Den Teufel, wenn ich anderer Anſicht bin!

Ruthart (tritt neben ſie). Ihr Herren Ihr Herren | Alle Edelleute. Wahr iſt's! Ruthart Hhalblaut, beſchwichtigend). Denkt an den König, denkt, daß der König unter uns iſt.

Winzenburg (auß).

Gut iſt's, daß er unter uns iſt, gut, daß er ſieht, wie es ſteht! Vohburg. Recht hat Winzenburg! Winzenburg.

Und daß es ſo nicht weitergehen kann!

Alle Edelleute. Recht haſt Du!

—. Kaifer Heinrich. +

Sünfzehnter Auftritt. Egino (in feiner gewöhnlichen Tracht, reißt eine von den Mittelthüren auf). Egino. Graf von Vohburg! Graf von Vohburg! (Alles wendet ſich ihm zu.) Vohburg. Was bringſt Du? ö Egino. | Sigehart von Burghauſen jteht vor den Thoren von Regensburg mit fünfhundert Reitern! Vohburg. Sigehart! i | Alle Edelleute. Sigehart von Burghauſen! i Egino. Die Abacher Bauern will er heraus haben, um fie zu ſtrafen für den Mord! | Bohburg. Daran erkennt man den Mann! Winzenburg. Jetzt bekommt die Sache ein anderes Geſicht! Sulzbach. Laßt uns ihm entgegengehn. Vohburg. Laßt uns Sigehart von Burghauſen begrüßen Alle Edelleute. | Das wollen wir! Das wollen wir! (Alle Edelleute im Tumulte nach der Mitte ab. König Heinrich ſteht, wie er während des Letzten geſtanden hat, leichenblaß und regungslos mitten auf der Bühne; Ruthart ſteht einige Schritte ſeitwärts von ihm, ihn beobachtend. Die Edelleute ſchlagen die

Thüren, durch die ſie abgehen, ſchmetternd hinter ſich zu; man hört ihre Stimmen i und Schritte, die ſich entfernen; dann tritt lautloſe Stille ein.)

228

Sweiter Akt.

a Heinrich (jählings, wie aus einer Erſtarrung auffahrend). Rache!! Rache und Tod für tödtliche Schmach! (er reißt

den Dolch, den er am Gürtel trägt, heraus; ſtürzt auf den Seſſel zu, auf welche m Vohburg geſeſſen hat, ſtößt bie Klinge des Dolches mit einem krachenden Stoße in

den Sitz des Stuhls) Ah ker fällt wie gebrochen an dem Stuhle zur Erde, den Arm über den Stuhl geworfen).

Ruthart (tritt langſam einen Schritt heran). Wem galt das? Heinrich (richtet das Haupt auf, ſtarrt ihn wie geiſtesabweſend an, dann ſagt er mit lallender deen Ruthart. Wem galt dieſer tödtliche Stoß?

Heinrich (rafft ſich zuſammen, ſeine Glieder zucken, man ſieht ihm die Anſtrengung an, Faſſung zu gewinnen, endlich reißt er den Dolch aus dem Stuhl, ſpringt auf, ſteckt den Dolch in die Scheide, ſagt mit erzwungenem Lachen).

Ein Kinderſpiel, natürlich. Ruthart

(tritt an den Stuhl und prüft die Stelle, wo der Dolch in das Holz gedrungen

mit dem Finger). Drei Zoll tief ein Kinderſpiel? Warum iſt es nöthig, König Heinrich, daß Ihr mir das ſagt? Ich verſtehe Euch.

Heinrich. Dann wißt Ihr mehr als ich. (er fällt auf den Stuhl, beugt das

Haupt, drückt die Hände vor das Geſicht, ein krampfhaftes Schluchzen, das er ver⸗ gebens zu bemeiſtern verſucht, durchſchüttert ſeinen Körper.)

Ruthart (ſteht unmittelbar hinter ihm, legt die Hände auf Heinrichs Haupt). Wie unglücklich Ihr ſeid, mein Sohn, mein Sohn. Heinrich. Ich will nicht, daß Ihr mich bedauert.

229

. Kaifer Heinrich.

Ruthart. Werdet ruhig (macht das Kreuz über ihm). H einri ch (ſpringt auf).

Ich will nicht, daß Ihr mich i wie einen Todten! Ich bin nicht todt!

Ruthart.

Wer ſagt das? Wer denkt das?

Heinrich.

Nur daß ich erſticke am Schimpf, erwürge an der Schmach, daß ich nicht Rache habe dafür! Das iſt's! (er geht auf und ab, wie ein wildes Thier im Käfig.) =

Ruthart.

Euch, König Heinrich, hat Niemand beſchimpft. Heinrich (bleibt jählings ſtehen, ſtarrt ihm ins Geſicht). Ruthart (erwidert ſeinen Blick mit eiferner Ruhe).

Nein. Ihr ſeid dieſen Männern theuer und werth. Hein rich (lacht gellend auf, ſetzt ſeinen Gang fort). Ruthart.

Ihr braucht nicht zu lachen; ich weiß, was ich ſage.

Heinrich.

Aber nicht, zu wem Ihr ſprecht.

Ruthart.

Wüßt' ich es nicht?

Heinrich.

Ihr wollt Fleiſch und Blut tröſten. Fleiſch und Blut iſt's nicht, was in mir aufſteht.

Ruthart. Sondern was?

Heinrich. Der Kaiſer!

Ruthart.

Seid Ihr der Kaiſer? 230

Sweiter Akt.

Heinrich (bleibt ſtehen, zeigt an den Kopf, als wenn er die Krone andeutete). Da noch nicht (zeigt auf das Herz) aber da! Geht wieder auf und ab.)

Ruthart.

Sind Kaiſer nicht Fleiſch und Blut?

N Heinrich.

Das verſteht Ihr nicht. Ruthart.

Meint Ihr, ich wiſſe nicht, was ein Kaiſer iſt? Heinrich.

Nein. Ruthart.

Nein?

Heinrich (leist ſtehen). Auf der Welt iſt ein Einziger, der da weiß, was ein Kaiſer iſt! | | Ruthart. Und dieſer Eine —? Heinr ich (wendet ſich von ihm ab, beginnt wieder ſeinen Gang). Ruthart. Und das Kaiſerthum, meint Ihr, ward beſchimpft? Heinrich. Ward es nicht? Ruthart (tritt ihm näher).

Ja. Heinrich.

Alſo wirklich? Ruthart.

Und noch mehr: es wird alle Tage neu beſchimpft. Heinrich.

Wirklich? 231

—. Kaifer Heinrich.

| Ruthart (tritt ihm in den Weg, ſo daß Heinrich ſtehen bleiben muß; Ruthart blickt ihm aus nächſter Nähe in die Augen).

Aber wißt Ihr auch, durch wen? (Beide ſtehen ſich gegenüber, ſich in die Augen ſtarrend.) Nicht durch die Männer von vorhin ſondern durch

Heinrich (packt Ruthart an der Hand). Still! | Ruthart. Wenn Ihr wißt, was ich ſagen wollte, dann brauche ich nicht zu ſprechen. Heinrich. Ihr ſollt's auch nicht. Auch nicht denken ſollt Ihr's. Wort und Gedanke ſind Richterſpruch. Ruthart. Und richten darf ich nicht? Heinrich. Nein. Denn über einen Kaiſer richtet nur ein Kaiſer. Ruthart (ſeht ihm ins Geſicht). Ah ſo. Heinrich (mit drohenden Augen). Ja (läßt langſam Rutharts Hand los.) Rut hart chalblauß). Wann alſo werdet Ihr Gericht halten? Heinrich (zwiſchen den Zähnen murmelnd). Wenn ich fertig bin mit dem Reſt vom angeerbten Schwamm. | Ruthart dritt dicht an ihn heran). Aber das Schiff iſt leck, auf dem die Kaiſerfracht ſchwimmt. Heinrich (umpf vor ſich hin). Das weiß ich. 232

7

E r N. 95 ve 8 5 4 5 8 r

Sweiter Akt.

Ruthart. Wenn der alte Steuermann noch lange bleibt, geht es zu Grund, und auf dem Grunde find Haffiſche. Heinrich (wie vorhin. er weiß ich. Ruthart. Die den alten ver ſchlingen und den jungen Steuermann zugleich. Heinrich (fährt auf). Weiß ich, das weiß ich, das weiß ich aber eins ſteht im Wege Ruthart. Was? Heinrich (dicht zu Ruthart tretend). Ihr ſeid ein Prieſter, Ihr müßt Beſcheid wiſſen, wir ſind hier unter uns glaubt Ihr, daß Gott iſt? Ruthart. Das glaub' ich. Heinrich. Wenn Jemand einen Eid in ſeinem Namen ſchwört glaubt Ihr, daß er es hört? Ruthart. Der die Gedanken in den Herzen lieſt, ſollte er nicht hören, wenn Jemand in ſeinem Namen ſchwört? Heinrich (thut einen Schritt von Ruthart hinweg). Freilich (kommt zu Ruthart zurück) und eine Hölle ob es die giebt?

| Ruthart. Die giebt es. Heinrich. Man nimmt es ſo an? Ruthart.

Man weiß es. 233

—. Kaifer Heinrich. +

Heinrich (ſtarrt ihn entſetzt an).

Weiß es? Ruthart. | Zu Sanct Emmeran iſt ein Mönch, ein heiliger Mann, der wunderbare Geſichte hat; jüngſt hat ihn der Geiſt im Traum geführt und ihm die Hölle gezeigt.

Heinrich (athemlos flüfternd).

Wie ſah ſie aus?

Ruthart.

Wozu iſt es nöthig, daß ich's Euch ſage? Heinrich.

Wie ſah ſie aus? Ruthart.

Ein endloſes Feld in grauenvoller Nacht; eiſerne Häuſer ſtanden in dem Feld, mit glühenden Wänden; aus den Häuſern erſcholl der Verdammten Geheul. ö

Heinrich (fällt auf den Stuhl, verbirgt das Geſicht in den Händen; Entſetzen ſchüttelt ihn). Dann kann ich es nicht! Ruthart (beugt ſich über ihn). Aber wenn es der Eid iſt, den Ihr dort unten, in den Alpen, geſchworen habt Heinrich guckt mit dem Haupt auf). Davon wißt Ihr? Ruthart. Ja. Wenn es der iſt, der braucht Euch nicht zu ſchreren Heinrich (ſtarrt ihm ins Geſicht). Ruthart. Denn der ward Euch abgezwungen. Heinrich (wie vorhin). Das iſt nicht wahr.

234

weiter Akt.

Ruthart. Konrad, Euer Bruder, hat ihn Euch abgezwungen. Heinrich (ſpringt auf). Mir abgezwungen? Konrad mir? (Geht auf und ab.) Frei— willig hab' ich geſchworen.

Ruthart.

So iſt Einer da, der Euch löſen kann von dem Eid. Heinrich. |

Ja freilich, Gott aber der thut's nicht. Ruthart.

Wißt Ihr von dem nichts, der Gottes Thaten auf Erden verrichtet? Wißt Ihr vom heiligen Papſte nichts? Heinrich (bleibt itehen).

Das könnte der Papſt? Ruthart.

Das kann er.

6 Heinrich.

Das thäte der Papſt? Ruthart.

Sein Legat iſt in Deutſchland; Vollmacht iſt in meiner Hand. (ritt dicht an Heinrich heran) König Heinrich Du biſt Deines Eides ledig.

Heinrich (arrt ihn an).

Ja aber

Ruthart. Was?

Heinrich (in zitternder Angſt). Dann kommt das eiſerne Haus mit den glühenden Wänden

Ruthart.

Nein

235

—. Kaifer Heinrich.

Heinrich. Aus dem die Verdammten heulen.

Ruthart. Nein, nein, nein!

Heinrich.

Und da will ich nicht hinein! Ruthart (wirft den Arm um ihn). Mein Sohn mein Sohn

Heinrich.

Da will ich nicht hinein!

Ruthart Geichnet ihn mit dem Zeichen des Kreuzes).

Kennt Ihr das Zeichen nicht, vor dem die Hölle zurück⸗ bebt? Wißt Ihr nicht, daß der Papſt die Schlüſſel hält zu Himmel und Hölle?

N Heinrich (in wild ausbrechender Seti Und alſo wäre ich frei? Ruthart. Ihr ſeid frei. Heinrich critt zurüch. Wenn ich's nur glauben könnte. Ruthart. Das müßt Ihr glauben, wenn Ihr ein Chriſt iR

Heinrich Atürmt auf und ab). Das mein' ich nicht. Das mein' ich nicht.

Ruthart.

Was alſo meint Ihr? Heinrich. Wenn ich's nur fühlen könnte! Ruthart.

Das müßt Ihr fühlen. Heinrich (bleibt vor ihm ſtehen). Aber ich habe doch geſchworen!

236

Zweiter Akt.

Ruthart. Aber der Mann, dem Ihr geſchworen habt, war im Banne dreimal! Gebannten gegenüber giebt's keinen Eid!

Heinrich. 8

Ruthart. Verſteht Ihr das?

Heinrich.

Ich fange an. Fährt wieder auf) Aber es iſt doch mein Vater?!

Ruthart.

Aber die Kirche iſt Eure Mutter und hat ihn verworfen! Habt Ihr nie gehört, daß Vater und Mutter ſich trennen, und der Sohn der Mutter folgt?

er Heinrich.

Ja ſo b Ruthart (ergreift Heinrichs Hand). Verſteht Ihr das?

f Heinrich (mit aufblitzendem Auge).

Ja! (Er macht ſich von Ruthart los, kommt in den Vordergrund, ſein Geſich verwandelt ſich, wie das eines Menſchen, dem eine plötzliche Offenbarung wird, ſpricht vor ſich hin) Der Rechenmeiſter! Der Rechenmeiſter! Der Rechen: meiſter!

Ruthart (iſt ſtehen geblieben, folgt ihm mit den Blicken, als wollte er ihn ergründen). Heinrich wor ſich Hin).

Und Alles ein ungeheurer Betrug! Gott, Himmel, Hölle Geſpenſter im leeren Nichts und wirklich im Weltall nur Eines: ich ſelbſt! (er lacht vor ſich hin) Es giebt einen Gott aber er will nur, was ich will. Es giebt eine Hölle, aber wenn ich ſie verſchließe, iſt ſie nicht da! Ein Rechen— exempel Alles, vom großen Rechenmeiſter angeſchrieben an der großen Tafel, um ſtörrige Buben zu lenken! Wer's am beſten

237

. Kaifer Heinrich.

auswendig lernt, ſitzt zu oberſt auf der Bank! Du, alter Vater, haſt hinter die Tafel geguckt; aber Du biſt zu ſpät dahinter gekommen das war Dein Unglück; und Du haſt geplaudert das war Dein Fehler! (er reibt ſich die Hände) Wie ich an Dir lerne! Wie ich an Dir lerne! Wer's glaubt, wird am Halfter geführt, wer's nicht glaubt, führt die Zügel ſelbſt! Aber nur nichts merken laſſen! Wie die Sinne mir hell werden! Wie der Wille mir wächſt! Wie ich ihn auspreſſe auf den letzten Tropfen, den dummen deutſchen Schwamm! Ruthart tritt heran). Was ſinnt Ihr, König Heinrich? Was flüſtert Ihr? Heinrich (kommt zu ſich, wendet ſich, faßt Ruthart an beiden Händen).

Wie heißt der Papſt, der mir das Alles geben will und

giebt? | Ruthart. Paſchalis nennt er ſich. f Heinrich gäßt Ruthart los). Paſchalis | Ruthart. Warum fragt Ihr? Heinrich. Weil ich den Namen deſſen bewahren will, 185 den ich heute geboren worden bin.

Ruthart. Fühlt Ihr das? Heinrich ſinkt knieend vor ihm nieder). Ich fühle, daß ich Geiſt bin von Eurem Geiſte. Ruthart degt die Hände auf fein Haupt). Mein Sohn mein Sohn Heinrich colickt ihm von unten auf ins Geſicht). Seid vorſichtig (kuthart blickt ihn fragend an. Flüſternd) Ich glaube ich bin ein gefährlicher Sohn. 8

(Im Hintergrunde, außerhalb der Scene, Geräuſch von Stimmen und Schritten.)

238

N Fur *

Zweiter Akt. +

Sechzehnter Auftritt. (Die Thüren im Hintergrunde werden aufgeriſſen.) Vohburg, Winzenburg, S nburg, Sommerſchenburg, andere Edelleute, der erſte, 3 > und dritte Rathmann (kommen durch die Mitte; alle in leidenſchaftlicher Erregung. Heinrich iſt raſch aufgeftanden). Zweiter Rathmann. Wir können nicht! Vohburg. Das iſt nicht wahr! Erſter Rathmann. Wir dürfen nicht! Winzenburg. Ihr wollt nicht! Zweiter Rathmann. Wir haben Euch geſagt, warum wir nicht können und dürfen! Vohburg. Und wir haben Euch geſagt, daß alles das Ausflüchte ſind! (Sie ſind in den Vordergrund 1 Heinrich jetzt mitten in der Gruppe

i Heinrich. Um was handelt es ſich? Vohburg. Sigehart von Burghauſen ſteht vor den Thoren, und ſie laſſen ihn nicht herein! Heinrich (zu den Rathmannen). Warum wehrt Ihr Sigehart von Burghauſen den Eintritt? Zweiter Rathmann. Weil wir zu thun haben, gnädiger Herr König, wie man uns befohlen hat. | | Heinrich. Was hat man Euch befohlen? Zweiter Rathmann.

Die Thore von Regensburg zu ſchließen und Niemand mehr einzulaſſen.

239

—. Kaiſer Heinrich. *—

Heinrich. Wer befahl das? | Zweiter Rathmann.

Unſer Schultheiß. Vohburg. Alſo geht und ſagt Eurem Schultheiß, daß er den Befehl aufheben ſoll. Dritter Rathmann. Der Schultheiß iſt beim Kaiſer. Zweiter Rathmann. Und zum Kaiſer dürfen wir nicht eindringen. (Es tritt plötzlich eine Stille ein. Die Edelleute ſprechen halblaut untereinander.) Winzenburg. | Da haben wir's. Heinrich. Ihr Herren ich werde Eure Sache bei dem Kaiſer vertreten. Vohburg gubelnd). Unſer König ſpricht! Winzenburg. Unſer König, der unſer Kaiſer ſein ſollte! Katlenburg. Das ſollte er ſein! Vohburg. Unſer Kaiſer ſolltet Ihr ſein! Winzenburg. Denn es muß einmal ausgeſprochen werden, gnädiger Herr: mit dem alten Mann geht's nicht länger! Vohburg. Geht's nicht länger! | Alle Shellente Geht's nicht länger!

240

Sweiter Akt.

Siebzehnter Auftritt. (Die Thür rechts wird von außen N Markgraf Werner (erſcheint in der ür).

Werner. Gebt Ruhe für den Kaiſer! (Geht rechts hinaus.)

Alle Edelleute (murmelnd).

Der Kaiſer kommt!

(Die Edelleute ziehen ſich in einer Gruppe nach links hinüber; König Heinrich ſteht an ihrer Spitze; Erzbiſchof Ruthart tritt hinter die Edelleute. Die drei Rathmannen ſtehen nach dem Hintergrunde zu.)

Achtzehnter Auftritt.

Kaiſer Heinrich (noch weißer und gebeugter als im erſten Akte, in weißem, an

den Rändern mit Gold geſticktem Mantel, kommt von rechts). Die Markgrafen

Burkhard und Werner, der Schultheiß (kommen hinter ihm). Die drei Rath⸗

mannen verneigen ſich, die Edelleute ſtehen regungslos, ohne ein Zeichen des Grußes.

Im Augenblick, da der Kaiſer eintritt, erſcheint draußen auf dem Platze der Stadt

ein Haufe von Männern, Frauen und Kindern und dieſe Alle brechen in ſtürmiſchen Zuruf aus: „Kaiſer Heinrich! Kaiſer Heinrich!“

Kaiſer Heinrich

‚gpleibt ſtehen, die Augen hinausgewandt auf die jubelnde VBoltsmenge, dann wendet er das Haupt zu dem Schultheiß).

Schultheiß die haſt Du mir beſtellt? Schultheiß. Beſtellt, gnädiger Herr? Zu was? Kaiſer Heinrich. Daß ſie mir zurufen ſollten, wenn ſie mich ſähen. Schultheiß. Ich habe ihnen kein Wort geſagt.

Dritter Rathmann (tritt einen Schritt vor). Daß ſie Euch zurufen, gnädiger Kaiſer, das geſchieht aus freien Stücken. Kaiſer Heinrich (athmet aus tiefer Bruſt auf, wendet die Augen wieder hinaus). Dann iſt es gut (Er winkt mit der Hand hinaus; von draußen erhebt ſich noch einmal, noch ſtärker der Zuruf: „Kaiſer Heinrich! Kaiſer Heinrich!“

Heinrich. 241 16

—. Kaifer Heinrich.

Kaiſer Heinrich ſteht hinausblickend, mit tief beglücktem Lächeln) Sieh, Heinrich,

welche Erbſchaft ich Dir bereite. (er wendet ſich langſam. Der

Schultheiß rückt ihm den Stuhl zu; Kaiſer Heinrich ſetzt ſich) Habt Ihr ihnen

geſagt, daß ich das Pfingſtfeſt mit ihnen begehen will? Zweiter Rathmann.

Wir haben's ihnen geſagt; die ganze Stadt iſt wie ein Bienenkorb; Alle möchten ſie Euch danken.

Kaiſer Heinrich.

Sagt ihnen, ſie ſollen glücklich ſein; ich brauche nicht anderen Dank. Glücklich ſollen die deutſchen Menſchen ſein! Sagt ihnen (ex unterbricht ſich fein Haupt ſinkt auf die Bruſt) nein das zu verſtehen, müßten ſie erfahren haben, was ich erfuhr . ſollte es ihnen wünſchen? (Er richtet das Haupt auf, zu den Edelleuten) Und auch Ihr ſeid gekommen, adlige Herren. Mein Sohn unter Euch, ein Freund unter Freunden. Eintracht in Deutſchland Frieden endlich.

Heinrich. Kaiſer und Herr, dieſe Edlen fühlen ſich beſchwert. Kaiſer Heinrich. Das thut mir herzlich leid wodurch? Heinrich. Einer der Ihrigen, der zum heutigen Tage nach Regens⸗ burg kam, wird von den Bürgern draußen gehalten. Kaiſer Heinrich. Sprichſt Du von Sigehart von Burghauſen? Heinrich.

Ihr hörtet von ſeiner Ankunft?

Kaiſ ſer Heinrich (mit einem Lächeln).

Sie hat Lärm genug gemacht. (Wendet ſich zum Schultheiß) Fünf⸗ hundert Reiter? |

Schultheiß (werneigt ſich). N

Und zweihundert Mann Fußvolk, die noch Per

kommen.

242

weiter Akt.

Kaiſer Heinrich. Heiß ihn ſein Kriegsvolk hinwegſchicken, ſo ſoll ihm auf— gethan werden, wie jedem Anderen. Winzenburg. Nur daß er ſich dazu ſchwerlich verſtehen wird. Kaiſer Heinrich (ſehr ruhig).

Und daß er dann ſchwerlich hereinkommen wird nach Regensburg. (Die Rathmannen und der Schultheiß ſtoßen ſich an, lächeln ſich gegenſeitig zu; die Edelleute ihrerſeits ſtecken die Köpfe zuſammen, werfen feindſelige Blicke auf die Bürger, murren leiſe.) Sind wir fertig damit?

Heinrich.

Kaiſer und Herr, der deutſche Adel fühlt ſich bedrückt durch

Konrad von Beichlingens Tod. Er ward ermordet. Kaiſer Heinrich. i

Ohne den deutſchen Adel weiß ich das. Was hat Sigehart

von Burghauſen damit zu thun? Heinrich. Weil er glaubt, daß die Mörder in 1 verſteckt gehalten werden. Schultheiß. Wer ſagt das?! Vohburg. Verſteckt gehalten werden um ſie der Strafe zu entziehen. Schultheiß. Unterſuchung ſchwebt! Vohburg. Ach Ihr mit Eurer Unterſuchung Schultheiß cu Kaiſer Heinrich).

Gnädiger Kaiſer hier grade wo Ihr ſeid, unter Euren Füßen, drei Klafter tief in der Erde ſitzen die Abacher Bauern in Eiſen und Loch heißt das, ſie verſtecken? Im Gefängniß, harrend des Gerichts, heißt das, ſie der Strafe entziehn?

243 10%

Kaifer Heinrich. +

Bohburg. Aber Euch ſteht das Gericht nicht zu!

Schultheiß. Jawohl!

Vohburg. Nein! Ä

Dritter Rathmann.

Ja doch! i Winzenburg. Nein!

Kaiſer Heinrich. Schultheiß, ſei ſtill! «gu den Edelleuten) Wem alſo ſteht das Gericht zu? Sigehart von Burghauſen vielleicht? s Vohburg. Immerhin er iſt der erſte Graf im Bayerland. Kaiſer Heinrich. Aber hier iſt der Kaiſer und vor dem Kaiſer iſt er ein Nichts! Winzenburg chalblaut). Ein Nichts? Katlenburg (aibtaut). Nun das muß man jagen Alle Edelleute (murrend). Das muß man ſagen Kaiſer Heinrich (ſteht am Stuhle auf. Das Gemurmel verſtummt.) Schultheiß, geh' hin, bring' mir die Abacher Bauern! Schultheiß.

Hierher? Kaiſer Heinrich. So wie ſie ſind. Nicht Regensburg ſoll richten, noch Sigehart von Burghauſen Richter in En bin ich, der Kaiſer.

244

Zweiter Akt.

a Schultheiß. Es ſoll geſchehen. (Geht eilend mit dem dritten Rathmann, lebhaft mit dieſem flüſternd, durch die Mitte ab. Eine tiefe Stille tritt ein.)

Kaiſer Heinrich (der eine Zeitlang in Gedanken geſtanden hat, richtet die Augen auf die Edelleute, ein mildes Lächeln geht über ſeine Züge, er wiegt das Haupt.)

Faltet die Brauen nicht zu finſter, es ſteht Euren jungen Geſichtern nicht. Aergert Euch nicht an mir alte Männer ſind wie alte Bücher: man muß ſie bis ans Ende leſen, wenn man ſie verſtehen will. Ich kenne die Funken, aus denen Flammen und die Flammen, aus denen Feuersbrünſte werden. Ich habe Deutſchland brennen ſehn an allen vier Enden darum will ich die Funken austreten. Ja, Ihr jungen Herren, ich will. (Sein Geſicht verfinftert ſich) Ich bin der Jäger, der hinter'm Wolf geht, mein Leben lang bin ich ihm gefolgt, dem Länder⸗ verwüſter, dem Menſchenvertilger, dem reißenden Unhold, dem Bürgerkrieg. Ich habe ihn gebunden mit eherner Kette, er ſitzt mir gefangen im eiſernen Stall. (Seine Augen richten ſich mit düſterer Flamme auf die Edelleute) Ich kenne die Wölfe, die alten, die jungen, ich weiß, was es bedeutet, wenn ſie murren und knurren, ſie möchten zum Käfig ſchleichen, darin ich ihn halte, ſie lauern durch die Stäbe, ſie rütteln an der Pforte. (er reckt den Arm) Aber befreien ſollt Ihr ihn nicht! Ueber der Thür hängt das Richtbeil, das iſt mein Wille, er heißt Frieden in Deutſchland und für die deutſchen Menſchen das Glück!

(Eine tödtliche Stille tritt ein; dann entſteht im Hintergrunde Geräuſch.)

Neunzehnter Auftritt.

Der Schultheiß, der dritte Rathmann (kommen aus dem Hintergrunde). Die

Abacher Bauern (ein Haufe von zerlumpten, ſchmutzigen, mit Ketten beladenen

Männern, kommen hinter ihnen, von Stadtknechten begleitet. Hinter den Bauern

kommen) die Abacher Frauen. (Die Bauern ſchreiten mit geſenkten Köpfen, lautlos, nach vorn; die Frauen hinter ihnen jammern und ſchluchzen).

Schultheiß

(bleibt an der Thür ſtehen und hält die Frauen, die hinter den Männern eindringen wollen, zurück).

Rathmannen 8 haltet die Weiber zurück! (Die drei Rathmannen drängen die Frauen zurück und bleiben vor ihnen ſtehen.)

245

—» Kaifer Beintih.

Die Rathmannen. Zurück mit Euch! Zurück!

(Die Bauern ſind in den Vordergrund gelangt, drängen ſich ſcheu und wild zu einem Haufen aneinander, laſſen die Augen nach rechts und links gehen.)

Schultheiß (zu den Bauern, indem er auf Kaiſer Heinrich zeigt, der ſich wieder geſetzt hat). Seht nicht rechts und links da blickt hin, Ihr Bauern, Ihr ſteht vor Eurem Herrn und Kaiſer.

(Die Bauern richten die Köpfe nach dem Kaiſer hin, dann werfen ſie ſich plötzlich alleſammt mit ganzem Leibe an den Boden, das Geſicht an die Erde gedrückt. Gelächter unter den Edelleuten.)

Winzenburg.

Wie Fröſche auf dem Sand! (Erneutes Gelächter unter den Edelleuten.) Kaiſer Heinrich.

Was iſt zu lachen, wenn man ſolch' elende Menſchen ſieht?! (Das Gelächter verſtummt. Zu den Bauern) Steht auf! (Die Bauern bleiben regungslos liegen) Ich bin König über Menſchen, nicht über kriechendes Gewürm. |

Schultheiß. Ihr ſollt aufſtehn, Ihr Bauern, hört Ihr nicht?

(Die Bauern erheben ſich, drängen ſich wieder wie vorhin zuſammen. Kaiſer Heinrich läßt die Augen kummervoll auf ihnen ruhen).

Kaiſer Heinrich.

Habt Ihr Konrad gekannt, den Grafen von Beichlingen Otto von Nordheims Sohn? (Die Bauern glotzen ihn an, geben keine Ant⸗ wort.) Konrad von Beichlingen hat man erſchlagen gefunden eine halbe Stunde von Eurem Ort man ſagt, Ihr hättet ihn erſchlagen habt Ihr's gethan?

(Die Bauern verharren lautlos wie vorhin.)

Vohburg. Da hört Ihr's, daß ſie nicht Nein ſagen a.

Winzenburg. Da ſeht Ihr's, daß ſie ſchuldig ſind!

246

—. Sweiter Akt.

Kaiſer Heinrich.

Was hör' ich? Was ſeh' ich? Menſchen, die denken und ſprechen verlernt haben, weil man Vieh aus ihnen gemacht hat! (Zu den Bauern) Habt Ihr's gethan?

Schultheiß (hinter den Bauern ſtehend). Nehmt die Gedanken zuſammen, Ihr Bauern, der Kaiſer fragt, ob Ihr Konrad von Beichlingen erſchlagen habt!

Die Bauern (alle zuſammen, mit einem heulenden Schrei).

Nein! Vohburg.

Das gilt nicht, daß der Schultheiß ſich dreinmengt! Schultheiß.

Was thu' ich? Wo hab' ich mich dreingemengt? Vohburg.

Du haſt ihnen geflüſtert, daß ſie Nein ſagen ſollen! Schultheiß.

Das hab' ich nicht gethan! Kaiſer Heinrich. Schweigt!! Hat man Hausſuchung gehalten in ihren Häuſern zu Abach? Dritter Rathmann. Man hat ihre Häuſer durchſucht. Kaiſer Heinrich. Hat man die Sachen bei ihnen gefunden von Konrad von Beichlingen? Seine Waffen? Sein Geld?

Dritter Rathmann. Man hat nichts bei ihnen gefunden. Vohburg. Was beweiſt das! Aus Wuth haben ſie ihn todtgeſchlagen! Erſte Frau (aus dem Hintergrunde aufſchreiend). Nein! |

247

Kaiſer Heinrich.

Schultheiß au den Rathmannen hinüberrufend). Heißt die Weiber ſtillſchweigen!

| Die drei Rathmannen agu den Frauen). Haltet Euch ſtill.

Kaiſer Heinrich (ven Schultheiß anblickend). Iſt Anlaß zur Feindſchaft geweſen zwiſchen ihnen und Konrad von Beichlingen? Schultheiß. Nicht daß ich wüßte, gnädiger Kaiſer. Vohburg. In die Donau mit ihnen! Die Waſſerprobe gemacht! (Die Frauen drängen verzweiſelnd aus dem Hintergrunde an.) Erſte Frau. Nicht ins Waſſer! Alle Edelleute. Die Waſſerprobe! i Erſte Frau. Unſchuldig ſind unſere Männer!

Vohburg. Das iſt Brauch und Recht, daß man mit Bauern die Waſſerprobe macht! Alle Edelleute. Wir wollen unſer Recht! Erſte Frau

(hat ſich gewaltſam durchgedrängt; ihr Haar hängt ihr herab, ſie fällt Kaiſer Heinrich zu Füßen, umklammert ſeine Kniee).

Kaiſer Heinrich (die Stadtknechte ſtürzen herzu, packen die Frau an, um ſie fortzureißen; ſie ſträubt und wehrt fich) Ihr ſollt mich nicht von ihm reißen; unſer Kaiſer gehört uns Allen! Kaiſer Heinrich laß ſie nicht ins Waſſer werfen, Kaiſer Heinrich! Wenn ſie ins Waſſer kommen, werden ſie ſagen, ſie hätten's gethan, und ſie haben's nicht gethan! Sie getrauen ſich nicht zu reden,

248

Te,

Sweiter Akt. -

aber nicht darum, weil ſie's gethan haben! Sondern nur, weil ſie ſich fürchten! So mußt Du das verſtehen, Kaiſer Heinrich! Unſer ganzes Leben iſt ja, daß wir uns fürchten; vom Morgen

bis zum Abend immer fürchten, fürchten und fürchten! Kaiſer Heinrich als es geheißen hat, daß Du Frieden ſtiften wollteſt im Reich und Gerechtigkeit wir haben gemeint, der jüngſte Tag iſt gekommen und die ewige Seligkeit bricht an! Denn wir ſind ja nur Bauern; aber wenn man unſere Männer uns fortnimmt und ſie todtſchindet und ſchlägt und nicht fragt, ob ſchuldig oder nicht, und nicht fragt, was aus den Kindern wird und ob ſie verhungern und verkommen und verfaulen das fühlt man darum doch. Und wenn das immer ſo weiter geht und nie Einer kommt, der nach uns fragt, und nie Einer kommt, der uns hilft (ihr Sprechen geht in heulendes Weinen über) Kaiſer Heinrich (fie drückt ihr Geſicht in ſein Gewand) Kaiſer Heinrich wir wollen ja keine Gnade, nur Gerechtigkeit! Gerechtig— keit! (Sie wendet, knieend, das Geſicht zu den Bauern) Und ſo thut den Mund doch auf! Sagt, daß Ihr's nicht gethan habt!

Ein alter Bauer erhebt beide Arme). So wahr Gott im Himmel iſt, wir haben's nicht gethan!

Alle Bauern.

Nein!

Erſte Frau (zu Kaiſer Heinrich).

Da hörſt Du's! Da hörſt Du's! Und da iſt ein Knecht, der mit Konrad von Beichlingen war, der dabei geweſen iſt, als ſie ihn erſchlagen haben und der iſt hier in der Stadt! Laß ihn kommen, Kaiſer Heinrich! Um der blutigen Wunden des Erlöſers willen, laß ihn kommen und ſprechen, Kaiſer Heinrich!

Kaiſer Heinrich coliat um).

Iſt der Knecht da?

249

ne

*-» Kaifer Heinrich.

Dritter Rathmann. Hier bei der Hand, gnädiger Kaiſer. | Kaiſer Heinrich. Er ſoll kommen. (Dritter Rathmann geht nach hinten ab.) Vohburg. Aber was ſoll denn der Knecht? Es war ja ſtichdunkle Nacht. | Winzenburg. Unmöglich, daß er Jemand erkannt hat. Vohburg. Viel beſſer iſt's, wir halten uns an die Waſſerprobe. Winzenburg. Die Waſſerprobe! Alle Edelleute ein ſteigender Ungeduld). Die Waſſerprobe!

Kaiſer Heinrich (fährt halb vom Stuhl auf). Der Knecht ſoll kommen!

Swanzigſter Auftritt. Der dritte Rathmann (kommt mit einem) Reitersknecht (durch den Hintergrund).

Dritter Rathmann. Hier iſt er ſchon. (er führt den Reiterstnecht nach vorn, ſtellt ihn vor den Kaiſer, zwiſchen dieſen und die Bauern.) Kaiſer Heinrich. Vom Geſinde warſt Du bei Konrad von Beichlingen, dem Grafen? . Reitersknecht. Heißt das, beim Grafen ſelber nicht, nur bei den Pferden. Kaiſer Heinrich. Aber Du biſt mit ihm geweſen, als er nach Regens⸗ burg zog?

250

—. Sweiter At.

Reitersknecht. Heißt das, hinterdrein, fünfzig Schritt immer. Kaiſer Heinrich. Sie haben Deinen Herrn niedergeworfen und erſchlagen haſt Du's geſehn?

Reitersknecht.

Zu ſehn war da nicht viel. Kaiſer Heinrich.

Weil's dunkel war? Reitersknecht.

Weil's dunkel war und zu überaus raſch ging. Kaiſer Heinrich.

Alſo, wie war's?

| Reitersknecht.

In einen Buſch ſind wir gekommen.

Kaiſer Heinrich. Und da haben Männer hinterm Buſch gelauert? Reitersknecht.

Heißt das abgelauert haben ſie uns nicht hinter uns drein ſind ſie gekommen.

Kaiſer Heinrich.

Auf der Straße? Zu Pferd?

Reitersknecht.

Und weil ich zu hinterſt mit den Handpferden ritt, hab' ich's zuerſt über den Kopf bekommen, wie ſie an mir vorbei— gekommen ſind da. (Zeigt auf ſeinen verbundenen Kopf.)

Kaiſer Heinrich. Und dann ſind ſie über den Grafen hergekommen? Reitersknecht. Ja, und das ging eins, zwei, drei. *

251

-—» Kaifer Heinrich. +

Kaiſer Heinrich. Haſt Du Deinem Herrn nicht geholfen? | Reitersknecht. Wie ich mich grad' ſo weit wieder zurecht hatte, waren ſie ſchon wieder auseinander und fort heißt das, was noch 128 konnte das Uebrige lag an der Erde.

Kaiſer Heinrich. Wer meinſt Du, daß es geweſen iſt, der Deinen Herrn

erschlug? Reitersknecht

(ſteckt den Finger in den Mund, ſchneidet ein dumm⸗ pfiffiges e Pie Pſt! Pft!

Kaiſer Heinrich. Was heißt das?

Reitersknecht rast ſich hinter'm Ohr). Wenn ich ſagen ſoll von Altdorf her ſind ſie hinter uns geweſen.

Kaiſer Heinrich.

Reitersknecht. Der Graf wird's ſchon gewußt haben ich weiß es nicht.

Kaiſer Heinrich. Ob es Bauern geweſen ſind?

Aber wer?

Reitersknecht cetve erſtaunt).

Bau ern?

Kaiſer Heinrich. Man ſagt, Bauern hätten ihn erſchlagen.

Reitersknecht. Waren ja aber zu Pferd?

Kaiſer Heinrich. Können Bauern nicht auch reiten?

252

—. weiter Akt.

Reitersknecht. Heißt das ſolche Pferde doch nicht? i Kaiſer Heinrich. Die Pferde waren zu gut für Bauernpferde?

Reitersknecht (lacht dumm = pfiffig). |

| Na aus einem Bauernſtall waren die nicht und dann die Hiebe = Kaiſer Heinrich.

Wieſo?

Reitersknecht (achend wie vorhin).

Bauern, wenn fie zuhauen, die machen doch jo: er erhebt beide Arme und deutet die Bewegung des Zuſchlagens mit einem Knüppel an.)

Kaiſer Heinrich. Und wie machten jene?

Reitersknecht. Die machten ſo (er deutet Schwertſtreiche mit einer Hand an) und ſo (er deutet Stöße mit einer Hand an.) Kaiſer Heinrich. Alſo waren es adlige Hände, die ihn erſchlugen? Reitersknecht (ſteckt wieder den Finger in den Mund). Na wenn ich ſagen ſoll Vohburg. Was weiß der elende Knecht? Winzenburg. Was ſchwatzt der Kerl?

(Unruhe unter den Edelleuten.)

Reitersknecht

(reißt den Finger aus dem Mund, macht unwillkürlich eine Verbeugung gegen die Edelleute).

Ich habe ja nichts geſagt. Kaiſer Heinrich (zeigt auf die Bauern). Sieh die da an (heitersknecht wendet ſich) Kennſt Du die?

253

—» Haiſer Heinrich. *—

Reitersknecht (glotz die Bauern an). Woher ſollt' ich denn die kennen? Kaiſer Heinrich. Man ſagt, ſie hätten Konrad von Beichlingen erſchlagen. e Na mit denen

Kaiſer Heinrich

Was mit denen? Reitersknecht

(der wieder in Lachen ausbrechen will, ſein Lachen aber, indem er die Edelleute anſieht, verſchluckt).

Wäre der Graf noch alle Tage fertig geworden.

Kaiſer Heinrich. Sieh Dir ihre Geſichter an deutlich und genau. (Der Reitersknecht muſtert die Geſichter der Bauern.) Erkennſt Du ſie? War Einer von ihnen dabei, als ſie Deinen Herrn erſchlugen?

5

Reitersknecht.

Von denen? (Er bricht unwillkürlich in Lachen aus, richtet wieder den Blick auf die Edelleute, erſchrickt, verſchluckt ſein Lachen.) Heißt das es war zu dunkel ging zu überaus raſch ich vielleicht iſt Einer dabei geweſen kann's nicht ſagen.

Vohburg. Da haben wir's! ; Winzenburg.

Da hören wir's!

Kaiſer steht auf).

Was habt, was hört, was wollt Ihr? Schuldlos ſind dieſe Leute

Alle Edelleute cn felgen Erregung). Alſo wirklich?

254

+ Sweiter Akt. *-

Kaiſer Heinrich. Ja wirklich! Ja wahrhaft und gewiß! u dem Reitersknecht) Auf die Seite, Du! Schultheiß, nimm den Bauern die Ketten ab!

Alle Edelleute (wüthend). Ha Kaiſer Heinrich.

Nimm ihnen die Ketten ab! Unſchuldige ſollen nicht Ketten

tragen. Dieſe Leute ſind frei! Erſte Frau (pringt auf). Unſere Männer ſind wieder frei! Alle Frauen.

Unſere Männer ſind frei!

(Die Stadtknechte löſen den Bauern die Ketten. Die Frauen ſtürzen aus dem Hinter-

grunde herein, auf die Bauern zu, werfen ſich ihnen an die Bruſt, umarmen und küſſen ſie.)

Die Frauen. Unſere Männer unſere Leute. Erſte Frau (fällt vor Kaiſer Heinrich nieder). Kaiſer Heinrich! Alle Frauen (umringen Kaiſer Heinrich, fallen auf die Kniee). Unſer Guter, unſer Gerechter! «Küffen ihm Hände und Gewand.)

Vohburg «au. Seht, wie er ſich ſtreicheln, ſchmeicheln und beſpeicheln läßt! Winzenburg. Bi; Wie er ſich lecken und abjchleden läßt von dem ſtinkenden Volk!

Katlenburg (tritt drohend einen Schritt vor).

Und damit ſoll's zu Ende ſein? Wie ein todter Hund | ſoll Otto von Nordheims Sohn am Wege liegen bleiben, dem Niemand nachfragt?

255

—. Katfer Heinrich.

Vohburg. . ſein Blut? Ungeſtraft ſeine Mörder? Kaiſer Heinrich =

(dem man anſieht, wie das Gewitter in ihm aufiteigt, der ſich aber mit äußerſter Anſtrengung beherrſcht).

Heißt das, ihm genugthun, wenn man Unſchuldige auf ſeinem Grabe ſchlachtet? Vohburg. Daran glauben wir nicht! Katlenburg. Von ihrer Unſchuld ſind wir nicht iber

Kaiſer Heinrich an ſteigender, athemraubender Erregung). Seid Ihr nicht überzeugt Katlenburg. Nein! i Alle Edelleute. Nein! nein! nein! Kaiſer Heinrich. So wißt auf Eure Ueberzeugung kommt es nicht an. Katlenburg. Sondern auf weſſen? Kaiſer Heinrich. Auf meine! | Bohburg. Ah hört! | Alle Edelleute. Hört! Kaiſer Heinrich. Nach Eurer Ueberzeugung frage ich nicht! Eurer Ueber⸗ zeugung lache ich! Winzenburg. Bis wir Dich's anders lehren!

256

>. weiter Akt. *—

Sailer Heinrich (in welchem die Erregung plötzlich alle Feſſeln ſprengt, fährt To furchtbar auf, daß

Im gleichen Augenblick gruppiren ſich alle auf der Bühne Anweſende un⸗ rlich fo, daß die Bauern, die Rathmannen mit dem Schultheiß, die Markgrafen

5 die sen. die noch knieend zu jeinen Füßen liegen, aufſpringen und zur Seite

* ſich nach rechts ziehen, als des Kaiſers Partei, und daß links, als Gegenpartei, die

S delleute und hinter ihnen Ruthart bleiben, während König Heinrich im Hinter:

grunde ſteht). i Denn was Ihr ſo nennt, iſt hündiſche Lüge!! Eines Narren Schelle klingelt in Eurem Mund, wenn Ihr von Ge—

kxechtigkeit ſprecht! Sucht Euch den Mörder, wo er zu finden it; geht hin zu der Sippe, die Konrad von Beichlingen erſchlug! Ich aber weiß, was Ihr wollt: Mord ſoll vergelten den Mord. Wucher wollt Ihr treiben mit ſeinem Blut, vor Euch hertragen

ſeinen Leichnam wie eine Fahne, ſeinen Namen wie eine

Drommete, die zur Empörung ruft! Aber wider Euren Willen

ſteht der meine; er iſt der ſtärkere, er iſt ein Leben alt und

Eurer nur einen Tag! Ich habe einen Zaun aufgerichtet um den Acker des deutſchen Bauern wer mir darüber ſetzt, bricht ſich den Hals! Ich weiß, was Unrecht erleiden heißt. Ich weiß, wie es ausſieht in dem armen Mann mein Leben

hat mich zum armen Mann gemacht! Darum ſtehe ich hier, ein

König der armen Leute, und wenn Ihr mir die Hände an ihre Kehle bringt, wahrt Euch Ihr Wölfe, ich bändige Euch die Tatzen! (Eine athemloſe Stille tritt ein.)

Katlenburg chalblaut).

Und wir ſtehn hier ohne Waffen.

Vohburg (ebenſo). Nach der Herberge

Winzenburg (au). Nach der Herberge, zu den Waffen.

Alle Edelleute (mit einer Bewegung auf den Hintergrund zu).

Waffen! Zu den Waffen! Heinrich. 257 17

—» Kaifer Heinrich.

Dritter Rathmann (ſtürzt mit einem Sprunge in den Hintergrund).

Sie wollen ihre Schwerter holen laßt ſie nicht durch! Geſchrei von draußen. Laßt ſie nicht durch!

ESinundzwanzigſter Auftritt.

Ein Haufe von Männern (eriheint von draußen in der Thür des Hintergrundes, dieſe verſperrend. Es tritt abermals ein drohendes geſpanntes Schweigen ein).

Ruthart

(iſt hinter den Edelleuten herum zu König Heinrich getreten, hat ſeine Hand ergriffen, ihn nach vorn geriſſen, flüſtert).

Sie werden erſchlagen werden?!

König H einrich (zwiſchen den Zähnen mit einem zuckenden Lächeln). Es ſieht ſo aus. Ruthart. Sagt Ihr nichts? Thut Ihr nichts? Helft Ihr 7 König Heinrich. Ich warte. Ruthart. Auf was? König Heinrich. Ob Jemand ein Mann iſt. Dritter Rathmann.

Sie rufen zu den Waffen ſie brechen den Frieden nehmt ſie gefangen! Geſchrei aus dem Hintergrunde. Nehmt ſie gefangen! |

Erſte Frau (vorm). Nein ſchlagt die Hunde todt!

258

Era Sweiter Akt. Alle Frauen, alle Bauern.

(Ein plötzliches allgemeines Geſchrei): a „Schlag ſie todt!“

* im Hintergrunde drängen nach vorn; die Bauern vorn machen Miene, 75 f ſich auf die Edelleute zu ſtürzen).

Kaiſer Heinrich. 5 Fleden!! Er tritt, während allgemeine Stille entſteht, langſam vor; ſich bopiſchürtelnd umſehend) Ich habe Euch das Leben neu geſchenkt,

. Geduld bewahren ſoll über Euch.

König Heinrich Kür ſich. 5 Der Schwamm träufelt ihm aus den Augen er läßt ii am Leben er iſt tobt.

Kaiſer Heinrich.

ö e, haltet Eintracht; haltet Eintracht. Iſt es dem Menſchen nicht gegeben, vom Anderen zu lernen? Muß ſie mit Jedem neu beginnen, die blutige Krankheit des Lebens, Erfahrung? Muß Jeder ſie erproben an ſich ſelbſt? Jeder ihn trinken bis auf die Neige, den böſen, den bitteren, den zähen Trank? Könnt Ihr ihm nicht glauben, dem alten Mann, daß 3 wietracht der Tod und Eintracht das Leben iſt? Ihr ſollt glücklich ſein ich will's! cpauie)

Pt f König Heinrich (für fi).

Sie grunzen nach Koth und er ſtreut ihnen Perlen zum Futter.

(Während des Stillſchweigens, das eingetreten, iſt der Schultheiß in den Hintergrund gegangen; die im Hintergrunde ſtehende Menge hat ſich getheilt; auf dem Platze draußen ſieht man eine Schaar von weißgekleideten Kindern, Knaben und Mädchen,

5 die grüne Laubtränze auf den Köpfen und grüne Zweige in den Händen tragen; der Schultheiß kehrt zu Kaiſer Heinrich zurück.)

er

259 17°

—. Kaifer Heinrich.

Schultheiß. Die Kinder ſind bereit; ſollen ſie den Zug beginnen zur Donauwieſe hinaus? | Kaiſer Heinrich (wendet ſich raſch). Bringt mir die Kinder! | (Der Schultheiß winkt nach dem Hintergrund.)

Sweiundzwanzigſter Auftritt.

Die Kinder (treten mit kleinen Schritten herein).

Kaiſer Heinrich.

Komm zu mir, glückſeliges Geſchlecht, dem keine N heit anhaftet; die Ihr noch glücklich ſein könnt, ohne daß Ihr das Unglück Anderer dazu braucht. (Die Kinder ſind herangekommen; er ſteht mitten unter ihnen, legt die Hände auf ihre Köpfe, biegt ihnen die Köpfe hintenüber, ſieht ihnen in die Geſichter) Könnt Ihr lachen? Ja? Könnt Ihr glücklich ſein? Fröhlich ſein? Ja? Könnt Ihr's verſtehn, wenn Jemand zu Euch ſagt: heute iſt Feiertag? Heut fängt die Welt an, eine beſſere, als die da war? Kennt Ihr den alten Mann, der zu Euch ſpricht? Wißt Ihr, wer ich bin?

Ein kleines Mädchen (ſieht mit großen Augen zu ihm auf). Du biſt unſer lieber Vater, der gute alte Kaiſer Erſte Frau. Das hat Gott geſprochen, was das Kind ſpricht! Sie ftürzt vor Kaiſer Heinrich nieder, ſeine Hände küſſend) Du Vater Deiner armen Leute, Gottes Heil Dir und Segen, Kaiſer Heinrich!

Alle Frauen. Kaiſer Heinrich!

(Tobendes Rufen von den Bauern Be Stadtleuten innerhalb und außerhalb der ühne).

„Kaiſer Sie Kaiſer Heinrich!“

(Stadtleute und e drängen ſich zu Kaiſer Heinrich, die Vorderſten knieen nieder ſeine Hände und ſein Gewand zu erfaſſen.)

260

weiter Akt.

Kaiſer Heinrich.

Friedenstag! Freudentag! Pfingſten im deutſchen Land! Ein Feſt will ich feiern mit Euch, zur Donauwieſe wollen wir ziehn. (Zeigt auf Heinrich) Hier ſteht der König, mein Sohn, ihm vertraue ich den Schutz und Frieden dieſes Tages. Laßt die Glocken läuten von den Thürmen, zur Donauwieſe brecht auf. (Er wendet ſich nach dem Hintergrunde; die auf der Bühne Anweſenden, mit Aus- nahme der Edelleute und König Heinrichs, ſchließen ſich ihm an; von den Thürmen

erhebt ſich das Geläute der Glocken. Der Zug verliert ſich langſam nach dem Hinter- grunde zu.)

König Heinrich (verfolgt die Abgehenden mit den Augen; ſobald der Zug die Bühne verlaſſen hat, tritt er nach vorn, winkt die Edelleute zu ſich heran).

Ein Geſchenk hab' ich zu vergeben Ihr habt gehört, daß der heutige Tag mir gehört. (Die Edelleute drängen ſich in athe m⸗ loſer Spannung um ihn her. König Heinrich ſieht ſich um, ſieht, daß der Zug ſoeben die Bühne verlaſſen hat, reckt ſich plötzlich auf, ſtreckt die Rechte aus) In dieſer Hand iſt eine Krone wer ſchwört mir Treue darauf?

Die Edelleute

(wild durcheinander, ſuchen jeder, ſeine Hand zu erfaſſen). Ich ſchwöre! Ich ſchwöre! Ich! Ich! Ich!

(Die Thür links öffnet ſich, in der Thür erſcheinen Reiſige der Edelleute.)

Heinrich (hält ihre Hände mit der Rechten gefaßt). Auf Leben, Leib und Blut, bis in die letzte Faſer Eurer Seele und Eures Geſchlechts?

Alle Edelleute. Unſerer Seele und unſeres Geſchlechts.

Heinrich (wendet das Haupt). Erzbiſchof ſegnet den Schwur.

Ruthart (tritt hinzu, legt ſegnend die Hand auf die vereinigten Hände). Ich ſegne das Wort, ich ſegne die That, ich ſegne Kaiſer Heinrich, den Fünften ſeines Namens!

261

—. Katifer Heinrich. + Heinrich.

Alle Edelleute.

Amen!

Amen! Amen! Heinrich. So ſchenke ich Euch den heutigen Tag, Regensburg und die Donauwieſe dazu! (Er wirft ihre Hände aus ſeiner Rechten.) Die Edelleute und ihr Gefolge (in wilden Jubel ausbrechend). Kaiſer Heinrich! Unſer Kaiſer! Unſer Herr!

Winzenburg. Nach der Herberge! | Katlenburg. Zu den Waffen! | | Sulzbach.

An das Werk! (Sie wollen in ſtürmiſchem Durcheinander nach dem Hintergrunde ab.) Heinrich 8

(mitten auf der Bühne ſtehend, wie von einem jähen Schreck angepackt).

Hört noch! (ules bleibt noch einmal ſtehen) Auf der Donauwieſe iſt Einer err unterbricht ſich, man ſieht ihn mit einem Entſchluß kämpfen, dann ſpricht er vor ſich hin) Nein beſſer ich begegne ſeinem Auge nie mehr err reckt ſich gewaltſam auf) nein nichts mehr zu ſagen geht an das Werk!

(Die Edelleute ſtürmen nach dem Hintergrunde ab.)

(Vorhang fällt.)

Ende des zweiten Aktes.

262

F

Dritter Akt,

(Eine Vorhalle in einem Frauenkloſter am linken Ufer des Rheins. Ein kahler Raum;

im Hintergrunde eine große Pforte, die jetzt geöffnet iſt. Es iſt Nacht. Gewitter⸗

ſturm. Blitze durchzucken das Dunkel; Donnerſchläge ertönen. Eine von der Mitte des Gewölbes hängende Ampel verbreitet ein mattes Licht.)

Erſter Auftritt.

Die Pförtnerin und eine Nonne (ſtehen an der Thür im Hintergrunde, hinaus⸗ blickend; von rechts kommen) andere Nonnen längſtlich hereingeſchlichen).

Erſte Nonne (an der Thür ſtehend, wendet ſich den Ankömmlingen zu).

Euch hat's auch nicht ſchlafen laſſen?

Zweite Nonne con rechts kommend). 5 Das Haus bebt bis in den letzten Winkel. Als käme das jüngſte Gericht.

Pförtnerin (die immerfort hinausgeblickt hat). Jetzt iſt's mit ihnen zu Ende der Sturm hat ihnen

die Fackel gelöſcht!

(Alles drängt an die Thür, blickt hinaus.)

Erſte Nonne. Man ſieht das Licht nicht mehr.

Pförtnerin. Wer hieß ſie auch ſich auf den Rhein hinauswagen bei ſolch einem Wetter.

263

. Kaijer Heinrich. -

Erſte Nonne. Mit einem ſo elenden Boot.

Zweite Nonne. Iſt ein Boot auf dem Rhein? Erſte Nonne. Da iſt es wieder das Licht! 5 Pförtnerin. Wo? Erſte Nonne. Da eine Strecke weiter hinunter als vorhin.

Pförtnerin. Das Waſſer treibt fie vor ſich her.

Erſte Nonne. Aber ſeht, wie ſie kämpfen! Man ſieht die Ruder ſchlagen bis hierher. Pförtnerin. | Es wird ihnen nicht gelingen. Gott erbarme ſich ihrer.

Alle Nonnen murmelnd). Gott erbarme ſich.

Sweiter Auftritt. Die Oberin (kommt von rechts).

Zweite Nonne. Die Oberin kommt!

(Alle Nonnen wenden ſich der Oberin entgegen.) Oberin. Hat Euch das Ungewitter vom Lager geſchreckt? Was ſteht Ihr da und ſucht in der Nacht?

264

ei Fa Fa rn =. 1

Dritter Akt.

Pförtnerin. Frau Oberin, es iſt ein Schiff auf dem Waſſer.

Oberin (tritt zur Thür). Nicht möglich —? Pförtnerin.

Jetzt eben könnt Ihr's wieder ſehn; die Fackel leuchtet

hell auf. Oberin. Sie ſind vom Ungewitter überraſcht worden.

Pförtnerin. Nein, ſie ſind von drüben abgeſtoßen, als das Wetter

ſchon im Toben war.

Oberin. Von drüben abgeſtoßen? Haſt Du's geſehn?

Pförtnerin. Seit einer Stunde ſehe ich ihnen zu. Grade drüben, unter Burg Hammerſtein ſind ſie ins Boot geſtiegen.

Oberin. Unter Burg Hammerſtein?

Pförtnerin. Und ich glaube, ſie ſind aus der Burg ſelbſt; ich habe das Licht herunterſteigen ſehen vom Berg zum Ufer hinab. Oberin. War das heut Abend, daß der Bauer von drüben kam, der uns ſagte, Kaiſer Heinrich ſei auf Burg Hammerſtein? Pförtnerin. Heut Abend, ja; drei Tage und Nächte, ſagte er, wäre der Kaiſer geritten, ohne Unterlaß, von der Donau hierher.

(Pauſe.) 265

—. Kaijer Heinrich. *—

Dberin.

Wer es auch ſei, der dort auf dem Waller ſchwimmt wir können ihnen nicht helfen. Geht in Eure Kammer, eine jede, betet für ſie.

(Die Nonnen gehen langſam nach rechts ab.) O berin Gur Pförtnerin). Du, ſchließ die Pforte. Wie weit iſt's in der Nacht? Pförtnerin (das Thor ſchließend). Kaum eine Stunde, ſo bricht der Tag an.

Oberin. Geh und ſieh zu, ob die Fremde wach iſt. Pförtnerin. Die geſtern aus Wälſchland gekommen iſt? Oberin. f

Wenn ſie vom Lager auf iſt, ruf' ſie mir her.

Pförtnerin wil rechts abgehen). Hier eben kommt ſie ſelbſt.

Dritter Auftritt.

Präxedis (in dunklem, mantelartigem Kleide kommt von rechts. Pförtnerin wirft einen Blick auf Präxedis, geht links ab. Die Oberin und Präredis ſtehen ſich gegenüber). | Oberin. Das Ungewitter hat Dich vom Schlaf geweckt? Präxedis. Ich brauche kein Ungewitter, um wach zu werden. Oberin. Schläfſt Du nicht? Was hält Dich wach? Präxedis. Erinnerung.

266

Dritter Akt.

Oberin. Haſt Du ein Glück verloren? Präxedis. Ich habe nie eins beſeſſen. Oberin. Haſt Du eine Schuld begangen? Präxedis. Ich fange an, es zu glauben. Oberin. Weiß man ſo etwas nicht gleich?

g Präxedis. * Das ſind die ſchlimmſten Sünden, deren man ſich all— mählich bewußt wird.

8A e r

Oberin. So iſt es Dein Gewiſſen, das Dich treibt und 6

Präxedis. Es treibt mich etwas es jagt mich es wird mein Gewiſſen ſein.

R

Oberin. Du kommſt weither? Aus Wälſchland? Bei wem warſt Du dort?

c 7

Präxedis. Bei der Gräfin Mathilde von Canoſſa. . Oberin. Das iſt eine heilige Frau.

Präxedis. Ja.

Oberin.

Warum gingſt Du von ihr? War es nicht gut bei ihr?

267

. Kaifer Heinrich.

Präxedis. Nein. Oberin. Nicht? Präxedis. Weil es eine Heilige iſt. | Oberin. Das verſtehe ich nicht. . Präxe dis. 8 Die unheiligen Menſchen ſind beſſer als die heiligen. Oberin. | Das klingt wie Läſterung. Präxedis. Nur wie Erfahrung. Oberin. Und das haſt Du erfahren? Präxedis.

An ihrem heiligen kalten Herzen hab' ich erfahren, wie

warm das Herz geweſen iſt, das ich verließ.

Oberin. Wen haſt Du verlaſſen? | Präxedis. Meinen Mann. = Oberin. Warum haſt Du ihn verlaſſen? Präxedis. Ich weiß es nicht mehr. Oberin.

Das weißt Du nicht? 268

D Dritter Akt.

Präxedis.

5 habe geglaubt, ich wüßte es und als ich zum

ein n kam, hab' ich erkannt, daß ich es nicht wußte. Oberin.

en s it ſchrecklich.

* Pr äxedis (bricht jählings in die Kniee).

25 sus Du das? D ja! Schrecklich! Ja! Ja! Ja!

. Oberin.

we ii Du?

| Praxedis. 5 Muß ich Dir das ſagen?

| Oberin.

a biſt Du unſer Gaſt; Du brauchſt es nicht zu 0 0 au * mir berichtet, Du wollteſt bei uns bleiben?

5 | Präxedis. da. We ich ja. 5 | | Oberin. m glauft Du, daß Du bei uns finden wirft? | Kr 2 Präxedis. ö | Oberin.

Du irrſt Dich. Hier iſt ein Haus der Buße Buße

Präxedis. due 5 ein Bad ich möchte mich rein baden von

Oberin. as es ſo reich an Sünden?

269

. Kaifer Heinrich.

Praxedis. Schlimmer als das es war thöricht. Ich habe gelebt, und bin niemals zum Menſchen geworden.

Oberin. Hier aber nimmt man Abſchied vom Menſchen. Präxedis. Darum will ich bleiben. Ich möchte mein Leben aus⸗ ziehen wie ein Kleid, das man von ſich thut.

Oberin.

Du magſt es ausziehen, aber man wird das Kleid vor Dich hinhängen und Du wirſt jeden Fleck darauf zeigen und erklären müſſen.

| Präxedis. Das werde ich. | Oberin.

Das Kleid wird vor Deinen Augen hängen bleiben; Du

wirſt darauf hinſehen müſſen Tag und Nacht.

Präxedis. Das werde ich nicht können. Oberin. Wenn Du bei uns bleiben willſt, wirſt Du es müſſen. Träredis. Dann werde ich nie zur Ruhe gelangen. Oberin. Du ſollſt auch nicht ruhen; wach ſollſt Du bleiben in ewiger Zerknirſchung. Präxedis. Warum ſprichſt Du mir ſo? Warum willſt Du mich vertreiben?

270

Dritter Akt. —·

Oberin. Nicht um Dich zu vertreiben, ſpreche 8 nur damit Du

weißt, was Du hier findeſt.

Präxedis (ſteht langſam auf). 19 75 O Ihr ſeid hart Ihr von der Kirche. Oberin. Damit der ſtrenge Gott Euch barmherzig ſei. (hause.) Nun, willſt Du nicht bei uns bleiben?

Präxedis (tief ſeufzend). Ich weiß nicht mehr, was ich will. (Sie reißt jählings das

Tuch hervor, drückt es an die Augen) O Du, den ich verließ, weil ſie

Dich verfolgten hätte ich jemals gedacht, daß ich Dich ſo

verſtehen würde? Oberin. Von wem ſprichſt Du?

Präxedis citekt das Tuch ein). Von meinem Mann, den ich verließ, weil Deine Prieſter ihn verflucht hatten und gebannt!

Oberin. Haſt Du nicht geſagt, Du wüßteſt nicht, warum Du ihn

verließeſt?

Präxedis.

Mein treuloſes Herz war's, das von ihm hinwegverlangte; es nahm den Bann zum Vorwand, der auf ihm lag. Jetzt, da ich in den kalten Händen Deiner Prieſter aufgewacht bin, weiß ich, daß ich ohne Urſache von ihm gegangen bin!

Oberin.

Wenn er im Bann war, ſo thateſt Du recht. Präxedis.

Wie eine Elende hab' ich gethan!

271

Kaifer Heinrich.

Oberin. Wer iſt Dein Mann? Präxedis. Dir werd ich's nicht ſagen. Oberin. Du bench es auch nicht, ich weiß genug. Ein Abtrünniger! Präxedis. Läſt're ihn nicht, den Du nicht kennſt! Oberin.

Von Gott verflucht!

Präxedis. 6 Vom Papſte verflucht, aber nicht von nn So wahr ich vor Dir ſtehe, nicht von Gott!

(Hinter der Scene entſteht Geräuſch von Stimmen und Schritten; dann wird von außen gegen die Thür im Hintergrunde gepocht.)

Vierter Auftritt. Die Pförtnerin (kommt von links). Die erſte Nonne (kommt von rechts).

Stimme von außerhalb. Thut auf! Thut auf! Thut auf! Oberin (tritt einen Schritt auf die Thür zu). Wer ſeid Ihr, die Ihr Einlaß begehrt? Stimme von außerhalb. Männer, denen Verfolgung auf der Ferſe ſitzt!

Fünfter Auftritt. Andere Nonnen (kommen von rechts und links, bleiben angſtvoll ſtehen). Oberin. | Seid Ihr es, die der Rhein im ſchwanken Boote herüber⸗ trug?

1

Dritter Akt. —.

Stimme von außerhalb. Der Rhein hat uns verſchont; ſeid nicht unbarmherziger

als die wüthende Fluth laſſet uns ein!

ee 2222 a5 2

Oberin. ö Sünde verlangt Ihr dies iſt frommer Frauen ge⸗ weihter Aufenthalt. 8 Stimme von außerhalb. Einlaß verlang' ich, daß unerhörte Sünde verhütet werde

in deutſchem Land!

Oberin. Welche? Stimme von außerhalb. Daß ein Vater nicht falle in die Hände des Sohns, nicht ſterbe durch den, dem er Leben gab! | Dberin. Wer iſt's, von dem Du ſprichſt?

Stimme von außerhalb. Thu' mir auf, ſo will ich's Dir ſagen. Oberin. Sage es jetzt.

Stimme von außerhalb.

Waſſer, Luft und Erde ſind verſchworen wider ihn! Wenn ich's Dir ſage, tragen ſie dem Verfolger ſeinen Namen zu, und er iſt ihm verloren! 5 (Pauſe.) Oberin (ur Pförtnerin). Oeffne.

(Pförtnerin tritt an die Thür, ſchließt auf.)

Heinrich. 273 18

FF £; ©. a 5

—. Kaifer Heinrich.

Sechſter Auftritt.

Markgraf Werner lerſcheint in der Thür. Sein Haar flattert; feine Kleidung iſt von Wind und Wellen zerwühlt).

Werner dritt über die Schwelle, wirft ſich auf die Kniee). Frieden dem Verfolgten! Segen der Stätte, die ihm Frieden gewährt! (Er küßt den Boden, ſteht auf, wendet ſich zu den Nonnen, die rechts und links zurückgewichen ſind) Aengſtet Euch nicht, Ihr Frauen, hinter mir kommt der, vor welchem kein Unterſchied iſt e Mann und zwiſchen Weib der Tod.

Oberin. Einen Todten bringt Ihr uns? Werner. Einen Sterbenden und das it Heinrich, der Deutſchen Kaiſer, Euer Herr.

(Die Oberin, alle Nonnen ſtehen in lautloſer Erſtarrung. Tiefe Pauſe.)

Siebenter Auftritt.

Kaiſer Heinrich (wird auf einem Tragſeſſel durch die Pforte im Hintergrunde hereingetragen. Er liegt mit geſchloſſenen Augen, einem Todten ähnlich; der Seſſel wird zur Erde geſetzt).

Präxedis

(die bis dahin hinter den Nonnen ſtarr aufgerichtet geſtanden hat, ſchreit auf).

Heinrich!

Kaiſer Heinrich (ohne die Augen zu öffnen). Horcht die Vergangenheit öffnet den Mund war das Konrads Stimme, die da ſprach? Werner. Konrad, Euer Sohn, iſt todt. Kaiſer Heinrich. Wann ſtarb er?

274

c in u

Dritter Akt.

i Werner.

Man weiß es nicht.

Kaiſer Heinrich.

Wo liegt er begraben?

| Werner.

Man weiß es nicht.

Präxedis.

Nicht Konrad Dein Sohn iſt's, der zu Dir ſpricht (ſie ſtürzt ihm zu Füßen, ergreift ſeine herabhängende Hand, küßt ſie) Heinrich, mein Herr und Gemahl!

(Flüſternde Bewegung unter den Nonnen.) Kaiſer Heinrich (legt die Hand auf Präredis Haupt).

Eines Weibes Haar ſpielt durch meine Hand es kommt mir ein Duft das iſt der Duft des Waldes, darin ich als Kind geſpielt (Er öffnet die Augen, ſtarrt Präxedis an) Seht es iſt die, die nicht weinen konnte.

Präxedis (unter ſtürzenden Thränen).

Sie hat es gelernt!

Kaiſer Heinrich.

Der lachende Spiegel, der mein Bild verſchlang, bis daß er es mir zurückſpie in das Geſicht.

Präxedis. OD nicht fol | Kaiſer Heinrich. Keinen Spiegel brauche ich mehr geh. Präxedis. Wenn Du wüßteſt, wie er in Trümmer und Scherben ging! Kaiſer Heinrich.

Kommſt Du, mir zu ſagen, daß wer den Morgen mit Lachen beginnt, den Abend in 0 begräbt? Es iſt eine alte Weisheit geh.

275 18*

. KHaiſer Heinrich. *—

Präxedis.

So viel haſt Du ertragen ſo ſtark war Dein Herz. Heiß es, ſtark ſein noch einen Augenblick, gütig noch einen Athemzug, bis daß es mir geſagt hat, daß es mir verzeiht.

Kaiſer Heinrich.

Verzeihung bei dem, dem verziehen ward mir wurde

nicht vergeben!

Präxedis. Zu Deinen Füßen in Reue nimm mich zurück an Dein Herz! Kaiſer Heinrich. ee Herz hat keine Stätte für Menſchen mehr. Präxedis. Nur für Dein Weib, Dein verzweifelndes Weib!

Kaiſer Heinrich c(teht auf).

Hat keinen Raum für Deine Thränen mehr. Zu viel Thränen floſſen in dieſes Herz! (er hebt beide Arme empor) Hört es Menſchen, Erde und Gottes Geſchöpf zu viel Thränen! Zu viel! So verfluch' ich das Herz in meiner Bruſt, das thörichte Herz, das mich zum Bettler gemacht! Das jeden Morgen zur Hoffnung mich weckte und Abends zum Lager mich ſchickte als einen Narren! Sei es verflucht, daß es nicht abließ vom Glauben, der mich betrog; daß es nicht müde ward des Willens, der mich gehetzt; daß es nicht ſatt wurde der Liebe, die mich vergiftete! Sei verflucht, wer da Gutes thun will den Menſchen und die Krone, die da leuchtet über dem undank⸗ baren Land ſei fie (er unterbricht ſich jählings) nein ſeht (Im Hintergrunde bricht der Tag an; Morgenröthe erfüllt den ganzen Hintergrund,

man ſieht den Rhein vorüberfließen.) Werner. Der Tag bricht an.

276

Dritter Akt. +

Kaiſer Heinrich Ginkt in den Stuhl zurüd). Deutſchland ſieht mich an ſagt ihm nicht, daß ich ihm

fluchen wollte, ſagt es ihm nicht. Einen Becher bringt mir vom Waſſer des Rheins, eine Handvoll Erde von ſeinem Ufer.

Werner.

Es ſoll geſchehn.

. (Einer von den Leuten, die den Kaiſer hereingetragen haben, geht nach dem Hinter-

grunde ab.) Kaiſer Heinrich. Wie die Fluren aufwachen im Licht ſie ſagen, ich hätte von Gott nicht gewußt ſeht hier die Bibel, in der ich ge—

lleſen habe.

Werner. Roth bricht die Sonne unter dem Gewölk hervor.

Kaiſer Heinrich. Roth, wie ein Auge, das zur Nacht geweint, ſo ſieht Deutſchland mich an. O, Du geduldiges Land Alles trugſt Du, was ich ertrug und mich ſelber dazu. (Zu Praxedis) Und auch

Du haſt das Weinen gelernt?

Pr axedis (as Geſicht an feine Schulter gedrückt). Bitterlich! Bitterlich!

Kaiſer Heinrich. Sehet hier, was Jugend in mir war, Hoffnung auf Glück und Freude am Leben. Fahre wohl, Jugend, die mir keine

Früchte gebracht fahre wohl, Hoffnung, der keine Wirklichkeit

gefolgt Leben, das mich auf Bergesgipfel führte, um mich im Abgrund zu zerſchmettern, ſo küſſ' ich mich los von Dir. (Er beugt das Haupt zu Präxedis, küßt fie auf das Haupt.)

277

. KHaiſer Heinrich.

Achter Auftritt.

Der Diener (kommt durch den Hintergrund zurück, in der einen Hand einen zinnernen Becher voll Waſſer, in der anderen einen zinnernen Teller, auf dem Erde liegt).

Werner (nimmt dem Diener Becher und Teller ab, wendet ſich an den Kaiſer).

Hier bringen wir Euch Waſſer vom Rhein und Erde von ſeinem Ufer. Kaiſer Heinrich Ciredt die Hände aus). Ich ſegne Dich, Waſſer, ich ſegne Dich, Erde, Dich beides zuſammen das deutſche Land. Von Dir ward ich genommen, zu Dir kehre ich wieder, meine Seele begrab' ich in Deiner

Bruſt. Nicht des Prieſters Hand, noch die geweihte Fluth

wird die Stirne weihn, die der Bannfluch drückt (er taucht den Finger in den Becher) Jo weih' ich mich ſelbſt mit Deinem Waſſer, Du Strom meines Landes, mein heiliger Rhein. (er zeichnet ſich mit dem benetzten Finger das Kreuz auf die Stirn, ſinkt im Stuhle zurück.) Werner (niet nieder). Kniet Alle unſer Kaiſer geht. (Alles ſinkt in die Kniee.) Kaiſer Heinrich.

Er bleibt Euch um nie mehr zu gehn. Heinrich war Deutſchland Deutſchland iſt Heinrich Ewigkeit bindet den Bund. Wenn der Frühling rauſcht über Thäler und Höh'n, dann ſpringt Kind Heinrich im grünenden Wald wenn Rheinlands Berge ſchwellen vom Wein das iſt Heinrichs Seele, die in Euch glüht. Weiß iſt mein Haar, müde mein Leib, jung iſt mein Herz, das noch lieben kann. (Er richtet ſich mit letzter Anſtrengung ſtehend auf; Markgraf Werner und ein Diener ſtützen ihn von beiden Seiten) Deutſchland bleibe jung! Weisheits-⸗ voller Thorheit voll Deutſchland bleibe jung er

ſinkt in den Stuhl zurück ſtirbt.) (Tiefe Pauſe.)

278

Dritter Akt.

Neunter Auftritt.

(Stimmen und Lärm außerhalb der Scene.)

Vohburgs Stimme aaußerhalb). ö Wir haben ihn! Sagt es dem König, daß wir ihn haben! 1 Winzenburg, Katlenburg, Sulzbach (kommen durch den Hinter- grund. e

Anweſenden find raſch aufgeſtanden; nur Präredis liegt knieend bei dem Todten).

Werner (zeigt auf Kaiſer Heinrich). Wenn es der iſt, den Ihr ſucht den habt Ihr.

(Vohburg, Winzenburg, Katlenburg, Sulzbach find auf der Schwelle ſtehen geblieben, haben beim Anblick des Kaiſers unwillkürlich die Helme vom Haupt geriſſen.)

Vohburg (halblaut zu den Anderen). Seht, wie er ſitzt. * | Winzenburg (evenfo). Regt und bewegt ſich nicht. ; Sulzbach (ebenfo). 2 Wie er ſtarrt mit den Augen. Er Katlenburg cesenfo). £ Gläſernen Blicks. Vohburg (tritt einen Schritt hinzu, prallt entſetzt zurück). Brüder Gottes er iſt todt! Winzenburg click hinaus).

Der König kommt.

Vohburg. Sorgt, daß er nicht hereinkommt! Daß er das nicht ſieht!

(Winzenburg, Sulzbach, Katlenburg ſtürzen hinaus; man hört Stimmengewirr.)

Sehnter Auftritt. König Heinrich lerſcheint, von Gewaffneten gefolgt, außerhalb der Thür). Vohburg g(chreiend, tritt in die Thür). Bleibt draußen, gnädiger Herr!

279

——» Kaifer Heinrich.

Sulzbach, Katlenburg, Winzenburg (verſuchen, König Heinrich zurückzuhalten). Geht nicht hinein, gnädiger Herr! Geht nicht hinein, gnädiger Herr!

Heinrich. Aus meinem Wege Ihr er tritt auf die Schwelle) Mein Vater!!

Werner drückt dem Todten die Augen zu). Nun könnt Ihr Kaiſer ſein.

Heinrich (fällt an der Stelle, wo er ſteht, in die Kniee; ein Krampf ſchüttelt ſeinen Körper, er drückt die geballten Fäuſte an den Mund, als wollte er hineinbeißen).

Mein Vater mein Vater mein Vater!

Vohburg.“ Gnädiger Herr, kommt zu Euch. Winzenburg. Steht auf. Sulzbach.

Kommt zu Euch.

(Sie treten hinzu, um ihn aufzurichten.) Heinrich.

Fort mit Euch! (Er ſteht langſam auf und bleibt ſtehen, das Geſicht von dem Todten abgewandt; ſagt dann zu Werner) Du warſt bei ihm Du ſprich.

Werner Wir ſind geritten von Regensburg drei Tage und Nächte bis an den Rhein. Wir ſind geritten ohne Unterlaß denn die Verfolger waren ſchnell. Heinrich umpf in ſich hinein. Weiter.

280

Dritter Akt.

Werner.

Er war ſchon krank, da wir in Regensburg zu Pferd ſtiegen; der Schreck, als er hörte man wollte ihn überfallen, hat's ihm angethan Regen und Sturm war unterwegs am dritten Tag hielt er ſich kaum mehr im Sattel.

(Pauſe.)

Heinrich.

Weiter.

Werner.

Geſtern zur Nacht ſind wir auf Burg Hammerſtein ge— kommen. Wir hatten geglaubt, er würde ruhen können die Nacht kaum daß wir abgeſeſſen, hörten wir, ſie kämen hinter uns her. Auf eine Bahre haben wir ihn heben müſſen und hinuntertragen zum Rhein. Auf einem Boot ſind wir übergefahren. Ein wüthendes Wetter iſt geweſen. Die Wellen ſind hereingeſchlagen in das Schiff; das Waſſer hat ihn durch— netzt; das Fieber war ſchon Herr über ihm das war das Letzte. Kurz ehe der Tag anbrach, ſind wir ans Ufer gelangt die frommen Frauen hier haben uns aufgethan, daß er

nicht auf freiem Felde liegen mußte und hier (er wendet ſich ab, die Stimme bricht ihm, er ringt mit den Thränen) nun (Pauſe.) Heinrich. Warum ſagſt Du nicht Alles? Sage Alles. Werner. Was ſoll ich noch ſagen? Heinrich.

Er hat geſprochen von dem, der ihn verfolgte was hat er geſprochen? Werner. Er hat nicht geſprochen.

281

—» Katijer Heinrich.

Heinrich. Er hat den Namen deſſen genannt, der ihn verfolgte. Mit Fluch hat er ihn genannt und Verwünſchung.

Werner. Er hat den Namen nicht genannt. Von Regensburg bis hierher kein Wort hat er geſprochen. i Heinrich. All' die Zeit hindurch? f Werner. * All' die Zeit hindurch. Wir haben verſucht, ihn zum Sprechen zu bringen er hat nicht geſprochen ich glaube, er konnte nicht weil ihm

Heinrich. Weil ihm? Werner cnacht eine abwehrende Bewegung). | Heinrich. Weil ihm? Werner. Weil ihm das Herz zu ſchwer war. Heinrich

(wendet ſich zu dem Todten, bricht wieder, wie vorhin, in die Kniee.)

Mein Vater! Mein Vater! Mein Vater! Vohburg, Winzenburg, Sulzbach, Katlenburg

(ſpringen hinzu, um ihn aufzurichten).

Gnädiger Herr! Gnädiger Herr!

Heinrich (ſpringt auf, ſtößt ſie hinweg).

Aus meinem Weg! Wölfe! Mörder! Dreimal Ver⸗ maledeite! (er ſtürzt auf den Todten zu, zu feinen Füßen nieder) Mit dieſem hab' ich's der ſo ſtumm daſitzt, als glaubte er's, daß ich mit Euch mich verbunden hätte wider ihn, mit den Knechten

282

Dritter Akt. +

wider den Herrn! Nein Du nein Du nein! Todter Kaiſer, ſag' es da drüben meinem Vater, daß ich mit dem Kaiſer in Dir mich verbunden habe wider den Menſchen, der zu menſchlich war für die unmenſchliche Welt! (er druckt ſein Geſicht an die Bruft des Todten) Ah dieſes Herz daß es härter ge— weſen wäre! Hart wie die eiſerne Welt! Daß es gemeiner geweſen wäre! Gemein wie die nichtswürdige Welt! (Sein Blick fällt auf Präredis) Wer wagt es, zwiſchen mich zu treten und zwiſchen ihn? (er beugt Präredis Haupt hintenüber) Wer biſt Du, die ſich an ihn drängt? (er ſpringt zurück) Es iſt das Weib!

Präxedis.

Sein Weib. Heinrich.

Geh hinweg von der Stätte, wo Du nicht hingehörſt! Präxedis.

Auf der Welt iſt ein einziger Platz für mich er iſt hier. Heinrich.

Hinweg von der Stätte, die Du ſchändeſt! Präxedis.

Sterbend hat er die Hand mir aufs Haupt gelegt, ſterbend mich geküßt. 8 Heinrich (wendet ſich zu den Gewaffneten hinter ihm). Reißt ſie hinweg und nehmt ſie in Verhaft! (Die Gewaffneten ſtürzen ſich auf Präxedis, reißen ſie empor.) Präxedis (ihreiend). Sagt es ihm, die Ihr zugegen wart! Heinrich. Spreche Niemand ihre Rechnung begleiche ich ſelbſt. (Präxedis wird in den Hintergrund geführt.) H einri ch (hochaufgerichtet). Seht hier den Mann, der ſeinen Vater erſchlug.

283

. KHaiſer Heinrich.

Ruthart

(der inzwiſchen im Hintergrunde gekommen iſt, tritt heran).

Nicht ſo, König Heinrich, ſprecht nicht ſo.

Heinrich.

Schweige Du, wenn Du zu feige biſt, in das Feuer zu ſehn, das Du angelegt haſt. Dies Euch, damit Ihr ſeht, in sog Preiſe der Menſch bei mir ſteht.

Vohburg.

Erzbiſchof Ruthart, fragt den König, warum er Hi, zu

uns ſpricht?

Sulzbach. Warum er ſo zu ſeinen Getreuen ſpricht? Winzenburg. Warum er ſo zu ſeinen Freunden ſpricht? Ruthart. Gnädiger Herr Heinrich.

Was nennſt Du mich gnädigen Herrn ich bin Dir nicht gnädig, noch Einem von Euch! Vohburg (Hatstaut). Das iſt nur zu wahr. Winzenburg (ebenfo). Das hören wir. Heinrich. Albert ſoll kommen, der Kanzler. Iſt Albert der Kanzler da?

Elfter Auftritt. Kanzler Albert (erſcheint im Hintergrund).

Ruthart. Hier eben kommt er.

284

Dritter Aft.

Heinrich. Ich befahl Dir, Boten zu ſenden an die Herzöge des Reiches iſt es geſchehen?

| Albert. Es iſt geſchehen. Heinrich. Was ſagt Welf von Bayern? Albert.

Er erkennt Euch als König an und iſt bereit, Euch zu huldigen. Heinrich.

Friedrich von Schwaben? Albert. Erkennt Euch als König an und iſt bereit, Euch zu

huldigen. Desgleichen Berthold von Kärnthen und Magnus von Sachſen.

Heinrich. Auch Magnus? | Albert. Aber er ſtellt Bedingung. Heinrich. Welche? Albert. Von Thüringen das bewußte Stück will er haben. Heinrich. Er mag ſich's holen ich habe nichts dawider. Winzenburg. Das iſt mein Land. Heinrich.

Mir gleichgültig. Kämpfe mit ihm. 285

—» Kaijer Heinrich.

Winzenburg. Das kann ich nicht. Magnus iſt zehnmal ſtärker als ich. Heinrich.

Um ſo ſchlimmer für Dich. Was ſagt N59 5 von Oeſterreich? Albert. Er erkennt Euch als König an und iſt bereit, Euch zu huldigen, wenn er von der Grafſchaft Vohburg das beſprochene Stück erhält.

Heinrich.

Er mag ſich's holen, ich habe nichts dagegen. Vohburg.

Ihr habt nichts dagegen?

i Heinrich.

Kämpfe mit ihm. Vohburg.

Ihr wißt, daß ich das nicht kann! Heinrich.

Um ſo ſchlimmer für Dich. (Die Edelleute umdrängen Erzbiſchof Ruthart.) Vohburg. Erzbiſchof Ruthart! Winzenburg.“ Wo ſoll das hinaus? ö Sulzbach. Sprecht mit ihm, Erzbiſchof Ruthart! Katlenburg. Redet ihm zur Vernunft! Ruthart gu Heinrich). f König Heinrich Eure Diener Eure treueſten Diener?

286

f

Dritter Akt.

Heinrich. Hunde, die mir den Edelhirſch gehetzt Diener knieen

vor ihrem Herrn warum knieen ſie nicht?

Ruthart (zu den Edelleuten). Er iſt in der Wuth beſänftigt ihn gebt ihm nach.

Sulzbach. Wenn er uns die Herzöge auf den Hals jagt, ſind wir verloren.

Katlenburg. Und der iſt im Stande und macht es wahr. Heinrich. Wer einen Fetzen behalten will von ſeinem Lehn, herunter in die Kniee!

Ruthart (wie vorhin). Gebt ihm nach denkt was geſchehen iſt gebt ihm nach. Vohburg. Wir haben uns ſelber den Teufel aus der Hölle ver— ſchrieben. Winzenburg.

Jetzt können wir's ausbaden. (Die Edelleute ſenken ſich auf ein Knie nieder.)

Heinrich (vüfter über fie hinblickend).

Es hat eine Zeit gegeben, wo jeder Hund, der auf der Straße lief, den Thron des deutſchen Kaiſers für den Prell— ſtein gehalten hat, den er beſudeln durfte heißt ſie ſich in Acht nehmen, die Hunde, es iſt eine Peitſche in die Welt ge— kommen! Abrechnung ſoll gehalten werden mit den Rechnern, Prüfung mit den Lehrmeiſtern, mündig geworden ſind die Schüler, und werden wachſen er ſtreckt plötzlich die Hand unter die Knieenden) Wer von Euch will wachſen mit mir?

287

—% Haiſer Heinrich.

Sulzbach. Ich will es. Katlenburg. Und ich. Winzenburg. Ich auch. f Vohburg. Ich auch. Heinrich

(winkt ihnen, ſich zu erheben, ſie ſtehen auf; er winkt die Gewaffneten heran). Hebt auf den Todten; tragt ihn hinunter in mein Schiff; (die Gewaffneten treten heran, heben den Seſſel, auf dem Kaiſer Heinrich liegt, auf) nach Speier ſollt Ihr ihn führen alle Glocken ſoll man läuten, wo er vorüberkommt (fie tragen den Todten hinaus) beſtatten will ich ihn als einen Kaiſer zu Speier im Dom.

Ruthart. Gnädiger Herr verzeiht

Heinrich. Was?

Ruthart. Er kann im Dome nicht beſtattet werden, er iſt im Bann.

Heinrich. So muß er gelöſt werden davon.

Ruthart. Das kann nur der Papſt.

Heinrich

(blickt Ruthart einen Augenblick mit ſtarren Augen an, wirft dann den Kopf herum). Kanzler Albert laß Botſchaft ergehn im Reich: nach Rom will ich ziehn losbitten meinen Vater vom Bann. Ruthart. Recht ſo.

288

. rf, FFF NER e Dre ae

—. Dritter Akt.

Heinrich.

Und zehntauſend Mann ſollen meine Bitte unterſtützen. Ruthart.

Zehn tauſend? Heinrich.

Es dünkt Dir zu wenig? Du haſt Recht. Dreißigtauſend ſollen es ſein! (Pauſe.) | Ruthart. Werdet Ihr mir erlauben, daß ich Euch begleite? Heinrich. Alle Biſchöfe des Reiches ſollen mich begleiten aber für Dich habe ich einen Auftrag zuvor. Ruthart. Nennt ihn. Heinrich. Nach Sankt Blaſien ſollſt Du gehn; Bernold den Mönch

ſollſt Du mir greifen in ſeinem Kloſter; an des Kloſters Pforte

einen Scheiterhaufen ſollſt Du bau'n; darauf ſollſt Du ihn ſtellen, um den Hals ihm gebunden das Drei-Stände-Spiel, das er ſchrieb und wenn ich nach Deutſchland zurückkehre, zeigſt Du mir ſeine Aſche wirſt Du? | Ruthart (öleich, entſetzt). Ich werde. Heinrich (Hedt den Arm). Thu's genau ich werde genau zuſehn.

(Vorhang fällt.)

Ende des dritten Aktes.

Heinrich. 0 28 10

Mierter Akt.

(Das Innere der Peterskirche in Rom. Nicht die Peterskirche in ihrer heutigen Ge⸗

ſtalt, ſondern eine drei⸗ſchiffige Baſilika. Säulengänge ſchließen die ſchmaleren

Seitenſchiffe von dem breiteren Mittelſchiff ab. Vorn, auf der Mittelbühne, ein

mäßig hoher Altar, hinter welchem, etwas nach rechts und links gerückt, zwei thron⸗

artige Seſſel auf flachen Stufen erhöht ſtehen. Beide Seſſel ſind beim Aufgang des Vorhangs leer. Es iſt Nachmittag.)

Erſter Auftritt.

Frangipani (ſteht rechts vorn). Kleriker (füllen den hinteren Raum der Kirche).

Sweiter Auftritt.

Papft Beisein (ein Da Greis), die Biſchöfe Johann von Tuskulum

und Leo von Oſtia, Graf Pier Leone (kommen aus einer Seitenkapelle von

links. Beim Eintritt des Papſtes ſinkt Alles, was auf der Bühne ſteht, in die Kniee.

Paſchalis macht das Zeichen des Segens; Alles erhebt ſich wieder. Graf Pier Leone geht zu Frangipani hinüber, begrüßt ſich mit ihm).

Johann (halblaut zu Paſchalis, zu dem er während des Eintretens ſlüſternd e hat). Und als ſie bis Velletri gekommen waren, auf der Appiſchen Straße, ſind Reiter hinter 1 drein gekommen, von Rom her Frangipani (zu Pier Leone). Von wem ſpricht der? Pier Leone (zu Frangipani). Von Franko und Zoffo, die ſie nach Capua und Salerno eſchickt haben. Frangipani. Zu den Normannen?

290 2

Vierter Akt. —.

Pier Leone. Die ſie zu Hülfe rufen ſollten.

Paſchalis. Und dieſe Reiter? Johann. \ Waren vom Heer des Königs. Und als fie unſerer Leute anſichtig geworden, haben ſie ihnen geboten, ſtehn zu bleiben. Darauf haben ſie das Ziel ihrer Reiſe von ihnen erkundet, und nachdem ſie's erfahren, haben ſie die Leute getödtet.

Paſchalis. Haben ſie getödtet? Johann. An den Bäumen im Felde aufgehängt ihre Leiber hängen noch. Paſchalis. Haben ſie gewußt, daß ich die Männer geſchickt hatte? Johann. Ja. Paſchalis. Hatte der König befohlen, ſie zu tödten? | Johann. Ja. Paſchalis. Ja ja iſt das Alles gewiß? Johann.

Hängt ſie im Namen des Königs, hat der Führer geſagt. (Pauſe. Paſchalis geht an den Thronſeſſel links hinter dem Altar, ſetzt ſich darauf.)

Leo. Geht ins Kaſtell, heiliger Herr.

291 19*

. Kaifer Heinrich. *—

Paſchalis.

Er hat mir geſchrieben, er käme zum Frieden.

Johann cnit halbem Lachen). Das hat er geſchrieben jawohl. Paſchalis. Ruthart von Mainz hat von ihm geſchrieben, er wäre voll Ehrfurcht wider die Kirche und fromm.

: Leo. Geht in das Kaſtell hinüber. Paſchalis. Wir wollen doch Frieden machen. Leo. Thut es vom n Kaſtell aus.

Johann. Ich glaube, es iſt gut, was Biſchof Leo räth.

Paſchalis.

Hat er nicht draußen in ſeinem Lager einen Eid geſchworen, daß ich ſicher ſein ſollte an Leben, Freiheit und Leib?

Johann. Aber mein Gott | Paſchalis. Was? Johann. Habt Ihr vergeſſen, wie der Eide hält? Paſchalis.

Du meinſt den Eid, den er feinem Vater geſchworen.

Johann. Allerdings.

292

Vierter Akt. —.

Paſchalis. Daran rühre Du nicht; von dem Eid hatte ich ihn ent- bunden. Johann.

Trotzdem wer ſo mit dem leiblichen Vater umgeht

Paſchalis (ſenkt das Haupt). Ich habe ihn entbunden meine Seele iſt in Stricken und Banden ſeit dem Tag.

Leo. Geht in das Kaſtell, heiliger Herr. Johann. a

Da iſt Frangipani, der kennt ihn; er kann Euch ſagen,

wie er iſt. 5 (Frangipani tritt heran.) Paſchalis.

Alſo?

Frangipani.

Was ſoll ich? Von ihm ſagen? Das iſt mit einem Worte gethan: nehmt Euch in Acht vor ihm! cpaſchalis blickt ihn dumpf an.) An dem hat die Natur ſich verſehn; das iſt kein Menſch.

Paſchalis.

Was dann?

Frangipani.

Ein ein ich weiß nicht. Seit ich ihn geſehn, weiß ich, daß es giftige Menſchen giebt, wie giftige Thiere! Ein Thier, ein wildes, böſes, ſchreckliches Thier! Nehmt Euch in Acht vor ihm!

Paſchalis (ſeht auf).

Ich will hinübergehn in das Kaſtell.

Johann. Recht ſo.

298

—» Kaifer Heinrich. *—

Leo. Recht ſo.

Pier Leone (der inzwiſchen in den Hintergrund gegangen iſt). Heiliger Herr, es iſt zu ſpät. Johann. Warum zu ſpät? Pier Leone (kommt nach vorn).

Der König iſt über die Brücke; der Weg zum Kaftell iſt nicht mehr frei.

(Außerhalb der Scene erhebt ſich lautes Rufen, das näher und näher ſchwillt.)

Paſchalis erhebt beide Hände). i Wenn es ein Unrecht war, daß ich den Sohn losband

vom Vater, Du im Himmel, Allmächtiger, nicht in dieſer Stunde rechne es mir an! Sinkt in den Seſſel zurück.)

(Die Thür im Hintergrunde wird von außen krachend aufgeſtoßen, von draußen er⸗ ſchallt toſender Geſang):

„Petrus hat Heinrich zum König erwählt! Petrus hat ihn erwählt.“ N 5 (Poſaunenſtöße.)

Dritter Auftritt. König Heinrich (eriheint in der Thür, in goldſtrahlender Rüſtung, unbedeckten Hauptes). Des Königs Waffenträger (geht hinter Heinrich, ſeinen Helm tragend). Vohburg, Winzenburg, Katlenburg, Sulzbach, Kanzler Albert, Erzbiſchof Ruthart, andere deutſche Biſchöfe, andere deutſche Edle (kommen hinter ihm). Deutſche Reiſige (füllen den Hintergrund der Kirche).

Heinrich (kommt nach vorn, kniet am Altar nieder, die Hände darauf gelegt). Der Kirche der Kirchen, dem Fürſten der Apoſtel beugt Heinrich das Knie, der Deutſchen König.

Die Kleriker. Hallelujah! Der fromme König! Hallelujah!

Heinrich (knieend). N Paſchalis, Du geweihter Papſt, ſegne Deinen Sohn.

294

Vierter Akt.

Paſchalis (erhebt ſich, geht auf Heinrich zu, legt die Hände auf ſein Haupt). Ich ſegne Dich mit meinen Händen, ich ſalbe Dich mit meinen Thränen, ich nehme Dich auf in mein Herz. Die Kleriker. Hallelujah! Der heilige Papſt! Hallelujah!

Heinrich eerbebt ſich. Dieſes Alles zum Zeichen, daß ich zum Frieden komme. (Er blickt langſam umher) Denn ich weiß, daß Etliche unter Euch ſind, die dem Frieden widerſtreben. Uebelberathene hat man ertappt, die zu den Normannen zu ſchleichen gedachten, zum Feind.

Johann (beugt ſich zu Paſchalis).

Hört Ihr's?

Heinrich cen kalten Blick auf Johann gerichtet).

Und dieſe Unſeligen trieben die Frechheit ſoweit, zu ſagen, der heilige Papſt hätte ſie geſchickt. Darum, weil ſie logen, habe ich ſie aufhängen laſſen, den Vögeln zum Fraß. Denn der heilige Papſt will den Frieden, ſo wie ich ihn will.

Ruthart (laut rufend).

Amen!

Alle Verſammelten. Amen! Amen!

Pier Leone deiſe zu Frangipani). Verſtehſt Du das? Frangipani. Wir ſind verloren. Heinrich (ſetzt ſich auf den anderen Thronſeſſel). Denn mein Vater und Gregor woher kam der unſelige Streit zwiſchen ihnen? Weil ſie ihre Leidenſchaft befragten.

295

. Kaifer Heinrich.

Leidenſchaft gehört nicht in den Haushalt der Könige. Ge⸗ ſchrieben ſteht: gebt Gott, was Gottes, und dem Könige, was des Königs iſt. (er ſteht auf, ſtreckt die Hand nach dem Altar aus) Hier ſchwöre ich auf das Grab des Apoſtels: ich will Gott geben, was Gottes iſt. | Ruthart. Hört Salomo aus ſeinem Munde!

a Albert. Salomo und David!

Vohburg. Krönt ihn zum Kaiſer!

Die . Edlen. Krönt ihn zum Kaiſer!

5 Die Kleriker. Heinrich ſei Kaiſer! Kaiſer!

Heinrich. Seid ruhig er wird mich zum Kaiſer krönen; Paſchalis hat es mir verſprochen. Setzt ſich.)

Leo (zu Johann). i Er hat ihm verſprochen? Was hat er ihm verſprochen?

| Johann. Ich weiß von nichts. Heinrich.

Briefe ſind gewechſelt worden zwiſchen uns. Damit Ihr erfahret, wie wir den Frieden begehren, wir Beide Kanzler Albert, verlies meinen Brief.

Albert

(der zwei F in Händen trägt, tritt zwiſchen den König und den rap, entfaltet die eine Rolle).

296

Vierter Akt.

Paſchalis guckt im Seſſel auf). König Heinrich ter Augen richten ſich auf Paſchalis.) Sollen unſere Briefe hier öffentlich verleſen werden? Heinrich. 5 Im Allerheiligſten der Chriſtenheit giebt's einen beſſeren Ort dafür? Leo (u Johann). Fürchtet er ſich vor ſeinem Brief?

Johann. Beinah klingt es ſo. Heinrich.

Kanzler, verlies.

Albert dieſt aus dem Pergament). „Heinrich, aus dem Geſchlecht der Salier, ſeines Namens der Fünfte, der Deutſchen König, Paſchalis dem geweihten Papſte Gruß zuvor und Ehrfurcht und Liebe eines Sohnes.“

(Gemurmel durch die ganze Verſammlung): „Trefflich, trefflich, gut.“

Albert dien).

„Weil ich erkannt habe, daß mein Vater der Kirche vor— enthielt, was der Kirche gehört, da er Ring und Stab für ſich haben wollte, um die Biſchöfe zu ſetzen an ihren Platz, und weil Du mir geſagt haſt, daß auch Du dem Könige geben willſt, was des Königs iſt, ſo ſpreche ich und verkünde: Ring und Stab den Biſchöfen zu verleihen, gehöre dem Papſt.“

Ruthart. Hört das!

Alle Kleriker (in freudigem, ſtaunendem Flüſtern). Iſt das möglich? Iſt das möglich?

297

e

—. KHaiſer Heinrich.

Ruthart. Das iſt das Ende von Hader und Streit! Das iſt der Friede! Leo (zu Johann). Was ſagſt Du? Johann. Mir ſchwindelt der Kopf. 5 Ruthart. Hoſiannah ihm, der uns den Frieden bringt! 5 Allgemeines Geſchrei. „Hoſiannah ihm! Hoſiannah!“ (Kleriker und Edle kommen in ſtürmiſchem Drang zu Heinrich heran, werfen ſich knieend, huldigend vor ihm nieder.) | Heinrich wwedt beſchwichtigend die Hand). Nicht mir allein die Ehre größere Ehre gebührt ihm, dem friedfertigen Papſt, dem gerechten. Kanzler, verlies ſeinen Brief.

(Die Knieenden erheben ſich, treten zurück. Kanzler Albert entrollt das andere Pergament.)

Albert (fängt an, aus dem Pergament zu leſen).

„Paſchalis, das geweihte Haupt —“

Paſchalis (test jählings im Stuhle auf).

König Heinrich laß meinen Brief nicht hier verleſen. (Aller Augen richten ſich auf Paſchalis. Es entſteht eine Pauſe.) Laß uns mit den Biſchöfen darüber berathen.

Heinrich (mit erheucheltem Staunen).

Be rathen? Heiliger Vater, was iſt jetzt noch zu be⸗ rathen?

Ruthart (wendet ſich zu den deutſchen Biſchöfen, ſagt laut).

Es ſcheint, daß er etwas verſprochen hat. (Zuſtimmendes Ge⸗ murmel unter den deutſchen Biſchöfen.) Wir müſſen den Brief hören.

298

Vierter Akt.

Die deutſchen Biſchöfe. Leſen den Brief, leſen!

(Allgemeines lautes Gemurmel durch die ganze Kirche): „Leſen! Leſen! Leſen!“ Paſchalis dintt auf ven Stuhh.

Heinrich. Kanzler, verlies. Albert (deft aus dem Pergament). „Paſchalis, das geweihte Haupt der Chriſtenheit, Gruß zuvor und Segen an Heinrich, den erwählten König der Deutſchen.“

Allgemeines Gemurmel.

„Trefflich! Trefflich! Gut!“

Albert cier).

„Weil ich erkannt habe Deines Herzens Frömmigkeit und heiliges Begehr, Gott zu geben, was Gottes iſt, ſo wiſſe, daß auch ich beſchloſſen habe, dem König zu geben, was des Königs iſt und alſo, weil ich erkannt habe, daß es ſchlecht anſteht Biſchöfen der Kirche, Nahrung zu nehmen, Würden, Land und n aus der Hand weltlicher Könige —“

Ruthart (der inzwiſchen dicht hinter den Kanzler getreten iſt, unterbricht). Wie war das?

Albert (ſenkt das Blatt, ſieht ſich erſtaunt um).

Ruthart. Ich hab' es nicht deutlich gehört.

Albert. Las ich ſo undeutlich?

Ruthart.

Lies es noch einmal.

299

. Kaifer Heinrich. +

Alb ert (nimmt das Blatt 5 auf, Left),

„Daß es ſchlecht anſteht, Biſchöfen der Kirche, Nahrung zu nehmen, Würden, Land und Lehen aus der Hand weltlicher Könige —“

Ruthart.

Das ſoll uns ſchlecht anſtehn?

Albert dieſh.

„So will ich zurückkehren zu dem Worte des Großen

Gregor, als er zu den Prieſtern der Kirche ſprach: „ſeid arm.“

Ruthart.

Das iſt nicht wahr! | (Bewegung unter den deutſchen Biſchöfen.)

Johann. Wollt Ihr leugnen, daß Gregor jo geſprochen hat? Ruthart. Er hat es zurückgenommen. Johann. | Ihr ſolltet nicht unterbrechen, Erzbiſchof von Mainz. Ruthart.

Ihr ſolltet nicht zurechtweiſen, Kardinalbiſchof von zei fulum !

Heinrich (erhebt die Hand).

Laßt den Brief zu Ende leſen.

Albert (tet).

„Und alſo verkünde ich und gebiete: in Deine Hand, König Heinrich, ſollen die Biſchöfe zurückgeben Alles, was ſie an Land und Lehen erhielten von der Hand dente Könige, ſeit den Tagen des Großen Karl.“

Ruthart.

Das iſt unerhört!

300

Vierter Akt.

Johann. Erzbiſchof Ruthart Ruthart. Unerhört iſt das! | Johann. Ihr ſolltet Euch mäßigen. Ruthart. Auf unſere Koſten ſchließt er den Frieden! Johann. Man wird ſagen, daß Ihr habgierig ſeid. Ruthart.

Man wird ſagen, daß Ihr hinter Euren Fleiſchtöpfen predigt, derweilen die deutſchen Biſchöfe verhungern! (Er entreißt dem Kanzler den Brief.)

a Johann.

Was beginnt Ihr?

(Eine dumpfe Aufregung geht durch die Kirche.) Heinrich (ſteht langſam auf). Gieb das Papier zurück! (muthart giebt das Blatt in Heinrichs Hand. Zu Ruthart) Vom Inhalt dieſes Briefes habt Ihr nichts gewußt? Ruthart. Nein! Die deutſchen Biſchöfe. Nein! Heinrich.

Nimmt mich Wunder iſt aber gleichgültig. Paſchalis,

Du haſt ihn geſchrieben Du wirſt ihn halten. Iſt es ſo? Johann. Paſchalis —? Zu wem ſprecht Ihr in ſolchem Ton?

301

Kaiſer Heinrich.

Heinrich. | Siehſt Du nicht, daß ich zum Papſte ſpreche? Was mengſt Du Dich ein, wenn die Könige ſich unterreden Du Knecht?

Johann. Wer iſt Euer Knecht? | Heinrich. Du, deſſen Kaiſer ich in einer Stunde ſein werde. 8 Johann. Ah (Wendet ſich nach dem Hintergrunde.)

Heinrich (winkt den deutſchen Edlen). Daß er nicht davonkommt!

(Vohburg und Winzenburg ſpringen hinzu, ſtellen ſich zu beiden Seiten Johanns.)

d Johann.

Was wird das? Voh burg.

Der König verbietet Euch, hinauszugehn!

Johann. Das iſt Gewalt!

Heinrich (mit der Hand drohend). Nimm Dich in Acht; es giebt Worte, die ein Echo wecken. Paſchalis, Du hörſt: Deine Biſchöfe wiſſen nichts von Deinem Brief. Wirſt Du mir Dein Wort halten ohne Deine Biſchöfe?

Paſchalis.

Laß mich berathen mit ihnen. Heinrich.

Sie ſind hier. Berathe. Wer verwehrt's? Paſchalis.

Laß mich abſeits mit ihnen gehen, in die Kapelle. 5 302

* J ˙ ie Sale ehe ah EEE 2

Vierter Akt.

Heinrich. Bin ich in die Kapelle gegangen mit meinen Fürſten? Habe ich Rathſchlag gehalten hinter Deinem Rücken? Ruthart. Was brauchen wir in die Kapelle zu gehn? Nie werden wir annehmen, was in dem Briefe ſteht! (Schwellende Bewegung durch die Kirche.)

Die deutſchen Biſchöfe. Niemals! Nie! Heinrich. Paſchalis, Du hörſt: ſie weigern Dir den Gehorſam. Wirſt Du mir Dein Wort halten gegen Deine Biſchöfe?

(Dumpfe, lange Pauſe.)

Heinrich. Paſchalis, es wird Abend ich gedenke nicht, zur Nacht bei Sankt Peter zu bleiben. Paſchalis. Laß uns allein gehn, Heinrich, laß uns noch einmal be— ſprechen Dich und mich. Heinrich. Ich habe geſprochen. Paſchalis eerhebt ſich im Stuhl).

So rufe ich Gott zum Zeugen und die verſammelte Chriſten— heit, daß es mir unmöglich gemacht wird.

Heinrich (ruhig, ſchneidend, kalt). | So rufe ich Gott zum Zeugen und die verſammelte Chriſten— heit, daß Du ein Wortbrüchiger biſt.

Alle Kleriker. Ha!!

303

* 2 2 h xy 8 e Fl

Kaiſer Heinrich. *-

Heinrich (reicht das Blatt binter ſich).

Nehmt feinen Brief hinaus ins Lager; wenn die Troß⸗ buben Feuer anzünden unter ihren Keſſeln, mögen ſie heizen damit. |

Johann.

Frevel!

Leo. Frevel und Schmach!

Alle Kleriker. Frevel und Schmach!

Heinrich (mit donnernder Stimme).

Glaubt Ihr, der deutſche König ſei über die Alpen ge⸗ ſtiegen, ſich nasführen zu laſſen von einem Schwachkopf? (Halt zu den deutſchen Edlen) Einen Stein habe ich dahingegeben aus meiner Krone wenn er mir hielt, was er verſprach, wäre jeder von Euch als König nach Haus gegangen

Sulzbach.

Das iſt wahr!

Die deutſchen Edlen.

Wahr iſt das! Wahr!

Heinrich.

Zwei Hände voll Gold habe ich ihm gebracht einen Sack voll Wind hat er mir gegeben dafür! Aber die Zeiten ſind vorbei, da man in Rom zur Tafel ſaß und die Knochen über die Alpen warf für die deutſchen Hunde! (er reckt die Hand) Gieb meinen Brief mir her! (Kanzler Albert reicht ihm das Blatt, Heinrich reißt es von oben bis unten durch) Da haſt Du mein Verſprechen! (Wirft die Fetzen an den Boden.)

Johann.

Der Friede iſt zerriſſen!

304

Vierter Akt. —.

Heinrich (steigt von den Seſſelſtufen herab). Um ſo feſter hält die Gewalt. Paſchalis, kröne mich zum Kaiſer.

Johann. Kröne ihn nicht!

Heinrich (zeigt auf Johann). Stopft dieſem Schreier den Mund! Packt ihn und greift ihn! Johann.

Gewalt an Kardinälen! (Er ſträubt ſich gegen Winzenburg und Voh—

burg, die ihn ergreifen.)

Heinrich. Auf den Rücken bindet ihm die Hände!

(Reiſige kommen aus dem Hintergrunde, packen Johann und feſſeln ihm die Hände auf dem Rücken.)

Johann. Römer zu Hülfe Römer! Heinrich (tritt auf Paſchalis zu, faßt ihn an der Hand, reißt ihn vom Stuhle auf). Wenn Dir an Deinem Leben liegt kröne mich zum Kaiſer! Paſchalis.

Heinrich gedenke Deines Eides!

Heinrich Aast ihm ins Geſicht).

Mein Eid? Mein Eid? Grabe nach in Deutſchland, in der ungeweihten Erde, wo Dein Bannfluch ihn verſcharrte, den Todten, den Belogenen, den Betrogenen! Bei den Trümmern ſeines Herzens findeſt Du die Scherben meines Eides, den ich ihm ſchwur, den ich ihm brach, den Du mir brechen halfeſt!

Paſchalis dintt in die Knie). Meine Schuld! Meine Schuld! Meine unſühnbare Schuld!

Heinrich. 305 20

—. Haiſer Heinrich.

Heinrich degt die Hand auf Paſchalis Schulter). Frangipani ſieh hier den Rechenmeiſter, den 1 Dir verſprach!

Frangipani. Ein Ungeheuer ſeh' ich, dem nichts heilig iſt auf der Welt! Wilde Thiere ſchlägt man todt! (er reißt den Dolch vom

Gürtel, will ſich auf Heinrich ſtürzen. Die Deutſchen Edlen ſpringen dazwiſchen, fangen den Stoß auf, halten Frangipani feſt.)

Heinrich (feht ihm lachend zu).

Wenn man nicht ſelber erſchlagen wird! In Stricke mit ihm! u Paſchalis, der noch kniend liegt) Zweimal hat der Hahn gekräht Paſchalis, wenn er's zum dritten Mal thut, geht Petrus aus der Kirche und ſchützt Dich nicht mehr. Kröne mich zum Kaiſer!

Paſchalis.

Ich kann es nicht. Heinrich. Stricke an ſeinen Leib! Bindet den Papſt!

Pier Leone. Gewalt am heiligen Papſt!

Alle Kleriker. Gewalt am heiligen Papſt!

Paſchalis (erhebt beide Hände). Mein Sohn! Mein Sohn! Mein Sohn!

Ruthart (wirft ſich Heinrich zu Süßen). Bedenkt Euch, König Heinrich!

Albert (wirft ſich Heinrich zu Füßen). Es iſt der Papſt! Der heilige Papſt!

306

Bar u leer ö Da

Dierter Akt. +—

Heinrich dacht ihnen gellend ins Geſicht). Einen Vater habe ich auf dem Gewiſſen der Papſt geht in den Kauf! (gu den Reiſigen) Wo bleibt mein Befehl?

Soll ich ſelber Hand an ihn thun? (Die Reiſigen ergreifen Paſchalis,

binden ihm die Hände auf den Rücken.)

Pier Leone (ſtürzt in den Hintergrund). Rettet den Papſt!

(Er reißt die Thür im Hintergrunde auf.)

i Alle Kleriker. Rettet den Papſt!

Vierter Auftritt.

Männer und Frauen des römiſchen Volks (drängen durch die geöffnete Pforte herein. Fackeln werden hereingetragen). P ier Leone (hinausrufend). Sturmglocken durch die Stadt! Kommt mit Waffen! Rettet den Papſt!

Männer und Frauen des Volks. Rettet den Papſt! Heinrich (auf den Stufen ſeines Seſſels, hoch aufgerichtet, zeigt auf die Gefangenen). Treibt ſie zuſammen! Umringt ſie mit eherner Mauer! Für jeden der mir entrinnt, zahlen mir zwei Köpfe!

(Paſchalis wird vom Boden emporgeriſſen, die Reiſigen umringen ihn, ſowie den Biſchof Johann und Frangipant. Hinter der Scene erhebt ſich das Geläut der Sturmglocken.)

Pier Leone (von der Thür aus rufend).

Schlagt den Gottesfrevler todt!

Männer und Frauen des Volks. Schlagt ihn todt!

307 20*

—. Kaijer Heinrich.

Heinrich (entreißt feinem Waffenträger den Helm). Schwerter heraus! Mein Streitroß herbei! (er fegt den Helm auf) Waſcht ab im Römerblut den Schimpf am Deutſchen Kaiſerthron! (er reißt das Schwert heraus) Rache für Canoſſa!

Alle Deutſchen. Rache für Canoſſa! (Sie ziehen die Schwerter) Rache für Canoſſa! (Sie werfen ſich mit geſchwungenen Schwertern auf die Römer, die heulend nach

dem Hintergrunde entfliehen. Die win van werden nach dem Hintergrunde zu geſtoßen.)

(Vorhang fällt.)

Ende des vierten Aktes.

308

»

Künfter Akt. Erſte Scene.

(Im Speierer Dom. Ein Gewölbe unter der Kirche. Ein niedriger, enger, gedrückter

Raum, in deſſen Hintergrund man die Stufen der Treppe ſieht, die zum oberen Theile

des Doms emporführen. In der linken hinteren Ecke iſt eine eiſerne Zwinge in der

Mauer angebracht, die eine in düſterer Flamme brennende Fackel hält; ein dürftiges

Licht erhellt den Raum. In der Mitte des Gewölbes ſteht ein Sarg von ſchlechtem, N halbverwittertem Holz.)

Erſter Auftritt.

Ein Mönch (in brauner, härener Kutte, auf deren Aermel das ſchwarze Kreuz der

Kreuzfahrer aufgenäht iſt, liegt betend über dem Sarg). Bettler (männlichen und

weiblichen Geſchlechts, liegen rechts ER an den Wänden des Gewölbes auf den Knieen).

Der Mönch. | Für ihn, der aus Macht und Herrlichkeit herniederſtieg in den dunklen Tod der ein König war, der ein Kaiſer

war für Heinrich, der nur noch Heinrich iſt, der Aermſte der Armen betet für ihn. Die Bettler (dumpf klagend). Wir beten für ihn. . | Der Mönch.

Hinter ſich ließ er Mantel und Stab, Krone und Schwert, Leben und Liebe, Freude und Licht Einer ging mit das war der Fluch.

Die Bettler.

Der Fluch.

309

Kaifer Heinrich. +

Der Mönch. An die Stätte, die keinen Segen erfuhr, dahin dene

ſie eng

Die Bettler. Dahin ja.

| Der Mönch. Wo kein Zeichen des Himmels zum Himmel weiſt dahin legten ſie ihn.

·

Die Bettler. Dahin ja.

Der Mönch. Ungeſegnet, ungeweiht alſo liegt er.

N Die Bettler. So liegt er.

Der Mönch (richtet ſich auf, breitet beide Arme aus). Daß Gott ſeiner Seele gnädig ſei betet für Heinrich!

Die Bettler.

Wir beten für ihn. (der Mönch ſinkt knieend hinter dem Sarge nieder; die Bettler kriechen und taſten ſich zu dem Sarge heran; ſie ſtreicheln ihn mit den Händen, küſſen ihn; man hört dumpfe Laute und einzelne Worte) „Er gab uns Brot Obdach und Haus unſer a. Heinrich unſer guter unſer Vater.“

Eine Bettlerin (hat am Sargdeckel gerüttelt und bemerkt, daß er nicht feſt ſchließt; ſie richtet ſich auf und flüſtert den Anderen zu).

Der Deckel iſt locker hebt auf. Ein alter (weißbärtiger) Bettler

(tritt ihr gegenüber auf die andere Seite des Schreins). So können wir noch einmal ſein Antlitz ſehn.

310

yue Niemand! (Er legt die Hand auf den Deckel des Schreins.)

Die Bettlerin. uns den Schrein öffnen.

Der Mönch.

Der alte Bettler.

Der Nin

AR >

Alle Bettler. = wehrſt Du uns? 5 Der Mönch. . | Dot lat das jüngſ ſte a

Antlitz geſehn, der ſchläft nicht mehr. Wer den | der hier drinnen liegt, der ſieht nicht bei Tage

ö ott nicht mehr! (er wirft ſich über den Sarg, rauft ſich mit 1 en das Haar) O, Du da drinnen da drinnen Du A 5 das an?! Du, voller Güte vom Undank

in 15 1 8 nicht mehr zum Sohne hob er den Blick 1 5 gehn und es ließ ihn der Sohn. Als er

311

—. Kaifer Heinrich.

wieder kam, war die Stätte leer nie mehr richtet ſein Haupt ſich auf nie mehr breitet die Arme er nie mehr redet der gütige Mund! Ewig geſchieden! Ewig dahin! (er richter ſich auf, breitet beide Arme aus) Tauſende haben nach ihm geſchlagen als ſeine Söhne ſchlugen, brach ihm das Herz. (Er kommt wankend um den Sarg herum nach vorn, bricht in die Kniee) Einer führte den erſten Streich Einer zerbrach zuerſt die Liebe für den Einen, der alſo that, den Sünder der Sünder betet für ihn! (Er ſchlägt mit der Stirn auf den Boden. Die Bettler ſtoßen ſich gegenſeitig an, blicken flüſternd auf ihn. Es entſteht eine dumpfe Stille. Dann erhebt ſich, aus

dem oberen Theile des Doms herkommend, ein leiſer, ſtärker und ſtärker anſchwellender Geſang, Lichterſchein dringt von der Treppe herein.) 1

Sweiter Auftritt.

Chorknaben (in ſchneeweißen Gewändern, kommen mit brennenden Kerzen die Treppe herniedergeſtiegen). Markgraf Werner (kommt hinter ihnen).

Die Chorknaben dingen).

Die Augen, die da weinten ſoll'n den Erlöſer ſehn König Heinrich, Du ſollſt aufſtehn und in den Himmel gehn.“ (Die Chorknaben ſtellen ſich an der Hinterwand in einer Reihe auf. Die Bettler ſind, geblendet vom Lichte, rechts und links zurückgewichen. Der Mönch richtet ſtaunend

den Oberleib auf; indem er Markgraf Werner erblickt, verhüllt er raſch das Geſicht mit der Kappe.)

Werner (iſt auf den Stufen im Hintergrunde ſtehen geblieben).

Wiſſet, daß Heinrich, ſeines Namens der Fünfte, vom heiligen Papſte zum Kaiſer gekrönt, droben im Dom ſeines Vaters wartet, daß er ihn beſtatte zur Seite ſeinen Vätern. Von ihm genommen iſt der Bann eingehen ſoll Kaiſer Heinrich zur Gemeinſchaft der Frommen und der Gerechten!

312

Fünfter Akt.

Die Bettler. Amen! Amen! Amen! (Sie neigen fi mit den Stirnen bis zum Boden.)

Werner

(kommt langſam nach vorn, zu dem Mönche heran, der aufgeſtanden iſt. Werner kniet vor ihm nieder).

Du aber fremder heiliger Mann der Du bei ihm gekniet und gebetet haſt, nicht achtend, ob Tag oder Nacht, ob Hitze oder Kälte, Regen oder Sturm Du ſollſt mit ihm kommen, hinauf in den hohen Dom, daß alles Volk ſich beuge Deinem Segen und Heinrich der Kaiſer vor allem Volk.

Der Mönch

(fährt mit einem dumpfen Schrei zurück, bedeckt das Geſicht mit den Händen).

Werner chält ihn mit beiden Händen am Gewande feſt). Geh' nicht von uns geh' mit mir. Und mich, der ich ihm treu war, der ich ihn liebte ſegne mich.

Der Mönch (breitet ſchluchzend die Arme um Werners Hals, drückt die Lippen auf ſein Haupt). Dich ja! Dich ja Dich ja! (er richtet ſich auf. Er wendet ſich zu den Bettlern) Stehet auf, Ihr Mühſeligen und Beladenen, die Ihr Treue gehalten habt Kaiſer Heinrich, Ihr ſollt ihn heim- tragen zur geweiheten Ruhe.

Bettler und Bettlerinnen (aſſen den Sarg an). Wir! Wir! Wir! (Sie heben den Sarg auf.)

0 (Raſche Verwandlung.)

313

> Kaifer Heinrich.

Zweite Scene.

(Das Innere des Speierer Doms. Man ſieht das Kirchenſchiff der Länge nach. Im Hintergrunde der Bühne der hohe Chor. Rechts und links je eine Pforte. In der Mitte der Bühne, etwas nach dem Hintergrund gerückt, ſteht auf Stufen erhöht, der N Kaiſerliche Thronſeſſel.) 8

Erſter Auftritt.

Kaiſer Heinrich (ſitzt auf dem Throne. Er iſt in goldener Rüſtung, über der er den wallenden, Purpurgeſtickten Kaiſermantel trägt; das Schwert an der Seite; unbedeckten Hauptes). Ruthart (ſteht rechts vom Throne, etwas nach vorn zu. Er iſt im vollen Ornat). Geiſtliche (ſtehen hinter Ruthart. Sie ſind wie er, im Ornat. Einige von ihnen tragen Kruziſire an langen Stäben). Vohburg, Winzenburg, Sulzbach, Katlenburg, Kanzler Albert (ſtehen links vom Thron und hinter dieſem). Praxedis (ſteht vorn links an einer Säule. Sie iſt im weißen Büßerhemd, mit nackten Füßen, aufgelöſtem Haar. Die Hände ſind ihr vor dem Leibe gebunden; in den Händen hält ſie eine brennende Kerze, nach Art derer, die Kirchenbuße thaten). Zwei Häſcher (ſtehen rechts und links hinter Praxedis). Männer, Frauen, Kinder des Volks (füllen in dichten Schaaren den Hintergrund der Kirche. Glockengeläute tönt von oben herab.) .

Heinrich (reckt den Arm das Glockengeläut verhallt. Er wartet, bis es ganz aufgehört f hat, dann ſteht er vom Seſſel auf). f

Die Fürſten der Erde ſind aufgeſtanden wider Heinrich, der der Kaiſer war und haben ihn vom Throne geſtürzt; die Fürſten der Kirche haben ſich zuſammengethan wider ihn und haben ihn begraben an ungeweihter Stätte. Aber der Sohn iſt gekommen, den Natur ihm gebar; die Nacken, die ſich auf⸗ ſträubten wider den Kaiſer, hat er dem Kaiſer gebeugt, den Bann hat er gebrochen vom Haupte des Gebannten, und heute nach Speier habe ich Euch gerufen, in den hohen Dom, Fürſten und Edle, Geiſtliche und Volk, damit Ihr ſehet, wie ich ihn beſtatte am geweihten Ort, zur Seite ſeiner Väter, als einen Kaiſer in Herrlichkeit. (Schweigende Pause.) Strafe iſt durch die Welt gegangen, mit richtendem Schwert; der Trotz ward ge⸗ brochen, der Hohn ward gerochen, und die am ſchwerſten ihn

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; zur Buße has ic fe geſtet Euch Allen Da ſteht ſie das Weib.

5 Präxedis (ſchluchzend). ene vor Gott, vor Be und Volk, daß nr

4 en (ſpringt auf). 2 5 wt Du kannſt mich nicht richten!

Heinrich (an ſich haltend). „daß Du vom Throne, darauf er Dich ge⸗ zur Seite, davongegangen biſt, wie eine Dirne?

Präxedis. ſt Du, daß Du gegen ihn, der Dein Vater war, wie ein Bube?

8 Heinrich. ö d. Sd auf ſein Haupt geladen haſt vor allem

Präxedis. Du den Tod in ſein Herz getragen haſt vor aller

315

. Kaifer Heinrich.

Heinrich. Daß Du Buhlſchaft getrieben haſt mit Frangipani, dem wälſchen Mann?

Präxedis. Nein!

Heinrich. Bekennſt Du's?

P räxedis (gellend). Nein!

H einri ch (zu den Verſammelten). Und ich ſage Euch: ſie that's!

Praxedis bebt die Arme. Und ich ſchwöre bei dem dreieinigen Gott: ich that es nicht!

Heinrich. Darum verkünde ich Dir das Gericht, und das ei \ der Tod!

Präxedis. Darum lügſt Du, wenn Du von Gericht ſprichſt; mich erſchlägt Dein Haß!

Heinrich (in Wuth auffahrend).

Ja denn ich haſſe Dich! Einſchleicherin in Deutſch⸗ lands Majeſtät! Unkönigliche Seele am königlichen Ort! Seit ich denke und fühle, habe ich Dich gehaßt! Gluth ſoll mir löſchen die Gluth; auf den brennenden Holzſtoß will ich Dich ſtellen, und Feuer ſoll verzehren Deinen Leib!

Präxed is (treckt voller Entſetzen die Hände gegen ihn aa Das wirſt Du mir nicht thun!

316

a Fünfter Akt. +

Heinrich. Du wirſt es erfahren.

Präxedis. Kannſt Du ſo thun an dem Weibe, das Dein Vater geliebt? N

Heinrich. Mahnſt Du mich der Stelle in ſeinem Herzen, wo ſein Herz unköniglich war?

Präxedis (fällt in die Kniee, ſtreckt die gerungenen Hände gegen die Verſammelten aus).

Richtet mich Ihr! Gebt mich nicht ihm in die Hand! Heinrich

(iſt bis zu ihr herangetreten, ſtreckt die Hand über ſie aus). Hier meine Hand, in die Du gehörſt (wendet ſich zu den

Verſammelten) Wer erhebt Fürſprache für ſie?

Sweiter Auftritt. (Aus der offenen Pforte links ertönt in dieſem Augenblick der Geſang der Chorknaben.)

Die Augen, die da weinten ſoll'n den Erlöſer ſehn König Heinrich, Du ſollſt aufſtehn und in den Himmel gehn. (Die Bettler tragen von links den Sarg herein; eine tiefe Bewegung ſchauert durch

die Kirche. Der Mönch kommt hinter dem Sarge her. Der Sarg wird inmitten der Bühne niedergeſetzt.)

Präxedis

([ſpringt auf, flüchtet hinter den Sarg, wirft ſich nieder, die Arme über den Schrein gelegt, ſchreit).

Gottes Gericht zwiſchen Dir und mir! Rette mich, Heinrich, vor Deinem Sohn!

317

. Katjer Heinrich.

Heinrich. Ah Geht ihr nach plötzlich ſteht der Mönch zwiſchen ihm und Präredis) Wer vertritt mir den Weg?

Der Mönch chalblaut). Einer, der von Dir zu fordern hat.

Heinrich (ſtutzt bei dem Klang der S Die Todten ſtehen auf

Der Mönch. Gieb der Welt das Herz wieder, das Du ihr ausgeriſſen haft. (Er ſchlägt die Kapuze vom Geſicht, blickt Heinrich in die Augen.)

Heinrich (mit erſticktem Laut). Konrad! Konrad. ö f Konrad, todt für die Welt, einmal noch lebendig für Dich. (Mit einem Griff ſchiebt er den Deckel des Sarges zurück) Gieb mir den wieder! 0

Heinrich (wirft einen Blick auf den Todten, taumelt zurück).

Mein Vater!! Dumpfes Geflüſter in der Volksmenge

(im Hintergrunde).

Seht ihn an! Seht ihn an! Der alte Bettler

(der mit den übrigen Bettlern knieend am Sarge liegt). Wie er vor ſeinem Vater flieht! Zeigt mit der Hand auf Heinrich.)

Die Bettlerin «ellend). Er hat uns um unſeren Vater gebracht!

Die Volksmenge (mit brüllendem Schrei).

Unſeren Kaiſer gieb uns wieder!

(Die ganze Menge kommt im Sturm nach a den Sarg in dichtem Schwarm ums ringend.)

318 5 BR

8 uff w.

or alte Bettler (auf Ruthart zeigend). der, der ihn hingeworfen hat am ungeweihten Dit!

A Die Bettlerin. me Kreuz! Ahne Segen! Das iſt der!

Alle benen Ruthart).

5 Ruthart hr nicht, daß er im Banne war? Wißt Ihr nicht, ER art Der alte Bettler. f uns! Nicht für uns! 2 Die Bettlerin. | = Das war er! A = 5 alte Bettler. 5 er! Das iſt er! | 85 Alle.

. Ein Heiliger! Ein Helnger!

und ber ſtürzen ſich über den Sarg, küſſen dem Todten Hände, nl Ein ſchluchzendes Geheul erfüllt die Kirche.)

Heinrich

mit alen Weg auf den Vorgang niederblickend).

5 Ark mir gelogen, daß ich der Kaiſer ſei? Dieſer 1

55 heilige Mann ſpricht!

* 319 955 7 si

en *

. Kaifer Heinrich.

Alle (nachflüſternd). Der heilige Mann ſpricht!

«Eine tiefe Stille tritt plötzlich ein; die ganze Volksmenge ſinkt 1 in die aner

Konrad (ganz vorn ſtehend, ohne ſich umzuwenden).

Wer ſoll richten über Kaiſer Heinrichs Herz? Heinrich (ſinkt am Thronſeſſel in die Kniee, das Geſicht auf den Seſſel gedrückt). Wer da Gewalt hat über ihn ich habe ſie nicht. i Konrad (wie vorhin). Wer ſoll richten über Kaiſer Heinrichs Weib?

Heinrich (winkt, abgewandten Hauptes Praxedis zu). 5 Gehe Du hin zu dem heiligen Mann; ich gebe Dich aus meiner Hand; ihm gebe ich Dich in die Hand.

Konrad (die Arme über der Bruſt gekreuzt, ſtarr vor ſich hinblickend).

Präxedis

(Praäxedis ſchleppt ſich auf den Knieen, zu ihm aufſtarrend, zu ihm heran). Konrad (unbeweglich, wie vorhin).)

Von der Buße komm' ich zur Buße kehr' ich zurück Weib Heinrichs, die Du Sünde thateſt an ihm willſt Du mit mir gehen den Weg, den ich gehe?

Präxedis (legt die Hände auf Konrads Bruſt). Ich will

(Konrad ſtreckt die Hand über ſie aus)

(Vorhang fällt.)

Ende des Stückes.

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